Der lange Weg nach Hause von Des-C-Kudi ================================================================================ Akt VI: Gegengift ----------------- Akt VI Gegengift . . . Es fielen nur noch vereinzelt Regentropfen vom Himmel.   Langsam kehrte sein Herz in seinen normalen Takt zurück. Er lag komplett durchnässt mit dem Rücken auf dem Laubboden und schaute nach Atem ringend die Sterne an, die hinter den Wolken aufgetaucht waren. Wenn er nicht schleunigst seine Klamotten loswurde, würde er sich garantiert noch den Tod holen.   Aber Sasuke registrierte seinen desolaten Zustand kaum.   Seine Gedanken galten nur der Frau, die er unten im Tal zurückgelassen hatte. Er war wie von Sinnen gerannt, ohne Ziel vor Augen, nur um endlich Abstand zwischen sich und diesem Etwas zu wahren. Aber er bezweifelte, dass sie ihm dieses Mal folgen würde.   Dabei hätte er liebend gerne dort weitergemacht, wo er aufgehört hatte.   Frustriert biss er die Zähne zusammen. Das Geständnis war nicht einfach, aber er sehnte sich Sakuras Nähe zurück. Er hatte keinen blassen Schimmer, welcher Teufel ihn gerade geritten hatte. Für wenige Minuten hatte er die Welt um sich herum vergessen, fast schon manisch auf sein Ziel fokussiert. Dabei war er nur Zentimeter davon entfernt gewesen, sie auf der Lichtung komplett zu entblößen. In ihrer Nähe schien er sich immer wieder zu vergessen und seine sorgsam auferlegte Selbstbeherrschung zu verlieren. Wenn er nicht bald die Zügel in die Hand nahm, würde er sie beide noch ins Verderben reißen.   Dabei liebt sie dich doch, lockte eine flüsternde Stimme.   Die selbstsüchtige Seite in ihm drängte ihn dazu, sich das zu holen, wonach er sich so sehr verzehrte. Denn von heute auf morgen könnte die Welt untergehen, aber Sakuras Liebe zu ihm würde jeden dunkelsten Winter überstehen.   Ihre tiefe Zuneigung war eine der wenigen Konstanten in seinem Leben. Sie hatte ihn von klein auf begleitet, von seinem Werdegang vom kleinen Jungen bis zum heutigen Mann. Sakura, die er so oft von sich gestoßen hatte, nahm etwas in ihm wahr, was es zu lieben galt. Selbst dann, als er zeitweise für sich selbst die Hoffnung verloren hatte. Er hatte es längst aufgegeben, sie zu verstehen. Meinte Kakashi nicht zu ihm damals auf dem Kampfplatz, dass sich Liebe jeglicher Vernunft entzog? Sakura brauchte keinen triftigen Grund, um ihn zu lieben.   Dennoch würde Sasuke ihr und ihrer unerschütterlichen Liebe auf ewig dankbar bleiben. Während seiner dunkelsten Momente im Leben, als er buchstäblich zum Monster wurde, hatte ihre Liebe ihm noch die letzten menschlichen Züge verliehen.   Er war ein gebrochener Mann, der für einen Augenblick alles verloren hatte – seine Familie, seine Freunde und vor allem sich selbst.     Wie konnte er sich dann ihr auch noch körperlich aufdrängen?   Sasuke schloss die Augen, als er sich für einen kurzen Moment erlaubte, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Was wäre passiert, wenn er einfach weitergemacht hätte? Nicht wegen des Glöckchens, sondern einfach nur, um ihre weiche Haut zu spüren? Was wäre passiert, wenn sie seine Berührungen mit der gleichen Leidenschaft erwidert hätte?   Seine Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln.   Sakura war schon seit seiner Kindheit das einzige weibliche Wesen und eine der wenigen Auserwählten, deren körperliche Kontakte er ertragen konnte. Oft stieß er sie von sich, sträubte sich vehement dagegen, gab aber aus unerklärlichen Gründen ihren Umarmungen – all ihren Berührungen – immer nach.   Er könnte behaupten, dass es an ihr lag, da sie einfach nie locker ließ. Aber tief drinnen ahnte er, dass es einen anderen Grund dafür geben musste.   Wenn es simple Umarmungen schafften, ihn zum Stillschweigen zu bringen, wie hätte er wohl reagiert, wenn ihre Hände mit alles andere als unschuldigen Absichten über seinen Körper gewandert wären?   Entweder gar nicht…   …oder er wäre unter ihren Berührungen in Flammen aufgegangen.   Urplötzlich verschwand sein Lächeln.   Was er wollte, konnte und durfte nicht sein.   Er presste frustriert seine Hand auf das Gesicht.   „Verdammt.“   Sein leise gezischter Fluch blieb ungehört. . . . Es wunderte sie nicht, dass er nicht heimgekehrt war.   Sakura starrte seine Hälfte des Bettes an, die unberührt da lag.   Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zubekommen. Stattdessen waren ihre Gedanken ständig um ihren Kampf im Wald gekreist. Wie hatte die Situation zwischen ihnen beiden bloß so dermaßen außer Kontrolle geraten können? Im ersten Moment hatten sie noch unerbittlich gegeneinander gekämpft, und im nächsten Moment war er nur noch Sekunden davon entfernt gewesen, sie auszuziehen – wohlgemerkt mit seinem Mund. Siedende Hitze breitete sich in ihr aus, als sie daran dachte, wie nah seine Lippen ihren Brüsten gekommen waren. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie behaupten, dass die Atmosphäre zwischen ihnen beiden fast von sexueller Anspannung getränkt gewesen war. Dass sie bei ihrem kleinen Spielchen alles um sich herum vergessen würde, war nachvollziehbar. Aber er? Uchiha Sasuke? Sakura hatte ihn noch nie in solch einem Zustand erlebt. Vollkommen auf sein Ziel fixiert, aber gleichzeitig so neckisch und so verspielt.   Sie wusste nicht, was in ihm vorging, aber für sich selbst konnte sie zumindest behaupten, dass er sie komplett aufgelöst zurückgelassen hatte.   Seufzend vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen. Hatte sie sich am Ende doch nur alles eingebildet? Seine belegte Stimme, seinen beschleunigten Atem, seinen Körper, der ihr so nah gewesen war?   Sie behauptete von sich selbst, ihn gut zu kennen - all seinen Schmerz, seine Ängste und seine Einsamkeit. Aber wenn es um seine Empfindungen ihr gegenüber ging, hatte sie ein Brett vor dem Kopf. Wieso musste zwischen ihnen beiden auch alles nur so kompliziert sein? Nichts hatte sich geändert. Seine Beziehung zu Kakashi und Naruto war umso vieles einfacher – mit dem Letzteren verstand er sich wunderbar mit den Fäusten, aber nicht einmal das klappte anscheinend zwischen ihnen beiden, dachte sie bitter.   Niedergeschlagen strich sie mit der Hand über seinen Schlafplatz. „Sasuke-kun, was machst du nur mit mir?“ Als Sakura vor einigen Monaten mit ihm aus Konoha aufgebrochen war, war ihr einziges Ziel gewesen, ihn heimzubringen.   Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie am Ende so etwas erwarten würde. Ihr Kopf fühlte sich wie leer gefegt an. Was sollte sie bloß tun? . . . Ihre Sorge sollte sich als unbegründet herausstellen.   Sasuke behandelte sie wie Luft und ließ sich nichts anmerken. Natürlich. Was hatte sie denn sonst erwartet? Dass sie sich beide zusammensetzen und über den Vorfall in Ruhe diskutieren würden?   Sakura erwischte ihn dennoch dabei, wie er sie quer über den Marktplatz hinweg mit einem nichtssagenden Gesichtsausdruck musterte. Sie hielt seinem Blick sekundenlang stand, bis er sich plötzlich abwandte und mit festen Schritten davon marschierte.   Sie schluckte schwer.   Der Verlust war fast körperlich spürbar. . . . Er erlaubte es sich nicht, zurückzuschauen. Dabei spürte er, wie sich ihr durchdringender Blick in seinen Rücken bohrte. Immerhin musste einer von ihnen beiden einen klaren Kopf behalten. Sonst würde er nicht nur sich selbst, sondern auch sie, unschuldige, gutmütige Sakura, zerstören. Und das war das Letzte, was er tun wollte.   Sie brauchte ihn nicht.   Genauso wenig, wie er sie brauchte. . . . Es sollte sich als glücklicher Zufall herausstellen, als sie ihn eines Abends nach der Arbeit im Schankraum der Taverne antraf.   Sakura blieb zögernd auf der Türschwelle stehen, als sie ihn alleine sitzend an einem Tisch entdeckte. Aber als sich ihr Magen mit einem lauten Brummen meldete, straffte sie die Schultern und betrat den Raum.   „Hey.“   Sie plumpste auf den Sitz ihm gegenüber und lächelte ihn warm an.   Er hob den Blick und starrte sie mit einer Intensität an, dass ihr Lächeln ins Wanken geriet. Als er dann Anstalten machte aufzustehen, tauchte plötzlich Akiko auf.   „Wohin des Weges, mein Freundchen? Hier wird erstmal in Ruhe gegessen.“ Die stämmige Tavernenbesitzerin duldete keine Widerworte. Dieses Mal musste sich sogar der Uchiha beugen.   Sakura konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sie ignorierte Sasukes finsteren Blick und widmete ihre volle Aufmerksamkeit den dampfenden Platten, die Akiko vor ihnen abstellte. In einem bleiernen Schweigen nahmen sie ihre Mahlzeit ein. Sakura stocherte mit ihren Stäbchen in ihrem Essen herum und warf ihrem schweigenden Teamkameraden immer wieder abschätzende Blicke zu. Wie sollte sie das ansprechen, was ihr so sehr auf dem Herzen lag, ohne dass es allzu unangenehm für sie beide wurde?   Du, Sasuke-kun, sag mal, wieso hast du im Wald plötzlich versucht, mich auszuziehen?   Sakura,… nerv nicht.   Oh ja, dachte sie säuerlich, der Auftakt zu einer vielversprechenden Konversation.   Aber bevor sie den Mund aufmachen konnte, traten auf einmal mehrere laut auflachende Männer in den Schankraum. An ihren bunten, aufwendig genähten Gewändern erkannte Sakura sie als Kaufmänner. Sicherlich waren sie auf Durchreise und nutzten Karagakure als Zwischenstopp. Sie besetzten mehrere Tische und die geschäftige Akiko eilte zwischen ihnen hin und her, um ihre Bestellungen aufzunehmen. Der vorhin noch nahezu stille Schankraum war plötzlich mit Leben erfüllt.   Sakuras Augen wanderten über die Männer, die in tiefen Gesprächen verwickelt waren, als sich ihr Blick mit dem eines jungen Kaufmannes kreuzte. Er hatte sandfarbenes Haar und einen sauber gestutzten Bart. Als sie automatisch sein Lächeln erwiderte, sah er es wohl als Aufforderung an, sich an ihren Tisch zu setzen.   Er nahm  direkt neben Sasuke Platz und nickte beiden zu.   „Abend. Ich bin Fuma Aisu, Seidentuchhändler aus Iwagakure.“   Sasuke verzog keine Miene, während Sakura seine Begrüßung freundlich erwiderte, ohne sich jedoch vorzustellen. Aisu ließ sich nichts anmerken. Er warf einen betont beiläufigen Blick über ihre Kleidung.   „Ihr seid auch nicht von hier, oder?“   Sakura schüttelte den Kopf. „Wir sind aus dem Feuerreich“, erklärte sie vage.   Er verzog den Mund zu einem wissenden Lächeln. „Ich verstehe. Ihr wollt wohl lieber unerkannt bleiben.“   „So könnte man es auch ausdrücken“, sagte sie freundlich. Oft war es besser, den Menschen zu verschweigen, dass es sich bei ihnen um S-Klasse-Ninjas handelte.   Nachdenklich blieb der Blick des Kaufmannes an ihrem Haar hängen, bis er plötzlich die Augen aufriss. Geschwind fischte er aus seiner Hosentasche ein kleines, zerfleddertes Buch.   Eine ältere Auflage des Bingobuches.   Er blätterte eilig zum Anfang des Buches und zeigte Sakura triumphierend eine ihr wohlbekannte Doppelseite. Ihr Foto lächelte sie an.   „Wusste ich doch, dass diese rosafarbenen Haare mir bekannt vorkamen. Ihr seid Haruno Sakura.“   Sie rieb sich verlegen den Nacken. „Mist, erkannt.“   Aisu lachte schallend. „Mir braucht man nichts vorzumachen. Ich kenne dieses Buch in- und auswendig.“   Neugierig hob Sakura die Augenbrauen. „Wieso führt Ihr als Kaufmann ein Bingobuch mit Euch?“   „Nun“, er lehnte sich zurück und warf ihr ein spitzbübisches Lächeln zu. Dieser Mann wusste seine Vorzüge als Waffe einzusetzen. „Als Kind wollte ich immer Shinobi werden. Zu meinem Leidwesen wurde ich in eine Kaufmannsfamilie geboren und ich habe stattdessen den Weg der Familientradition gewählt. Aber meine Faszination für die Ninja-Welt ist geblieben.“   Sein Blick glitt zu Sasuke, der sich bisher nicht beteiligt hatte und in Ruhe weiteraß.   „Und ich nehme an, Ihr seid der berüchtigte Uchiha Sasuke?“   Beeindruckt starrte er Sasukes linkes Auge an, das ausnahmsweise nicht von widerspenstigen Haarsträhnen verdeckt war.   „Das Rinnegan…“, flüsterte er begeistert.   Sakura kicherte. Es war niedlich, Aisus kindliche Faszination zu beobachten. Allerdings sollte der Kaufmann seine Sympathiepunkte bei ihr schnell verspielen.   Sein Lächeln verschwand, als er merkte, dass Sasuke keinen Blick für ihn übrig hatte. Plötzlich verfinsterte sich seine Miene und Sakura hätte den Kaufmann fast nicht wiedererkannt.   „Soso, der Erbe des Uchiha-Klans also“, fing er gemächlich an. „Ich habe viel über Euch und Eurem Kekkei Genkai gelesen. Eurem Klan wurde nachgesagt, dass er vor seinem Auslöschen der stärkste im ganzen Feuerreich gewesen sein soll. Getötet durch Euren einzigen Bruder. Sehr tragisch, dieser Verlust.“   Sasuke ließ seine Hand mit den Stäbchen sinken. Das kurzzeitige, kaum wahrnehmbare Zittern seiner Finger entging Sakuras aufmerksamem Blick nicht.    „Aber wie ich gehört habe, konntet Ihr Euren Bruder, Uchiha Itachi, am Ende doch noch besiegen. Trotz Eures Sieges soll er der mächtigste Uchiha gewesen sein. Er war bloß gekennzeichnet durch eine schwere Krankheit. War Euch dies bekannt?“   Auf Sakuras Stirn erschien eine steile Falte. Was erzählte dieser Mann bloß? Anscheinend erhoffte er sich eine bestimmte Reaktion. Ihr besorgter Blick flog zu Sasuke, der die Tischplatte regungslos anstarrte. Gerade wollte sie einschreiten, als Aisu ihr das Wort abschnitt.   „Nur leider seid Ihr als junger Mensch vom rechten Weg abgekommen. Fragt Ihr Euch manchmal nicht auch, ob nicht alles anders gekommen wäre, wenn Ihr Euer Dorf nicht verraten hättet? Aber immerhin konntet Ihr für einen Teil Eurer Vergehen Buße tun, nicht wahr, Uchiha-san?“ Sein zuckersüßes Lächeln widerte Sakura an.   Abrupt stand Sasuke auf.   Die Stäbchen fielen mit einem lauten Klirren auf den Tisch. Sofort wurde es im Schankraum mucksmäuschenstill und alle Augen waren auf sie gerichtet.   Kommentarlos verließ er den Raum.   Sakura warf Aisu einen giftigen Blick zu, als sie ebenfalls aufsprang.   „Hättet Ihr doch einfach euren unsensiblen Mund gehalten.“   Sie wartete nicht seine Antwort ab, sondern eilte Sasuke hinterher. . . . Sie fand ihn draußen im Hinterhof auf der Treppe sitzend, während er hoch zum Nachthimmel schaute.   Sakura ließ sich einige Stufen über ihm nieder.   „Sasuke-kun, an was denkst du gerade?“, fragte sie sanft.   Seine Antwort fiel knapp aus.   „An nichts Bestimmtes.“   Eigentlich sollte sie ihn alleine lassen, aber sie ahnte, dass er wie immer vor sich hinbrütete. Es war schon schlimm genug, dass zwischen ihnen beiden alles schief lief. Nun sollte er nicht auch noch in alten, schmerzhaften Erinnerungen schwelgen und wieder in den Strudel des ewigen Gedankenkarussells gezogen werden. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie seine Reaktion, während sie ihre nächsten Worte sorgfältig wählte: „Als du auf deiner Reise fort warst… Glaubst du, du hast eine Antwort auf deine Fragen gefunden?“   Er schien nach einer gefühlten Ewigkeit zu antworten: „Auf einige, ja.“   „Zum Beispiel?“   Sie rechnete nicht wirklich damit, dass er sich ihr öffnete. Umso mehr freute sie sich, als er nach einem kurzen Augenblick des Schweigens anfing, wenn auch nur zögernd, zu reden.   „Ich bin… vielen Menschen begegnet. Ihnen ist nicht das gleiche, aber ein ähnliches Leid widerfahren. Und obwohl sie so viel Schmerz erlitten haben, machen sie dennoch weiter.“   Sasuke runzelte kurz die Stirn, als er seine ausgesprochenen Gedanken reflektierte. Tatsächlich stimmte es. Sein Zorn und seine Rachegedanken waren verraucht. Er hegte keinen Hass mehr gegenüber dem Dorf, das seinen Klan hintergangen und seinen Bruder zu so einer niederträchtigen Tat gezwungen hatte. Dazu hatte er zu viel Leid auf seiner Reise gesehen. Sein Schmerz war einer von vielen.   Was blieb, war ein Gefühl der gähnenden Leere.   Sakuras Herz blutete bei seinen Worten. Sie konnte sich nicht länger zurückhalten – sie schlang von hinten ihre Arme um seinen Oberkörper und vergrub ihr Gesicht in seinen Rücken.   „Sakura, lass das.“ Er versuchte sich von ihr loszureißen, aber keine Chance. Dank ihrer Kräfte rückte sie keinen Zentimeter ab. Wehmütig dachte sie an andere Zeiten zurück, als sie ein Déjà-vu-Gefühl überfiel. Wie immer sträubte er sich gegen ihre Umarmungen.   „Wieso quälst du dich dann so?“   Er hielt mitten in der Bewegung inne, als er ihre flüsternde Stimme vernahm. Da er sich nicht regte, sah sie es als Aufforderung an, weiterzusprechen.   „Du hast schon so viel für deine Wiedergutmachung geleistet. Deine Hilfe im Ninja-Krieg, deine Reise, deine Zurückgezogenheit und du hast nicht einmal das Angebot von Tsunade-sama akzeptiert, einen neuen Arm, entstanden aus den Zellen des Ersten, anzunehmen. Meinst du nicht, dass du genug gelitten hast?“   Da er nicht antwortete, fügte sie einen Herzschlag später ruhig hinzu: „Meinst du nicht, dass deine Familie gewollt hätte, dass du glücklich wirst?“   Er senkte den Blick und starrte den Boden vor sich an. Aber vor seinen Augen erschien das lächelnde Gesicht seiner verstorbenen Familienmitglieder.   Was würde seine Familie denken, wenn sie ihn so sehen würde?   Er sah vor sich die weichen Gesichtszüge seiner Mutter. Langes, ebenschwarzes Haar, blasse Haut und sanfte, gütige Augen. Er war schon immer ein Müttersöhnchen gewesen. Obwohl er sich ständig nach der Aufmerksamkeit seines großen Bruders gesehnt hatte, hatte er sich insgeheim gerne von seiner Mutter verwöhnen lassen. Sie hatte ihn verhätschelt, ihn mit Kosewörtern überhäuft und versucht, ihn ständig zum Reden zu bewegen, damit er sich nicht auch noch die typische Wortkargheit der Uchiha-Männer angewöhnte. Es schmerzte, dass er nicht mehr Zeit mit ihr verbracht hatte.   Es hätte seine Mutter tief getroffen, wenn sie ihn heute so sehen würde. Nach außen hin stark, aber nach innen hin einsam und verloren.   Seine Mutter, sein Bruder und sein Vater – sie hätten nicht gewollt, dass er sich so bestrafte.   Sakura schloss die Augen, während sie sich an ihn lehnte.   „Du musst das nicht alles alleine durchstehen. Ab und zu ist es in Ordnung, eine ausgestreckte Hand zu ergreifen. Obwohl wir Ninjas sind, sind wir immer noch aus Fleisch und Blut und haben Wünsche und Ängste. Du bist nicht gefühllos, Sasuke-kun. Vergiss das nicht.“   Sie blieb noch einige Sekunden an ihn geschmiegt, bevor sie schließlich aufstand. Instinktiv vermisste er ihre Wärme an seinem Rücken.   „Ich gehe jetzt schlafen. Kommst du auch gleich ins Bett?“ Ihre Frage lag bedeutungsschwer in der Luft. Nahm er ihr Friedensangebot an?   Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen, als sie ihn schließlich nicken sah. . . . Schläfrig öffnete Sakura die Augen, als sie in die Dunkelheit blinzelte. Was hatte sie geweckt?   Und dann spürte sie es.   Eine warme Brust presste sich eng an ihren Rücken.   Sie riss den Kopf herum und starrte in Sasukes schlafendes Gesicht. Wärme durchflutete sie, als ihr bewusst wurde, dass er tatsächlich zu ihr ins Bett zurückgekehrt war. Sie hatte seine Nähe so schmerzlich vermisst.   Und er wohl auch, da er sich im Schlaf unbewusst an sie gedrängt hatte.   Plötzlich vergrub er das Gesicht in ihrer Halsbeuge.   „Sakura…“ Seine Stimme klang durch den Schlaf schwer und belegt. Sein heißer Atem kitzelte ihren Nacken. Ehe sie sich‘s versah, schlang sich ein Arm um ihre Mitte und sie wurde noch enger an seinen stählernen Oberkörper gezogen.   Sakura lief knallrot an.   Sasuke träumte doch wohl nicht gerade von ihr, oder?   Aber bevor sie sich den Kopf über diesen unerwarteten – aber dennoch reizvollen – Gedanken zerbrechen konnte, hatte er sie urplötzlich herumgewirbelt, sodass sie unter ihm zu liegen kam. Sie hielt den Atem an, als er sich nur mit einem Arm abgestützt über sie beugte. Die Augen waren auf Halbmast und wirkten desorientiert.   Er schlief eindeutig noch.   Sie konnte sich nicht erinnern, dass er in der Vergangenheit so lebhaft geträumt hatte. Das Erlebnis im Schankraum schien ihn doch stärker aufgewühlt zu haben. Sofort wurden ihre Beschützerinstinkte wach.   „Sakura.“ Wieder murmelte er ihren Namen.   Liebevoll fuhr sie ihm mit einer Hand durch die dunklen Haare und strich ihm Haarsträhnen aus dem Gesicht, die ihm immer wieder über die Augen fielen. Er musste wirklich dringend zum Friseur. Sie runzelte die Stirn, als sie das Glühen seiner Haut unter ihrer Hand bemerkte. Auf seinen Augen lag ebenfalls ein glasiger Glanz. Fieberte er etwa? Um ihn zu beruhigen, ließ sie gekonnt etwas Chakra in seine Schläfe strömen. Sie lächelte, als er sich instinktiv in ihre Berührung lehnte.   „Was ist los, Sasuke-kun?“, wisperte sie.   Erwartungsvoll sah sie zu ihm auf, während er sie für einen Augenblick mit glühenden Augen anstarrte.   „Ich brauche dich.“   Und dann krachten seine Lippen auf ihren Mund.   Sie hatte keine Chance zu reagieren. Mit aufgerissenen Augen starrte sie die Decke an, aber ihr Hirn war nicht mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen.   Der verzehrende Kuss war brutal, fast schon schmerzhaft, aber mit solch einer Verzweiflung, dass diese ihr durch Mark und Bein ging. Innerhalb von Sekunden ahmte sie seine Bewegungen nach, ebenso wild und ungestüm. Die Berührung seiner Lippen ließ kribbelnde Energie bis in ihre Zehenspitzen schießen und ihre Beine wären unter ihr weggesackt, wenn sie nicht schon längst liegen würde.   Aber so schnell, wie es passiert war, war es schon wieder vorbei.   Bevor sie seine Berührungen richtig genießen konnte, schlossen sich langsam seine Augen und er sank kraftlos auf ihren Körper ab. Sein Gesicht kam neben ihrem zum Liegen. Doch sie nahm sein Gewicht kaum wahr, da ihr Herz laut stark in ihren Ohren dröhnte. Dank seinem regelmäßigen Atem an ihrem Nacken ahnte sie, dass er tief und fest schlief.   Sakura schloss den Mund, öffnete ihn jedoch wieder. Ihre Lippen fühlten sich empfindlich und aufgeraut an, aber das köstliche Summen in ihrem Körper hatte nicht aufgehört. Die Gedanken wirbelten so schnell in ihrem Kopf herum, dass sie nur schwer hinter ihnen herkam.   Erde an Haruno! Ganz langsam mit den jungen Pferden hier. Okay, was fangen wir mit dieser einmaligen Information nun an?   Oh ja, gute Frage. Was fing sie damit an?   Denn eins war sicher.   Sasuke wollte sie so sehr, wie sie ihn wollte. . . . tbc… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)