Götterdämmerung (Leseprobe) von eternal-shiva ================================================================================ Kapitel 1: Das Mädchen, das vom Himmel fiel ------------------------------------------- 1. Kapitel 'Das Mädchen, das vom Himmel fiel'     Shuyar senkte seine Hand wieder nachdem er seinen Blick von dem strahlend blauen Himmel wieder abwandte, welcher zwischen den Baumkronen hindurch schien. Gelangweilt fing er an mit seiner Hand an einer seiner zwei langen Haarsträhnen seiner sonst kurzen, dunkelgrünen Haares herumzudrehen, welches er im Nacken hochgesteckt trug. Ihm war warm, die ganze Zeit flog ihm irgendein Insekt um die Ohren herum und es waren einfach keine Monster in der Nähe an denen er seinen Frust hätte ablassen können – es war einfach zum Kotzen. Eigentlich war ja eine ruhige Lichtung an dem sonst so monsterüberannten Wald schön. Wahrscheinlich lag es an der Aura der Ruine die noch tiefer im Wald lag, dass Monster diese Gegend mieden – auch ihn fröstelte es manchmal kurz trotz der Sommerwärme.   Aber es war einfach zu dumm. Er hätte gerne etwas Dampf abgelassen. Er mochte das Kämpfen – was man wahrscheinlich darauf zurückführen konnte dass er ein Dämon war, auch wenn man es ihm nicht sofort ansah. Lediglich seine roten, katzenhaften Augen und die leicht spitzen Ohren konnten Andere auf seine dämonische Herkunft schließen lassen. Er war klein, schlank, hatte weder Hörner noch Flügel – er besaß also kaum die eindrucksvolle, gefährliche Ausstrahlung die andere Dämonen umgab. Dazu kam noch sein recht feminines Gesicht, wegen dem nicht wenige Fremde hatten ihn schon mal für ein flachbrüstiges Mädchen gehalten hatten.   Wenn man dagegen seinen Zwillingsbruder Fircos ansah konnte man kaum glauben dass sie Zwillinge waren. Sie waren so verschieden wie Tag und Nacht. Sein Bruder hatte dieselben silbergrauen Haare wie ihr Vater, ebenso wie die Hörner und Flügel – er selbst hatte nur die selben blutroten Augen. Auch in Sachen Magie hatte er kaum eine Spur von seinem Vater geerbt – während Fircos die schwarze Magie beherrschte lag ihm mehr das Element Wasser. Er fragte sich oft warum er so anders war als sein Bruder – warum sein Vater ihn kaum beachtete. Plötzlich fiel ihm ein was einmal ein inzwischen verstorbener Bekannter seines Vaters gesagt hatte: Du siehst genau aus wie deine Mutter.   „Mutter….“ flüsterte er. Er konnte sich nicht an seine Mutter erinnern obwohl er schon sechs Jahre alt war als sie starb. Das war während des Krieges. Doch auch Fircos erinnerte sich nicht an sie – und sein Vater antwortete ihm nie auf solche Fragen, er versuchte es schon gar nicht mehr irgendwelche Antworten aus ihm zu heraus bekommen. Nun versuchte er krampfhaft sich wenigstens an eine Situation, eine Geste oder an das Aussehen seiner Mutter zu erinnern – doch da war einfach nichts. Nicht einmal der Klang ihrer Stimme wollte in seinem Gedächtnis aufleben.   Seine geistigen Anstrengungen wurden von einem stechenden Kopfschmerz unterbrochen. Der Schmerz blieb jedoch nicht nur in seinem Kopf, sondern breitete sich über seinen gesamten Körper aus und er sackte auf die Knie. Als wollte er verhindern, dass sein Kopf von dem plötzlichen Schmerz zerspringen würde, presste er seine Arme an seinen Kopf bis jetzt auch noch ein schriller, unerträglicher Ton in seinem Kopf hallte. Der Wald begann sich immer schneller um ihn herum zu drehen, ein kleiner Vogel sah ihn verwirrt an. Er wollte schreien, brachte jedoch nur einen krächzenden Ton aus seiner Kehle. Er spürte wie etwas warmes aus seiner Nase tropfte, wahrscheinlich war es Blut. „Auf...hören… es soll… aufhören!!“ krächzte er mit seiner Stimme die zu versagen schien. Tränen rollten über seine Wangen – das war da Letzte, das er spürte.   Plötzlich war der Schmerz, der Ton, einfach alles weg – nichts drehte sich mehr, aber es war auch nichts anderes mehr da außer Schwärze. Er hatte wohl das Bewusstsein verloren.   Langsam kam er wieder auf die Beine und sah sich verwirrt um. „Was zum… Wo bin ich?“ Um ihn herum herrschte eine drückende Stille und Dunkelheit. Zudem war die Atmosphäre so unangenehm und angespannt dass er eine Gänsehaut bekam und ihn ihm der Drang aufkam zu flüchten. Doch es gab nichts wohin er hätte flüchten können, denn nirgends sah er etwas anderes als diese undurchdringliche Dunkelheit. „Das ist kein Traum…oder?“ Plötzlich meint er Schritte hinter sich zu hören und wirbelte herum. Einige Meter von ihm entfernt eine stand mit einem Mal eine Person welche ein sehr schwaches, jedoch beständiges, warmes Licht umgab.   Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten konnte er sogar zu erkennen, dass es die Form einer Frau gehörte. Mit einem mal begann die fremde Person zu sprechen „Shuyar… ich habe nicht viel Zeit…. Sonst entdeckt 'Er' mich…“ in ihrer Stimme lag ein trauriger Ton. Und mit einem Mal konnte er ihre Gestalt erkennen – es war eine schlanke Frau, langes blondes Haar welches mit einer Haarspange zusammengehalten wurde, hing über ihrem Rücken. der Mantel den sie über ihrem leichten weißen Kleid trug, hatte das selbe Himmelblau wie ihre sanften Augen. „Wer bist du? Und was willst du eigentlich von mir? Ich will wissen was hier los ist!“ brüllte der verunsicherte Grünhaarige nur zurück. Die Frau senkte betroffen ihren Blick „Es tut mir leid… es liegt wohl an dem Bann… Doch ich… nein, wir brauchen deine Hilfe.“   Fircos erreichte gerade Lichtung und freute sich wie ein kleines Kind, dass er das Buch so schnell gefunden hatte. Sein Brüderchen hatte ihm zwar gesagt wo das Buch lag – doch dass in dem Zimmer seines Bruders herrschte ein unheilbares Chaos. Die Beschreibung hatte auf unzählige Bücher gepasst die überall verteilt lagen – das hatte sein Bruder wohl nicht bedacht.   Dem fröhlichen, silberhaarigen Dämon glitt das Buch jedoch einfach aus der Hand, als er die Lichtung erreichte. Seine roten Augen weiteten sich in Panik, als er seinen Bruder gekrümmt am Boden liegen sah. So verkrampft würde niemand liegen der einfach eingeschlafen wäre. „Shuyar!“ Er rannte schnell in die Lichtung und warf sich neben seinen bewusstlosen Bruder auf die Knie. sein Gesicht war teils blutverschmiert, doch das Nasenbluten schien inzwischen gestoppt zu haben.   „Scheiße…“ Er hob ihn sanft an den Schultern an und schüttelte ihn leicht in der Hoffnung, dass er aufwachen würde „Mach bloß keinen Scheiß…“ Fircos wusste einfach nicht was er tun sollte. Ab und zu sah es aus als wenn Shuyars Gesichtsausdruck sich leicht verändern würde, dass seine Lippen sich so schwach bewegten als würden sie versuchen Worte zu formen. 'Verdammt! Wach doch einfach auf du Dummkopf!' Während er seinen Bruder nun näher zu sich herzog und ihn einfach nur in den Armen hielt gingen ihm alle möglichen Befürchtungen durch den Kopf – doch er hoffte dass sein 'kleiner' Bruder gleich aufwachen, und ihm für seine Umarmung einen Kinnhaken geben würde.   Shuyar sah die Frau skeptisch an „Und warum sollte ich gerade dir helfen? Ich kenne dich nicht. Außerdem wüsste ich nicht was ich davon hätte. Und ich weis ja nicht einmal wer du bist.“ „Ich? Ich bin… Miraell… ich weis genau wer du bist, ich weis was vor 15 Jahren geschah... das ist es doch was du dir am Meisten wünscht? Zu wissen was damals passierte… und warum du so bist wie du bist.“   Shuyar wurde blass: Sie sollte seine Vergangenheit kennen? Nun kämpfte er innerlich mit sich - vielleicht wusste sie tatsächlich was, vielleicht nicht. Sein Blick verfinsterte sich „Was bist du?“ Miraell sah in die Dunkelheit „Ich muss gehen, er hat mich bemerkt…“ sagte sie und verwand langsam in der Dunkelheit „Halt warte! Antworte mir!“ rief er ihr hinterher. Er hörte sie nur noch flüstern „Ich... bin ein Engel.“ Plötzlich traten grell leuchtende Schwingen aus ihrem Rücken hervor und Shuyar wurde von dem Licht zurückgedrängt.   Fircos erschrak als sein Bruder plötzlich die Augen aufriss und ihn verwirrt ansah. Dem Größeren fiel ein Stein vom Herzen und er drückte sein Brüderchen fest an sich. „Hey! Was soll das? Lass mich los!“ Shuyar schien es gut zu gehen, denn er zappelte wild und wollte sich so aus seinem Griff lösen – das schaffte er jedoch erst nachdem er ihm leicht in die Rippen geboxt hatte. Wehleidig hielt sich Fircos seine schmerzende Rippe während Shuyar aufstand und sich den Schmutz von der Hose klopfte. Noch etwas neben sich, wischte er sich mit seinem Ärmel sein Gesicht sauber, bis er meinte alles getrocknete Blut entfernt zu haben.   Fircos stand ebenfalls auf „Sag mal, warum warst du eigentlich bewusstlos?“ man sah wie Shuyar nachdachte „Hmm…. Weis nicht… Ich hatte plötzlich starke Kopfschmerzen… und dann war da noch dieses komische Geräusch… und dann war…“ er verstummte und sein Gesicht verfinsterte sich. „Dann war was?“ hakte sein Bruder nach. „Ich… Ich kann mich nicht daran erinnern!“ „Dann war es sicher nichts Wichtiges“ sagte Fircos scherzhaft, doch ganz geheuer schien ihm das Ganze trotz allem nicht zu sein.   „Doch, es war etwas Wichtiges… Ich kann mich nur einfach nicht mehr daran erinnern!“ Shuyar hatte während des Denkens nun den Gesichtsausdruck eines schmollenden Kleinkindes. Fircos konnte sein Lachen nicht unterdrücken. Shuyar antwortete darauf einfach nur „ Ach lass mich doch… ist ja jetzt auch egal.“ plötzlich schien ihm etwas einzufallen „Hast du das Buch?“   Fircos schrak hoch, als er merkte dass er das Buch ihn seiner Panik irgendwo hingeworfen hatte „Ich hatte es doch irgendwo ---“ noch während des Redens begann er in den nahen Gebüschen herumzukriechen und bot seinem Bruder einen höchst seltenen, seltsamen Anblick. Shuyar überlegte schon ob er seinem Bruder helfen sollte weil er feststecken könnte, doch dann meldete er sich triumphierend zu Wort „Ich habs!!!“   Fircos fischte ein etwas verstaubtes und nun auch etwas dreckiges Buch heraus und gab es seinem Bruder. “Danke“ sagte Shuyar nur und begann darin zu blättern „Wenn ich fliegen könnte hätte ich es selber schnell geholt.“ Deshalb war Fircos zurück zum Schloss geflogen, außerdem wollte Shuyar seinen Vater nicht sehen wenn es nicht unbedingt sein musste. Er dachte an die verachtungsvollen Blicke die er immer erntete. Sein Vater verachtete ihn wirklich, er behandelte ihn immer wie einen Schwächling, einen Außenseiter. Er konnte doch auch nichts dafür dass er kaum etwas Dämonisches hatte. Fircos dagegen behandelte er relativ normal – auch wenn es hier ebenfalls eine unsichtbare Linie gab, die sein Vater nie überschritt. Zumindest konnte sein Bruder normal mit ihrem Vater reden, und dieser bevorzugte Fircos auch deutlich. Manchmal hasste er seinen Bruder dafür – doch Fircos war auch der Einzige der ihn so akzeptierte wie er war und ihn nicht verspottete oder bemitleidete. Er hielt immer zu ihm egal was war. Ja – sein Bruder war die wichtigste Person in seinem armseligen Leben und er liebte ihn wirklich von ganzem Herzen.   Fircos riss Shuyar aus seinen Gedanken „ Sollen wir zur Ruine gehen? Es ist noch ein ganz schönes Stück – wenn wir bis zum Einbruch der Nacht wieder zurück sein wollen, sollten wir uns beeilen.“ „Ja, lass uns gehen“ ein Lächeln schlich sich auf Shuyars oft so mürrisch dreinschauendes Gesicht. Er war wirklich froh dass er seinen Bruder hatte.   Sie gingen eine ganze Zeit lang einen alten, überwucherten Pfad entlang. Auf beiden Seiten des kleinen Weges wuchsen gigantische Bäume die dort schon seit Jahrhunderten stehen mussten. Nach einiger Zeit erreichten sie eine Lichtung – und trotz der überall wachsenden wunderschönen, roten Blumen war es ein gespenstischer Ort. Ein Ort des Todes. Denn inmitten der Blumenpracht stand die Ruine eines Tempels, nur noch ein Schatten des prachtvollen Gebäudes welches es einst war. Die kunstvollen Mosaikfenster zerbrochen, Die Säulen an der Vorderfront zerstört und riesige Löcher zierten die dicken, hellen Mauern. Es war nur schwer vorstellbar das vor 15 Jahren dies ein Ort war in den die Leute kamen um zu beten, Heiler aufsuchten oder einfach redeten. Doch als das änderte sich mit dem Krieg. Die letzten, geschwächten Engel verschanzten sich in den Tempeln, ihren einzigen übrig gebliebenen Zufluchtsorten und kämpften um ihr Leben. Doch keiner der Engel entkam seinem Schicksal in jener Schlacht. Die Aura des Todes in lag so dick in der Luft, dass Shuyar meinte sie greifen zu können.   Dem grünhaarigen Dämon lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, je näher sie der Ruine kamen. Auch Fircos wirkte extrem angespannt als wartete er nur darauf das etwas passierte. Sie schritten langsam über die zerbrochenen, hellen Steinplatten die zum Eingang führten wo einst hölzerne, verzierte Torflügel gewesen sein mussten. Es hing nur noch ein Teil davon in den Angeln, überall lagen morsche Splitter und Teile der einst prachtvollen Tore auf dem Boden und verwitterten allmählich. Das verrottende Holz knackte unter ihren Füßen als sie die große Halle betraten, wo sich einst die Leute trafen. An den Wänden konnte man Überbleibsel von Reliefen und davor zerstörte Statuen ausmachen. Sie gingen durch die Haupthalle und betraten das Herz des Tempels, ein Raum indem eine zerstörte Statue von dem Gott Yoake stand. Halb zerfallene Bänke und ein dem Zusammenbruch naher Altar ergänzten die gespenstische Atmosphäre.   Die einst wunderschönen, riesigen Buntglasfenster waren zerbrochen und ließen den Raum in einem teils bunten Dämmerlicht erscheinen. „Es ist... irgendwie unheimlich.“ Shuyar brach das Schweigen „Find' ich auch - ich will gar nicht wissen was hier während des Krieges alles passiert ist.“ Es lag eine unheilvolle Aura in der Luft – man konnte meinen die Schreie der Toten hören zu können, die hier ihr Leben ließen. Ihren Zorn, Hass und ihre Angst hatte diesen Ort für immer verändert. Fircos sah sich angespannt um. Auf der linken Seite war zwar eine Tür, doch dahinter war nichts Interessantes. Es waren nur Zimmer für die Priester und für Gäste, eine Küche und ein Speiseraum. Es gab zwar auch etwas was an eine Bibliothek erinnerte, doch mit den halb verbrannten und vermoderten Büchern konnte keiner mehr etwas anfangen.   Der kleine Gang der links von ihnen lag weckte das Interesse der Brüder schon mehr. Shuyar nahm das Buch aus seiner Tasche und blätterte darin während sie dem Gang folgten. Nach einigen Ecken und Windungen versperrte ihnen ein großes Holztor den Weg. In dessen Mitte leuchtete schwach ein blaues Pentagramm, ähnlich eines Zaubersymboles. Es hatte sie zuvor gehindert die Tür zu öffnen, sie hatten alles Mögliche versucht um in diesen Raum zu kommen, doch nichts hatte gewirkt. Doch es hatte die Tür in ihrem perfekten Zustand erhalten, während der Rest des Gebäude zerfiel.   Fircos grinste seinen Bruder an und meinte nur „Willst du nicht lieber noch mal versuchen sie einzutreten?“ Shuyar wandte seinen Blick vom Buch ab und funkelte Fircos finster an „Ach lass mich doch in Ruhe“ Diese Aktion war wie die Meisten eher peinlich verlaufen und sein liebster Bruder würde ihm sie noch als alten Mann unter die Nase reiben. Er hatte versucht die Tür mit Anlauf einzutreten – das Einzige was es gebracht hatte war, dass er danach eine Stunde gehumpelt war.   Danach hatte er keine Lust mehr gehabt diese dumme Tür aufzubekommen. Doch dieses Symbol lies ihm keine Ruhe – als er dann eines Tages in der Bibliothek des Schlosses einige alte Bücher durchforstete wurde er schließlich fündig – es war ein magisches Siegel welches früher an besonderen Orten angebracht wurde um etwas zu schützen. Es lies sich nur zerstören wenn man den entsprechenden Zauber wusste und einigermaßen magiebegabt war. So waren die Schätze gegen einfache Diebe und Räuber perfekt geschützt gewesen.   „Warum… haben sie nicht in diesem Raum Schutz gesucht?“ fragte Fircos. Shuyar wusste, dass er von den hier getöteten Engeln redete, die einst hier Schutz gesucht hatten. Ab und zu überraschte sein Bruder ihn mit für seine Verhältnisse recht tiefgründigen Fragen – Fircos war eine Frohnatur und lebte mehr in den Tag hinein, als alles und jeden zu hinterfragen. „Nun ja. Wenn man nicht den darauf abgestimmten Zauber kennt… bekommt man sie nicht auf – sie standen wortwörtlich vor verschlossenen Türen. Wenn ein oder zwei Priester den Spruch kannten und diese schon tot waren – dann wars das.“ Der Blick des Silberhaarigen verfinsterte sich. Es schien ihn sehr zu bedrücken, doch er sagte nichts weiter.   Shuyar begann sich zu konzentrieren und Fircos ging vorsichtshalber ein paar Schritte zurück. Shuyar flüsterte eine fremdartige Formel und plötzlich erschien unter ihm ein Pentagramm, das langsam immer größer wurde und die Form des Siegels annahm. Von ihm ging eine solche Kraft aus, dass es Shuyars Haare und seinen Mantel regelrecht nach oben wehen ließ. Shuyar ließ das Buch los und es schwebte in derselben Position weiter. Fircos fand es immer wieder beeindruckend seinem „kleinen“ Brüderchen beim Zaubern zuzusehen, denn er selbst war mit der Magie nicht so begabt. Er merkte dass Shuyar seine Formel nun dunkler und mit einer energischen Stimme aussprach. Das Pentagramm löste sich auf und das nun sanfte Glühen bündelte sich um Shuyars rechte Hand. Er berührte die Tür und das Siegel der Tür und das Glühen des Zaubers verschwand.   Das Buch fiel zu Boden und wirbelte Staub auf während Shuyar seine Frisur richtete. Das Siegel war gelöst und der Weg war nun frei. Er hob das Buch auf und schnaufte ein paar Mal tief durch, Fircos trat wieder näher und klopfte ihm stolz auf die Schulter „Du warst echt toll Brüderchen“ Shuyar legte seinen Kopf schräg und erwiderte nur „Das hättest du sicher genauso gut geschafft“ und lächelte verlegen.   Fircos stellte wieder einmal fest dass sein Bruder sich unterschätzte – er meinte nie stark genug zu sein, und wenn er einmal etwas gut gemacht hatte wertete er es selbst als „durchschnittlich“ ab. „So, da du die Tür jetzt auch schon mal entriegelt hast kannst du sie doch gleich noch aufmachen oder?“ Shuyar setzte wieder seinen störrischen Gesichtsausdruck auf „Natürlich, sonst würde der gnädige Herr sich ja die Finger schmutzig machen“ „Wozu sind kleine Brüder sonst da?“ neckte Fircos ihn weiter.   Shuyar drückte die schweren Türflügel langsam auf und spähte vorsichtig hindurch – das war sein Glück. Denn gerade als er die Tür mit einem letzten Drücker schwungvoll ganz öffnen wollte, sah er nur einen Schatten der ihn ansprang. Reflexhaft riss er seine Arme hoch um sein Gesicht zu schützen, doch dann pulsierte schon ein pochender Schmerz durch seinen Arm. Es war der Schmerz von messerscharfen Zähnen, die sich in seinem Arm verbissen und versuchten ihn zu zerfleischen.   „Shuyar!!!” Fircos zog blitzschnell sein Schwert und wollte seinem Bruder helfen als die Kreatur von Shuyar abließ und seiner Attacke elegant durch einige Sprünge auswich.   Nun konnten die Brüder den Angreifer klar erkennen – es war ein großer, weißer Wolf dessen Fell an einigen Stellen ins tiefe Türkis überging. In einem Ohr hatte er einige kleine goldene Ringe, an den Backen hingen dünne, lange Strähnen herunter die mit Perlen zu kleinen Zöpfen gebunden waren. Der angespannte Blick der beiden eisblauen Augen haftete fest an ihnen. Die Zähne gefletscht knurrte der Wolf sie noch immer an, doch dann schleckte das Tier seine Zähne und sein Blick änderte sich. Verwirrung lag in seinen Augen, und während sein Gesicht sich entspannte, schien er tief in Gedanken.   Shuyar hielt seinen verwundeten Arm und versuchte die Wunde abzudrücken, als er voller Wut nur brüllte „Das Mistvieh mach ich fertig!“ Doch als er gerade wieder auf den Beinen stand machte der Wolf kehrt und sprang einfach durch eine Mauer hindurch. Er war einfach so verschwunden.   „Was war das?!“ fragte Fircos stutzig, als er sein Schwert zurücksteckte „Frag mich was leichteres…“ antwortete Shuyar barsch, als er seinen Arm genauer untersuchte – sein Ledermantel hatte ihn anscheinend vor dem Schlimmsten bewahrt. Der Biss war nicht so tief wie auf den ersten Blick gedacht und die Blutung stoppte schon fast. „Ich frag mich eher was dieses Vieh überhaupt hier in diesem…“ Shuyar unterbrach seinen Satz als er sich erst einmal genauer umsah „… leeren Raum gemacht hat.“ Fircos war sichtbar enttäuscht - die ganze Mühe war umsonst, in diesem Raum war nichts.   Außer verstaubten Ornamenten an Wänden und Decke, zwei Statuen und einer halbhohen, verzierten Säule in der Mitte war der Raum leer. „So eine Scheiße...“ Shuyar stampfte wütend in dem Raum herum, das alles kotzte ihn schon wieder an. Fircos sah sich die Verzierungen genauer an, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches oder Interessantes entdecken „So eine Pleite…“ seufzte er nur. Shuyar lehnte sich mit seinem Rücken an die Säule und begann zu grübeln. Denn warum sollte man einen leeren Raum versiegeln und was wollte dieser Wolf hier? War er all die Zeit in diesem Raum gewesen? Wie hatte er das überleben können? Und warum hatte er von ihm abgelassen nachdem er… weiter kam Shuyar nicht – er hörte eine Stimme rufen „Erinnere dich!“   Auf einmal war es wieder da, dieser unerträgliche Kopfschmerz,der seinen Körper lähmte. Bilder flossen in seinen Kopf. Doch sie waren verschwommen und schienen wie Fetzen einer verblassten Erinnerung.   Er sah eine Frau, und er hielt ihre Hand… er war noch klein höchstens drei oder vier Jahre und sie spazierten über eine Wiese. Er sah zu ihr herauf, sie sprach zu ihm doch er konnte weder ihr Gesicht erkennen noch hören was sie zu ihm sagte. Sie kamen einer Baumgruppe näher als er plötzlich ihre Hand losließ und losrannte. Jetzt sah er seinen Vater, welcher lachend mit Fircos herumalberte und als er ihn erreicht hatte hob sein Vater ihn hoch in die Luft und anschließend spielten sie zu dritt noch einige Zeit.   Doch der Schmerz lies nicht nach und Shuyar glaubte dass sein Kopf einfach zerspringen würde.   Die Frau setzte sich zu ihnen und Fircos rannte gleich zu ihr und umarmte sie.   „M…Mama?“ Shuyar brachte nur ein kleines Krächzen heraus.   Plötzlich sah er andere Bilder, voller Blut und Leichen… doch es waren nicht irgendwelche Toten – es waren tote Engel. Und er sah seinen Vater inmitten der leblosen Körper – er lachte.   Es machte ihm Angst.   „Fircos…“ flüsterte Shuyar – dann wurde sein Kopf ganz leicht, die Bilder hörten auf. Er hörte eine sanfte Stimme die weit entfernt zu sein schien „Vielleicht war es zu viel für den Anfang“ Der Schmerz wurde schwächer und sein Körper gab einfach unter ihm nach.   Fircos drehte sich herum weil er meinte dass Shuyar seinen Namen gesagt hatte und sah nur noch wie sein Bruder zusammenbrach. Er eilte zu ihm und schaffte es grade noch ihn vor dem Sturz aufzufangen und ging neben ihm in die Knie. „Shuyar? Bist du ok???“ Panik stieg erneut in ihm auf. „Fi…. ich...ich muss hier raus...“ krächzte Shuyar leise. Fircos war entsetzt – Shuyars Augen waren entsetzt geweitet, sein Gesicht war schmerzverzerrt und kalter Schweiß lief seine Stirn hinunter. Er zitterte und schien mit einem Mal völlig kraftlos. Fircos half ihm auf und stützte ihn während Shuyar sich einfach nur an ihn klammerte und sich auf das Laufen zu konzentrieren schien. Fircos machte sich Sorgen – Shuyar war nie krank gewesen. Er war derjenige, der immer topfit war und vor Energie nur so sprühte – doch in letzter Zeit litt er immer öfter unter diesen Kopfschmerzen.   Die frische Luft tat gut, sie vertrieb die Schmerzen. Shuyar schob Fircos zu Seite, er wollte keine Hilfe mehr „Es geht wieder…“ brummelte er. Fircos sagte nichts darauf denn er wusste was für ein Dickkopf sein Bruder war. „Lass und nach Hause gehen Shuyar...“ schlug Fircos vor. Shuyar war allein der Gedanke seinen Vater zu sehen unangenehm, doch er willigte trotzdem ein. „Du hast wohl Recht“ erwiderte Shuyar bedrückt. „Ich habe immer Recht“ sagte Fircos während er liebevoll durch Shuyars Haare wuschelte. „Lass das! …. Toll, jetzt seh' ich sicher aus wie ein Wischmopp…“ nörgelte Shuyar als er leicht genervt wieder den Waldweg entlang stampfte den sie gekommen waren. Fircos kicherte nur und schlenderte hinterher. Er war nur froh dass Shuyars Schmerzen scheinbar nachgelassen hatten.   'Wäre ich doch bloß nicht hergekommen' – das war momentan der einzige Gedanke den das rennende, junge Mädchen hatte. Langsam kam sie außer Atem, doch sie musste weiter rennen wenn sie überleben wollte. Innerlich hielt sie sich ihre Strafpredigt „Toll hast du das gemacht Faith – nicht nur dass du trotz aller Warnungen in diesen gefährlichen Wald gegangen bist, dich verirrt hast und nun noch deine einzige Waffe verloren hast, nun wirst du auch noch anscheinend von dem einzigen Drachen im ganzen verfluchten Wald gejagt!“ Ihre langen, weinroten Haare wehten im Wind, ihr hellgelbes Gewand war verschmutzt und zerfleddert. Ihre leichte Lederrüstung war an einigen Stellen stark beschädigt – zerrissen von riesigen Krallen. Sie blieb kurz stehen und lauschte. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und die Anspannung lies sie den Atem anhalten. Doch da hörte sie auch schon einige Bäume hinter sich stürzen und der riesige Drache brüllte vor Zorn.   Sie rannte weiter. Sie kam an den Waldrand, stolperte regelrecht hinaus – und sah dass sie in der Falle saß – vor ihr war nur noch ein Felsvorsprung. Sie rannte hin um zu sehen ob sie möglicherweise springen oder klettern konnte, doch als sie sah wie hoch der Abgrund war, wurde ihr ganz flau im Magen. „Was ist wohl besser: von einem Drachen gefressen zu werden oder hier ungefähr 40 Meter hinunter fallen und als Matschhaufen enden – klingt beides nicht sehr schmeichelhaft“ sagte sie laut zu sich selbst. Sie starrte einfach nur noch auf die weit entfernten Baumkronen unter sich. Sie hörte Bäume ächzen und als sie sich umdrehte stieg die Panik in ihr hoch, denn der Drache war nur noch höchstens 30 Meter entfernt. Jetzt erkannte sie wie aussichtslos ihre Lage war. Der Drache war mindestens sechsmal so groß wie sie, nein noch viel größer – er war einfach gigantisch. Sie wich einige Schritte zurück bis sie merkte dass hinter ihr der Boden aufhörte. Sie hatte Angst und schrie: „Ich will noch nicht sterben, nicht hier, nicht jetzt und nicht so!“ Kaum hatte sie ihren Satz beendet hob der Drache seine Pranke und schlug nach ihr. Ihr kam alles vor wie in Zeitlupe: Sie wich aus Reflex aus, doch der Schlag erwischte sie trotzdem. Sie spürte den Schmerz des Hiebes in ihrem Magen, fühlte regelrecht wie ihre Rüstung sich in Fetzen auflöste, wie sie ihr Gleichgewicht verlor und fiel. „So endet es also… Verdammt...“ das waren ihre letzten Gedanken bevor sie ihr Bewusstsein verlor und immer schneller fiel – doch sie bemerkte auch nicht das sanfte Leuchten dass sie umgab.   Shuyar schreckte hoch als er das grollende Gebrüll hörte. „Hört sich an wie ein Drache – ich frage mich was der hier macht.“ Fircos versuchte gerade herauszufinden woher das Geräusch gekommen war, als etwas plötzlich durch das Blätterdach krachte – genau über dem Platz an dem Shuyar stand und entsetzt nach oben starrte. „WA---ARRRGHHH!!!“     Es war ein Mädchen – umgeben von einem seltsamen hellen Leuchten. Shuyars erschrockenes 'ARGH' war der letzte Laut den Fircos von seinem Bruder hörte. Denn das Mädchen fiel ihm regelrecht in die Arme, sein kleiner Bruder verlor das Gleichgewicht, stürzte nach hinten, prallte ungebremst auf den Boden und lag wie so oft heute durch den Sturz bewusstlos am Boden.   Der einzige Unterschied war, dass dieses Mal quer über ihm dieses bewusstlose Mädchen lag. Fircos stand völlig perplex da – seine Gedanken überschlugen sich und sein Gehirn würde sicher bald Rauchsignale aus den Ohren geben. Die einzigen Worte die er in dieser eher ungewöhnlichen Situation aus sich herausbrachte waren: „Scheiße… was mach ich denn jetzt?!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)