Seelenkrank von MarryDeLioncourt ================================================================================ Kapitel 73: Zukunftsvisionen ---------------------------- Jetzt waren schon wieder mehrere Monate ins Land gezogen und ich bekam langsam wieder Fernweh. Oder war es eher der Aspekt, weil ich mich in Japan mehr zu Hause fühlte als hier? Sicher gab es dort auch blöde Leute, aber nach dem gestrigen Abend wollte ich meine eigentliche Heimatstadt ganz weit hinter mir lassen. Jojo kam auch allein klar. Außerdem hatte sie ja noch Jule und ihre Freundinnen. Meine Zeit hier war vorüber und obwohl ich meine Arbeit sehr mochte reizte es mich noch mehr gänzlich ins Musikbusiness einzusteigen. Mit Sicherheit bot sich da auch hier eine Möglichkeit doch ich war fertig mit dieser Stadt. Ich duschte eine halbe Ewigkeit und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Jojo unterhielt sich bei knisterdem Kaminfeuer mit Juka und Fabi. „Kann ich kurz mit dir reden?“, fragte ich meinen Schönen. Doch dann kam mir in den Sinn, dass es vielleicht besser war das hier vor allen anzusprechen. „Was los?“ Ich seufzte. „Mir fehlt Tokio…“ Diese drei Worte riefen ganz unterschiedliche Reaktionen bei meinen drei Freunden hervor. Jojo wirkte leicht entsetzt, wie erwartet. Fabi fragte sich wohl, ob er mitkommen sollte oder nicht und Juka lächelte mich mit seinem hinreißenden Lächeln an. „Mhh dachte mir schon, dass demnächst sowas kommt…“ „Ja klar wusstest du wieder alles. Bei dir wundert mich echt nichts mehr.“ Auch mein Schwesterchen schien sich jetzt gefangen zu haben. „Aber was ist dann mit mir?“ „Jojo, du bist kein kleines Mädchen mehr und ich traue dir durchaus zu, dass du von nun an auch auf eigenen Beinen stehen kannst. Du bist jetzt erwachsen und wenn wirklich was passiert, kann ich noch immer zurückkommen. Aber das war schon wieder zu lange.“ Fabi räusperte sich. „Da muss ich euch auch was offenbaren…ich hab mich noch mal beim Wirtschaftsgymnasium gemeldet du gefragt, ob ich meinen Abschluss nachholen kann. Dann hab ich gestern den vorgestern den Aufnahmetest gemacht und bestanden.“ Ich wuschelte meinem kleinen Bruder durch die Haare. „Wow cool, ich bin stolz auf dich.“ Plötzlich erhob sich Jojo und rannte scheinbar völlig wutentbrannt in ihre Wohnung. Sie knallte sie Tür hinter sich. Ich verdrehte die Augen, warf Juka und Fabi einen leicht hilflosen Blick zu und folgte ihr. Meine Schwester hockte mit angezogenen Beinen auf dem Sofa und tat als würde sie mich nicht sehen. „Was hab ich jetzt schon wieder gesagt?“ Ihre Stirn runzelte sich etwas und in ihren Augen lag dieser enttäuschte Ausdruck. „Zu mir hast du noch nie gesagt, dass du stolz bist…aber Hauptsache Fabi holt sein Abi nach…das ist ja so großartig.“ „Jojo…das is doch gerade gar nich das Problem…du bist sauer, weil ich weggehen will, stimmt‘s?“ „Du bist nich besser als Mama. Sie drückt sich auch immer vor allem.“ „Jetzt hör aber auf…du weißt, dass das nicht wahr ist. Du hast doch hier alles Süße…vor was hast du Angst?“ „Davor, dass du niemals zurück kommst.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Und wenn schon…das heißt nich, dass wir uns nich sehen werden. Es wird zwar seltener als jetzt, aber wir sehen uns Jojo, versprochen.“ „Du warst immer da und das macht es so schwer…ich vermisse dich jetzt schon“, sagte sie und zog einen Schmollmund. „Ach jetzt magst du mich doch wieder. Interessant, aber schön zu wissen“, bemerkte ich etwas spitz. „Lukas, ich weiß hier ist es gerade schwer für dich, wegen Flo und so…und klar komme ich allein zurecht, doch bin ich mir nicht sicher, ob ich das auch möchte.“ „Es geht nich nur um Flo, das steckt viel mehr dahinter. Außerdem kann ich mir nich vorstellen ewig in der Firma zu arbeiten. In Tokio hätte ich mit Juka zusammen ne Agentur, die wir leiten könnten…“ „Und mit welcher Band willst du dort berühmt werden? Basti geht’s doch ohne dich auch nicht gut…er brauch dich und die Band gerade jetzt…Alice wird dich schrecklich vermissen…sie geht mir ja jetzt schon dauernd auf die Nerven, wann sie mal wieder zu dir kann. Ich bitte dich nicht oft um einen Gefallen, aber jetzt tue ich es…bitte geh nicht.“ Ich seufzte und wusste nicht richtig, was ich davon halten sollte. Sicher hier war meine Familie, aber ich wollte auch meine Ziele erreichen. Dennoch behielt Jojo Recht, denn was wäre meine Band ohne Basti, Lena und Fabi. Verflucht, ich hasste es wenn sie versuchte ihren Willen durchsetzte und mich mit ihrer süßen liebevollen Art um den Finger wickelte. „Jojo…ich würde alles für dich tun, das weißt du…“ Noch bevor ich weiterreden konnte, hüpfte sie auf meinen Schoß mit dem Gesicht mir zugewandt. „Eben deshalb ja…liebster großer Bruder…du würdest mir sonst echt sehr fehlen.“ „Na schön, du hast mich überredet…aber lass uns wenigstens in den Weihnachtsferien nach Tokio fliegen…“ Jojo drückte mir einen Kuss auf die Wange und lächelte. Dann setzt sie sich wieder neben mich. „Alice hat mich neulich wieder nach Naoki gefragt…ich hab versucht ihr das zu erklären, bin aber nicht sicher, ob sie es verstanden hat.“ „Sie muss mit ihren 4 Jahren auch noch nich alles verstehen…spiele ich in ihrem Leben wirklich eine so große Rolle?“ Meine Schwester warf mir einen vielsagenden Blick zu. „Schätze schon…immerhin bist du der einzige konstante Mann in ihrem Umfeld…ich glaub auch manchmal das für sie eher eine Vaterfigur bist als Naoki. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen schräg, aber du warst von Anfang an da…sie liebt dich Lukas.“ Ich lehnte mich zurück und starrte Löcher in die Luft. „Ich geh noch ne Runde spazieren, bin später wieder da okay?“ Jojo nickte und ich schlüpfte in meinen Pulli und zog meine Jacke über. Juka fragte, ob er mich begleiten solle, doch ich verneinte diese Frage. Da ich nicht wirklich darauf geachtet hatte, wohin mich meine Füße trugen, war ich umso mehr überrascht, als ich mich im Park nahe meines Elternhauses befand. Gute und schlechte Erinnerungen kamen hoch. Ich hockte mich im Schneidersitz auf die Wiese, unter dem Ahornbaum, der schon langsam seine bunten Blätter verlor und rauchte eine Zigarette. Mein Fernweh war größer denn je und doch waren mir die Hände gebunden. Sicher verstand ich Jojo, aber ich konnte nicht. Tatsächlich fühlte ich mich deshalb ein bisschen schlecht, doch hatte ich nicht auch mal ein Recht darauf mein Leben zu leben? Immerhin war ich jetzt fast dreißig und wollte endlich meinen Traum verwirklichen. Meine Gedanken drehten sich im Kreis und ich wusste, wenn ich mit Juka darüber reden würde, würde er auf meiner Seite stehen, allerdings würde er mich sicher auch ermahnen die Konsequenzen meines Verhaltens zu tragen. Noch immer nicht schlüssig, was ich tun sollte, kehrte ich nach Hause zurück. „Alles okay?“, fragte mein Hübscher. Ich zuckte mit den Schultern. „Willst du drüber reden?“ „Vielleicht, obwohl ich sowieso weiß, was du sagen wirst.“ Juka legte die Stirn in Falten und zog mich auf seinen Schoß. „Ach ja? Dann erzähl mal.“ „Hattest du schon Mal das Gefühl irgendwo nich hinzugehören?“ „Mhh kommt drauf an…ich hab mich eine Zeit lang einsam gefühlt, aber nicht zugehörig? Könnte ich jetzt nicht behaupten.“ „Jojo will, dass ich bleibe…sie meinte auch wegen Alice und so…aber es läuft immer gleich…ich denke mehr an andere als an mich. Klar hab ich hier meine Band und meine Familie, aber ich sehne mich nach mehr…ich will die Welt sehen, herumreisen, Musik machen und einfach mal an mich denken.“ Juka erwiderte lange nichts, sondern schaute mich eine Weile an. Seine Miene wirkte sehr nachdenklich und er schien über irgendwas nachzudenken. „Dann lass es uns tun Luki…ich meine was haben wir zu verlieren?“ „Was? Du machst mir kein schlechtes Gewissen, von wegen, das was ich vorhabe is zwar cool, aber…bla bla bla…du würdest mich nich davon abhalten?“ Juka schüttelte den Kopf. „Ich habe eher gehofft, dass du irgendwann mal sowas wollen würdest. Naja, ich hab daraus gelernt,…der Versuch dich von etwas zu überzeugen, was du nicht willst ist zwecklos. Aber ich merke immer mehr, was du eigentlich willst und ich weiß auch, was dich davon abhält. Wenn ich Jojo wäre, würde ich dich sicher auch davon überzeugen wollen hier zu bleiben. Doch ich frage jetzt dich…und ich will, dass du mir eine ehrliche Antwort gibst…was willst du Luki?“ „Das, was ich vorhin schon erwähnt habe. Mal an mich denken…das tun, was ich will und versuchen endlich mit meiner Musik Erfolg zu haben. Ich meine, wir haben ja schon angefangen und wenn es darum geht die Songs einzuspielen, muss ich entweder nach Deutschland oder die Jungs müssen nach Tokio kommen…klar war es stressig…die Aufnahmen, die Tour und all das, aber ich werde dieses Gefühl nie vergessen. Außerdem hab ich echt keinen Bock mehr früh aufzustehen, irgendwohin arbeiten zu geh’n und so…keiner kann das glaub besser nachvollziehen als du.“ Juka warf mir ein liebevolles Lächeln zu. „Dann muss das deine Schwester wohl akzeptieren.“ Ich seufzte. „Irgendwie schon, aber ich hab auch Angst, dass sie mich dafür hasst Juka…es is alles irgendwie kompliziert.“ Juka sagte lange nichts, dann wurde seine Miene sehr sehr nachdenklich. „Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen blöd und ich will mich da eigentlich auch nicht einmischen, aber denkst du nicht auch, dass Jojo irgendwann auf eigenen Beinen stehen sollte? Du hast mehr als genug für sie getan Luki…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)