O(h) und A(h) Romanze von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 29: Folge 29 (Der neue Befehlshaber) -------------------------------------------- Alles zerbrach wie ein Glas: die Freundschaft zu Graf von Fersen und jetzt auch noch zu André. Der letztere war sogar fast über sie hergefallen, nachdem sie die königliche Garde verlassen und ihn aus ihren Diensten entlassen hatte. Das hatte André anscheinend besinnungslos gemacht und als wäre das schon nicht schrecklich genug, hatte er ihr seine Liebe gestanden. Oscar hatte oft über sein Handeln nachgedacht, während sie eine Woche bis zu ihrem neuen Dienst in der Normandie verbrachte. Mit jedem Tag verstand sie Andrés Schmerz immer mehr und hätte sich gerne bei ihm entschuldigt. Nur aber wie? Er war ja nicht mehr an ihrer Seite. Genau genommen, hatte sie ihn nach dem Zerwürfnis in jener Nacht nicht mehr gesehen. Nicht einmal, als sie nach Normandie aufgebrochen war, ließ er sich blicken und Oscar konnte ihm das nicht einmal verdenken. Die letzten Tage in Normandie versuchte sie ihn zu vergessen, aber konnte nicht. André war ihr im Geiste überall gegenwärtig: Beim Ausritt oder Spazieren am Meer, beim Frühstück und Abendmahl, bei Schießübungen oder beim Fechten gegen eine Strohpuppe und sogar beim allein sein. Wobei allein war sie schon die ganze Zeit, wenn nicht gar ihr ganzes Leben. Nur André, soweit sie sich erinnern konnte, war stets an ihrer Seite und sie hatte das als selbstverständlich genommen. Seit klein auf war er ihr treuer Begleiter und Gefährte und sie hatte ihn schon immer als Freund betrachtet. Und jetzt? Jetzt, nachdem ihr aufgewühltes Gemüt und verletzten Gefühle in dieser einer Woche soweit abgekühlt waren, wünschte sie diese Freundschaft zurück. Leider ging das nicht mehr. André war bestimmt schon weit weg und sie würde ihn womöglich nie mehr wiedersehen. Oder etwa doch? Wenn er in Paris geblieben war, dann würde sie ihn vielleicht durch Zufall treffen und dann... Was dann? Würde sie sich freuen oder würde sie eher so tun, als hätte sie ihn nicht gesehen? Oscar fand darauf keine Antwort. Nicht einmal als ihr neue Dienst in der Kaserne bei Paris begann, hatte sie ihre Gedanken bis dahin verdrängen können und als sie die Quartieren der Soldaten inspizierte, entdeckte sie ihn unverhofft. In der zweiten Reihe, zwischen anderen Männern stand André in einer neuen Söldner Uniform und salutierte zu ihr, wie alle anderen seiner Kameraden. Oscar konnte es kaum fassen und befehligte ihn sofort in ihr Offiziersbüro. „Was soll das André! Ich habe dir doch ausdrücklich gesagt, dass du mir nicht mehr dienen musst“, stellte sie ihn zur Rede, als er ihrem Befehl folge geleistet hatte und sie beide nun ganz alleine unter sich waren. „Ich diene dir nicht persönlich, ich bin lediglich ein Soldat der Söldnertruppe. Und um die Wahrheit zu sagen, ich kenne jemanden, der mir gesagt hat, was ich tun muss. Egal was passiert oder wie du darüber denkst, ich bin der einzige Mensch, der dich beschützen kann.“ André salutierte erneut. „Ich biete um Erlaubnis, wegzutreten!“ Sie beschützen? Wovon? Oder vor wem? Doch nicht etwa von sich selbst? Denn er war im Grunde derjenige, der über sie fast hergefallen war. So sah also ihr Wiedersehen aus – geprägt von der langjährigen Freundschaft, an der sie beide noch immer hingen und gleichzeitig geplagt von der Erinnerung an jene verhängnisvolle Nacht... Wie sollte es nur weitergehen? Oscar bekam das Gefühl, als hätte André sich ein wenig verändert. War das auch ihr Verschulden? „André, warte!“, rief Oscar, als er schon fast an der Tür war. Sie musste mit ihm unbedingt darüber sprechen, sonst würden sie sich für immer damit belasten. Als hätte André den gleichen Gedanken, blieb er stehen und kehrte um, zurück zu ihr. „Was ist?“ Oscar war erleichtert, dass er blieb und gleichzeitig aber verunsichert. Wie sollte sie nur das Gespräch anfangen? „Es tut mir leid“, sagte sie deshalb kurz angebunden, als hätte sie damit nun alles geklärt. Aber dem war nicht so. Sie spürte, dass es ein falscher Anfang war und fühlte sich noch immer schuldig gegenüber ihm. André sagte nichts, er sah sie nur stumm an und wartete bestimmt auf noch mehr Worte von ihr. Aber was sollte sie ihm denn noch sagen? Sie war nun mal kein gesprächiger Mensch und das wusste er genau. André dagegen war ein wenig überrascht. Oscar hatte sich bei ihm entschuldigt? Aber wofür? Dafür, dass sie ihn nicht lieben konnte wie er sie oder dafür, dass sie ihn aus ihren Diensten entlassen hatte? „Ich verstehe nicht ganz, Oscar. Was tut dir leid?“ Warum machte er ihr das so kompliziert? Als hätte sie es nicht schon schwer genug! „Das, was zwischen uns das letzte Mal vorgefallen ist und dass es überhaupt dazu gekommen ist“, meinte sie wieder knapp und verstummte. André zuckte merklich zusammen. Jene verhängnisvolle Nacht hing wie Bleifessel noch bis heute an ihm und er wusste nicht, ob er seine abscheuliche Tat jemals vergessen würde können. Dass Oscar es indirekt erwähnte, trug auch nicht gerade zu Vergessenheit und Frieden zwischen ihnen bei. Aber andererseits, dass sie sich deswegen bei ihm entschuldigte, bewies ihm jedoch, dass er ihr nicht gleichgültig war. Die Hoffnung auf eine Versöhnung glomm in ihm hoch und vielleicht deshalb ließ auch er mit einer Aussage nicht auf sich warten. „Und mir tut es leid, dass ich an dem Abend die Beherrschung verloren habe. Ich habe geschworen, das nie wieder zu tun und daran halte ich mich.“ „Das weiß ich und ich glaube dir.“ Wo sollte dieses Gespräch nur hinführen? Oscar kam es so vor, als würde eine Mauer zwischen ihnen stehen und keiner von ihnen konnte es überwinden. Vielleicht war die Wunde nach den Ereignissen noch zu frisch, um jetzt schon damit abzuschließen? „André, in Normandie habe ich darüber viel nachgedacht und beschlossen, dass wir uns so selten wie möglich sehen sollten...“ Oscar sah, wie Andrés Auge sich erschrocken weitete, wie er etwas dazu erwidern wollte, aber konnte nicht und sprach deshalb schnell weiter, auch wenn ihr selbst dabei schwer am Herzen war: „...ich sehe aber, dass es eine falsche Entscheidung war. Nach dem ich dich gerade hier vor mir sehe, muss ich eingestehen, dass du mir gefehlt hast. Warum können wir nicht einfach so sein wie früher, als wir noch Kinder waren?“ Die Antwort darauf wusste sie ganz genau. Sie waren nämlich keine Kinder mehr und nach Andrés Liebesgeständnis, von den Taten mal abgesehen, würde es wohl niemals mehr so sein wie früher. André würde sie nie mehr wie ein Freund aus Kindertagen betrachten, denn er liebte sie und weil es ihr bewusst war, konnte auch sie ihn nicht mehr nur als Freund ansehen. Aber als was dann? „Wir sind erwachsen geworden, Oscar“, meinte André und unterstrich nur das, worauf sie schon selbst gekommen war. Sie nickte deshalb zustimmend und kam auf ihn etwas näher zu. „Ich glaube, ich brauche noch etwas Zeit.“ Zeit? Wofür? „Natürlich, Oscar.“ André konnte sich im nächsten Moment nicht von der Stelle rühren und hielt sogar fast den Atem an, als Oscar ihn ganz zaghaft an der Arm fasste. „Ich werde es dich dann später wissen lassen. Vielleicht schon morgen, ich weiß es nicht genau.“ „Ich kann warten“, flüsterte André und schluckte hart. Ihm war heiß und kalt zugleich. Oscars Hand auf seinem Arm brannte wie Feuer und er konnte nichts dagegen tun, außer auszuharren und abzuwarten, dass es vorbei sein würde. Mit großer Mühe schaffte er seine Beherrschung beizubehalten und Oscar nicht gleich in seine Arme zu ziehen. Er hatte es ja geschworen, sie nie mehr anzurühren! Oscar schien sein Unbehagen zu spüren und entfernte ihre Hand von seinem Arm. „Ich danke dir, André. Du kannst jetzt auf dein Quartier zurückkehren.“ Insgeheim hoffte sie, dass sie nicht so viel Zeit zum Nachdenken brauchen würde. Sie hatte es ja in Andrés Auge gesehen und auch mit ihrem Herzen gespürt, dass seine Liebe zu ihr noch nicht erlöscht war und würde wohl für immer brennen. Wie gerne hätte sie ihm mit der gleichen Liebe erwidert, aber konnte nicht. Nicht jetzt, wo der Freundschaftsbruch zu von Fersen und Andrés Tat noch frisch waren. Aber vielleicht morgen oder in ein paar Wochen würden die Wunden verheilen und sie würde das alles mit ganz anderen Augen sehen. Ja, so würde es bestimmt sein und dann würde sie André die Liebe erwidern können, auf die er schon fast 20 Jahre wartet und nach der er sich so lange sehnte... 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