O(h) und A(h) Romanze von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 4: Folge 4 (Vergifteter Wein) ------------------------------------- André hatte recht, er würde sich nicht so verhalten, wenn er eine Mutter hätte. Oscar war das bewusst und trotzdem weigerte sie sich, dass ihre Mutter auf Befehl des Königs nach Versailles kam und dessen Mätresse, Madame Dubarry oder der Kronprinzessin als Hofdame dienen sollte. Wenn sie weiter so unnachgiebig bleibt, würde sie ihrer Mutter und ihren Vater in Schwierigkeiten bringen. André versuchte Oscar genau das zu erklären, während er mit ihr im Fechten übte. Oscar sagte zwar nichts, aber ihr jähzorniges Gemüt spürte er ganz deutlich – sie focht wie besessen, schlug wütend zu und parierte seine Hiebe mit voller Kraft, als würde es ein Kampf um Leben und Tod gehen und es keine gewöhnliche Fechtübung zwischen ihr und ihm sein. Was wusste André schon davon, in welcher Zwiespalt sie sich gerade befand? Egal ob ihre Mutter der Dubarry oder der Kronprinzessin als Hofdame dienen würde, es machte für Oscar keinen Unterschied – sie wollte nicht, dass ihre Mutter in diesen Machtkampf der beiden Frauen hineingezogen wird! Auch wenn seine Majestät ihrer Mutter freundlicherweise die Entscheidung überließ, trotzdem! Anscheinend aber wollte das nur niemand begreifen... Und gerade deshalb schwor sich Oscar, egal was auch geschehen mag und wie ihre Mutter sich entscheiden sollte, würde sie Sie beschützen! Der erste Vorfall ereignete sich schon am nächsten Abend, als Madame de Jarjayes am frühen Morgen nach Versailles kam und Hofdame der Kronprinzessin wurde, was der Mätresse des Königs natürlich nicht gepasst hatte. Dubarry schmiedete Ränke gegen sie, aber Oscar vereitelte das und konnte verhindern, dass ihre Mutter in falschen Verdacht geriet – angeblich wollte sie die Mätresse vergiften. Welch eine Absurdität! Gut, dass André es herausfand und seine Freundin vorwarnte, so dass Oscar noch rechtzeitig einschreiten konnte. Nun war ihre Mutter außer Gefahr, die Dubarry in Schranken gewiesen und Oscar befand sich wieder auf ihren Gemächern in Versailles. André war selbstverständlich an ihrer Seite, schien aber nachdenklicher zu wirken als sonst. Oscar fragte nicht, was das war, schnallte ihren Waffengurt ab und legte ihn mitsamt des Schwertes auf den Tisch ab. Er würde ihr schon sagen, was ihn bedrückte – sie zwang ihn ja zu nichts und auch so war er ja der geschwätzigste von ihnen. „Oscar...“ Oscar hätte beinahe gelächelt. Wie recht sie doch hatte! „Was ist, André?“, fragte sie ihn stattdessen ausdruckslos. „Geht es deiner Mutter besser?“ Mehr als ein schlichtes und beherrschtes „Ja“, bekam André natürlich nicht zur Antwort. Äußerlich wirkte sie ruhig, aber er wusste um ihr gereiztes Gemüt und seufzte tiefsinnig. „Wenigstens hast du eine Mutter...“ Was sollte das schon wieder heißen? Oder wollte er sie wieder damit herausfordern, wie gestern Abend? Oscar erdolchte ihn mit ihrem eisigen Blick, aber sah nur seinen Rücken. André hatte sich von ihr abgewandt und sah danach aus, als würde er gehen wollen. Aber dem war nicht so. Er senkte seine Haupt und fuhr sich mit dem Arm über seine Augen, zumindest kam Oscar das so vor. Dann warf er doch noch einen flüchtigen Blick zu ihr. „Ich gehe dann mal...“ Oscar runzelte in Anbetracht seiner leicht geröteten Augen die Stirn. „Wir sehen uns morgen.“, säuselte sie in ihrem altbekannten, kühlen Ton und bekam prompt ein mulmiges Gefühl. Etwas nagte an ihm, das spürte sie und der Drang es herauszufinden breitete sich in ihr aus. „André, geh noch nicht!“, hielt sie ihn auf, kaum dass er die Tür erreichte. „Hast du nicht etwas vergessen?“ Was sollte er schon vergessen haben? Dennoch blieb er stehen und drehte sich ahnungslos um. Oscar stand schon auf einer Armeslänge vor ihm und musterte ihn so eindringlich, als suchte sie etwas in seinem Gesicht. „Du hast mir keine gute Nacht gewünscht.“ Ach, das war das, was er vergessen haben sollte! Aber seit wann war ihr das auf einmal so wichtig? „Gute Nacht, Oscar...“, murmelte er und wollte sich erneut abwenden, als sie unerwartet seine Hand umfasste – nicht rüde oder grob, sondern ganz vorsichtig. Diese Geste war für sie selbst nicht minder überraschend, wie für ihn. „Ich will wissen, was mit dir los ist“, sagte ihr Mund, obwohl ihre blauen Augen noch immer kühl wirkten. André bezweifelte irgendwie, dass sie das wollte. „Wieso willst du das wissen?“ Was ist das für eine komische Frage?! Oscar zügelte krampfhaft ihr hitziges Temperament – er brauchte doch ganz bestimmt ihre Hilfe, oder einen guten Zuhörer, das sah sie ihm doch an! „Wir sind doch Freunde“, meinte sie gelassen und merkte, wie seine Hand leicht zuckte. „Als wir Kinder waren, hast du mir alles erzählt, was dich bekümmert hatte. Es ist wegen deiner Mutter, nicht wahr?“ Seine Armmuskeln spannten sich an und Oscar wusste, dass sie ins schwarze getroffen hatte. Und als er seinen Blick von ihr senkte, tat er ihr am Herzen leid. Das erinnerte sie an ihre gemeinsame Kindheit, als er einstmalig über den Tod seiner Mutter mit glasigen Augen erzählt und sie ihn dabei zu trösten versucht hatte. Das lag allerdings etwa zehn Jahre her und trotzdem bekam Oscar den Wunsch, es noch einmal zu machen. „Du hast recht, ich habe wenigstens eine Mutter, aber ich habe auch dich – meinen treuen Freund.“ „Oscar...“ André schluckte hart und erinnerte sich auch an jenen Tag aus seiner Kindheit wie sie. Er kam vor etwa zehn Jahren als Waisenkind in das Haus de Jarjayes – besser gesagt, seine Großmutter hatte ihn nach dem Tod seiner Eltern hingebracht und ihn Oscar vorgestellt, dessen Spielgefährte er werden sollte. Das wurde er auch und nachdem sie ihn von seiner Trauer getröstet hatte, hatte er sich nie mehr einsam gefühlt. Bis zum gestrigen Tag, als er ansehen musste wie Oscar sich wegen ihrer Mutter störrisch verhalten hatte. Jetzt verwirrte sie ihn leicht mit ihrer ungewöhnlichen Weichheit in der Stimme, die bei ihr eigentlich nie vorhanden war und gleichzeitig fühlte er sich aber dadurch auch leicht getröstet. Das bewog ihn dazu, sich ihr zu offenbaren: „Du hast recht, ich musste an meine Mutter denken... und wie sie war... ich habe sie schon lange nicht mehr so vermisst...“ „Ich verstehe...“ Oscars Mundwinkel zogen sich nach oben und sie verstärkte etwas den Druck ihrer Hand. „...du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn du Kummer hast.“ „Ja, das weiß ich.“ André lächelte auch matt. Er hatte zwar nicht alles ausgesprochen, was ihm auf der Seele lag, aber Oscar verstand ihn ohne weiteres und das war das, was er an ihr schätzte. „Darf ich dich umarmen?“ Oscar war nicht gerade darauf erpicht, umarmt zu werden und das lag nicht unbedingt an André, sie war im Allgemeinen distanziert und unnahbar. Aber wenn ihn das trösten würde... Immerhin waren sie seit Kindesbeinen Freunde und als Kind hatte sie sich in so einer trüben Situation von ihm auch umarmen lassen. „Also gut...“ Kaum dass sie das sagte, schloss André sie sachte in seine Arme. „Ich danke dir...“, hauchte er ihr in das blonde Haar und Oscar legte etwas zaghaft ihre Arme um seine Mitte. Ein warmes und schönes Gefühl durchströmte sie, welches sie nicht definieren konnte und dennoch ihr angenehm war. Die Freundschaft, die sie beide zueinander verband, würde keine Macht der Welt zerstören und jeder von ihnen würde immer für den anderen da sein... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)