Sturm & Drang von die-in-darkness ================================================================================ Kapitel 74: Schöne Bescherung ----------------------------- Kapitel 74 Der dunkelhaarige musste seine Gedanken neu sortieren. „Warte mal...Du bist schwanger...“, er deutete auf Hilary. „...aber du warst doch... Und du wolltest das Kind doch nicht?“, er deutete auf Kai. „Aber wieso das denn jetzt?!“, verwirrt sprang er vom Stuhl auf und umarmte die werdende Mutter. Auch der werdende Vater bekam einen ermutigenden Blick zugeworfen. Sein Blick fiel nun auf das kleine Geschenk. „Mensch...da habe ich das komplett falsche Geschenk besorgt!“ „Scheint so.“, stimmte Kai trocken zu. „Oh Wahnsinn...ich freue mich total für dich...ich mein euch! Dass du dich doch dafür entschieden hast, du Sturkopf.“ „Pffff....“, entfuhr es dem Russen nebenbei. „Darauf müssen wir erstmal einen trinken!“, beschloss Gregor und holte die Flasche Wodka aus dem Kühlschrank. Er sah streng zu Hilary. „Aber du nicht!“ „Nein, keine Sorge. Ich mag das Zeug eh nicht besonders...“, winkte sie schnell ab und die drei setzten sich in gemütlicher Runde auf das Sofa. Gregor schaute hin und wieder auf seine Armbanduhr. Kai musterte ihn neugierig. „Hast du noch was vor?“ „Nein! Wie kommst du darauf? Ich warte nur auf etwas.“ „Es ist kurz vor Neun, da wird wohl keine Post mehr ausliefern...“, stellte er nüchtern fest. „Stimmt, es ist aber noch ein Geschenk unterwegs...ziemlich groß...“ „Davon hast du uns gar nichts erzählt.“ „Ja, es sollte doch eine Überraschung sein.“ „Für wen?“ „Für Kai. Ich habe ein wunderbares Geschenk für dich! Was habt ihr euch eigentlich geschenkt?“, lenkte er das Thema gezielt um. Das junge Paar schaute sich überfragt an. „Nichts.“, sagte Kai und nahm einen Schluck aus seinem kleinen Glas. „Wie langweilig... Ihr seid so jung und schenkt euch nichts...“ Kai verdrehte die Augen. Im gleichen Moment klingelte Gregor's Handy. Erschrocken zog er es aus der Hosentasche, um dann noch nervöser das Display zu betrachten. „Ihr entschuldigt mich bitte kurz, ja?“, rasch rannte er vom Wohnzimmer in den Flur. „Was hat er denn?“ „Keine Ahnung...aber ich weiß, dass wir jetzt ein wenig Zeit für uns haben.“, der blau-haarige rückte näher zu seiner Frau. Der schlug das Herz bis zum Hals. Worauf wollte er hinaus? Er fuhr fort: „Da du unsere Abmachung nicht eingehalten hast...war ich gezwungen sie ebenfalls zu brechen.“ Hilary sah ihn ratlos an. Kai war nicht untätig gewesen in den zwei Wochen nachdem die Japanerin ihm gebeichtet hatte, die Abtreibung doch nicht gemacht zu haben. Er zog eine kleine Schachtel hervor und hielt sie seiner Angebeteten hin. Die brünette wusste nicht ob dieser Moment wahr oder Traum war. Wollte er etwa? Er öffnete die kleine blau überzogene Samtschachtel. „Naja, jetzt wo wir bald zu viert sein werden...dachte ich, dass du vielleicht meine Verlobte sein willst?“, er öffnete die kleine Schachtel langsam und der jungen Frau funkelte ein dünner silber-roter Ring, der in Blütenform gefertigt wurde, entgegen. In der Mitte der Blüte blitzte ein kleiner Rubin hervor. Hilary stand der Mund offen. Sie blinzelte einige Male ehe sie antwortete. „Der- der ist wunderschön...“, bestaunte sie das kleine funkelnde Schmuckstück vor ihren Augen. „Wir sind zwar schon auf dem Papier verheiratet aber...Vielleicht willst du noch Frau Hiwatari werden.“, verdeutlichte er sein Anliegen. Das war also doch kein Scherz von ihrem Mann. Er fragte sie wirklich. Er machte ihr einen Antrag an Weihnachten! Es gab für die junge Frau keine andere Antwort. „Ja!“, rief sie unter Strom und er steckte ihr den Rosenring vorsichtig an. Darauf folgte ein hauchzarter Kuss von Kai, der sichtlich erleichtert war, dass sein Vorhaben nicht scheiterte. Glücklich fiel Hilary ihrem Mann um den Hals. Sie konnte den Blick gar nicht mehr von ihrer Hand lassen. Erst Gregor lenkte ihren Blick auf sich als er zurück in die Stube kam. „Oh, ich wollte euch bei nichts stören!“, entschuldigte er sich sofort, da er Kai noch kein einziges Mal so nah bei seiner Frau gesehen hatte. Mehr als einen verstohlenen Blick warf er der brünetten nie zu in seinem Beisein. Die beiden jetzt Arm in Arm zu sehen, war etwas viel auf einmal. „Musst du etwa wieder arbeiten?“, erkundigte sich Hilary. „Nein. Aber dein Geschenk wird jeden Moment hier eintreffen.“, wand er sich an Kai. Just im selben Augenblick klingelte es an der Haustür. Sein Geschenk konnte eigenständig an der Tür klingeln? Was führte er nun wieder im Schilde? „Ich geh kurz aufmachen.“, lächelte der Arzt und huschte erneut aus der Stube. Das junge Paar warf sich ratlose Blicke zu. Hilary zuckte mit den Schultern. Sie war nicht eingeweiht, dass war klar. Die beiden mussten einen Moment warten, der schier unendlich dauerte. Endlich wurden sie erlöst. Gregor kam in Begleitung einer Frau in seinem Alter herein. Zurückhaltend trat sie ein und hob verunsichert ihre Hand. „Guten Abend.“, sagte sie leise. „Nicht so schüchtern. Darf ich euch Yulia vorstellen? Ich habe sie vor einigen Monaten kennengelernt und wollte sie euch vorstellen.“, lächelte der Brillenträger erst Hilary und Kai an, dann Yulia auch. „Das soll deine Überraschung sein?“, entfuhr es dem blau-haarigen ungeduldig. „Deine Unbekannte, von der du im Krankenhaus schon gesprochen hast? Was hab ich mit ihr zu tun?“ Gregor wirkte verunsichert. Kai machte nicht den Eindruck, als wäre er hellauf begeistert. „Naja so ist das nicht. Eigentlich ist sie sehr bekannt.“, versuchte der kurzhaarige die Situation zu wenden. „ehm...ich kenne sie schon ganz gut. Naja...“, druckste er weiter. „Und was willst du uns jetzt sagen, Gregor? Komm zum Punkt.“ „Ja, natürlich...äh...Yulia ist nicht nur 'die Unbekannte' von der ich dir erzählt habe, sondern...wie sag ich es am besten...Yulia, das ist Kai!“, sagte er überzeugt. „Kai...ähm...das ist Yulia Hiwatari...deine Mutter.“ Hilary sah ihren Mann verdutzt an. Was sagte er da gerade? Der Halbrusse war gelähmt. Das konnte nicht sein. Seine Mutter war tot. Seit über 15 Jahren! Diese Frau konnte unmöglich seine Mutter sein! „Nein. Sie ist tot.“ „Ganz im Gegenteil! Zusammen haben wir herausgefunden, dass sie noch lebt! Sie lebt, Kai!“ „Nein.“, sagte er bestimmter. Das wollte nicht in seinen Kopf. Seine Mutter war tot! Er sah sie im Krankenhaus. Die Ärzte stellten die Geräte ab und- „Nein! Das ist nicht wahr!“, wütend stand er von der Couch auf. „Kai...“, sprach Yulia sanft zu ihrem Sohn. Sie hatte unglaubliche Angst davor, dass er sie nicht erkennen würde. Es waren 15 Jahre vergangen. „...ich habe damals mein Gedächtnis verloren...nach dem Unfall...ich wusste nicht was mich zurück nach Moskau brachte, aber mit Gregor's Hilfe habe ich es geschafft mich zu erinnern!“ „Nein. Ich glaube dir kein Wort. Meine Mutter ist tot.“, da konnte ja jede dahergelaufene Frau in ihrem Alter ankommen und behaupten seine Mutter zu sein. Er wusste war er als Kind gesehen hatte, aber der blau-haarige hatte nur noch verschwommene Erinnerungen daran. „Bitte glaub mir, Kai. Ich habe mich an Tomoto erinnert, dass ich studiert habe mit Gregor...und an dich...du warst noch so jung damals...“; in ihr kamen unendlich große Schuldgefühle auf. Sie konnte nicht mehr für ihren Sohn da sein. Sie wurde ihm einfach entrissen. „Ich weiß, dass das jetzt nicht leicht für dich ist-“ „Raus. Geht!“, er deutete Richtung Ausgang. „Ist das dein ernst?“, fragte sein langjähriger Freund ungläubig. „Raus!“ Hilary fuhr zusammen und stand ebenfalls auf. „Beruhig' dich bitte, Kai...“, flüsterte sie ihm zu und legte ihre Hand auf seinen Oberkörper. Sie wand sich an Yulia und Gregor. „Vielleicht ist es wohl besser ihr geht jetzt...bitte...“, die Japanerin brachte den Besuch zur Haustür und entschuldigte sich dort noch einmal bei ihnen. Der Arzt machte sich nichts aus Kai's Reaktion. Im Gegenteil, er rechnete damit und auch Yulia hatte er auf eine barsche Abfuhr vorbereitet. „Mach dir nichts daraus, Hilary. Kai ist bei diesem Thema sehr empfindlich.“, erklärte er und umarmte die brünette, ehe er mit Yulia hinaus in die Nacht ging. „Ich hab es dir ja gesagt. Er ist nicht mehr der liebe, kleine Kai von damals.“, redete der kurzhaarige drauf los, während Yulia stumm neben ihm lief. Sie hoffte, dass ihr Sohn sie wieder erkennen würde, doch dafür war scheinbar zu viel Zeit vergangen. „Ach komm Yulia...“, Gregor sah, dass sie weinte und drückte sie an sich. „...er ist stur. Wir müssen nur am Ball bleiben. Kopf hoch...“ „Ja...“, alle Aufmunterung half ihr gerade nicht. Zu sehr war sie enttäuscht. Und auch in Kai's eigenen vier Wänden wollte nicht mehr so recht Weihnachtsstimmung aufkommen. Der Abend war gelaufen und in dem Halbrussen rissen all die alten Wunden wieder auf, der er sorgfältig versuchte zu verschließen. „Was denkt sich Gregor eigentlich dabei? Irgendeine wildfremde Frau hier an zu schleppen und behaupten zu lassen SIE sei meine Mutter?!“, er redete sich in rage. Hilary versuchte ihn zu beschwichtigen. „Was, wenn es die Wahrheit ist?“ „Nein! Ich habe gesehen wie sie gestorben ist!“, rief er erzürnt und ließ seiner Frau das Blut in den Adern gefrieren. Er musste mit ansehen wie sie starb? Als kleines Kind? „D- das ist ja...fürchterlich...“, Hilary hielt ihre Hand vor den offenen Mund. Sie wusste nicht was sie darauf sagen sollte, denn der Schock saß tief. „Wie soll sie denn überlebt haben, hm? Ein toter Mensch wird wohl kaum wieder von selbst anfangen zu atmen!“ „Das weiß ich...aber...vielleicht gibt es doch eine-“, die Japanerin wusste sich keinen Rat auf ihre Aussage, daher brach sie ihren begonnenen Satz ab. „Keine Ahnung wie das gehen soll...aber du siehst ihr ähnlich...“, er horchte auf. „Das kann auch ein dummer Zufall sein. Es gibt Milliarden Menschen auf diesem Planeten!“ „Ja...“, sie seufzte. „...hast du denn ein Foto von deiner Mutter?“ „Wieso?“ „Wenn wir es ihr zeigen, erinnert sie sich vielleicht daran.“, das war keine schlechte Idee, auch wenn der Russe überzeugt war, seine Zeit damit zu verschwenden. „Einen Versuch ist es wert. Ein Foto habe ich aber nicht.“ „Schade...“, enttäuscht sah sie zu Boden. „Es hätte so ein schöner Abend werden können...“, seufzte die brünette leise vor sich hin und räumte den Couchtisch ab. Ihr Mann, der in Gedanken aus dem Fenster schaute, nickte stumm. „Ich geh jetzt hoch. Ich bin total müde. Ist das okay für dich?“, wand sie sich an Kai. „Ich komm auch gleich...“, er sah ihr kurz nach als die braunhaarige die Treppe hoch ging. Kai konnte erkennen, dass sie den Ring erneut ansah und ihr Hand darauf fest an sich drückte. Oben dachte Hilary darüber nach, wo eigentlich Kai seinen Ring hatte. Sie sah keinen an seiner Hand. Als ein paar Minuten später ins Schlafzimmer kam, visierte sie unauffällig seine Hand an. Hilary ergriff die Initiative. „Kai? Ich hab mich gerade gewundert... Wo ist dein Ring?“ Lässig mit den Händen in der Tasche schritt er an das Bett und zog die Hände aus den Hosentaschen. In einer Hand hielt er ebenfalls einen Ring. Er war breiter als ihrer aber auch in silber-rot. „Hier.“ „Trägst du ihn nicht?“ „Nein. Schmuck ist hinderlich während der Arbeit, außerdem stört es mich etwas an den Fingern zu haben.“, und ließ das kleine Schmuckstück zurück in die Tasche gleiten. Erneut konnte die braunhaarige nur enttäuscht nicken. Ob es ihn wirklich nur störte? „Leg dich hin.“, jeder rutschte auf seinen Platz und deckte sich zu. Hilary rückte ein Stück näher an ihren Mann heran, einfach weil sie jetzt seine Nähe brauchte und er vielleicht ihre auch. Am folgenden Morgen war die schwangere schon früher auf, als der blau-haarige Russe neben ihr. Sie hatte am Abend zuvor einen Plan ausgeheckt, den sie jetzt umsetzen wollte. Sie schlich leise aus dem Schlafzimmer heraus, herüber ins Badezimmer, denn die Japanerin hatte genau vor Augen was sie brauchte. Gezielt griff sie in eines ihrer Kästchen und zog etwas heraus. Strahlend beäugte die brünette das glänzende Stück ehe sie zurück ins Schlafzimmer schlich. Vermutlich würde Kai schon bald bemerken, dass seine Frau nicht mehr neben ihr lag. Hilary hockte sich vor die gestrige Kleidung ihres Mannes und kramte das Gegenstück zu ihrem Ring aus der Tasche. Nur ein paar Augenblicke später setzte sich Kai im Bett auf. Von dem Geraschel geweckt gab er sich Mühe die Augen aufzuhalten, da wurde ihm schwungvoll etwas über den Kopf gelegt.Auf einem Schlag war er wach. „Was?“, er sah in Hilary's strahlende Augen. „Ausgeschlafen?“, lächelte sie zufrieden. Kai rieb sich nochmal die Augen und kratzte sich kurz am Shirtkragen. Da fiel ihm auch, was ihm um den Hals gelegt wurde. Er hielt inne um seinen Blick zu senken. „Was soll das?“ „Ich dachte, wenn du ihn schon nicht am Finger trägst, dann vielleicht lieber so?“, ihre Freude über ihre geniale Idee konnte Hilary einfach nicht verbergen. An seinem Hals baumelte eine dünne Silberkette an der sein Verlobungsring hing. „Ganz tolle Idee... Ich trage keinen Schmuck, Hilary.“, im gleichen Moment nahm er das kleine Geschenk wieder ab. „Aber das kannst du nicht machen!“ „So?“ „Nein! Weil es Unglück bringt, wenn einer seinen Ring nicht trägt!“, versuchte die schwangere ihn wieder dazu zu bewegen die Kette wieder anzulegen. Kai bliebt unbeeindruckt von ihrer Drohung. „So ein Blödsinn.“ „...dann trag ihn doch wenigstens für uns...“, die Stimmung der Japanerin schlug mit einem Mal um. Sie war traurig darüber, dass er einfach nicht zeigen wollte, dass sie beide zusammengehörten. Hilary verließ das Schlafzimmer. Der Halbrusse musste sich erneut sammeln. Er war nicht einmal richtig wach und wurde gleich mit so einem Unterfangen überrumpelt. Jetzt piepte auch noch sein blödes Telefon. Am liebsten hätte er sich wieder hingelegt. Der Russe sah auf das leuchtende Display. 1 neue Nachricht von Gregor: Guten Morgen, Kai! Entschuldige die Aktion gestern war etwas undurchdacht. Vielleicht kommt ihr einfach zum Mittagessen vorbei? Gregor Genervt schloss er die Augen und atmete tief durch. Womöglich keine schlechte Idee, dachte sich Kai. Da konnte er seinem Freund gehörig auf den Zahn fühlen. Seine Antwort fiel entsprechend knapp aus. „O.k.“, tippte er in sein Display ein und schickte die Nachricht ab. Darauf fuhr er sich mit den Händen durch die Haare und stand auf. Eine lockere Hose und ein kurzes Shirt reichten ihm Zuhause. Jetzt galt es erstmal seine Frau zu beschwichtigen. Dazu schnappte der blau-haarige sich das kleine Geschenk seiner Frau und ließ es in der Hosentasche verschwinden. Hilary fand er im Wohnzimmer. Sie schaute zur Ablenkung fern. „Hil?“, doch auf seine Ansprache reagierte sie nicht. Er kam auf die brünette zu und nahm ihr die Fernbedienung aus der Hand. Das Bild wurde schwarz. „Hey!“ „Ich rede mit dir.“ „Was ist denn?“, entfuhr es ihr genervt. „Wegen eben. M-“ „Ja, du trägst keinen Schmuck, ich weiß es...“ „Ja...aber das sollte in Ordnung gehen.“, er zog die Kette aus der Tasche und ließ sie vor seinen Augen baumeln. „Die stört sicher nicht so sehr, wie ein Ring an der Hand.“ „W-wie?“, jetzt fuhr sie herum, als er die Kette anlegte. Er stützte sich auf der Couchlehne ab. Ein kecker Blick von der Seite zu seiner Frau, ließ ihr ein kleines Grinsen entlocken. „Ich war nicht mal richtig wach...und du überraschst mich so...“ „Hm...da brauch ich mich nicht wundern... Dass du so reagierst... Gefällt es dir trotzdem?“, fragte sie vorsichtig nach. Er lächelte sie sanft an, worauf der blau-haarige seine Frau zu sich zog und sie liebevoll küsste. Gedanklich war der Halbrusse schon beim nächstes Tagespunkt. Als ihr Kuss endete fuhr er fort. „Wir sind heute bei Gregor zum Mittagessen eingeladen.“ „Oh toll! Sag ihm, dass wir kommen.“ „Hab ich schon. Da kann er sich was anhören.“ „Fang doch nicht schon wieder damit an...“ „Ich will wissen was Sache ist. Weiter nichts.“ Die brünette seufzte. Scheinbar konnte sie ihren Mann nicht davon abbringen, mehr erfahren zu wollen. Am Vormittag machten sich die drei auf den Weg zu Gregor. Sie parkten in der Nähe der Klinik und liefen das restliche Stück zu Fuß. Alles war bedeckt mit Neuschnee. Sehr zur Freude von Emilia. Sie tapste wild durch den Schnee und versuchte ihn mit ihren kleinen Handschuhen aufzuheben. Jetzt wo die kleine selbstständig laufen konnte, war nichts mehr sicher vor ihr. Für ihre Eltern bedeutete das allerdings, dass sie noch mehr Acht geben mussten auf ihre Tochter. Denn die war jetzt auf dem Weg zur nahe gelegenen Rutsche. Mutig stieg Emilia die erste Stufe hinauf als sie von ihrem Vater heruntergehoben wurde. „Das ist noch nichts für dich.“, sagte er ruhig und nahm sie auf den Arm. Emilia passte das aber nicht. Sie wehrte sich mit Händen und Füßen und strampelte verrückt herum. Das nutzte ihr nichts. Einen Moment später fand sie sich im Wagen sitzend wieder. Protesthalber fing sie an zu schreien und brach in Tränen aus. „Ach Emilia...wir wollen doch zu Gregor. Nachher kannst du spielen. Jetzt gehen wir essen.“, erklärte Hilary ihrer Tochter, die sich daraufhin etwas beruhigte. Von ihrem Vater erntete sie einen strengen Blick. Schließlich kamen sie am Appartement von Gregor an. Kai klingelte und setzte sein Pokeface auf. „Schau nicht so ernst.“, die braunhaarige strich ihrem Mann über das Gesicht, worauf er sich entspannte bis die Tür geöffnet wurde. Hallo ihr drei!“, Gregor öffnete die Tür fröhlich. „Frohe Weihnachten! Kommt doch herein!“ „Danke für die Einladung.“, bedankte sich Hilary höflich, wie sie es gelernt hatte und umarmte den Brillenträger einen Moment. Er beugte sich herunter zu Emilia um auch sie zu begrüßen. „Frohe Weihnachten auch dir, kleine Maus.“, grinste er breit. „Hat sich dein Papa wieder beruhigt?“, grinste er weiter und wusste, dass er in einem Hornissennest herumstocherte. Kai überhörte gekonnt seine Anspielung auf den gestrigen Abend. Wortlos hängte er die Mäntel von sich und Hilary auf und begab sich in das Wohnzimmer in dem es schon köstlich duftete. Als er dort Yulia erblickte, die gerade mit einem Stapel Teller hereinspazierte, trafen sich ihre Blicke. Sein kalter Ausdruck traf sie mitten ins Herz. Yulia hielt inne. Sie wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Ihr Sohn drehte sich zum Gehen herum. „Du bleibst schön hier! Das haben wir besprochen, Kai!“, der Halbrusse drehte sich genau in Hilary's Arme, die mit Emilia in der Tür stand. Leicht legte die brünette ihre flache Hand auf seine Brust und schon ihn zurück ins Wohnzimmer. „Reiß dich bitte zusammen.“, zischte sie ihm leise aber bestimmt entgegen ehe sie Yulia freundlich begrüßte und sofort ihre Hilfe anbot. Emilia stelle sie Yulia vor. Sie kannte die kleine noch nicht. „Schau mal Emilia, das ist Yulia. Sie ist eine Freundin von Gregor.“, Yulia lächelte verlegen und bot der kleinen ihre Hand zur Begrüßung. Nach einem prüfenden Blick griff Emilia zaghaft nach der weichen Frauenhand. „Freut mich dich kennenzulernen, Emilia.“ Gleich darauf stellte Hilary ihre Tochter herunter um sich zu schonen. Die schwangere durfte nicht mehr schwer heben, und wenn doch nur kurz. Sie wusste was sie tun durfte und was nicht. Emilia genoss es noch sehr getragen zu werden. Sie wollte schon protestieren, da erblickte sie einen leuchtend bunt geschmückten Weihnachtsbaum in der Ecke des Raumes. Ihre Unzufriedenheit wich sofort der Neugier. Zielsicher tapste sie drauf los. „Die kleine ist ja zuckersüß.“ „Danke.“, lächelte Hilary kurz und griff sich ein paar Teller. „Lass mich dir beim Tisch decken helfen.“ Am anderen Ende des Raumes herrschte ein ganz anderer Ton. „Was soll der Mist? Erst schleppst du sie bei mir Zuhause an, dann entschuldigst du dich, lädst uns zum Mittagessen ein und dann steht sie auch hier und deckte seelenruhig den Tisch!“, Kai machte keinen Hehl daraus, wie sehr ihn die Anwesenheit von Yulia störte. „Sie kann doch nirgend wo anders hin. Ich habe ihr angeboten bei mir zu wohnen.“ Skeptisch hob der blau-haarige eine Augenbraue. „Und da Yulia diene Mutter ist, ist es das mindeste was ich für sie tun kann.“, fuhr er fort. Kai überzeugte aber auch diese Aussage nicht im geringsten. „Hast du ein Fotoalbum von der Zeit in der meine Mutter noch lebte?“ „Natürlich.“ Der jüngere sah seinen Gegenüber auffordernd an. Gregor schnaufte. „Du willst, dass ich das Album jetzt auskrame...“ „Du hast es erfasst.“ Ein paar Minuten später blätterte Kai in dem Album herum. Jedes Bild seiner Mutter betrachtete er genauestens. Einige waren älter als er selbst, die würden sich nicht eignen für seinen Test. Und auf Gregor konnte er sich auch nicht verlassen, wenn er behauptete, dass sie seine Mutter war. Er blätterte weiter stumm in dem Buch herum. „Das Essen ist fertig!“, rief Hilary aus der Küche und spazierte mit einer großen dampfenden Porzellanschale herein. Sorgsam stellte sie die ab. „Komm Emilia. Es gibt leckeres Essen!“, die kleine sah nur flüchtig zu ihrer Mutter und wollte ihr Vorhaben, eine dieser bunten Weihnachtskugeln zu angeln, beenden. Vorsichtig griff sie danach. „Die Kugeln gefallen dir, was?“, hockte sich der Brillenträger neben sie, worauf Emilia die kleine Hand sofort zurück zog und nur darauf zeigte. „Da!“ Gregor lächelte wissend. „Hier.“, er hängte die Kugel ab, die Emilia ihm eben zeigte. Jetzt baumelte sie vor dem kleinen Gesicht. Ihre Kinderaugen wurden mit jeder Sekunde größer und größer. Aufgeregt versicherte sie sich bei dem Brillenträger, dass dieser nicht schimpfen würde und griff nach dem Band der Kugel. „Komm, nimm sie mit zum Tisch.“, sie nickte und tapste stolz mit ihrer Kugel zu Tisch und zeigte sie glücklich herum. „Dann können wir jetzt anfangen.“, stellte Yulia zufrieden fest. Als alle am Tisch saßen verteilten die beiden Frauen das Essen auf die Teller. Kai schaute überrascht auf seinen Teller, der ihm gereicht wurde. Das Essen sah köstlich aus und schon beim bloßen Anblick lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Emilia bekam auch ihre kleine Portion. Während die Erwachsenen darauf mit einem Glas Wein anstießen, begann Emilia schon zu essen. Danach herrschte eisige Stille am Tisch. Nur Hilary, die ab und zu mit ihrer Tochter redete, bildete die Ausnahme am Tisch. Kai der neben seiner Frau saß, beäugte kritisch seinen Gegenüber. Gregor. Seine Blicke durchbohrten den Brillenträger förmlich, bis dieser sein Besteck niederlegte. „Könntest du das bitte sein lassen, Kai...“ Der Angesprochene zog lediglich eine Augenbraue hoch und sah zurück auf seinen Teller. Ein kurzer Blick zu seiner Frau zeigte, dass ihr sein Verhalten nicht entgangen war. Sie ging nicht darauf ein, sondern wand sich an Yulia. „Das Essen schmeckt wirklich sehr gut.“, versuchte die braunhaarige ein Gespräch zu beginnen. Geschmeichelt von ihren Worten bedankte sich Yulia bei ihr. „Danke. Es ist gar nicht so schwer, weißt du? Und in der Vorbereitung dauert es auch nicht lang.“ „Wirklich?“ „Ja. Wenn du alles richtig machst, brauchst du nicht mehr als eine Stunde dafür. Außerdem war es Kai's Leibgericht. Ich musste es ihm fast täglich kochen, als er klein war.“, lächelte sie in Erinnerungen vertieft. Kai schloss seine Augen und hielt einen Moment inne, um sich zu beruhigen. „Glaubst du ihr jetzt endlich?“, erkundigte sich Gregor erneut bei dem blau-haarigen. „Nur Yulia selbst, weiß was du als Kind mochtest und keiner weiß es besser als sie!“ „Du weißt auch gut über mich Bescheid. Ich glaube ihr gar nichts.“ „Ach Junge...“, Gregor verzweifelte immer mehr. So stur und ignorant sah er den Russen selten. Und irgendwann musste es doch auch wieder gut sein. Er sammelte das Besteck und die mittlerweile leeren Teller zusammen, um sie zurück in die Küche zu bringen. Yulia half ihm dabei. Nur Kai blieb stumm am Tisch sitzen. Er hatte einen Plan, den er jetzt umsetzen wollte. Als Hilary Emilia ins Bett gelegt hatte und zurück am Tisch war, schnappte sie sich die letzten Töpfe und ging aus dem Raum. Gerade kam Yulia zurück an den Tisch als Kai aufstand. Er atmete angestrengter. Wenn sie ihm das erklären konnte, hätte er den Beweis für sich. Er knallte ein leicht vergilbtes Foto auf den Tisch. „Was ist auf dem Foto passiert?“, sagte er hart und schaute Yulia ungeduldig an. Yulia nahm das Foto in die Hand und schaute es sich ruhig an. „Was soll das Kai?!“, fiel der Brillenträger dazwischen als er sah, was er gerade verlangte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)