An awkward guide how to love if you're slightly German von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 25: Die Unsicherheiten des Feliciano Vargas --------------------------------------------------- Montag, 17. Oktober Feliciano kräuselte die Stirn und konzentrierte sich angestrengt auf die Worte seines Vorgesetzten Alfred Jones. Eigentlich hätte er jetzt einen Batzen an Arbeiten korrigieren müssen, die vom Wochenende übriggeblieben waren, doch er ahnte, dass Alfred ein wichtiges Anliegen hatte. Es wäre ihm garantiert leichter gefallen, dessen Worten zu lauschen, wenn Alfred Jones nicht während seiner energiegeladenen Rede auf einem Hamburger herumkaute. »Und dann… vielleicht… nächste Woche… Ich denke, dass es… oh, schmeckt der… London.«  Seinem verträumten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er vollkommen zufrieden in diesem Moment und es kostete den Italiener einiges an Überwindung, ihn in seiner Rede zu unterbrechen.  »Mr. Jones. Ich muss leider zugeben, dass ich kein Wort von dem verstehe, was Sie da sagen«,gestand Feliciano und lächelte beschämt.  »Okay, wir können auch in Englisch…«, begann der Amerikaner, bevor er wieder in seinen Hamburger biss und genüsslich seufzte.  »N-nein. Die Sprache ist nicht das Problem, Sir. Aber wenn sie mit vollem Mund sprechen, verstehe ich kein Wort.«  Einen Augenblick stoppte Alfred in seiner Bewegung, ehe er den Hamburger in seinen Fingern sorgfältig in das Papier zurück wickelte und ihn neben die vier anderen legte, die sorgfältig eingereit auf seinem Schreibtisch lagen.  Schließlich nahm er sich die XXL Cola und schlürfte geräuschvoll durch den Strohhalm während er wieder zu sprechen anfing. »Die Klassenfahrt…« Und wieder ergaben seine fortwährend unterbrochenen Wortfetzen kaum einen Sinn in Felicianos Ohren.  »Sir. Ich verstehe kein Wort, wenn sie essen oder trinken, während Sie sprechen. Vielleicht warten wir einfach, bis Sie fertig sind mit ihrem Mittagessen?«, schlug Feliciano vor und lächelte versöhnlich, ehe er die Hände in seinem Schoß faltete. Autoritäten machten ihn immer etwas nervös, auch wenn Alfred ein guter Bekannter von Elizabeta war. Jetzt hatten sie ein geschäftliches Verhältnis und er wusste nicht so recht, wie er damit umgehen sollte. Er wollte seine Stelle um jeden Preis behalten.  »Mittagessen? Das hier ist mein Snack vor dem Nachmittag… ein Schüler war so nett und hat mir etwas mitgebracht, weil… nun ja. Wie auch immer…«  Alfred grinste leicht. »Die Cola wird ja nicht schlecht, also…«  Er starrte einen Augenblick unschlüssig auf die Burger, ehe er sich räusperte und sich mit den Ellenbogen auf dem breiten Schreibtisch abstützte. Seine Fingerspitzen lagen aufeinander und waren unter seinem Kinn platziert. Feliciano sank sichtlich in seinem Stuhl zusammen, während er so eingehend betrachtet wurde, aber der Amerikaner lächelte schließlich und nahm der Situation ein wenig den Ernst. »Ich wollte die Details der Klassenfahrt besprechen, Feliciano.«  »Ja, das sagten Sie schon. Ich habe den Antrag bereits ausgefüllt und Ihnen ins Fach gelegt…« Feliciano lächelte schmal und ließ seinen Blick durch das geräumige Büro schweifen, in dem zwei deckenhohe Regale gefüllt mit Büchern in allen Größen und Farben standen. Die meisten hatten englische Titel und handelten demnach von Gesetzen oder Motivationsreden, doch kam Feliciano nicht dazu, sich alles genauer anzuschauen, weil Alfred seine Aufmerksamkeit einforderte.  »Ich habe den Antrag erhalten, was das angeht ist alles unter Dach und Fach. Wir können nächste Woche problemlos starten…«, sprach Alfred und kramte dann in seiner Schublade nach einigen Dokumenten.  »Eh… nächste Woche schon?«  Feliciano war leicht irritiert und kratzte sich verlegen an der Stirn, ehe er vor sich hin lachte. »Auf dem Antrag stand kein Datum, da bin ich mir sicher.«  »Ja, das stimmt. Ich wollte die Details ja auch heute mit Ihnen besprechen, Feliciano.«   Alfreds unbekümmerte Miene war unerschütterlich, während Feliciano offensichtlich schockiert war über den knappen Zeitraum. »D-dann starten wir also am Montag?«, fragte der Italiener, nur um sich zu vergewissern und um jedes Missverständnis aus dem Weg zu schaffen. »Yes! Wir werden Montagmorgen mit einem Shuttle starten und am Samstagmittag zurücksein. Ich dachte, das hätte ich letzte Woche erwähnt…«  Alfred seufzte und fuhr sich nachdenklich durch das Haar, ehe er den Kopf schüttelte. »Muss ich wohl vergessen haben, Sie sind doch flexibel, oder, Feliciano?«  Der eindringliche, auf ihm liegende Blick ließ Feliciano schlucken. »Natürlich bin ich das.«  Und er log nicht einmal. Es gab keinen gescheiten Grund, etwas gegen den frühen Reisetermin zu sagen, weil ohnehin so viel unmittelbar bevorstand, dass es ihm lieber war jetzt zu fahren, als kurz vor Weihnachten. »Nächste Woche… das ist dann also die Woche vor den Herbstferien…«, murmelte der Italiener vor sich hin.  »Genau. Und im Prinzip ist alles vorbereitet, sodass Sie nur noch mit Ihrer Anwesenheit glänzen müssen«, bestätigte Alfred Jones und lächelte schief. »Die Kids freuen sich schon gewaltig auf diesen Ausflug, bevor ihre armen Seelen sich dann im neuen Jahr für die Abschlussprüfungen plagen müssen.«  »Wenn Sie das so sagen, fühle ich mich beinahe schlecht dabei«, scherzte Feliciano und erwiderte das Lächeln, ehe er einen Block aus seiner Tasche zog und sich einige Notizen machte. »Was machen Sie da?«  Alfred legte den Kopf schief und beobachtete den Italiener fragend, während er mit seinen Fingern auf dem imposanten Schreibtisch herumtrommelte.   »Ve… Ich mach mir Notizen… ich will nichts vergessen«, erklärte Feliciano ehrlich und kicherte nervös vor sich hin.  »Don´t worry! Ich habe ein Dossier mit allen notwendigen Informationen zur Reise anfertigen lassen. Ich habe es bewusst bis heute zurückgehalten, damit Sie mich mit Fragen überhäufen können, Feliciano.« Ein überlegenes Grinsen stahl sich auf das Gesicht des Amerikaners, während er seinem Untergebenen das Infomaterial aushändigte, mit dem sich sein Ersteller offenbar beschäftigt hatte. In bunten Lettern prangten die großen Buchstaben »London 2016« auf dem Deckblatt und sowohl die amerikanische Flagge als auch die des vereinigten Königreiches zierten die Ränder des Blattes.  Während er, schmal lächelnd, in dem Dossier blätterte, frage Feliciano: »Was hat denn die amerikanische Flagge mit London zu tun?«  Die übermotivierte Stimme seines Vorgesetzten überschlug sich beinahe beim Sprechen. »Na, weil sie einfach cool aussieht, of course!« Mit einem gezielten Sprung stand der Amerikaner motiviert auf beiden Beinen, seine Handflächen auf den Tisch klopfend und zu Feliciano hinübergebeugt. Ein kindlicher Ausdruck trat auf sein Gesicht und beinahe stieß er in der plötzlichen Bewegung den Becher mit dem Getränk um.  Sein Patriotismus überraschte Feliciano nicht sonderlich, aber er schreckte dennoch aus seinen Gedanken auf und wich unwillkürlich etwas von dem Amerikaner zurück. »J-ja, Sir!«  Während Alfred seine Hand zur Faust ballte und sie in die Luft reckte, wirkte er lebendiger als je zuvor und er lachte hämisch vor sich hin. »Diese verdammten Teetrinker werden schon sehen…«, murmelte er vor sich hin, doch Feliciano wagte es nicht, nachzufragen, was sich dahinter verbarg.  Stattdessen nahm er das Dossier an die Brust und lächelte schief. »Ich… werde es mir durchlesen und wenn ich Fragen habe, schreibe ich sie auf, Mr. Jones. Ich wünsche einen buon appetito.«  Der Brünette deutete auf die Hamburger.  »Oh, stimmt! Sie werden ja noch kalt! Und dafür habe ich diesen kleinen miesen Rüpel zum Imbiss geschickt…«, knurrte Alfred und schien dann wieder zu bemerken, dass er nicht allein im Raum war. »Das war nur ein Joke! Ein JOKE!«, lachte er affektiert und kratzte sich am Hinterkopf. »Ich würde meine Autorität nie dafür missbrauchen, einem Problemschüler seine Missetaten zu erlassen, wenn er für mich Botengänge erledigt.«  Dann legte er den Kopf schief, so als versuchte er, den Italiener einzuschüchtern, doch er wirkte nicht sonderlich furchteinflößend.  »Niemand würde Ihnen etwas so Seltsames unterstellen«, winkte Feliciano ab und stand aus seinem Stuhl auf. »Wenn Sie mich nun entschuldigen würden, ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen.«  »Selbstverständlich… viel Erfolg dabei. Und… nehmen Sie Ludwig nicht so hart ran, er ist ein guter Kerl.«  Für einen kurzen Augenblick wandte Feliciano sich um und starrte Alfred aus großen Augen an, bevor sich seine Wangen leicht rot färbten. Doch dummerweise wusste er darauf nichts Kluges zu erwidern, also räusperte er sich nur und sagte: »Vielen Dank, für das Gespräch, Mr. Jones.«   * * * Feliciano saß schweigend neben Ludwig im Auto, als sich ihr Arbeitstag dem Ende zugeneigt hatte. Dieser Tag war so zauberhaft gewesen, dass der eine unangenehme Gedanke ihm schwerer auf den Schultern wog, als es für gewöhnlich der Fall hätte sein sollen. Normalerweise störte es ihn nicht, wenn etwas plötzlich geschah, das seinen Terminkalender durcheinanderbrachte und er fürchtete sich gewiss nicht vor der bevorstehenden, kurzfristigen Klassenfahrt. Doch etwas in seinem Inneren rebellierte und machte ihm Vorwürfe.  Ein seltsames Gefühl. War es sein Gewissen?  »Ist… alles in Ordnung, Feli?«, hörte er Ludwig sprechen und der Frosch in seinem Hals fand eine andere Stelle, um seine Sprache zum Verklingen zu bringen. »J-ja«, murmelte der Italiener nur und lächelte gezwungen. Für gewöhnlich hätte er Ludwig direkt von der Neuigkeit erzählt, aber dies war der erste richtige Tag ihres Zusammenlebens und alles war so frisch und wunderschön, sodass er sich davor fürchtete, diesen Zauber zu brechen, wenn er das Thema ansprach.  Ludwig hatte ihn gebeten, für eine Weile bei ihm zu bleiben und dies war das Beste, auf das Feliciano hoffen konnte. Er wusste selber, dass er sehr anhänglich war und dass er am liebsten all seine verfügbare Freizeit mit dem Deutschen verbracht hätte. Das Angebot grenzte an ein Wunder.  Er hatte das Gefühl, die Stimmung zu trüben, indem er die Bombe platzen ließ und von der Klassenfahrt sprach. Andererseits war der Termin fest und es nur eine Frage der Zeit, bis Ludwig davon erfahren musste. Und vielleicht würde er es sogar verstehen, weil es sich hierbei um die Arbeit handelte. Ludwig war gewissenhaft. »Du bist so schweigsam…«, murmelte er und warf Feliciano einen kurzen Seitenblick zu, bevor er vor einer roten Ampel Halt machte.  »Tut mir leid, Luddy.« Er war hin und hergerissen zwischen einer Notlüge und der Wahrheit, die ihm deutlich lieber war. Die Reaktion war ihm zu ungewiss.  »W-warum entschuldigst du dich? Wenn du dich nicht gut fühlst oder der Tag anstrengend war, lasse ich dich in Ruhe… Ich muss es nur wissen, damit ich angemessen darauf reagieren kann.« Der Blonde lächelte schmal und räusperte sich dann. »Ich kann wirklich keine Gedanken lesen und habe außerdem das Gefühl, dass dich diese Frage nerven könnte, also…«  »Du könntest mich niemals nerven, Luddy… es ist nur… lass uns darüber sprechen, wenn wir… zuhause… ähm… bei dir sind, bitte?«  Er spürte selber, dass seine Stimme zitterte und dass er sich an seiner Arbeitstasche festhielt, als würde diese ihm Halt geben.  Seit wann dachte er bitte sehr über jedes Wort nach, das über seine Lippen kam und warum sorgte er sich um solche Kleinigkeiten wie den Umstand, dass er seine Arbeit erledigen musste?  Er war Feliciano Vargas. Bekannte seines Großvaters hatten ihm oft gesagt, dass seine unbekümmerte und zuvorkommende Art, ihn von seinem großen Vorbild unterschied: Roma hatte sich immer zuvor Gedanken gemacht und Feliciano hatte immer kopflos drauflosgeplaudert und sich in allerlei Schwierigkeiten manövriert. Er besaß nicht das taktische Denken seines Großvaters oder die Fähigkeit, ein Thema zu wählen und andere mit bloßem Charme von einer Meinung zu überzeugen, die nicht einmal seine eigene war. Allein, dass sein Großvater etwas Derartiges bewerkstelligen konnte, bewies Feliciano nur jedes Mal aufs Neue, dass er dem Erbe seines Großvaters nicht gewachsen war.  Jedoch ertappte er sich dabei, wie ihm die Worte fehlten und er länger als üblich darüber nachdachte, was und auf welche Weise er etwas sagte.  In Ludwigs Gegenwart fühlte er sich zwar immer ohne jeden Zweifel wohl und geborgen, aber auch ein wenig unterlegen. Vielleicht, weil Ludwig anderen gegenüber immer so selbstsicher auftrat, während er selber oft nicht wusste wohin mit sich... Auch jetzt hatte er das Gefühl, nichts auf die Reihe zu bekommen.  Vielleicht machte er sich auch zu viele Gedanken oder war schlichtweg überfordert mit diesen merkwürdigen Gefühlen, mit denen er bisher nichts anzufangen wusste. Nie zuvor hatte er sich in seinem eigenen Verhalten so unsicher gefühlt.  Als Ludwig das Auto auf den Parkplatz lenkte und den Motor abschaltete, öffnete Feliciano gedankenverloren seinen Sicherheitsgurt. Er wollte sich aus dem Beifahrersitz schälen, als er eine Hand auf seinem Unterarm spürte. »Tut mir leid, Feli. Ich… bin gerade wirklich nervös. Du… worüber wolltest du denn mit mir reden?«  Seine Stimme zitterte merklich und er war blasser, als sonst. »Ich weiß, ich komme dir wahrscheinlich ungeduldig vor, aber…«  »Oh… ich habe gar nicht darüber nachgedacht, dass auch du dir darüber Gedanken machen könntest. Es ist wirklich nichts Dramatisches.«  In gewohnter Manier lächelte der Italiener charmant und nahm Ludwigs schweißnasse Hand in seine. »Mach dir keine Sorgen… Es beschäftigt mich zwar, aber es geht nur um die Klassenfahrt, die Alfred geplant hat. Ich wollte die Details mit dir besprechen, weil du doch jetzt auch ein Teil meines Lebens bist.«  Er bemerkte, dass sich Ludwig auf seine Worte hin sichtlich entspannte und sich ein Lächeln erlaubte. Der erleichterte Seufzer verriet ihn und Feliciano spürte dessen Daumen sanft über seinen eigenen Handrücken streichen.  Es hinterließ ein taubes Kribbeln auf seiner Haut und am liebsten hätte Feliciano wie ein pubertärer Schuljunge gequietscht, aber er konnte sich zusammenreißen und grinste nur überglücklich. Er hielt Ludwigs Hand an seine Lippen  und platzierte einen sanften Kuss auf dessen Fingerknöchel.  Auf Ludwigs Gesicht breitete sich ein ansteckendes Lachen aus. Die himmelblauen Augen betrachteten Feliciano eindringlich, aber da sein Blick warm und einladend war, hinterließ es eine Gänsehaut auf den Armen des Italieners. Wenn sie nicht in diesem Auto säßen, hätte Feliciano Ludwig längst geküsst.  Ludwigs Stimme echote in seinem Kopf. »Wir sind nicht ungestört.«  »Lass uns hochgehen, Luddy. Ich will dich endlich küssen und ich kann mich nicht länger zurückhalten.« Er drückte die Hand seines Angebeteten fester und Ludwigs Reaktion ließ eine beachtliche Menge flatternder Schmetterlinge in seinem Magen erscheinen.  Feliciano war trunken vor Glück.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)