O(h) und A(h) Romanze von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 10: Folge 10 (Zwei Schwestern) -------------------------------------- Rosalie... Diesen Namen würde Oscar sich für immer merken! Das arme Mädchen hatte Oscar mit einem Mann verwechselt. Rosalie wollte sich ihr für eine Nacht verkaufen, weil sie keine Arbeit mehr finden konnte und keinen Ausweg mehr wusste, wie sie weiter überleben sollte... So jung... Bestimmt nicht älter als fünfzehn oder sechzehn Jahre alt... Rosalie tat Oscar leid und sie hatte ihr ein Goldstück gegeben. Aber würde das ausreichen? „Ich wusste gar nicht, was für ein Elend in dieser großen Stadt herrscht...“ „Hast du etwas gesagt, Oscar?“ Oscar kehrte schlagartig in die Wirklichkeit zurück – sie musste wohl ihre Gedanken laut ausgesprochen haben. „Es ist nichts, André!“, sagte sie kühl ihrem Gegenüber und schaute aus dem Fenster der Kutsche, in der sie gerade fuhren. Draußen herrschte schon die Dunkelheit des späten Abends – viele Laternen passierten sie, als sie auf der großen Straße fuhren und dann, außerhalb der Stadt, verschlang die Finsternis die Umgebung und es gab nichts mehr, was man erkennen konnte. Nicht einmal die Umrisse der Bäume, an denen sie in Richtung des Anwesens de Jarjayes vorbeifuhren. André hatte Oscar keinen Moment aus den Augen gelassen – sie merkte ja ohnehin nichts davon, so vertieft war sie in ihren Gedanken. Nun gut, das war er auch, denn das arme Mädchen war ihm auch nicht gleichgültig vorbeigegangen – er war ja schließlich genauso wie sie aus dem dritten Stand! Nur hatte er Glück und verdiente sein Unterhalt auf dem Anwesen de Jarjayes, im Gegensatz zu Rosalie. André wusste nicht viel von seinen Mitbürgern aus der einfachen Herkunft und zugegeben, bis jetzt hatte er sich damit auch nicht so intensiv beschäftigt. Oscar offensichtlich auch nicht. „Mach dir darüber keine Gedanken...“, sagte er zu ihr, als sie auf dem Anwesen ankamen und er sie in ihr Salon geleitete. Oscar antwortete nicht und André seufzte, weil seine Worte bei ihr anscheinend nicht ankamen und das Gegenteil bei ihr bewirkten. Oder hatte sie ihm womöglich erst gar nicht zugehört? „Ich finde es gut, dass du es getan hast“, startete er einen erneuten Versuch und erzielte damit sogleich Oscars Aufmerksamkeit. „Was?“ Sie sah ihn leicht verwirrt an, als hätte er sie vor den Kopf gestoßen. André atmete erleichtert auf, Oscar war anscheinend doch noch zu einem Gespräch bereit und er erklärte es ihr gerne: „Ich meine das Goldstück, das du Rosalie gegeben hast.“ „Ja...“ Oscar schien wieder nachdenklich zu werden und André stellte sich wieder auf eine langwierige Stille zwischen ihnen beiden ein, als sie nach einem tiefen Seufzer doch weiter sprach: „Aber das Goldstück wird ihr bestimmt nicht lange reichen. Ich würde Rosalie gerne wiedersehen...“ Und ihr womöglich eine Einstellung auf dem Anwesen anzubieten, erahnte André den nicht zum Ende ausgesprochenen Gedanken von Oscar. Was für ein goldenes Herz sie doch hatte – durch ihre mannhafte Disziplin und unter ihrer Uniform ganz tief verborgen. André bedauerte das beinahe und wünschte sich auf einmal, sie möge irgendwann mal offen zu ihren Gefühlen stehen und diese weibliche Herzlichkeit in ihr zulassen. Oder sollte er ihr vielleicht etwas auf die Sprünge helfen? Schließlich waren sie Freunde seit Kindesbeinen! „Wir können morgen noch einmal nach Paris fahren, vielleicht begegnest du ihr wieder“, schlug er ihr vor und lächelte etwas. Oscar fühlte sich auf einmal besser. Lag es etwa an André und seinem freundlichen Wesen? Nicht zum ersten Mal stellte sie fest, wie gut es doch war ihn als Freund zu haben. „Eine gute Idee, aber morgen habe ich in Versailles eine wichtige Angelegenheit für Marie Antoinette zu erledigen.“ „Dann ein anderes Mal.“ André kam auf sie zu und legte ihr ganz vorsichtig eine Hand auf die Schulter. „Ich bin immer für dich da, wenn du etwas brauchst.“ „Das weiß ich, André.“ Oscar wäre normalerweise zurückgewichen, aber solange seine Geste freundschaftlich gemeint war, gewährte sie ihm dies. „Ich wünsche dir eine gute Nacht.“ Das war auch eine höfliche Bitte, dass er gehen sollte und André verstand es. Es war zwar schade, dass er mit seiner Geste bei ihr nicht viel erreicht hatte, aber wenigstens war er zufrieden, dass sie es nicht ablehnte und seine Hand nicht von sich stieß. Es war ganz bestimmt ein guter Anfang und wenn er das öfters machen würde, dann würde er Oscars Herz damit Stück für Stück erobern und sie würde dann in ihm mehr sehen als nur einen Freund und Gefährten seit Kindertagen. Ja, so würde es sein... Für Oscar mochte es als freundschaftliche Geste wirken, aber für ihn war das mehr als das – er würde für Oscar sogar sein Leben geben, dass hatte er sich schon mal geschworen und daran würde er sich auch halten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)