O(h) und A(h) Romanze von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 37: Folge 37 (Erfüllte Liebe) ------------------------------------- 12. Juli 1789. Oscars Porträt war endlich und auch noch rechtzeitig fertig! Mit einem Glas Wein saß sie im gepolsterten Stuhl und betrachtete ihn gedankenverloren. Nein, nicht das Porträt, sondern André, der zwischen ihr und dem Gemälde stand und versuchte auf dem Bild etwas zu erkennen. Oscar ließ ihm dabei Zeit und nahm einen kleinen Schluck Wein. Dabei dachte sie an heute Nacht. Sie war beim Doktor Lasonne und hatte sich wegen ihrem Bluthusten von ihm untersuchen lassen. Der Doktor hatte bei ihr die Tuberkulose festgestellt und ihr empfohlen, aus der Armme auszuscheiden, aufs Land zu ziehen und sich viel Ruhe zu gönnen. Wenn sie seinen Ratschlag nicht befolgen würde, dann würden ihr höchstens sechs Monate zum Leben bleiben... Oscar seufzte schwer. Das waren keine gute Neuigkeiten, aber verwundert war sie nicht. Sie hatte es ja geahnt, dass ihre Lunge nicht in Ordnung war und nun hatte sie das Ergebnis von der Untersuchung bekommen. Allerdings nicht die Krankheit bereitete ihr so große Sorgen, sondern ihr Freund, der noch immer mit dem Rücken zu ihr stand und schwieg... Doktor Lasonne hatte ihr nämlich offenbart, dass André womöglich auch auf seinem rechten, gesunden Auge, erblinden würde. Dies zu hören war noch schlimmer, als die Erkenntnis über die Tuberkulose. Warum hatte André ihr nie erzählt, dass seine Sehkraft schwand? Sie hätte ihm doch sicherlich helfen können! Er war ihr doch nicht gleichgültig! Sie liebte ihn, sie hatte es ihm nur noch nicht gesagt... Nach allem, was Oscar heute Nacht von Doktor Lasonne über André und seine Krankheit erfahren hatte, ließ sie ihn den ganzen Tag nicht aus den Augen. In der Kaserne hatte sie ihn sogar auf die Probe gestellt, ihn zu sich ins Offizierszimmer rufen lassen und sich selbst in einer Ecke hinter der Tür versteckt. André hatte sie nicht gesehen, als er in das Zimmer kam und seine Ankunft meldete... Oscar bräuchte nur ihren Arm auszustrecken, um ihn berühren zu können, dennoch bemerkte er sie in ihrem Versteck nicht... Er verließ enttäuscht ihr Zimmer, weil sie ihn bestellt hatte und selbst nicht da war, und Oscar zerbarst das Herz. Sie musste unbedingt etwas tun! Etwas später ging sie nach draußen und sah ihn vor dem Hauptgebäude der Kaserne. Sogleich traf sie eine Entscheidung und nahm dabei seine Hand in ihre. „André, wir haben heute alle dienstfrei. Lass uns gemeinsam zum Anwesen zurückreiten.“ André wunderte sich zwar über ihr Verhalten und wäre andererseits gerne mitgekommen, aber was sollte er auf dem Anwesen? Dort gab es noch weniger zu tun, als hier in der Kaserne. „Nein, wir gehen zwar nicht auf Patrouille, aber wir sollen uns in Bereitschaft halten.“ „Und wenn es mir sehr wichtig ist, dass du mich begleitest? Der Weg dorthin ist viel zu gefährlich für eine Frau, so ganz allein...“ Oscar lachte dabei und André verstand nun den verborgenen Grund dahinter – sie war gerade dabei, ihre Gefühle zu verstehen und ihre Liebe zu ihm zu gestehen... Nun waren sie beide schon seit ein paar Stunden auf dem Anwesen, das große Gemälde hing an der Wand im Salon und Oscar hörte endlich, wie André es beschrieb. „Es ist wundervoll. Es wirkt so lebendig. Dein Lächeln strahlt so hell, wie das Licht der Sonne – sehr beeindruckend. Und auf deinem blonden Haar dieser Lorbeerkranz, du siehst wie eine strahlende Göttin aus, Oscar.“ „André, mein Liebster, was redest du da?“, dachte Oscar gerührt und verbittert zugleich. „Warum verstellst du dich? Es ist so entsetzlich! Ich weiß doch schon, dass du nichts mehr erkennen kannst...“ „Und dann die schöne, weiße Rose“, sprach André weiter, ohne zu ahnen, welch ein Gefühlsausbruch in Oscar gerade vorging. Sie hörte seiner Stimme zu und konnte kaum noch ihre Tränen im Griff halten. Jeder seiner Worte, ging ihr sehr tief ans Herz. „Nein, es sind zwei weißen Rosen. Nein, ein ganzes Rosenfeld. Herrlich, das grün der Wälder. Diese Landschaft, das ist doch die Gegend von Arras, wo ich auch einmal war. Hab ich recht, Oscar?“ Die ersten Tränen rollten bereits Oscars Wangen herab. Es gab auch keine einzige Rose auf dem Bild! So schlimm stand es also schon um sein Auge! „Ja, natürlich, André!“ Was hätte sie ihm sonst sagen sollen? Ihm widersprechen? Das hätte sie nicht mehr übers Herz gebracht. „Der Maler ist extra nach Arras gefahren, um die Landschaft möglichst treffend zu skizzieren.“ „Ein großartiges Gemälde. Sogar deine Lebensfreude und dein kämpferische Geist spürt man deutlich. Das Bild ist ewig in meinem Herzen!“ „Ich danke dir, mein André, hab dank für deine Worte.“ Oscar schluchzte heftig, sie konnte nicht mehr. Mit zittrigen Hand hielt sie das Glas, ohne etwas davon wahrzunehmen und mit der anderen Hand bedeckte sie ihre Augen. Dann spürte sie, wie jemand ihr das Glas aus der Hand nahm und es vorsichtig auf dem Boden abstellte. Das konnte nur einer sein... Oscar entfernte ihre Hand von den Augen und sah André direkt vor ihr kniend. „Warum weinst du, Oscar?“, fragte er dabei besorgt und schien nach etwas in ihrem Gesichtsausdruck zu suchen. Aber wie war das möglich? Er konnte doch fast nichts mehr erkennen! „Ach, André, mein André...“, flüsterte sie und strich ihm das Haar von der erblindeten Seite etwas zur Seite. Die schmale Linie von der Narbe lief von der Augenbraue nach unten, bis zum Augenlid und endete am Wangenknochen. Aber das erschreckte sie nicht. Im Grunde genommen, war er noch derselbe Mensch geblieben, trotz seiner Entstellung... Sie wollte ihm noch etwas sagen, aber entstandener Kloß in ihrem Hals verhinderte das. Dann würde sie es später machen... Sie würde ihm sagen, was er ihr wirklich bedeutete und ihm ihre Liebe gestehen. Wenn nicht hier auf dem Anwesen, dann irgendwo da draußen ganz bestimmt. Vielleicht würde sich auf dem Weg zu Kaserne eine Möglichkeit dazu erübrigen und irgendwo im Wald würde sie ihm all das sagen, was sie ihm schon vor langer Zeit hätte sagen sollen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)