O(h) und A(h) Romanze von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 39: Folge 39 (Sturm auf die Bastille) --------------------------------------------- Es war der schlimmste Tag ihres Lebens... Ihr geliebter André war durch eine feindliche Kugel mitten ins Herz getroffen worden... Oscar befiel hilflose Wut. Wie sollte es ohne ihn weitergehen? Sie lebte ja doch nur für ihn! „Halte durch, André! Gib nicht auf! Der Arzt wird jeden Moment hier sein!“, redete sie beruhigend auf ihn ein und versuchte sich selbst damit Hoffnung zu geben. Nicht nur ein, sondern mehrere Ärzte kamen und taten alles mögliche, was in ihrer Macht stand, aber es half nichts. Es war überhaupt ein Wunder, dass er so lange noch durchhielt... „Nicht wahr, Oscar, die Sonne geht runter?“, sagte André, als er nach der ärztlichen Versorgung unter dem freien Himmel auf einem hergerichteten Bett lag. Der pochende Schmerz in seinem Brustkorb war unerträglich und brannte wie ein Höllenfeuer. Aber das war ihm halb so wichtig, denn seine Oscar war bei ihm und nur ihre Nähe zählte... und ihre Liebe, die ihn am Leben hielt... Solange sie da war, würde wieder alles gut sein und nach seiner Genesung würde er sie wieder in seinen Armen halten können... Auf seine Frage, nickte Oscar zustimmend. „Für heute sind die Kämpfe vorbei. Es ist kein Lärm mehr zu hören, André...“, sagte sie mit belegter Stimme und versuchte krampfhaft, die anlaufenden Tränen zu unterdrücken, aber zwecklos. Ein dicker Kloß entstand in ihrem Hals, den sie auch nicht runter schlucken konnte... Warum nur musste ausgerechnet André das passieren? Als hätte er in seinem Leben nicht schon genug gelitten... „Ich höre das Geräusch von Tauben, die sich sammeln und nach Hause fliegen.“ André streckte seine Hand nach ihr aus und Oscar umschloss sie mit den ihren. Er spürte, wie etwas Nasses auf seine Finger tropfte und die Haut benetzte... „Was ist los, Oscar? Warum weinst du denn?“ „Ich weine doch gar nicht, es sind mehr Tränen der Freude.“ Oscar bemühte sich um Beherrschung, aber innerlich zerbrach sie langsam wie ein Glas... „Ich habe nur ein Wunsch: Lass uns fortreiten und Mann und Frau werden. Wenn der Krieg eines Tages vorbei ist, werden wir feiern. Wir beide werden glücklich miteinander sein, du wirst mir dann sagen, wie sehr du mich liebst und dass du mein Mann bist.“ „Ja, das werde ich. Das werde ich ganz bestimmt sagen, Oscar. Das und noch viel mehr“, versicherte André mit brüchiger Stimme und versuchte den immer stärker werdenden Schmerz in seiner Brust krampfhaft zu ignorieren. Oscar sollte nichts davon mitbekommen. Er würde es schon überstehen. „Aber, du weinst immer noch. Was hast du auf einmal?“ André konnte es nicht verstehen. Wenn es Tränen der Freude waren, warum herrschte dann eine Totenstille um ihn herum? Die Antwort traf ihn wie ein geißelnder Blitz. „Oder heißt es etwa... Ich werde sterben?“, äußerte er den grausamen Verdacht und wusste mit einem Mal, dass dem auch so war... Was redete er da? Auch wenn es Oscar bewusst war, dass ihr Geliebter nicht mehr lange durchhalten würde, konnte und wollte sie es trotzdem nicht wahr haben und hoffte insgeheim auf ein Wunder. „Rede nicht solchen Unsinn, André. Du stirbst nicht.“ „Du hast recht.“ André zeigte trotz Schmerz und Bitterkeit ein Lächeln. Seine Stimme wurde brüchiger, um ihn herum dunkler, er röchelte und trotzdem sprach er aus letzten Kräften weiter: „Ich darf jetzt noch nicht sterben. Jetzt, wo so vieles neu beginnt. Wo doch alles anders wird. Zum Beispiel die Liebe zwischen dir und mir. Eine ganz neue Zeit bricht an. Du hast recht, es wäre dumm jetzt zu sterben. Jetzt, oder irgendwann später...“ Seine Stimme brach ab, eine einsame Träne lief ihm die Wange herab und blieb genauso starr wie sein Blick ins Leere. Der Tod kam so still und leise, dass er selber nichts davon mitbekam. Er bekam es nicht mit, wie sein Herz aufhörte zu schlagen und seine Seele seinen Körper verließ... Oscar merkte nichts davon und versuchte mit allen Mitteln, ihn noch bei sich zu behalten, ihn am Leben zu erhalten... „Weißt du noch, als wir auf dem Weg nach Arras den Sonnenaufgang beobachtet haben? Lass uns noch einmal diesen Anblick genießen. Nur wir beide, du und ich. Hörst du? Ganz allein... Wir werden dankbar sein, dass es uns gibt, dass wir überhaupt leben, dass wir uns beide in diesem Leben begegnet sind.“ Bedrückende Stille breitete sich aus... Oscar wartete vergeblich, die Stimme ihres Geliebten zu hören... Sie bekam von ihm keine Antwort mehr... Das könnte nur eines bedeuten... Nein! „André! Was hast du? André!“ Auch wenn sie etwas lauter sprach, begriff sie gleichzeitig mit Entsetzen, dass es ihr nicht gelungen war, ihn am Leben zu erhalten... Ihr geliebter André hatte ihre Worte nicht mehr gehört, weil er entschlafen war... und er würde niemals mehr aufwachen... Niemals mehr würde sie seine sanfte Stimme hören, sein Lächeln sehen und ihn an ihrer Seite haben... An einem schönen sonnigen Tag, würde sie niemals mehr an der Meeresküste um die Wette mit ihm reiten, mit ihm im Fechten oder im Schießen üben und abends den schönen Sonnenuntergang beobachten... Niemals mehr würde sich die Nacht der Liebe und leidenschaftliche Worte wiederholen ... Nein, bitte nicht! Ein bitterer Schmerz drang gewaltsam wie ein scharfer Dolch in ihre Brust, zerstückelte ihr das Herz in tausende Stücke und ließ es langsam, aber qualvoll verbluten. Die Welt brach für Oscar zusammen und ihr kam es so vor, als fiele sie in einen tiefen Abgrund... Andrés noch warme Hand entglitt aus der ihren, während sie sich steif auf die Beine erhob und auf seinen leblosen Körper herabsah... „Bitte André! Lass mich nicht allein! Hörst du? Komm zurück!“, schrie sie verzweifelt, wollte und konnte nicht akzeptieren, dass er fort war und nie mehr zurückkehren würde... Ihre Beine gaben nach, sie fiel auf die Knie und weinte bitter. „André...“ Sie starb mit ihm, auch wenn das Herz noch immer in ihrer Brust schlug... So einsam und leer wie jetzt, hatte sie sich noch nie gefühlt... Denn, so lange sie denken konnte, war André immer bei ihr und nun ließ er sie alleine... Warum tat er das? Er sollte sie mitnehmen! Er war doch ihr Mann, zu dem sie noch letzte Nacht in Liebe geschworen und sich mit ihm vereint hatte... Warum hatte sie das nicht schon früher getan? Warum war sie all die Jahre so blind gewesen und hatte seine Liebe nicht schon früher gemerkt? Kniend auf dem kalten Boden, merkte Oscar den Druck der Pflastersteine und die schmerzenden Knochen nicht. Ebenso den Wind nicht, der immer stärker wurde und ihr die Haare zerzauste... Sie hob den Kopf und sah André an. Der Wind hatte auch ihm die Haare vom Gesicht geweht, noch mehr von seinem reglosen Gesicht offenbart - seine trüben Augen schauten ins Leere... Oscar bewegte sich wieder näher zu ihm heran, beugte sich vor und berührte sachte seine Lippen mit den ihren. Ein letzter Kuss, der niemals mehr erwidert würde und doch konnte sie auf diese Weise von ihm Abschied nehmen... Seine Lippen verloren langsam an Wärme, sein Körper kühlte sich ab und die Zeit blieb für immer stehen... Nur die Erinnerungen an ihre unbeschwerte Kindheit, an ihre lange Freundschaft und ihrer einzige Liebesnacht, kreisten in Oscars Kopf immer und immer wieder. „Ich werde dir folgen, mein André, so wie ich es dir versprochen habe... und du weißt doch, ich halte mein Versprechen, Geliebter... warte nur auf mich, ich werde schon bald bei dir sein...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)