An awkward guide how to love if you're slightly German von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Ein bekanntes Gesicht -------------------------------- Montag, 10. Oktober Ludwig balancierte eine Kladde, einen Kaffee und seine Tasche ein wenig ungelenk in den Händen, während er die Treppen schnellen Schrittes hinaufstieg. Er hasste solche Tage. Normalerweise hatte er morgens mehr als genug Zeit, sich auf den Arbeitstag einzustellen und sich alle Unterrichtsinhalte vorzubereiten. Für gewöhnlich hatte er immer ausreichend Puffer, um kleine Notfälle auszugleichen, doch wenn am Montagmorgen, so wie heute, bereits in der Frühe eine Rundmail kam, in der alle Lehrer gebeten wurden, vor dem Unterricht im Lehrerzimmer zu erscheinen, war das kein guter Einstieg in eine arbeitsreiche Woche. Trotzdem widerstrebte es ihm, auch nur fünf Minuten zu spät zur Sitzung zu kommen. Er fragte sich, was wohl so wichtig sein mochte, dass man alle Lehrer so früh antanzen ließ. Ludwig wusste zwar, dass sein Chef ein heilloser Chaot war, doch es ärgerte ihn trotzdem jedes Mal aufs Neue. Seine Abneigung gegen jegliche Art von Planlosigkeit war stark ausgeprägt und Hektik machte ihn wütend. Er liebte das Gefühl die Kontrolle zu haben und wenn sich etwas eben dieser entzog, brachte ihn das völlig aus dem Konzept. Nur noch zwei Türen Abstand trennten ihn von dem Lehrerzimmer und die Stimme des Rektors drang an seine Ohren. »Ruhe bitte, ich möchte beginnen!« Ludwigs Hals entfuhr ein kehliges Knurren und er beschleunigte seine Schritte auf die letzten Meter. Er war noch nie zu spät zur Arbeit gekommen und damit würde er heute auch nicht anfangen. Während er, vollbepackt wie er war, angestrengt versuchte, die Türklinke hinunter zu drücken, rutschte ihm der Kaffeebecher aus den Händen und im selben Moment gab die Tür nach. Der Inhalt des Bechers spritzte noch mitten im Fall alles in unmittelbarer Nähe nass und um das Chaos perfekt zu machen, kickte er ihn mit seinem Fuß in den Raum, wo er vor den Schuhen eines Kollegen zum Liegen kam. Der Saum der weißen Stoffhose war ebenso besudelt wie Ludwigs eigene aschgraue Anzughose. Schuldbewusst und wie in Zeitlupe hob Ludwig den Blick, um zu sehen, wem er das Vergnügen beschert hatte, aber als seine Augen auf Bernsteinfarbene trafen und sich ein sanftes Lächeln auf den Lippen des anderen Mannes ausbreitete, spürte er sofort kleinperligen Schweiß auf seiner Stirn. Er hatte inständig gehofft, dieses Gesicht niemals wieder zu sehen. »Ve~, wenn das nicht Ludwig ist.« Seine Stimme war herzlich und warm, wie beim ersten Zusammentreffen. In Ludwigs Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was machte Feliciano Vargas hier? Warum traf er von allen Menschen, die ihm je begegnet waren ausgerechnet diesen seltsamen Mann wieder? Er merkte, wie trocken sich sein Mund anfühlte und der Grund war, dass er wie ein Depp mit offenem Mund dastand und Feliciano anstarrte. Aber das war nicht alles. Jedes Augenpaar im Raum war auf ihn gerichtet und sogar der Rektor hatte die Augenbrauen hochgezogen. »Entschuldigen Sie die Verspätung.« Vermutlich hatte er diese Worte das erste Mal in seinem Leben ausgesprochen. Dann fiel sein Blick zurück das nasse Hosenbein und er bückte sich, um den mittlerweile leeren Pappbecher aufzuheben. »Setzen Sie sich, Ludwig, wir wollen anfangen.« Ein wenig ungeduldig trommelte Rektor Jones mit den Fingern auf den Tisch. Seiner Aufforderung nachkommend, schlich Ludwig zu seinem Platz gegenüber von Feliciano Vargas, der ihn offenbar fixiert hatte. Ludwig versuchte ihn geflissentlich zu ignorieren. »Also, wie ich bereits sagte, da Mia Ackermann aufgrund ihres Unfalls momentan nicht unterrichten kann, haben wir glücklicherweise einen Kollegen ausfindig machen können, der ihre Kunstkurse übernimmt.« Sein Blick fiel auf Feliciano, der charmant lächelte, was wiederum gemischte Gefühle in Ludwig auslöste. Er musste seinen Blick abwenden, denn er spürte Hitze auf seinen Wangen. »Ciao zusammen. Mein Name ist Feliciano Vargas und ich werde den Schülern die hohe Kunst des Zeichnens beibringen und den leidenschaftlichen italienischen Charme versprühen.« Bei dem letzten Satz zwinkerte er zuckersüß und lehnte sich entspannt in seinen Sessel zurück. »Ich habe bisher in Italien gelehrt, aber wie ihr sehen könnt, wird die Kommunikation mir keine Probleme bereiten. Ich habe in meinen wilderen Jahren eine Weile in Österreich gelebt. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit und gebt bitte gut auf mich Acht.« Noch bevor er mit seiner Rede geendet hatte, hörte Ludwig einige seiner weiblichen Kolleginnen auch schon tief die Luft einziehen in freudiger Erwartung mit dem aufregenden neuen Kollegen zu schäkern. Ludwig verdrehte genervt die Augen und widmete dem Rektor wieder ganz seine Aufmerksamkeit. »Das ist genau die richtige Überleitung Herr Vargas. Im Rahmen unseres Mentorenprogrammes möchte ich, das Ihnen jemand während ihrer Einführungszeit unter die Arme greift. Es sollte jemand sein der sie zuverlässig anleiten kann.« Er musterte seine Mitarbeiter eingehend und strahlende Gesichter saßen in Reih und Glied, vor allem da der Großteil der Belegschaft weiblich und dem Charme des Italieners verfallen war. Ludwig senkte den Blick, denn er wollte auf keinen Fall, dass die Wahl auf ihn fiel, obwohl es natürlich zahlreiche Freiwillig gab. Alfred Jones, der es als Amerikaner bevorzugte Mr. Jones genannt zu werden, scannte jeden gründlich und lehnte sich dann bedächtig in seinen gepolsterten Chefsessel zurück, während er die Fingerspitzen aneinanderlegte. »Ludwig, ich möchte, dass Sie ihn unter Ihre Fittiche nehmen. Sie scheinen sich ja offenbar zu kennen und ein wenig Vertrautheit macht es Herrn Vargas sicher leichter, sich bei uns einzufinden.« Die Art und Weise wie er dies formulierte und betonte, machte Ludwig unmissverständlich klar, dass es keine Bitte, sondern ein Befehl war. Gehorsam nickte Ludwig, obwohl es ihm überhaupt nicht recht war. Wenn er nur nicht unentwegt an dieses gemeinsame Essen zurückdenken müsste…. Aber nun, da Feliciano praktisch vor seiner Nase war, konnte er es nicht länger aus seinem Gedächtnis streichen. Der kleine Italiener grinste aus der Ferne wie ein Honigkuchenpferd und Ludwigs Herzschlag beschleunigte sich so stark, dass er das Gefühl hatte, es würde ihm jeden Moment aus der Brust springen. Aber das geschah natürlich nicht und irgendwie hörte sich alles um ihn herum hohl und dumpf an, sodass er gar nicht wahrnahm, was der Rektor erzählte. Aber an der Reaktion der anderen konnte er ablesen, dass das Thema stock öde sein musste. Und dann schweifte sein Blick wieder zu Feliciano ab. Er konnte nicht umhin die feinen Gesichtszüge des Italieners zu betrachten. Das einladende, sanftmütige Lächeln und die klugen, warmherzigen und aufmerksamen Augen, die alles genau erfassten. Die vorwitzigen Strähnen, die ihm ins Gesicht hingen, umrahmten das schmale Gesicht ebenso wie die abstehenden haselnussbraunen Fransen rechts und links von seinen Ohren, kaum länger als diese. Eine Besonderheit, die ihm nun zum ersten Mal auffiel war, dass eine einzelne Strähne links sich schwungvoll vom Rest seines Haarschopfes absetzte und bei jeder Bewegung mit wippte. Wenn man nicht wusste, was für ein Tollpatsch er war, wirkte Feliciano vermutlich verführerisch wie ein südländischer Traum. Auch Ludwig war seinem Charme nicht entgangen, obwohl er von dieser Macke wusste, vermutlich weckte es auch ein wenig seinen Beschützerinstinkt. Für Ludwig war es nichts ungewöhnliches, einen anderen Mann attraktiv zu finden, denn das war in der Vergangenheit unzählige Male geschehen. Mit seinem ersten und einzigen Freund war er selbst in seiner Jugend nicht über Petting hinausgekommen. Es war nicht so, dass er sich kein Interesse gehabt hätte, aber es ergab sich einfach nie die Gelegenheit und schließlich hatte er sich auch ziemlich gut selbst unter Kontrolle. Jedoch stellte dieser Feliciano eine Gefahr für seine Selbstbeherrschung dar. Es lag vermutlich an den vielen unbeabsichtigten Berührungen, die das Essen für Ludwig sowohl aufregend als auch anstrengend gestaltet hatten. Am liebsten hätte er einfach Felicianos Hand genommen und sie nicht wieder hergegeben, aber er war sich sicher, dass die Signale, die der Italiener sendete nicht romantischer Natur waren. Die Italiener waren nun mal ein lebensfrohes, offenes Volk und darauf konnte er sich nichts einbilden, also wollte er die aufkommenden flauen Gefühle gar nicht erst akzeptieren. Er war so in Gedanken versunken, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass Mr. Jones, die Besprechung beendet hatte. Um ihn herum wurden Mappen zusammengeschoben, Taschen verschlossen und Schlüssel klirrten. Ludwig war gar nicht dazu gekommen, seine Sachen auszupacken, also erhob er sich nur und stockte, als er eine Präsenz neben sich bemerkte: Feliciano, dessen Lächeln unerschütterlich war. Der Saum seiner weißen Stoffhose war vollkommen von Kaffee besudelt, das konnte Ludwig einfach nicht ignorieren. Er wollte sich gerade entschuldigen, als er unterbrochen wurde. »Das ist eine angenehme Überraschung, ve~. Ich hatte gehofft dich wiederzusehen, Ludwig.« Dabei gestikulierte er vor seiner Brust herum, bevor er seine Hand vertraulich auf Ludwigs Oberarm platzierte. Allein der Druck durch den Stoff seines Hemdes bescherte Ludwig eine Gänsehaut und er schalt sich für seine pubertäre Reaktion. Unwillkürlich wich er ein Stück zurück, aber das resultierte nur darin, dass Feliciano sich zu ihm hinüberbeugte. »Ist alles in Ordnung bei dir? Du bist so rot. Hast du Fieber?« Zeitgleich wanderte seine schmale Hand hinauf zu Ludwigs Stirn und fühlte die Temperatur. Ludwig sog scharf die Luft ein und hielt dann den Atem an. »Ve~, wenn du krank bist, solltest du aber zuhause bleiben, Luddy.« Feliciano verengte die Augen zu Schlitzen und er wirkte besorgt, so wie er seine Stirn runzelte. Nach einer gefühlten Ewigkeit fand der Deutsche seine Stimme wieder und atmete weiter. »M-mir geht’s gut.« Es klang weder besonders überzeugend, noch stimmte das gequält wirkende Lächeln auf seinen Lippen. »Es… ist hier drin einfach wahnsinnig heiß.« Um seine Aussage zu unterstreichen, lockerte er seine Krawatte ein wenig und wich dem Blick des Italieners aus. Ein Themenwechsel musste her. »Soll ich…« Sollte er Feliciano siezen oder duzen? Sie waren jetzt Kollegen und so war es üblich, dass sie einander siezten und den Vornamen benutzten, aber sie waren sich vorher auch schon einmal begegnet und hatten sich geduzt… »Ähm… die Klassenzimmer sind im Westflügel… so wie alle kreativen Unterrichtsräume. Ich kann den Weg weisen.« Innerlich seufzte er und hätte sich längst die flache Hand vor den Kopf geschlagen, hätte Feliciano ihn nicht so eingehend beobachtet. »Eccellente! Lass uns gehen!« Bevor Ludwig etwas einwenden konnte, hakte sich Feliciano schon bei ihm unter. Der Größere spürte, wie jede Faser seines Körpers plötzlich anspannte und er sich keinen Millimeter mehr bewegen konnte, obwohl Feliciano durchaus versuchte, ihn dazu zu bringen. Er starrte an Ludwig empor und wirkte sehr irritiert. »Nanu, ve~.« Der Deutsche war wie versteinert und starrte unbeirrt vor sich hin. »Feliciano, würden Sie das unterlassen?« , presste er angestrengt hervor. Seine Stimme war gerade so laut, dass der Italiener sie wahrnehmen konnte. »Ve? Wolltest du mich nicht zum Klassenzimmer begleiten?« Er überging die Distanz, die Ludwig implizierte und löste sich nur langsam vom Blonden, als es ihm dämmerte. Ludwig seufzte erleichtert und holte tief Luft. »Danke.« Schweigend verließen sie das Lehrerzimmer und schlängelten sich durch die Menge der Schüler auf dem Korridor. Während sie beide jeweils einer Gruppe von Schülern auswichen, stießen sie an den Schultern zusammen. Ludwig schluckte nervös und ignorierte das Rumoren in seinem Magen. Insgeheim war er froh, als sie beide vor der prunkvoll verzierten Tür des Kunstraumes standen und Feliciano mit nervösen Fingern den dazugehörigen Schlüssel ins Schloss steckte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)