Für immer beste Freunde von suugakusan (Ich liebe dich wie einen Bruder) ================================================================================ Erwachsensein, Teil 1 --------------------- 🍥🍥🍥 Mittlerweile sind Sasuke und ich seit über 10 Jahre zusammen. Und es läuft nicht so gut. Eigentlich läuft es sehr schlecht. Mein Berufsplan endete damit, dass ich erstmal als Praktikant angestellt worden war und wurde dann in Kürze übernommen. Ich machte eine Unmenge zusätzlicher Aufgaben, wodurch ich ziemlich schnell zum Editor befördert wurde. Es freute mich bis zur Ohnmacht und diese wilde Freude verblendete mich sofort. Ich machte einfach alles, worauf mein Blick nur fiel. Mein erstes Projekt saugte mich komplett ein. Dadurch hockte ich viel zu oft in der Redaktion mit dem ersten Mangaka rum, der mir anvertraut worden war. Er heißt Utakata und ich bin bis zum heutigen Tage sein Editor. Er war damals auch neu und wir mussten quasi in dieser verrückten Manga-Welt zusammen aufwachsen. Deswegen entstand zwischen uns sehr schnell eine sehr gute Freundschaft. Und dies stellte meine Beziehung zu Sasuke zum ersten Mal so richtig auf Probe. Sasuke war sofort überspitzt eifersüchtig auf Utakata und das leider nicht ganz ohne Grund. Ich verbrachte anfangs tatsächlich zu viel Zeit mit ihm. Und es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es war alles nur geschäftlich. Privat konnten wir uns eben auch ganz gut leiden. In Utakata fand ich plötzlich jemanden, mit dem ich meine Leidenschaft für Manga auf einem ganz anderen Niveau teilen konnte, als mit Sasuke. Sowas war für Sasuke und mich einfach unmöglich. Und ich glaube, Sasuke belastete diese Tatsache viel zu sehr und er sah Utakata als eine Art Bedrohung an. Natürlich lief zwischen Utakata und mir nie was, zumal steht er generell nicht auf Männer. Aber Sasuke reichte es nicht als plausibler Einwand aus. Er wurde damals unverschämt besitzergreifend: er glaubte mir überhaupt nicht, stellte jede meine Aussage unter Verdacht, suchte explizit nach Beweisen meiner Untreue und spionierte mich sogar ab und zu aus. Es löste natürlich sehr viele Streitigkeiten zwischen uns. Schlussendlich lernte Sasuke sich nicht darüber zu kümmern und ließ mich mein Ding machen. Wir bestanden die Probe nicht und zwischen uns bildete sich eine kleine schwarze Schlucht. Nach diesem Vertrauensbruch fing unser Untergang an. Aber davon wusste ich damals natürlich überhaupt nichts. Stattdessen freute ich mich darüber, dass mein Freund mir endlich etwas Freiraum lässt. Ich war immer noch unfassbar naiv. Während ich fröhlich in meiner aufregenden bunten Manga-Welt rumschwamm, verirrte sich Sasuke in einem endlosen dunklen stürmischen Meer. Er wusste nicht so recht, wohin er jetzt ohne mich soll, und ich eilte überhaupt nicht zur Hilfe. Den Ausbildungsjob bezeichnete er als stupide und seiner Zeit nicht würdig. Diese Äußerung nahm ich ziemlich direkt zur Kenntnis und schrieb dieses Problem zu schnell ab, ohne seinen stillen Hilferuf mitbekommen zu haben. Dann nahm er die Sache selbst in die Hand und fing ein Informatikstudium an, welches er in Nullkommanichts durchzog. Er knüpfte wertvolle Kontakte, legte eine glänzende Abschlussarbeit hin und direkt nach dem Abschluss flog ihm ein super Jobangebot direkt in die Hände. Der Job war einfach ein Traum: die Bezahlung war mehr als großzügig, man durfte sich am interessanten Forschungsprojekt beteiligen und man hatte Möglichkeiten ab und zu ins Ausland zu gehen. Sasuke wusste nicht so recht, ob er den Job haben möchte. Und weil es alles auf Anhieb so super aussah, ermutigte ich ihn dazu, ohne mir im Klaren darüber zu sein, dass er immer noch nach einem neuen Rückzugsort sucht. Ich hörte ja seine Hilferufe nicht mehr. Und damit schob ich ihn praktisch in diese schwarze Schlucht. Heute bereue ich, dass er den Job damals annahm. Eigentlich wäre es nicht nötig, dafür ging es uns gut genug. Jedenfalls stürzte sich Sasuke kopfüber in dieses Forschungsprojekt hinein und arbeitete wie verrückt, indem er täglich mindestens 12 Stunden in seinem Büro verbrachte. Und ab einem Zeitpunkt fiel mir auf, dass wir uns katastrophal wenig sehen. Unsere Beziehung fand ausschließlich am Wochenende statt, was auch nicht jedes Mal durch meine eigene Arbeit klappte. Aber das störte mich immer noch nicht, weil ich das Gefühl hatte über seinen Alltag ziemlich viel Bescheid zu wissen. Ich kannte zum Beispiel einige seiner Arbeitskollegen und hatte zudem eine ganz grobe Vorstellung davon, womit er sich täglich beschäftigt. Es fühlte sich komplett ausreichend an. Aber als er die Arbeitsgruppe wechselte, kam ich nicht mehr mit und die Schlucht zwischen uns nahm plötzlich astronomische Ausmaße. Das war mir aber bis zum bitteren Ende nicht bewusst. Ich bemerkte, dass etwas nicht stimmt, als Sasuke mir eines Tages ziemlich trocken mitteilte, dass er am anderen Ende der Welt gebraucht wird und dadurch ab sofort sechs Monate pro Jahr im Ausland verbringen muss. Und ab da fing ich an mir Sorgen über uns zu machen. Leider öffneten sich meine Augen viel zu spät. Sasuke ist einfach zu weit weg von mir gestrandet und diese Distanz schien beinahe unüberwindbar zu sein. Also leben wir seit zwei Jahren praktisch getrennt. Eigentlich ist eine Wochenendbeziehung fast schon Luxus, weil sie einer echten Beziehung doch noch irgendwie ähnelt. Und jetzt haben wir nichtmal das. Wenn er im Ausland ist, führen wir ein Mal pro Woche eine halbstündige trockene Videounterhaltung. Und nichtmal das kriegen wir vernünftig hin. Manchmal sehe ich weder sein Gesicht noch höre ich seine Stimme mehrere Monate hintereinander. Alles, was mir in solchen Tagen von meinem Freund übrig bleibt, sind die Kurznachrichten, die ab und zu auf dem leblosen Display meines Handys auftauchen. Wäre es nur das. Viel schlimmer ist, dass ich mich während er im Ausland ist nicht so ganz miserabel fühle. Wenn er nach Hause kommt, haben wir nichtmal diese gelegentlichen Telefonate. Er verlässt das Haus um 6 Uhr morgens, während ich noch schlafe. Und ich dagegen komme sehr spät zurück, wenn er schon schläft. Und ziemlich oft hocke ich auch am Wochenende unbezahlt im Büro rum. Manchmal weiß ich nicht, was es eigentlich ist. Ob die Arbeit wirklich so wichtig ist? Oder will ich Sasuke explizit aus dem Weg gehen? Ich glaube jedenfalls stets ans Erste. Deswegen sehen wir einander fast nur schlafend. Der einzige häufige Kontakt, den ich mit meinem Freund habe, ist das nächtliche Kuscheln mit seinem völlig erschöpften Körper. In diesen kurzen Momenten vergesse ich, dass unsere Welten nicht nur räumlich meilenweit auseinander sind. Ich vergesse, dass sich diese verdammte Schlucht zwischen uns immer schneller ausweitet. Ich vergesse, dass ich keine Ahnung habe, was in seinem Leben momentan abgeht, und dass ich absolut gar nichts davon verstehe, was er beruflich macht. Ich vergesse, dass unsere gemeinsame Wohnung mittlerweile mir allein gehört. Ich vergesse, dass wir beim Abendessen nichtmal ein vernünftiges Gespräch führen können. Ich vergesse, dass wir uns völlig fremd geworden sind. Ich bilde mir einfach ein, dass wir immer noch dieselben sechzehnjährigen Sasuke und Naruto sind, die einander zum Überleben brauchen. Und für eine kurze Sekunde bin ich tatsächlich unfassbar glücklich. Jetzt ist er seit zwei Monaten wieder zuhause und heute gehen wir endlich aus. Er buchte einen Tisch in einem sehr teuren Restaurant, nur Gott weiß wieso. Und jetzt stehe ich ratlos vor dem Kleiderschrank und weiß nicht, wie ich mich anziehen soll. Was ist überhaupt der Anlass? Wenn ich es wüsste, dann könnte ich die Kleiderordnung vielleicht besser abschätzen. Ich vermisse unsere alten Zeiten so sehr. Damals reichte es schon für einen perfekten Abend im dreckigen T-Shirt nebeneinander zu sitzen und irgendeinen Film zusammen zu gucken. Oder Pizza bestellen. Oder zusammen kochen und dabei komplett die Küche verwüsten… tja, und jetzt müssen wir in ein teures Restaurant mit einem gewissen Dresscode. Es war damals so verdammt viel einfacher! Ich möchte zurück in diese Zeit. Sasuke, wann haben wir es bloß verlernt? Vielleicht weißt du es? Ich fuhr mit meinen datebezogenen Vorbereitungen fort, indem ich blind nach einem Hemd im Schrank griff. Und zufälligerweise erwische ich einen ganz-ganz alten. Diesen Hemd suchte Sasuke damals zu meinem ersten ernsthaften Vorstellungsgespräch als Praktikant aus. Mittlerweile verblasste er. Das wunderschöne tiefe Dunkelblau bekam einen ausgewachsenen staubigen Teint. Manche der eingestickten weißen Pünktchen lösten sich und an deren Stelle schauten mich neugierig die Fäden an. Damals schien, dass dieser Hemd ein Vermögen kostet, aber Sasuke bezahlte ihn trotzdem. Und nach sechs Jahren ist er nicht mehr anziehbar. Eigentlich sollte ich ihn wegschmeißen. Ich probierte den Hemd trotzdem an. Er sitzt immer noch wie angegossen. Sasuke sagte damals, dass meine Augen durch das Blau sehr schön hervorgehoben werden und dass meine Haare noch goldener als sonst scheinen. Ich betrachtete mich selbst für einen kurzen Moment im Spiegel und seufzte. Damals waren wir dumme naive Kinder. Wir haben uns gekümmert, weil wir auf einander tatsächlich angewiesen waren. Mittlerweile wissen wir, wie man komplett selbstständig zurechtzukommt. Jetzt sind wir beide ganz erwachsen. An sich ist es eine sehr tolle Leistung. Bloß der Preis, den man dafür zahlen muss, ist eine völlige Einsamkeit. Mittlerweile kam ich ins Restaurant an. Es schien tatsächlich sehr teuer zu sein. Am Empfang traf mich der Kellner und begleitete zum Tisch. Sasuke saß bereits dort und studierte nachdenklich die Speisekarte. — Du bist zu spät, - war er statt einer vernünftigen Begrüßung. — Sorry, - murmelte ich genervt. Ich machte mir nichtmal die Mühe eine Ausrede zu basteln, - sag mal, ist heute was bestimmtes geplant? Wieso treffen wir uns ausgerechnet hier? — Ähm, ja, es gibt tatsächlich etwas, was ich dir mitteilen möchte. Aber wollen wir erstmal bestellen? — Okay, - nach seiner komischen Ankündigung bekam ich ein schlechtes Gefühl. Sasuke, was ist nur los? Der Uchiha wollte mir nicht verraten, was los war. Nach ungefähr einer Stunde einer sehr wackeligen Unterhaltung rückte er endlich mit der Sprache raus, denn ich wurde ziemlich ungeduldig. — Naruto, ich muss dir was sagen. Und zwar… es geht um meine Arbeit. — Aha… - ich spannte mich an, - na dann… schieß los. Er seufzte schwer und vergrub sein Gesicht in die Stoffserviette, die neben ihm lag. — Es ist so, dass… ähm… Als er den Blickkontakt mit mir auf eine sehr scheue Weise zum aberhundersten Mal explizit mied, ergriff mich plötzlich eine sehnsüchtige Melancholie. Seitdem er wieder zuhause ist, nistete sich der Trennungsgedanke fest in meinem Kopf ein. Und jetzt kommt er hoch. Das Traurige dabei ist, dass ich nichtmal sagen kann, was genau ich dabei fühle. — Ich werde ab dem nächsten Jahr für drei Jahre ins Ausland versetzt, - hauchte er in einem Atemzug aus. — Achso… okay… - flüsterte ich zurück. Ich wühlte wie verhext in meinem mittlerweile vollständig geschmolzenen Eis rum. Die Schokoladensoße ordnete sich spiralförmig auf der hellen milchigen Substanz an und ich starrte planlos auf diese Muster, als ob sie mir irgendwelche Antworten geben könnten. — Bitte sag was dazu, - fragte er leise. Die Ausgangslosigkeit in seinem Ton traf mich direkt ins Herz und ich schluckte hörbar. — Was soll ich denn deiner Meinung nach dazu sagen, ha? - ließ ich leblos aus. — Na irgendwas… bloß nicht schweigen. — Ist es nicht völlig irrelevant? Am Ende gehst du eh, oder? Sasuke sagte nichts. Stattdessen wühlte er in seinem Rucksack, fischte sein Portemonnaie raus und versuchte einen Blickkontakt mit irgendeiner Bedienung herzustellen. Genau, jetzt ist natürlich Bezahlen wichtiger. Klar. Ist okay. Mir traten die Tränen in die Augen. Die milchige Substanz wurde an einigen Stellen durchsichtig weiß. Sasuke ignorierte mich immer noch und schien viel zu sehr in sein Kleinkram involviert zu sein. Bekam er etwa so gar nicht mit, dass mein Herz gerade beinahe vollständig zerbrechen ist? — Entschuldigung! - endlich kam der Kellner zu uns. Sasukes Mühe war überhaupt nicht umsonst, - wir würden dann gerne zahlen… Bevor die Bedienung zu uns kam, wischte ich mir unauffällig die Tränen mit der Stoffserviette ab. Die sind wirklich gut dafür. Kann ich nur weiterempfehlen. Sasuke schloss die Geschäfte mit dem Kellner ab und schon saßen wir auf dem Rücksitz eines Taxi. Sasuke klebte an der linken Tür und ich an der rechten. Der Regen knallte laut gegen das Fenster. Ich starrte planlos auf die patschnasse Scheibe. Die knalligen Lichter des belebten chaotischen Stadtzentrums zeichneten sich als verschwommene riesige Farbflecken vor meinen Augen. Eine hohle Stille umgab uns. Regengeräusche und unbedeutendes Motorrauschen füllten diese dunkle Leere. Und Sasuke klickte fast geräuschlos mit dem Kugelschreiber. Tsk-tsk-tsk-tsk-tsk-tsk-tsk-tsk-tsk… ich erkannte sofort dieses weiche Klicken. Regelmäßigkeit half ihm damals aus der Teufelsspirale rauszukommen. Er erzählte mir mal, dass einfache unkomplizierte Rhythmen etwas meditatives in sich haben. Zum Beispiel lautes Ticken oder Wasserhahntropfen… ich freute mich damals, dass er etwas so einfaches und wirkungsvolles für sich fand, und gab ihm einen Kugelschreiber mit dem Knopf, den ich zur damaligen Zeit selber nutzte. Er meinte später, dass mein Kugelschreiber schön weich klingt, und dass er dieses Geräusch sehr angenehm findet. Ach, wie anhänglich sowas ist! Er hat das mit der Teufelsspirale also doch nicht ganz unter Kontrolle. Er ist also doch bekümmert. Im Restaurant kam es vor, als ob es ihn überhaupt nicht belastet. Aber anscheinend schon. Trotzdem hält er still und greift lieber auf den Kugelschreiber zurück. Die Trennung macht ihm augenscheinlich nicht mehr so viel Angst wie früher. Die Trennung ist also nicht mehr sein Weltuntergang. Und mir selbst geht es genauso. Ist das wirklich dieses Erwachsensein? Wenn ja, dann wäre ich lieber für immer sechzehn geblieben. 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