Seelenkrank von MarryDeLioncourt ================================================================================ Kapitel 46: my Boy is back -------------------------- Ich staunte nicht schlecht, doch wenn ich an morgen dachte wurde mir ganz schlecht. Das war vermutlich das Dümmste was ich machen konnte. Mein Körper war so angespannt wie ein Flitzebogen. Ich trank zwei Kaffee, aber das machte es nicht besser, deshalb kifften Flo und ich noch einen. Gerade als wir wieder ins Hause gehen wollten, kamen die beiden Jungs die Einfahrt hoch gelaufen. In meinem Magen krampfte sich alles zusammen. Es war draußen noch schön und wir beschlossen im Pool baden zu gehen. Nach einer Weile verzogen sich Flo und Miyavi. Toll und ich war mit dem Teufel allein. Doch ich wollte etwas ausprobieren und machte mir deshalb nicht die Mühe noch etwas anderes außer meiner Hose anzuziehen. „Es tut mir übrigens leid, was passiert ist...Flo is ganz schön fertig...du sicher auch." Juka schaute mich mit seinem Engelsgesicht an, welches von den Spuren der letzten Wochen gezeichnet war. Die Fältchen an seinen Augen schienen irgendwie markanter als sonst zu sein und obwohl er seine Augenringe versucht hatte zu überschminken, waren diese noch immer sichtbar. „Schon okay, ich habe mich dran gewöhnt...ein Arsch wie ich hat es wohl nicht anders verdient." Jetzt fing er schon wieder mit dieser Mitleidstour an. Ich verdrehte die Augen. „Mhh, ich könnte dir ja Recht geben...ach wie geht's deinem Shey eigentlich?" Juka funkelte mich an. „Ganz gut und deiner Hübschen? Weiß sie, dass ich gerade hier bin?" Verdammt. Warum schien er immer alles zu wissen? „Sie is nich mehr meine Hübsche…Juka, was soll das, wir führen uns beide bescheuert auf. Ich will nich mit dir streiten." Seine Züge wurden weicher. „Die ganze Sache mit Kami hat mich echt fertig gemacht und seine Eltern erheben nich mal Anklage gegen mich...weil ich ja fast zur Familie gehör und so. Ich fühl mich echt richtig mies." „Kann ich verstehen, Flo war ganz schön sauer was?" Juka grinste. „Der hat nen ganz schönen Schlag drauf...darf ich dich eigentlich immer noch nicht wieder Luki nennen?" Allein dieser Satz, diese Worte löste etwas in mir aus, was ich nicht so recht beschreiben konnte. Dieser Mann brachte mein Herz noch immer zum Schmelzen. Im Hintergrund lief gerade Hardcore Superstar mit „Stranger of mine“. Meine unterdrückte Begierde, die mich nach diesem Mann schmachten ließ, schlich langsam aus dem innersten meiner Seele herauf. „Du kannst mich nennen wie du möchtest...Juka..." Ich konnte nicht anders und kroch auf seinen Schoß, ich wollte nicht reden, denn ich hätte ohnehin nicht in Worte fassen können, was gerade in mir vorging. Juka legte seine Arme um mich und so verweilten wir eine ganze Zeit. Ich atmete seinen Duft ein. Etwas von sonnengebräunter Haut, einem Hauch Parfum und Kokosschampoo. In dieser einzigen Umarmung schien die Erlösung all der schmerzhaften Stunden zu liegen. Trotz der Hitze konnte ich es nicht lassen mit den Händen über Jukas Rücken zu streicheln. „Luki, was tust du da bloß?" „Ich weiß es nich...was würdest du tun, wenn ich dir jetzt sagen würde, dass ich dir am liebsten die Seele aus dem Leib vögeln würde?" Jukas Körper spannte sich an und er gab ein leises Stöhnen von sich. „Du bist völlig wahnsinnig. Reicht der Sex mit deiner Tussi nicht aus?" Shit, ich hatte es verkackt. Doch in Jukas Stimme lag dieser spielerische Unterton. „Wie gesagt, zwischen ihr und mir is nichts mehr…seit dem Abend als du hier aufgetaucht bist und zu Jojo wolltest. Außerdem, es geht nich nur um den Sex. Als mir Flo erzählt hat, dass er dich getroffen hat, kam alles wieder hoch." „Und du würdest das einfach so tun?" Würde ich das? Was war ich für ein Narr, wenn ich das tat. Doch du lieeebst ihn!! Schrie mein Unterbewusstsein. „Was springt dabei für mich raus?", fragte ich ihn. Plötzlich küsste mich Juka und in diesem Kuss lag all seine Leidenschaft und tiefe, tiefe Sehnsucht. Ich holte Luft, weil ich vergessen hatte zu atmen. „Das und noch mehr...für immer...Luki, heirate mich." „Juka....was soll das....ist das ein Scherz?" „Nein keinesfalls, du bist der Mann dem ich vor sieben Jahren mein Herz schenkte...du willst mich? Du kannst mich haben. Ich will keine Kämpfe mehr ausfechten, mich vor dir beweisen oder rechtfertigen." Vermutlich sollte ich sowas sagen wie: Okay, ich verzeihe dir und wir werden für immer glücklich sein. Doch so wunderschön sich Jukas Kuss auch angefühlt hatte, ich konnte es nicht. Ja es kam zwar alles zwischen uns wieder hoch, doch jeh mehr ich an unsere guten Tage zurückdachte, desto stärker meldete sich der dunkle Teil in mir und rief mir ebenso die schlimmen Erinnerungen herbei. Ich zuckte zusammen, das entging Juka nicht. Und ich krabbelte von seinem Schoß. Behutsam berührte er meine Hand, doch ich zog sie weg. „Tut mir leid Juka, ich kann das nich…ich kann das alles nich, je mehr ich es mir wünsche, desto schlimmer werden meine Ängste.“ Traurig schaute er mich an, doch seine wunderschönen Lippen blieben stumm. Das Glitzern in seinen Augen verriet, wie verletzlich er am Ende doch war. „Ich habe das niemals gewollt…dich so zu sehen bringt mich um…wir haben uns gegenseitig zerstört Luki.“ „Vielleicht haben wir das…ich weiß es nich…vielleicht bin ich noch sauer, aber vielleicht auch nicht. Gib der Sache Zeit Juka…“ Flo und Miyavi störten unsere traute Zweisamkeit und beiden schien es richtig gut zu gehen. Ich grinste Flo an beschloss noch nichts mit Juka anzufangen. Ich konnte einfach nicht. Meine Schwester kam mich Sonntag besuchen und schien irgendetwas sehr dringendes loswerden zu wollen. „Alles okay?", fragte ich. Sie nickte und holte sich ein Bier. „Jojo, Juka war gestern hier…bis heute Morgen…aber es is nichts passiert“, platzte es aus mir heraus. „Ernsthaft? Und was habt ihr dann gemacht?“ „Vor ein paar Tagen hab ich mich mit Flo über alles unterhalten und da kam auf einmal alles wieder hoch…ich weiß nich, was ich tun soll.“ Sie schwieg, sah mich nicht mal an und trank ihr Bier sehr schnell leer. „Es war bescheuert zu denken, dass du ihn schon vergessen hast und über die Zeit hinweg bist. Ich liebe dich Lukas, aber das weißt du ja…ich hab dich damals echt gehasst…naja nicht gehasst, ich hatte ne scheiß Angst um dich. Doch das letzte Woche…ich will nicht, dass du deinen hübschen Körper so zurichtest und Juka würde das auch nicht wollen. Rede mit ihm über deine Gefühle, denn ich bin noch nicht bereit dich zu verlieren. Doch ich fürchte, das passiert früher oder später, wenn du so weitermachst. Aber ich bin ja nur deine kleine Schwester, die keine Ahnung von solchen Dingen hat.“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Jojo schlang ihre Arme um meinen Körper und ließ ihren Kopf gegen meine Brust sinken. „Danke meine Kleine…das wirst du immer sein, aber ich weiß auch, dass du das schon lang nich mehr bist.“   Ich überlegte ob ich Juka anrufen sollte. Nein, besser nichts überstürzen. Morgen war Wochenende. Die anderen beiden Jungs gesellten sich zu mir und Flo wollte alles hören. Es war seltsam Miyavi ungeschminkt zu sehen, doch daran sollte ich mich besser gewöhnen. Unerwarteter weise kam mein Liebster dann doch noch, dann musste er mich eben völlig betrunken ertragen. Doch Juka zog nach, was mich verwunderte, denn sonst ließ er immer den braven Jungen raushängen. Er gab sich richtig die Kante und das machte mir ein bisschen Sorgen. Ich nahm ihn mit auf mein Zimmer. „Juka, was is los?" Er stolperte und ich fing ihn auf. Behutsam führte ich ihn zum Bett. „Ich glaub alle hassen mich, weil ich Kami umgebracht hab und Flo am meisten...was is außerdem mit dir?....nich mal gemeldet hast du dich heut." Oh oh, der war echt mehr als betrunken. „Schatz jetzt hör mir mal zu...dich hasst keiner...es war ein dummer dummer Unfall...und jetzt Schluss damit." „Hast du mich grad Schatz genannt?", lallte er. Ich nickte. Plötzlich wanderten seine Finger über meinen Körper und ich schloss die Augen, um es zu genießen. Jukas Kuss raubte mir den Atem und ich wollte so gern noch einmal von vorne anfangen, doch das musste wahrscheinlich bis morgen warten. Aber würde ich es noch länger aushalten ihm zu widerstehen? „Du hast neulich was Seele aus dem Leib vögeln gesagt", sagte Juka dann auf einmal mit einer derartigen Leidenschaft in seiner Stimme, dass ich es nicht mehr aushielt und ich fragte mich ein weiteres Mal, ob er wirklich so betrunken war, wie er tat. „Hab ich das? Und was is, wenn ich das nur so gesagt hab?" Plötzlich ergriff Juka meine Arme, legte sie über meinen Kopf und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich. „Du willst Spielchen mit mir treiben? Gerne." Er zog sich den Gürtel aus der Hose und band meine Hände am Eisengitter meines Bettes fest. Heilige scheiße, was hatte der Verrückte mit mir vor. Er zog mir die Hose aus und sich nur das Oberteil und der Anblick seines maskulinen Oberkörpers ließ mich dahinschmachten. Wie konnte ein Mensch nur eine so impulsive Wirkung auf einen anderen haben. Jukas Zunge wanderte über meinen Körper und glitt zwischen meine Beine zu meinem erregten Glied, welches er mit seinem Mund langsam auf und ab bewegte. Um Himmels Willen, was tat dieser Mann mit mir? Seine Bewegungen wurden schneller und in mir stieg dieses Feuer empor, doch kurz vor meinem Höhepunkt stoppte er und grinste mich selbstgefällig an. „Juka bitte hör nich auf...", flehte ich ihn an, weil ich nicht anders konnte. Mein Gehirn schrie nach mehr. „Ich steh drauf, wenn du mich anflehst." „Elender Bastard...jetzt blas mir endlich einen oder du wirst dir wünschen nie geboren zu sein." „Oh Luki, du glaubst nicht wie erotisch ich dich finde, wenn du sowas zu mir sagst." Und endlich fuhr er mit seinem Spielchen fort. Seine Bewegungen wurden schneller und ich ergoss mich in seinem Mund. Juka machte meine Hände wieder los und ich fiel schon fast über ihn her, so sehr hatte er mir gefehlt. Zum ersten Mal nach solch einer leidenschaftlichen Nacht sah ich Sternchen. Mein Gefühl für war irgendwann und irgendwo zwischen Jukas Schenkeln verloren gegangen und ich fühlte mich sehr wackelig, als ich mich aus dem Bett erhob und ins Bad wankte. Ich spürte Juka förmlich lächeln. Ihm ging es vermutlich nicht anders. Ich betrachtete mein Spiegelbild und auf einmal traf mich diese Gefühlswelle wie ein Orkan. Sie durchzuckte meinen ganzen Körper und mein Unterbewusstsein meldete sich, um mich zu rügen, wie bescheuert ich doch war. Warum um alles in der Welt stieg ich wieder mit dem Typen ins Bett, der mir das Herz herausgerissen hatte? Wieder wurden die Bilder in meinem Kopf deutlich, wie Juka es mit anderen Männern trieb und ich sackte nun vollends zu Boden. Ich hielt mir die Hände vors Gesicht und schluchzte. Ich konnte nicht wieder zu ihm ins Bett. „Komm wieder mit ins Bett...", rief er von draußen, doch mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. „Juka, wir müssen reden..." Jetzt wurde seine Miene ernster. „Immer, wenn wir über etwas reden, passiert früher oder später etwas schlimmes...können wir das nicht umgehen?" Ich schaute ihn skeptisch an und schüttelte mit dem Kopf. „Nein, bitte hör mir zu." Juka nickte und ich musste ihm die Wahrheit sagen. „Ich kann nicht leugnen, dass ich keine Gefühle mehr für dich habe und wie intensiv sie noch immer sind, kannst du dir nach der letzten Nacht selbst ausmalen. Dennoch gibt es einen Teil in mir, der dich noch immer hasst...ich drücke mich bewusst etwas krasser aus. Ich habe gelogen, als ich dir sagte, du könntest mich nich zerstören...denn du hast es geschafft mich zu brechen und ich war in dieser Zeit ein Zombie, der vor sich hinvegetierte. Ich wollte nichts mehr fühlen und habe gelernt Gefühle abzuschalten, sonst gäbe es mich nicht mehr. Oft hab ich mir auch überlegt mich umzubringen und es ist ein Wunder, dass ich nich an meinen berauschenden Lebensgewohnheiten zu Grunde gegangen bin..." Jukas Augen füllten sich mit Tränen, doch er hielt sie zurück. Er setzte zum Reden an, doch ich hielt ihm den Finger auf die Lippen. „Es gab Tage, da bekam ich mich allmählich wieder in den Griff, bis du mir sagtest, ich könnte meinen eigenen Scherbenhaufen nie mehr reparieren..." Jetzt rannen Tränen seinen Wangen herab. „Lukas, warum tust du das?", flüsterte er mit erstickter Stimme. „Weil, ich hoffe, dass auch du jetzt leidest, so wie ich leiden musste. Vielleicht ist das auch nicht fair und so schön es letzte Nacht mit dir auch war, kann ich das nich. Ich weiß nicht, wie es dir in der Zeit, in der wir getrennt waren ging, aber ich will sowas nicht noch einmal durchmachen." Juka vergrub seinen Kopf in meinem Schoß und weinte, so hatte ich ihn noch nie erlebt und ich glaubte, er bereute es bitter, was er mir angetan hatte. Nach einer Weile schaute er mich aus seinem tränenverschmierten Gesicht an. „Ich weiß auch nicht, ob es fair ist…liebst du mich noch?" „Das hab ich doch vorhin gesagt, aber mittlerweile ist der Teil, der dich verachtet größer…es funktioniert nich Juka." Erneut rannen Tränen seinen Wangen herab und seine Nacktheit ließ ihn noch hilfloser erscheinen. Mein wunderschöner Juka. „Luki...was soll ich sagen. Du hast mich gerade Schachmatt gesetzt. Ich war ein Idiot, mehr als das und kurz nachdem ich wieder in Japan ankam, haben Shey und ich unsere Beziehung beendet...er meinte, ich trinke zu viel. Das war wohl Ironie des Schicksals. Außerdem ist er nicht mit meinen Launen klargekommen...weißt du, als ich dich kennenlernte, habe ich gesagt, dass ich dich immer so akzeptieren würde, wie du bist, habe es aber nie getan...ich will nur eins und das ist dich zurück Luki. Du bist so stark und auch wenn ich ein Arschloch war bin ich froh darüber, dass du dir nichts angetan hast. Ich verspreche dir, dass ich dich von nun an auf Händen tragen werde. Ich akzeptiere deine Arbeit, deine Band und deine Launen...auch, wenn es mir fast nicht zusteht frage ich dich, willst du uns noch eine wirklich letzte Chance geben?" Jetzt kamen auch mir die Tränen, denn mein Herz sehnte sich nach ihm. „Juka…ich kann nicht…." „Bitte", flehte er. Doch ich schüttelte mit dem Kopf, erhob mich und zog mir eine Hose an. Ich schaute Juka von der Seite an und wischte meine Tränen weg. „Weder du noch ich könnten mit mir leben, wenn wir zusammen sind, denn entweder ich schieß mich völlig ab, weil ich es gerade nicht ertrage oder du regst dich über mich auf, weil ich ständig betrunken bin. Das führt zu nichts Juka." Juka schüttelte energisch mit dem Kopf. „Nein, wie kommst du darauf? Du kannst dein Leben so ausgiebig genießen, wie du willst!" „Soll ich mich also zu Tode saufen? Juka ich kann nich, versteh das doch." Juka zog mich an sich und setzte jetzt auf eine andere Taktik. „Außerdem bist du der einzige Mensch mit einer so unstillbaren Libido...das macht dich so unwiderstehlich Luki." Ich schluckte den Kloß im Hals hinunter. „Nur weil ich dich einfach wann und wo ich will vögel?" „Das ist schon ein bisschen skrupellos aber auch echt heiß." Wieder entzog ich mich seinem Charme, auch wenn es mich innerlich fast zerriss. Wenn ich jetzt noch einmal nachgab, wäre ich für immer verloren. „Bitte geh jetzt einfach okay? Vielleicht funktioniert das irgendwann mal, aber jetzt brauch ich Zeit…Zeit für mich…bitte..." Juka zog die Stirn in Falten. „Ist das dein Ernst?" Ich nickte. „Schon…ich will dir keine Vorwürfe mehr machen, geh einfach, sonst wird es noch schwerer", sagte ich und Juka verdrehte die Augen. „Was soll ich sagen..." Er gab mir einen Kuss auf die Wange und verschwand. Ich- ein Häufchen Elend blieb zurück, bis zu den Knien hockend in seinem Scherbenhaufen.   „Oh nein, meine Mum wollte heut zum Essen kommen." „Zum Essen?", fragte mich Flo, der sich gerade mal einen Tag von Miyavi losreißen konnte. Ich hatte ihm allerdings noch nicht gebeichtet, dass seine Mühen umsonst gewesen waren, doch ich hatte das Gefühl, er ahnte es irgendwie. „Ich muss noch was einkaufen..." Flo nahm mich einen Moment in die Arme. „Ach was, ich kann sie ja gern mit japanischen Spezialitäten beeindrucken, das kann ich mittlerweile richtig gut." Ich lächelte etwas schüchtern. „Das wäre voll toll." „Lukas, ich weiß nicht, was passiert ist, aber darüber können wir später gern reden. Aber erst mal den Abend mit deiner Mum überstehen." „Naja komm, so schlimm ist sie auch wieder nicht", scherzte ich. „Immer noch besser als meine oder? Wann kommt sie?" Ich warf einen Blick auf die Uhr. „In etwa einer Stunden. Ich muss halt noch einkaufen." „Was hältst du davon, wenn ich einkaufe und koche?" Ich schenkte Flo ein erleichtertes Lächeln. „Das wäre traumhaft." Ich hüpften noch schnell unter die Dusche, dann gab ich Flo meine Autoschlüssel, damit er in den Supermarkt fahren konnte. Ich traf Fabi in der Küche, als ich gerade Kaffee kochen wollte. Und mir fiel auf, dass wir uns irgendwie seit Tagen nicht mehr gesehen hatten. Ich gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. „Na alles klar?" Er gähnte und nickte. „Ferienarbeit is echt beschissen. Ist Selene eigentlich immer noch weg?" Ich nickte automatisch. „Sie wollte wieder mit ihren Brüdern rumziehen." „Und hat dich sitzen lassen oder was?" „Nee, nich ganz und du wirst mich wahrscheinlich hassen...aber ich hab wieder was mit Juka angefangen...ich hab das Gefühl es geht einfach nicht ohne ihn Fabi." Mein Halbbruder verdrehte die Augen. „Mach was du willst nur schieb dann nich wieder so ne Depriphase", bemerkte er trocken. Ich nickte nur. Flo kehrte nach einer halben Stunde mit dem Einkauf zurück und Fabi ignorierte ihn. Miyavi freute sich riesig, dass Flo für uns kochte, denn es erweckte den Anschein, als wären die beiden schon seit Tagen nicht mehr aus ihrer Liebeshöhle gekommen. „Ey ihr zwei Turteltäubchen, seit ihr jetzt liiert?", fragte ich meinen Freund, um von meiner Baustelle abzulenken. Ich half Flo beim Zwiebeln schneiden. „Mhh mal sehen, was das wird, der Sex ist schon mal gut", lächelte Flo. „Wow, das klingt doch prima." Es verging noch eine halbe Stunde und meine Mum kam hereingeschneit. Sie merkte gleich an, dass es hier köstlich duftete und beäugte, was der Koch da trieb. Sie begann mit Flo zu reden und ich fragte mich, ob sie das auch so unverfroren tun würde, wenn sie wüsste, dass er schwul war. „Na ihr scheint euch ja blendend zu verstehen", bemerkte ich. Flo grinste mich an und hielt mir den Löffel zum Probieren hin. „Lukas, wo ist Selene eigentlich?" Auch meiner Mum erzählte ich dieselbe Geschichte wie Fabi zuvor. Sie runzelte die Stirn. „Außerdem hätte das mit ihr nicht mehr lange funktioniert..." Sie schüttelte etwas ungläubig den Kopf und schien noch immer auf dem Schlauch zu stehen. „Was meinst du? Du findest schon ein anderes Mädchen." „Mama, das ist ja gerade, ich will gar kein anderes Mädchen, ich will überhaupt nie ein Mädchen...ich steh auf Männer und das schon eine ganze Weile." Jetzt fiel ihr es wie Schuppen von den Augen und sie suchte vergeblich nach Worten. „Lukas...wie...was...du stehst auf Männer?" „Richtig ich bin schwul...bin ich jetzt in deiner Symphatieskala wieder gesunken?", fragte ich etwas sarkastisch. „Nein, bist du nicht, es ist nur ungewohnt für mich...aber wie kam es so schnell dazu?" Ich winkte mit der Hand ab. „Das ist eine lange Geschichte, die erzähl ich dir wann anders." „Hattest du schon Mal einen Freund?" Ich nickte und wollte das Thema nicht noch mehr ausweiden, weil ich wusste, dass es mich zerbrach. Als ich rauchen ging, begleitete mich Flo. „Das war doch gar nicht so schlimm oder?" Ich zuckte mit den Schultern. „Mal sehen, was noch kommt", gab ich etwas vorsichtig zurück und mein liebster Freund kümmerte sich weiter um das Essen, jedoch überraschte mich meine Mum hier draußen, als sie urplötzlich um die Ecke bog und an ihrem Gesichtsausdruck wusste ich, dass das Gespräch noch nicht zu Ende war. Hatte sie sich doch nicht verändert? Mir wurde etwas flau im Magen. „Lukas...ich muss das noch mit dir besprechen..." „Jetzt ernsthaft? Ich bin alt genug und ich habe dir auch deutlich gemacht, dass ich mein Leben führe, wie ich es für richtig halte, also untersteh dich irgendeine dumme Bemerkung zu äußern!", zischte ich. „Dein Temperament hast du jedenfalls nicht verloren. Ich will dir auch gar nicht vorschreiben, wie du leben sollst, nur mache ich mir eben Gedanken. Hast du dir das auch gut überlegt? Du kannst niemals Kinder haben...außerdem, was haben Jungs, was Mädchen nicht haben? Bitte erkläre es mir." Doch, sie hatte sich verändert, denn früher hätte sie nie nach dem Grund gefragt, sondern mich verurteilt, egal weshalb. Jetzt stand sie hier und wollte teil an meinem Leben haben. Das rührte mich. „Ich fürchte, ich muss dir die Geschichte doch jetzt erzählen. Es fing an, als ich Juka vor sieben Jahren kennenlernte, ich habe ihn damals in einer Bar getroffen. Wir wurden gute Freunde, doch nebenher versuchte ich meine Beziehung zu Nici irgendwie aufrecht zu halten, doch das funktionierte nicht. Immer, wenn ich in Jukas Nähe war, spürte ich, dass etwas anders war als sonst, doch vorerst habe ich dieses Gefühl ignoriert...irgendwann trennte ich mich endgültig von Nici und wagte etwas Neues." Sie schwieg und schien meine Worte erst einmal zu verarbeiten. „Aber ich verstehe auch nicht, was da jetzt mit Selene war und sie so plötzlich weg ist." Ich seufzte. „Juka und ich haben uns vor einer Weile richtig gezofft und jeder ist seinen Weg gegangen. Sei froh, dass du nicht früher hergekommen bist...die Trennung von ihm war alles andere als schön und ich habe es nie verkraftet...bis wir uns vor zwei Tagen doch wieder getroffen haben, um zu reden. Naja wir sind Freunde oder sowas." Meine Mum schaute mich lange an und ich beschloss noch eine Zigarette zu rauchen. „Aber was gibt er dir, was andere nicht haben?" „Er gibt mir Schutz und Sicherheit. Ich gehöre nicht zu den Männern, die ein Mädchen umgarnen wollen...Mama, in meinem Leben ist eine ganze Menge echt beschissen gelaufen und Juka war der Grund, warum ich nie aufgegeben habe an mich zu glauben." Sie hielt sich die Hände vor den Mund und sah leicht schockiert aus. „Ich bin wirklich eine Rabenmutter, vielleicht hätte ich dir einiges ersparen können." Ich schüttelte mit dem Kopf und lachte traurig. „Nein, hättest du nich und es hat auch nichts mit dir zu tun." „Oh mein Lukas, ich weiß so wenig von dir. Du wirkst so erwachsen und doch beschleicht mich das Gefühl, dass du es noch immer nicht bist." „Mach dir keine Sorgen, ich habe alles im Griff und es ist schön mit dir zu reden." Sie drückte mich kurz an sich und dann machten wir uns wieder auf ins Warme. Ich schenkte meiner Mum Wein ein. Flo war fast fertig und das Essen musste nur noch ein bisschen vor sich hin köcheln. Flo setzte sich zu uns und schenkte sich ebenfalls Wein ein. „Flo, wie geht es dir eigentlich?", fragte ihn meine Mum. „Danke gut. Ich bin gerade auf der Suche nach einem Job, aber sonst ist alles prima." Meine Mum warf ihm einen anerkennenden Blick zu, als hätte sie mit etwas schlechterem gerechnet. „Es ist schön, dass ihr beiden Euch noch so gut versteht. Hast du noch Kontakt zu deinen Eltern?" Oh oh, das war ein wunder Punkt, doch Flo lachte und nippte an seinem Glas. „Ab und zu schon...aber die meiste Zeit bin ich lieber hier. Johanna war ja vor zwei Monaten in Tokio, da war ich auch dort und hab mit ihr eine kleine Stadtführung gemacht." Flo erhob sich und servierte das Essen. Meine Mum war von seinen Kochkünsten hellauf begeistert. „Lukas, ist Florian schon lange arbeitslos?“ Ich verdrehte die Augen. „Nein und er sucht sich schnellstmöglich was." Flo leistete uns dann auch wieder Gesellschaft. Nachdem wir den Wein geleert hatten, räumte ich den Tisch ab und stellte alles in den Spüler. Meine Mum sagte dann, dass sie ein bisschen müde sei und verabschiedete sich von uns. Ich ließ mich etwas erschöpft auf das Sofa sinken. Flo legte seinen Arm um mich. „Lukasschatz, willst drüber reden?", fragte mein Freund. Ich schenkte mir neuen Wein ein und blieb ganz entspannt. „Vielleicht...immer wenn Juka weg is, wünschte ich, er wäre da und wenn er da ist, will ich, dass er geht. Ich kann nich mehr. Heute hatte ich die Kraft ihn gehen zu lassen." Fabi leistete auch seinen Beitrag. „Du hast ja keine Ahnung, wie sehr Lukas gelitten hat Flo! Immerhin war ich in der Zeit für ihn da und das war echt nicht einfach!", platzte mein Bruder heraus. Ich atmete tief ein und wieder aus. Irgendwie musste ich das hier unter Kontrolle bringen. „Fabi, du musst nich immer wieder damit anfangen, es ist vorbei und ich kann nur immer wieder sagen, dass ich von niemanden verlangt hab, sich um mich zu kümmern." „Und dann fängst du doch wieder was mit ihm an. Ich will dich nicht noch einmal so leiden sehen." Ich schaute vorsichtig in Flos Richtung und er warf mir einen mitfühlenden Blick zu. „Süßer, Fabi hat Recht. Aber am Ende musst du entscheiden, was du möchtest. Glaub mir ich weiß wie schwer es ist Juka gehen zu lassen und ich kann auch nachvollziehen, dass du den Wunsch, ihn zu sehen schlecht unterdrücken kannst…noch immer mache ich mir Vorwürfe, weil ich zu diesem Zeitpunkt in Tokio war und nich bei dir." Seine Stimme klang traurig und erschöpft. „Flo, das weiß ich, aber ich habe dir auch gesagt, dass ich dir das nicht übel nehme." Fabi schien sich gerade in Rage zu reden. „Ich hoffe wirklich nich, dass du wieder was mit ihm anfängst. Es war so erschreckend, wie du dich wochenlang besoffen und zugedröhnt hast, weil du es sonst nich ausgehalten hättest. Deine Mitmenschen, unter anderem ich, waren dir völlig egal und deprimiert hast du dich verkrochen!", fluchte er jetzt. „Wie oft willst du mir das denn noch vorhalten? Wenn du es nicht mit mir aushältst, geh doch", fuhr ich ihn an. „Ich würde dir gern glauben okay?", erwiderte er jetzt ruhiger. Gut so, denn ich war auch nicht in der Stimmung zu streiten. Flo hatte sich auch nochmal Wein nachgegossen. „Du hast nicht die Geringste Ahnung was Juka und mich verbindet. Nur, weil du einen kleinen Einblick in unser Beziehungsleben bekommen hast, heißt das nich, dass du dir es erlauben kannst darüber zu urteilen. Denn Fakt is, dass Juka und ich uns schon echt lange kennen und ich aus diesem Grund behaupten kann, dass das nich noch mal passiert! Ich liebe ihn und da kannst weder du noch jemand anderes etwas daran ändern, doch du hast natürlich Recht, ich hab mich echt arschig verhalten und es tut mir leid. Lass uns einfach noch einen schönen Abend haben", entgegnete ich. Flo räusperte sich und wollte dem allen hier wohl auch lieber ein Ende setzen. „Fabi...ich kenne Lukas schon seit der Grundschule und kann bestätigen, dass er der wirklich beste Freund der Welt ist. Noch nie hat er mich enttäuscht oder hintergangen, die Liebe zu seinen Freunden ist unglaublich und wenn er nich wäre, würde ich schon lange unter der Erde liegen. Vertrau ihm einfach…ich darf ihn verprügeln, wenn er sich noch mal so gehen lässt, in Ordnung?" Fabi lachte jetzt und nickte. „Alles klar…ich weiß was du meinst. Klar kennt ihr euch länger, aber du bist meine Familie Lukas und ich sorge mich auch ab und zu um dich." „Schon klar Fabi…alles gut, ich benehme mich. Jetzt muss ich aber ins Bett. Gute Nacht ihr zwei Hübschen.“ Ich warf den Jungs Handküsschen zu und begab mich auf mein Zimmer. Dort ließ ich mich dann der Länge nach aufs Bett fallen. Mein trauriger Blick schien Löcher in die Luft zu starren. Wenn ich gewollt hätte, könnte Juka jetzt hier neben mir liegen und dieser Gedanke trieb mir die Tränen in die Augen. Ich fragte mich, wie viele Eimer hier wohl im Zimmer stehen würden, wenn ich all die Tränen, die ich für Juka vergossen hatte, darin aufgefangen hätte. Sein letzter Blick von heute Nacht verfolgte mich und schien mich wie ein Geist heimzusuchen. Wie hatte ich nur wieder mit ihm schlafen können? Ich verdammter Idiot. Irgendwie konnte ich jetzt unmöglich schlafen und so simste ich Flo, ob er nicht hochkommen wolle. Etwa zehn Minuten später trat er in mein Zimmer, wedelte mit dem Joint in seiner Hand und zwei Bierchen unterm Arm. Ich lächelte schwach. Wir redeten nicht sonderlich viel, aber es tat auch einfach nur gut, ihn hier zu haben.   Am Nachmittag erhielt ich unerwarteten Besuch von Jule und die sah echt mehr als sauer aus. Ich verdrehte nur die Augen und wusste sofort, dass ich das mit Sicherheit Fabi zu verdanken hatte. Dieses Plappermaul von Bruder wusste genau, bei wem er sich auskotzen musste. Ein bisschen verachtete ich ihn dafür. Fabi lehnte selbstgefällig grinsend in meinem Türrahmen. Ich zeigte ihm nur meinen Mittelfinger. Bevor ich etwas sagen konnte, holte Jule aus. „Bist du eigentlich völlig behämmert Lukas? Ich dachte Fabi verarscht mich. Und wie war das neulich, als es dich fertig gemacht hat…als verrückt hat er dich bezeichnet. Was ist bloß los mit dir?“, fuhr sie mich forsch an. „Können wir das Thema jetzt bitte lassen? Ich weiß ich hätte das nich tun sollen, aber es is eben passiert…sorry. Ich bin nun mal nich perfekt.“ „Lukas, mein Schatz, ich habe nur Angst, dass du noch mal so abstürzt. Nicht mal deine eigene Schwester hat dich wiedererkannt. Und dann rennst du diesem Spinner wieder in die Arme? Das ist wirklich verrückt Lukas…tut mir leid, aber ich dachte eigentlich immer du wärst intelligent genug, um den selben Fehler nicht zwei Mal zu begehen.“ „Ich bereue es selbst okay! Und jetzt lasst mich doch alle in Ruhe!“, zischte ich meine Freunde an. „Wir wollen aber nicht gehen, verdammt noch mal. Wir haben dich doch gern!“ Jetzt schwang leichte Verzweiflung in Jules Stimme. „Und das ist auch schön, nur manchmal nervt es mich echt. Ich komme mir vor wie ein beschissenes Kind. Außerdem war Juka ein besonderer Mensch für mich und das wird sich nich ändern, denn es sind auch Dinge zwischen uns passiert, die unglaublich toll waren. Manchmal weiß ich selbst nich, wie dieser ganze Liebesschwachsinn funktioniert, doch Fakt ist, dass Juka der einzige Mensch is, den ich bedingungslos liebte, auch wenn wir viel, viel, viel Scheiß durchmachen mussten. Jeder macht Fehler, der eine größere, der andere kleinere, doch wenn man einmal die Liebe des Lebens getroffen hat, isses verdammt schmerzhaft sie wieder loszulassen. Es tut mir leid, dass ich euch so sehr zur Last gefallen bin. Doch ihr tut so, als wäre ich er größte Versager und könnte nicht auf mich selbst aufpassen. Ganz ehrlich Fabi, als ich in deinem Alter war, habe ich viel beschissenere Dinge getan. Jeder von euch trifft seinen eigenen Entscheidungen und ihr habt euch damals entschieden mir beizustehen. Und Jule, was macht dich so sauer. Die Tatsache, dass ich mich letztendlich nich für dich entschieden habe? Es will mir immer keiner glauben, aber ich bin viel abgefuckter als ihr beide zusammen. Ich renne vom einen Chaos ins nächste, das geht schon Jahre lang so und so sehr ihr mich auch zu mögen scheint, die eine Sache hatte euch Juka voraus- er ertrug mich immer, er duldete meine Launen, meine Selbstverliebtheit und mein nichtvorhandenes Selbstbewusstsein sowie den Schmerz, den ich schon mein Leben lang spazieren trage. Klar hat er es geschafft mich an den Rand des Wahnsinns zu treiben, aber manchmal wünschte ich, wir wären wieder ein Team.“ Die Wut war aus Jules Gesicht gewichen und auch Fabi schien ernsthaft über etwas nachzudenken. „Lukas…es..tut mir so leid…was kann ich nur für dich tun?“ Sie schien sichtlich aus ihrem Konzept gebracht worden zu sein. „Nichts, danke!“, erwiderte ich und knallte die Tür vom Proberaum hinter mir zu und schloss ab. Zu spät realisierten meine Freunde, dass ich mich eingesperrt hatte. Doch ich wollte einfach nur allein sein. Allein mit meinem kaputten Herz und den üblen Gedanken. Alle wollten mir helfen, doch ich ließ mir nicht helfen. Stattdessen stürzte ich mich noch tiefer in die Dunkelheit. Das Hämmern an der Tür übertönte ich mit lauter Musik und mein Handy stellte ich auf stumm. Ich lag nahezu reglos auf dem Sofa und lauschte meinem Herzschlag, der immer unkontrollierter wurde, je mehr ich mich in meine kranke Gedankenwelt wagte. Ich wusste nur zu gut, was mich jetzt wieder runter brachte, denn diese Grenze hatte ich in letzter Zeit schon wieder viel zu oft überschritten und es trieb mich vermutlich noch mehr von Juka weg. Doch war das nicht auch egal? Blieb nur die Frage wo. Arme war langsam ein bisschen auffällig. Meine Brust glich schon einem kleinen Schlachtfeld, wie wäre es dann mit dem Bauch? Langsam und leicht zittrig ließ ich meine Hand in die Hosentasche gleiten. Einen kurzen Moment setzte mein Herz aus, als sich das warme Metall zwischen meine Finger schob. Vorsichtig zog ich es heraus und hielt es vor mein Gesicht. Du bist so krank und gestört. Keiner wird dich jemals so lieben, wie du bist. Schon gar nicht Juka. Flüsterte eine dunkle Stimme in meinem Kopf und heiße Tränen rannen meine Wangen hinab, die meine Sicht etwas verschleierten. Ich schob mein Shirt ein Stück hoch und gab mich dem Schmerz hin. Die Tränen erreichten meine Lippen und ich schmeckte das Salz. Es faszinierte mich jedes Mal auf’s neue, wie das Blut erst wenige Sekunden nach dem Schnitt aus der Wunde drang. Ich verschmierte die rotglänzende Flüssigkeit und hielt mir die Hand vor Augen. Konnte man süchtig nach Schmerzen sein? Oh ja, definitiv. Es gefiel mir so sehr und die Klinge sauste erneut durch die helle Haut unterhalb der Rippen. Wie ein Messer durch ein Stück Butter. Als ich mich aufsetzte, bahnte sich das Blut seinen Weg nach unten. Der Fluss wollte nicht so recht stoppen, deshalb presste ich meine linke Hand auf die Wunde. Mit der rechten fummelte ich eine Kippe aus meiner Schachtel und zündete sie an. Ich drehte die Musik etwas leiser, um zu hören, ob meine Freunde noch immer versuchten die Tür zu öffnen. Doch nichts. Kein Laut drang an mein Ohr. Warum zur Hölle hörte der Schmerz im Kopf nicht auf? Die Stimme wurde unerträglich laut und redete ununterbrochen auf mich ein, wie scheiße und nutzlos ich war. Ich schnitt ein weiteres Mal zu und vermochte die Tränen nicht weiter zu unterdrücken. Ich kippte zur Seite, krümmte mich zusammen und hielt die Rasierklinge noch immer in meinen blutigen Händen. Neben mir gab das Polster etwas nach, als sich jemand setzte. Doch ich war nicht im Stande, die Person auszumachen, wobei ich es mir fast denken konnte. „Es ist soweit alles gut, aber lass mich bitte einen Moment allein mit ihm, okay?“, sprach Flo in sein Handy und legte auf. Er seufzte tief und schaute auf mich herab. Dann zog er mich hoch, in seine Arme. „Was machst du nur wieder, Dummerchen…“, flüsterte er mir zu und wiegte mich sanft. „Ich bin so am Arsch…ein Nichts Flo…egal was ich mache, alle hassen mich…Jule, Fabi…Jojo…Juka“, schluchzte ich und als mir sein Name über die Lippen sprang, brach ich erneut zusammen. Mein Herz tat weh. So weh, dass ich mir an die Brust fasste. „Keiner hasst dich…und du hast mich in deiner Aufzählung vergessen…“, bemerkte er. Das war mir gar nicht aufgefallen. „Hast du zufällig Verbandszeug dabei?“ Mein bester Freund nickte und legte die Mullbinden auf seinen Schoß, rieb seine Hände mit Desinfektionsmittel ein und öffnete die Packung. Mit noch immer zittrigen Händen schob ich mein Shirt erneut hoch, dabei glitt mir der kleine Übeltäter aus der Hand. Diesen beschlagnahmte Flo sogleich und warf mir dabei einen ernsten Blick zu. „Dich kann man echt nicht allein lassen…komm mit, ich bring dich ins Bett.“   Ich wurde in der Mediengestalterfirma, in der ich arbeitete zum Abteilungsleiter befördert, was bedeutete, dass ich mir endlich die verdiente Anerkennung erkämpft hatte und auch mehr Geld bekam. Das wollte ich natürlich mit Flo, Jule und Fabi feiern und wir gingen erst thailändisch Essen und dann in mein Haus, um diesen Erfolg zu begießen. Es ging mir nicht so elendig wie kurz nach der Trennung von Juka, doch zu kämpfen hatte ich noch immer. „Hat sich Juka eigentlich nochmal gemeldet?“, fragte Jule dann. „Nö. Ich hoff fas tut er auch nich.“ „Sonst verprügel ich ihn auch gern für dich“, meinte mein kleiner Bruder. Ich schaute ihn ein wenig vorwurfsvoll an. „Hör auf sowas zu machen.“ Ich arbeitete in den nächsten Tagen viel und verbrachte die Abende oft alleine. Überraschenderweise traf ich Jojo und Fabi eines Abends in meiner Wohnung an. Vorerst ignorierte ich beide, weil ich keine Lust auf blöde Diskussionen hatte. Ich nahm mir ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank und ließ mich auf dem Sofa nieder. Die beiden schlichen wie Schatten hinter mir her. Jojo ergriff zuerst das Wort. „Bist du mir etwa noch immer sauer?“ „Ich war dir nie wirklich sauer…naja anfangs vielleicht, doch ich hätte es an deiner Stelle wahrscheinlich genauso gemacht…aber Naoki Jojo, das endet meist nich gut.“ „Das sagt ja gerade der Richtige…“, warf Fabi ein und ich schaute ihn mit einem vernichtenden Blick an. „Wenn du zum Streiten hier bist, kannst du gern wieder gehen.“ „Nein, eigentlich wollte ich mich bei dir entschuldigen…deine Worte neulich haben mir schwer zu denken gegeben.“ „Ach ja? In wie fern?“, fragte ich und trank einen Schluck. „Naja, du hast gesagt, dass du nur das Gefühl hast, Flo und Juka wären die Einzigen, die dich mögen, aber das stimmt nicht. Du bedeutest mir viel Lukas, immerhin bist du meine einzige Familie.“ Ich schwieg einen Moment, um über meinen nächsten Satz nachzudenken. „Weißt du Fabi…ich habe die meisten meiner Mitmenschen immer glauben lassen, dass ich der coole unnahbare Typ bin, weil ich es unnötig fand meine Gefühle zu zeigen. Ich stehe tief in eurer Schuld, weil so wie ihr mich erlebt habt, war es mir nicht möglich meine Emotionen zu kontrollieren. Was ich euch verschwiegen habe ist, dass ich mich Juka gegenüber in Tokio echt mies verhalten habe. Er führte sich nicht ohne Grund so auf…ich kann auch nicht genau sagen, woran es lag, dass ich mich so sehr von ihm abgewendet habe…doch am Ende hat es uns beide fast umgebracht. Juka ist außerdem der Einzige, der bisher meine Bedürfnisse stillen konnte, das macht es umso komplizierter….“ Jojo holte Fabi und sich auch ein Bier. „Warum kann ausgerechnet er deine Bedürfnisse stillen?“, fragte Jojo und ich wusste worauf das kleine Biest hinaus wollte. „Weil der Sex mit einem Mann nun Mal anders is…intensiver….“ „Auch wenn du wusstest, dass er schon andere Männer verführt hat?“ Ich funkelte meine Schwester böse an und Fabi schien uns nicht mehr ganz folgen zu können. „Lass es einfach oder willst du dich ernsthaft mit mir anlegen? Du weißt doch, wohin das führt.“ „Ja schon, doch hebst du Juka in den Himmel, stellst ihn auf einen Sockel und verbietest mir was mit Naoki anzufangen.“ „Du kanntest ihn damals erst 2 Monate und kenne Juka seid 7 Jahren, das ist ein kleiner Unterschied.“ „Na und…aber was wenn ich Naoki liebe?“ Ich seufzte und hoffte diesen kleinen, wütenden Teenie beruhigen zu können. Dann wusste ich wie ich mir mehr Licht in dieser Sache verschaffen konnte. „Johanna, ich kann dir und will dir nicht verbieten mit Naoki zusammen zu sein, doch heule mir später nich die Ohren voll.“ Sie erhob sich und rannte mit ihrem Bier davon, ich folgte ihr und bekam sie gerade noch so am Ärmel zu fassen. „Lass mich, es ist dir doch eh egal!“, fauchte sie mich an. „Nein eben nich, sonst würde ich nich so ein Drama draus machen. Tue was du denkst, nur lass dich nich von ihm verarschen.“ Ich schob Jojo wieder zum Sofa und auf einmal war ich kaputt und ausgelaugt vom Stress der letzten Tage. Ich verabschiedete mich ins Bett. Doch der nächste Tag wurde die reinste Hölle. Draußen regnete es in Strömen und mein Gemütszustand war düsterer denn jeh. Deshalb blieb ich auch in meinem Zimmer, denn egal, wem ich an diesem Tag über den Weg gelaufen wäre, hätte dieser mich von meiner besten Seite zu sehen bekommen.   Ich hatte doch beschlossen mich mit meiner Schwester zu versöhnen. Immerhin hätte ich es wahrscheinlich auch nicht anders gemacht. Sie und ihre Freundin Nina besuchten uns öfter, seit es wieder besser zwischen uns lief. Es wurden meist gemütliche, aber auch amüsante Abende. Selbst Flo, der gerade jetzt in der Herbstzeit wieder mehr unter Depressionen litt, kroch öfter als sonst aus seiner Höhle hervor. Wenn er gemeinsam mit uns im Wohnzimmer saß, suchte er insbesondere meine Nähe und ich versuchte ihm ein liebevoller Freund zu sein. Alles schien irgendwie normal, ja schon fast schön zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)