Für immer beste Freunde von suugakusan (Ich liebe dich wie einen Bruder) ================================================================================ 🍥🍥🍥 Heute reden alle schon wieder über die Uchihas. Oder, besser gesagt, darüber, dass es sie nicht mehr gibt. Sobald Sasuke den Klassenraum betritt, werden alle still. Das unruhige Rascheln hört plötzlich auf, bis sich einige wenige wieder im Stande fühlen zur alltäglichen Unterhaltung rüberzuwechseln, und dann raschelt es wieder. Sasuke seufzt genervt, setzt sich auf seinen Platz neben mir und senkt seinen Kopf auf den Tisch. Das wiederholt sich seit zwei Wochen. Wenn meine Familie ausgerottet worden wäre, würde ich vermutlich nie wieder in die Schule kommen. Aber Sasuke tut es. Dafür respektiere ich ihn. Sasuke und ich sind die ewigen Sitznachbarn, die sich anfangs wirklich nicht leiden konnten. Ich war als einzige in der Klasse ein Waisenkind und aus dem Grund wurde ich von Anfang an ausgegrenzt. Keiner wollte mit mir etwas zu tun haben. Und nur Sasuke hing mit mir gezwungenermaßen rum. Die Sitznachbarschaft zwang ihn dazu. Da er trotz seiner ansprechenden Äußerlichkeiten leicht antisozial ist, fand er ebenfalls keine bessere Bekanntschaft als mich. Und so verblieben wir: Ein sehr unbeliebtes Duo, dem der letzte Tisch der dritten Reihe für immer überlassen wurde. Seitdem vergingen fast acht Jahre und mittlerweile fanden wir raus, wie der eine mit der Art des jeweils anderen umzugehen hat. Durch die spitzesten Kanten und Ecken gelang uns dennoch eine ziemlich innige Freundschaft. Dafür bin ich dem Schicksal unendlich dankbar. Der plötzliche Verlust seiner Familie hat Sasukes Leben komplett auf den Kopf gestellt. Ich muss zusehen, wie mein einziger Freund unter dieser schweren Last jeden Tag noch ein bisschen mehr anknackst. Glücklicherweise akzeptierte er ganz spontan meine Einladung und zur Zeit schläft er bei mir. So kann ich auf ihn mehr oder weniger rund um die Uhr aufpassen. Er hat es ja auch nötig, er schottet sich von der Außenwelt komplett ab: Er isst nichts, er trinkt nichts und auf der Straße läuft er manchmal gegen die Laternen oder Mülltonnen. Trotzdem geht er weiterhin in die Schule. Was heißt eigentlich "geht", er ist halt körperlich anwesend. Ich sagte ihm, dass er sich bei der Schulleitung befreien lassen sollte. Schließlich hat sein Bruder seine Eltern umgebracht. Aber nein, er wollte keine Befreiung vom Unterricht. Ich hätte es ja für ihn geklärt, aber auch das verweigerte er, warum auch immer. Na dann halt nicht… Jetzt schläft er eh und passt so oder so nicht auf. Hätte er sich befreien lassen, könnte er zuhause schlafen. Obwohl er so intelligent ist, kommt er manchmal total unsinnig rüber. „Gehen wir?“ lässt er spontan ab. „Wieso?“ erwidere ich automatisch. Eigentlich war das zu erwartet. Sein desinteressierter Blick verriet mir lange, dass er mit dieser Anfrage spätestens in der Mittagspause auf mich zukommt. „Weil ich keinen Bock mehr habe.“ Natürlich hast du keinen Bock, du schläfst ja auf dem Tisch! „Okay. Gehen wir.“ Sasuke schnappt seine Sachen und macht sich zielstrebig nach draußen. Ich folge ihm. Nun laufen wir stumm nebeneinander. Sasuke will sich nicht melden und ich traue mich nicht. Nicht, dass ich ungewollt was falsches sage. „Was wollen wir zum Abendbrot?“ Ich leite das Gespräch ein. „Mir egal, entscheide du“, kommt desinteressiert zurück. „Dann essen wir halt Instant-Ramen.“ „Von mir aus.“ Auf dem Weg nach Hause halten wir bei einem Supermarkt an. Ich muss ja die Minutennudeln organisieren. Jeder kriegt eine Packung. Vom Supermarkt aus dauert es nicht lange zu meiner Wohnung und bereits nach fünfzehn Minuten liegt Sasuke im Bett und lässt sich vom Fernsehen berieseln. Während er abhängt, räume ich ein bisschen auf. Morgen geht die Kontrolle durch die gesamte Wohngruppe durch. Ich möchte mich grundsätzlich nicht mit ihnen anlegen, besonders nicht jetzt. In den letzten Wochen bin ich häufiger aufgefallen. Und da Sasuke hier quasi unerlaubt schläft, möchte ich nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf mich lenken. So, jetzt ist die Wohnung sauber. Oh, Sasuke ist eingepennt. Aha… okay, und was mach ich dann? Es gäbe Hausaufgaben, aber ne… hmmm, Sasuke sieht grad so friedlich aus. Das ist sehr erfreulich. Während der letzten zwei Wochen wirkt er nur noch angespannt und genervt. Ich möchte diesen schönen Moment bitte festhalten. Wo ist mein Skizzenbuch? Ach, da drüben liegt er! Zack-zack-zack… Die leichten Bleistiftstriche füllen langsam die Leere auf dem elfenbeinfarbenen Blatt. Noch eine Skizze von Sasuke in meiner Kollektion. Irgendwie häufen sich seit dem letzen halben Jahr Skizzen von ihm in meinem Block. Hier sitzt er auf der Fensterbank, hier liegt er auf dem Fußboden, hier ist sein Porträt… er hat an sich nichts dagegen mein Modell zu sein. Er sprach sich jedenfalls nie dagegen aus. Ist schon nice sowas, oder? Ich meine, der Typ hat halt eine erstaunliche Anatomie und ein sehr schönes symmetrisches Gesicht. Für jeden Zeichner wäre er ein Geschenk. Warte? Finde ich Sasuke etwa schön? Keine Ahnung, ich frage mich bloß warum ich neulich so viel Skizzen von ihm mache. „Kritzelst du schon wieder von mir ab?“ Anscheinend wurde der Mann auf dem Bild wach. „Ja…?“ Ich klinge auf einmal so fragend. „Zeig mal“, fordert er mich auf. Ich setze mich auf die Bettkante und drücke ihm das Buch in die Hand. „Nicht schlecht, Naruto“, sagt er mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. „Du wirst wirklich besser. Sag mal, warum skizzierst du mich so oft?“ „Hab ich mich auch gefragt.“ „Und?“ „Ich weiß es nicht.“ „Irgendwie finde ich es etwas unheimlich. Besonders während ich schlafe. Das hat schon was…“ „Ummm“, murmele ich etwas bejahend. Er hat schon recht, es ist leicht unheimlich. „Soll ich damit aufhören?“ „Nein.“ Er führt seinen Blick nachdenklich in eine andere Richtung. „Deine Aufmerksamkeit ist schon schmeichelhaft. Und ich mag die Ergebnisse eh. Also nicht aufhören. Und ich hab Hunger.“ Plötzlicher Themenwechsel. „Bin schon auf dem Weg.“ Ich setze den Wasserkocher auf. Deine Aufmerksamkeit ist schon schmeichelhaft. Was soll denn bitte schön das heißen? Irgendwie ist der Satz unheimlicher als die Tatsache, dass ich ihn beim Schlafen skizziere, oder? Naja, egal jetzt essen wir. Oh man, Sasuke hat seine Portion schon wieder inhaliert. Jetzt starrt er den Fernseher an. Was zur Hölle guckt er da? Jugendliche ohne Eltern. Oh nein, das ist nicht gut. Verdammt, bitte nicht dieser gläserne Blick! Nicht erstarren! „Schalt um“, werfe ich. Keine Antwort. Shit. Gib die Fernbedienung her! Gib sie verdammt noch mal her! Klick! Der Fernseher ist aus. Gott sei Dank! „Hey! Ich wollte doch…“ Der Rest des Satzes blieb in seinem Hals stecken. Plötzlich verdeckt er sein Gesicht mit den Armen und bricht weinend zusammen. Sasuke, bitte nicht weinen, okay? Tut mir leid, aber ich komm immer noch nicht so damit richtig klar! Es tut unfassbar weh, dich so kaputt zu sehen! Was soll ich denn machen?! Keine Ahnung… ich fühl mich absolut nutzlos. Ich krieche zu ihm und wickele die Arme um seine Schulter. Das ist das einzige, was ich ihm gerade anbieten kann. Komischerweise wehrt er sich gar nicht. Ganz im Gegenteil. Er schmiegt sich an mir und macht einen sehr schutzbedürftigen Eindruck. Also war das gut so? Er hat sich Gott sei Dank relativ schnell beruhigt. Anscheinend war das wirklich gut von mir. Wir sitzen immer noch umarmt. Er möchte irgendwie mein Schoß nicht verlassen. Neben uns liegt ein neues Band von Shokugeki no Soma, das ich noch nicht durchgeguckt habe. Sasuke schaut sich ausnahmsweise die neuen Manga-Kapitel mit mir an. Ansonsten sagt er, dass ihn irgendwas an der Manga-Kunst richtig schlimm anwidert. Dafür hat er aber recht viel Spaß mit dem Büchlein. Anfangs las nur ich vor und jetzt macht Sasuke sogar mit. Er liest sogar für ein Mädchen! Ich wusste gar nicht, dass seine Stimme solche hohen Töne erreicht. Diese ganze Situation ist ziemlich abstrus, aber okay. Hauptsache er hat Spaß und lacht und beleidigt mich. So, wie ein Sasuke zu sein hat. Es fühlt sich gut an, ihn wieder zurück zu haben, sei es nur für eine einzige Stunde. Als der Abend den Ausklang nahm, erinnerte sich Sasuke doch an die momentanen Probleme. Er setzte sich von mir weg und sagt seit einer ganzen Weile wieder nicht. Angeblich macht er Hausaufgaben, aber ich sehe, dass er überhaupt nicht produktiv ist: Er liegt auf der Tischplatte und kritzelt nachdenklich in seinem Block. Er wirkt schon wieder so abgeschirmt. Soll ich ihn aus seiner Trance rausholen? Nein, er grübelt über irgendwas und ich möchte ihn nicht dabei belästigen. Mittlerweile ist es schon spät geworden. Wir liegen beide schlafbereit. Ich gewährte ihm mein Bett für die Zeit und benutze selbst das alte Futon. Es ist richtig still. Ich versuche seit einiger Zeit vergeblich einzuschlafen, aber es bringt nichts. Plötzlich hüpft Sasuke auf meine Matratze und verwüstet meine aufwendige Deckenverpackung. „Was machst du?“ frag ich verwirrt. „Du bist so warm“, sagt er leise und kriecht in mein Deckenkokon. „Und du bist so komisch!“ werfe ich ihm mit einem etwas spottenden Unterton. „Umarm mich bitte.“ „Ääähm…?“ „Bitte…“, unterbricht er mich. Plötzlich zittert seine Stimme. Er hört sich so an, als würde er gleich zusammenzubrechen. Oh nein-nein! Ich umschlinge wortlos die Arme um seinen Oberkörper. Seine pechschwarzen Haare sind sich überall auf meiner Brust verstreut. Er atmet hörbar und ist eindeutig sehr reizbar. Und ja, er ist in Tränen ausgebrochen. Er zuckt krampfhaft zusammen und schmiegt sich so verzweifelt an mir. Instinktiv drücke ich ihn näher ran. Es tut einfach unfassbar weh. Er ist doch normalerweise so stark und baut mich auf! Heute muss ich ein Stück davon zurückgeben. Irgendwann schlief er trotz ununterbrechbarem Tränenfluss ein. Sein Atem und die Kühlschrankgeräusche unterbrechen die nächtliche Stille. Mein T-Shirt ist im Bereich von seinen Augen unangenehm feucht. Obwohl es komisch ist, ruhen meine Arme auf seinem Oberkörper und ich habe jetzt keine Absichten diese Umarmung zu lösen. Heute Nacht konnte ich doch nicht schlafen. Die ganze Nacht dachte ich darüber, was heute zwischen uns ablief. Es war sehr ungewöhnlich und Sasukes heutigen Handlungen verwirrten mich ein wenig. Aber wenn diese kuriose Umarmung ihm ein Stück Erlösung beschert, dann ist es doch sehr schön. Dann kann ich ihm tatsächlich ein wenig helfen. Außerdem werde ich für Sasukes Wohl alles machen, was ich kann. Das steht für mich seit heute Nacht eindeutig fest. 🍥🍥🍥 Seit zwei Monaten haust Sasuke bei mir. Tagsüber agieren wir ganz normal: Wir gehen in die Schule, passen halbwegs auf, kommen nach Hause, essen, machen Hausaufgaben, gucken Fernseher, zocken, ich lese Manga und Sasuke — seine klugen tiefsinnigen Bücher. Und am Ende des Tages gehe ich ins Bett. Und Sasuke geht mit mir. Ich weiß immer noch nicht, was das soll. Ja, es ist komisch und ja, es ist mir immer noch etwas unangenehm. Aber dieser halbwegs geregelte Ablauf zusammen mit dieser schrägen Zweisamkeit scheinen Sasuke wirklich zu helfen und es reicht mir als ein guter Grund das ganze einfach fortbestehen zu lassen. Außerdem scheint er dadurch allgemein wacher zu sein. Tagsüber ist mein bester Freund wieder mein bester Freund: Seine fiesen Sprüche sind fieser denn je, sein trockenes spöttisches Grinsen klingt kurz und knapp und genau richtig, er wird schadenfroh, wenn mir kleine Alltagssachen misslingen, und er will sich wieder mit mir anlegen. Und ich will ihm dasselbe antun. Unsere Freundschaft fühlt sich wieder lebendig an. Ich hab uns so sehr vermisst, selbst wenn sich unsere Beziehung jetzt etwas anders anfühlt. Ich kann auch nicht genau sagen, was sich geändert hat, außer, dass Sasuke Sachen macht, die er früher definitiv nicht gemacht hätte. Wenn er überfordert, wütend oder traurig ist, sucht er ab jetzt aktiv meine Nähe. Wenn er sich in Gedanken verliert, darf ich ihn ganz offiziell aus dem Trance rausholen. Darum hat er mich explizit gebeten. Neuerdings heult er sich bei mir sogar aus. Dabei sitzt er meistens auf meinem Schoß. Währenddessen krallt er sich so verzweifelt an mir fest, als ob ich für immer verschwinde, wenn er es nicht tut. Und das ist ganz neu. So kenne ich ihn nämlich gar nicht. Diese Seite von ihm ist richtig unheimlich. In solchen Momenten spaltet sich mein Wesen: Einerseits bekomme ich eine tierische Angst vor ihm und will nur abhauen. Andererseits will ich ihn unbedingt beschützen. Ihm ist so viel widerfahren und wenn meine unmittelbare Nähe es ihm leichter macht, dann kriegt er sie. So einfach. Aus diesem Grund lasse ich ihn weiterhin auf meinem Schoß sitzen. Tag für Tag bessert sich Sasukes Lage und er kommt so langsam wieder ins Leben rein. Er ließ sich doch vom Unterricht befreien und durfte mich quasi mitnehmen. Die Schulleitung genehmigte meine Befreiung sehr ungern. Ich glaube, der Schuldirektor ging Sasuke nur deswegen entgegen, weil er nicht wirklich lebenden Verwandten hat, die nicht zugleich schwer kriminell sind. Sasuke bekam außerdem einen Berater für die rechtlichen Fragen. Das ist super gut, da Sasuke zurzeit einen Riesenberg von rechtlichen Sachen klären muss. Erstmal besteht das Geldproblem. Sasuke kommt weder an sein Sparbuch noch an sein Kindergeld ran. Seit zwei Monaten füttere ich ihn praktisch durch. Er kriegt außerdem von der Schule Essensgutscheine und kann in der Kantine kostenlos Mittag essen. Sein Kindergeld hat er fast. Ich hoffe einfach, dass er es bald schafft, denn das Geld ist zurzeit echt knapp. Sein Sparbuch bleibt aber weiterhin für ihn unzugänglich. Dann heißt das nächste Problem das Wohnen. Sasuke will nie wieder zurück ins Elternhaus. Am liebsten würde er in meine Wohngruppe einziehen und eine Mitgliedschaft in der Waisenkinderstiftung beantragen, der ich angehöre. Dann könnte er in die Wohngruppe einziehen und es gäbe ein wenig Taschengeld dazu. Klingt einfach, ist aber alles andere als. Da sein Bruder volljährig ist und theoretisch um ihn sorgen könnte, entpuppte sich Sasuke als doch nicht so ganz waise. Auf Itachi hat Sasuke selbstverständlich keinen Bock. Deswegen muss er ihm unbedingt das potentielle Sorgerecht untersagen. Dann gib es noch weitere Fragen, wie zum Beispiel was mit dem Haus von seinen Eltern passieren soll. Er könnte es theoretisch haben. Aber er will das blutige Erbe nicht. Das geht aber auch nicht so einfach. Warum das so ist, habe ich schon wieder komplett vergessen. Es tut mir immer ein wenig leid, dass ich so vergesslich bin. Deswegen muss Sasuke mir ein und dasselbe Sachverhalt immer und immer wieder erklären. Dasein wird er meistens sehr schnell genervt. Manchmal gerät Sasuke wegen dem ganzen in schreckliche Ausraster. Natürlich ist es nichts? womit sich ein Fünfzehnjähriger befassen soll. Sasuke macht es aber trotzdem. Ich kann seine Last leider nicht vollständig abnehmen. Alles, was ich für ihn tun kann, ist so viel Unterstützung anzubieten, wie es momentan geht. Ich mache mit ihm die langwierigen Ämterrundgänge, gucke teilweise seine Unterlagen durch, obwohl ich unglaublich schlecht darin bin, übernehme das Haushalt komplett und sammele ihn auf meinem Schoß, wenn er kurz davor ist, alles hinzuschmeißen. Zum Glück fand er Zuflucht in meinen Armen. Ich hab das Gefühl, dass er in meiner unmittelbaren Nähe ziemlich schnell zur Ruhe kommt, und zwar egal, wie wütend er ist. In solchen Momenten spüre ich, dass ich für ihn tatsächlich eine kleine Stütze bin. Und diese Tatsache macht mich unendlich froh. Heute rastete er schon wieder aus und jetzt sitzen wir umarmt auf dem Fußboden. Er steckte sein Gesicht in meine Schulter und atmet ganz schwer. Meine Arme ruhen auf seinem Rücken und ich fahre mit einer Handfläche über seine Wirbelsäule. Die Knochen ragen aus dem Fleisch hinaus und ich taste sie flüchtig ab. Er ist wirklich dünn geworden. „Willst du mit mir Manga lesen? Ich schaute heute wieder mal im Comicbuchladen vorbei. Es war eindeutig ein Fehler.“ Ich grinse und fahre begeistert fort: „Aber! Ich hab jetzt drei neue Sachen!“ „Du wolltest doch sparen, dachte ich“, wirft er begeisterungslos und seine Augen schauen mich etwas leblos an. „Ja… aber… mein Gott! Guck die doch an! Die sind so toll!“ Ich wedele mit den nagelneuen Bändern direkt vor seinem skeptischen Gesicht. „Was denn? Gegen sowas hab ich halt keine Chance.“ „Du bist so unglaublich schwach, Usuratonkachi“, zischt er. Ich lächele kurz: „Also bist du dabei? Kannst wieder Tadokoro machen, dir gelingt es so gut.“ Er kichert. „Na schön. Oh Mensch, was ich alles für dich nur mache! Einfach schrecklich.“ „Warte ich geh mal kurz was trinken.“ Ich setze ihn ab und verschwinde in die Küche. Für dich, ha? Ist es wirklich so? „Was brauchst du so lange? Beweg dich!“ Sein ungeduldiger Ton unterbricht meinen Gedankenfluss. Von wegen für dich… er will’s doch selbst! Ich beeile mich zurück und setze mich neben ihm. Wir schlagen das kleine Büchlein auf und tauchten sofort in die Bildergeschichte ein. Nach einer Weile merke ich, dass Sasuke auf meinen Schoß sitzt. Hä, wann genau ist denn das passiert? Warum habe ich das zugelassen? Vor allem jetzt, es gibt eigentlich keinen Grund dazu… man, wenn ich so überlege, sucht er letzter Zeit meine Nähe noch öfter. Sehr oft ist es tatsächlich komplett grundlos. Das ist so komisch! Andererseits scheint es mich bis jetzt nicht besonders gestört zu haben. Sonst könnte ich ja einfach nein sagen. Nun ist das Kapitel zu Ende. Es war emotional und ich fand raus, dass Sasuke überraschend gut schauspielern kann. Er steigerte sich in die Rolle richtig hinein. „Soma-kun, ich danke dir“, spricht Sasuke in der unglaublich hohen und weiblichen Stimmlage aus. „Du hast an mein Gericht geglaubt und sogar für mich ein Shokugeki mit Shinomiya-senpai aufgenommen. Und wir haben meinetwegen verloren…“ Diese emotionale Stelle gelang ihm jetzt teuflisch gut. Beeindruckend. „Megumi-chan, ist gut…“ „Nein, ist es nicht! Du bist so gut zu mir gewesen und ich habe alles zerstört!“, ruft er beinahe verzweifelt aus. Wow, die Stelle ist ihm so gut gelungen, dass es sogar real wirkt. Unheimlich! Plötzlich guckt Sasuke mich ängstlich an, als ob er sich anstelle dieses Mädchens vor mir rechtfertigen würde. Er sitzt immer noch auf meinem Schoß und auf einmal fühlt sich seine Nähe super beengend an. Er berührt mich am Nacken und fährt dabei seine Finger in meine Haare hinein. Sie reiben gegen meine Kopfhaut. Boah! Ich bekomme überall Gänsehaut! Sogar am Rücken! Diese Berührung ist sehr vorsichtig und sogar etwas zärtlich. Und deswegen sehr beängstigend. Sasuke hat mich noch nie so berührt. Oh Gott, ich komm mir total fehl am Platz vor! Als könnte diese Szene aus einer sehr schlechten BL-Fanfiction stammen. Während ich über all das hastig nachdenke, nimmt Sasuke seinen Blick nichtmal für einen Sekundenbruchteil weg. Er guckt aber auch richtig komisch… dieser Blick ist mir so fremd! Shit, warum zur Hölle guckt er so?! Er neigt den Kopf nach vorn und dadurch wird sein Gesicht unausstehlich nah zu meinem. Ich versuche automatisch mehr Platz zwischen uns zu schaffen, aber mein Schädel drückt Sasukes Knöchel gegen die Wand und ich nehme das Ende des Zimmers wahr. Ich werde leicht panisch. Es gibt keinen Spielraum. Ich bin eingesperrt und kann nirgendwo hin. Es ist alles richtig-richtig unheimlich. Er holt tief Luft und wispert: „Ich habe alles zerstört, weil ich mich dummerweise ganz doll in dich verliebt habe.“ 🍥🍥🍥 Ich habe alles zerstört, weil ich mich dummerweise ganz doll in dich verliebt habe. Sasuke ist dummerweise… ganz doll… in mich… verliebt. Ganz doll verliebt… in mich… Sasuke… verliebt… In mich. Das kann doch nicht wahr sein! Er ist praktisch mein Bruder und ich kann mir Sasuke nichtmal ansatzweise im sexuellen Kontext vorstellen! Nicht mal mit einem Mädchen! Mit gar keinem! Und mit mir selbst wirkt es am widerlichsten! Man kann sich doch nicht in seinen besten Freund verlieben! Ist es nicht verboten?! Ach, deswegen führt er sich letztens so seltsam auf… jetzt erklärt sich alles… „Hörst du vielleicht auf, mich so blöd anzustarren, und sagst endlich was dazu, Usuratonkachi…“ Ach ja, ich muss noch darauf irgendwie reagieren… aber wie denn? Was soll man auf sowas überhaupt antworten?! Statt einer Antwort stoße ich ihn kräftig weg und springe auf. Sasuke bleibt aber auf dem Boden sitzen. Ich gucke ihn an. Unsere Blicke treffen sich. Seine Augen glitzern. Gleich bricht er in den Tränen aus. Anscheinend hab ich ihn zutiefst verletzt. Er versteckt sein Gesicht vor mir. Nein, Sasuke! Das war doch nicht so gemeint! Es tut mir aufrichtig leid! „Ich wollte nicht…“ „Schon klar.“ Er schneidet meinen Satz zackig ab. „Ist in Ordnung. Ich haue jetzt ab, keine Sorge.“ „Was?! Nein! Komm… nicht…“ Meine Zunge verknotet sich und ich verlerne plötzlich grammatikalisch korrekte Sätze zu bauen. Er nutzt meine Verwirrung aus. Er schnappt seine auf dem Boden liegende Tasche und reißt die Tür des Kleiderschranks wütend auf. Seine Anziehsachen knallen kräftig gegen das Innere der Tasche eins nach der anderen. „Sasuke! Beruhige dich bitte!“, versuche ich auf ihn einzureden. „Du weißt doch, dass du hier solange bleiben kannst wie du brauchst!“ „Ich kann mich ab jetzt unmöglich hier aufhalten.“ „Komm, lass das. Wo gehst du denn hin?“ „Ich komm schon zurecht.“ „Sasuke, bitte bleib hier, okay?“ Ich packe ihn am Handgelenk fest, als wäre er ein kleines Kind. Wow, das hat ihm aber gar nicht gefallen! Er schüttelt meine Hand gewaltsam ab und dreht sich zackig um. Seine Augen brennen. Seine Iriden scheinen blutrot. Sie stechen durch seinen langen schwarzen Pony heraus. Die Adern auf seinen Schläfen pulsieren kräftig, seine Muskel spannen sich an. Die bläulichen Venen auf seinen Armen verdicken sich. Seine Hand ballt sich zur Faust. Er richtet sich auf. Sein Rücken entfaltet sich und blockiert das Lampenlicht. Seine Statur wirkt massiv und riesig. Er ist ein Krieger, der nicht ums Leben kämpfen will sondern um Tod. Ich taste mit der Hand den Stuhl ab, der hinter mir steht. Sasukes Augen registrieren diese flüchtige unbedeutende Bewegung und dadurch fühle ich mich gejagt. Nichts bleibt von seinem scharfen Blick unbemerkt. Er guckt mich an und spricht verbittert zu mir: „Sag mal, würdest du an meiner Stelle bleiben wollen?“ Nein, würde ich nicht. Kaum passiert dieser Gedanke meinen Kopf, spricht er erneut zu mir: „Siehste.“ Er spuckt dieses Wort direkt mir ins Gesicht. Woher weiß er, woran ich grad denke?! Er schaut mich komplett durch. Schach und Matt. Er gewinnt den Streit. Nach einer kurzer Unterbrechung packt er nun wieder. Er hat eindeutig vor zu gehen. Ich beobachte, wie er durch mein Zimmer suchend herumläuft und seine Sachen mit unglaublichen Schnelligkeit rauspickt. Und dann landen sie in die Tasche. Zack. Zack. Zack. Zack. Er hat ein klar definiertes Ziel, es heißt sich „schnell weg vor hier“ und er verfolgt es mit festen Entschlossenheit. „Du hast mir immer noch nicht gesagt, wo du hingehst“, unterbreche ich die Stille. „Ich schlafe bei Kiba aus der Basketball-AG“, meldet er sich trocken zurück. „Ihr seid doch jetzt nicht soooo befreundet, oder?“ „Nein, sind wir nicht.“ „Dann kannst du doch nicht voraussetzen, dass du bei ihm schlafen kannst.“ „Nein, kann ich nicht.“ „Siehst du, dann bleib hier.“ Warte mal, lässt er sich etwa überzeugen? Keine Ahnung. Er guckt mich aber auch nicht mal an, ne! Ich stellte mich ihm in Weg. Hallo! Ich rede mit dir! Beachte mich! „Nein“, erwidert er entschlossen und räumt mich unsanft zur Seite. Okay, er lässt sich also nicht überzeugen. Scheiße. „Sasuke, komm! Hör auf! Du hast doch gar keine Bleibe…“ „Ich geh nach Hause!“, schreit er mich plötzlich an. „Du wolltest doch, dass ich es sage, dann hör halt zu! Ich sag es noch ein mal, speziell für dich, also pass ganz gut auf. ICH. GEH. NACH. HAUSE!“ „Nein, oder?“, lasse ich besorgt ab. „Doch!“ „Aber du wolltest doch nie wieder dahin! Es wird dir schwerfallen!“ „Ich überlebe es, keine Sorge. Jedenfalls ist es besser, als mit einer Person zusammenzustecken, die auf eine Liebeserklärung nichtmal eine vernünftige Antwort geben kann.“ Verdammt. Meine Einwände sind schon wieder alle. Er gewinnt erneut. Er wird weiterhin alles entkräftigen, was ich sage. Nun ist seine Sporttasche vollständig gepackt. Er zieht sich die Jacke rüber und geht zielstrebig zur Tür. „Warte!“ Ich werfe mich praktisch auf ihn. „Was willst du?“, fragt er genervt. „Ich will nicht, dass du gehst!“ Meine Stimme klingt verzweifelt und zittert. Ich hänge weiterhin auf seinem Rücken. Er zögert. Es wird still. „Warum? Was geht denn dich das an?“, fragt er leise und befreit sich dabei aus meinem Halt. „Hä?! Natürlich geht mich das was an!“, wende ich kräftig ein. „Wenn du dorthin zurückgeht, wirst du sicher alles nochmal Revue passieren lassen und es wird dir unglaublich wehtun! Du hattest in den letzten zwei Monaten so viel durchgemacht und endlich geht es dir ein bisschen besser! Ich will halt überhaupt nicht, dass es alles umsonst war! Ich kann dich nicht mehr leiden sehen, Sasuke! Es lässt sich so leicht vermeiden! Bleib doch einfach!“ „Machst du dir etwa meinetwegen Sorgen?“ Plötzlich wird seine Stimme weich wie Samt. „Natürlich mach ich mir Sorgen!“ Er dreht sich zu mir hin und macht einen unentschlossen Schritt auf mich zu. Dummerweise schwanke ich weg. Naruto, was machst du denn?! Um Gottes Willen pass bloß auf! Zum Glück verärgerte es Sasuke nicht noch mehr. Er registrierte diese für mich annehmbare räumliche Trennung und jetzt hält er diesen Abstand brav ein. Die Raserei, in die er vor einer Minute verfiel, ist jetzt weg. Er führt den Blick in den Boden. So wirkt er richtig verloren. „Ich wollte vorhin eigentlich was anderes sagen“, leitet er leise ein. „Ich bin nicht nur verliebt… es ist irgendwie ein wenig viel schlimmer…“ Mit diesen Worten wandert sein Blick noch weiter weg. Er lässt ein krampfhaftes Gelächter ab und verstummt. Seine Art macht mich extrem unruhig. „Naruto…“ Mein Name klingt ungewohnt lieblich auf seiner Zunge. „Ich liebe dich…“ wispert er deprimiert. „Und was fühlst du zu mir?“ Wow… was…? Wie bitte…? Wieso…? Es wird sehr still. Okay, Naruto, reiss dich zusammen… „Bitte sag was…“, fleht er mich an. „Du bist mein bester Freund und ich schätze dich sehr“, fange ich zögerlich an. Nach einer kurzen Pause fahre ich fort: „Du bist mir sehr-sehr wichtig und ich will, dass es dir gut geht. Deswegen bin ich jederzeit bereit mich für dein Wohl, für deine Wünsche und für dich einzusetzen.“ „Also… geht es dir doch ein wenig ähnlich wie mir, oder?“ Ich fange einen flüchtigen Hoffnungsschimmer in seinen traurigen schwarzen Augen. Ein wenig ähnlich, ha? Wir sind schon so lange befreundet, dass ich mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen kann, Sasuke. Du bist mir zutiefst nicht egal, ich fühl mich wohl neben dir, wir legen uns gern mit einander an und du bringst mich gelegentlich zum Lachen. Aber ist es denn… ähm, Liebe…? Also, so ne richtige meine ich… keine Ahnung? Ich weiß es nicht. „Ich… würde es so nicht bezeichnen, glaube ich…“ Der Satz rutscht mir unbeabsichtigt aus. Na toll, Naruto! Jetzt hast du es endgültig vermasselt! Das kleine Schimmer in Sasukes Augen erlischt. Stattdessen ist er verbittert und zutiefst verletzt. Es ist so unerträglich! In der Hoffnung die Lage noch irgendwie zu retten, füge ich vorsichtig hinzu: „Bitte verzeih es mir.“ „Schon gut. Vergiss alles, was ich dir heute gesagt habe.“ Diese knappe Zusammenfassung klingt unglaublich rau und trocken. Er dreht sich um, schnappt die Tasche und verlässt meine Wohnung. Die Tür hinter ihm fällt laut zu. Dieser Knall bedeutet nur eins: Ich sollte ihn lieber in Ruhe lassen. Es ist eh sinnlos. Er wird nicht bleiben. Aaaa, mein Gott, warum bin ich so dumm?! Ich will ihn doch nicht verlieren! Der restliche Abend hat sich sehr lange vor sich hingezogen. Ohne Sasuke ist es hier echt einsam. Ich gewohnte mich an seine ständige Präsenz und jetzt fehlt mir seine Gesellschaft. Er fehlt mir so unglaublich… ob er gut nach Hause angekommen ist? Wie sieht es dort aus? Hat jemand schon das Blut weggemacht? Vermutlich nicht, oder? Was passiert mit ihm, wenn er diese alten Blutspuren sieht? Bricht er in der Agonie zusammen? Was, wenn ja? Wer wird ihn trösten? Wer bietet ihm Zuflucht? Wenn es überhaupt so jemanden geben sollte, dann bin das nicht ich. Und dieser Umstand macht mich zutiefst traurig. 🍥🍥🍥 Sasuke ist spurlos aus meinem Leben verschwunden und hat jeden Kontakt zu mir abgebrochen. Wenn ich mich melde, kommt keine Antwort. Er ignoriert mich also ziemlich knallhart. Aber ich gebe nicht auf. Ich rufe ihn weiterhin mindestens ein Mal pro Tag an und schreibe ihm unzählige Nachrichten, die er durchzulesen scheint. Oder, besser gesagt, sie kommen bei ihm an und er öffnet sie. Also ist ihm das Ausmaß meines miserablen Zustandes höchstwahrscheinlich bewusst. Ich weiß, dass er weiß, dass sein Schweigen mich fertig macht, und trotzdem entscheidet er sich dazu, mich konsequent zu ignorieren. Uchiha, du bist so ein Arschloch! Ganz kurz zu schreiben, dass du noch lebst und dass du zurechtkommst, tut nicht all zu doll weh. Die Tage vergehen. Tage stapeln sich zu Wochen. Vier Wochen ergeben einen Monat und nichts ändert sich. Nach und nach bekomme ich das Gefühl, dass er es mir vermutlich nie verzeihen wird. Trotzdem kontaktiere ich ihn weiterhin ziemlich regelmäßig und weiterhin kommt nichts zurück. Eine Stille. Die Tatsache, dass er mich so lange absichtlich ignorieren kann, bricht mir jeden Tag das Herz erneut. Ich habe eine riesengroße Angst davor, dass dieser Streit unser endgültiges Ende war. Mit jedem vergangenen Tag bestätigt sich diese Angst quasi von alleine. Jede Nacht, wenn ich bereits im Bett liege, meldet sich mein Bauchgefühl und redet mir ein, dass ich ihn für immer verloren habe. Vielleicht ist es wirklich Schluss gewesen? Es ist richtig beängstigend. Ich fühl mich absolut machtlos. Als ob ein kräftiger Seesturm mich ins Unbekannte treibt. Alles, was mir verbleibt, ist die Hoffnung darauf, dass Sasuke unsere Freundschaft doch noch wertschätzt und deswegen mir die Unfähigkeit seine Gefühle zu erwidern irgendwann verzeiht. Wenn nicht, dann weiß ich nicht, ob ich es jemals adäquat verkraften kann. Wo soll ich dann hin? Wer braucht mich dann noch? Ich will nicht allein sein… Götter, ich flehe euch an, bitte gebt mir meinen Sasuke zurück! Nachdem noch zwei Kalendermonate um waren, wurde mir endlich klar, dass sich Sasuke ohne einen triftigen Grund nicht wieder meldet. Also muss ich gefälligst damit klarkommen. Es ist sehr schwer. Jeden Tag versuche ich diese Tatsache zu akzeptieren. Es geht einfach nicht. Ich will es nicht wahrhaben. Aber ich gehe wieder in die Schule und versuche die sonstige Normalität wiederherzustellen. Neuerdings wurde die Sitzordnung geändert. Deswegen habe ich eine Sitznachbarin während Chemieunterrichts. Sie heißt Sakura Haruno und ihre beste Freundin ist zurzeit auch abwesend. Darüberhinaus hat sie wunderschöne pastelrosane Haare und große schmachtende malachitgrüne Augen. Irgendwann, glaube ich, in der achten Klasse war ich ziemlich peinlich in sie verknallt. Ich gab ihr sogar damals Schokolade am Valentinstag mit einem Liebesbrief darin. Sie lachte mich ziemlich mies aus und das hat mich übelst verletzt. Aber wie hätte es sonst sein sollen? Wir hatten null Kontakt, aber ich nahm trotzdem an, dass sie mit mir ausgeht. Wie naiv… naja, damals dachte ich, dass meine kleine dreizehnjährige Welt untergeht, und dass diese einseitige „Liebe“ mich definitiv umbringt. Damals wusste ich nicht, dass es kein wirklicher Weltuntergang war. Das, was mir jetzt passiert, kommt dem tatsächlichen Weltuntergang sehr viel näher. Heute haben wir wieder Chemie. Deswegen liegen Sachen neben mir. Sie liegen genau dort, wo normalerweise Sasukes Sachen liegen würden. Es fühlt sich immer noch etwas falsch an, aber wir gewöhnen uns aneinander. Es geht sogar gar nicht so schlecht. Ich würde sagen, dass Sakura und ich in den vergangenen Wochen ein relativ gutes freundschaftliches Verhältnis aufgebaut haben. Dadurch ist Chemie nicht mehr so ganz langwellig. Heute müssen wir ein paar Experimente durchführen. Leider bin ich überhaupt keine Hilfe dabei, denn meine Gedanken schwirren chaotisch durch das Sasuke-Land. Ich glaube, Sakura geht es auf den Keks. Vielleicht sollte ich sie ein wenig aufklären? „Haruno, sorry, dass ich mich heute so doof anstelle.“ Sie wirft mir einen kurzen verständnislosen Blick zu und macht den Brenner an. Ich fahre fort: „Nicht, dass ich mich generell nur heute doof anstelle, aber heute ist es besonders doof.“ Meine Entschuldigung hinterlässt augenscheinlich keinen guten Eindruck. Sakura guckt mich immer noch genauso verständnislos an. Okay, dann rechtfertige ich mich noch ein bisschen: „Ich bin halt etwas verloren, weil ein…“ Plötzlich wird mir bewusst, dass ich Sasukes Namen nicht erwähnen darf. Es wird sich rumsprechen und das ist die letzte Sache, die er jetzt braucht. „…ne sehr gute Freundin aus meiner Mangazeichner-AG mir ein Liebesgeständnis abgegeben hat, und ich komm damit gar nicht klar.“ In Sakuras Augen erwacht ein unverfälschtes Interesse. Aha, es wirkt! Sehr schön! Sie wendet ihre Aufmerksamkeit vom Halter mit Reagenzgläsern ab: „Kenne ich sie?“ Natürlich ist es ihre erste Frage. „Nein, sie ist ein Jahrgang über uns…“ Okay, das hab ich überhaupt nicht bedacht. Wenn sie weitere Fragen stellt, dann beschreibe ich Tenten. Tenten, es tut mir leid, aber es muss sein. „Okay, und warum kommst du nicht damit klar? Es ist doch so schön!“ „Ja… neee…“ „Wieso?“ „Weil ich mir mit ihr nichts vorstellen kann.“ „Sag jetzt bloß nicht, dass du sie abgewiesen hast.“ „Doch…“, murmele ich rechtfertigend. „Neee, oder?“ Sie empört sich zutiefst. „Aber was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Ich kann doch unmöglich nicht mit ihr ausgehen.“ „Warum denn nicht? Hast du es ausprobiert?“ „Nein… allein die Vorstellung mit ihr auf einem romantischen Date zu sein widert mich an.“ „Warum auch immer, armes Mädchen… Uzumaki, man macht sowas einfach nicht.“ Diese Aussage klingt sehr moralisch wertend und es macht mich innerlich wütend. Mein Blut kocht. Aha, Chefin der gesellschaftlichen Konventionen, gut zu wissen! Als ob es so einfach wäre! „Was hättest denn du an meiner Stelle gemacht, ha, Haruno?!“, schreie ich sie plötzlich an. „Wenn einer deiner besten Freunde so eine Bombe auf dich wirft, du kannst diese Gefühle nicht erwidern, aber du willst die Person so gar nicht leiden sehen? Meinst du wirklich, dass ein beschissenes Date in diesem Falle alle Probleme fixen?!“ Sie zieht sich zusammen beim Versuch die notwendige Entfernung wiederherzustellen. Sie guckt mich etwas beängstigt an. Jetzt tut es mir leid, dass ich für die vergangene 10 Sekunden vollständig Kontrolle über meine Impulse verlor. Komm, abregen und entschuldigen. „Haruno… ähm… sorry“, sage ich etwas bockig. „Ist schon gut.“ Sie setzt sich gerade hin und macht sich erneut ans Experiment ran. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass du in so einer heiklen Lage steckst. Und anscheinend ist die Situation so schlimm, dass jemand immer verletzt wird, und zwar egal, wie man es dreht.“ Da hat sie überraschenderweise völlig recht. Sie seufzt und fügt nachdenklich hinzu: „Eine echt schlechte Zeit um du zu sein, Uzumaki.“ „Haha! Besser kann man es nicht zusammenfassen.“ Die Anmerkung heiterte mich ein wenig auf. „Ich mache das hier allein, okay? Du bist eh nicht so gut, und wenn du noch grübelst, dann wird es ganz schlimm… ich meine es nicht böse mit dem Nichtgutsein.“ „Danke, Haruno.“ Sakura bekommt das hier alleine eh viel besser hin. Ich kritzele stattdessen in meinem Block. Auf dem Blatt entsteht eine zackige Frisur, die der von Sasuke ähnelt. Sasuke… Sasuke… Sasuke!!! Wie geht es dir, du Penner? Warum meldest du dich einfach nicht? Ich drehe doch deinetwegen durch… „Sag mal, was ist eigentlich mit Sasuke-kun?“ Sakuras Frage unterbricht meine Gedanken. Und es geht schon wieder um diesen Penner! „Kommt er noch in diesem Jahr in die Schule wieder?“ „Er hat zurzeit ziemlich viel um die Ohren. Wahrscheinlich muss er die Klassenstufe wiederholen.“ „Aaa… ich dachte, du hilfst ihm dabei, du warst doch auch befreit, ne?“ „Ja, aber er will meine Hilfe nicht mehr.“ „Wieso denn das?“ „Wer weiß wieso. Er meldet sich nicht. Ich hab keine Ahnung, wie es bei ihm momentan aussieht, und es macht mich einfach nur fertig.“ Ich senke den Kopf auf die hölzerne Tischplatte ab und haue leicht mit der Stirn ein paar mal dagegen. Genauso, wie Sasuke es macht. Verdammt, ich denke schon wieder an diesen Spako! Ach, Herrgott… Mittlerweile ist die Stunde zu Ende. Sakura, die liebe Seele, hat alle Experimente fertiggestellt und ich durfte sogar alles von ihr abschreiben. Ich muss sie nachher unbedingt zu einem Kaffee einladen oder so. „Können wir uns ganz kurz unterhalten?“ Öhm, okay? Was will Sakura von mir? Und warum klingt sie so besorgt? „Jetzt?“, halle ich dümmlich nach. „Ja.“ Aha… ich bin etwas verwirrt. „Warte einfach bis alle gehen. Hier findet nichts mehr statt, dann können wir in Ruhe reden.“ „Okay.“ Nachdem alle gegangen waren, machte Sakura die Tür zu. „Uzumaki, sag mal…“ „Mmm?“ „Kann es sein, dass Sasuke-kun dir ein Geständnis abgegeben hat?“ Oh, das hat mächtig getroffen! Diese Frage ist wie eine tickende Bombe. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie ich mich aus der zerstörerischen Explosion retten soll. 🍥🍥🍥 „Uzumaki, sag mal…“ „Mmm?“ „Kann es sein, dass Sasuke dir ein Geständnis abgegeben hat?“ Scheiße. Warum musste ich mich überhaupt für meine Dummheit entschuldigen?! Warum ist mir überhaupt wichtig, was Sakura über mich denkt?! Sie ist doch eine fremde Person! Gehirn, bitte lass dir was gutes einfallen! Sofort! „Ähm…“, fange ich unentschlossen an. Ein kurzes nervöses Lachen verlässt dabei meine Brust. „Nein! Wie bist du denn darauf überhaupt gekommen? Sowas unsinniges!“ Oh man, überhaupt kein guter Anfang! Na klar! Wenn meine dumme Stimme wie ein junges Espenblatt zittert und ich dabei noch so richtig nervös kichere, kann es ja nur schiefgehen! Ich bin wohl der mieseste Schauspieler dieser Welt. Scheiße… jetzt hat sie bestimmt alles gecheckt. „Also doch?“, drückt sie leicht nach. Natürlich hat sie alles mitbekommen… na dann lüg sie nicht weiter an, es macht alles nur noch schlimmer. „Ja… es war Sasuke, der mir ein Geständnis abgegeben hat“, gebe ich verlegen zu und werde in der nächsten Sekunde herzlich gedrückt. „Oi, Haruno…“ „Ich möchte dir damit helfen.“ „Wieso?“ „Weil du jetzt dringend einen guten Freund brauchst. Sasuke hat dich ja ein wenig verlassen…“ „Aaaa“, murmele ich nachdenklich. „Und Tatsache tut es mir immer noch leid, dass ich dich damals in der achten Klasse so richtig bloßgestellt habe. Du bist kein schlechter Kerl, Uzumaki. Du verdienst sicher nicht ausgegrenzt zu werden. Trotzdem machte ich da jahrelang mit. Sieh es als vielleicht eine Art Entschuldigung dir gegenüber an. Also, wenn du darüber reden willst, dann nur zu. Keine Angst, ich erzähl‘s niemandem.“ „Ach“, seufze ich. „Ich weiß nichtmal was ich dazu sagen soll… es ist alles so fehl am Platz. Ich wünsche mir, alles wäre wieder beim Alten. Also, bevor diese Liebeserklärung auf mich aus dem heiteren Himmel fiel.“ „Verstehe.“ Es ist sehr still geworden. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich mein Herz ausschütten möchte. Diese Situation belastet mich richtig hart. Ich hoffe nur, dass es wirklich okay ist, darüber zu reden. Ich hole tief Luft und… „Ich weiß nichtmal selbst, was ich zu ihm fühle. Wenn man so lange befreundet ist, immer zusammen rumhängt und schon gewisse Höhen und Tiefen miteinander überstanden hat, wird die Person einem wirklich nicht egal, und man wünscht eben diesem Menschen alles gute. Wenn es ihm gut geht, dann geht es mir selbst auch gut, und umgekehrt auch, wenn es ihm schlecht geht, dann bin ich ebenfalls down. Kennst du das?“ „Schon…“ „Dann kannst du es sicherlich nachvollziehen. Bei mir ist es jedenfalls so, dass ich wirklich gern das Schlechte aus seinem Leben beseitigen würde. Als er plötzlich ohne Eltern da stand, verspürte ich das so richtig. Ich meine, ich kann bei weitem nicht alles. Trotzdem habe ich versucht, ihn in dieser neuen Lebenssituation zu unterstützen, und zwar so gut, wie es nur geht. Diese traurigen Umstände schweißten uns noch fester zusammen… weiß nicht, wie ich es beschreiben soll… ich konnte ihn schon davor nicht aus meinem Leben wegdenken. Jetzt ist überhaupt keine Option. Einfach nein. Er ist mir super wichtig und Punkt. Für ihn kann ich mich so zusammenreißen, wie für niemanden anderen. Nichtmal für mich selbst würde ich das machen, was ich für Sasuke die letzten Monate gemacht hab. Seitdem seine Eltern starben, habe ich auf ihn quasi aufgepasst. Er hatte es aber bitter nötig. Er war ja komplett von der Realität geschieden, hat nichts gegessen, nichts getrunken, vernachlässigte primitivste Körperpflege, schlief sehr schlecht und so. Er grübelte richtig obsessiv, rastete wegen klitzekleinen Sachen aus und war generell sehr reizbar. Was auch verständlich ist, sein Leben wurde komplett in die Stücke gerissen. Seinetwegen habe ich plötzlich meine Vernunft entdeckt. Er wohnte bei mir und ich habe für uns eingekauft, gekocht, Wäsche gewaschen, geputzt, ihn an seine Termine erinnert, mit ihm sogar Ämterrundgänge, Rechtsberatungen und den restlichen langweiligen Verwaltungsscheiß gemacht… denk nicht, dass ich zu seiner Mutter mutierte. Ich beobachtete ihn ständig, um ungefähr abzuschätzen, inwiefern er sich überhaupt beteiligen kann. Sobald ich der Meinung war, dass er etwas auch ohne mich könnte, sah ich zu, dass er sich daran beteiligt. Er machte anfangs wirklich nicht gern mit. Ihn zu etwas zu motivieren war echt nicht einfach. Aber nach und nach erkannte ich ihn wieder. Er fing sogar an, ab und zu zu lächeln. Diese kleinen Momente machten mich unfassbar glücklich. Ich machte noch andere Sachen für ihn, die jetzt nicht so dramatisch angehaucht waren. Vom ganz kleinen, wie Geld leihen bis hin zu leicht abgefahrenem. Einmal sind wir Bungeejumpen gegangen, weil er es unbedingt wollte. Ich hatte Megaschiss, machte aber trotzdem mit. Oder das andere Mal ist er eine Wette eingegangen, dass er an einem Tag 250 Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegen kann. Ich war auch dabei. Sowas würde ich zum Beispiel niemals für mich selbst machen, aber für Sasuke — bitte schön. Es war im Endeffekt dann doch richtig witzig. Die ganze Sache war jetzt nicht einseitig. Ich durfte so viel von ihm abschreiben, dass ich es nicht mehr zählen kann. Er erklärte mir so viel Unterrichtsstoff, dass man ihn vermutlich als meinen privaten Nachhilfelehrer bezeichnen könnte. Er kümmerte sich um mich wenn ich krank wurde, deckte mich bei den Lehrern, wenn ich schwänzte, erinnerte mich daran, die Grundordnung meiner Wohnung einzuhalten und half mir sehr oft dabei, besuchte mit mir regelmäßig Manga-Cons, obwohl er eigentlich Manga aus dem tiefsten Herzen verabscheut… Haruno, sag mal, ist es Liebe?“ „Ich weiß es nicht, aber es hört sich sehr schön an. Ich wusste nicht, dass ihr so eine innige Freundschaft habt.“ „Naja, vielleicht sehe nur ich das so. Ich bin halt ohne Familie aufgewachsen. Dadurch hatte ich keinen Ort, an den ich mich gebunden fühlte, und Sasuke gab mir eins. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Vielleicht deswegen halte ich mich an dieser Freundschaft so dermaßen fest. Denn ohne ihn bin ich wieder da, wo ich anfing. Es ist so ein miserabler Ort und ich will nicht dorthin zurück… wow, klingt das egoistisch!“ „Ist es nicht. Ich denke, jeder will dazugehörigen.“ „Wahrscheinlich hast du recht… bloß was mach ich jetzt? Ich will ihn nicht verlieren. Aber will ich auch keine Pärchen-Beziehung mit ihm… boah ist es widerlich! Haruno, sag mir, was soll ich machen, ha?“ „Weiß ich auch nicht… wenn er dich kontaktiert, ignorier ihn nicht.“ „Haha, Fehlanzeige! Seit dem verhängnisvollen Tag kontaktierte er mich gar nicht. Ich bin derjenige, der ignoriert wird.“ „Dann solltest du vielleicht Abstand von ihm nehmen.“ „Nee, dann sind wir auf jeden Fall erledigt.“ „Hmmm… schwer, ne?“ „Ja…“ „Jedenfalls habt ihr eindeutig ein Interessenkonflikt.“ „Oh man… manchmal denke ich mir, es wäre für uns beide einfacher, wenn ich seine Gefühle erwidern könnte. Ich vermisse ihn so sehr. Er fehlt mir so unglaublich doll!“ Ich seufze und senke den Kopf auf die Tischplatte. „Sasuke… sein Name klingt so schön… Sasuke… Sasuke…“ „Du wirkst so, als ob du Liebeskummer hättest. Ist dir das bewusst?“ „Boah! Warum habe ich absolut keine Ahnung, was ich tun soll?!“, beschwere ich mich jämmerlich ins Nichts. In derselben Sekunde wird Sakura angerufen. Sie geht ran und unterhält sich kurz mit dem anderen Ende. „Uzumaki, ich muss jetzt los“, verkündet sie schlussendlich. „Kein Problem“, erwidere ich. Dabei packt sie bereits ihre Sachen zusammen. „Danke dir. Die Unterhaltung hat mir geholfen, obwohl ich immer noch nicht weiß, was ich machen soll. Aber es fühlt sich gut darüber ausgetauscht zu haben.“ „Wie gesagt, wenn du darüber reden möchtest, dann nur zu.“ „Meinst du das jetzt ernst? Ansonsten würde ich dieses Angebot wirklich irgendwann nutzen.“ „Ich meine es ernst, Uzumaki.“ „Okay, dann kommen wir bestimmt darauf zurück.“ Sie begibt sich zur Tür. Ich schnappe meine eigene Tasche und tue das gleiche. Sie geht vor. Ich beeile mich. Nur noch das Licht kurz ausmachen und dann… „Warte mal… SASUKE-KUUUN!!!“ Sakura rennt weg. Ich habe nur „Sasuke“ verstanden. Ist er jetzt etwa hier? Mein Herz klopft wie verrückt, denn ich könnte ihn tatsächlich wiedersehen. Dummerweise bleibt meine Tasche zwischen dem Türrahmen und der Tür stecken. Ich fluche kurz und reiße mich gewaltsam aus. Irgendwo am Ende des langen Ganges höre ich diese eine Stimme, die mir unglaublich vertraut ist: „Haruno, ich hab jetzt keine Zeit, ich hab einen Termin. Nerv nicht.“ Ich beeile mich. Endlich ist das Ende des Ganges erreicht. Da steht er, dieses Arschloch! Er hört mich und dreht sich um. Sein Gesicht drückt nichtmal ein Hauch von Freude aus. Stattdessen scannt er mich flüchtig vom Kopf bis zu den Zehen ab. Sein schätzender Blick mir gegenüber ist komplett gleichgültig. Es scheint, als ob er gerade versucht, mich in eine der Boxen in seinem Kopf zu stecken, damit mein generelles Handeln für ihn in etwa abschätzbar ist. So, als ob wir uns komplett fremd sind. Als ob er mich zum ersten Mal im Leben sieht. Seine Art ist einfach herzzerreißend! Ich möchte gleich auf der Stelle zusammenbrechen. Hat er mich wirklich nur nach drei Monaten aus seinem komplett Leben gestrichen? Das kann doch nicht wahr sein! Das kann es einfach nicht… „Hättest du denn etwas Zeit für mich übrig?“ Meine Stimme klingt auf einmal rau und entschlossen. Das erwartete ich von mir selbst kaum. „Hn“, haucht er aus. 🍥🍥🍥 „Hättest du denn etwas Zeit für mich übrig?“ Meine Stimme klingt auf einmal ziemlich rau und entschlossen. Sowas hab ich echt nicht erwartet. „Hn…“, haucht er aus. „Ich habe immer noch einen Termin, also nein.“ „Wir müssen aber reden! Es kann so nicht weitergehen!“ „Ich hab nichts, was ich mir dir bereden muss.“ Er klingt so unglaublich abweisend. Sein überheblicher Ton macht mich wütend und ich werde automatisch lauter: „Ach komm! Tu jetzt nicht so! Ich kann mir nicht vorstellen, dass du unsere Freundschaft einfach so weggeschmissen hast!“ „Doch, hab ich. Komm damit klar. Und jetzt entschuldige mich, ich hab immer noch einen Termin.“ Nein, Sasuke, so geht das nicht! Seine unglaublich arrogante Art lässt mein Blut kochen. Sakura packt ihn am Arm und verhindert dadurch sein Fortgehen: „Sasuke-kun, bitte gewähr Naruto-kun fünf Minuten deines Lebens! Er macht sich richtig große Sorgen um dich!“ „Haruno, du hast keine Ahnung, also misch dich gefälligst nicht ein!“ Er schüttelt ihre Hand ab und versucht erneut, sich auf den Weg zu machen. „Doch, hat sie. Ich hab ihr alles erzählt“, rufe ich laut in Sasukes Richtung. Jetzt bleibt Sasuke von allein stehen. Er dreht sich sogar zu mir hin und guckt mich zum ersten Mal richtig bewusst an. Die Gleichgültigkeitsmaske fällt von seinem Gesicht ab. Jetzt drückt sein Blick alle möglichen Emotionen aus: Wut, Angst, Überforderung, Verwirrung… und ich erkenne ihn flüchtig wieder. Kurz darauf erinnert er sich daran, dass er unsere Freundschaft angeblich weggeschmissen hätte: Er lässt die Augen beim Blinzeln für einen Sekundenbruchteil länger zu, als sonst. Und als er die Augen wieder aufmacht, schauen sie mich wieder gleichgültig und distanziert an. „Was hast du gerade gesagt?“ Er bewegt sich langsam auf mich zu. „Sie weiß alles. Und ich meine damit wirklich alles.“ Das klang aber richtig provokant. Gut so. Er soll es so richtig spüren. Auf einmal steht er ganz nah bei mir. Hä? Wie hat er diese nicht unbedeutende Strecke so rasch zurückgelegt? Egal. Wir gucken uns direkt an. Seine Augen drücken weiterhin nichts aus. Sie sind leer und unendlich tief. Er weiß, was meine größte Angst ist: Allein gelassen und ignoriert zu werden. Er weiß auch, dass er mir zutiefst nicht egal ist. Jetzt nutzt er diese beiden Tatsachen gegen mich. Okay, schon klar, Sasuke. Tu doch weiter so, als hättest du mich und unsere Freundschaft so komplett aus deinem Leben weggeschmissen. Wenn du mir weh tun wolltest, dann Gratulation! Deine Art verletzt mich sehr stark. Willst du ernsthaft mich leiden sehen? Oder willst du mich gar zerstören? Nein, das willst du doch nicht, oder? Ich bin dir doch immer noch wichtig, oder?! Ne, ich halte es keine Minute länger aus! Ich packe ihn wütend an den Schultern. Meine Fingernägel krallen sich fest in sein Fleisch und ich schüttele ihn kräftig. Wach doch endlich auf, Sasuke!!! Wach verdammt noch mal auf!!! „HÖR DAMIT AUF!!!“, schreie ich in sein Gesicht. „Hn.“ Er macht einen Schritt auf mich zu und ich lockere den Halt. Er verkürzt die Distanz zwischen uns noch ein Mal. Dabei guckt er mich intensiv an. Wie hypnotisiert lasse ich meine Arme runterfallen. Er ist so nah, dass wir fast einen Körperkontakt herstellen. Ich fühle seine Präsenz jedenfalls. Er ist warm und riecht nach einem mir unbekannten Shampoo. Er legt die Hand auf meine Schulter und wispert zischend mir ins Ohr: „Hör doch selbst damit auf. Lass mich in Ruhe.“ „Nein.“ „Ist dir klar, dass es nichts bringt?“ „Nein.“ „Dann sage ich es dir explizit nochmal: Es bringt nichts.“ „Nein.“ „Lass mich raten: Du wirst mir trotzdem nachlaufen?“ „Ja.“ „Dann bist du dumm.“ „Ich weiß.“ „Dann hör auf.“ „Nein!!!“ Die trocken ausgesprochene Aufforderung löste eine starke Gegenreaktion in mir. Ich schreie ihn nochmal an: „Du bist doch mein bester Freund! Wie kann ich dich lassen?! Denn du bist mir so verdammt wichtig! Ich möchte, dass wir uns aus dem hier irgendwie zusammen ausgraben! Wir schaffen das, glaub mir!“ „Wie naiv!“, lässt er herablassend ab und grinst ganz flüchtig. Seine Mundwinkel hoben sich für nur ein Zehntel der Sekunde hoch. Dieser Anblick ist mit Abstand das widerlichste, was ich von ihm je zur Gesicht bekam. Sein sündhaft stolzes Wesen spottet über mich und über meine Gefühle zu ihm und feiert die Tatsache, dass es mir ohne ihn so richtig dreckig geht. Seine oberflächliche Gleichgültigkeitsmaske kann es definitiv nicht verbergen. Sasuke kann mich also tatsächlich so dermaßen hassen… verdammt! Es tut so verdammt weh! Es ist so schmerzhaft…“ „Wie kannst du nur so sein, ha?!“, brülle ich aus den Tiefen meiner Lunge. „Nach dem Ganzen, was wir zusammen durchgemacht haben! Du kannst mir jetzt nicht erzählen, dass das alles komplett bedeutungslos war!!! Sag mal, hat dir denn unsere Freundschaft jemals was bedeutet?! Hab ich dir jemals was bedeutet?“ Er beugt sich noch ein kleines Stück zu mir. Sein heißer Atem berührt mein Ohrläppchen und ich bekomme Gänsehaut im Nacken. „Ja, leider. Leider bist ausgerechnet du zu der Person geworden, der ich am nächsten stehen wollte“, zischt er giftig in mein Ohr. Ein kalter Schauer läuft durch meinen gesamten Rücken und ich zucke ungewollt zusammen. „Das hat mir aber so kräftig in die Fresse gehauen. Trotz deiner Dummheit hast du mir die wichtigste Wahrheit übers Leben offenbart, Naruto. Man darf von niemandem abhängig werden. Besonders nicht von einer einzigen Person. Denn wenn diese Person dich abweist, bricht deine heile sichere Welt zusammen und an ihrer Statt bleiben nur Schmerz und Verbitterung. Dieser Verlust trifft dich so sehr, dass es praktisch dein Ende bedeutet. Diese toxische Abhängigkeit ist in keinem denkbaren Zusammenhang gut, sie entkräftet dich und macht dich schwach. Deswegen bist du für mich seit dieser Nacht ein Fremder, der mit mir in eine Klasse geht. Nicht mehr und nicht weniger. Du bist mir nicht wichtiger als Haruno. Ich hasse dich nichtmal. Du bist mir so dermaßen egal. Du bist ein Niemand für mich. Und du hast sicher keinen Anspruch darauf, dich in mein Leben weiter einzumischen. Pass lieber auf dich selbst auf und belästige mich nicht mehr.“ Mit diesen Worten dreht er sich um und setzt seinen ursprüngliche Bewegung fort. Was soll das alles hier, ha?! Wie kann er überhaupt sowas sagen?! Was ist gerade verdammt noch mal passiert?! Für eine Weile konnte ich nur zugucken, wie er sich von mir entfernt. Sasuke, weißt du was?! Nein! Einfach NEIN!! Ich rappele mich auf und renne ihm hinterher. „Sasuke, du Spast!“, rufe ich aus. „Lass uns bitte reden!!! BITTE!!! ICH FLEHE DICH AN!“ Anstatt auf meine Bitte einzugehen, beschleunigt er sich, um den Abatand zwischen uns so groß wie möglich zu machen. Na gut, Uchiha, wenn du es so willst… ich werde im Gegenzug auch schneller und schon verwandelt sich das Ganze in eine regelrechte Verfolgungsjagd. Er eilt sich nach unten und ich renne ihm hinterher. Er ist generell in besserer körperlichen Verfassung als ich und ich spüre langsam, dass mir die Puste ausgeht. Als ob mich sowas triviales wie Bruststechen stoppen könnte. Es heizt mich noch mehr auf. Ich muss ihm hinterher. Nun sind wir nach draußen angelangt. Ich checke schnell die Umgebung ab und bemerke sein unangeschlossenes Fahrrad, das angelehnt an eine Straßenlaterne steht. Wenn ich schneller beim Fahrrad bin, hab ich noch eine reelle Chance in aufzuhalten. Also, Uzumaki, beeil dich! Ich mobilisiere die allerletzten Kräfte und renne in die Richtung des Fortbewegungsmittels. Als ob es die letzte Sache in meinem Leben ist, die ich jemals erledigen werde. Sasuke schaut meine Absichten durch und gibt auch mehr Gas. Jetzt ist es nur eine Zeitfrage… und er war schneller. Er springt auf den Fahrradsattel und, als ich die Laterne erreiche, legte er bereits eine gewisse Strecke zurück. „SASUKEEEE!!!“, rufe ich ihn zum allerletzte Mal. Aber dieser verzweifelter Schrei ist anscheinend nicht genug, um einen entschlossenen Uchiha aufzuhalten. Das Geschehene spielt sich noch ein paar mal in meinem Kopf ab, während ich seine immer kleiner werdenden Silhouette im Blick behalte. Jetzt ist er vollständig verschwunden. Ich falle machtlos auf die Knien. Mittlerweile ist auch Sakura hier. Ich glaube, sie umarmt mich und sagt sogar was dabei, aber keine Ahnung. Meine Wahrnehmung ist komplett abgestumpft. Stattdessen rotiert das Wort "Niemand" durch meinen Kopf. Er sagte tatsächlich, dass ich ein Niemand für ihn bin. Das Aussprechen dieses kleinen Worts im Bezug auf mich kostete ihm null geistige Überwindung, nicht mal ein bisschen. Ein Niemand… Dieses kleine Wort verletzte mich stärker als alles, war er mir bis jetzt gesagt oder angetan hatte. Ich dachte nie, dass ein einziges Wort so tief und so schmerzvoll ins Herz stechen kann. 🍥🍥🍥 Ein Niemand… Und so verschwand Sasuke aus meinem Leben zum zweiten Mal. Ich dachte mir schon, dass unser Wiedersehen nicht gerade freundschaftlich verläuft, aber sowas… er will also wirklich unsere Beziehung komplett zerstören. Ich kann seine Entscheidung einfach nicht akzeptieren. Nein. Wir müssen wieder zueinander finden. Jetzt erst recht. Nach dem Wiedersehen hat Sakura sich endgültig auf meine Seite gestellt. Sie findet Sasukes Verhalten inakzeptabel und wiederholt ständig, dass er ein Arschloch ist, und dass sie ihn aus dem tiefsten Herzen verabscheut. Bei solchen Aussagen nehme ich ihn immer in Schutz. Schließlich kennt sie ihn nur aus meinen Erzählungen und mich nervt, dass sie sich so einen harschen Urteil über seinen Charakter so frivol erlaubt. Sie stemeplte unsere Beziehung als verkommen ab und beharrt darauf, dass ich sie endgültig beende, oder zumindest den einseitigen Kontakt zu ihm abbreche. Sie meint, dass es im Endeffekt nichts bringt und mich auf Dauer nur kaputt macht. Leider hat sie nicht ganz unrecht. Diese ganze Situation beschert mir schon ziemlich viel Kummer. Anfangs dachte ich, dass es nicht so schlimm ist, weil es ja alles nur Gefühle sind. Aber die Realität belehrte mich eines Besseren und der Stress manifestierte sich schlussendlich auch noch körperlich. Ich nahm in dem Zeitraum ungefähr 7 Kilo ab, mein Haarausfall verschlimmerte sich und oben drauf bekam ich noch leichte Verdauungsprobleme. Abgesehen davon verschlechterte sich meine Schlafqualität extrem. Seit dem Wiedersehen kann ich die Nächte nicht am Stück durchschlafen. Ich wache jede Nacht kurz nach um drei auf und liege für mindestens eine halbe Stunde schlaflos im Bett. Das spiegelt sich in meinem Aussehen wider: Meine Augenringe haben jetzt eigene Augenringe und meine Haut bekam einen leicht gräulichen Teint. Ja, Sakura hat schon recht… wahrscheinlich sollte ich den einseitigen Kontakt abbrechen. Aber nein, ich weigere mich trotzdem. Ich kann die Sache mit Sasuke nicht beenden. Einfach nein. Deswegen schreibe ich ihm weiterhin fast jeden Tag und suche sein Zuhause gelegentlich auf. Diese innige Verbindung zu ihm lauert immer noch in mir und ich spüre sie ganz eindeutig. Diese Tatsache gibt mir Hoffnung darauf, dass es ihm vielleicht ähnlich geht. Ich meine, mir ist schon irgendwo bewusst, dass ich vermutlich den größten Selbstbetrug meines Lebens betreibe, aber ihn endgültig zu verlieren befördert in mir eine panische Angst. Allein der Gedanke daran ist für mich einfach unerträglich. Er erwischt mich meistens dann, wenn ich kurz nach um drei schlaflos im Bett liege. Manchmal breche ich sogar dadurch weinend zusammen. Aber trotzdem, ihn für immer zu verlieren ist definitiv schlimmer, als in einem Selbstbetrug zu stecken. Ja, ich bin schon ziemlich tief gefallen, aber nein, ich gebe unter keinen Umständen meinen besten Freund auf. Sakura sagt immer, dass das eine totale Selbstzerstörung ist, was ich grad treibe. Darüber stritten wir uns in den vergangenen Wochen sehr oft. Jedesmal, als sie es mal wieder zur Sprache brachte, schaltete sich mein Gehirn automatisch ab. Das machte sie immer wieder richtig wütend, deswegen hat sie aufgegeben, mich zur Vernunft zu bringen. Jetzt sagt sie einfach, dass ich der am hoffnungslosesten verliebte Idiot bin, den sie jemals zu Gesicht bekam. Trotzdem unterstützt sie mich mit allen Mitteln und ich bin ihr dafür sehr dankbar. Allein würde ich mich bestimmt viel schlechter rumschlagen. Allerdings muss ich ihr in zwei Punkten widersprechen. Ich bin sicherlich ein Idiot, aber bestimmt nicht verliebt und natürlich nicht hoffnungslos. Ihr Argument ist, dass mein Verhalten ins, wie sie es so schön ausdrückte, "klassische Muster eines Liebeskummers" ziemlich genau reinpasst. Dazu sagt sie noch, dass das hier Tatsache der intensivste Liebeskummer ist, den sie jemals miterlebte. Ich streite natürlich alles ab. Ich sehe Sasuke definitiv nicht auf diese Weise. Für mich ist er immer noch nur mein bester Freund. Allerdings, wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich keine richtige Ahnung mehr, was ich eigentlich fühle. Meine Gefühle sind seit Sasukes Geständnis nur noch ein klebriges Einheitsbrei. Ich weiß nur, dass ich Sasuke unbedingt zurück will. Die Zeit vergeht und mittlerweile steht das Ende des Semesters vor der Tür. Ich muss mich intensiv auf die anstehenden Zwischenprüfungen vorbereiten. Die Lehrer zwangen diejenigen, die in relevanten Fächer schlecht abschneiden, nachzusitzen und ordentlich zu lernen. Eine Maßnahme, die mir so gar nichts bringt. Aktuell kann ich mich schlichtweg nicht aufs Lernen konzentrieren. Mein Gehirn weigert sich vehement gegen die Aufnahme neuer Informationen. Ich kann halt nicht alleine lernen, denn sobald es still ist, kompensiert mein Gehirn sofort die fehlenden Reize durch die Gedanken an Sasuke. Keine Ahnung, wie ich es noch besser kontrollieren soll. Bis vor kurzem sterbten meine negativen Gefühle explosiv nach außen und neuerdings fand ich einen Weg sie gewaltfrei auszulassen. Ich arbeite zurzeit an einem kleinen Comic, die an meine Freundschaft mit Sasuke angelehnt ist. Es geht um zwei Jungs, die besten Freude sind. Ich benannte die zwei Daisuke und Moyashi. Sie beide haben übernatürliche Kräfte, gehen auf Monsterjagd und bekämpfen das Böse, Seite an Seite. Das Comic gehört zu meiner primären Beschäftigung während des Zusatzunterrichts. Während dieser Stunden produzierte ich meistens eine unglaubliche Zahl Seiten. Deswegen freue ich mich neuerdings auf den Zusatzunterricht. So ist es nämlich sehr schön. Ich besuche außerdem den regulären Unterricht und die Mangazeichner-AG. Am Wochenende unternehme ich oft irgendwas mit Sakura. Sie stellte mich sogar ihrem Freudeskreis vor. Zuerst durfte ich Ino kennenlernen. Sie ist Sakuras beste Freundin und ich war ihre Substitution während des Chemieuntereichts. Dann machte ich eine Bekanntschaft mit Hinata, ihrem älteren Bruder Neji und mit Inos Kindheitsfreunden Shikamaru und Chouji. Diese ganze Gesellschaft scheint mir nicht so ganz abgeneigt zu sein, was mich unheimlich freut. Manchmal unternehmen wir Sachen in einer größeren Runde. Das sind die allerbesten Stunden. Es geht mir spürbar besser, sowohl geistig als auch körperlich. Im Endeffekt weiß ich, dass ich mich von der Geschichte mit Sasuke doch noch erholen kann. Das soll jetzt allerdings nicht heißen, dass ich ihn aufgebe. Unter keinen Umständen. Einfach nein. Die Arbeit an meinem Comic ist jetzt im vollen Gange. Ich verwarf die anfängliche Idee von "Sofort-Held" und entschied mich, über Moyashis Werdegang zum Held zu erzählen. Dies machte meine bis dahin geleistete Arbeit komplett zunichte. Die Protagonisten passen nicht mehr in die Rolle der Unwissenden. Jetzt muss ich alles neu entwerfen. Nun sollen sie ab jetzt 13 sein. Ein gutes Alter um mehr als berechtigt unwissend zu sein. Das Charakterdesign beschäftigt mich ziemlich intensiv. Ich skizziere verschiedene Entwürfe und teile sie anschließend mit Sakura. Die beiden Jungs wuchsen mir über die Zeit so richtig ans Herz und jetzt ist dieser Comic mir sehr teuer. Ich kümmere mich wirklich gern darum. Letztens bekamen Moyashi und Daisuke einen älteren Mentor, der schon unzählige Monster bekämpfte. Ich benannte ihn Hatori und schrieb ihn vom Sasukes Rechtsberater Kakashi-Sensei ab. Hatori hat Kakashis silberne Haare und er trägt eine Gesichtsmaske, weil ich Kakashi allgemein als sehr mysteriös empfinde. Letzte Woche, als ich Hatori zeichnete, fiel mir dabei was auf: Ich kann doch Kakashi über Sasukes aktuelle Lage befragen! Seitdem mich dieser Geistesblitz traf, kann ich mich mit nichts anderem beschäftigen. Am vergangenen Montag fand ich raus, dass sich Kakashi immer freitags von 12 bis 14 in der Schule rumtreibt. Ab da ab war sofort klar, was ich diesen Freitag vor hab. Die ganze Woche schon bin ich irgendwie aufgeputscht. Ich schlafe sehr wenig und habe einen ständen Bewegungsdrang. Generell erleben sich alltägliche Sachen plötzlich viel intensiver als sonst. Seit Montag produzierte ich jede Menge neuer Comic-Seiten und, was mich ungemein freut, ist die Tatsache, dass ich während des Matheunterrichts ausnahmsweise wirklich aufgepasst habe. Warum besuchte mich diese Idee nicht eher?! Es hätte mir richtig viel Stress ersparen können. Jetzt ist es endlich soweit! Es ist noch nichtmal um 12, aber ich stehe bereits wie eine angespannte Feder vor Kakashis Büro und warte ungeduldig auf ihn. Man, er verspätet sich… wieso?! „Oh, ich hab doch noch Besuch.“ Eine entspannte Stimme ertönt von der Seite. Sie spricht eindeutig mich an. Na endlich! Er ist eine ganze halbe Stunde zu spät! „Warte… du bist doch Naruto-kun, richtig?“ „Ja!“ Oh, ich bin so aufgeregt! „Wie geht es Sasuke?“, haue ich gleich die erste Frage raus. „Oh Gott bist du belebt“, seufzt er schwer. „Lass uns bitte reingehen und lass mich bitte erstmal ankommen, okay?“ Kakashi krammt den Schlüssel aus seiner Tasche, steckt ihn in die Tür und das Schlossmechanismus rastet ein paar mal. Klick-klick-klick… er drückt auf die Türklinke und ich darf auch sein kleines stickiges Büro betreten. Oh mein Gott, jetzt ist es soweit! Jetzt kriege ich die Antworten, nach den ich mich so lange gesehnt habe. 🍥🍥🍥 Jetzt kriege ich die Antworten, nach den ich mich so lange gesehnt habe. „Warum bist du hier, Naruto-kun?“ Kakashi zieht seine Jacke aus und fällt erschöpft aufs unbequeme Bürostuhl. „Ich wollte wissen, wie es Sasuke geht. Was macht er momentan?“ Ich gucke ihn an. Sehr Aufmerksamkeit ist eindeutig nicht mir gewidmet: er packt irgendwelche Unterlagen aus seiner Tasche aus und sortiert sie in aller Ruhe in entsprechende Stapel auf seinem sehr unordentlichen Schreibtisch. „Ähm, frag ihn am liebsten selbst, okay?“ Er weicht die Frage aus, ohne sich dabei von der Sortiererei abzulenken. Die Unterlagen an seinem Tisch verdienen anscheinend mehr von seiner Aufmerksamkeit als ich und meine dummen Herzensangelegenheiten. „Ich versuche es schon seit einigen Monaten, aber er schweigt einfach“, lasse ich ziemlich bedrückt an. „Dann will er offensichtlich nicht mit dir reden.“ Jetzt ist er mit dem Sortieren fertig. Aber natürlich muss er das nächste dringende Problem klären. Er bückt sich unter die Schreibtischplatte und fährt seinen Rechner hoch. Ein kräftiges Summen kündigt den Erfolg dieser Mission an. Als sein silberhaariger Kopf mit einem ziemlich gleichgültigen Blick auftaucht, versuche ich noch Mal seine Aufmerksamkeit zu erkämpfen: „Bitte, Kakashi-Sensei! Denken Sie ich würde Sie ganz ohne Grund belästigen?“ Jetzt klinge ich nicht nur bedrückt, sondern regelrecht verzweifelt. „Sein Schweigen macht mich so dermaßen fertig! Ich kann diese Unwissenheit nicht mehr ausstehen! Dieser Spako, ey! Ich mach mir Sorgen um ihn und er kann nicht mal eine verdammte Nachricht beantworten! Nicht mal eine!“ Ich lege eine kurze Pause an. Das Rascheln am Kakashis Tisch hat aufgehört. Ich spreche weiter: „Ich weiß nicht, was ich machen soll… ich drehe seinetwegen durch und keiner kann mir einen Auskunft geben, ob er zurechtkommt oder nicht. Ich muss es aber wissen, sonst beruhige ich mich nie.“ Für eine Weile steht Kakashis Büro still, bis er hörbar seufzt und sich zu mir auf die Bank rübersetzt. „Naruto-kun, es tut mir leid dich mit deinem Anliegen abzuweisen, aber ich bin Sasukes Rechtsberater und darf seine Angelegenheiten nicht mit Dritten besprechen.“ Dieser Satz klingt so mega trocken. Genauso wie die Sätze, die man zu lesen bekommt, wenn man irgendwo abgelehnt wird. „Danke für Ihr Interesse. Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass…“ — ja-ja, genauso klingt das, so ziemlich unmenschlich. „Ich bin kein Dritter“, sage ich bockig. „Doch, in diesen Umständen schon.“ „Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll. In der Schule weiß keiner was, Itachi ist aus verständlichen Gründen kein guter Ansprechspartner, zu seinen anderen Kumpels brach er ebenfalls den Kontakt ab. Und er selbst meldet sich einfach nicht! Ich kann diese Ungewissheit nicht mehr ertragen!“ „Ich kann nicht…“ Ich verspüre den Advent von noch so einer trockenen Floskel. Deswegen unterbreche ich ihn eifrig: „Bitte helfen Sie mir! Ich brauch wirklich nicht viel, ich will mich nur wissen, dass es ihm einigermaßen gut geht und dass er irgendwie zurechtkommt, womit auch immer er sich zur Zeit beschäftigt…“ Sein Gesichtsausdruck ändert sich. Anscheinend erreicht ihn mein Seelenschmerz. „Ach, Naruto-kun, du bist so ein Lieber…“ Er legt seine Hand auf meine Schulter. „Es tut mir leid dich abzuweisen… was mach ich nur mit dir?“ „Nicht abweisen?“, schlage ich vorsichtig vor. „Hmm…“ Ein kurzes Lachen verlässt seine Lippen. Es wird still. Kakashi sitzt immer noch mit mir. Die Uhr tickt gleichmäßig und kündigt somit an, dass die Zeit doch nicht stillsteht. „Okay, ich erzähle dir ein bisschen was“, sagt er nachgebend. „WIRKLICH?! MACHEN SIE DAS WIRKLICH FÜR MICH?!“, lasse ich übertrieben begeistert ab. „Ja…“, sagt er schusselig. „OH GOTT!! IST DAS NICHT DER BESTE TAG MEINES LEBENS?!“ Mit diesen Worten werfe mich über seinen Hals und bereue es zugleich. Es ist eine sehr komische Umarmung geworden. „Äääähm, Naruto-kun… bitte hör damit auf.“ Ich löse den Halt. „Tut mir leid, manchmal bin ich sehr impulsiv… besonders wenn sich endlich was Gutes tut.“ „Du bist wirklich ein Lieber“, sagt er mit einem Lächeln. „Sasuke muss dankbar sein, dass er dich hat. Du wirst ihn nie im Stich lassen.“ Er legte eine nachdenkliche Pause. „Es gibt aber einige Bedingungen: Erstens, ich erzähle dir so viel, wie ich es für angemessen halte. Ich darf die Schweigepflicht nicht verletzen. Das heißt für dich direkt zweitens: Du darfst mir keine weiterführenden Fragen stellen. Und drittens: Bitte erzähl keinem, dass ich das hier gemacht habe. Es ist mindestens leicht fragwürdig. Hast du mich verstanden?“ „Ja!“ „Gut. Ich kann dir sagen, dass es ihm allgemein gut geht…“ „Hat sich das mit Itachi und seinem Sorgerecht geklärt?“, spucke ich aus und er guckt mich streng an. Ach ja, Ich darf keine Fragen stellen… Oops… „Entschuldigung.“ „Generell kommt er in vielem weiter. Er ist immer leicht launisch, wenn er bei mir auftaucht, und hat eine etwas apathische Einstellung gegenüber dem ganzen, aber ansonsten…“ „Also passt er auf sich selbst gut genug auf, ja?“ „Definitiv.“ „Gott sei dank! Das ist eigentlich alles, was ich wissen wollte. Ich hoffe nur, er macht weiter so.“ Ein zufriedenes Lächeln formt sich auf meinen Lippen. Kakashi guckt nachdenklich ins Fenster und sagt leicht verträumt: „Ach, wo sind nur meine fünfzehn hin?“ War das jetzt eine Frage an mich? Moment, ist es überhaupt eine Frage? „Man erlebt so viele intensive Emotionen im diesem Alter“, fügt er nachdenklich hinzu. ich grinse ihn an: „Danke sehr! Ich bin so erleichtert! Sie haben mir so gut geholfen! Kakashi-Sensei, ich hätte noch ein kleine Bitte an Sie…“ „Wird es nicht langsam etwas frech, Naruto-kun?“, frage er scherzend. Oder warte mal… ist die Frage doch nicht scherzhaft gemeint? „Wird es?“, erwidere ich mit einer Gegenfrage. „Ne, alles gut. Schieß los.“ „Könnten Sie bitte auf Sasuke ein wenig aufpassen? Er hat sonst gar keinen und es wäre sehr schön, wenn Sie sich ein wenig um sein allgemeines Wohlergehen kümmern könnten… ich will jetzt Ihnen kein schlechtes Gewissen machen, oder so… es wäre mir allerdings sehr wichtig, wenn Sasuke jemanden hätte, der…“ „Ist schon gut, Naruto-kun.“ Gott sei Dank hat er mich unterbrochen! „Ich pass auf ihn auf. Natürlich soweit wie es mir als Rechtsberater zusteht.“ „Danke schön.“ Ich sprach noch nie ein „Danke“ so herzlich aus wie jetzt. „Ich will Sie nicht weiter aufhalten. Schönen Tag noch!“ „Danke und ebenfalls.“ Ich begebe mich zur Tür. Meine Hand liegt bereits auf die Klinke, als er mich plötzlich anspricht: „Naruto-kun, du liebst ihn wirklich, ne?“ Dieser kleiner Satz lässt mich erstatten. „Ja?“ Das kleine leise Wörtchen springt selbstständig von meiner Zunge ab. „Ja“, wiederhole ich diesmal bewusst, als ob ich mich selbst überzeugen möchte. „Ja, ich liebe ihn.“ „Dann wünsche ich dir viel Glück dabei.“ Er schaut mich mitfühlend an und seine Mundwinkel gehen leicht nach oben. „Danke!“ Ich drücke auf die Klinke und verlasse sein Büro. Ich liebe ihn. Nun ja… so gesteht man sich Sachen. Was für eine dumme Erkenntnis! Oh, mein Gott… oh, mein Gott! Plötzlich geht es mir richtig-richtig seltsam. ich fange an, zu zittern. Ein emotionales Extremum wechselt sich mit den nächsten binnen Sekundenbruchteilen ab. Alles vom hysterischen Lachen bis hin zum verzweifelten Zusammenbrechen erkämpft sich mühsam ein Stück von mir. Bestimmt sieht mein Gesicht in diesem Moment ziemlich merkwürdig aus. Eine plötzliche Schwäche überwältigt mich. Ich stütze mich mit dem Rücken auf die Wand und sickere sofort auf den Boden. Ich umschließe mich selbst um die Beine und senke mein Gesicht in den Spalt zwischen den Knien. Mein Herz pocht wild gegen die Rippen und ich meine ernsthaft meinen Herzschlag bis hier hören zu können. Puuuuh… das ist eine pure geistige Überforderung… ich schließe die Augen und versuche ruhig zu atmen. In jeder unbekannten Situation erstmal durchatmen… erstmal durchatmen… Dieser Zustand hielt Gott sei dank nicht lange an. In Kürze überstand ich diesen hormonellen Wahn. Ich bin immer noch etwas aus der Puste, aber mein Herz schlägt zumindest nicht mehr so doll. Ich hebe meinen Kopf hoch und gucke mich um. Die Welt um mich herum hat sich kein Stück geändert. Sie läuft ganz normal weiter. Ich hab mich aber geändert. Ich liebe ihn. Sakura wiederholt es ungefähr seit einem halben Jahr und jetzt sehe ich es endlich ein. Das hat ja echt lange gedauert. Wie dumm bin ich eigentlich? 🍥🍥🍥 Ich bin so unfassbar dumm… Mittlerweile ist das Semester um. Die Sommerferien sind da. Ich muss zum Sommerunterricht, weil meine Mathezensuren ins Verderben abrutschten. Also genieße ich das schöne Wetter innerhalb von vier Wänden in einem seeeehr langweiligen Mathekurs. Am ersten Tag traf ich dort überraschenderweise ausgerechnet Shikamaru. Ich freute mich natürlich, dass ich hier ein bekanntes Gesicht entdeckte, aber warum zur Hölle ist er überhaupt hier?! Eigentlich ist er ein Mathegenie. Trotzdem sind seine Zensuren sogar schlimmer als meine eigene. Er ist aber auch leicht eigenartig im Bezug darauf: er meint, dass er noch keinen Grund sieht, sich schon jetzt anzustrengen, weil er sein restliches Leben so oder so der Mathematik widmet. Stattdessen leitet er leidenschaftlich eine Shogi-AG. An der AG nehmen insgesamt nur drei Personen teil, Shikamaru inklusive, aber das hindert diese drei überhaupt nicht daran, ihren Spaß zu haben. Eine von ihnen kenne ich sogar. Es war Hinata, die Schwester von Neji, die ich durch Sakura kennengelernt habe. Der letzte Teilnehmer heißt Sai. Manchmal komme ich nach dem Matheunterricht mit Shikamaru zu seinem Shogi-Klub und hänge dort ab. Natürlich spiele ich nicht mit, für Shogi bin ich generell zu blöd. Stattdessen würde ich die Hausaufgaben machen oder an meinem Comic arbeiten. Übrigens, Shikamaru hasst es, wenn ich seine Shogi-AG als Shogi-Klub bezeichne. Das macht diesen Spitznamen so unglaublich kostbar. Durch den Shogi-Klub durfte ich Hinata besser kennenlernen. Sie ist sehr-sehr schüchtern und es hat lange gedauert, bis ich ihr einigermaßen vertraut wurde. Jetzt können wir uns ziemlich gut unterhalten. Sie ist sehr lieb, besonders höflich und findet alles unfassbar interessant. Sie spricht zum Beispiel fließend 3 Fremdsprachen, spielt sehr gut Klavier und malt gelegentlich Landschaften mit Aquarell. Jetzt erlernt sie Shogi. Außerdem verfügt sie über ein enzyklopädisches Wissen aus allen möglichen Bereichen. Ich finde sie deswegen super krass. Mein Comic hat ihr ebenfalls gut gefallen. Eigentlich teile ich ihn ungern mit anderen, außer Sakura. Ich habe normalerweise ein Paranoia, dass sich jemand aus den Skizzen Sasukes und meine heikle Lage irgendwie erschließt, und dass es sich rumspricht. Aber bei Hinata hatte ich in dem Sinne null Bedenken. Sie ist definitiv die letzte Person, die sowas verbreiten würde, selbst wenn sie es sich vielleicht erschließen könnte. Dafür ist sie zu lieb und zu höflich. Sie hilft mir sogar mir beim Schreiben von Rika. Rika wurde mit Moyashi in ein Team gesteckt, nachdem Daisuke abgehauen ist. Ich schreibe Rika natürlich von Sakura, weswegen ich sie unbedingt haargenau hinkriegen weil. Was dieses „haargenau“ genau bedeutet, ist mir selbst noch sehr unklar. Die Szenen mit Rika fallen mir richtig schwer und fühlen sich oft erzwungen an. Hinata wurde zur meinen Beraterin bei Mädchen-Fragen. Ihre Ratschläge tuen Rikas Charakterentwicklung eindeutig gut. Außerdem besitzt Hinata eine natürliche Gabe: Sie kann die Abstände zwischen den Objekten einfach so mit dem bloßen Auge mit Genauigkeit bin zu drei Millimeter wahrnehmen — ja, Shikamaru hat es tatsächlich ausgemessen. Wenn ich also irgendwas proportionentechnisch vermassele, bemerkt Hinata es sofort. Das ist vermutlich die größte Hilfe, die mir jemand im Bezug auf den Comic angeboten hat. Dadurch konnte ich ungefähr zwei Drittel der Bilder beheben, die für mich erstmal nur einfach komisch aussahen. Also nach meiner Einschätzung verstehe ich mich mit Hinata sehr gut. Sie scheint mich auch annehmbar zu finden. Wenn es mit Hinata so von alleine klappt, dann repräsentiert Sai das komplette Gegenteil. Ich weiß nämlich nicht so richtig, wie ich mit diesem Menschen interagieren soll. Er versteht manchmal nicht, wann er an der Reihe in einem Gespräch ist. Dafür ist er künstlerisch hochbegabt. Seine Bilder sind irgendwas sehr hochgehobenes. Wenn man sie länger anschaut, bekommt man das Gefühl, man würde die Bedeutung des Daseins entdecken. Obwohl er so seltsam ist, hat er trotzdem einen sehr feinen Sinn für Humor. Das passt irgendwie überhaupt nicht zusammen, aber was soll’s. Sai sorgt mit seinen unverhofften Sprüchen for sehr viel Unterhaltung in der Clique. Shikamaru möchte ihn ein bisschen für soziale Interaktionen ausrüsten. Da helfen wir alle ein bisschen mit. Shogi-Klub und ich unternehmen sogar Sachen auch außerschulisch. Manchmal nehme ich Sakura. Einmal brachte sie Ino zu so einem Treffen, und seitdem ist Ino ausgerechnet in Sai verknallt. Jetzt hängt Ino auch mit dem Shogi-Klub rum, so ähnlich wie ich. Da durfte ich auch sie etwas besser kennenlernen. Hinata bringt ab und zu Neji mit und ihn gibt es nur im Doppelpack. Er ist anscheinend frisch in einer Beziehung, deswegen kommt er ausschließlich mit seiner Freundin. Witzig ist, dass die Freundin Tenten aus der Mangazeichner-AG war. Ich haben ein wenig darüber gelacht. Dieser Sommer ist das beste in meinem Leben. Noch nie hatte ich so viele gute Freunde um mich herum. Nur Sasuke fehlt. Ohne ihn ist es trotzdem irgendwie unvollständig. Dieser Spako kann mir mit seiner Abwesenheit alles vermiesen! Während des Sommers hat sich meine gewöhnliche Routine etwas geändert: Tagsüber bin ich meistens gut beschäftigt. Nach dem Matheunterricht treffe ich mich sehr oft mit meinen neu gewonnenen Freunden und mit Sakura. Ansonsten zeichne ich meinen Comic oder treibe sogar ein bisschen Sport. Hinata, Neji und ich gehen zweimal die Woche joggen. Es ist echt coole Tage. Allerdings werden die Abende dadurch unangenehm. Jedesmal wenn ich alleine meine leere dunkle Wohnung betrete, widme ich mich vollständig dem Sasuke-Kummer und den ganzen Fragen, die meine dumme Erkenntnis mit sich brachte. Dass ich meine Gefühle endlich sortiert bekam, erschwert alles nur noch. Komischerweise war ich stets vom Gegenteil überzeugt, aber nein. Statt eines Problems habe ich jetzt zig neue. Man kann auch gar nicht so lange über diese Probleme nachdenken. Dadurch verwirrt man sich noch mehr, als es schon jetzt ist. Das traurige dabei ist, dass keiner mir damit helfen kann. Nach einem langwierigen Grübeln meine ich sogar zu wissen wieso. Es gibt keine eindeutigen Antworten auf diese Fragen. Egal, was ich mache, stehe ich dabei auf Messers Schneide. Irgendwie gelangte ich in eine Sackgasse in einem riesigen Labyrinth. Und wo ist der Ausgang? Kein Plan. Heißt das, dass ich Sasuke komplett aufgeben soll? Nein, auf gar keinen Fall. Lieber zerschneide ich mir beim Laufen die Füße. Also soll ich doch mit ihm zusammen sein? Ich weiß es nicht… ich bin mir mittlerweile nicht sicher, ob wir jemals wieder vernünftig miteinander reden können. Es ist leider nicht einfach. Weil mich diese Fragen so intensiv beschäftigen, habe ich anscheinend diesen allgemeinen melancholisch-verwirrten Zustand irgendwann auf den Comic übertragen. Sakura hat gesagt, dass die Story langsam in eine Richtung über Existenzbedeutung abdriftet. Dazu meinte sie noch, dass es witzig ist, dass es von mir kommt. Diesmal nahm ich ihre Worte ernst. Sonst dauert das noch ein halbes Jahr, bis ich es selbst schnalle. Ich legte eine Pause ein, bevor ich den Comic erneut durchblätterte. Leider musste ich Sakura schon wieder zustimmen. Jedoch empfand ich das mit der moralischen Predigt nicht so schlimm, wie sie es ausmalte. Aber wenn es schon ist, dachte ich mir, dass es angebracht wäre, durch Moyashi nach den Antworten für meine momentanen Fragen zu suchen. Moyashi entschied sich für seinen besten Freund. Ab da wurde klar, dass sich die Story dem Ende neigen sollte. Die letzten Sommerwochen beschäftigte ich mich nur damit, dass das Ganze zu einem mehr oder weniger würdigen Abschluss kommt, und mittlerweile ist es schon September. Der wunderschöne bunte Geist vom besten Sommer in meinem Leben verblasste. Jetzt ist die monotone graue schulische Routine wieder da. Ich treffe mich weniger oft mit den anderen. Das Joggen mit Hinata und Neji musste auf einmal pro Woche reduziert werden, weil unsere Stundenpläne inkompatibel sind. Sakura sitzt wieder mit Ino während des Chemieunterrichts. Der letzte Tisch der dritten Reihe gehört nun mir allein. Es ist unglaublich einsam ohne einen Sitznachbarn. Gleichzeitig hat man deutlich mehr Platz. Niemand hat was dagegen, wenn ich mich mit meinem Malzeug ausbreite. Das hat gut gepasst, weil ich Moyashis Geschichte so schnell wie möglich beenden möchte. Ich weiß eigentlich nicht, warum ich mich selbst so unter Druck setzte, keine Ahnung. Jedenfalls habe ich gestern die Schlussszene geschrieben. Es gab einen Kampf zwischen den beiden. Ich hatte das Gefühl, dass er ohne Gewalt Moyashi immer noch nicht zuhören wird. Der Kampf endete damit, dass die beiden davon erheblichen Schaden trugen. Und dann redeten sie. Daisuke wollte wissen, warum Moyashi ihm so lange hinterher rannte. Da habe ich folgendes geschrieben: „Du hast recht, dich in Ruhe zu lassen wäre bestimmt einfacher und viel plausibler, weil du so ein unglaublich selbstsüchtiges Arschloch bist. Aber seit wann bin ich denn im Bezug auf dich plausibel? Liebe macht aus Menschen Idioten und zwingt sie auf alles mögliche einzugehen, was nur ein wenig dem unausstehlichsten Verlust entgegenwirken könnte. Deswegen werde ich dich niemals lassen“. Ja, es ist schon sehr dramatisch. Niemand spricht so. Aber egal. Es soll ja etwas überbieten wirken. Die zweite Hälfte ist ja eh hochmoralisch angehaucht, also passt das irgendwie… die zweite Sprechblase neben Daisuke ist übrigens immer noch leer. Ich konnte mir gestern Daisukes Antwort nichtmal annähernd vorstellen. Heute sieht es ähnlich aus. Ich habe überhaupt keinen Plan, was er sagen würde. Wahrscheinlich sollte Sasuke den Text ergänzen. Ich hatte heute einen seltsamen Traum darüber, dass er sich den Comic durchlas. Was würde er denn dazu Comic sagen? Vielleicht mache ich es sogar. Ja, das ist eine gute Idee. Wenn er sich nicht meldet, dann habe ich eh nichts verloren. —— Ich habe den Comic tatsächlich bei Sasuke abgeliefert und natürlich habe ich nichts von ihm gehört. Die Zeit rennt katastrophal davon. Wir befinden uns bereits im tiefsten Herbst, denn heute ist mein Geburtstag. Es war ein sehr schöner Tag. Meine Freunde trafen mich am Schulhaupteingang und sangen für mich „Happy Birthday“ vor m. Sakura und Ino organisierten nach dem Unterricht ein Klassenzimmer mit Kaffee und einem selbstgemachten Kuchen. Heute bekam ich also eine richtige kleine Feier. Neji und Tenten kündigten an, dass das Geschenk für mich ein Besuch in die neuen Arkaden im Stadtzentrum ist. Wir gehen da am Samstag hin und darauf hab ich echt Bock. Man, ich bin so froh, dass ich sie hab! Zum ersten Mal im Leben feierte ich mit mehr als zwei Personen am Tisch. Die Feier hat mich echt berührt. Ganz am Ende bin ich peinlicherweise in Tränen ausgebrochen. Jetzt neigt der Tag dem Ende hin. Ich hocke vor dem Fernseher und lasse mich berieseln. Nebenbei tue ich so, als würde ich die Hausaufgaben machen. Ab und zu mache ich eine kurze Notiz in meinem Hefter. Meine Gedanken sind aber weder beim Fernsehen noch bei den Hausaufgaben. Seitdem der Comic fertig ist, habe ich keine Beschäftigung mehr, die mir wichtig wäre. Vielleicht fange ich ja was neues an? Oh Gott, warum klingelt es denn jetzt?! Es ist schon 23:40! Ist der Fernseher etwa zu laut oder was?! Sei verflucht, du unverhoffter Gast! Ich habe grad keine Lust auf ein Besuch und… Kaum ging die Tür auf, musste ich alle Flüche zurücknehmen. Auf meiner Türschwelle steht Sasuke. Er ist sehr nervös und starrt in den Boden. „Alles gute zum Geburtstag, Naruto…“, spricht er leise aus. 🍥🍥🍥 „Alles gute zum Geburtstag, Naruto…“, spricht er leise aus. Ich verstumme. Das Summen eines nervig flimmernden Glühstabs im Flur unterbricht die peinliche Stille um uns herum. Die Luft im Raum wird schwer und zäh. Er steht tatsächlich wortlos an meiner Türschwelle. Und nein, es ist kein Traum, obwohl es eins sein hätte sein können. Seitdem er abgehauen ist, fängt nämlich eine Mehrzahl von meinen Träumen genau so an. Darin werfe ich mich manchmal auf ihn, manchmal ohrfeige ich ihn wütend oder schlage ihm sogar ins Gesicht und manchmal breche ich weinend zusammen. Und dabei sage ich immer irgendwas, meistens sehr viel und sehr schwallartig. In keinem einzelnen Traum stehe ich so gelähmt da wie jetzt. Ich bin grad irgendwie komplett überfordert. Keine Ahnung, was eine angemessene Reaktion ist. Schließlich kenne ich ihn nicht mehr. Er zeigte sich von einer sehr dunklen Seite. Er kann mich tatsächlich eifrig und mit aller Hingabe hassen. In meiner Vorstellung funktioniert er wie eine Blackbox, die alles mögliche in sich verbergen könnte. Und da drin lauert irgendwo mein langjähriger bester Freund. Mein Sasuke. Er ist seinerseits ebenfalls sehr angespannt: er tippt nervös mit den Fingern auf einer Geschenktüte. In seiner anderen Hand baumelt eine kleine Pastiktüte mit einer runden Bäckererzeugnis. Sein Blick ist dem Boden zugewandt und er wippt ungeduldig mit einem Bein. Obwohl sein Gesicht teilweise durch sein langes Pony verdeckt ist, sehe ich, dass seine Wangen brennend rot sind. Er sieht so unschuldig und harmlos aus. Ja, sogar fast jungfräulich. Kaum zu glauben, dass dieser kleine fragile Engel so verbittert und so hasserfüllt sein kann. „Hier“, murmelt er unentschlossen und drückt mir die Geschenke in die Hand. Ich strecke meine Hände mechanisch aus und nehme alles passiv an, was er mir reicht. Bevor ich ihm überhaupt danken kann, bricht er in einem unkontrollierten Wortschwall aus: „Ich hab dir eine Mangazeichentusche und einige Pinselstifte besorgt… ich kenn mich ja nicht aus, also nahm ich deinen Comic mit in den Laden, auf den du damals total abgefahren bist, und fragte die Kassiererin, was so passend für dich wäre. Die meinte, dass man sieht, dass es dein erstes Projekt ist, und dass gerade diese Sachen auf deinem Niveau gut und gerade nicht so ganz überteuert sind, also nahm ich sie mit. Hoffentlich war das kein Fehlkauf und du kannst sie tatsächlich gebrauchen… wenn sie doch falsch sind, oder du sie nicht magst, oder was auch immer, dann gib mir irgendwie Bescheid. Ich hab den Kassenbon aufgehoben, also könnte man das alles tauschen… Tatsache, ich könnte ihn dir gleich geben, dann musst du mich nicht kontaktieren und kannst dann alles alleine…“ „Willst du reinkommen?“ Endlich konnte ich ihn unterbrechen. Seine krampfhafte Rede fühlt sich unglaublich fehl am Platz an und musste schnellstmöglich gestoppt werden. „Jaäähm… nein… ich hab noch… noch… eigentlich hab ich jetzt nichts vor… aber… es ist so spät und ich bin eh so unangekündigt hier aufgetaucht, was an sich schon total scheiße von mir ist, und allgemein… ääähm… feierst du nicht mit Haruno oder so?“ „Ja, am Samstag. Also nicht heute. Und bestimmt nicht jetzt um 23:40.“ „Ach was… na klar… stimmt… schön, ne?“ Die Stille saugt uns wieder auf. „Du kannst gern bleiben…“, wiederhole ich mich leise. „Bereitet dir das wirklich keine Probleme?“ „Nein.“ „Naruto, ich…“ Er bricht den Satz bewusst ab und verdeckt sogar flüchtig den Mund zu. Sein Kopf bewegt sich in die Richtung des nervig flimmernden Glühstabs. Wenn er so den Kopf neigt, verbergen seine schwarzen Haare fast vollständig sein Gesicht. Er ist angespannt wie eine Feder, jede Kleinigkeit kann ihn gefühlt aus diesem instabilen Gleichgewicht bringen. Ich spüre den inneren Kampf in ihm: Flucht oder Konfrontation? Das, was er mir grad nicht sagte, scheint sehr wichtig zu sein. Mein Bauchgefühl sagt mir sogar, dass dieser verlorene Satzteil der Grund für sein Auftauchen ist. Er pustet nachdenklich sein Pony aus dem Gesicht. Die vereinzelten Strähnchen fliegen spielerisch hoch. Er atmet tief ein und sagt leise: „Ist es wirklich in Ordnung für dich, wenn ich kurz reinkomme?“ Er klingt wirklich deprimiert. „Ja, sag ich schon zum dritten Mal. Wenn du bleiben willst, dann gerne.“ „Okay, dann…“ Endlich wagt er den Schritt ins Unbekannte. Er geht sehr tollpatschig an mir vorbei und lässt die Tür hinter sich zufallen. Keine Ahnung, wohin diese Begegnung führen soll. Wahrscheinlich werden wir ein Gespräch über das Ganze haben und dann wird die Blackbox zwangsweise aufgemacht. Was lauert nur da drin? Ist mein Sasuke wirklich immer noch da? Können wir jemals wieder funktionieren? Was, wenn sich mein Sasuke komplett änderte und nicht mehr mein Sasuke ist? Die Fragen, die meine dumme Erkenntnis mit sich brachte, tauchen eins nach der anderen auf und versetzen mich in einen sehr unruhigen Zustand. Gott sei Dank begann der eigentliche Austausch noch nicht. Ehrlich gesagt will ich diesem Moment so lange wie möglich rauszögern. Er zieht sich die Jacke aus und hängt sie auf den Klebehacken, ganz neben meiner eigenen… und jetzt stellt er seine Schuhe auf deren rechtmäßigen Platz. So sieht mein Flur vollständig aus. Als ob alle zuhause sind. Irgendwie hat es mir gefehlt. Wir gehen ins Zimmer durch und tauschen dabei kein einziges Wort aus. Aber Gott sei dank hab ich heute morgen aufgeräumt! Dadurch kann der Esstisch ungehindert benutzt werden. Die stumme Dynamik im Zimmer lässt vermuten, dass wir jetzt den von Sasuke mitgebrachte Kuchen essen. Also gut… was brauchen wir? Teller, Tassen, Kuchengabel… alles zweifach… ich decke den Tisch und Sasuke beschäftigt sich mit dem Kuchen. „Willst du Tee?“ Die Frage fiel erstaunlich locker raus, als ob ich mir keine Gedanken über uns mache. „Gerne“, wirft er genauso unbesorgt zurück. Es freut mich irgendwie. Als ob im letzten Jahr überhaupt nichts zwischen uns vorgefallen ist. Während ich in der Küche mit dem Teekochen beschäftigt bin, macht sich Sasuke im Wohnzimmer zur Aufgabe die Geburtstagskerzen anzuzünden. Aha, das Wasser ist fertig. Schön. Ich gehe mit dem heißen Wasserkocher ins Wohnzimmer zurück. Sasuke macht die Lichter aus und präsentiert mir stolz sein Werk. Auf dem Kuchen sind 16 dünne orangene Geburtstagskerzen platziert. Das warme Licht beleuchtet schön sein bekümmertes Gesicht. Er stellt zum ersten Mal einen bewussten Blickkontakt zu mir, der allerdings nicht all zu lange anhält. Nach ein paar Sekunden starrt er schon wieder in den Boden und wippt mit dem Bein. Auf seinen Lippen zeichnet sich ein erzwungenes Lächeln. „Alles Gute, Naruto“, gratuliert er verlegen. „Wünsch dir was schönes.“ Ich kneife die Augen für einen kurzen Moment zu und der erste Gedanke, der mir in den Sinn kommt: Ich will, dass Sasuke für immer an meiner Seite bleibt. Ich mache die Augen auf und puste kräftig die Kerzen aus. Kleine orangene Wachsstücke verteilen sich auf dem gesamten Kuchen. Und oh Wunder, alle Kerzen gehen gleichzeitig aus. Wie war das nochmal? Dann erfüllt sich der Wunsch, oder? „Soll ich anschneiden?“ Sasuke möchte einen Kuchenverteiler spielen. Sehr schön. „Mach doch.“ Ich setze mich und er bleibt weiter stehen. In Kürze reicht er mir das erste Geburtstagskind-Tortenstück. Sasuke ist immer noch sehr nervös. Ich kann es daran festmachen, dass seine Hände beim zitterten. Er schluckt und leitet ein Gespräch ein: „Dein Comic ist echt sehr schön geworden. hat mir sehr gut gefallen.“ „Wirklich?“ erwidere ich aufgeregt mit vollem Mund. „Ja… mir gefiel die Story an sich. Die meisten Charaktere sind auch wirklich cool.“ „Hast du einen Lieblingscharakter?“ „Definitiv Hatori.“ „Aha…“ „Ist Hatori eigentlich Kakashi-Sensei?“ „Ja.“ „Dachte ich mir. Das mit der Maske fand ich sehr witzig. Hat mich dran erinnert, wie du meintest, dass sich Kakashi im Dunklen schleicht und geräuschlos die Gesetze köpft. Hatake Kakashi, der Superlawyer, der Beschützer der Normalsterblichen.“ Sasukes Mundwinkel heben sich leicht nach oben. Er nimmt sich einen Bissen vom Kuchenstück. „Oh mein Gott! Stimmt! das gabs auch mal! Hab ich ganz vergessen… scheiße, so eine coole Idee darf nicht untergehen. Vielleicht mach ich meinen nächsten Comic über den Superlawyer.“ Plötzlich stecken wir in einer ganz natürlichen Unterhaltung. Die anfängliche Anspannung baut sich dadurch ein wenig ab. „Ne! Das wird der schlechteste Comic aller Zeiten sein.“ Er erlaubt sich plötzlich einen fiesen Spruch und seine Augen schauen mich sehr liebevoll an. Mein Gott! Wie sehr ich diese wunderschönen schwarzen Augen vermisse! „Hallo! Ich werde berühmt damit und mach eine Unmenge an Kohle! Und dann gucken wir, wie du dich bei dem Superlawyer entschuldigst, ja?“, wende ich energisch ein. „Na mal gucken, ich bin gespannt drauf, - warf er mir provokant zu und guckte mich mal wieder an.“ Er lächelt jetzt so, wie Sasuke lächeln muss. Und mein Herz setzt für einen kurzen Moment aus, denn ich erkenne ihn tatsächlich wieder. Er ist noch da! Mein Sasuke ist immer noch da! „Ja, jedenfalls bemerkte ich, dass die Maske das Zeichnen von Emotionen sehr erschwert. Ich mache diesen Fehler nie weder. Deswegen ist Hatori überwiegend emotionslos und eigentlich war diese dumme Maske das, was sein Charakter im Endeffekt prägte. Und wenn er mal irgendeine positive Emotion zeigen musste, dann kniff er die Augen zu. Ich hatte keine andere Möglichkeit dies abzubilden, sodass die Maske immer noch als eine Maske wirkt. War schwierig halt.“ „Wow, so viel Probleme wegen eines kleines Details.“ „Ja, man weiß nie so richtig, bevor es zur Sache geht, hab ich festgestellt.“ „Stimmt… weißt du, ich fand den Namen Moyashi einfach genial. Es ist doch wegen des Ramentoppings, oder?“, fährt er lebhaft fort. „Ja… er sollte doch irgendwie mich darstellen, und mein Merkmal ist eben, dass ich nach einem Ramentopping benannt wurde… wow, was haben sich meine Eltern dabei nur gedacht? Nennen wir unseren Sohn nach einem Ramentopping, ja-ja, eine gute Idee, wasauchimmer… egal… jedenfalls überlegte ich zwischen Menma und Moyashi. Moyashi klang irgendwie mehr nach einem echten Namen. Außerdem mag ich Menma als Topping nicht wirklich, deswegen ist es so…“ „Und was meinte Sakura zu Rika? Rika hast du doch von Sakura geschrieben, oder?“ „Ja.“ „Und? Hat sie ihr gefallen?“ „Ich glaube, Sakura ist im großen und ganzen mit ihr zufrieden, aber ich weiß nicht… da war ich Tatsache sehr vorsichtig. Ich wollte nichts falsch machen und es wurde mir klar, das einen weiblichen Charakter zu schreiben echt anstrengend ist. Die meisten Seiten, die im Papierkorb landeten, waren die mit Rika. Deswegen bekam sie so wenig Szenen wie möglich, obwohl ich mir wünschte, sie mehr einbauen zu können. Ich hab einfach zu wenig Kontakt mit Frauen, deswegen hab ich praktisch null Ahnung… meinst du sie ist gelungen?“ „Sie ist schon ein guter Charakter, aber ich mag sie trotzdem nicht.“ „Warum denn?„ „Weil… ääähm…“ Plötzlich wird Sasuke richtig aufgeregt. Stimmt, es ist ja eigentlich sehr komisch zwischen uns. „Weil sie Moyashi geküsst hat.“ Die Luft verklumpt sich erneut und die Atmosphäre spannt sich schon wieder an. Tja, ich hätte beinahe fast verdrängt, dass wir nicht mehr dieselben Sasuke und Naruto sind. „Ach das…“, fange ich vorsichtig an. „Sakura wollte diese Szene unbedingt drin haben, weil sie sie total witzig fand. Bevor ich den Comic anfing, bekam ich als Aufgabe eine Pose mit zwei Menschen zu zeichnen, die ich noch nie gezeichnet hatte, und dann entschied ich mich für den Kuss. Ich schrieb auch einen kleinen Humorsketch dazu, also den, der im Comic zu sehen ist. Sakura fand diese alten Skizzen und wollte unbedingt, dass es mitaufgenommen wird. Und so ist die Kussszene entstanden…„ „Also habt ihr euch nicht…“ „Nein! Um Gottes Willen!!“ Die Unterbrechung kommt genau im passenden Moment. „Also seid ihr nicht…“ „Nein!! Sakura ist eine sehr gute Freundin! Sie hat mich im Laufe des vergangenen Jahres sehr unterstützt und dafür bin ich ihr dankbar, aber ich würde trotzdem niemals mit ihr zusammen sein wollen. Sie ist nämlich sehr beängstigend. Die haut mich schon so ziemlich oft in alle möglichen Stellen, und wenn ich noch ihr Freund wäre, würde ich bestimmt noch kräftigere Schläge ertragen müssen, also neeee…“ „Okay…“ Die Konversation hört abrupt auf. Jetzt schweigen wir schon wieder einander an. Mit jeder Sekunde wird es peinlicher. „Ich mach mein Geschenk auf!“ Die Idee kommt spontan. Vielleicht kann man ja dadurch die Situation ein bisschen entspannen. Ich tauche in die Geschenktüte ein. Die Zeichentusche ist sehr schön und die Pinselstifte ist genau das, was mir unglaublich gefehlt hat. Meine eigenen habe ich vor vier Jahren in der Mangazeichner-AG bekommen. Sie waren schon damals alt und „schon durch“, wie Iruka-Sensei meinte. Naja, immerhin überlebten sie einen ganzen Comic. Diese nagelneuen Pinsel sind so wunderschön! Bestimmt waren sie ziemlich teuer… wo hat er nur das Geld her? Kam er endlich an das Sparbuch ran? „Sasuke, die sind ziemlich teuer…“ „Ich weiß, ich hab sie ja bezahlt.“ Er erlaubte sich noch einen fiesen Spruch, aber irgendwie kam der nicht so gut an, wie der davor. „Bist du dir sicher, dass du es dir leisten kannst?“ „Jo. Ich hoffe nur, du findest deine Freude damit“, sagt er leise. „Ach, das unbedingt. Ich überlege schon seit langem, wie ich an die neuen Malsachen rankomme ohne wirklich dabei pleite zu gehen, also wirklich vielen lieben Dank.“ „Vielleicht kannst du damit noch so ein schönes Werk produzieren“, lässt er nachdenklich ab. „Außer dem Superlawyer, dafür sind sie bestimmt nicht gedacht.“ „Haha!“ Okay, der war gut! „Ich mach das jetzt wirklich mit dem Superlawyer, ja?“ „Ach komm! Tu der Menschheit und deiner geliebten Mangawelt sowas nicht an!“ „Sieh an, sieh an! «Mich widert die Manga-Kunst an, blablabla!» Jetzt wehrst du von der Mangawelt den miesesten Comic ab und verschenkst sogar Pinselstifte.“ Wir grinsen uns gegenseitig an und die Situation wird wieder entspannter. „Du hast mir gezeigt, dass es tatsächlich eine Kunstform ist“, sagt er verlegen. Dann geht ein kleines Feuer in seinen Augen an: „Schlussendlich, wenn eine Geschichte gut ist, dann ist es doch egal, wie man sie erzählt, oder?“ Ach, so ein Spako!! Aha, jetzt macht er noch darüber! „Klaust du ernsthaft meine eigenen Worte dazu?!“, empörte ich mich. „Ja, mache ich!“ „Ach du!“ Ich schubse ihn vom Stuhl runter. Ich erlaute mir selbst tatsächlich ihn anzufassen. Er schubse mich zurück. Ich stoße ich auf den Boden, fixiere ihn und fange an ihn zu kitzeln. Die Stelle am Hals, wo er das Kitzeln unerträglich findet, guckt mich so verlockend an. Ich lasse es mir nicht entgehen! „Naruto, hör auf!!“, schreit er laut. „Nein!“ „Ach komm, ich krieg keine Luft mehr… bitte!“ Ich lasse ihn los und er kippt direkt in meine Arme. Er legt den Kopf auf meine Schulter und schmiegt sich an mich an. Nun umgibt uns die peinliche Stille zum aberhundertsten Mal. Sie besucht uns sehr oft während heutigen Abends. Er umschließt mich fester. So fest, dass ich dadurch kaum Luft bekomme. „Ich hab dich so sehr vermisst“, flüstert er leise. Für eine kurze Sekunde ist die Stille gebrochen und schon wieder kehrt sie zurück. Jetzt fängt der so lang aufgeschobene Austausch an… jetzt geht die Blackbox endgültig auf… jetzt werden alle Fragen hoffentlich geklärt. Und jetzt habe ich so eine Angst davor! „Was für ein Spako bist du“, zische ich. Meine Stimme zittert und mir treten Tränen in die Augen. „Naruto… äähm… ich muss mich bei dir dringend entschuldigen.“ „Ist schon ziemlich überfällig.“ Eine Träne nach der anderen kullert mir auf die Wange runter. „Ja, ist es… es tut mir aufrichtig leid, das ganze hier…“ „Was tut dur genau leid?“ Ich weine jetzt schon eindeutig, aber noch kann ich mein Zusammenbruch zurückhalten. Vermutlich kann ich das nicht mehr lange. „Na alles…“ „WAS TUT DIR GENAU LEID?!“ Okay jetzt war es soweit. So, ich bin zusammengebrochen. Ich stoße ihn weg und sperre mich im Bad ein. Und jetzt sitze ich weinend auf dem dreckigen Badeläufer, weil Sasuke seine schräge Entschuldigung durchzog. Was soll das?! Warum reagiere ich so?! „Naruto?“ Sasuke spricht mich durch die Tür an. „Ja?“, erwidere ich schwach. „Alles gut?“ „Ja!“ „Warum weinst du dann?“ „Keine Ahnung!“ „Darf ich bitte reinkommen?“ „Nein!“ „Sollte ich vielleicht lieber gehen?“ In diesem Moment kocht mein Blut hoch. Diese Frage erinnert mich an alles, was zwischen uns ablief. Soll ich gehen… was ist das für eine Scheißfrage?! Das macht mich sowas von wütend! Ach, verdammt! In der nächsten Sekunde trete ich die Tür mit aller Wucht ein. Die Riegel hält die Kraft nicht aus und knackst laut. Das hölzerne Türrahmen biegt sich durch und die Splitter fliegen rum. Die Tür geht ganz ohne Widerstand auf. Sie quetscht schmerzhaft dabei. Sasuke sitzt auf dem Fußboden und guckt mich beängstigt an. „NA LOS!!! MACH DOCH!!!“, brülle ich laut rum. „GEH!!! HAU AB!!!“ Er steht auf, umschließt mich sanft und streichelt leicht meine Haare. Seine unmittelbare Nähe löst einen unerträglichen Schmerz aus und ich drehe komplett durch. „VERSCHWINDE!!!“ schreie ich kräftig aus und versuche ihn dabei wegzustoßen. Er gibt nicht nach. Stattdessen umarmt er mich noch fester. Lass mich los, VERDAMMT NOCH MAL! „Nein“, wendet er leise ein. Ich übe einen stärkeren Druck auf seine Brust aus, aber er bewegt sich kein Stück. Seine Arme wollen nicht von mir loslassen. „HA?! WIESO DENN?! DU WOLLTEST DOCH GERADE EBEN WEG!!! WAS IST DENN LOS AUF EINMAL?!“ Ich brülle herum wie ein wildes tollwütiges Tier. „Du fehlst mir richtig-richtig doll, Naruto. Ich kann es nicht mehr ohne dich aushalten“, wispert er deprimiert. Achso…? Seine Ehrlichkeit besänftigt mich. Er hat gewonnen. Ich gebe die Befreiungsversuche auf. Ich leiste kein Widerstand mehr. „Du bist so ein unglaublich selbstsüchtiges Arschloch“, spreche ich besiegt aus. „Ich weiß. Ich will es irgendwie gerade biegen, allerdings weiß ich nicht so ganz wie…“ „Fang damit an, dass du mir versprichst, dass du nie wieder gehst!!!“ „Versprochen.“ „Und dass du nie wieder sagst, dass ein Niemand für dich bin!!!“ „Versprochen.“ „Und dass du dich bei mir immer melden wirst!!! Und ich meine IMMER!!! Selbst wenn du irgendwo gestrandet oder auf dem Nordpol oder in der Hölle bist, KONTAKTIERTST du mich gefälligst und gibst mir Bescheid, ob du zurechtkommst oder nicht!“ „Versprochen.“ „Und dass du nie wieder versuchst, mich oder uns aus deinem Leben so einseitig und so hinterhältig und so ganz ohne zu reden zu streichen!“ „Versprochen.“ „Und wenn du mir das nächste mal sowas heftiges wie eine Liebeserklärung abgibst, kannst du mir ruhig ein bisschen mehr Zeit zum Nachdenken geben, ja?“ „Okay…“ „Ach Sasuke…“ Endlich wickeln sich meine Arme um ihn herum. Ich bin erschöpft und lege den Kopf sehr gerne auf seine Schulter. Er riecht leicht nach seinem komischen Aloe-Aftershave. Er ist so warm! Seine Arme umschließen mich sehr behütend. Es fühlt sich so an, als hätte er keine Absichten von mir jemals zu loszulassen. Ich will den Schmerz, den er mir angetan hat, einfach vergessen. Ich will unbekümmert diese bittersüße Umarmung genießen. Leider kann ich es nicht bewerkstelligen. Seine Nähe hat einen unglaublich giftigen Nachgeschmack. „Trotz allem hab ich dich auch wirklich-wirklich-wirklich-wirklich-wirklich-wirklich-wirklich doll vermisst“, flüstere ich in sein Ohr. „Naruto…?“ Seine Stimme klingt unentschlossen und ängstlich. „Ummm?“ Er legt eine Pause an. Es ist schon wieder still. Nach einer Weile anfühlt es sich unanständig lange an. „Was wolltest du sagen?“, frage ich nach. „Ähm… nichts.“ 🍥🍥🍥 An dem Abend wurde die Blackbox nicht komplett aufgemacht. Der Deckel ließ allerdings einen ganz kleinen Spalt, durch den ich den Inhalt ein wenig beobachten konnte. Und alles, was ich darin sah, war die komplette Abwesenheit des Lichts. Vorgestern feierten wir meinen Geburtstag und Sasuke blieb bei mir. Und gestern auch. Und heute ebenfalls. Diese Tage sind echt seltsam. Ich schwänze hardcore die Schule und mein Handy ist seit drei Tagen aus, damit Sasuke und ich richtig unkonventionell abhängen können. Wir gehen fast nicht raus und machen fast nichts sinnvolles, außer dem absolut nötigsten, wie Kochen oder mal den Müll runterbringen. Die ganze Zeit kleben wir praktisch aneinander, ohne uns groß dabei auszutauschen. Es ist richtig komisch, ich habe sowas noch nie erlebt. Er umarmt mich und wir gucken dabei Fernsehen, essen Instant-Ramen, hören Musik oder lesen Bücher. Wir trennen uns körperlich nur abends, zum Schlafengehen. Ich verstehe jetzt gar nichts mehr. Was ist das?! Keine Ahnung, mittlerweile ist es sowas von egal. Nach Antworten suche ich schon lange nicht mehr. Stattdessen versuche ich mich auf die Situation einzulassen und das mitzumachen, was sich gut anfühlt. Überraschenderweise mache ich ziemlich viel von dem mit, was Sasuke möchte. So nah an ihn zu sein fühlt sich einfach echt gut an. Dennoch bin ich innerlich etwas zerrissen, besonders dann, wenn er versucht, mehr zu machen, als nur zu umarmen. Ich verstehe nicht, ob ich dieses „mehr“ so richtig befremdlich finde, und es deswegen nicht aushalte, oder ob es so schön und so überwältigend ist, dass ich es nicht aushalten kann. Keine Ahnung, wie gesagt, nach Antworten suche ich nicht mehr. Insgesamt tut mir dieser exzessive Körperkontakt echt gut. Wenn seine Nähe den giftigen Nachgeschmack nicht hat, dann kann ich sie einfach so genießen. Mir wurde über die vergangenen drei Tage bewusst, wie tierisch ich ihn vermisst habe. Und er mich offenbar auch. Jetzt bin ich sozusagen zum Greifen nah und er nutzt diese Tatsache sehr unverschämt aus. Aber es ist okay, ich hab’s ihm ja erlaubt. Sasuke darf mich so anfassen, selbst wenn es außerhalb jeder freundschaftlicher Grenze geht. Er tut mir dabei nicht weh, bin ich fest davon überzeugt. Ich weiß nicht, warum ich da so sicher bin. Er hat mich ja neulich erst massiv verletzt. Wie gesagt, ich habe absolut keine Ahnung, was zwischen uns eigentlich abgeht. Durch diese ständige Nähe bemerkte ich einige simple Tatsachen. Zum Beispiel, er hat sehr dünne Knöchel. Die am Arm kann ich mit nur einem Griff komplett umfassen und die am Fuß sind nur anderthalb größer. Seine Gliedmaßen sind länger als meine, seine Finger sind spitzer als meine und seine Handflächen sind wahrnehmbar größer als meine. Seine Füße sind ebenfalls ziemlich lang. Er trägt Schuhe eine Nummer größer als ich. Seine Kleidergröße ist an sich genauso wie meine, bloß Standard-Anziehsachen sind ihm zu kurz. Wahrscheinlich deswegen hängen seine Klamotten so komisch, weil er bestimmt eine Nummer größer kauft. Jetzt trägt er trotzdem eins meiner T-Shirts, er blieb hier ja ungeplant für drei Tage. Das Bekleidungsstück sitzt gar nicht auf seinem Torso und krempelt sich ständig hoch. Mir passiert sowas nicht. Diese Vergleichsspielchen offenbarten mir eine sehr simple Tatsache: Sasuke hat auch einen Körper. Natürlich wusste ich, dass er eins hat, aber neulich machte es Klick in meinem Kopf. Ich betrachtete ihn immer als etwas, was jenseits simplen menschlichen Bedürfnissen wie Hunger oder Müdigkeit existierte. Besonders wurde mir dadurch bewusst, dass er ganz und gar nicht asexuell ist. Er ist einfach ein ganz normaler Sechzehnjähriger. Und er hat sich in seinen besten Freund verknallt. Passiert… und es ist nicht schlimm… besonders wenn sein bester Freund seine Gefühle nicht mehr abschreckend findet, und sie wahrscheinlich sogar irgendwann erwidern kann. Dann passt es doch, oder? *** Heute ist Samstag. Heute feiern wir meinen Geburtstag in einer größeren Runde. Nur für diesen besonderen Einlass sind Sasuke und ich aus unserem verwerflichen Liebesnest gekrochen und sind in die Stadt gefahren. Die anstrengende Zugfahrt ist schon mal erfolgreich überstanden. Der Bahnhof war richtig vollgepackt. Der Einstieg in den Zug war wie ein Überlebenskampf. Ich hasse sowas. Gott sei Dank war Sasuke bei mir. Er beeilte sich und zog mich kräftig hinter sich. Dadurch konnten wir uns eine echt gute Ecke sichern. In so einem vollgepackten Zug gab es keine andere Wahl, als sehr nah aneinander zu stehen. So nah, dass sein Atem an meinen Wangen leicht vorbeihauchte. Normalerweise macht mir sowas nichts aus. Wenn meine persönlichen Grenzen in einem vollen Zug verletzt werden — egal durch wen —, kann ich es normalerweise relativ gut ab. Nur diesmal war es anders. Die Menschenmasse um mich herum machte mir ausgerechnet heute was aus und ich war so dankbar, dass Sasuke mich die ganze Zeit bei der Hand hielt. Beim Aussteigen machte er erneut den Weg für uns frei und ich folgte ihm passiv. Alles, was ich tun konnte, war seine Hand noch fester zu drücken. Dann waren wir raus und eigentlich wäre der Grund zum Hänchenhalten entfallen, aber… er ließ mich nicht los. Und ich auch nicht. Jetzt laufen wir mit verschränkten Fingern durch die Stadt. Einfach so. In aller Öffentlichkeit. Ich frag mich, wie alle reagieren, wenn sie uns so sehen. Zumal habe ich Sasuke für heute nichtmal angekündigt. Das wird schon… „Hallo!“, begrüße ich alle. Wir sind angekommen. „Die meisten von euch werden diesen Typen hier kennen, aber für diejenigen, die nicht wissen, wer das ist, mach ich das einfach. Also, das ist Sasuke. Sasuke ist mein Freund. Seid bitte gütig zu ihm, okay?“ Hmm, die gucken sich so fragend um. Habe ich sie etwa zu stark überwältigt? „Ähm, okay…?“, hat sich jemand getraut zu sagen. Ach, jetzt läuft es an. Jetzt reden sie mit ihm. Gut so. Nach einem guten Smalltalk begaben wir uns in die neuen Arkaden. Hier ist es richtig cool. Neji hatte damit perfekt das Ziel getroffen. Nach einigen Stunden war es soweit: Wütende Sakura Haruno entführte mich unauffällig aus dem öffentlichen Raum und ich befürchte, dass jetzt ein Verhör stattfindet. „Seid ihr jetzt in echt zusammen?!“ Ach ja, meine Befürchtungen werden also wahr. Sie konnte ja nicht lange stillhalten. „Keine Ahnung… glaub schon…“, murmele ich rechtfertigend. „Du hast ihn vorhin als «mein Freund» bezeichnet!!!“ „Ja… weiß nicht ganz, warum eigentlich…“ „Wie du weißt es nicht?! Habt ihr euch endlich ausgesprochen?“ „Jaaa…? Also teilweise.“ „Hat er sich wenigstens entschuldigt?“ „Ja, technisch gesehen, hat er sich entschuldigt, ja…“ „Was heißt denn hier «technisch gesehen»?“ „Naja, er meinte, dass es ihm leid tut und so…“ „Aber geredet habt ihr also nicht wirklich?“ „Nein…“ „Man!!! Siehtst du, deswegen kann ich diesen Uchiha nicht leiden!! Und du bist auch kein Stück besser!!! Weißt du, ihr verdient einander! Beide ganz wie kleine Kinder, eh! Was soll das?! Uzumaki, hör mal zu: er war richtig arschig zu dir, vergiss es nicht!!! Bis er sich bei dir anständig entschuldigt hat, darfst du ihn nicht annehmen!!“ „Vielleicht hast du recht…“ „Was heißt denn «vielleicht»?! Natürlich hab ich recht! Lass sowas nicht zu!“ „Ach, Sakura!“ „Was denn?!“ „Ich liebe ihn… also ist es an sich irrelevant, oder?“ „WAS?! Komm bloß nicht auf so eine blöde Idee!! Du bist ein verliebter Idiot, Uzumaki!! Du warst schon immer eins, also pass wirklich auf dich auf und erlaube ihm nicht dich an der Nase rumzuführen! Willst du bis zum Ende deiner Tage sein Fußabtreter sein oder was?!“ „Nein…“ „Dann redet!! Und sieh zu, dass er eine anständige Entschuldigung hinlegt! Kümmere dich darum! Und wenn das passiert, gibst du mir gefälligst Bescheid! Verstanden?“ „Okay, Mutter!“ Ich kichere und bekomme einen Schlag in den Rücken verpasst. Ich glaub, jetzt ist der Verhör beendet. Ja, sieht so aus, sie geht jetzt zu den anderen. Puuh, Sakura kann echt beängstigend, wenn sie möchte. Nun geht es wieder zurück nach Hause. Wir sitzen wieder im Zug und die Rückfahrt ist genauso kurios, wie die Hinfahrt. Diesmal liegt sein Kopf auf meiner Schulter und ich drücke ihn automatisch näher. Leute werfen auf uns perplexe Blicke, als ob sie noch nie ein Pärchen im Zug sahen. Richtig doof. Dabei ist eine Frau wirklich extrem: Sie glotzt uns bereits seit einer halben Stunde an. Ihre Augen bohrten sich in uns rein und lassen einfach nicht los und es nervt mich tierisch. Ich sollte sie nicht angucken. Nicht gucken! Nicht gucken!! Verdammt! Mein Blick schweift unkontrolliert in ihre Richtung. Ich kann diese wütende Neugierde nicht unter Kontrolle halten. Ich gucke, ob sie immer noch guckt, feststelle, dass sie guckt, und rege mich dann innerlich über sie auf. Oh man! Hier! Ha! Blöde Kuh! Endlich guckst du mal woanders! Kaum realisierte ich, womit ich sie da abschreckte, fühle ich, wie Sasuke hastig aus meinem Armen flieht. Man, jetzt werde ich schon wieder mit verständnislosen Blicken beworfen, nur von der anderen Seite. Ja, Sasuke, ich hab dich auf die Stirn geküsst! Ist das jetzt ein Verbrechen oder was? „Was denn?!“ spucke ich genervt aus. Sasukes schwarze Augen drücken weiterhin eine tiefste Unverständnis aus. „Darf ich jetzt nicht meinem Freund ein kleines Küsschen an die Stirn geben, oder wie?!“ Sasuke schlägt die Augen schüchtern nieder, errötet leicht im Gesicht und leuchtet so sanft auf. Was für ein wunderschönes Lächeln! Meine Wut verschwindet sofort. Er legt seinen Kopf wieder auf meine Schulter und sagt ganz-ganz leise: „Ja klar darfst du, Usuratonkachi.“ Dieser Kosename… den hab ich schon so lange nicht gehört! Mein Herz schlägt plötzlich hundertmal schneller, meine Arme winden sich um ihn herum und ich spüre die Schmetterlinge im Bauch. Ich glaube, dass wir ab jetzt offiziell zusammen sind. Oder so. Ich muss unbedingt Sakura anschreiben. *** Abend. Dunkel. Ich bin hellwach. Es ist so freundlich. Der Kühlschrank summt. Die Uhr tickt. Sasuke atmet gleichmäßig. Heute ist er schneller eingeschlafen als ich. Irgendwie beneide ich ihn darum ein wenig. Wie kann man nach so einem krassen Tag so schnell weg sein? Vielleicht ist er erschöpft? Weiß ich nicht. Ist er tatsächlich ab jetzt mein Freund? Irgendwie ist es unglaublich und seltsam… und er ist hier, ganz nah. Ich möchte mich zu ihm legen. Wenn ich mich ganz kurz an ihm anschmiege, wecke ich ihn doch nicht damit, oder? Ich schleiche mich vorsichtig zu ihm auf die Matratze. Okay, und jetzt? Umarmen. Okay… meine Arme wickeln sich um seinen Oberkörper, meine Nase landet im Bereich von seinem Nacken und ich atme unbeabsichtigt sein Geruch ein. Sasuke, hier bist du, zum Greifen nah… und wenn ich dich berühren möchte, dann kann ich es einfach so tun. Und du wirst mich nicht davon abhalten, ganz im Gegenteil. Du berührst mich auch. Wow… ist es überhaupt legal oder moralisch vertretbar?! Weiß ich nicht, aber es ist unglaublich schön, mit dir so zu sein. Ich schließe die Augen und genieße diesen perfekten Moment. Okay, jetzt sollte ich zurück in mein… „Bitte bleib hier, Naruto.“ Ich höre plötzlich seine Stimme. Sie unterbricht meinen Gedankengang abrupt und ich lege mich wortlos wieder hin. Er bedeckt mich und nun stecken wir ganz eng zusammen. Sein Körper ist angenehm warm. Er wirft die Decke über unsere Köpfe nuns jetzt sind wir komplett unter verschwunden. Es ist sehr stickig hier. „Jetzt kannst du mich ungehindert an die Stirn küssen“, wispert er. „Denn keiner guckt zu.“ Oh mein Gott, das hat er echt süß gesagt… ich spure einen Klumpen im Hals. Ich sollte was sagen, aber ich kann nicht… denn ich breche weinend aus. Er umschließt beschützend meinen Kopf und die Luftqualität wird noch schlechter, aber das ist sowas von egal. Das einzige, was in diesem Moment eine Rolle spielt, ist die Tatsache, dass es ab jetzt wirklich kein Zurück mehr gibt. Die Blackbox geht gleich komplett auf. Wir werden danach nie wieder dieselben sein. „Ich hab dich so doll vermisst! Ich kann es nicht oft genug wiederholen“, meinte ich schluchzend zu ihm. „Ich weiß. Ich dich auch. Jetzt hab ich doch versprochen, dass ich dich nie wieder verlasse, also ist es geregelt, oder?“ Ja, da hat er recht. Aber das hat mich trotzdem nicht davon abgehalten, nun einen ganzen Wortwasserfall aus seinem Kopf ergießen zu lassen: „Du wolltest mich absichtlich verletzen! Dein Schweigen hat mich so dermaßen fertig gemacht und unser Wiedersehen brachte mir das Herz! Ich hab verdammte 7 Kilo abgenommen, verlor gefühlt drei Millionen Haare und schlafen kann ich seit langem auch nicht mehr so ganz vernünftig! Die ganze Zeit hab ich mir solche Sorgen um dich gemacht! Warum hast du dich nicht gemeldet?! Es ist doch nicht schwer und tut nicht weh, verdammt noch mal! Ich wollte ja nicht viel, nur kurz wissen, dass du mit der ganzen Scheiße zurechtkommst! Trotzdem hast du mich ignoriert! Du bist so ein Arschloch, Sasuke!“ Er drückt mich noch fester an sich ran. „Es tut mir leid…“ murmelt er. „Ja toll! Deine Entschuldigungen werden nur noch blöder, machen das Geschehene nicht rückgängig und sind nichtmal wohlklingend!“ Ich haue ihn am Rücken. „Ich weiß… ich war sehr gemein zu dir…“ „Gemein?! Weißt du wer gemein ist?! Gemein sind die Mädchen, die dir morgens ins Gesicht lächeln und deine neue Frisur loben, und abends lachen sie dich wegen der Frisur aus! Die sind gemein! Das, was du mir angetan hast, verdient ein eigenständiges Wort! Denn ich kann das nicht so einfach mit nur einem Wort zusammenfassen! Aber gut, dass du wenigstens so viel einsiehst!“ „Ja, es war grausam, was ich dir antat. Bloß…“ Er beißt sich auf die Zunge. Das ist der fehlende Teil, dessen Ausprechen er sich an meiner Türschwelle nicht wagte. In dieser Sekunde, wird er rasch unruhiger und verspannter. Da ist es wieder: Flucht oder Konfrontation? Mein Gott, warum rückt er nicht mit der Sprache raus? Er will doch reden! Na gut, ich hab schon so lange gewartet, die 40 Sekunden kann ich ihm noch gönnen. Sein Brustkorb hebt sich, er zieht kräftig die Luft ein und die ersten nonverbalen Laute kündigen den Advent seiner lang aufgeschoben Beichte an. Jetzt fängt es an. Jetzt geht die Box auf. „Als du mich damals von deinem Schoß an dem Abend weggestoßen hast, brach meine Welt buchstäblich zusammen. Als meine Eltern verstarben, flog eh alles ins Verderben. Ich wurde von jetzt auf gleich meiner Normalität beraubt. Alles, worauf meine Existenz aufgebaut war, war plötzlich weg und von meinem Leben verblieb nur eine hässliche Ruine. Sie schien einfach irreparabel zu sein. Ich musste jetzt irgendwie aus diesen Bruchstücken mir ein neues Leben basteln und ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich das machen soll. Und dann kommst du und nimmst mich in Schutz vor diesem Chaos. Du hast dich um mich gekümmert und zugesehen, dass ich dieses zerbrochene Leben doch nicht komplett aufgebe. Denn egal, wie kaputt es ist, hatte es trotzdem schöne Seiten… du hast mich stets daran erinnert und es mir gezeigt. Wenn ich nicht weiter wüsste, warst du immer für mich da. In diesem unkontrollierten Chaos fand ich die eine Sache, auf die ich mich hundertprozentig verlassen konnte. Ich hatte es sowas von nötig… und das machte dich zur Verkörperung der Hoffnung und des wenigen Guten, was in meinem zerstörten Leben noch übrig blieb. Und ich hing so sehr dran… ohne dich würde ich bestimmt von einem Hochhaus runterspringen. Ich fantasierte sehr oft darüber, weißt du? Wie kann ich mein Leben so beenden, sodass es währenddessen Spaß macht. Ich wollte schon immer fliegen können, und gerade von einem Hochhaus runterzuspringen kommt in meinen Augen dem tatsächlichen Freiflug am nächsten… naja, egal… aber der Witz war, dass ich vielleicht ein wenig zu sehr an dir hing. Ich übergab dir so frech die Kontrolle über mein Leben und du hast es einfach perfekt gemeistert. Du wurdest zu meinem Retter, zu meinem Held, keine Ahnung… such dir aus… ich bewunderte dich zutiefst… wie kann ein Mensch so rein gesinnt sein? So wirklich selbstlos und so richtig… ach… ich kann es nichtmal artikulieren… naja, jedenfalls sah ich dich ab da an in einem komplett anderen Licht. Ich fing mich öfter dabei, dich bewusst zu beobachteten. Mir fielen einige Kleinigkeiten in deinem Verhalten auf, die ich noch nie bemerkte. Zum Beispiel, wenn du grinst, dann bilden sich dadurch kleine Fältchen zwischen deinen Augenbrauen. Das ist jetzt nicht ungewöhnlich, bloß mir fiel es explizit auf. Oder, wie du den Stift hältst: du greifst ihn zuerst mit dem Daumen und dem Zeigefinger, und der Mittelfinger stützt diese Konstruktion. Ich halte den Stift anders, deswegen… Oder, dass die erste Sache, die du morgens machst, ist den Schlafsand aus den Augen zu entfernen. Oder, wenn du konzentriert bist, dann neigst du deinen Kopf etwas nach links… das passiert meistens wenn du zeichnest, oder eine Matheaufgabe löst. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, ich fand es nur interessant. Mit der Zeit fielen mir mehr solche Kleinigkeiten auf und ich freute mich wirklich herzlich über jede neu entdeckte, und wenn ich die alten mir vertrauten bemerkte, stiegen Schmetterlinge in meinem Bauch… denn ich fand diese Kleinigkeiten unglaublich süß. Es dauerte ab da nicht mehr lange, bis mir klar wurde, dass ich dich unglaublich süß finde. In deiner Gegenwart ging es mir plötzlich anders, und ich stellte mich so dermaßen dämlich an! Dazu sehnte ich mich nach deiner Nähe und wollte dich mit absolut keinem teilen, denn du warst mein Schatz. Wenn du nicht bei mir warst, dachte ich nur noch an dich, alles andere war so dermaßen irrelevant. Und nachts… naja, irgendwann hatte ich täglich ziemlich eindeutige Träume, wo wir uns mindestens küssen… ab da verstand ich, dass ich mich so richtig peinlich in dich verknallt hab, und es wurde zu einem echten Problem. Natürlich war mir klar, dass du höchstwahrscheinlich nicht damit einverstanden sein wirst, und dass ich dadurch unsere Freundschaft riskiere, wenn ich es anspreche. Ich wollte dich nicht verlieren. Es machte mir so dermaßen Angst… schließlich warst du alles, was ich hatte. Also versuchte ich die Kontrolle über meine Gefühle zu gewinnen, um alles beim Alten lassen zu können. Bloß, je mehr ich mich den Gefühlen weigerte, desto eifriger schlugen sie zurück. Und es machte mich wahnsinnig. Und mein Geständnis… äääähm… eigentlich wollte ich es nie ansprechen und dieses Geheimnis ins Grab tragen. Ich glaube, ich konnte mich irgendwie damit anfreunden, dass in deiner Nähe zu sein mir völlig ausreicht, und deswegen war dieses doofe Geständnis alles andere als beabsichtigt… aber… ach, ich weiß es doch selbst nicht so ganz genau… es rutschte mir einfach aus. Ein kleiner Schwächenanfall mit großen Konsequenzen. Du stießt mich buchstäblich weg und deine Reaktion war negativ. Du hast nichts gesagt und dein Gesicht drückte ein eindeutiges Ekeln aus… in der Sekunde wurde mir eins bewusst: du hast mich nie so angesehen, wie ich dich. Und allein die Vorstellung daran widerte dich an. Einerseits verletzte es mich zutiefst. Warum fandest du mich denn eklig? Aber das war halb so schlimm wie das andere: es kann nicht mehr so bleiben wie es bis jetzt war. Unsere Freundschaft, du, meine Sicherheit auf deinem Schoß… alles weg… dieser dummer Satz hat binnen eines Augenblicks alles zerstört, was mir so teuer war. Und da brach meine Welt zusammen. Mir wurde klar, in welcher tiefen Scheiße ich nun stecke, und ich verfiel in Panik. Es überforderte mich komplett, ich überreagierte und zerstritt mich mit dir. Ich war wütend. Ich wollte, dass du meine Gefühle akzeptierst, aber du warst ja dagegen… die nächste Zeit verbrachte ich damit mich selbst, meine Gedanken und mein Zuhause zu sortieren und es dauerte halt. Du hast mich mit Nachrichten und Anrufen zugeballert, aber ich wollte erstmal nichts von dir hören. An einem Zeitpunkt wollte ich mich tatsächlich damit auseinandersetzen, aber dieser Schwarm schreckte mich ab und ich ließ es. Ich wollte generell erstmal nichts anstrengendes machen. Außerdem konnte ich mich immer noch nicht abregen. Deine Absage tat mir richtig weh und deine Präsenz in meinem Handy machte es mir nicht gerade leichter. Irgendwann dachte ich: "okay, du musst dich bei ihm melden, er dreht eindeutig durch und es ist nicht in Ordnung". Ich hatte damals wirklich die Absicht mich bei dir zu entschuldigen und irgendwie alles zu reparieren, denn du hast mir so unglaublich gefehlt… dann kam ich auf deine Nachrichten zurück und las mir alles durch, was du mir bis dahin geschrieben hast. Jede einzelne Nachricht. Es hat mich richtig krass ins Herz getroffen, weil es sich alles so freundschaftlich anhörte. Ich konnte es nicht ausstehen. Als ob mein Herz damit in den Brand gesteckt wurde. Damit habe ich so gar nicht gerechnet, weil ich dachte, dass ich an den Punkt angelangt bin, wo ich es relativ locker ansehen könnte. Aber diese Nachrichten… ich hab halt verstanden, dass ich es doch nicht locker sehen kann. Und ab da verlor ich jegliche Hoffnung auf uns. Du weißt schon… sowas kann irgendwie nicht funktionieren. Ich versuchte den daran Schuldigen auszumachen. Irgendwo war mir schon bewusst, dass ich mich selbst in diese Lage gebracht habe. Zum Beispiel, weil ich erstens mit dem Streit und zweitens mit meinem ewigen ängstlichen Nichtmelden unsere Beziehung irgendwie voll gegen die Wand gefahren habe. Es tut halt weh sich selbst solche bittere Wahrheiten einzugestehen. Denn wenn ich es tun würde, würde es heißen, dass ich die Beziehung zu meinem langjährigen besten Freund eigenhändig zerstört hätte. Und dabei hätte ich meinem lieben Naruto, der mich aus dem Wahnsinn gerettet hatte, so viel Schmerz angetan. Und das würde mich zu einem sehr schlimmen Menschen machen. Und wer will schon schlimm sein? Ich denke keiner. Deswegen redete ich mir ein, dass alles und jeder andere Schuld daran war, nur nicht ich. Ich hatte meine kugelsicheren Ausreden: ich hab meine Eltern verloren, mein Bruder war ein Arsch und raubte mir meine Normalität, die Welt hat sich gegen mich verschworen und jetzt musste ich plötzlich diese dummen Rechtsstreitigkeiten klären, du hast mich abgewiesen, blablabla, setze irgendwas ein, was halbwegs plausibel klingt. Ich pinnte dich als den Schuldigen fest. Schließlich war deine Absage der letzte Tropfen, der den Fass zum Überlaufen gebracht hat. Keine Ahnung was ich mir dabei eigentlich dachte. Vermutlich wollte ich einfach nicht selbstschuld sein. Ich entschied mich daraufhin dich aus meinem Leben komplett und für immer zu streichen. Du hast trotzdem weiterhin den Kontakt zu mir gehalten und mir wurde klar, dass du die Situation ebenfalls sehr schwer verarbeitest. Und ich freute mich darüber, so nach dem Motto "wenigstens leidet er auch darunter". Als wir uns wieder sahen, bestätigte es sich nur. Aus deinem Leiden konnte ich tatsächlich für eine kurze Zeit Stärke beziehen. Der Gedanke daran, dass du mich doch noch brauchst, förderte eine sehr toxische Schadenfreude in mir. Ich erledigte meine Angelegenheiten aus Trotz, damit ich beweisen könnte, dass ich ohne dich perfekt zurechtkomme, und du ohne mich nicht. Für eine Weile funktionierte es und ich dachte, ich konnte die Sache zwischen uns endlich verarbeiten. Dann hab ich deinen Comic bekommen und guckte mir ihn an einem Abend durch. Ich erinnerte mich daran, wie unglaublich teuer du mir bist. Und wie unglaublich ich dich vermisse. Daisuke haute ab, wendete sich dem Bösen und Moyashi wollte ihn stoppen. Anfangs verdrehte ich mir die Augen darüber, aber als die Geschichte fortschreitete, konnte ich es irgendwann tatsächlich ernst nehmen und mich in deine Lage hineinversetzen. Denn, ich glaube, für dich war das wirklich so, als ob ich mich dem Bösen zugewendet und dich im Stich gelassen hätte. Dabei sah ich endlich ein, welchen unfassbaren Leid ich dir beschert habe, und ich gestand mir die bittere Wahrheit. Ich hab meinen Naruto verletzt… er war so gut zu mir und ich hab ihn so grausam verletzt. Warum tat ich dir sowas überhaupt an? In diesem Comic lauerten noch viele andere erstaunliche Gedanken und die Story hat mir generell Spaß gemacht. Und Daisuke ist halt ein Arsch… naja, warum wohl… die Schlussszene hat mich sehr gerührt. Du sagtest mir praktisch, dass du mich trotz aller dem immer noch liebst, obwohl ich nicht wusste, wie du es eigentlich meinst… und ich kam irgendwie nicht damit klar, weißt du? Ich dachte, ich verdiene deine Zuneigung nicht. Ich wollte sofort losrennen, an deiner Tür klopfen, mich auf die Knie werfen und einfach um Vergebung betteln. Aber ich meine… ich hab halt zu viel vermasselt und um Vergebung jetzt zu betteln ist irgendwie schon albern. Ich wusste schon wieder nicht weiter. Ich wollte einfach zu dir… ich wollte so doll wieder mal in deiner Umarmung sein… aber ohne einen guten Einwand bei dir jetzt aufzutauchen war halt irgendwie… naja… so super erbärmlich halt… dann kam Oktober und du hast ja am 10 den Geburtstag, also hat sich endlich ein halbwegs plausibler Einwand um dich zu besuchen gefunden… und hier bin ich… und du bist natürlich entzückend, liegst hier mit mir so süß, hörst meiner jämmerlichen Entschuldigung geduldig zu und versuchst mich nicht aus deiner Wohnung zu vertreiben. Ganz im Gegenteil, du scheinst echt froh darüber zu sein, das ich hier bin, - er seufzte, - ey, Uzumaki, du bist so… so niedlich halt! Wie kann man sich nicht in so einen aufrichtigen, lieben und unglaublich schönen Menschen wie dich verlieben, ha? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mir nicht passieren würde.“ Es wird plötzlich sehr still. Er hat so viel gesagt… so viel… ich weiß gar nicht, was ich nun antworten soll. Die Stille hüllt uns ein. Das Summen des Kühlschranks Veduten daraufhin, dass die Zeit doch nicht stillsteht. Welche Reaktion ist so einer gefühlvollen Rede überhaupt würdig? Seine Beichte klärte einiges für mich auf. Zum Beispiel, dass Sasuke immer noch mein Sasuke ist. Und dass die Sache zwischen uns ihm unfassbar leid tut. „Ach, Füchschen, sei bitte nicht so stumm. Sonst ist es echt peinlich.“ Sasukes samtige Stimme unterbricht meine Gedanken. Er lächelt mich gerade liebevoll an. „Ich weiß halt nicht, was ich dazu sagen soll“, gebe ich ehrlich zu. „Es war eine echte Rede, die du da hingelegt hast. Egal, was ich sage, kommt es nicht dagegen an. Ich fühl mich leicht überfordert damit.“ „Na toll! Meine anderen Entschuldigung waren doof, und diese hier überfordert dich. Entscheide dich!“ „Was willst du denn hören?“ „Das erste, was dir in den Sinn kommt.“ „Es ist wirklich stickig unter dieser Decke…“ Er lacht kurz. „Na dann das zweite.“ „Ich… ähm…“ Ich lege eine kurze Pause ein. „…bin wirklich froh, dass das zwischen uns sich jetzt eingerenkt hat.“ „Ich auch. Kannst du mir bitte vergeben?“ „Hab ich schon.“ „Was? Ernsthaft?!“ „Ja.“ „Oh Mensch, du müsstest wenigstens noch einen Monat oder sauer auf mich sein, okay? Sonst wirkst du echt dümmlich.“ „Ach was!“ „Ja man!“ Er umarmt mich leicht. „Ach, Naru, du bist immer noch so naiv!“ „Ist denn schlimm?“ „Nein… das heißt, dass ich für dich doch nützlich sein kann und auf dich aufpassen sollte. Wenn ich das Böse von der wichtigsten Person in meinem Leben abwenden darf, bin ich glücklich.“ „Was hast du gerade gesagt?“ „Dass ich froh bin…?“ „Davor…“ „Dass ich das Böse von dir abwenden möchte…?“ „Nein! Dazwischen!“ Er sagt nichts. Stattdessen wirft er die Decke weg, setzt sich hin und zieht mich hoch. Ein helles Mondlicht rahmt sanft seine feinen Gesichtszüge ein, wodurch seine bleiche makellose Haut märchenhaft leuchtete. Seine Augen glitzern. Darin ist die gleiche Angst, die ich flüchtig am Tag seiner Liebeserklärung fing. Er schluckt und schlägt seine Augen schüchtern nieder. Er nimmt mich vorsichtig bei der Hand und verschränkt unentschlossen unsere Finger. Er bewegt sich auf mich ungeschickt zu, holt tief Luft und flüstert verlegen: „Naruto, du bist die wichtigste Person in meinem Leben. Ich liebe dich über alles…“ Wir versinken in die Stille. Letztes Mal warf mich seine Liebeserklärung völlig aus der Bahn. Und diesmal beflügelt sie mich. Es fühlt sich fantastisch an! Ich bewege mich auf ihn auch ziemlich tollpatschig zu. Ich schließe die Augen und flüstere direkt in sein Ohr: „Ich hab rausgefunden, dass eine Welt ohne dich grauenhaft und fürchterlich ist. Ich will nie wieder ohne dich…“ Der Rest des Satzes rollt nicht von der Zuge. Komm schon, Naruto! Das ist das Wichtigste! Ich kneife die Augen kraftvoll zu und hole tief Luft: „Ich liebe dich auch, Sasuke.“ „Usuratonkachi“, zischt er. Nun ist alles wichtige gesagt worden. Krass! Ich bin im siebten Himmel vor Freude. Und ich bin dort mit Sasuke zusammen. Trotzdem bin ich grad hoffnungslos überfordert. Und Sasuke auch. Deswegen albern wir grad nur rum. Wir grinsen einander an, schubsen einander ein wenig rum und kichern dumm. Tja, wenn wir nicht weiter wissen, dann ärgern wir einfach einander. Es stellte sich eine leichte und verspielte Atmosphäre her. -- Und jetzt? - fragte ich ihn. -- Jetzt könntest du mich in die Lippen küssen, - sagte er sanft und lächelte mich an. Er sah plötzlich so ernst aus. -- Könnte ich, aber ob ich es mache, ist eine andere Frage, - ich war immer noch verspielt und pickste ihn leicht in die Seite. -- Küss mich doch einfach, Naruto, - sprach er schüchtern und zugleich deprimiert aus. Er klang so unglaublich süß! Diese Vorstellung war mir immer noch leicht unheimlich. Ich näherte mich vorsichtig ihm an und zögerte automatisch. Es ist so megapeinlich! Aber gleichzeitig wirklich überwältigend schön… Ich bemerkte dabei, dass es ihm nicht anders ging, und dass er mit mir den Blickkontakt gezielt mied. Ich schloss die Augen und bewegte mich einfach auf ihn zu. Unsere Lippen trafen aufeinander und die Distanz zwischen uns hörte auf zu existieren. Es war so überwältigend, dass keiner von uns wusste, was er als nächsten tun soll. Wir wurden beide gelähmt und pressten unsere Lippen stur gegeneinander. Es dauerte nicht lange, bis er diese verkrampfte körperliche Verbindung trennte. -- Wie schlecht bist du eigentlich, sag mal?! - warf er mir zu und schubste mich erneut. -- Wenn du gemerkt hast, wie schlecht ich bin, warum hast du dann nicht übernommen?! - wendete ich ein und schubste ihn zurück. -- Usuratonkachi! -- Kleines Sasuke-chan! -- Nenn mich nicht so! - er sprang auf mich und pinnte meine beiden Arme über dem Kopf. -- Es ist unfair, dass du einen Spitznamen für mich hast und ich nicht! - ich befreite mich daraus, setzte mich ruckartig hin und stieß ihn weg. -- Na dann lass dir doch was kluges einfallen, du kleine Blondine! - er fixierte mich, umschloss meinen Kopf und rieb mit aller Wucht gegen meine Kopfhaut. -- Aua!! Sasuke, es tut weh! - ich zappelte und versuchte mich zu befreien. -- Weichei! - er machte es mir natürlich nicht leicht. Wir kämpften noch ein wenig. Es war genau richtig! Ich habe uns so sehr vermisst! Ich habe ihn so sehr vermisst… unser kleiner Kampf endete damit, dass wir umarmt auf der Matratze lagen. -- Das mit dem Küssen müssen wir unbedingt üben, - merkte er an. -- Machen wir. -- Okay, wir fangen gleich morgen früh damit an! - ich lachte kurz darüber. Er brachte meine Haare vorsichtig in Ordnung und küsste leicht meinen Kopf. Ich zuckte daraufhin zusammen, was Sasuke so gar nicht gefiel. -- Hey! - empörte er sich, - du darfst mich also im Zug in aller Öffentlichkeit küssen und ich dich nicht, oder was?! -- Ja-ja! Ich gewöhn mich schon dran, okay? Erwarte nicht zu viel von mir, das mit dem Körperkontakt ist mir immer noch leicht unheimlich… tut mir halt leid! -- Mir, ehrlich gesagt, geht es nicht anders, - sagte er leise. Das war mir aber ganz neu, - deswegen üben wir ja gleich ab morgen früh! - er lächelte mich an und ich kicherte, - aber erstmal schlaf schön, okay? -- Okay… du aber auch. Sasuke, endlich bist du bei mir. Endlich fanden wir zueinander. 1. Jahr: Sorgenfreiheit ----------------------- 🍥🍥🍥 Sasuke und ich sind schon dreieinhalb Jahre zusammen. Alle werden immer so erstaunt, wenn sie hören, dass ich mit meinen 19 seit dreieinhalb Jahren "immer noch" in meiner ersten Beziehung bin. Anscheinend ist es eine Hochleistung… ich spüre die vergangene Zeit gar nicht, mir kommt es mir immer noch wie gestern vor. Eigentlich änderte sich im großen und ganzen fast nichts in unserem Umgang mit einander: Wir ärgern uns ständig und verhalten uns nicht sonderlich anders als zur Zeit als wir beste Freunde waren. Was sich änderte, ist wie ich ihn wahrnehme sozusagen. Ich will mit ihm mein restliches Leben verbringen. Auf freundschaftlicher Ebene gibt's das auch, aber nicht soooo extensiv… es ist schon sehr anders. Und noch eine Sache hat sich definitiv geändert. Wir kennen uns jetzt sehr gut in… ähm… körperlichem Sinne. Es prägte den Anfang unserer Beziehung sehr stark. Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir am nächsten nach der gegenseitigen Liebeserklärung Tag von früh bis spät das Küssen übten. Es war schon witzig, weil ich mich anfangs total verklemmte. Die ersten Küsse endeten meistens damit, dass es mir super unangenehm wurde und dass ich ihn wegstieß. Aber am Ende des zweiten Tags konnte er mich bereits küssen, ohne weggestoßen zu werden. Am Ende des dritten Tag erwiderte ich seine Küsse. Am Ende des vierten Tags umarmte ich ihn dabei. Am Ende des fünften saß ich auf seinem Schoß und wir machten eindeutig rum. Am Ende der Woche machten wir bereits in der Schule rum, aber wenigstens heimlich. Wir hielten uns noch in Gegenwart von anderen zurück und suchten geheime Ecken, wo uns die komplette Zweisamkeit garantiert war. Am Ende der zweiten Woche war auch das nicht mehr in. Meine Hemmschwelle verschwand vollständig und ich verwandelte mich ins komplette Gegenteil von dem Naruto, der nur vor zwei Wochen bei einem unschuldigen Stirnküsschen nachts zuhause überrascht zusammenzuckte. Ab da kannte ich keine Grenzen mehr und warf mich ungehemmt bei jeder Gelegenheit auf ihn. Die Clique schmunzelte und kicherte über uns. Apropos, sie alle, außer Sakura, nahmen Sasuke sehr herzlich an. Von Neji und Tenten kam oft sowas wie: Mietet euch endlich ein Zimmer, ihr seid unausstehlich. Darauf erinnerte ich den beiden an den Anfang des letzten Sommers, als sie frisch zusammenkamen. Das reichte aus, um Tenten zum Schweigen zu bringen, aber Neji diskutierte weiterhin. Er meinte, dass sie anständiger wären und nicht gleich einander auf der Stelle verschlingen würden. Ich habe es aber sehr anders in Erinnerung, aber naja… Shikamaru und Chouji ließen gelegentlich den einen oder den anderen fiesen Spruch ab und Ino guckte uns so neidisch an. Sie wollte das gleiche mit Sai haben, aber Sai war halt immer noch Sai… nicht vergessen, er versteht manchmal nicht, wann er an der Reihe während des Gespräches ist. Hinata sagte nichts. Nur ihr Gesicht wurde rot. Und Sakura regte sich offen über uns auf. Sie war die einzige, die es total abstoßend fand. Vielleicht war sie so stinkig, weil es Sasuke war. Sie konnte ihn anfangs überhaupt nicht leiden und sie hat es auch nie verheimlicht. Das kümmerte mich anfangs allerdings null, denn ich war so sehr auf Sasuke fixiert, dass mich generell nichts anderes außer meinem Freund gekümmert hat. Wenn ich mich also mit Sakura traf, dann nur ohne Sasuke. Das brachte in den ersten Monaten denkbar wenig, weil alles, worüber ich mich mit den Leuten unterhalten konnte, war wie schön, klug, brilliant, anziehend, niedlich und sportlich mein Sasuke ist. Also verpasste Sakura mir einen neuen Titel: "ein verliebter und verblendeter Idiot". Es dauerte nicht mehr lange, bis wir zum ersten Mal miteinander schliefen. Unser erstes Mal verlief grausam und wir waren danach fest überzeugt, dass wir es nie wieder machen… tja, geeeeenau… es war genauso wie mit dem Küssen: Übung macht den Meister. In Kürze fing es tatsächlich an, richtig viel Spaß zu machen. Und dann… naja… und dann waren wir für eine gaaaaaaaanze Weile ausschließlich mit uns selbst beschäftigt. Ach, das waren Zeiten! Irgendwann konnten wir unseren Sextrieb mehr oder weniger unter Kontrolle halten. Dadurch konnten andere uns mehr oder weniger ertragen und wir hingen wieder sehr oft mit der Clique rum. Sakura konnte Sasuke weiterhin nicht wirklich leiden. Sie zeigte ihm stets kalte Schulter. Das war der Punkt, an dem mir der Ausmaß dieser Katastrophe endlich klar wurde. Ich konnte nicht ertragen, wie sehr ich mich zwischen den zwei Fronten entscheiden musste, denn Sasuke war von Sakura auch nicht wirklich angetan. Aber ich wollte unbedingt, dass die beiden zu hundert Prozent miteinander klarkommen. Mir zuliebe rissen sie sich irgendwann doch noch zusammen und versuchten einander wenigstens halbwegs zu akzeptieren. Das ging besser aus, als ich mir jemals vorstellen könnte. Ungefähr ab Mitte des vorletzten Schuljahres gingen die beiden tatsächlich freundlicher miteinander um. Es wurde später so gut, dass wir drei sehr eng zueinander wurden und eine "Clique innerhalb einer Clique" bildeten. Mittlerweile wohnen wir in verschiedenen Städten. Trotzt Sakuras Medizinstudiums und der damit verbundenen Belastung treffen wir uns einmal pro drei Monate. Mal fahren wir zu ihr, mal sie zu uns. Ich freue mich sehr darüber. Mir ist immer noch sehr wichtig, dass die beiden einander gut leiden können. Ich passe bis zum heutigen Tage auf die Beziehung der beiden auf, denn sowohl mein Freund als auch meine beste Freundin können da sehr eigen sein. Das erste Oberstufenjahr, also das, was er fast vollständig verpasste, musste Sasuke dann doch nicht wiederholen. Die Klassenlehrerin meinte, dass der Jahrgang unter uns überfüllt ist, und dass es eigentlich keinen Platz für ihn gibt. Sie wusste auch nicht so ganz, was die Schule mit Sasuke machen soll. Daraufhin fing das langwierige hin und her: Klassenlehrerin, Schuldirektor, Lernkoordinator, Leiter von Wasweißich, blablabla… ich war während dieser Gespräche dabei und konnte dem ganzen als externer Beobachter zusehen. Die Lehrer offenbarten sich mir in einem komplett neuen Licht. Sie hatten genauso wenig Bock auf Sasuke, wie Sasuke auf sie. Aber jeder Partei war schon irgendwie klar, dass die Situation nicht so stehen gelassen werden darf. Und so quälten sich alle gegenseitig von einer Sitzung zur nächsten. Nach langen Gesprächen wurde folgendes entschieden: Wenn Sasuke alle Prüfungen irgendwie schafft, dann darf er in der jetzigen Klassenstufe bleiben. Wenn nicht, dann gucken sie weiter. Was ich glaube, dass die Lehrer einfach stumm beteten, dass Sasuke es bitte schaffen soll, damit diese Geschichte endlich vom Tisch ist. Ab da versank Sasuke ins intensivste Bulimielernen, das ich je zu Gesicht bekam. Seine Mühe war nicht umsonst. Er legte in einem sehr kurzen Zeitraum eine gewaltige Menge an Prüfungen verschiedenster Art ab und bestand sie alle. Natürlich waren seine Leistungen nicht gerade glänzend, was sein Schnitt richtig vermasselte. Damals freute er sich einfach, dass es vorbei ist, und dass er mit mir wieder in der gleichen Klasse sein konnte. Aber später kamen dadurch einige Probleme zustande. Sasuke glaubt, dass ihm deswegen das Stipendium fürs Studium verweigert wurde. Er regt sich bis zum heutigen Tage darüber auf. Aber dazu erzähle ich später noch was. Nachdem sich alles mehr oder weniger gelegt hat, durften wir einfach das Leben genießen. Das zweite Oberstufenjahr war die sorgenfreieste Zeit in unserer Beziehung. Man musste sich gefühlt um fast nichts kümmern und einfach nur als ein gewöhnlicher Sechzehnjähriger existieren. Sobald sich das größte Brocken mit dem Titel "Wohnen" erledigte, konnte Sasuke die Rechtsstreitigkeiten neben dem Schulbetrieb bewältigen. Außerdem befand er sich in einer Glückspilz-Phase. So viel kam zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort praktisch von alleine zusammen, dass es kaum zu glauben war. Nachdem Sasuke endlich sein Erbrecht auf das Elternhaus rechtlich verweigerte, wurde eine Wohnung in meiner Wohngruppe sehr passend frei und Sasuke konnte fast sofort da einziehen. Das coole dabei war, dass diese Wohnung gegenüber meiner lag, also verbrachten wir sehr viel Zeit miteinander. Unsere Wohnungen wurden praktisch zu einer, die Sachen von einer tauchten magisch in der anderen und andersrum. So verlief das erste Jahr unserer Beziehung. Die Beziehung machte nur Spaß und funktionierte von alleine. Nach einem Jahr hielt ich mich natürlich für den angesehensten Experten auf dem Gebiet und dachte mir, dass die ganze Sache total easy ist. Damals wusste ich nicht, wie viel ich noch nicht wusste. Jeder Mensch ist ein Geheimnis, und Sasuke war da nicht anders. Das dritte Oberstufenjahr hob den Schleier meiner Ahnungslosigkeit ein wenig hoch und belehrte mich eines Besseren: Beziehungen funktionieren generell nicht von allein. Das durfte ich dann sehr bald aus erster Hand erfahren. 2. Jahr: Ungewissheit --------------------- 🍥🍥🍥 Mit dem Advent des letzten Oberstufenjahres schlichen sich die ersten ernsthaften Probleme in unsere juvenile Beziehung ein. Ich machte währenddessen eine Bekanntschaft mit Sasukes "Ur-Ich" und es offenbarte mir eine sehr interessante Tatsache über meinen Freund: Er ist sehr — und ich meine damit wirklich sehr — hochempfindlich und erlebt alle Emotionen ziemlich intensiv. Das war mir damals überhaupt nicht bewusst, denn er ist ziemlich gut darin, sich gerade nicht nach Gefühlen, sondern nach Verstand zu richten. Deswegen erst schuf er, diese einfache Tatsache von mir so lange geheim zu halten. Aber auch er hat seine Grenzen, und es ist besser, wenn diese Grenzen eingehalten werden. Besonders wenn es sich dabei um negative Emotionen handelt, denn sie können ihn komplett verschlingen und ihn in eine mir absolut fremde Person verwandeln. Ich glaube, das war die Person, die damals sagte, dass ich ein Niemad für ihn bin. Diese Person ist sehr beängstigend, weil man überhaupt nicht weiß, was da auf einen zukommen kann. Das meiste davon verbirgt sich in einem tiefen dunklen Abgrund und ich wünschte, dieser Inhalt könnte für immer verschlossen bleiben. Denn das, was ich bis jetzt mitbekam, war leider irgendwie unangenehm. Wenn ich es richtig verstehe, dann zeigt sich diese Seite, wenn er plötzlich mit einer zu großen Ungewissheit konfrontiert wird oder wenn er das Gefühl bekommt, die Kontrolle über die momentane Situation zu verlieren beziehungsweise absolut machtlos zu sein. Es funktioniert sehr seltsam: sein Gehirn kann in diesem Zustand nicht aufhören, immer schlimmer werdende Erklärungen mit einer unglaublichen Geschwindigkeit zu generieren, warum irgendwas "tatsächlich" schiefging und was es jetzt "tatsächlich" bedeutet. Ich betitelte diesen Zustand als "die Teufelsspirale", weil sich sein Gedankengang so wirklich komisch einzykelt und die Dramatik der Erklärungen fliegt dabei mit Lichtgeschwindigkeit der Sonne entgegen. Und so wird bei ihm manchmal aus einem Misserfolg ein Grund zum Selbstmord — ich übertreibe es wirklich nicht. Diese Ausraster kommen Gott sei Dank nicht oft vor, aber wenn sie mal vorkommen, dann weiß man, dass etwas schon sehr lange Sasuke in die Seele beißt und er es aus irgendeinem Grund immer noch nicht angesprochen hatte. Ich verstehe bis heute nicht ganz, warum er so tickt und wahrscheinlich werde ich es nie völlig verstehen. Irgendwie muss es, glaube ich, damit zu tun haben, dass er sich generell sehr stark bindet und dass ein möglicher Verlust von etwas, was "seins" ist, ihn belastet schon bevor es dazu kommt. Jedenfalls weiß ich, dass er in die Teufelsspirale endgültig geriet, sobald der Satz "wir werden uns trennen müssen" oder so ähnlich fiel. Ab da kann man seinen Zusammenbruch nicht mehr aufhalten.   Die Ungewissheit darüber, was uns nach der Schule erwartet, brachte Sasuke damals genug Kummer, dass die Grenze der negativen Emotionen, die er unter Kontrolle halten konnte, schlussendlich überschritten wurde. Mit jedem vergangenen Monat machte sich seine Nervosität bemerkbarer, aber ich dachte mir erstmal nichts dabei. Jeder war halt nervös, außer Shikamaru, der ganz genau wusste, dass er Mathe studieren wird und dass seine Eltern und ein Nachhilfenebenjob es ihm ermöglichen. Ungefähr vier Monate vor dem Ende des letzten Schuljahres war Sasuke so gereizt, dass dieses Thema den heftigsten Streit zwischen uns bis dato auslöste. Dazu gesagt, vermasselten wir es selber, indem wir das Gespräch über die Zukunft all zu lange aufschoben. Ich machte mir darüber generell nicht wirklich ernsthafte Gedanken, obwohl ich nicht gerade Shikamaru war und mir so eine abenteuerliche Leichtsinnigkeit eigentlich nicht leisten konnte. Deswegen war dieser heftige Streit einfach vorprogrammiert. Sasuke fragte mich eines Abends, was ich jetzt nun im Leben vorhabe, worauf ich ihm nichts genaues sagen konnte. Ich wollte ein Mangaka werden, denn das war das einzige, was ich halbwegs vernünftig konnte. Ich ahnte im Voraus, dass er nichts von dieser Idee hielt, weil das alles zu ungewiss war. Seine Reaktion dazu war mehr als eindeutig: er verdrehte die Augen, schnalzte laut mit der Zunge und seufzte richtig genervt. Ja, es geschah alles gleichzeitig. Seine nächste Frage war, ob ich einen Plan habe, wie ich es bewerkstellige, woraufhin ich mit einem Nein antwortete. Und dann war es soweit: Genervter Austausch hin und her, Beschuldigungen, leichte Beleidigungen, das typische streitende Lauterwerden und die ganzen Monster, die im Sasukes Kopf schlummerten, brachen frei. Seine neurotische Seite präsentierte sich in all ihrer Farben. Seine schwallartge Rede kam in einer stark verkürzten Fassung von "du hast immer noch keinen Plan" und "das heißt, du weißt nichts. Das heißt höchstwahrscheinlich, dass sich unsere Wege trennen, also werden wir uns ebenfalls trennen müssen" über "es bedeutet mal wieder Weltuntergang" und "ich überlebe nicht noch einen Weltuntergang" zu "hätte ich mich damals doch umgebracht, das Leben ist eh sinnlos und tut nur weh und am Ende ist man so oder so tot, also warum nicht jetzt". Und dann brach er zusammen. Wir saßen den ganzen Abend umarmt auf dem Fußboden und ich versuchte ihn vergeblich zwei Stunden lang zu beruhigen, aber er zykelte sich in diesem "warum hab ich mich damals nicht umgebracht" ein und kam einfach nicht raus. Ich glaube, das war sein heftigster Ausraster dieser Art, so schlimm war es dann nie wieder. Mittlerweile macht er Fortschritte. Er hat ein paar Strategien um die Gedanken selbstständig zum Stillstand zu bringen und ich freue mich sehr herzlich darüber.     Aber zurück zur Geschichte. Ich wusste, dass die Worte allein Sasuke nicht beruhigen können. Also gab ich mir größte Mühe, so viel Informationen über die Möglichkeiten mit Manga Geld zu verdienen zu beschaffen, wie ich nur konnte. Sasuke hielt nichts von dieser Idee nicht ganz unbegründet. Ein halbwegs erfolgreicher Mangaka zu werden war keineswegs leicht und es war nichtmal klar, wie genau ein Mangaka-Werdegang aussieht. Es gab halt kein Standarderfolgsrezept wie bei den meisten Berufen. Also war es tatsächlich zu ungewiss. Nichtsdestotrotz war ich in meiner Berufswahl sehr sicher. Also stellte ich einen provisorischen Plan zum Mangakawerden aus dem tiefsten Bauchgefühl zusammen und ging damit zu Sasuke. Daraufhin führten wir unser erstes Gespräch über die gemeinsame Zukunft. Gemeinsame Zukunft… selbst zwei Jahre später klingt es immer noch so hochtrabend erwachsen… ich sagte an dem Abend, dass ich überall hingehe, wo er hingeht, weil ich eigentlich relativ flexibel bin. Für meinen Plan brauchte ich nur einen vernünftigen Verlag und Sasuke wollte eh in eine Großstadt ziehen. Dann würde ich irgendein Praktikum in dem besagten Verlag anstreben. Nebenbei müsste ich einen Nebenjob machen und meine Mangas zeichnen. Er hörte mir geduldig bis zum Ende zu und entschuldigte sich für seinen Ausraster. Er meinte, dass er zurzeit unter Stress steht, weil sein Vorhaben mit dem Studium so gar nicht realistisch zu sein scheint. Er sagte mir, dass er sich extensiv übers "Studieren ohne Geld" informiert hatte und dass seine einzige realistische Möglichkeit ein Stipendium sei, und für das er sich bereits beworben hatte, aber er denkt, dass er es nicht bekommt, weil — jetzt kommt’s — sein Schnitt durch das damalige Bulimielernen richtig vermasselt wurde. Und das machte ihm gerade richtig zu schaffen. Ich hörte ihm stumm zu und ganz am Ende fragte ihn, warum zur Hölle er mir nichts davon erzählt hatte. Dafür entschuldigte er sich und sagte, dass er erstens handeln musste, weil ich keinen Plan hatte, und zweitens wollte er mich mit seinen Angelegenheiten "nicht belästigen". Dann bekam er einen kräftigen Schlag in die Schulter und eine richtig harsche Ansprache darüber, dass er so eine Scheiße bitte lassen soll. Daraufhin bekam ich ebenfalls einen Schlag, aber diesmal auf den Hinterkopf, und eine eine abwertende und ziemlich arrogante Predigt darüber, dass ich verdammt noch mal pflicht- und terminbewusster werden sollte. Nach der kleinen Prügelei und der großen verbalen Auseinandersetzung gaben wir einander ungewollt recht und versprachen uns gegenseitig, sich in der entsprechenden Richtung ein wenig zu bessern, und ich glaube, zwei Jahre später sind wir tatsächlich ein bisschen besser geworden. Dann war erstmal für ein paar Wochen Ruhe, bis Sasuke schlussendlich eine Absage bekam. Eine Woche schlich Sasuke sich deprimiert durch die Gegend und mein Herz schmerzte, wenn ich ihn so ansah. Er musste seinen anfänglichen Plan komplett verwerfen und schnell einen neuen hinlegen und sowas kann er überhaupt nicht ab, sich heute nicht. Also kam ich mit einem Vorschlag an: Erstmal eine Ausbildung machen. Sasuke klammerte sich an seiner anfänglichen Idee so total fest und zudem konnte ich ihm die Perspektiven einer Ausbildung nicht besonders schmackhaft machen. Und das war der zweite heftige Streit zwischen uns. Wir gingen ziemlich verbittert auseinander und mieden einander für eine ganze Weile. Das war tatsächlich in dem Moment genau das richtige. Mittlerweile weiß ich, dass ich höchstens die augenblicklichen Ausraster abfangen kann. Aus seiner Spirale muss er allerdings ganz allein raus. Nur so bekommt er einen klaren Kopf. Damals kam er nach einigen Tagen auf mich zu und sagte, dass mein Vorschlag eigentlich sehr pragmatisch ist. Das ist bis dato das einzige Mal, als sich Uchiha-san bei mir entschuldigt hat, und nicht andersrum. Dann fand schon das zweite ernste Gespräch über unsere Zukunft statt. Diesmal waren alle Teilnehmer mehr oder weniger ruhig und hatten mehr oder weniger Ahnung, was sie mit seinem Leben machen möchten. Das Gespräch verlief unglaublich sachlich. Wir besprachen, was wir ganz konkret machen werden. So entstand tatsächlich ein Plan, der mehr oder weniger zur Realität wurde: Sasuke bewirbt sich um die Ausbildung und dann warten wir, was da rauskommt. Dann machen wir uns auf die Wohnungssuche in der entsprechenden Stadt. Falls Sasuke mehrere Zusagen bekommen sollte, dann würde die Wahl auf die Stadt mit "entspannterem" Wohnungsmarkt fallen. Dann ziehen wir um. Das kann die Waisenkinderstiftung teilweise mitfinanzieren und Sasuke kam endlich an das Geld aus seinem Sparbuch ran. Ich versprach ihm, dass ich mich um die Mitfinanzierung kümmere, und er soll sich schon jetzt nach Ausbildungsplätzen umschauen und vielleicht sogar schon jetzt ein paar Bewerbungen abschicken. Nach dem Umzug richten wir uns ein und sobald es fertig ich, kümmere ich mich um einen Praktikumsplatz und um einen Nebenjob. Sasuke sagte, dass er auch bereit wäre einen Nebenjob aufzunehmen, falls nötig, und er erstaunte mich ein wenig. Als wir endlich diesen Plan hatten, wurde Sasuke spürbar ruhiger und unsere Streitereien erledigten sich. Ich wusste, dass er trotzdem angespannt ist. Und ich ahnte, dass diese Anspannung nicht vergeht, bis die ganze Situation endgültig geklärt ist. Ich konnte halt nichts für ihn tun und das brach mir das Herz. Einer Nacht lagen wir zusammen im Bett und er sprach mich sehr schüchtern an. An das Gespräch kann ich mich immer noch sehr gut erinnern, denn es war eine der süßesten und gleichzeitig eine der vernünftigsten Sachen, die er mir jemals gesagt hatte: -- Naruto? -- Ummm? -- Würdest du mich heiraten? -- Wie kommst du plötzlich drauf? - seine Frage war sehr überraschend. -- Na, von wegen die Ehe ist heilig und unantastbar und so… wenn wir verheiratet sind, dann darf uns nichts auseinander zwingen, oder? Dann darf das Leben dich mir nicht wegnehmen, oder? Ich umarmte ihn und seufzte. Da war es wieder: er hat Angst und will eine hundertprozentige Absicherung. Und ich kann es ihm nicht geben. Und es tut weh. -- Ich wünschte es wäre so einfach mit einem Siegel machbar. Aber selbst dann bekommt man keine Garantie, dass alles super läuft, weißt du? - mir fiel auf, dass ich mir während letzten Monaten eine sehr vorsichtige Sprechweise angewöhnt hatte. Denn Sasuke hatte ein unglaubliches Gedächtnis. -- Ummm… ist voll doof… - meinte er bockig. Es wurde still. Er war spürbar unruhig und ich wusste, dass er sich gerade gedanklich in seiner Teufelsspirale verfängt. -- Weißt du was? - plötzlich riss mich eine ganz seltsame Kraft mit und spuckte aus, - ich verspreche dir, dass wir es wenigstens die nächsten zwei bis drei Jahre hinkriegen und nicht auseinander gehen, okay? Nachdem der Satz erklang, bereute ich es bereits. Es ist so eine große Verantwortung und es kann so viel schiefgehen und was wenn es uns super mies gehen wird und es besser wäre getrennt zu sein und und… plötzlich spürte ich, dass die Spirale auch mich mitreißen kann. Sasuke schmiegte sich an mich ran und küsste mich zärtlich in den Hals. Meine Arme wickelten sich um seine Schulter um. -- Machst du mir nach zwei bis drei Jahren noch so ein Versprechen? - fragte er mich leise. -- Wahrscheinlich, - jetzt kann ich doch nicht nein sagen, - aber je nach dem wie es in zwei bis drei Jahren aussehen wird. -- Können wir es bitte immer so machen? Seine Stimme klang so hoffnungsvoll und ich wollte ihn nicht enttäuschen. -- Ich denke schon, - sagte ich deswegen und seufzte bedrückt. -- Danke dir… Die Luft um uns verklumpte sich. Zukunft… Ungewissheit… Erwachsenwerden… richtige Entscheidungen treffen… durchhalten… es ist so verdammt anstrengend und man kann dabei so viel falsch machen! Und man wird ab und zu falsch liegen. Und manchmal werden diese Fehler richtig harsch bestraft. Nichts ist selbstverständlich… und es ist so verdammt beängstigend. -- Soll ich dir was sagen? - fing ich an. -- Was denn? -- Ich würde dich tatsächlich heiraten, - sagte ich leise. -- Ach… gut zu wissen, - er schmunzelte und die Luft um und wurde leichter. -- Und du mich? -- Klar, - sagte er flüchtig, als ob es sich ums Brotkaufen handelte. -- Sind wir schon so ernst miteinander? -- Anscheinend. -- Es ist so seltsam. -- Wieso? -- Weiß ich nicht, findest du nicht? -- Na, jaaaaa schon… aber warum nicht? -- Weil wir noch so jung sind und keine Ahnung haben und so… -- Ach komm, du weißt ganz genau, dass ich für immer Angst vor der Zukunft haben werde, du für immer planlos bleibst, wir noch bestimmt deswegen streiten werden und das Ernstwerden eh irgendwie nie wirklich passend sein wird. Aber ich liebe dich und das weiß ich ganz genau. Dann kann man mit dem Ernstwerden jetzt gleich anfangen. Dann bessern wir uns vielleicht ein bisschen dadurch. Ich versuche ab jetzt wirklich die Sachen anzusprechen, weniger zu jammern und mehr von "einfach machen" ins Leben zu bringen, okay? Ich meine, du hast schon recht, ich sollte mich mehr mit dir über wichtige Sachen austauschen und nicht alles im Alleingang entscheiden… Diese kleine Rede von ihm hinterließ einen sehr großen Eindruck auf mich, der bis heute noch anhält. Während dieser Nacht entschied ich mich, dass ich das mit dem Ernstwerden gleich jetzt anfange, und versuche mein spontanes Versprechen zu halten. Schließlich will ich mit ihm zusammen sein. Es war genauso, wie damals, als er zum ersten Mal zu mir ins Bett schlich, und ich versprach mir selbst, dass ich ihn beschütze. Im Grunde war dieses Versprechen nicht sonderlich anders als das damalige, bloß jetzt war es viel konkreter, umsetzbarer und viel realistischer. Und irgendwie tatsächlich ein Stück erwachsener. An dem Abend verstand ich, dass die Beziehungen doch nicht von alleine funktionieren. Und diejenigen, die funktionieren, funktionieren nur, weil sich beide Parteien trotz zahlreicher Herausforderungen des Lebens bewusst dafür entscheiden, für den anderen noch ein wenig länger durchzuhalten. Denn das Miteinander ist es wirklich-wirklich wert. 3. Jahr: Veränderungen ---------------------- 🍥🍥🍥 Wenn ich während des zweiten Jahres unserer Beziehung sehr viel über Sasuke lernte, lernte ich während des dritten Jahres sehr viel über mich selbst. Sasuke bezeichnete mich als "die sonnigste Person", die nie ans Aufgeben denkt. Das liegt teilweise daran, dass ich mir in der frühen Kindheit die Feinfühligkeit gegenüber Misserfolgen abgewöhnte. Ich sah über die meisten Schicksalsschlägen hinweg und machte einfach weiter. Wie hätte ich sonst zurechtkommen sollen? Keine Ahnung, ob dieses Sture eine gute Überlebensstrategie ist, aber ich kannte es nicht anders. Deswegen nahm ich automatisch an, dass ich es nicht anders kann. Und nun nach 18 Jahren wurde mir offenbart, dass ich doch unter bestimmten Umständen aufgeben könnte. Das dritte Jahr zeigte mir, wie diese bestimme Umstände tatsächlich aussehen. Dies ging vollständig in die Quere mit dem, was ich über mich selbst zu wissen meinte, aber naja… mit 18 fing ich langsam an festzustellen, dass ich eigentlich von nichts eine richtige Ahnung habe, nichtmal von mir selbst. Nach der Schule kam erstmal eine richtig anstrengende Zeit mit Schulprüfungen, Sasukes Bewerbungsgesprächen, meinen Gesrpächen mit der Waisenkinderstiftung, Sasukes Zusage, Besichtigungsterminen von verschiedenster Wohnungen, zahlreichen Vermieterabsagen, einer einzigen Vermieterzusage, unserem Auszug an einem Ort, unserem Einzug am nächsten und der damit verbundene Papierkramm… nebenbei liefen das Jagen nach günstigen gebrauchten Möbel, Besuche von komischsten Einrichtungsmärkten, Streitigkeiten mit den Nachbarn gleich in der ersten Woche nach dem Einzug und sogar das Erlernen der elementarsten handwerklichen Fähigkeiten, denn unsere Wohnung war ein winziges Drecksloch in einem großstädtischen Brennpunkt mit ausgerissenen Heizkörpern, einem riesigen Loch in der Wand und ständigen Sanitätsproblemen (daher auch Handwerkerfähigkeiten). Das alles spielte sich im Zeitraum von ungefähr drei Monaten ab. Nachdem wir das nötigste an Möbeln hatten und lernten, wie wir die häufigen Überschwemmungen im Bad selbstständig beseitigen, verging die heiße Phase und es wurde etwas ruhiger. Aber nur auf den ersten Blick, das nächste sehr dringende Problem klopfte bereits leise auf die Tür: Meine Praktikumsbewerbung wurde nach langwierigem zweimonatigen Hin und Her doch abgelehnt. Ich verstand es nicht so ganz warum: die Mangaabteilung, in die ich ursprünglich die Bewerbung einreichte, wollte eigentlich mich als Praktikant anstellen, weil sie zurzeit unterbesetzt waren, aber die Verwaltung sagte trotzdem nein, weil der Verlag angeblich kein Geld für gar nichts hat oder sowas. Direkte Bewerbungen bei den Mangazeitschriften scheiterten miserabel, was mir natürlich irgendwo klar war, aber ein Versuch war es trotzdem wert. Also ganz kurz gesagt: ich hatte keinen Job und suchte verzweifelt nach einem. Ich checkte schnell, dass ich erstmal etwas brauche, was wenigstens irgendein Hungerlohn bringt. Egal was, Klos schrubben, Teller waschen, Fußboden wischen, Kisten schleppen, irgendwas, was legal und moralisch vertretbar wäre. Jede Woche gingen etliche Bewerbungen meinerseits raus und diejenigen, die ich ganz zu Anfang schrieb, waren wirklich gut durchdacht. Bloß, entweder kam nichts zurück oder eine Absage, wenn nicht per Email, dann spätestes nach dem Vorstellungsgespräch. Die ersten zehn Male konnte ich komplett auf die leichte Schulter nehmen, aber spätestens nach der zwanzigsten Absage fiel es mir etwas schwerer gar keine Gedanken darüber zu machen und jede nächste Absage fühlte sich wie ein Schlag ins Gesicht. Es wirkte nicht nur demotivierend, sondern auch irgendwie kränkend. Jeden Morgen aus dem Bett zu kommen wurde ab irgendeinem Zeitpunkt beinahe unmöglich. Mein anfänglicher begeisterter Tatendrang wurde durch einen primitiven ängstlichen Überlebensantrieb ersetzt. Ich handelte aus purer Not und es spiegelte sich in die Qualität meiner Bewerbungen wider, aber ich durfte nicht aufhören. Ich musste schnellstmöglich einen Job besorgen, denn wir hielten uns erstmal mit Sasukes Ausbildungsgehalt übers Wasser. Diese Monate waren sehr hungrig. Das war die Zeit des dreifachen Teebeutelaufgießens, des Reis mit Ei, der Nudel aus der Packung als Hauptspeise und vielleicht mal einer kleinen Gemüsebeilage. Meistens wurden Tomaten zu dieser Beilage. Ich wusste nicht, dass man nur mit Tomaten und ein paar simplen Gewürzen so viel anstellen kann: braten, kochen, backen, überbacken mit Käse, passieren, schälen, dampfen, garen, trocknen, auf dem Spieß im Backofen grillen oder sogar räuchern… es war schon verrückt… Sasuke freute sich heimlich darüber und ich sah es ihm genauso heimlich an. Seine Tomatenliebe macht ihn irgendwie so richtig niedlich. Und außerdem sind die verdammten Tomaten das Billigste auf der Gemüsetheke und wir mussten trotz unserer finanzieller Lage das gesunde Ernähren doch irgendwie simulieren (sonst kriegt man ja Gewissensbisse), also waren Tomaten die perfekte Wahl. Darüberhinaus bereitete mir Sasukes kindische Freude über diese skurrilen Tomatenspeisen ebenfalls eine sehr große unverfälschte Freude. Dadurch konnte ich in den ersten Monaten diese triste hungrige Zeit doch mit Humor und Niedlichkeitsgefühlen über meinen großäugigen aufgeregten Sasuke-chan nehmen. Neben Tomatenperversion hatten wir mal ab und zu sogar was festliches: Zum Festgetränk krönten wir das billigste Flaschenbier und vom Festessen sprachen wir, wenn wir an eine Packung Schweinehack aus dem wöchentlichen Angebot rankamen. Wir lernten schnell nichts zu verschwenden. Alles wurde vollständig aufgegessen, egal wie schlecht das Tomatenexperiment verlief. Außerdem sparten wir überall sonst: Nebenkosten, Kleidung und sonstige Verbrauchsartikel, Sasukes Schulzeug und sogar Medikamente. Und trotzdem rechte das Geld nicht aus und wir gingen jede Nacht halbhungrig ins Bett. Und so lernte ich meine eigene Grenze kennen. Nach ungefähr achtmonatigen verzweifelten Arbeitssuche stellte ich mir fast täglich die Frage wozu das Ganze. Mein Leben rutschte generell in den Abgrund: ich war arbeitslos, superarm, befand mich in einer leichten existenziellen Krise, meine Wohnung war ein winziges Drecksloch in der beschissensten Gegend in der Stadt und mein Freund musste mich von seinem nicht gerade großzügigen Ausbildungslohn und Ersparnisse seiner Eltern monatelang durchfüttern. Das Geld reichte katastrophal nicht aus und Sasuke meinte irgendwann, dass er einen Nebenjob annimmt, wenn es sich anbietet. Ich überhörte seine Äußerung und nahm es nicht ernst. Doch eines Abends kam er mit einer Neuigkeit auf mich zu: es könnte sein, dass er tatsächlich einen Nebenjob durch einen Bekannten von seinem Arbetskollegen bekommt. Es ging um eine sehr prekäre Aushilfsstelle als Samstagsspätschichtverterung in einem Hipstercafé. Das hieß, wenn jemand von den etwas "fester" angestellten die Schicht nicht machen konnte (was komischerweise fast jeden Samstag passierte), musste Sasuke die Schicht von 16 bis 22 Uhr spontan übernehmen können. Er bekam schlussendlich die Stelle. Ohne die komischen Samstagsspätschichten sah seine Arbeitswoche gerade nicht sehr entspannt aus: Die Ausbildung forderte von ihm einen sechsstündigen Arbeitstag, dazu musste er drei mal pro Woche die Berufsschule besuchen. Die Berufsschule lief ebenfalls nicht einfach so: es gab Hausaufgaben, Tests und Vorträge. Außerdem lag alles in verschiedenen Stadtteilen, also musste er neben dem Job und Schule 2-3 Stunden des Lebens in der Bahn von Montag bis Freitag verbringen. Und jetzt noch das… dadurch war auch der Samstag komplett tot. Sasuke schlief meistens sehr lange, bis um 12 oder so, und spätestens um 15 Uhr musste er bereits im Zug sitzen. Nach der Samstagschicht kam er gegen Mitternacht erschöpft nach Hause, fiel direkt ins Bett und schlief sehr schnell ein. Sonntags waren wir mit dem Haushaltskramm beschäftigt: Wocheneinkauf, Putzen, Wäsche waschen, Sasuke bereitete sich auf die nächste Arbeitswoche vor und montags ging es von vorne los. Und das Schlimme war, dass sich Sasuke dabei absolut nicht beschwerte. Er sagte einfach gar nichts dazu. Stattdessen tauchte jeden Monat am 15 das Essensgeld in der obersten Schublade seines Schreibtischs und dann durfte sich das Uchiha-Uzumaki Haushalt die nächsten 30 Tage davon das Essen einkaufen. Und jedesmal, als ich mich an diesem Geld bediente, biss etwas sehr schmerzhaft in meine Seele. Von Woche zur Woche wurden diese Bisse schmerzhafter und meine Schuldgefühle mehrten sich. Seitdem Sasuke den Zweitjob bekam, verbesserte sich zwar unsere finanzielle Lage, aber dafür verschlimmerte sich mein mentaler Zustand. Das zerbrach mich komplett. Ich war so total nutzlos! Sasuke hatte zwei Jobs und ich konnte mir nichtmal eins besorgen. Obwohl ich mich wirklich anstrengte, brachte es gar nichts. Ich war ein Parasit, der Sasukes Geld und Ersparnisse verfrass. Und so sah dieses Etwas, was mich völlig aus der Bahn werfen kann. Das war mein Äquivalent von der Teufelsspirale. Bloß es war schlimmer, weil es nicht nur in meinem Kopf existierte. Es lauerte überall, degenerierte mich zu einem verwerflichen Parasit, raubte mir alles Positive, war so gar nicht von mir selbst abhängig und dennoch kontrollierte dieses Etwas meine gesamte Existenz. Und ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich es stoppe. Ich tat schon alles von mir abhängige, aber es war trotzdem nicht genug. Bei weitem nicht. Und darunter knackste ich jeden Tag noch ein bisschen mehr an. Eines Abends, nach noch einer Absage, kam ich nach Hause, legte mich auf den Fußboden und ließ der Verzweiflung mich vollständig zu konsumieren. Sasuke war nicht da und es war gut so. Ich wollte ein wenig allein sein und gedanklich ein wenig im Selbstmitleid baden. Doch dann entriegelte sich die Tür. Sasuke kam nach Hause. Toll. Jetzt werden wir reden müssen und ich hatte keine Lust darauf. -- Bin zuhause! - rief Sasuke fröhlich aus dem Flur. Ich meldete mich nicht zurück. -- Naruto? Bist du da? Ich hörte, wie sich seine Schritte dem Wohnzimmer nähern. Uns trennte nur eine blöde dünne Schiebetür. Und ich hasste sie so, wie ich noch kein Gegenstand im Leben hasste. Warum hat diese verdammte Tür nichtmal einen billigen Schloss?! Oder wenigstens eine Riegel?! Warum ist unsere Wohnung so ein Müllhaufen, der nur aus einem einzigen Zimmer besteht?! Was, wenn ich einfach nur allein sein möchte?! Ich hätte halt noch das Bad, aber verdammt! Das Bad ist nur 1 Meter mal 1.5 Meter groß! Es hat nur anderthalb Meter Fläche! Kann ich mir so gar keine Privatsphäre gönnen, nur weil ich arm bin?! Was soll das?! Plötzlich ertönte das Schiebegeräusch, das die Tür unfreiwillig abließ. Er setzte sich neben mich und sagte aufgeregt (und gleichzeitig sehr entschuldigend): -- Ich hab sehr gute Neuigkeiten… meine Überstunden vom Januar wurden endlich ausgezahlt, also war ich heute mal richtig ordentlich einkaufen! Festessen ohne Ende! -- Aaaa… - ließ ich begeisterungslos ab. -- Heute koche ich für uns einen geilen Ramen! Wie klingt's denn? Du hast bestimmt Bock drauf, ne?! Er war wirklich glücklich. Und ich konnte dieses Glück nicht mit ihm teilen. Ich musste mir selbst gestehen, dass ich neidisch auf ihn war… sein Leben verbessere sich eindeutig, seitdem seine Eltern verstarben. Und meins geht irgendwie den Bach runter. Ich krieg nichts hin. Warum passiert mir nichts gutes und Sasuke schon?! Es ist halt ziemlich bitter… mein Gott, beneide ich ernsthaft meinen eigenen Freund? Was soll das…? Wie tief bin ich denn gesunken? -- Aaaa… - erwiderte ich sehr begeisterungslos. Er seufzte schwer, streichelte über meine Haare, legte meinen Kopf auf seinen Schoß und sprach mich leise an: -- Es wird schon… Seine Stimme klang so liebevoll… aber gleichzeitig so verräterisch. Er weiß es doch auch nicht. Warum lügt er mich überhaupt an? -- Neeeeein… ich bin nutzlos… keiner will mich einstellen… nichtmal als Autowäscher… es wäre ja halb so wild, aber ich fresse dein Geld auf und schade dir direkt. Bitte verlass mich… -- Sag sowas nie wieder, - der Satz hörte sich unglaublich rau an, aber er hörte nicht auf, meinen Kopf zu liebkosen. Er gab mir ein kleines Küsschen auf die Stirn, ich kniff mir die Augen zu und räumte ihn zur Seite. Ich wollte jetzt keinen körperlichen Kontakt. Ich wollte in Ruhe gelassen werden. Er seufzte und hörte auf, mich zu berühren. -- Naruto, es wird alles gut… - seine Stimme klang wieder sanft und mitfühlend. Und schon wieder diese Lügen… sie kommen halt genau dann, wenn man sich die Wahrheit nicht eingestehen mag. -- Verlass mich doch einfach, - sagte ich erschöpft. -- Nein. - wendete er kräftig ein. -- Warum denn nicht?! - unterbrach ihn ihn, - dann kannst wenigstens du ein normales Leben haben, mit gutem Essen, guter Unterhaltung zwischendurch, guten Hobbys und wirklich guten Freunden. Ich gönne es dir, wirklich… du hast es verdient, Sasuke, und eigentlich steht es dir zu, nur meinetwegen geht es dir so dreckig… du musst jetzt hungern, dich durch diesen blöden Samstagjob in diesem blöden überheblichen Snobcafé ausnutzen lassen und in diesem winzigen Drecksloch mit wöchentlichen Überschwemmungen wohnen. Deswegen verlass mich. Dir wird es bestimmt besser gehen, das ist schon sehr vernünftig. Und keiner wird dich dafür verurteilen. -- Und was machst du dann? - fragte er kühl. -- Keine Ahnung… mach dir keine Sorgen, ich überlege was. Vielleicht werde ich Drogen verkaufen oder Prostitution betreiben. Ich bin noch nicht so ganz benutzt, also finde ich bestimmt irgendwelche verzweifelte Kunden… -- Schwachkopf! - schrie er mich an, haute mich in die Schulter und legte meinen Kopf weg von seinem Schoß, - und was ist mit deinem Versprechen, dass wir es die nächsten zwei bis drei Jahren hinkriegen und nicht auseinander gehen? -- Dann kann ich es wohl nicht halten… siehst du, ich lüge dich an und dazu bin ich noch eine Riesenbelastung. Schmeiß mich lieber weg. Ist okay, wirklich… -- Ey, so ein Schwachkopf bist du! Du redest Unsinn. Hör damit auf. Er ließ mich liegen und machte sich stumm ans Kochen ran. Er zauberte ein wirklich leckeres Abendessen für uns, während ich bewegungslos auf dem Fußboden lag. Dann deckte er für uns direkt auf dem Boden und stellte mir den Teller mit der Suppe direkt vor der Nase. Ich pickste mit den Stäbchen in die schönen Toppings und wühlte in den Nudeln rum. Die Suppe war so wohlriechend! Mir lief Wasser im Mund zusammen. Aber irgendwie dachte ich, dass ich nichts davon abbekommen darf. Ich ließ schlussendlich alles auf dem Teller. Sasuke sagte wieder nichts, räumte alles weg und machte den Abwasch. Und ich lag weiterhin bewegungslos auf dem Fußboden. Nachdem er fertig war, setzte er sich zu mir und sammelte mich wortlos auf seinem Schoß zusammen. Ich schmiegte mich hilflos und ziemlich passiv an ihn ran. Er roch angenehm, mein Sasuke… wir verbrachten den Abend umarmt. Er streichelte nachdenklich meine Haare, blätterte dabei durch seine Schulunterlagen durch und murmelte sich was dabei. Es erinnerte mich daran, wie wir damals tagelang kuschelten. Ich schloss meine Augen und stellte mir vor, wir wären wieder 16 und saßen auf der Couch in meiner damaligen Wohnung. Es würden überall dreckige Anziehsachen liegen… in der Küche würde ein Abwaschberg stehen… keine hätte seit einem Monat Staub gewischt… und wir waren in diesem Chaos trotzdem so glücklich! Wir beide hatten damals eine sinnvolle Beschäftigung, keine Geldsorgen, eine schöne Wohnung und stets gutes Essen. Für alles war schon gesorgt und wir mussten nur unsere mickrigen sechszehnjährigen Probleme bewältigen… ich wollte zurück in diese Zeit. Abends rollte er unsere Betten aus und, nachdem ich umgezogen war, kollabierte ich einfach darein. Er räumte noch ein paar auf dem Fußboden liegenden Sachen in den Schrank, putzte sich die Zähne, legte sich ins Bett und schlief direkt ein. Und lag schlaflos da. Und ungefähr nach einer Stunde brach ich leise zusammen. Sasuke wurde dadurch wach und umarmte mich zärtlich, während ich stumm heulte. -- Naruto, komm… nicht weinen… -- Was soll ich den sonst tun?! Ich weiß, dass weinen nicht hilft. Aber Nichtweinen hilft auch nicht! Ich mach schon so viel und flieg immer wieder auf die Fresse! Ich hab es so satt, weiß du?! Ja, ich hab halt keinen guten Schulabschluss, aber verdammt! Eine Anstellung darf doch nicht nur allein am Schulabschluss liegen! Irgendwie bin ich ein Versager und die Leute merken es mir an, oder wie? Fakt ist, dass keiner mich haben will!! -- Ich will dich haben… - sagte er leise. -- Toll! Damit werde ich nicht bezahlt! Du weißt doch, wie ich es meine… -- Ja, und trotzdem sag ich dir, dass du mein Schatz bist. -- Ja-ja… - erwiderte ich genervt, - dafür gibt es immer noch kein Gehalt… -- Naruto, bitte hör mir zu. Gib dich selbst nicht auf. Denn… - er legte eine Pause. -- Was "denn"?! - plapperte ich ihm genervt nach. -- Denn… ich brauche dich, - ich guckte ihn mit Verdacht an und er fuhr fort, - ich meine es wirklich. Ich brauche dich, sonst kann ich nicht völlig gesund im Kopf bleiben. Er hängt immer noch an mir, warum auch immer. Mit 15 wurde ich zu seinem Retter und jetzt ist von diesem Heldentum nur eine graue hässliche Asche übrig. Von seinem Held mutierte ich zu einem ekligen Parasit, welcher auf ihn komplett angewiesen ist. Ich bin nicht mehr das Einzige, worauf er sich hundertprozentig verlassen kann… jetzt braucht er weder mich noch meine Hilfe. Im Grunde lügt er mich also ziemlich unverschämt an… -- So ein Quatsch! - spuckte ich genervt aus. -- Wir beide wissen, dass ich bereits an dem Punkt war, wo ich ohne dich ernsthaft mein Leben beenden würde, also kann es kein Quatsch sein. -- Es ist schon zu lange her. Jetzt würdest du bestimmt ohne mich zurechtkommen. Er seufzte schwer. Wir beide wussten, dass es stimmt. Die Tatsache, dass ich ihm damals geholfen hatte, kann diese neue Tatsache einfach nicht überschreiben. Seine Einwände waren alle. Er näherte sich mir an, umarmte meinen Rücken und drücke mich fest an sich. -- Naruto, reiß dich bitte noch ein kleines wenig zusammen. Wenn nicht dir selbst zuliebe, dann mir zuliebe. Du konntest schon immer meine Belangen über deine eigenen stellen, du Usuratonkachi. Du bist weder dumm noch nutzlos. Du bist ein kleiner Sonnenschein in der Dunkelheit. Und es macht dich so schön… - wisperte er mir ins Ohr. -- Tja, während der letzten acht Monaten sehe ich besonders schön aus, ne? - warf ich sarkastisch und drehte mich zu ihm um. Dabei presste ich meine Stirn auf seine und grinste ihn spöttisch an, - guck in diese fröhliche Fresse mit schwarzen Augenringen rein! Schönstes Gesicht seit dem Anfang des Universums! -- Komm, hör auf, - er räumte mich zur Seite, - wir wissen beide, dass die jetzige Situation eine riesengroße Scheiße ist, und ich kann es jetzt nicht schönreden. Aber dein Leiden ist nicht umsonst und er zahlt sich am Ende aus. Bitte glaub mir und mach einfach weiter. Ich werde dir solange helfen, bis du meine Hilfe nicht mehr brauchst. Und irgendwann wird dieser Zeitpunkt kommen. Und dann kannst du uns einen leckeren Ramen spendieren, okay? Aber erstmal helfe ich dir. Dafür bin ich schließlich da. Damit du nicht allein bist. -- Sasuke… du… Ich fing an zu weinen und schmiegte mich an ihn ran. -- Ich will doch auch, dass es vorbei ist, - sagte er leise, - ich will, dass du wieder du bist… dass du wieder deine dummen Comics mit dem üblen Slapstickhumor schreibst… dass du dich über einen Instant-Ramen aufrichtig freuen kannst… dass du mich zu Manga-Cons um 4 Uhr morgens schleppst und ich mich darüber aufregen kann… dass du mich wieder mal ärgerst und ich meine fiesen Sprüche ablassen kann… ich erkenne dich nicht mehr… deine Augen sind trübe und gucken sehr verbittert und rau. Wo ist mein Naru-chan? Mein kleiner Sonnenschein… -- Ich weiß es nicht… er mutierte zum Parasit, fühlt sich nutzlos und ist innerlich ein wenig kaputt. -- Achhh, - er seufzte, - bis du den Job hast, wird sich vermutlich nichts ändern. Ich frag nochmal rum und halte noch mehr Ausschau nach den Stellenanzeigen. -- Aaaa… -- Wir schaffen es schon. -- Dass ausgerechnet du dir so sicher bist… du hast keine Ahnung, wie es ausgeht. Es liegt nicht an dir. Also kannst du jetzt nichts behaupten. -- Ich weiß, aber ich hab so ein Gefühl. -- Toll! Davon werde ich ebenfalls nicht bezahlt… ich bin sehr anstrengend, ne? -- Ein bisschen, - eine seine Augenbrauen hob sich hoch und er lächelte müde. -- Ich wusste… - ich lächelte ihn zurück und küsste ihn, - danke, dass du immer noch zu mir hältst, und noch nicht abgehauen bist. -- Wir wollten noch die nächsten zwei bis drei Jahren zusammen sein und nicht auseinander gehen, weißt du noch? Es sind erst elf Monate vergangen, also haben wir noch ein bisschen was vor uns. Ich hau nicht ab, du hörst auf so deprimiert zu sein, dann passt es doch. Ich schmunzelte. "Ich hau nicht ab, du hörst auf so deprimiert zu sein, dann passt es doch"… es klingt so schön einfach. Seine aufmunternde Rede tat mir gut. Dadurch erinnerte ich mich daran, dass ich Naruto Uzumaki bin, und dass ich eigentlich nicht feinfühlig genug bin, dass ein Misserfolg (oder halt eine ganze Reihe von Misserfolgen) mich aus der Bahn wirft. Ich beschloss, dass ich auf Sasukes Gefühl einfach mal blind vertraue. Ich hatte eh keine besser Option als das, also warum nicht? Und tatsächlich hatten er und sein Bauchgefühl recht. Nach einer Woche bekam ich eine Stelle im nächstgelegenen Supermarkt durch einen puren Zufall. Zwei Kassiererinnen unterhielten sich darüber, dass sie eine neue Regaleinräumkraft suchen müssen, und ich mischte mich spontan ein. Es war um die Mittagszeit und es gab nicht so viele Kunden, sodass sich die zwei ein wenig mit mir unterhalten konnten. Eine Frau war blond und hatte große braune Augen. Sie sah erstaunlich jung aus, aber sie machte einen sehr kompetenten Eindruck. Und, ich muss sagen, dass sie erstaunlich gut aussehend war. Die andere hatte dunkle Haare und war definitiv ihrer Kollgein untergeordnet. Die Blonde übernahm ab irgendwann das Gespräch und die Dunkelhaarige bediente währenddessen die Kundschaft und hörte mit einem halben Ohr zu. Die Blonde sagte, dass ich gerne meine Bewerbung vorbeibringen kann, worauf ich sofort meinen Lebenslauf raushaute. Daraufhin überraschte ich die beiden zutiefst und sie lachten ein wenig darüber. Die Dunkelhaarige meinte scherzhaft, dass ich doch nicht so verzweifelt nach einem Job suche, dass ich sogar zum einkaufen einen Lebenslauf mitschleppe. Woraufhin ich meinte: "ja, genauso ist es. Ich suche seit acht Monaten verzweifelt nach einem Job und mein Freund und ich müssen deswegen seit acht Monaten hungern. Und jede Nacht bete ich zu den Göttern, dass ich diesmal bitte angenommen werde". Dies ließ die beiden sprachlos. -- Kind, wie heißt du, sag mal? - wendete sich die Blonde an mich. -- Uzumaki, Naruto. -- Naruto also… Naru-chan, dann hört deine Suche somit auf. Du arbeitest ab Montag hier. Ich kümmere mich darum, dass du bei uns angestellt wirst. -- Wie jetzt? - ich war leicht überfordert, - ist es so einfach? -- Nein, eigentlich nicht. Aber du siehst so aus, als ob du den Job sehr nötig hättest, du tust mir aufrichtig leid und ich finde, dass deine Anstrengungen belohnt werden sollten. Mein Neffe ist ungefähr so alt wie du, aber er macht sich gar keine Mühe unabhängig zu werden, und weigert sich sogar Jobs anzunehmen, die die Verwandtschaft für ihn organisiert, und du scheinst so eifrig dafür zu kämpfen… deine Eltern sind bestimmt stolz auf dich, ne? -- Ääääähm… nicht wirklich, nein, - die braune Augen der Blonden drückten ein Hauch von Empörung aus, - weil ich… ääähm… ein Waisenkind bin. -- Ach du meine Güte, das auch noch, - sagte sie nachdenklich, - ich mag dich, Naru-chan. Ich bin übrigens Tsunade, die Leiterin dieser Filiale, und das ist Shizune-san, meine Stellvertretung. -- Freut mich Sie kennenzulernen. Oh, und ihr macht tatsächlich Kassendienst? - ich wusste gar nicht, dass die Filialeleitung sowas überhaupt machen muss. -- Ja, bei uns ist alles ziemlich simpel und alle sind miteinander per du. Du darfst mich auch duzen, wenn du magst. Nur Papierkram ist anstrengend, aber das ist überall so, mach dir keinen Kopf deswegen. Ab Montag gehörst du offiziell dazu. Willkommen in die Supermarktkette Konoha, Filiale 12706. Ich verließ den Laden mit einem Wocheneinkauf und einem Job dazu. Ich war leicht überfordert und glaubte dem Geschehenen immer noch nicht. Erst abends realisierte ich es vollständig und die positiven Emotionen überwältigten mich. Als Sasuke nach Hause kam, warf ich mich auf ihn und teilte ihm die Neuigkeit mit. Er grinste verschwörerisch, tauchte in die Tiefen des Kleiderschranks ein und fischte daraus eine Flasche Wein. Wir feierten tatsächlich einen Aushilftsjob in einem Supermarkt, und es war so dermaßen lächerlich. Aber es war uns egal. Für mich fühlte sich diese Anstellung wie ein Riesenerfolg an und Sasuke sah es nicht anders. Und damit war die heiße Phase tatsächlich vorbei. Nach dem Ganzen überzeugte ich mich, dass meine Überlebensstrategie im Grunde gar nicht so falsch ist. Manchmal werden Anstrengungen nicht belohnt. Aber es heißt nicht, dass man deswegen komplett aufgeben muss, denn diese Alternative ist eh zum Scheitern verurteilt. Aber noch eins wurde mir klar: ich muss nicht alles allein bewerkstelligen können. Manchmal braucht man einen guten alten Freund wie Sasuke, der einen aufbaut, oder einfach nur einfühlsame Menschen, wie Tsunade-Obaachan (obwohl sie wie 25 aussah, war sie tatsächlich 53, was ziemlich gruselig war. Deswegen nannte ich sie Obaachan), um sich herum. Dann klappt alles. Und ein wenig Glück gehört auch dazu. Ja, ein bisschen Glück schadet sicher nie… 4. Jahr: Mittendrin ------------------- 🍥🍥🍥 Das dritte Jahr unserer Beziehung endete auf einer sehr positiven Note, obwohl sich der schwarze Streifen währenddessen ganz schön lang anfühlte. Rückblickend betrachtet schufen Sasuke und ich doch ziemlich viel: jetzt versorgen wir uns komplett selbst und sind nicht mehr auf staatliche Hilfe angewiesen. Das mit dem Selbstständigsein ist eigentlich gar nicht so trivial, wie man es vielleicht meinen würde (oder, wie ich es selbst mal meinte, als ich noch in der Schule war). Und ich würde sogar sagen, dass es eine besonders große Leistung ist, wenn man Sasukes und meine Umstände berücksichtigt. Deswegen konnte ich mir zum Schluss meinen, im Vergleich zu Sasukes, späten Jobeinstieg und die Tatsache, dass es immer noch nicht der Job ist, den ich tatsächlich machen möchte, verzeihen. Leider ist mein Leben kein Shounen-Manga und manchmal wünsche ich mir im Ernst, dass es eins wäre. Ich behalte mittlerweile immer im Hinterkopf, dass nicht jedes Vorhaben am Ende tatsächlich mit einem Erfolg gekrönt wird, und wenn man zu oft scheitert, ist es halt ziemlich bitter. Gleichzeitig glaube ich daran, dass alles ein Ende hat, und das Schlechte ist keine Ausnahme. Zum Beispiel bin ich der Meinung, dass ich mich von dieser langen Aneinanderreihung von Misserfolgen ziemlich gut erholte und momentan mein Leben relativ gut im Griff habe: ich habe eine feste bezahlbare Bleibe, die mir übrigens sehr ans Herz wuchs (endlich machten wir dieses blöde Loch in der Wand zu und regelten halbwegs die Heizprobleme. Sasuke beklebte sogar die neuen Bretter über dem Loch mit unseren Bildern und ich besorgte uns einen riesigen flauschigen Teppich, auf dem wir manchmal abends sehr faul vor dem Fernsehen rumkuschelten), genug Geld fürs Essen und die eine Person, die trotz meiner zahlreichen charakterlichen Mängel immer noch treu zu mir hält. Für Sasuke bin ich dem Schicksal am dankbarsten. Selbst wenn wir uns manchmal ganz doll streiten, lieben wir einander genauso wie damals mit 15 und diese innige freundschaftliche Verbindung zu ihm ist keinesfalls weg, nein. Sasuke ist immer noch mein allerbester Freund und ich weiß, dass dieses eingebildete hochnäsige Arschloch mich niemals im Stich lässt (eigentlich ist er sehr süß und unglaublich niedlich. Er darf aber nichts davon erfahren, okay?) Seine Situation war natürlich wie immer perfekt: er kündigte den blöden Caféjob und wurde stattdessen befördert. Möglicherweise beendet er sogar die Ausbildung ein Jahr früher. Die Übernahme beim Betrieb schien auch fast selbstverständlich zu sein. Wenn mich depressive Laune erwischt, frage ich mich, warum er immer noch mit mir zusammen ist. Mal ganz ehrlich: er ist schlau und ich bin dumm, seine Zukunft sieht ziemlich vielversprechend aus und meine ist immer noch zu ungewiss, er ist realistisch und ich bin naiv, er ist teuflisch gut aussehend und ich bin höchstens süß und generell ist er wunderschön und ich bin halt ich… andererseits an meinen guten Tagen erinnere ich mich daran, dass unzählige Monster im Sasukes Kopf schlummern, und wenn nur eins davon erwacht, wird er unglaublich schwer zu handeln. Und die Tatsache, dass ich eins der wenigen Menschen bin, der diese Monster tatsächlich unter Kontrolle kriegen kann, wärmt mir total das Herz. Ich wage mal sogar zu behaupten, dass ich mit Sasukes neurotischen Seite besser umgehen kann, als er selbst. Übrigens, ich erfüllte den ersten Teil meines spontanen Versprechens: wir hielten ab dem Tag unseres gegenseitigen (und leicht skurrilen) Quasi-Heiratsantrages zwei Jahre durch. Sobald noch ein Jahr um ist, mache ich eine Riesenfeier. Ganz gleich ob Sasuke eine will oder nicht. Denn dann ist mein erstes spontanes Versprechen um. Ich geb ihm gern noch ein zweites solches Versprechen. Diesmal wird es nicht spontan sein und ich bin hoffentlich darauf vorbereitet. Wenn das zweite Versprechen um ist, dann geb ich ihm noch ein drittes… dann noch ein viertes… dann noch ein fünftes… und das werde ich hoffentlich solange machen, bis der Tod uns scheidet. Also ganz kurz gesagt, geht es uns und unserer Beziehung ziemlich gut. Ansonsten arbeite ich seit fast acht Monaten im Supermarkt und es läuft fantastisch, wenn ich alles in ein Wort verklumpen muss. Tsunade-Obaachan, Shizune-san und die anderen Kollegen sind soooo cool! (Wir sind insgesamt zu acht). Ich treib mich generell gern in Konoha rum, auch außerdienstlich, weil es dort eine sehr angenehme familiäre Atmosphäre herrscht. Die Hilfskräfte unternehmen gern Sachen miteinander und ich fand auch meinen kleinen Platz in dieser Clique. Sie alle nahmen mich super herzlich an. Und Tsunade ist eine komplette Geschichte für sich. Sie und ich bauten in dem Zeitraum eine sehr interessante Beziehung auf: sie nahm mich persönlich unter ihren Schutz und passt quasi auf mich auf. Einmal wagte ich sogar mit ihr meine persönliche Probleme zu besprechen, nachdem ein Streit zwischen Sasuke und mir ausbrach. An dem Abend beim nächtlichen Feierabendbier im Mitarbeiterraum (sie hatte an dem Tag Spätschicht) erzählte ich ihr sehr viel über Sasuke, unsere Beziehung und wie es überhaupt dazu kam. Sie hörte mir geduldig zu, gab ab und zu Ratschläge oder teilte mit mir ihre Gedanken und Beobachtungen. Wir redeten an dem Abend generell sehr viel und sehr offen. Sie erzählte mir, dass ihr Mann als Soldat im Auslandseinsatz fiel. Sie war zu der Zeit hochschwanger und wegen des ganzen Stress hatte sie eine Fehlgeburt. Seitdem kann sie keine Kinder bekommen und keine Beziehungen führen. Sie sagte auch, dass ihr verstobener Sohn jetzt 27 wäre, und dass er Nawaki hieße. Dann verriet sie mir, dass sie sich um mich kümmert, weil ich gerade in der "umgekehrten" Lage stecke. An dem Abend fragte ich mich, ob eine Mutter zu haben sich genauso warm und herzlich anfühlt. Eine andere wichtige Sache ist mein Mangaka-Traum. Ich gab ihn immer noch nicht auf und fühlte mich mittlerweile imstande ihm endlich sehr ernsthaft nachzugehen. Erstmal bekam ich den Zweitjob in einer großen Buchhandlung speziell in der Mangaabteilung. In meinen Augen brachte mich diese Stelle ein Stück weiter und anfangs freute ich mich darüber tierisch bis es sich rausstellte, dass ich sehr viele unbezahlte Überstunden ableisten musste, währenddessen ich irgendwelche Werbebanner zwangsverpflichtet gestaltete. Später erfuhr ich, dass ich Tatsache aus genau diesem Grund eingestellt worden war. Generell war die Filialleitung beschissen und nutzte jeden Mitarbeiter in irgendeiner Art aus. Wenigstens musste ich keine Extrakisten schleppen, wie manch ein anderer (mein Kumpel Yahiko war einer dieser armen Seelen). Und mich freute, dass die Werbebanner ausgerechnet für die Mangaabteilung gemacht werden mussten. Ich muss schon zugeben, dass ich einiges dabei lernte, obwohl dieses Werbunggestalten an sich eine unwillkommene Extratätigkeit war. Und so unscheinbar verlief mein Leben. Ich hielt von einem Tag zum nächsten durch und am Ende eines Tages war ich unendlich froh zu Hause bei meinem Sasuke zu sein. Was vielleicht nennenswert ist, ist die Tatsache, dass ich mal wieder an einem Comic arbeite. Diesmal ist es eins der seriöseren, enthält aber nichtsdestotrotz Slapstick. Der Comic basiert auf einem Mitarbeiter in der Buchhandlung, dessen persönliche Lage ich total spannend fand. Er heißt Nagato, ist Mitte dreißig und ist eins dieser unangenehmen Menschen, die man versucht zu meiden. Bloß er und ich mussten sehr oft die Schicht zu zweit machen, also war das mit dem meiden nicht so ganz realistisch. Ich konnte ihn nicht leiden, weil sein Wesen einfach so verbittert über alles war, und irgendwann erfuhr ich warum. Nagato ist mit Yahiko befreundet, und Yahiko verriet mir während unserer Schicht, dass Nagato ein sehr schweres Leben hat. Er ist ein Waisenkind und wuchs in einem Waisenhaus auf, wo er sehr schlecht behandelt wurde. Er durfte außerdem nie eine qualitativ hochwertige Bildung genießen, wodurch seine Ausbildungschancen von vornherein sehr schlecht waren. Deswegen steckte er ab 18 im tiefsten Geldnot, weil er einfach keinen Job bekam. Er musste sogar für kurze Zeit obdachlos werden und dann traf er Yahiko, der Nagato nach einem zweistündigen Gespräch ein Schlafplatz bei sich zuhause angeboten hatte, ohne ihn zu kennen (ja, Yahiko ist schon ziemlich krass, ich würde wahrscheinlich nie sowas tun). Dazu war er generell sehr kränklich und Yahiko war die erste Person, die ihn irgendwie freundlich behandelte (in dem Falle ist es sogar überfreundlich). Der Part "ab 18 im tiefsten Geldnot stecken" klang irgendwie voll nach mir selber und ich konnte es wirklich gut nachvollziehen. Und diese Geschichte machte mich total nachdenklich. Ja, Nagatos Leben ist scheisse und er wurde unfair behandelt. Aber darf er jetzt deswegen so arschig zu allen anderen sein? Und genauso wie damals mit meiner dummen Erkenntnis entschied ich durch einen Comic nach Antworten zu suchen. Sasuke fand mein neues Werk total spannend, was mich ungemein freute. Ich zeigte es außerdem Yahiko und er schien dem auch nicht abgeneigt zu sein. Meine kleine Leserschaft trieb das Entstehen des neuen Comics sehr effektiv voran, besonders weil einer davon mir mit einem Kussentzug drohte, wenn es ihm zu lange dauerrte, was mir natürlich tierische Angst einjagte. Ich war also sehr damit beschäftigt. Ich hatte insgesamt durch den Comic und zwei Nebenjobs sehr wenig Freizeit. Diese Woche war allerdings sehr besonders, weil Sasuke für die Woche seine Kussentzugsdrohung aus einem sehr bestimmten Grund zurückzog: Sakura kam zu Besuch. Sie hatte schon wieder viel zu erzählen. Wir bestellten uns Pizza, saßen zuhause am Fußboden und unterhielten uns für eine ganze Weile. Sie wollte unbedingt abends ausgehen. Sasuke und ich wohnten in einer großen Stadt und Sakuras Studentenstadt hatte kein spannendes Nachtleben. Und irgendwann um 10 machten wir uns zu dritt in einen Club auf. Aufbruch ins Unbekannte ----------------------- 🍥🍥🍥 Mittlerweile waren wir seit ungefähr zwei Stunden im Club und ich war ganz schön besoffen. Sakura fand sich sofort eine männliche Gesellschaft und ließ Sasuke und mich alleine. Sasuke war auch nicht mehr der nüchternste und heute vielleicht sogar besoffener als ich. Ich vermutete es, weil er mitten auf der Tanzfläche mit mir ein sehr dummes Spielchen trieb: seine Ellbogen ruhten auf meinen Schultern und seine Stirn berührte meine. Er zwang mich meine Hände auf sein Hintern zu legen und sein Becken schmiegte sich sehr fest gegen meinen. Er guckte mich nicht direkt an, sondern warf mir ab und zu flüchtige flirtende Blicke, die ich zunächst als eine Kussaufforderung deutete. Jedoch jedesmal, als ich ihn tatsächlich zu küssen versuchte, weigerte er sich auf eine sehr jungfräuliche Weise und ich raffte endlich, was er will. Er provoziert mich und testet die Grenzen meiner Selbstbeherrschung aus. Und darin bestand das Spiel. Ich stieg darauf ein und jetzt teste ich meine Standhaftigkeit. Außerdem weiß ich, dass er mir am liebsten das Küssen erlauben würde. Ich meine, im Endeffekt küssen wir uns eh, die Frage ist nur, wer zuerst einbricht. Ich bin wirklich gespannt darauf. So tanzten wir für eine ganze Weile und es knisterte zwischen uns ununterbrochen. Ich wurde sehr erregt, hielt aber immer noch Sasukes anziehende Andeutungen standhaft aus. Er wollte so eifrig gewinnen, dass er sich was sehr fieses einfallen ließ: er drehte sich um, nahm meine Hände und legte sie sanft auf seine Oberschenkel. Meine Finger krallten sich ungewollt darin und ich drückte ihn instinktiv zu mir ran. Er fing an, sich im Takt zur Musik zu bewegen. Dann neigte er seinen Kopf nach vorn und mir offenbarte sich sein bleicher Hals. Auf den betrunkenen Kopf schienen seine Bewegungen sehr anmutig zu sein. Und sie alle waren sehr sehr reizend. Er kannte meinen Körper leider zu gut und wusste ganz genau, wie man ihn zum Durchdrehen bringt. Und verdammt wirkte es! Ich will ihn auf der Stelle! Am liebsten würde ich ihn ins nächste Klo schleppen und ähm… naja… vor meinen Augen spielte sich sofort ein bildhaftes Kopfkino ab. Mmmm, Sasuke! Scheiße… ich glaube, ich hab verloren. Ach egal. So macht verlieren richtig viel Spaß! Ich saugte mich an sein Hals wie ein Vampir und schmatzte ihn mit aller Wucht ab. Meine Zunge wanderte entschlossen über seine bleiche makellose Haut und ich leckte gierig seinen Schweiß ab. Salzig. Ich würde so gern so fest zubeißen, dass er blutet… mmm! Er ist mein Nachtisch und ich will alles an ihm bis zum letzten Krümmel verzehrt haben! Alles nur für mich! Ich biss zu und er stöhnte kurz auf, streckte seinen Rücken zu mir, machte den Hals lang und fing an, kurze laute hauchende Geräusche von sich zu geben. Seine Hände grabschten mich unsystematisch ab, er wälzte ungeduldig in meinen Armen und stellte den absichtlich reizenden Körperkontakt zu mir her. Er wollte damit ausdrücklich machen, dass er wirklich unverschämt angefasst werden will. Endlich hörte er auf mit dieser erzwungenen Zurückhaltung und zeigte sein verdorbenes Wesen. In diesem Moment verkörperte er buchstäblich die Lust. Und es war ungemein schmeichelhaft, dass er sich in Lust auf mich verwandelte. Meine Hand glitt ungeduldig in den Spalt zwischen den Knöpfen an seinem Hemd und er hielt mich nicht auf. Ich tastete seinen Oberkörper flüchtig ab und er stöhnte genüsslich dabei. Meine Hand wanderte langsam nach unten und mittlerweile waren meine Fingerspitzen kurz davor Sasukes Hosenbund zu überqueren. Sie berührten sogar leicht die Wärme, die sein Unterkörper generierte. Sasuke stöhnte etwas lauter und versicherte mir damit, dass ich nichts falsch mache. Wir sind so schlimm… es ist alles so öffentlich hier… naja, um uns ernsthaft für unser Verhalten zu schämen sind wir beide viel zu besoffen und von zu vielen Pärchen umgeben, die ungefähr aufs gleiche Niveau gesunken sind. Und ich glaube, wir haben beide das Spiel richtig mies verloren. Na dann weißt du ganz genau, was zu tun ist, ne, Sasuke? Plötzlich zog er sich zurück von mir, nahm meine Hand raus und knöpfte seinen Hemd zu. Er drehte sich zu mir und ich sah dieses leicht spöttische Grinsen auf seiner Miene. Das Spiel ist also doch nicht zu Ende. Na gut… meine Arme wollten sich um ihn herum wickeln, aber er schüttelte sie entschlossen ab. In seinen betrunkenen Augen brannte ein leicht verrücktes und sehr leidenschaftliches Feuer. Mich zu ärgern macht ihm so verdammt viel Spaß. Dieser Uchiha, ey! So ein Arschloch! Er gab mir ein ganz ganz kleines Trostküsschen, knabberte dabei leicht an meiner Lippe und flüsterte verführerisch mir ins Gesicht: -- Ich hol mal was zu trinken, sonst überhitzt du, Füchschen, - und mit diesen Worten vermischte er sich bereits mit der Menschenmasse. Ich stand für eine Weile allein und in mir brodelte dieser primitive unkontrollierbare Sextrieb. Ich wollte diese Spannung unbedingt in nächster Zeit lösen. Sasuke weiß wirklich zu gut, wie man mich anmacht, und jetzt hasste ich ihn dafür. Eine sehr mächtige Waffe! In der nächsten Sekunde wickelten sich seine Arme um mich herum und zogen mich in eine unbekannte Richtung. -- Du bist so ein Arschloch! - warf ich frustriert. -- Wow! Wie wäre es mit einem "Hi"? Eine Stimme, die definitiv nicht Sasuke gehörte, sprach mich ziemlich unbesorgt an. Es dauerte gefühlt drei Ewigkeiten, bis ich realisierte, dass diese Stimme Gaara gehörte. -- Oh, Gaara! - ich war froh ihn zu sehen und leicht überfordert zugleich, weil ich nicht wusste, wie ich die Aussage von vorhin rechtfertigen soll, - ja, ein "Hi" ist definitiv eine freundlichere Begrüßung als "du bist so ein Arschloch". Also… ähm… hi? - meinte ich total betrunken zu ihm. -- Hi, - antwortete er mit einem Hauch von Lachen, - ach Mensch, wenn ich nur wüsste, dass du schwul bist, hätte ich mich damals um dein Praktikumsplatz noch mehr gekümmert. -- Waaas? Warum spielt es überhaupt eine Rolle, dass ich auf Typen stehe? - fragte ich dumm. -- Weil ich dich damals total interessant fand, - meinte er mysteriös. -- Hä? Was soll denn das heißen? -- Ich wollte mit dir ausgehen, du Idiot! - Gaara lachte kurz. Irgendwie kam mir vor, dass er mich gerade total niedlich fand. Keine Ahnung, wo diese Vorstellung herkam. -- Achsoooo! Neee, ich bin vergeben… dieser scharfe Schwarzhaarige ist mein Freund. Wo ist er eigentlich? Sasuke!! Sasukeeee!!! - rief ich mit aller Wucht. Ich hab komplett vergessen, dass Sasuke Getränke holen wollte. -- Ach komm, lass uns ein wenig tanzen, - Gaaras eine Hand verdeckte meinen Mund und die andere umschlang sanft meine Taille. -- Baggerst du mich etwa an? - meine Fragen wurden definitiv nicht intelligenter. -- Als ob, Uzumaki, bilde dir nichts ein. Ich will nur ein wenig Spaß haben. Es ist wirklich nur tanzen. -- Achsoooo, na dann! - plötzlich machte Gaaras Begründung total viel Sinn und ich legte meine Arme um seinen Hals herum. -- Uzumaki, weißt du, wir suchen jetzt wirklich Praktikanten. Ich meine, die Stelle ist jetzt offiziell ausgeschrieben und so, damals waren wir mehr oder weniger von der Verwaltung abhängig. Temari hat sich darum gekümmert, weil wir wirklich super unterbesetzt sind. Es geht einfach gar nicht mehr. -- Ach was! - empörte ich mich, - mich wolltet ihr nicht haben und jetzt also… -- Das stimmt nicht und das weißt du ganz genau, - sagte er plötzlich sehr ernst, - jedenfalls, wenn ich dich hier so antreffe, vielleicht magst du dich erneut bewerben? Temari wird sich bestimmt freuen… -- Lass ihn gefälligst los!!! Dieser Blonde gehört mir!!! - es donnerte plötzlich aus dem nichts. Im nächsten Moment wurde ich gewaltsam von Gaara getrennt, nach hinten geschleudert und zwischen Gaara und mir bildete sich eine dicke undurchdringbare Wand. Es dauerte einen Moment, bis ich diese kraftvolle Stimme Sasuke zuordnen konnte, und verstand, dass diese Wand gar keine Wand war, sondern Sasuke. Er stand zwischen uns und aus ihm strömte eine unverfälscht entschlossene Kampfbereitschaft. Sein Körper verwandelte sich in eine abschreckend faszinierende und unglaublich komplexe Tötungseinheit, sodass diese Gestalt meinen betrunkenen Blick fesselte. Sasuke hatte ernsthaft vor hier und jetzt seins bis zum bitteren Ende zu verteidigen. Seine Reaktion wirkte auf mich leicht übertrieben und vor allem in keiner Weise gerechtfertigt (eigentlich war sie schon irgendwo nachvollziehbar, aber ich war immer noch stockbesoffen). Die gesamte Situation fühlte sich etwas grotesk und surreal an. Ich verstand nicht, was das soll. Gaara und ich haben doch nichts verbrochen. Das war doch nur Tanzen. Für mich war Sasuke jetzt ein riesengroßer Spaßverderber, der, dazu gesagt, unglaublich heiß war. Ich versuchte mit Gaara einen Blockkontakt über Sasukes Schulter herzustellen, aber er hinderte mich daran ohne sich umgedreht zu haben. Ich fand es leicht unheimlich. Hat er Augen im Nacken oder was?! -- Saaaaasuke! - ich hängte mich aufdringlich über seinen Hals und versuchte ihn ein wenig zu schieben um ein wenig Platz zu verschaffen, - wo warst du denn? -- Wer ist das?! - er ignorierte meisterhaft meine Frage indem eiskalt eine neue hinlegte. Und er ließ sich nicht schubsen. Sein Körper versperrte mir den Weg nach vorn. Es verärgerte mich und ich wurde bockig wie ein kleines Kind. -- Das hier? Ich zeigte auf Gaara und legte absichtlich eine Pause um ihn zu ärgern. Ich war immer noch verspielt, Sasuke meinte es aber todesernst. Mein Ton gefiel ihm gar nicht und er ließ es mich sofort wissen: er drehte sich zackig um und seine blutroten Iriden schossen eins dieser wütenden Blicke auf mich. Ich zuckte instinktiv zusammen, bereute meine Leichtsinnigkeit und beeilte mich mit einer Antwort: -- Das ist Gaara, - sagte ich, - Gaara aus dem Sabakuno Verlag, wo ich damals das Praktikum machen wollte. Weißt du es noch oder hast du es mal wieder verdrängt? -- Und warum fasst er dich an?! - schrie er böse auf. Eigentlich wollte er nicht wissen, wer Gaara ist. Das war die letzte Sache, die ihn in diesen Umständen interessierte. -- Weil wir getanzt haben. Ist doch nicht schlimm, oder? - in der kurzen Zeit könnte ich definitiv keinen klügeren Einwand basteln. Ich war immer noch stockbetrunken, obwohl Sasukes wütendes Auftreten sehr ernüchternd wirkte. -- WAAAS?! -- Gaara meinte, dass wir nichts tun. Also war das doch okay, oder? - ich wiederholte mich aus voller Ausgangslosigkeit. Vielleicht kauft er es mir jetzt ab? -- Ey, Naruto, weißt du was?! - er packte mich gewaltsam am Handgelenk und zog mich mit, - wir suchen jetzt Haruno und fahren nach Hause! Es reicht für heute! -- Aber… ich würde noch sehr gern mit Gaara quatschten! -- Tsk! - er schnalzte kraftvoll mit der Zunge und ich kapierte endlich, dass ich mich mit Sasuke lieber nicht anlege. Nicht jetzt. -- Gaara, ich ruf dich an und dann können wir entspannt reden, okay? - warf ich dem Rothaarigen hinterher. -- Okaaay! War gut dich zu sehen, Uzumaki!! Bitte schreib die Bewerbung!!! - konnte ich im lauten Club als allerletztes rausfiltern. Wie wir es nach einer halbstündigen Suchaktion rausfanden, fuhr Sakura mit ihrer männlichen Gesellschaft irgendwo hin. Den gesamten Nachhauseweg verbrachten wir in völliger Stille. Ich startete unzählige Annäherungsversuche, aber Sasuke würgte sie bereits im Anfangsstadium ab. Okay, dann halt keine Zärtlichkeiten… zuhause schob er sein Futon in den Flur und legte sich stolz im Eingangsbereich. Ach, wir sind schon an dem Punkt… gut zu wissen. Sakura verbrachte noch zwei Tage bei uns. Sie und ich mieden Sasuke gezielt, um seiner saueren Miene zu entgehen. Er verbreitete eine schwere Aura um sich herum. Sobald er den Raum betrat, wurde die Luft dickflüssiger und alle Konversationen hörten abrupt auf. Deswegen versuchten Sakura und ich so viel Zeit außerhalb der Wohnung zu verbringen, wie es nur ging. Wir waren an einem Tag schoppen und generell in der Stadt ein wenig rumbummeln. Sie schwärmte von dem Typen aus dem Club und meinte, dass sie sich vielleicht verliebt hätte. Ich erzählte ihr im Gegenzug über unseren Streit mit Sasuke im kleinsten Detail. Sakura meinte erlöst zu mir, sie wäre froh, dass Sasuke nicht mitkam. Wir lästerten über ihn ein wenig. Hoffentlich bekam er keinen all zu großen Niesenanfall. Am letzten Tag kam ich mit ihr zum Date mit diesem Typen aus dem Club mit. Auf den ersten Blick schien er total nett zu sein. Wir verbrachten den Tag zu dritt, sie tauschten Kontakte aus und abends brachte ich sie zum Bahnhof. Dann kam ich nach Hause und traf auf Sasukes sauere Miene, was mir die gute Laune vermieste. Wir tauschten immer noch kein Wort aus und jeder war mit seinem Kleinkram beschäftigt. Er war gerade dabei, was zu lernen, als mich Gaara anrief. Ich ging ran und spürte sofort, dass ich Sasuke nicht entkommen kann. Jedes kleine Wort und jede kleine Bewegung wurden von ihm sofort registriert. Gaara und ich führten einen sehr langen Telefonat, der ungefähr eine halbe Stunde oder so dauerte. Zuerst klärte er mich vernünftig über den neuen Praktikumsplatz auf und was man alles beachten sollte und die letzten zehn Minuten quatschten wir ein bisschen privat. Ganz am Ende bedankte ich mich herzlich dafür, dass er es für mich macht, worauf er scherzhaft meinte: "was ich alles für einen gut aussehenden Mann nicht anstelle!" Diese kleine aber feine Bemerkung fühlte sich auf den nüchternen Kopf ganz schön komisch an, obwohl er, technisch gesehen, nur ein Kompliment gemacht hatte. Trotzdem war es irgendwie… ääähm… und 30 Minuten lang spürte ich, dass ich sehr aufmerksam beobachtet werde, und es war sehr unangenehm. Nach dem Telefonat sagte Sasuke weiterhin nichts, obwohl ich wusste, dass er gern was sagen würde. Er warf mir nur diese moralisch wertende Blicke zu. Ich nahm mir eigentlich vor, diesmal nicht als erstes nach Versöhnung zu suchen. Eigentlich sollte Sasuke mindestens ein Mal pro Leben ein solches Gespräch einleiten. Mich belastete die momentane Situation aber, deswegen glaubte ich, dass ich bald anknackse und ihn doch noch als erstes anspreche. Sasuke Uchiha war der Meister des Psychoterrors und Punkt. Er machte sich später stumm ans Kochen ran und dann aßen war im Anschluss in völliger Stille an einem Tisch. Das war der Punkt. Ich kann es nicht mehr aushalten: -- Was willst du sagen? - sprach ich ihn eifrig an, aber es kam keine Antwort. Jetzt behielt ich ihn im Auge. Wenigstens verheimliche ich es nicht im Gegensatz zu jemandem gewissen. -- Sasuke, was ist los? Du willst schon seit ein paar Stunden was sagen und ich weiß es, also raus mit der Sprache. Er weigerte sich weiterhin. -- Komm schon! - ich bewegte mich auf ihn zu und zwang ihn mir in die Augen zu gucken. Er versuchte seinen Blick von mir abzuwenden, - rede mit mir!! Bitte! -- War das vorhin am Telefon Gaara? - fragte er eingeschnappt und ziemlich ungewollt. -- Ja. -- Was wollte er denn? -- Er wollte nur sagen, dass sie jetzt ernsthaft Praktikanten suchen, und dass ich mich auf die Stelle bewerben sollte, und klärte mich über die Formalitäten auf. -- Achso… - er schluckte hörbar und stellte eine Frage, die er tatsächlich stellen wollte - hat er dich mal wieder angebaggert? -- Nein! - erwiderte ich automatisch, - Sasuke, keiner baggert mich an, okay? -- Na doch! Du hast diese Gabe die Sympathien einfach auszublenden! Du meinst nur, dass keiner auf dich steht! Ich sehe es aber! -- Was siehst du denn? - fragte ich leicht genervt. -- Na, wie sie alle auf dich gucken! Wie sie alle dich so toll finden, und nur darauf warten, dass du den ersten Schritt machst! -- Entschuldigung, aber wer ist denn diese "alle"? Also deiner Meinung nach? -- Na, zum Beispiel diese Matsuri aus dem Supermarkt! Wie sie immer total anders in deiner Gegenwart wird! Und wie sie sich für dich kleidet? Ich sollte lieber nicht damit anfangen! Oder Hinata! Das mit Hinata war damals so verdammt offensichtlich, dass nur ein Blinder es nicht hätte mitbekommen können! Oder du halt, Usuratonkachi! Aber wenigstens war Hinata anständig genug und Matsuri wird nichts aus persönlichen Überzeugung machen. Aber dieser Gaara! Wie er sich auf dich warf!!! Nein, da hört meine Geduld auf! Da ist Schluss! Keiner darf meinen Naruto in so einer Weise anfassen! Er stand auf, schnappte mich, als ob ich ein mittelgroßer Gegenstand war, trug mich auf den Teppich und drückte mich so fest an sich, dass ich kaum Luft bekam. -- Sasuke, ich kann nicht atmen… - beschwerte ich mich, aber er ignorierte meine Aussage und drückte mich noch fester zusammen. -- Ich kann nicht ohne dich, Naruto, - wisperte er deprimiert. Dieser Satz machte mich besorgt. Ich vermutete, in welche Richtung das Gespräch gehen wird, - dich zu verlieren macht mir so viel Angst, dass du es dir wahrscheinlich nicht vorstellen kannst. Allein der Gedanke daran befördert einen sehr starken Schmerz in mir und ich kann es fast nicht aushalten! - plötzlich wurde er lauter. Seine Stimme zitterte, aber er fuhr fort, - es tut so weh, dass ich heulen kann! Deswegen bin ich so verdammt eifersüchtig! Keiner darf dich mir wegnehmen, verstanden? Bitte versprich mir, dass es nie passiert, okay? Okay?! Ich machte mir nicht umsonst Sorgen. Wenn er so schwallartig redet, dann bedeutet das, dass er kurz davor ist, in seine Teufelsspirale zu geraten. Ich muss ihn beruhigen, bevor es dazu kommt. -- Sasuke… bitte reg dich ab, - fing ich vorsichtig an. Dabei befreite ich mich aus seinem krampfhaften Halt und setzte mich ihm gegenüber, - es war wirklich nichts, ich war einfach ganz schön besoffen. Gaaras Einwand mit dem "wir machen doch nichts, es ist nur Tanzen" machte damals total Sinn. Jetzt sehe ich ein, dass ich nicht mit den fremden Typen rumkuscheln sollte. Ich hab die Grenze überschritten. Du aber irgendwo auch. Stimmst du mir zu? -- Ja, schon, - er wurde verschmust und legte den Kopf auf meinen Schoß. Ich fing an durch seine Haare zu fahren. -- Ich meine, selbst wenn ich mit einem Typen besoffen im Club tanze, heißt es nicht, dass ich dich betrügen werde. Siehst du es ein? -- Jaaaa… aber… sowas verletzt mich halt zutiefst, - gab er ungewollt zu, - und dann überreagiere ich gern… -- Ich weiß, dass du ziemlich besitzergreifend bist, - sagte ich scherzend zu ihm und er lächelte weich, - deswegen sollte ich dich nicht provozieren. Bitte verzeih es mir. -- Okay… -- Ich bin halt dumm und Alkohol macht es nur noch schlimmer. Und… Sasuke, du solltest bitte deine Wut unter Kontrolle kriegen. Und hör mit diesem Psychoterror auf. Du weißt, dass ich es wie die Pest hasse. -- Mmm, - murmelte er bejahend, - ich war aber auch ziemlich besoffen… -- Na gut, minus ein Punkt für die Wut. Womit rechtfertigst du den Psychoterror? Er wurde still, weil er wusste, dass es keine Rechtfertigung für sein Verhalten existiert. Nach guten zehn Minuten Stille spuckte er bockig aus: -- Ich versuch das mit, wie du es nennst, dem Psychoterror irgendwie einzustellen. Oder wenigstens irgendwie zu vermindern. -- Gute Entscheidung. Ich schmunzelte, beugte mich zu ihm und flüsterte in sein Ohr: -- Aber ich verrate dir mal was, erzähl es bloß niemandem! Besonders diesem Uchiha! Er ist nämlich verdammt heiß, wenn er mich so eifrig verteidigen will. Es ist aber ein sehr großes Geheimnis! Trage es bloß mit ins Grab, sonst hab ich ein Problem. Er kicherte, errötete im Gesicht und ein zufriedenes Grinsen besetzte seine Miene. -- Okay, ich trage dieses Geheimnis mit ins Grab, - flüsterte er mir verschwörerisch zurück. -- Danke! Ich küsste ihn und er erwiderte. Okay, er scheint versöhnungsreif zu sein. -- Vertragen wir uns wieder? - fragte ich hoffnungsvoll. -- Ja, - sagte er nachgebend. -- Guuuut, - atmete ich erlöst durch und wühlte in seinen Haaren rum. -- Naruto? - sprach er mich beängstigt an. -- Ummm? -- Sorry, - sagte er schuldig und guckte mich mit großen ehrlichen Welpenaugen an. Ach Mann, wenn er mich so anguckt, kann ich einfach nicht sauer auf ihn sein. Selbst wenn er zwei Tage lang diesen Psychoterror betrieb. Ach Sasuke… ich küsste ihn erneut. Der restliche Abend verlief ziemlich friedlich. Sasuke lernte was für die Schule und ich schrieb meine Bewerbung. Nebenbei lief der Fernseher und Sasuke kochte für uns Kännchen Tee. Irgendwann um 11 drückte ich ihm mein Anschreiben in die Hand. Ich war erstaunt, wie bereitwillig er seine Unterlagen zur Seite gelegt hatte um sich mein dummes Anschreiben durchzulesen. Er ging den kompletten Text Satz für Satz durch, machte seine Verbesserungsvorschläge, korrigierte die Basic-Grammatik und lachte mich dabei aus. Dann gegen um 1 gingen wir ins Bett. Ich lang noch für eine gute Stunde schlaflos da. Plötzlich besorgte mich meine jetztige Situation: ich stürzte mich so hitzköpfig in dieses Praktikumsabenteuer ohne einen vernünftigen Plan hinein, nur weil Gaara mir sehr viel "versprochen" hatte (Gaara versprach mir eigentlich nichts direkt, aber seine Worte waren sehr hoffnungsmachend). Mindestens zwei Fragen müssen so schnell wie möglich geklärt werden. Erstens: was passiert mit meinen beiden Stellen, wenn ich einsteigen kann? Und zweitens: wie viel werde ich als Praktikant in einer Shounen-Zeitschrift verdienen? Die erste Frage war eigentlich mehr oder weniger selbstverständlich, es hackte eher an der Umsetzung. Die zweite Frage war nicht so trivial und sie muss mit Sasuke besprochen werden. Ich vermute, dass ich als Praktikant bei einer 40 Stunden Woche weniger verdienen werde, als eine Aushilfskraft mit 30 Stunden Woche. Irgendwie bitter aber naja… ein Praktikum bei einer Manga-Zeitschrift bietet auf jeden Fall mehr Möglichkeiten ein Mangaka zu werden, als ein Supermarktnebenjob oder ein Nebenjob in einer Buchhandlung, und das ist es schon wert. Noch viele andere Gedanken bezüglich meiner jetztigen Situation beschäftigten mich, während ich schlaflos im Bett lag. Ich glaube, ich gelangte buchstäblich an eine Gabelung in meinem Leben und, wenn ich diesen wichtigen Außenposten überquere, wird sich mein Leben für immer ändern. Es ist aufregend und beängstigend zugleich. Jede neue Möglichkeit ist entweder ein potenzieller Erfolg oder ein potenzielles Scheitern. Was bringt diese neue unbekannte Welt mit sich? Wo treibt mich dieses Abenteuer hin? Wie entwickelt sich mein Leben, wenn alles klappt? Und wie entwickelt es sich, wenn nicht? Ich kann es leider nicht wissen. Was ich aber ganz genau weiß, ist, dass dieser schwarzhaarige Typ, der neben mir friedlich schläft, mich auf dieser Reise ins Unbekannte treu begleiten wird und ich darf auf seine Unterstützung zählen. Zusammen ist man stärker als allein. Deswegen glaube ich daran, dass sich meine Zukunft doch dem Positiven wendet. Erwachsensein, Teil 1 --------------------- 🍥🍥🍥 Mittlerweile sind Sasuke und ich seit über 10 Jahre zusammen. Und es läuft nicht so gut. Eigentlich läuft es sehr schlecht. Mein Berufsplan endete damit, dass ich erstmal als Praktikant angestellt worden war und wurde dann in Kürze übernommen. Ich machte eine Unmenge zusätzlicher Aufgaben, wodurch ich ziemlich schnell zum Editor befördert wurde. Es freute mich bis zur Ohnmacht und diese wilde Freude verblendete mich sofort. Ich machte einfach alles, worauf mein Blick nur fiel. Mein erstes Projekt saugte mich komplett ein. Dadurch hockte ich viel zu oft in der Redaktion mit dem ersten Mangaka rum, der mir anvertraut worden war. Er heißt Utakata und ich bin bis zum heutigen Tage sein Editor. Er war damals auch neu und wir mussten quasi in dieser verrückten Manga-Welt zusammen aufwachsen. Deswegen entstand zwischen uns sehr schnell eine sehr gute Freundschaft. Und dies stellte meine Beziehung zu Sasuke zum ersten Mal so richtig auf Probe. Sasuke war sofort überspitzt eifersüchtig auf Utakata und das leider nicht ganz ohne Grund. Ich verbrachte anfangs tatsächlich zu viel Zeit mit ihm. Und es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es war alles nur geschäftlich. Privat konnten wir uns eben auch ganz gut leiden. In Utakata fand ich plötzlich jemanden, mit dem ich meine Leidenschaft für Manga auf einem ganz anderen Niveau teilen konnte, als mit Sasuke. Sowas war für Sasuke und mich einfach unmöglich. Und ich glaube, Sasuke belastete diese Tatsache viel zu sehr und er sah Utakata als eine Art Bedrohung an. Natürlich lief zwischen Utakata und mir nie was, zumal steht er generell nicht auf Männer. Aber Sasuke reichte es nicht als plausibler Einwand aus. Er wurde damals unverschämt besitzergreifend: er glaubte mir überhaupt nicht, stellte jede meine Aussage unter Verdacht, suchte explizit nach Beweisen meiner Untreue und spionierte mich sogar ab und zu aus. Es löste natürlich sehr viele Streitigkeiten zwischen uns. Schlussendlich lernte Sasuke sich nicht darüber zu kümmern und ließ mich mein Ding machen. Wir bestanden die Probe nicht und zwischen uns bildete sich eine kleine schwarze Schlucht. Nach diesem Vertrauensbruch fing unser Untergang an. Aber davon wusste ich damals natürlich überhaupt nichts. Stattdessen freute ich mich darüber, dass mein Freund mir endlich etwas Freiraum lässt. Ich war immer noch unfassbar naiv. Während ich fröhlich in meiner aufregenden bunten Manga-Welt rumschwamm, verirrte sich Sasuke in einem endlosen dunklen stürmischen Meer. Er wusste nicht so recht, wohin er jetzt ohne mich soll, und ich eilte überhaupt nicht zur Hilfe. Den Ausbildungsjob bezeichnete er als stupide und seiner Zeit nicht würdig. Diese Äußerung nahm ich ziemlich direkt zur Kenntnis und schrieb dieses Problem zu schnell ab, ohne seinen stillen Hilferuf mitbekommen zu haben. Dann nahm er die Sache selbst in die Hand und fing ein Informatikstudium an, welches er in Nullkommanichts durchzog. Er knüpfte wertvolle Kontakte, legte eine glänzende Abschlussarbeit hin und direkt nach dem Abschluss flog ihm ein super Jobangebot direkt in die Hände. Der Job war einfach ein Traum: die Bezahlung war mehr als großzügig, man durfte sich am interessanten Forschungsprojekt beteiligen und man hatte Möglichkeiten ab und zu ins Ausland zu gehen. Sasuke wusste nicht so recht, ob er den Job haben möchte. Und weil es alles auf Anhieb so super aussah, ermutigte ich ihn dazu, ohne mir im Klaren darüber zu sein, dass er immer noch nach einem neuen Rückzugsort sucht. Ich hörte ja seine Hilferufe nicht mehr. Und damit schob ich ihn praktisch in diese schwarze Schlucht. Heute bereue ich, dass er den Job damals annahm. Eigentlich wäre es nicht nötig, dafür ging es uns gut genug. Jedenfalls stürzte sich Sasuke kopfüber in dieses Forschungsprojekt hinein und arbeitete wie verrückt, indem er täglich mindestens 12 Stunden in seinem Büro verbrachte. Und ab einem Zeitpunkt fiel mir auf, dass wir uns katastrophal wenig sehen. Unsere Beziehung fand ausschließlich am Wochenende statt, was auch nicht jedes Mal durch meine eigene Arbeit klappte. Aber das störte mich immer noch nicht, weil ich das Gefühl hatte über seinen Alltag ziemlich viel Bescheid zu wissen. Ich kannte zum Beispiel einige seiner Arbeitskollegen und hatte zudem eine ganz grobe Vorstellung davon, womit er sich täglich beschäftigt. Es fühlte sich komplett ausreichend an. Aber als er die Arbeitsgruppe wechselte, kam ich nicht mehr mit und die Schlucht zwischen uns nahm plötzlich astronomische Ausmaße. Das war mir aber bis zum bitteren Ende nicht bewusst. Ich bemerkte, dass etwas nicht stimmt, als Sasuke mir eines Tages ziemlich trocken mitteilte, dass er am anderen Ende der Welt gebraucht wird und dadurch ab sofort sechs Monate pro Jahr im Ausland verbringen muss. Und ab da fing ich an mir Sorgen über uns zu machen. Leider öffneten sich meine Augen viel zu spät. Sasuke ist einfach zu weit weg von mir gestrandet und diese Distanz schien beinahe unüberwindbar zu sein. Also leben wir seit zwei Jahren praktisch getrennt. Eigentlich ist eine Wochenendbeziehung fast schon Luxus, weil sie einer echten Beziehung doch noch irgendwie ähnelt. Und jetzt haben wir nichtmal das. Wenn er im Ausland ist, führen wir ein Mal pro Woche eine halbstündige trockene Videounterhaltung. Und nichtmal das kriegen wir vernünftig hin. Manchmal sehe ich weder sein Gesicht noch höre ich seine Stimme mehrere Monate hintereinander. Alles, was mir in solchen Tagen von meinem Freund übrig bleibt, sind die Kurznachrichten, die ab und zu auf dem leblosen Display meines Handys auftauchen. Wäre es nur das. Viel schlimmer ist, dass ich mich während er im Ausland ist nicht so ganz miserabel fühle. Wenn er nach Hause kommt, haben wir nichtmal diese gelegentlichen Telefonate. Er verlässt das Haus um 6 Uhr morgens, während ich noch schlafe. Und ich dagegen komme sehr spät zurück, wenn er schon schläft. Und ziemlich oft hocke ich auch am Wochenende unbezahlt im Büro rum. Manchmal weiß ich nicht, was es eigentlich ist. Ob die Arbeit wirklich so wichtig ist? Oder will ich Sasuke explizit aus dem Weg gehen? Ich glaube jedenfalls stets ans Erste. Deswegen sehen wir einander fast nur schlafend. Der einzige häufige Kontakt, den ich mit meinem Freund habe, ist das nächtliche Kuscheln mit seinem völlig erschöpften Körper. In diesen kurzen Momenten vergesse ich, dass unsere Welten nicht nur räumlich meilenweit auseinander sind. Ich vergesse, dass sich diese verdammte Schlucht zwischen uns immer schneller ausweitet. Ich vergesse, dass ich keine Ahnung habe, was in seinem Leben momentan abgeht, und dass ich absolut gar nichts davon verstehe, was er beruflich macht. Ich vergesse, dass unsere gemeinsame Wohnung mittlerweile mir allein gehört. Ich vergesse, dass wir beim Abendessen nichtmal ein vernünftiges Gespräch führen können. Ich vergesse, dass wir uns völlig fremd geworden sind. Ich bilde mir einfach ein, dass wir immer noch dieselben sechzehnjährigen Sasuke und Naruto sind, die einander zum Überleben brauchen. Und für eine kurze Sekunde bin ich tatsächlich unfassbar glücklich. Jetzt ist er seit zwei Monaten wieder zuhause und heute gehen wir endlich aus. Er buchte einen Tisch in einem sehr teuren Restaurant, nur Gott weiß wieso. Und jetzt stehe ich ratlos vor dem Kleiderschrank und weiß nicht, wie ich mich anziehen soll. Was ist überhaupt der Anlass? Wenn ich es wüsste, dann könnte ich die Kleiderordnung vielleicht besser abschätzen. Ich vermisse unsere alten Zeiten so sehr. Damals reichte es schon für einen perfekten Abend im dreckigen T-Shirt nebeneinander zu sitzen und irgendeinen Film zusammen zu gucken. Oder Pizza bestellen. Oder zusammen kochen und dabei komplett die Küche verwüsten… tja, und jetzt müssen wir in ein teures Restaurant mit einem gewissen Dresscode. Es war damals so verdammt viel einfacher! Ich möchte zurück in diese Zeit. Sasuke, wann haben wir es bloß verlernt? Vielleicht weißt du es? Ich fuhr mit meinen datebezogenen Vorbereitungen fort, indem ich blind nach einem Hemd im Schrank griff. Und zufälligerweise erwische ich einen ganz-ganz alten. Diesen Hemd suchte Sasuke damals zu meinem ersten ernsthaften Vorstellungsgespräch als Praktikant aus. Mittlerweile verblasste er. Das wunderschöne tiefe Dunkelblau bekam einen ausgewachsenen staubigen Teint. Manche der eingestickten weißen Pünktchen lösten sich und an deren Stelle schauten mich neugierig die Fäden an. Damals schien, dass dieser Hemd ein Vermögen kostet, aber Sasuke bezahlte ihn trotzdem. Und nach sechs Jahren ist er nicht mehr anziehbar. Eigentlich sollte ich ihn wegschmeißen. Ich probierte den Hemd trotzdem an. Er sitzt immer noch wie angegossen. Sasuke sagte damals, dass meine Augen durch das Blau sehr schön hervorgehoben werden und dass meine Haare noch goldener als sonst scheinen. Ich betrachtete mich selbst für einen kurzen Moment im Spiegel und seufzte. Damals waren wir dumme naive Kinder. Wir haben uns gekümmert, weil wir auf einander tatsächlich angewiesen waren. Mittlerweile wissen wir, wie man komplett selbstständig zurechtzukommt. Jetzt sind wir beide ganz erwachsen. An sich ist es eine sehr tolle Leistung. Bloß der Preis, den man dafür zahlen muss, ist eine völlige Einsamkeit. Mittlerweile kam ich ins Restaurant an. Es schien tatsächlich sehr teuer zu sein. Am Empfang traf mich der Kellner und begleitete zum Tisch. Sasuke saß bereits dort und studierte nachdenklich die Speisekarte. — Du bist zu spät, - war er statt einer vernünftigen Begrüßung. — Sorry, - murmelte ich genervt. Ich machte mir nichtmal die Mühe eine Ausrede zu basteln, - sag mal, ist heute was bestimmtes geplant? Wieso treffen wir uns ausgerechnet hier? — Ähm, ja, es gibt tatsächlich etwas, was ich dir mitteilen möchte. Aber wollen wir erstmal bestellen? — Okay, - nach seiner komischen Ankündigung bekam ich ein schlechtes Gefühl. Sasuke, was ist nur los? Der Uchiha wollte mir nicht verraten, was los war. Nach ungefähr einer Stunde einer sehr wackeligen Unterhaltung rückte er endlich mit der Sprache raus, denn ich wurde ziemlich ungeduldig. — Naruto, ich muss dir was sagen. Und zwar… es geht um meine Arbeit. — Aha… - ich spannte mich an, - na dann… schieß los. Er seufzte schwer und vergrub sein Gesicht in die Stoffserviette, die neben ihm lag. — Es ist so, dass… ähm… Als er den Blickkontakt mit mir auf eine sehr scheue Weise zum aberhundersten Mal explizit mied, ergriff mich plötzlich eine sehnsüchtige Melancholie. Seitdem er wieder zuhause ist, nistete sich der Trennungsgedanke fest in meinem Kopf ein. Und jetzt kommt er hoch. Das Traurige dabei ist, dass ich nichtmal sagen kann, was genau ich dabei fühle. — Ich werde ab dem nächsten Jahr für drei Jahre ins Ausland versetzt, - hauchte er in einem Atemzug aus. — Achso… okay… - flüsterte ich zurück. Ich wühlte wie verhext in meinem mittlerweile vollständig geschmolzenen Eis rum. Die Schokoladensoße ordnete sich spiralförmig auf der hellen milchigen Substanz an und ich starrte planlos auf diese Muster, als ob sie mir irgendwelche Antworten geben könnten. — Bitte sag was dazu, - fragte er leise. Die Ausgangslosigkeit in seinem Ton traf mich direkt ins Herz und ich schluckte hörbar. — Was soll ich denn deiner Meinung nach dazu sagen, ha? - ließ ich leblos aus. — Na irgendwas… bloß nicht schweigen. — Ist es nicht völlig irrelevant? Am Ende gehst du eh, oder? Sasuke sagte nichts. Stattdessen wühlte er in seinem Rucksack, fischte sein Portemonnaie raus und versuchte einen Blickkontakt mit irgendeiner Bedienung herzustellen. Genau, jetzt ist natürlich Bezahlen wichtiger. Klar. Ist okay. Mir traten die Tränen in die Augen. Die milchige Substanz wurde an einigen Stellen durchsichtig weiß. Sasuke ignorierte mich immer noch und schien viel zu sehr in sein Kleinkram involviert zu sein. Bekam er etwa so gar nicht mit, dass mein Herz gerade beinahe vollständig zerbrechen ist? — Entschuldigung! - endlich kam der Kellner zu uns. Sasukes Mühe war überhaupt nicht umsonst, - wir würden dann gerne zahlen… Bevor die Bedienung zu uns kam, wischte ich mir unauffällig die Tränen mit der Stoffserviette ab. Die sind wirklich gut dafür. Kann ich nur weiterempfehlen. Sasuke schloss die Geschäfte mit dem Kellner ab und schon saßen wir auf dem Rücksitz eines Taxi. Sasuke klebte an der linken Tür und ich an der rechten. Der Regen knallte laut gegen das Fenster. Ich starrte planlos auf die patschnasse Scheibe. Die knalligen Lichter des belebten chaotischen Stadtzentrums zeichneten sich als verschwommene riesige Farbflecken vor meinen Augen. Eine hohle Stille umgab uns. Regengeräusche und unbedeutendes Motorrauschen füllten diese dunkle Leere. Und Sasuke klickte fast geräuschlos mit dem Kugelschreiber. Tsk-tsk-tsk-tsk-tsk-tsk-tsk-tsk-tsk… ich erkannte sofort dieses weiche Klicken. Regelmäßigkeit half ihm damals aus der Teufelsspirale rauszukommen. Er erzählte mir mal, dass einfache unkomplizierte Rhythmen etwas meditatives in sich haben. Zum Beispiel lautes Ticken oder Wasserhahntropfen… ich freute mich damals, dass er etwas so einfaches und wirkungsvolles für sich fand, und gab ihm einen Kugelschreiber mit dem Knopf, den ich zur damaligen Zeit selber nutzte. Er meinte später, dass mein Kugelschreiber schön weich klingt, und dass er dieses Geräusch sehr angenehm findet. Ach, wie anhänglich sowas ist! Er hat das mit der Teufelsspirale also doch nicht ganz unter Kontrolle. Er ist also doch bekümmert. Im Restaurant kam es vor, als ob es ihn überhaupt nicht belastet. Aber anscheinend schon. Trotzdem hält er still und greift lieber auf den Kugelschreiber zurück. Die Trennung macht ihm augenscheinlich nicht mehr so viel Angst wie früher. Die Trennung ist also nicht mehr sein Weltuntergang. Und mir selbst geht es genauso. Ist das wirklich dieses Erwachsensein? Wenn ja, dann wäre ich lieber für immer sechzehn geblieben. Erwachsensein, Teil 2 --------------------- 🍥🍥🍥 Seitdem Sasuke sein Auslandsaufenthalt angekündigt hatte, vergingen ungefähr drei Wochen. Wir redeten so oder so nicht viel miteinander, bloß seit dem verhängnisvollen Tag tauschten wir nichtmal ein einziges Wort aus. Zuhause schwebte eine schwere dickflüssige Aura eines riesigen, dringenden und sehr belastenden Problems. Als ob er mit der Ankündigung eine zerstörerische Atomexplosion ausgelöst hätte. Der giftige radioaktive Niederschlag tränkte jede Ecke meiner Wohnung durch, sodass sich niemand davor verstecken konnte. Sobald ich meine eigenen vier Wände betrat, bekam ich das Gefühl irgendwas würde mir die Atemwege wegätzen. Mein eigenes Bett verwandelte sich in einen beengenden Alptraumkasten, in dem ich nichtmal für eine Sekunde die Augen zutun konnte. Das frisch zubereitete Essen widerte mich an und kam direkt nach jeder Mahlzeit hoch. Meine Muskel waren krampfhaft verspannt, sodass sich jede Kopfbewegung durch das schmerzhafte Nachhallen in den Schultern richtig bemerkbar machte. Ich war selbst kurz nach dem Duschen komplett nassgeschwitzt. Jeden Tag fühlte ich mich wie ausgelutscht. Vermutlich dachte sich mein Körper, dass ich mich auf einem echten Schlachtfeld befinde und in ernster Lebensgefahr schwebe. Er sendete mir diese aufdringlichen Signale, damit ich mich so schnell wie möglich in Sicherheit bringe. Und es wirkte. Ich musste nach fünf Tagen eine panische Flucht ergreifen. Und nun übernachte ich seit 18 Tagen im Büro. Diese Situation ist an sich schon ein wenig belustigend. Als ich hier als Praktikant anfing, durfte ich die Trennung eines Mitarbeiters oberflächlich miterleben. Er hielt sich gefühlt rund um die Uhr im Büro auf und jeder vermutete schon, dass er hier schläft. Keiner wagte diese Tatsache anzusprechen und ich weiß bis heute nicht genau, ob es tatsächlich so ablief. Aber jedenfalls war ich damals fest davon überzeugt, dass sowas mir ja definitiv nicht passieren kann. Damals war für mich undenkbar, dass ich mit 26 für die bescheidene Existenz der alten Liege im Mitarbeiterraum unendlich dankbar sein werde. Und ausgerechnet weil die Beziehung zu Sasuke komplett in die Brüche geht. Es ist schon ein wenig ironisch. Was würde denn der zwanzigjährige Naruto dazu sagen? Er würde dem vermutlich nicht glauben. Weil der zwanzigjährige Naruto fest davon überzeugt war, dass die Sache mit Sasuke für immer bestehen bleibt. Er war schon deutlich weniger naiv, als zum Beispiel der sechzehnjährige Naruto. Er wusste bereits, dass eine Beziehung auch steinig verlaufen kann und dass man sich manchmal durchaus aus sehr triftigen Gründen trennt. Deswegen meinte er überheblich alles über Beziehungen Bescheid zu wissen. Außerdem vergötterte er Sasuke immer noch und ordnete sich freiwillig ihm unter. Mit zwanzig war ich fest davon überzeugt, dass Sasuke in fast jeder Hinsicht der Perfekte ist. In meiner damaligen Wahrnehmung war er eine mysteriöse Gottheit, die aus irgendeinem unbekannten Grund mich auserwählte. Ich hatte keinen blassen Schimmer davon, was Sasuke selbst an mir so teuer war und warum er ausgerechnet mich als Partner ausgesucht hatte. Genau das machte mich später völlig blind, denn ich verließ mich zu sehr auf Sasukes scheinbare Perfektion. Mittlerweile ist mir Gott sei Dank bewusst, dass Sasuke auch nur ein Mensch ist. Ich kenne inzwischen seine unzähligen Macken. Sie machen ihn letztendlich zu meinem Sasuke und viele davon sind wirklich süß und einzigartig. Manchmal besitzen sie sogar eine gewisse Hintergrundgeschichte. Eine davon ist besonders traurig. Vor langer Zeit warf er mal flüchtig, dass er komplett auf mich angewiesen ist, weil er sonst nicht lange gesund im Kopf bleiben kann. Ich staunte mich damals ein wenig über diese seltsame Äußerung, aber zerbrach mir nicht den Kopf darüber. Es geriet bequem in Vergessenheit, bis er zum ersten Mal sechs Monate am Stück nicht an meiner Seite war. Nach langen einsamen Nächten wusste auch ich, warum er es ausgerechnet so formuliert hatte. Der grausame Verlust seiner Familie zerbrach ihn komplett und seitdem lauert in seinem Unterbewusstsein eine panische lähmende Angst vor der riesengroßen chaotischen Welt da draußen. Und mit dieser Erkenntnis kam ich hinter die erstaunlich simplen Gründe, warum er gerade mich als den Partner fürs Leben aussuchte. Es lag schlicht und einfach daran, dass er mir zutiefst nicht egal ist. Er war fasziniert davon, welche unglaublichen Kräfte ich auftreiben kann, wenn es plötzlich um seinen Wohlergehen geht. Und er liebte es, sich auf meinem Schoß stets behütet zu fühlen. Diese scheinbare Sicherheit bringt seine psychotische innere Unruhe zum Stillstand. Und in meinen Armen kann er sich für einen kurzen Moment davon komplett lösen. Danach geht dieser Zyklus von vorne los. Deswegen sagte er, dass er ohne mich nicht lange gesund im Kopf bleiben kann. Ab da ergab sein Charakter Sinn. Zum Beispiel die Existenz der Teufelsspirale oder warum ihn ausgerechnet der Trennungsgedanke fast sofort in eine bodenlose Verzweiflung treibt oder wieso er die Eifersucht gar nicht unter Kontrolle halten kann… ja, Sasuke ist manchmal etwas kompliziert und diese kleine Erkenntnis erklärte ein wenig wieso. An sich ist es egal, was ich dazu sage. Diese Geschichte ist und bleibt vermutlich für immer mein absoluter Liebling. Sie ist mir unglaublich teuer, weil wir sie von Anfang an zusammen schrieben. Ich bin auch ein festes Bestandteil davon. Die Wahrheit ist, dass ich verzweifelt jemanden brauche, der mich verzweifelt braucht, sonst geht es mir überhaupt nicht gut. Ich fühle mich sonst absolut verschwendet. Sasuke kümmerte sich gern um diese Belangen. Es tat gut all diese Jahre die wichtigste Person in seinem Leben zu sein. Und seitdem es, zumindest gefühlt, nicht mehr so ist, verschlingt eine stille Depression jeden Tag ein kleines Stück von mir. Und jetzt bin ich in einer einsamen Dunkelheit angelangt. Hier sind ab und zu ruhige durchdachte Selbstmordabsichten überhaupt kein Problem. Manchmal finde ich diese gelassene Entschlossenheit völlig abschreckend und nehme mir vor endlich einen Psychotherapeuten zu besuchen. Es fällt mir schon schwer dies zuzugeben, aber ich bin ebenfalls auf ihn komplett angewiesen. Ohne ihn kann ich auch nicht all zu lange gesund im Kopf bleiben. Aber mal abgesehen davon sollten Sasuke und ich vom Glück reden, dass wir zufälligerweise in der ersten Klasse zu Sitznachbarn wurden. Ich denke, wir wären sonst nie freundlich zu einander. Wenn man unser Bund in Worte fasst, kommt er auch heute täuschend stark rüber. Immerhin haben wir ja Tatsache fast fünfzehn Jahre ziemlich einwandfrei als beste Freunde und fast acht Jahre als ein insgesamt glückliches Pärchen funktioniert. Schlussendlich brach auch dieses System fast vollständig zusammen. Seit zwei Jahren agieren wir als bittere Feinde und tun einander bewusst weh. Wir stechen aufeinander gnadenlos mit den schärfsten unangenehmsten Wahrheiten ein, lassen den jeweils anderen hilflos ausbluten und sehen dabei teilnahmslos zu. Ich verstehe mal wieder gar nicht, was zwischen uns eigentlich abgeht. Ich weiß nur, dass ich seit zwei Jahren hartnäckig daran arbeite, Sasuke durch meinen Job komplett zu ersetzen, und ich bin noch lange nicht am Ende. Und was macht währenddessen mein Sasuke? Ich habe absolut keine Ahnung. Leider verlernte ich absolut ihn zu deuten. Er verschließt seine Emotionen viel sicherer als früher. Diese Ungewissheit macht mich besorgt. Seine Verhaltensmuster kommen mir ziemlich bekannt vor. Vielleicht versucht er mal wieder mich und unsere Freundschaft aus seinem Leben komplett wegzuschmeißen. Dasselbe wie damals vor 10 Jahren, aber jetzt mit neuen Methoden und alten Erfahrung. Er erzählte mir irgendwann, dass er damals spürte, wie er von Tag zu Tag wahnsinniger wird und die manischen Zügen seines Großvaters in sich wiederfindet. Und wie er sich selbst daraus absolut nicht verhelfen konnte. Bloß damals reichte es ihm nach zehn Monaten und das hier läuft schon seit zwei Jahren. Das Bittere dabei ist, dass er mir damals versprach, dass er sowas nie wieder versucht. Andererseits waren wir beide ziemlich großmäulige dumme Kinder. Ich habe mich ernsthaft verpflichtet, ihm jede zwei bis drei Jahre zu versprechen, dass wir nicht auseinander gehen. Und was ist daraus geworden? Das letzte Versprechen lief direkt vor seinem ersten Auslandsaufenthalt aus und kein neues wurde seitdem geschlossen. Und seit drei Wochen liegt unsere beinahe hundertprozentig zerstörte Beziehung unter einem dichten erstickenden giftigen Smog und keiner von uns will diese hässliche Ruine voller wertvoller Erinnerungen wieder schön machen. Also von welchen Versprechen träume ich überhaupt? Ich habe sogar das Gefühl, dass wir beide absichtlich das kleine bisschen, was vielleicht noch zu retten wäre, herzlos in den Boden trampeln. Damit ganz am Ende überhaupt nichts von uns übrig bleibt. Sasuke, du bist mir immer noch so dermaßen wichtig! Ich liebe dich über alles und brauche dich immer noch so verdammt dringend! Es ist mir einfach viel zu gut bewusst. Ich weiß nichtmal genau, was ich ohne dich bin. Dir geht es doch bestimmt ähnlich, oder? Warum zur Hölle treten wir dann auf diesem verminten Schlachtfeld als Feinde auf? Warum foltern wir einander mit so einer herzlosen rationalen Ernsthaftigkeit? Warum verwenden wir für diese Zerstückelung unsere geheimsten Schwachpunkte? Früher haben wir diese Kenntnisse einander anvertraut um einander zu unterstützen. Und heute sind sie unsere mächtigste Waffe. Wieso wollen wir einander am liebsten untergehen sehen? Und warum kommt mir die Trennung von dir als eine lang ersehnte Erlösung? Seit wann ist denn die Einsamkeit besser? Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Aber ich fand mich damit bereits vollständig ab. Es ist schon ziemlich traurig, nicht wahr? Ne, Sasuke? Erwachsensein, Teil 3 --------------------- 🍥🍥🍥 Auf der Arbeit gab es heute mal wieder unnötigen Stress. Seitdem ich zum stellvertretenden Leiter befördert wurde, oder kurz, zum Temari-Ersatz, durfte ich einmal pro drei Monate einen Bericht anfertigen. Der nächste muss bis übermorgen den Vorgesetzten erreichen und ausgerechnet heute ging mein PC nicht an. Die IT Leute sagten, er wäre wohl mit einem Virus infiziert. Sie meinten, es wäre nicht so schlimm und dass es letzter Zeit häufiger vorkommt, also haben sie ein gut funktionierendes Standardverfahren genau für solche Fälle. Deswegen sieht es sehr gut aus. Heute Nachmittag sollte wohl alles fertig sein. Erlösung zum ersten. Außerdem verpflichtete IT Abteilung uns alle seit neustem einen täglichen Backup durchzuführen. Sie haben alles vorbereitet, man darf es nur abends nicht vergessen, was ich tatsächlich bis dato gewissenhaft durchzog. Also hätte ich dadurch einen direkten Zugriff auf alle meine Dateien aus dem Firmennetz. Erlösung zum zweiten. Und war’s das auch schon. Danach fing eine Daueraufregung an. Unsere IT Abteilung ist schlau genug, um so ein riesiges Projekt wie firmenweites Backup durchzuziehen, aber sie scheitert tatsächlich daran, genug Ersatz-PCs zur Verfügung zu stellen. Das klingt aber nicht so schwer wie das mit dem firmenweiten Backup!!! Man muss sie nur kaufen und irgendwo sicher abstellen!! Nichts mit aufwendiger Vernetzung von irgendwelchen mysteriösen hauseigenen Hochsicherheitsservern! Oh ja, ich kann mich sehr gut an diese lästigen Wartungsarbeiten erinnern! Wie sie hier erstmal den kompletten Verwaltungsbetrieb lahmlegten! Und wie sie mir schlussendlich einen sehr wichtigen Termin vermasselten! Die Ersatzrechner muss man nur kaufen. EINFACH KAUFEN, VERDAMMT NOCH MAL!!! Zuerst wurde mir ein riesiger Plastikklotz in die Hand gedrückt, welcher sich mysteriöserweise als „Laptop“ schimpfen darf. Der Ersatzlaptop war uralt und unterstützte natürlich nicht die nötige Software. Meine Dateien seien wohl inkompatibel. Ein Update muss erstmal drauf, wurde mir gesagt. Aber das geht nicht. Weil das verdammte Ding immer noch uralt ist!!! Deswegen wurde mir als nächstes ein blödes Tablet in die Hand gedrückt. Ersatz des Ersatzes, wenn man so will. Es ist definitiv besser als der uralte Laptop, aber diese eingeschränkte Apps brachten mich zur Weißglut, bis ich es doch komplett ließ. Es ist zu anstrengend. Ich will zurück an meinen Rechner mit einer Maus und einer normalen Tastatur in Echtgröße. Ich will nicht bei jeder Interaktion den Bildschirm picksen müssen und dieses kleine Plastikspielzeug mit winzigen Tasten macht mich irgendwie fertig. Aber die IT Leute sind schon irgendwie cool. Das mit dem Backup war wichtig und notwendig. Es ist halt einfach lästig, wenn etwas den gewöhnten Ablauf stört, und meistens ist es die scheiternde Technik. Und schlussendlich haben sie ja gesagt, dass ich höchstwahrscheinlich schon heute Nachmittag meinen Rechner zurückbekomme, und meistens halten sie sich an die selbstgenannten Terminen. Das Blöde ist nur, dass ich schon wieder die halbe Nacht am Schreibtisch verbringen muss, denn ich hab ehrlich gesagt den verdammten Bericht nichtmal vernünftig angefangen. Aber warum beschwere ich mich eigentlich? Eigentlich ist es in Endeffekt eh nur meine Schuld. Und außerdem, hey, ich schlafe zurzeit so oder so hier! Also muss ich mich nicht zum letzten Zug beeilen! Und es ist eh nur eine routinemäßige Schreiberei, an der man lediglich ziemlich kleinlich rumfummeln muss. Das heißt, wenn die IT Leute heute Nachmittag meinen Rechner wirklich zurückbringen, dann ist es an sich eine fertige Sache. Ich bete einfach zu Göttern, dass mein lieber Metallfreund heute Nachmittag aus den Toten wiederaufersteht. Dann packen wir es zusammen an. Dann kann ich noch alles termingerecht abgeben. Amen. Und so endete der heutige Tag damit, dass ich um 2:33 den Bericht doch an meinem eigenen Rechner komplett fertigstellten durfte. IT Leute erledigten ihren Job super und retteten unbeabsichtigt damit meine arme Abteilung vorm peinlichen Bloßstellen. Danke euch! Und mir selbst muss ich auch einen kleinen Lob aussprechen. Also gut gemacht, Herr stellvertretende Leiter! So, jetzt muss das blöde Ding nur noch dreifach ausgedruckt, unterschrieben und in die Umschläge gepackt werden. Und dann kann man endlich auch mal ins Bett gehen. Oder? Hmmm, sollte ich vielleicht die Dinger doch noch per Hauspost verschicken? Muss ich noch selber schnell zum Briefkasten flitzen? Ist es denn wirklich nötig? Was wenn es erst zusammen mit dritten oder gar vierten Ladung abgeholt wird? Dann dauert es vielleicht bis überübermorgen bis zum Chef und das ist nicht gut. Na gut… dann geh ich einfach selbst kurz dahin. Dann wird meins fast sicher mit der ersten Ladung rausgeschickt. Super. Na dann dauert der Arbeitstag doch noch ein wenig länger. Dann ist es halt so. Ist okay. Ich lief durch das leere leblose und sehr spärlich beleuchtete Firmengelände. In der linken Hand befanden sich meine drei Heiligkeiten und in der rechten mein Handy. Ich scrollte stupide durch eine Internetseite mit irgendwelchen Memes. Ab und zu verließ sogar ein kurzes trockenes Kicher meine Brust. Und manchmal wurde ich sogar vom hysterischen Lachanfall über irgendwelche krasse Autounfälle überwältigt. Aber das passierte nicht all zu oft, nein. Die meiste Zeit starrte ich teilnahmslos auf das riesige bunte Display dieses nagelneuen technischen Wunders. Mittlerweile kann auch ich mir solchen luxuriösen Schnickschnack bedenkenlos leisten… tja, nicht zu vergleichen mit der übelst billigen Tomatenperversion, von der Sasuke und ich uns damals acht Monate lang durchgängig ernähren mussten. Es schmeckte wie letztes Dreck… es war auch das letzte Dreck… aber es hat trotzdem richtig viel Spaß gemacht. Und wie siegreich und köstlich sich die Einstellung als Aushilfe in Supermarkt anfühlte! Ich bin so einer wilden Freude mittlerweile wahrscheinlich nicht mehr fähig. Und wie Sasuke mich dafür so super aufrichtig lobte! Was müsste ich jetzt überhaupt tun, damit er heute genauso reagiert? Keine Ahnung, wahrscheinlich würde dafür nichtmal die krasseste Promotion reichen. Er würde vermutlich nur ein knappes zurückhaltendes „gut gemacht, Usuratonkachi“ ablassen. Wenn überhaupt… aber damals überschüttete er mich mit zärtlichen Küssen, fischte eine heimlich gebunkerte Weinflasche aus dem Kleiderschrank heraus, um die er speziell für diesen Anlass mit einer älteren Frau kämpfte, und kochte von seinem allerletzten Geld ein leckeres Schweinemisoramen für mich… ach, diese ersten unsicheren Schritte, die ich zusammen mit Sasuke in der Erwachsenenwelt machte, werde ich bestimmt nie vergessen. Mein Daumen kam aus Versehen gegen die längliche Taste auf der Kante meines Handys und das Display ging aus. Es unterbrach meine Nostalgie abrupt und ich war schon wieder hier und jetzt, auf dem Weg zur Postfachanlage. Aus dem perfekten schwarzen Spiegel schaute mich ein unmenschlich müder stellvertretender Leiter an. Augenringe sind ein festes Bestandteil seines Gesichts. Die ersten beinahe unsichtbaren Falten bildeten sich bereits auf seiner noch sonst jugendlich wirkenden Haut. Man bemerkt die kaum, nur wenn man dieses Gesicht aus der direkten Nähe betrachtet. Außer denen um die Augenwinkel und zwischen den Augenbrauen. Weil er immer noch beim Grinsen die Stirn unabsichtlich runzelt. Und sonst wird sein Lächeln immer noch als sonnig bezeichnet. Ich grinste den Mann an und er grinste mir zurück. Bin das wirklich ich? Ich erkenne mein Spiegelbild manchmal nicht wieder. Die Straßenlaterne beleuchtete die einsame Postfachanlage und ich war bei diesem Anblick froh. Es heißt nur, dass mein Arbeitstag fast beendet ist. Und dass ich trotz technischer Schwierigkeiten irgendwie alles fertiggestellt bekam. Ich machte dabei sogar einen Spaziergang und schnappte ein wenig frische Luft. Auch nicht schlecht. Man tut sogar nebenbei was für die Gesundheit. Oder so. Okay, mal sehen… das geht ans Hauptsekretariat… zack! Erledigt. Das hier geht ans Sekretariat der allgemeinen Zeitschriftenverwaltung… zack! Weg. Und das hier… Plötzlich vibrierte mein Handy aufdringlich und erhellte die gesamte Umgebung wie ein glühender Scheinwerfer. Ich ließ das Gerät vor Schreck fallen und musste mich erstmal für einen kurzen Moment sammeln. Ich bückte mich hin und hob das immer noch vibrierende kleine Kasten vom Boden. Oh Gott sei dank ist es von außen nicht beschädigt! Ich hätte jetzt sowas von keine Lust drauf… Auf dem Display stand „Uchiha, Sasuke“. Oh ne… nicht jetzt… ich bin sooo müde… Ich unterdrückte den Anruf, warf den letzten Brief ins richtige Postfach und schreib meinem Freund eine Nachricht. „Ist was dringendes?“ tippte ich ein und schickte die Nachricht ab. „Wir müssen reden“ kam zurück. „Aber doch nicht jetzt, oder?!“ ich war sauer auf ihn und ich glaube, dies machte sich sogar durch die leblose Kurznachricht bemerkbar. „Doch. Ich kann es nicht länger aufschieben. Ich will es auch nicht per WhatsApp klären“ Dann kam der nächste Anruf, den ich genauso wie vorhin unterdrückte. Und dann noch eins. Und noch eins. Und noch eins… ich setzte mich auf die Bank und schaltete auf „Nicht stören“ um. Die Anrufe stoppten. „Du bist plötzlich nicht erreichbar. Was ist los, verdammt?!“ er ist auch eindeutig wütend. Ich sollte ihn zurückrufen. Aber allein der Gedanke daran macht mich viel zu launisch. „Naruto, bitte geh ran“ kam die nächste Nachricht. Ich hatte immer noch keine geistige Kraft ihn zurückzurufen. Ich sollte. Er dreht nämlich durch und es ist mir bewusst. Ich könnte seine kurzzeitige Psychose auf jeden Fall ein wenig lindern. Ein kurzer Anruf würde schon reichen… Ich will aber nicht. Ich lasse ihn schon wieder allein. „Naruto, komm schon! Geh ran! Es dauert nicht lange, ich verspreche“ „Ich will nur ganz kurz mit dir reden“ „Fünf Minuten“ „Bitte“ „Ich mach mir Sorgen um dich“ Sobald ich die letzte Nachricht las, tauchte ein kleiner Wassertropfen auf dem Display. Ach ja, klar. Ich weine. Ich sitze um 3:04 auf der Bank vor der Betriebspostfachanlage und weine direkt auf mein neues teures Handy. Warum zur Hölle mach ich sowas?! „Bitte melde dich sobald du kannst“ „Ich bin eh noch ein bisschen wach“ Die Nachrichtenflut von Sasuke hörte auf. Ich weiß doch, wie es sich anfühlt, wenn sich jemand absichtlich nicht meldet. Es ist halt Kacke. Ne, das geht so nicht. Er hat an sich völlig recht, wir müssen reden. Und außerdem hat er sowas überhaupt nicht verdient. Ich atmete tief ein, entsperrte mein Handy und wählte Sasukes Rufnummer. Ich kenne sie immer noch auswendig. Der große grüne Knopf starrte mich fordernd an und wollte unbedingt gedrückt werden… komm, eine ganz schnelle Bewegung… Ne, es kostet zu viel Kraft. Ich bin leider nicht so stark. Ich ging stattdessen in WhatsApp und sah mir nochmal die Nachrichtenflut an. Ich will nur ganz kurz mit dir reden… es dauert nicht lange… fünf Minuten… bitte geh ran… Ich mach mir Sorgen… Der blaue Cursor blinkte gewissenhaft und zeigte mir damit an, dass es jederzeit losgehen kann. Bloß was soll ich überhaupt schreiben? Ich nahm das Gerät mit beiden Händen und fing einfach an irgendwas zu tippen. Ich hasse die momentane Situation wie die… Kein guter Anfang. Ich löschte den Text. Es tut mir leid, ich bin zurzeit ziemlich gestresst. Das Gesprä… Nein. Ich bin irgendwie voll… Auch nicht gut. Danke, dass du dich noch irgendwie kümmer… Falsch. Ich vermisse dich Das ist eine absolute Wahrheit. Meinst du, wir könnten uns noch irgendwie aus dem ganzen Scheiß ausgraben? Ich wünschte es wäre so. Lass uns vielleicht morgen irgendwo treffen? Wann hättest du Zeit? Ach, verdammt! Morgen kann ich selber nicht. Ich muss dringend Utakatas Storyboards berichtigen. Ich ersetzte „morgen“ durch „Wochenende“ und mir fiel auf, dass ich am Montag zu Temari fahren sollte, um uns wegen Otsutsuki-san zu besprechen. Ich muss mich am Wochenende darauf vorbereiten. Okay… Nächste Woche… Ne, nächste Woche ist die letzte Woche des Monats. Hier bricht die Hölle aus, weil die Zeitschrift möglichst pünktlich herausgebracht werden soll. Ich muss auf alles mein Blick werfen, bevor es in die Druckerei geht. Übernächste Woche… Nein, da bin ich auf einer Dienstreise. Ich öffnete meinen Planer und musste etwas ganz schreckliches feststellen. Der nächste tagsüber freie Termin wäre erst in fünf Wochen möglich. Und sonst arbeite ich bis spät in die Nacht. Schlafen wäre auch nicht schlecht. Aber was zur Hölle ist das?! Kann es vielleicht noch scheißunpassender werden?! Es geht hier um meinen lieben Sasuke und einem so total beschissenen Umzug ins ANDERE LAND, der uns höchstwahrscheinlich endgültig kaputtkriegt. Ich will eigentlich gar nicht ohne ihn. Aber ich will auch nicht so. Ich kann ihn und unsere Zukunft zwischen diesen so verdammt unwichtigen Dingen nichtmal unauffällig durchschieben. Ein ganz kleines Plätzchen würde schon reichen… wir bräuchten vermutlich maximal zwei Stunden am Stück. Aber die gibt es einfach nicht. Es wird nicht funktionieren. Es kann einfach nicht. Unsere Welten sind zu weit auseinander. Egal, was wir uns überlegen, werden sich „wichtigere“ Sachen zwischen uns stellen. Und irgendwann müssen wir miteinander telefonisch Termine vereinbaren. Wollen wir diese Misere wirklich? Ich löschte den ursprünglichen Text und kehrte zurück ins Büro. Die Nacht verlief schlaflos und am nächsten morgen haute ich mir drei Tassen doppelten Espresso rein. Ich exte sie wie eine Pflichtmedizin, putze mir danach die Zähne und zog mich ins Frische um. Ich sollte heute wirklich bei der Reinigung um die Ecke vorbeischauen. Mir gehen bald saubere Hemde aus. Am frühen morgen, als noch keiner im Büro war, stellte ich meinen Aufsatz doch fertig. Um ca. 7:40 durfte auch Sasuke ihn in vollständiger Fassung lesen. Er meldete sich im Laufe des Tages nicht. Wahrscheinlich haben ihn meine Nachrichten endgültig zerstört, denn ich schickte folgendes ab: „Ich bin so ziemlich ratlos. Ich hab halt keine Ahnung wie diese schon jetzt ziemlich angeknackste Fernbeziehung fortbestehen soll. Obwohl ich dich immer noch unfassbar doll liebe, sehe ich nichtmal einen einzigen Weg für uns vernünftig zu funktionieren. Und wenn du noch drei weitere Jahre am Stück getrennt von mir verbringen möchtest, dann kann ich mir erst recht nicht vorstellen, wie wir uns unter diesen ungünstigen Umständen reparieren sollen. Wir quälen uns schon jetzt mit den Pflichtdates, die nur ein Mal pro Monat stattfinden. Es ist viel zu anstrengend, völlig unproduktiv und nichtmal annähernd zufriedenstellend. Wir machen uns damit nur fertig. Und wie wird es sein, wenn wir uns gar nicht mehr sehen? Drei Jahre ist halt ein sehr langer Zeitraum. Deswegen lass uns es einfach beenden. Lass uns bitte einander gegenseitig erlösen“ „Wenn dieser weinerliche Text zu viel von deiner Zeit beansprucht, dann tut es mir aufrichtig leid“ „Deswegen das ganze nochmal in Kurzfassung“ „Ich will mich spätestens am Ende des Jahres von dir trennen“ „Bitte verzeih es mir“ Erwachsensein, Teil 4 --------------------- 🍥🍥🍥 Seit meiner Ankündigung vergingen zwei Tage. Es scheint, als ob Sasuke und ich in einem sehr dummen Spiel namens „wessen Ankündigung tut am meisten weh“ stecken. Zurzeit führe ich mit dem allseits beliebten Klassiker „Trennung über WhatsApp“. Unsere Beziehung besteht schon seit über zehn Jahren, wir haben eine gewisse gemeinsame Geschichte und unser Bund ist nie trivial gewesen. Und ich wagte tatsächlich sowas Bedeutendes per WhatsApp zu beenden. Ich bin so ein Arschloch. Es ist einfach respektlos. Ich schulde ihm auf jeden Fall ein aufklärendes Gespräch und es muss unbedingt noch dieser Woche trotz meiner zahlreichen Termine passieren, selbst wenn ich dafür die Zeit umkehren muss. Endlich hat mein Sasuke Vorrang, selbst wenn ich nicht weiß, wie ich ihn nach so einer Sauerei anschauen soll. Außerdem werde ich seit dem Abschicken dieser verhängnisvollen Nachricht von den Zweifeln geplagt. Mein Kopf ist überzeugt, dass eine Trennung in diesen Umständen sinnvoll ist. Aber mein Bauchgefühl schreit laut, dass ich die Finger davon lassen soll. Es wiederholt ständig, dass die Trennung von Sasuke so schlimm sein wird, dass im Endeffekt nichts von meinem eigenen Wesen übrig bleibt. Hat mein Bauchgefühl vielleicht doch recht? Begehe ich vielleicht gerade den größten Fehler in meinem Leben? Heute früh entschied ich mich, dass das Gespräch noch heute stattfinden muss. Ich schrieb Sasuke an und fragte, wie es bei ihm am heutigen Abend aussieht. Er sagte, er müsste spätestens um 21 Uhr Schluss haben, und könnte nach der Arbeit hierherkommen. Wir verabredeten uns. Also war das geklärt. Also war ich den ganzen Tag supernervös. Als ich den Blick zur unteren rechten Ecke des Bildschirms führte, zeigte die kleine Uhr bereits 21:30 an. Ich zwang mich den Rechner runterzufahren, obwohl eine wichtige E-Mail nicht fertig geworden ist. Ich guckte mich stattdessen kurz um. Oh Gott, mein Büro sieht so chaotisch aus. Ich sollte wenigstens oberflächlich aufräumen. Den riesigen Zettelhaufen auf dem Schreibtisch verstaute ich kurzerhand mit Gewalt in den Aktenschrank und knallte blitzschnell dessen Tür zu, bevor dieser wackelige Turm mir entgegenfliegen konnte. Die Akten stapelte ich ordentlich auf dem Schreibtisch. Sie sind zwar komplett durcheinander, aber wenigstens sind sie aus dem Weg. Ich entdeckte unter dem Schreibtisch sechs paar Schuhe, die ich hastig in den Kleiderschrank reinwarf. Und die Menge am dreckigen Geschirr überall in meinem Büro vermittelte den Eindruck einer vergangenen Betriebsfeier. Dabei gehörte alles nur mir. Ich bin die letzten Tage gar nicht zum Abwaschen gekommen. Ich nahm ein großes Tablet und schuf alles erstmal ins Bad. Die Pflanzen sind auch seit langem nicht gegossen worden. Gott sei dank sind es bloß Kakteen! Als ich mit der Gießkanne zurück ins Büro kam, saß Sasuke bereits an meinem Tisch und kritzelte nachdenklich irgendwas auf einem kleinen Schmierzettel. — Bist du etwa am Aufräumen? - wunderte er sich leicht. Die milde Überraschung kam sehr überzeugend rüber. — Ja, ich hab doch Besuch, - warf ich erzwungen locker zurück. Dabei goss ich die Kakteen und fixierte meine Augen auf den grünen stacheligen Kugeln. — Es wäre echt nicht nötig, ich kenne deine natürliche Arbeitsumgebung, - erwiderte er sarkastisch, - setz dich lieber hin. — Willst du vielleicht einen Kaffee? - ich fürchtete den Momenten, wo ich ihn tatsächlich anschauen muss. Ich versuchte dieses Ereignis mit allen Mitteln so weit nach hinten zu verschieben, wie es nur ging. — Nein. Komm schon, setz dich einfach hin und hetz nicht rum, - sagte er genervt, - wenn ich was brauche, dann sag ich Bescheid. Okay, jetzt ist es soweit. Ich stellte die Gießkanne ab und latschte zurück zum Schreibtisch. Dabei starrte ich schämend in den Boden. Ich wünschte, ich müsste meine Augen nie wieder nach oben führen. — Also… - er seufzte, - du willst ernsthaft eine Trennung, ha? So eine überraschend direkte Frage überforderte mich total und ich musste mich für einige Augenblicke sammeln. Wollen, ha? Ne, es ist eher ein begründetes Muss. Ich spürte, wie Sasukes schwarze Augen mich genauestens beobachten. Diese riesigen unendlich tiefen Seelenspiegel bohrten sich gierig in mein Fleisch hinein und ließen nicht los. Ich bekam daraufhin kalte Schauer am gesamten Rücken. Oh nein, er macht es wieder! Er liest mich wie ein offenes Buch! Er weiß bereits, dass es nicht wirklich gewollt ist. In solchen Momenten sieht er, was ich tatsächlich am Herzen habe. Ich kann absolut nichts von ihm verheimlichen. — Na, die Sache ist, dass es mit uns nicht funktioniert und ich sehe absolut nicht wie wir es auf die Reihe kriegen könnten, - sagte ich leise. — Also, eigentlich willst du auch keine Trennung, oder? Diese trockene zurückhaltende Frage traf mich direkt ins Herz. Ja, eigentlich will ich es nicht… sobald dieser Gedanke in meinen Kopf heimlich hineinschlich, packte er mich plötzlich am Kragen und spuckte sehr eifrig aus: — DANN ÜBERLEGE ES DIR BITTE NOCH EIN MAL!!! - er wurde sehr laut. Ich glaube, es passierte unabsichtlich. Wir versanken in die Stille. Sasuke wartete auf eine Reaktion und ich war immer noch komplett überfordert. — Sorry, - murmelte er bockig und ließ mich los, - ich wollte nicht direkt handgreiflich werden. Aber wie gesagt… - er seufzte, - überlege es dir bitte noch ein Mal. Denn… Er biss sich kurz auf die Zunge und wendete seinen Blick von mir ab. Ich verspürte, wie mein Körper von seinen hypnotischen Kräften befreit wurde. Er verdeckte sich das Gesicht mit beiden Händen und wisperte ganz zärtlich: — Der Witz an der ganzen Sache ist, dass ich es halt überhaupt nicht will. Es wurde stumm. Sasuke Augen bohrten sich mal wieder fordernd in mich hinein. Er lechzte nach irgendeiner Reaktion. Aber ich war immer noch zutiefst überfordert. Die Stille wurde plötzlich vom regelmäßigen Klappern unterbrochen. Sasuke hämmerte seine feinen Fingerspitzen mit Gewalt in die Tischplatte. Seine Fingernägel kratzten die Kunststoffoberfläche und machten ein helles lautes Geräusch. Er wird unruhig. Seine ungeduldige hetzende Art generierte eine drängende wirre Spannung in der Luft. Sie hing über mir und bremste meinen Gedankengang noch mehr. Klatz. — Sasuke… Klatz. — Ähm… Klatz. — …mittlerweile geht es weniger ums Wollen, oder? Wie soll denn das ganze… Klatz. — …praktisch funktionieren? Ich meine halt… Klatz. — …ganz konkret. Hast du dir schonmal darüber Gedanken gemacht? Klatz. — Uns beiden fehlt es katastrophal an Zeit und hinzu kommt noch dieser krasse… Klatz. — …Umzug. Unter diesen Umständen scheint es einfach… Klatz. — OH, KANNST DU BITTE DAMIT AUFHÖREN?! Ich packte ihn kräftig an der Hand und hielt seine Finger fest. Er verdeckte sein Gesicht mit der freien Handfläche und drehte sich von mir weg. Ich spürte, wie seine Schulter zucken. Ich habe ihn tatsächlich zum weinen gebracht. Ich verschränkte sanft unsere Finger und setzte mich näher zu ihm. — Sasuke… komm… bitte… hör auf… - ich plapperte irgendwelches unzusammenhängendes Zeug in der Hoffnung Sasukes stumme Heulen zu überdenken. Natürlich brachte es nichts. Ich bin so dumm. — Komm her, - ich stand auf und zog ihn hoch. Er leistete nichtmal einen minimalen Widerstand. Er fiel einfach passiv auf mich drauf und klammerte sich an mir fest. — Ich meine, ich seh schon ein, was du meinst, - wisperte er erschöpft, - ich weiß, dass wir beide gar keine Zeit für eine normale gesunde Beziehung haben, dass sechs Monate im Jahr räumlich so super getrennt zu sein richtig anstrengend ist, und dass wir dadurch schon sehr lange beinahe gar nicht funktionieren, und dass ich unser brüchiges Miteinander mit diesem noch längeren Auslandsaufenthalt zum Einsturz brachte. Ja, es sind alles legitime Gründe für eine Trennung. Aber… vielleicht… Er bekam kurzzeitig keine Luft und verlor dadurch den Rest des Satzes. Ich umschloss ihn instinktiv fester und drückte ihn näher zu mir. Er sammelte sich und fuhr fort: — Vielleicht kann doch noch etwas gemacht werden? Müssen wir unbedingt auseinander gehen? Denn ich liebe dich immer noch über alles, Naruto… und du willst eigentlich auch keine Trennung. Zählen die beiden Sachen nichtmal ein bisschen? Jetzt war er an der Reihe mich zum Weinen zu bringen. Wir sickerten auf den Boden und lösten uns in einer sehr verzweifelten Umarmung auf. Ich hängte mich hilflos an seinen Schultern und versteckte mein Gesicht hinter seinem Hals. Er umschloss beschützend meinen Kopf. Seine Worte ließen mich innerlich bluten. Es wäre so viel einfacher, wenn er sich doch nicht mehr um diese Beziehung gekümmert hätte. — Doch… - erwiderte ich, - ich liebe dich auch, Sasuke. Ich hab gar keine Ahnung, wie wir an diesen Punkt angelangt sind. Besonders wenn wir immer noch solche Gefühle zueinander haben! Es macht mich wütend und unendlich traurig, dass wir beide es so dermaßen vermasseln konnten! Verdammt, wir hatten doch alles! WIESO ZUR HÖLLE GEHEN WIR UNTER, WENN WIR EINANDER ANGEBLICH IMMER NOCH LIEBEN?! SASUKE, WARUM, HA?! Eine rasende Wut stieg in mir hoch. Ich knirschte laut mit den Zähnen, meine Nägeln krallten sich fest in seine Oberarme und ich schüttelte ihn kräftig. Er drückte mich fest an sich und es beruhigte mich. — Ich weiß es nicht, - flüsterte er und küsste mich vorsichtig an die Stirn. — Und was machen wir jetzt also? - fragte ich schwach, - angenommen wir bleiben doch zusammen. Hast du vielleicht eine Vorstellung, wie wir es in diesen drei Jahren hinbekommen könnten? — Nein, keinen blassen Schimmer. — Genau das meine ich. — Ich weiß, - er küsste meine Stirn noch ein Mal. — Es ist alles so anstrengend, - beschwerte ich mich, - ich wünschte, es könnte einfach klappen. — Ach Naru, wir beide sind schon seit langem nicht mehr sechzehn, - wir ließen beide einen schweren Seufzer ab. Wir redeten nicht mehr. Er setzte mich auf seinen Schoß und ich umschlang meine Arme fest um seinen Oberkörper. Seine eine Hand wanderte durch meine Haare. Die andere lag auf meinem Beckenknochen. Er hielt mich mit dem einen Arm fest. Wir haben uns schon so lange nicht mehr berührt! Und ich bemerkte, dass mir seine Nähe physisch gefehlt hatte. Diese faule tatenlose Umarmung stellte die verlorene Ruhe wiederher. Er küsste ab und zu meinen Hals, fuhr mit der freien Hand sehr zart über meinen Nacken und hinter dem Ohrläppchen, brachte meine Haare durcheinander und dann zurück in Ordnung. Ich zuckte leicht zusammen, jedesmal wenn seine trockenen Lippen unentschlossen auf meine Haut trafen. Ich vergaß beinahe, dass selbst seine kleinsten Berührungen manchmal nicht so ganz spurlos an mir vorbeigehen und mir ein klitzekleines Stück echten Genusses schenkten. Ich entspannte mich vollständig und machte die Augen zu. Sasuke tat meine Nähe ebenfalls gut. Er strahle eine ruhige sanfte Wärme aus. Seine Atmung verlief gleichmäßig und die krampfhafte Spannung verließ endgültig seinen erschöpften Körper. Mir fiel bereits zu Anfang des Treffens auf, dass mein Sasuke äußerlich nicht gut aussieht. Tiefen Ringe umrahmten seine nachdenklich schauenden schwarzen Augen. Seine einst makellose Marmorhaut ist jetzt ziemlich verunreinigt. Seine pechschwarze Haare ähnelten einem aufgewuschelten Klumpen Stacheldraht. Seine Lippen waren blass und trocken. Und seine Klamotten stunken übelst nach Zigaretten. Er scheint ein Kettenraucher geworden zu sein. Seit wann raucht er überhaupt? Warum weiß ich nichts davon? Oh, Sasuke! Es wäre so viel einfacher, wenn du dich nicht mehr kümmern würdest. Dann wäre wenigstens dir dieser Leiden erspart. — Sag mal, seit wann rauchst du eigentlich? - fragte ich ihn. — Oh, das schon seit langem. Ich glaub, ich fing damit an, als du dich damals nur mit Utakata beschäftigt hattest. Dann hab ich aufgehört. Irgendwann fing ich aber wieder an. Keine Ahnung, wann genau das war. — Warum weiß ich nichts davon? — Ich hätte dir doch sowas nicht melden müssen, oder? — Nein, die Frage war eher rhetorisch gemeint, - ich lachte kurz, - es zeigt einfach wie lange wir nicht vernünftig miteinander ausgegangen sind. — Na jetzt weißt du aber, - er legte sein zierlichen Nasenrücken auf meinen Hals. — Okaaaaay, - zog ich in die Länge, - und ähm… du stinkst übelst nach Zigaretten. — Verdammt, - fluchte er kurz, - das ist das einzige, was ich am Rauchen so überhaupt nicht leiden kann. — Und was ist mit Gesundheit und so? - ich lachte mal wieder. — Ach naja… wenn ich ab jetzt ohne dich existieren muss, dann ist es okay, wenn mein Leben etwas kürzer ausfällt. — Sasuke! - ich haute ihn am Rücken, - sag sowas nicht. — Okay, - er lächelte, - ein plötzlicher Themenwechsel. Naruto, wir sollten vielleicht doch dieses Trennungsgespräch anpacken. — Ich weiß. Oh, ich hab so keine Lust drauf! - jammerte ich wie ein kleines Kind und seufzte, - aber, bevor es losgeht, möchte ich mich bei dir fürs Schlussmachen per WhatsApp entschuldigen. Es ist geschmacklos und äußerst respektlos gewesen. Du verdienst sowas nunmal überhaupt nicht. Ein ernsthaftes Telefongespräch darüber ist das mindeste was ich gemacht haben müsste. Ich hab mich davor hinter die Arbeit versteckt. Ich bin halt zu feige, - nach dieser anspreche seufzte er schwer. — Weißt du, ich hätte nie gedacht, dass es mir im Ernst passiert. Und dass es ausgerechnet von dir kommt. — Entschuldigung… - ich drückte ihn fester zusammen. — Aber du möchtest vielleicht wissen, dass ich auch eine totale Angst davor habe. Ich kann es schon nachvollziehen. — Danke, - ich traute mich endlich in sein bekümmertes Gesicht zu schauen. Er ist so schön, mein Sasuke. — Okay, jetzt muss ich uns noch ein wenig aufhalten. Willst du vielleicht auch eine rauchen? - seine Augen wanderten nach oben, und wir gucken einander leicht grinsend an. — Oh ja, bitte. Ich kann uns noch Kaffee sofort organisieren. Und mit ein bisschen Mühe komme ich auch ans Alkohol ran. — Kaffee ist okay, das mit dem Alkohol ist etwas verfrüht. — Oh schade! Ich hätte es jetzt echt passend gefunden, - er schmunzelte und verdrehte dabei die Augen. — Tsk! - er schnalzte kurz darauf mit der Zunge und schüttelte abwertend mit dem Kopf. Irgendwie vermisste ich dieses kleine Geräusch. — Na was denn? — Nichts, - er legte seinen Kopf auf meine Schulter, - obwohl du ein stellvertretender Leiter bist, bist du immer noch so unglaublich schwachsinnig. Du änderst dich einfach gar nicht! - er stieß mich leicht mit dem Kopf und ich bemerkte, dass er unglaublich glücklich lächelt. Und dieser Anblick erlöste mich irgendwie. — Aber du magst es, oder? - fragte ich sicherheitshalber nach. Er neigte den Kopf zu meinem Ohrläppchen und whisperte verschwörerisch: — Ja. Aber das ist ein sehr großes Geheimnis, okay? Sein heißer Atem war unglaublich kitzlig und ich nahm etwas Abstand von ihm. — Dann freu ich mich darüber, - sagte ich leise. — Na klar. Immer gern, Usuratonkachi, - und seine wunderschönen Augen schauten mich unglaublich liebevoll an. Diesen Kosenamen habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört. Und dass er mich so bezeichnte, machte mich für den Rest des Abends unfassbar glücklich. — Okay, dann setz ich jetzt den Kaffee auf, wir gehen eine rauchen und dann reden wir. Klingt das nach einem Plan? — Jawohl, Herr stellvertretender Leiter! - warf er überraschend verspielt und ich musste einfach kichern. — Dann komm mit, - ich nahm ihn bei der Hand und seine Finger schlüpften gleitend zwischen meine, - lass uns es endlich durchziehen. Erwachsensein, Teil 5 --------------------- 🍥🍥🍥 Jenen Abend verbrachten wir mit sehr viel Kaffee, sehr vielen Zigaretten und einem sehr langen Gespräch. Unsere Situation sah sehr trist aus. Wir einigten uns darauf, dass keiner unnötige Überstunden macht, damit die Wochenendbeziehung wieder klappt. Leider waren aus 15 verbleibenden Wochenenden schon 6 sicher mit nicht ignorierbaren Arbeitsterminen verplant und vielleicht kommen noch welche dazu. Obwohl es nicht viel Zeit gab, wollten wir so eine Beziehung trotzdem. Natürlich war es keine langfristige Lösung, es ging eher darum, dass wir eine wöchentliche Routine hinbekommen, die idealerweise drei Jahre lang funktionieren soll. Und dann kehrt mein Sasuke zu mir zurück. Und dann retten wir unsere Beziehung im Echt, indem wir irgendwie die Arbeitsstunden reduzieren oder so. Aber das ist schon zu weit gedacht. Erstmal ging es darum, dass wir beide auf die kommenden „hungrigen“ drei Jahre halbwegs vorbereitet sind. Wir wollten sie schließlich nicht so ganz miserabel verbringen, wie die letzten zwei. Nach diesem „produktiven“ Teil redeten wir sehr viel übers Leben. Sasuke wurde mittlerweile zu einem echten Nerd, der außerdem ziemlich überheblich wirkte. Er versuchte mir den Schwerpunkt seiner Arbeit zu erklären. Es geht um die Big Data Algorithmen. Und um die neuronalen Netzwerke. Und ums Cloud Computing. Und ich hab es überhaupt nicht verstanden. Das einzige, was ich mitnehmen konnte, ist, dass Sasukes Arbeitsgruppe viel größer ist als ich dachte. Und dass sich seine Abteilung speziell mit Cloud Computing beschäftigt. Sasukes Vortrag dauerte ungefähr zehn Minuten und die ganze Zeit schaute er super skeptisch auf mich herab. Aber hinter dieser Überheblichkeitsmaske versteckte sich sein wahres Gesicht. Ganz am Ende des Vortrags bewunderte er schmunzelnd „meine unschuldigen dümmlichen blauen Augen“ und gab mir ein kleines Küsschen auf die Stirn. Und dann blieb er über Nacht mit mir auf der alten Liege im Mitarbeiterraum. Wir machten uns diesen winzigen Schlafplatz nichtmal ansatzweise bequem und legten uns direkt in den Arbeitsklamotten hin. Sie stanken übelst nach Zigarettenqualm. Mein Hemd war nicht mehr ganz frisch und roch unangenehm. Hinzu kam der undefinierbare Geruch vom Sasukes komischen Aloe-Aftershave. Wir umarmten uns trotzdem fest. Es ist schon sehr lange her, als wir gemeinsam kuschelnd einschliefen. Wir berührten einander, knutschten, kicherten wie dumme Teenager und waren dabei unfassbar glücklich. Ich fühlte mich plötzlich viel lebendiger. Als ob ich aus einem jahrelangen tiefen Winterschlaf erwachte. Am nächsten Morgen flitzten wir schnell in die Reinigung um die Ecke, frühstückten zusammen und ich brachte ihn zum Bahnhof. Den ganzen Tag über hing ich am Handy. Wir schickten uns gegenseitig verliebt wirkende Nachrichten hin und her. Sasuke bekam außerdem ein paar kleine Skizzen von sich als Chibi-Charakter. Am Ende des Tages fühlte ich mich hoffnungslos in ihn verliebt. Mein Herz flimmerte bei jedem Gedanken an ihn, der zufälligerweise meinen Kopf passierte. Sasuke kehrte zu mir zurück und brachte den lang ersehnten Jahreswechsel in meine gefrorene leblose Winterwelt mit. Dafür war ich ihm unendlich dankbar. Und so bekam unsere beinahe völlig zerstörte Verbindung einen echten Aufschwung. Wir klebten sie mühsam zusammen und dadurch klappte die Wochenendbeziehung deutlich besser, als ich es mir jemals vorstellen könnte. Abgesehen von den gelegentlichen arbeitsbedingten Lücken verbrachten wir Samstag und Sonntag exklusiv miteinander. Jeder bemühte sich tatsächlich sehr gewissenhaft keine unnötigen Überstunden zu machen. Außerdem bürgerten sich bei uns einige süße Kleinigkeiten ein. Sasuke bereitete für uns morgens den Frühstück und hinterließ für mich einen Zettel mit einem fiesen „guten Morgen“ Sasuke-Spruch. Und ich stellte abends für uns die Bentoboxen zusammen und befestigte an seiner eine kleine Skizze von Chibi-Sasuke. Und sonst fand ich raus, dass er auch sehr gern mit meinem noch schlafenden Körper kuschelt. Jetzt darf man sich gegenseitig dabei wecken und knutschen. Manchmal auch etwas mehr. So bekam ich das Gefühl in den vergangenen 10 Wochen einiges davon nachzuholen, was wir während dieser zwei Jahren verpassten. Zum Beispiel das mit Sasukes Arbeit und seinen Arbeitskollegen. Endlich bekam ich eine ganz-ganz grobe Vorstellung davon, was er beruflich macht, besuchte sein Büro und lernte einige seiner Kollegen kennen. Er war auch bei mir mehrmals zu Besuch. Oder das mit der Mangacon. Wir haben es so lange nicht mehr gemacht! Ich schleppte ihn an einem Wochenende mit und hörte seinen dummen Einwänden nicht zu. Es gehört sich so, okay? Er jammerte wie immer darüber, dass er Manga aus dem tiefsten Herzen verabscheut. Es gehört auch dazu und ich vermisste tatsächlich sein monotones Nörgeln. Aber gleichzeitig fiel mir auf, dass er doch ziemlich viel über die Mangawelt Bescheid weiß. Am Ende der Con beichtete er mir, dass er ab und zu unsere Zeitschrift liest. Er hat sich jedenfalls einen Jahresabo zugelegt. Und noch ungewollter gab er zu, dass Utakatas hochgelobte Manga tatsächlich den Lob verdient. Er sagte, dass er den Manga hauptsächlich meinetwegen fast jede Woche gewissenhaft durchblättert. Und dass ihm das klein gedruckte am Ende jedes Bands am meisten das Herz wärmt, denn ich bin dort ganz unauffällig als Editor aufgelistet. Diese unglaublich schnulzige Aussage machte die Schmetterlinge in meinem Bauch komplett verrückt. Ab da schmeckte ich einen ganz dünnen lieblichen Hauch davon, dass wir in diesen drei Jahren tatsächlich nicht auseinander gehen. Leider schmeckte unsere Beziehung nicht lange so lieblich-süß. Ich spürte von Anfang an, dass dieser wunderschöne Frühling nicht lange in meiner Welt verweilt. Obwohl unsere Beziehung in den letzten zwei Jahren am besten läuft, wusste ich, dass diese scheinbare Sicherheit bald zum Einsturz gebracht wird. Je näher Sasukes Abreise rückte, desto wahrnehmbarer wurde die chillige Atmung des ankommenden nuklearen Winters. Wenn er geht, verbleibt eine noch hässlichere Ruine davon, was mal unsere ewige Beziehung sein sollte. Die Wahrheit ist, dass ich ihn immer noch zum Überleben brauche. Ich bin immer noch derselbe naive sechzehnjährige Naruto, bloß zehn Jahre älter. Ich lernte absolut nichts dazu. Ich änderte mich kein bisschen. Und Sasuke schon. Der sechsundzwanzigjährige Sasuke macht einen ausgeglicheneren reiferen Eindruck. Es scheint, dass er jetzt tatsächlich in dieser verrückten komplizierten Erwachsenenwelt ziemlich gut alleine klarkommt. Außerdem lernte er dieses „gesunde Koexistieren“. Zumindest scheint es, als ob er mich nicht unbedingt braucht um vernünftig zu funktionieren. Und eigentlich ist es eine gute Sache. Erwachsene in einer gesunden Beziehung sollten nicht verzweifelt aneinander hängen. Und trotzdem hänge ich an ihm ziemlich verzweifelt. Obwohl er sagte, dass er nach drei Jahren zu mir zurückkommt, schließe ich die Möglichkeit eines noch längeren Auslandsaufenthaltes nicht aus. Als ich ihn über seine Arbeit ausfragte, erwähnte er flüchtig, dass er dort drüben insgesamt ziemlich zufrieden ist. Und das machte mich zutiefst traurig. So eine Antwort hörte ich überraschend ungern, weil ich schlicht und einfach nicht ohne ihn sein möchte. Leider ist meine Einstellung viel zu kindisch und ich versuchte dagegen anzukämpfen. Ich redete mir ein, dass es doch noch was werden könnte. Zum Beispiel funktioniert die Wochenendbeziehung tatsächlich ziemlich einwandfrei. Das ist doch ein sehr gutes Zeichen, oder? Oder dass er mir immer noch sagt, dass er mich über alles liebt, und ich spüre es auf einer sehr tiefen Ebene. Oder dass wir doch in der Lage sind den Alltag so zu strukturieren, dass Samstag und Sonntag nicht der Arbeit gewidmet werden müssen. Oder dass wir diese schöne Leichtigkeit im Umgang miteinander doch nicht verlernten, ganz im Gegenteil. Sasukes Sprüche mir gegenüber waren fieser denn je und ich schlug kräftiger denn je zurück. Aber… keine Ahnung. Irgendwie ließ mich der Trennungsgedanke nicht los. Jeden Tag sah ich in die unendlich tiefe unüberwindbare schwarze Schlucht zwischen uns und verspürte dabei eine sehnsüchtige melancholische Ausgangslosigkeit. Der Weltuntergang rückte jeden Tag etwas näher und vergiftete hartnäckig mein schönes Jetzt. Wie wird es ohne ihn sein? Können wir es überhaupt schaffen? Was passiert danach? Was wenn er nicht zurückkommt? Wie wichtig bin ich ihm eigentlich? Vielleicht sollte ich ihn doch lieber endgültig gehen lassen? Und wie jedes seit zehn Jahren immer noch sechzehnjährige Großkind drückte ich mich meisterhaft vor diesen Fragen. Trotz dieser Umstände genoss ich die verbleibende Zeit mit meinem Freund und versuchte so viel wie möglich davon zu bekommen. Ich frage mich oft, warum ich damals mit sechzehn alles ganz intuitiv wusste, und wann ich dieses „einfach machen“ verlernte. Damals wusste ich, dass Sasuke und ich zusammen gehören, selbst wenn sich Sasuke dagegen eifrig weigerte. Im Endeffekt hatte ich ja recht und Sasuke war mir für meine Hartnäckigkeit dankbar. Und diesmal habe ich so absolut keinen blassen Schimmer. Ich will mich nicht von ihm trennen und mein Bauchgefühl schreit, dass ich dadurch völlig kaputtgehe. Aber mein Verstand sagt mir klar und deutlich, dass es nicht funktionieren wird, und ich sehe ein wieso. Aber ganz genau wie damals gab ich meinen besten Freund nicht auf und versuchte tapfer an seiner Seite unser brüchiges Miteinander mit allen Mitteln zusammenzuhalten, die uns noch zur Verfügung standen. Und nun kam der befürchtete Abreisetag. Als Gepäck hatte Sasuke einen Riesenkoffer, einen Rucksack und eine große Laptoptasche. Ich nahm ihm den Rucksack ab und klammerte mich fest an seiner Hand. Er drückte meine Hand auch ziemlich krampfhaft zusammen. Wir verschwendeten keine Worte. Nur das wurde gesagt, was tatsächlich gesagt werden musste. Es herrschte eine echte Endzeitstimmung. Alles, was mir über die zehn Jahre so teuer war, stürzte so unglaublich einfach ein. Wie ein wackeliges Kartenhaus. Meine Welt, die ich zusammen mit Sasuke erschuf, erlebte einen kräftigen Beben nach dem anderen. Noch lag nicht alles in Trümmern. Aber wenn er fortgeht, dann verbleibt überhaupt nichts von mir übrig. Der Weltuntergang fing also an. Und alles, was ich machen konnte, war dieser Zerstörung einfach stumm zusehen. Nach dem Einchecken fanden wir zwei nebeneinanderliegenden abgeschotteten Plätze und saßen dort noch eine ganze Weile. Sasuke legte seinen Kopf auf meine Schulter und schmiegte sich an mich ran. Er ist auch sehr bekümmert. Und ehrlich gesagt macht er einen schutzbedürftigen Eindruck. So, als ob er doch nicht ohne mich klarkommt. Als ob er auch immer noch derselbe verängstigte fünfzehnjährige Sasuke ist, dem die Familie auf einer grausamen Art gestohlen wurde. Und dem abends beim Mangalesen unbeabsichtigt eine Liebeserklärung ausrutschte. Ich will überhaupt nicht gehen. Plötzlich bekam ich das Gefühl Sasukes Gedanken lesen zu können. Ich machte die Augen zu und steckte die Nase in seine schwarzen nach Zigarettenqualm riechenden Haare. Meine Arme schnürten Sasukes Oberkörper fest zu. Meine Lippen küssten sanft seinen Kopfwirbel. Meine Ohren lauschten seiner gleichmäßigen Atmung. Und mein Herz brach in tausend kleine Stücke immer und immer wieder. Dieser schreckliche Weltuntergang ist fast vorbei. Nur noch ein bisschen… So langsam musste Sasuke zur Sicherheitskontrolle. Sein Flieger geht schon in 40 Minuten ab, also können wir nicht mehr „noch fünf Minuten länger“ hier verweilen. Er stand auf, nahm mich bei der Hand, wir schnappten uns seine Sachen und gingen in die Richtung eines kleinen Schalters vor dem riesigen Kontrollbereich. Sasuke musste erstmal seinen Pass und die Boardingkarte vorzeigen. Er ließ meine Hand los, um die Unterlagen aus seinem Rucksack herauszufischen. Für einen kurzen Moment trafen sich unsere Augen und ich sah, dass diese wunderschönen schwarzen Seelenspiegel verräterisch glitzern. Er ließ den Rucksack los, damit wir uns sehr fest umarmen könnten. Dabei besuchte mich das Gefühl, dass ich es zum allerletzten Mal machen darf. — Pass auf dich dort drüben auf, ja? - flüsterte ich, - sei bitte nicht so antisozial und finde endlich ein paar gute Freunde, auf die du dich tatsächlich verlassen kannst. Du arbeitest dort schon seit zwei Jahren, also streng dich gefälligst an! Und achte darauf, dass du genug isst. Du bist viel zu dünn geworden. Bitte rauche nicht zu viel. Versuche am liebsten aufzuhören, okay? Und lass dich von der Arbeit nicht stressen. — Okay, - erwiderte er leise, - du aber auch. Überarbeite dich bitte nicht, du bist dabei sehr unvorsichtig. Iss nicht nur Instant-Ramen. Auch mal Gemüse und Obst und echtes Fleisch. Achte generell darauf, was du isst. Krieg bitte eine regelmäßige Schlafroutine hin, sonst bist du hyperaktiv und ein wenig unausstehlich. Und vergiss nicht deine täglichen Skizzen zu machen. Zeichnen hilft dir irgendwie. Als ob du damit die Emotionen ausdrücken kannst, für die dir Wörter fehlen. Du bist ja generell nicht so wortgewandt, Usuratonkachi. Versuch vielleicht sogar ein neues Manga anzufangen. Wenn es passiert, möchte ich es lesen, - er krallte sich unauffällig in meine Jacke, aber ich bemerkte es trotzdem. — Ich versuch es, - wisperte ich. Meine Arme waren immer noch fest um ihn herumgewickelt, - ich liebe dich, du Arschloch. Sei dort bitte-bitte glücklich, okay? Sonst mach ich mir Sorgen ohne Ende. Er schluchzte. Während des letzten Satzes drückten seine Arme mich noch fester zusammen. — Naruto? - er rief mich ganz leise beim Namen. — Was denn? Ich löste etwas meinen Halt und guckte direkt in sein Gesicht. Seine wunderschönen schwarzen Augen glitzerten immer noch. Sie waren so endlos! Als ob ich in den nächtlichen Sternenhimmel nach dem schrecklichen Weltuntergang hineinschauen würde. So sieht eine völlige Ausgangslosigkeit, ha? Im nächsten Moment küsste er mich sanft und ging danach sofort in den Kontrollbereich. Ja, es war eindeutig ein Trennungskuss. Der bittersüße Nachgeschmack prickelte noch einige Stunden auf meinen Lippen nachdem ich einsam den Flughafen verließ. Ich blieb noch so lange, bis sein Flieger abhob. Ich verabschiedete ihn schwersten Herzens in die große chaotische Welt da draußen. Nun war es so weit. Der Weltuntergang war zu Ende. Ein Abschnitt meines Lebens schien abgeschlossen zu sein. Sasuke wurde an dem Tag aus meiner Welt ausgelöscht. Wir hatten uns neunzehn Jahre als Freunde und zehn Jahre als Liebhaber. Jetzt ist es vorbei. Eine neue Ära brach in meine Welt an, die des kalten leblosen nukleares Winters. Jetzt muss ich sie von Grund auf neu gestalten. Ganz ohne Sasuke an meiner Seite. Ich bin jetzt völlig allein. Von Flughafen aus nahm ich den Zug in die Richtung der Stadt. Der Regen knallte laut ans Fenster und ich lauschte diesem Geräusch zu. Chaotische Rhythmen sind manchmal auch entspannend, ne, Sasuke? Ich schmunzelte leicht bei diesem Gedanken. Im Flughafen bekam ich das Gefühl, dass Sasuke genauso verzweifelt an mir hängt. Genauso wie damals, als ich ihn vor dem Chaos zum ersten Mal rettete. Als ob er immer noch die Sicherheit auf meinem Schoß zum Überleben braucht. Denn sonst bleibt er nicht lange gesund im Kopf. Er gab mir jedenfalls so ein Gefühl und mein erschöpftes zerbrochenes Herz bekam eine kleine Hoffnung darauf, dass das mit Sasuke doch nicht vorbei ist. Es weigerte sich die bittere Realität anzunehmen und von Sasuke loszulassen. Wenn er mich doch noch braucht, dann schaffen wir es bestimmt, oder? Drei Jahre dauern an sich nicht soooo lange. Und außerdem bekamen wir doch die Wochenendbeziehung super hin. Wir könnten diese wunderschöne Routine brav durchziehen und dann kommt er endlich zurück. Dann könnten wir sicher… Nein. Konnten wir nicht. Denn nach zwei Jahren haben wir uns endgültig getrennt. Erwachsensein, Teil 6 --------------------- 🍥🍥🍥 Etwas mehr als fünfeinhalb Jahre vergingen seitdem Sasuke ins Ausland zog und seit unserer Trennung vergingen etwas mehr als dreieinhalb Jahre. Also herrscht der kalte bissige Winter seit etwas mehr als dreieinhalb Jahren in meiner Welt. Obwohl sich mein Leben in diesem Zeitraum augenscheinlich nicht gravierend änderte, ist es trotzdem ganz anders ohne Sasuke zu sein. Ich stumpfte seit seiner Abreise nach und nach ab und kann seit der Trennung fast nichts mehr vernünftig fühlen. Irgendwie denke ich, dass dieser Zustand einem Wachkoma ähnelt. Diverse Sachen passieren in meinem Leben und hinterlassen absolut keine Spur. Ich befinde mich eher in der Rolle eines externen Beobachters, obwohl die Geschehnisse mich direkt betreffen. Ich wurde zum Beispiel vor drei Jahren befördert. So kam ich an neues Büro ran und jetzt steht auf meiner Tür „Uzumaki, Naruto. Leiter der Zeitschrift“. Ja, genau so nahm ich meine Beförderung wahr: Bürowechsel und ein neues Türschild. Es fühlte sich nach nichts an. Weder Freude über eine gewisse Leistung noch irgendwelche Bedenken besuchten meinen Kopf. Mich kümmerte absolut nicht dass ich jetzt richtig viel Verantwortung habe, dass die Überstunden noch mehr wurden, dass die Aufgaben, für die ich zuständig bin, überhaupt nicht das sind, was ich ganz am Anfang als begeisterter zwanzigjähriger Praktikant wollte, und dass dieser Job mich körperlich völlig kaputt macht. Ich erledige Tag für Tag meine Aufgaben und bekomme am Ende des Monats eine satte Entschädigung. So platt und unspannend fühlt sich mittlerweile mein Job an. Ich weiß nichtmal ganz genau, wozu das alles. Erstens keine Ahnung wohin das ganze Geld soll. Ein paarmal gönnte ich mir davon einen Urlaub in die entfernten exotischen Länder. Die Reisen haben mich überhaupt nicht gereizt. Gar nichts. Es war im Endeffekt immer eher anstrengend als entspannend. Dann gelang ich zurück an meinen übelst vertrauten Schreibtisch und arbeitete sogar während der ersten Woche ein kleines wenig engagierter als sonst. Und zweitens vergaß ich komplett was mich an diesem Job früher reizte, aber ich weiß, dass sowas irgendwann mal existierte. Der Job gibt mir mittlerweile überhaupt nichts zurück, was man als vielleicht ein wenig erfüllend bezeichnen könnte. Die einzige arbeitsrelevante Sache, die in mir etwas entfernt verwandtes zu meiner anfänglichen Begeisterung für Manga erweckt, ist das Berichtigen von Utakatas Storyboards. Ab und zu spüre ich dabei einen kleinen Funken einst wilden feurigen Leidenschaft fürs Zeichnen und Geschichtenerzählen. Am Anfang wollte ich auch mit der ganzen Welt meine Geschichten teilen. Mein Kopf generierte sogar ziemlich brauchbare Ideen in einer sehr großen Anzahl. Damals wusste ich nicht, dass die Ideen wirklich nicht so ganz schlecht waren. Das sehe ich jetzt mit meinen mittlerweile trainierten Editor-Augen. Der Anfang hier fiel zusammen mit der kreativsten Phase meines Lebens. Ich veröffentlichte meine Sachen auf diversen Doujinshi-Seiten und sie gewannen tatsächlich eine gewisse stabile Anhängerschaft. Damals dachte ich, dass ich praktisch ein echter Mangaka bin. Ich musste nur noch damit Geld verdienen und ich war bereits in einer der größten Mangazeitschrift angestellt. Aber es ging trotzdem schief und irgendwie wurde ich zum seelenloser Bürokrat am riesigen unordentlichen Schreibtisch. Nicht, dass meine Arbeit auch nicht wichtig ist. Nicht, dass ich mit meiner Situation so super unzufrieden wäre. Ich meine, es gibt sicher schlimmeres. Bloß… ich wollte halt ein ganz anderes Leben. Und ich hätte nichts dagegen generell ein wenig glücklicher zu sein. Ohne Sasuke zu sein machte sich auch anderweitig bemerkbar. Anscheinend ist er der einzige, der mich generell als Partner dulden kann. Vor drei Jahren versuchte ich mal wieder zu daten, aber es führte zu nichts. Mit keinem funkte es auf Anhieb und ich hatte keine Zeit das ruhige Miteinander ganz von vorn aufzubauen, denn mein Wachsein besteht seit Sasukes Abreise und bis zum heutigen Tage fast ausschließlich aus Arbeit. Selbst der sechsmonatige Krankenhausaufenthalt wegen eines Burnouts vor vier Jahren und eine schmerzhafte Trennung direkt im Anschluss konnten mich nicht zur Stundenreduktion bringen. Alle Dates hielten mein Lebensrhythmus früher oder später nicht aus und ergriffen eine panische Flucht. Dann werde ich halt meine Arbeit heiraten. Es ist auch nicht schlecht. Sie hat mich wenigstens im Echt lieb. Und sie bleibt wirklich für immer an meiner Seite. In guten wie in schlechten Tagen. In Gesundheit und Krankheit. Bis der Tod uns scheidet. Abgesehen von meiner ungesunden Arbeitsbeziehung hänge ich immer noch an Sasuke fest, was natürlich nicht förderlich im Bezug auf Partnersuche ist. Ich frage mich ständig wie es ihm geht und stalke ihn bei Facebook und Co. Mittlerweile wurde seine Arbeitsgruppe ziemlich bekannt. Ab und zu berichten diverse Nerdnews-Seiten über sie und ich lese die meisten von ihnen täglich auf dem Weg zur Arbeit. Ja, ich wurde durch Sasuke-Stalking tatsächlich ein wenig informatikaffiner. Leider gibt dieses extensive Sasuke-Stalking zu wenig Einblicke in sein Privatleben. Ich gewann dadurch nichtmal sein aktuelles Bild. Alles, was mir also verbleibt, ist die Hoffnung darauf, dass er glücklicher ist, als ich. Ich kann ihm so eine rohe Halbexistenz niemals wünschen. Zum Beispiel hoffe ich darauf, dass er seinen Job immer noch als erfüllend empfindet. Und dass es ihm gesundheitlich gut geht. Und dass er endlich ein paar gute verlässliche Freunde fand. Und am meisten wünsche ich mir, dass er dort jemanden hat, der sich gern um ihn kümmert. Ach Sasuke… wann vergesse ich dich endlich? Mittlerweile glaube ich, dass ich unterbewusst über ihn nicht hinwegkommen will. Er bedeutet mir selbst nach der Trennung viel zu viel und ich kann ihn selbst nach dreieinhalb Jahren nicht mit einem hässlichen X brandmarken. Wenn ich über ihn spreche, bezeichne ich ihn immer noch als „mein bester Freund“. Oder einfach Sasuke. Und egal was Leute dazu sagen, mag ich unsere Geschichte sehr, selbst wenn sie überhaupt kein Happy End hat. Außerdem können mittlerweile nur die Erinnerungen an damals ab und zu diesen stumpfen lähmenden Wachkoma kurzzeitig brechen und mich aus dem betäubten Tiefschlaf zurück in die Wirklichkeit holen. In diesen Momenten verwüstet ein zerstörerischer Feuersturm meine kalte leblose Winterwelt. Ein heißer Lava brennt alles nieder. Die dicken Eisschichten um meinen Herz herum schmelzen weg. Die alten versiegelten Wunden öffnen sich. Und dann fühle ich plötzlich alles auf einmal. Dieser riesige Klumpen nimmt die Form eines beinahe unausstehlichen Schmerzes und er bricht nach draußen als ein lautes verzweifeltes Heulen frei. Obwohl es unglaublich wehtut, freue ich mich trotzdem darüber. Dieser echte Schmerz ist der beste Beweis davon, dass ich immer noch lebendig bin. Durch ihn weiß ich, dass ich immer noch absolut bedingungslos lieben und eine echte Begeisterung verspüren kann. Diese beiden Fähigkeiten wurden mir zum Glück noch nicht ganz gestohlen. Ich muss nur etwas finden, was mein inneres Feuer erneut entfacht, denn ich selbst brannte irgendwie aus. Außerdem enden alle Versuche mich von Sasuke loszulösen so oder so damit, dass ich eine kleine Skizze von ihm anfertige. Also warum überhaupt dagegen kämpfen? Es ist eh völlig sinnlos. Heute werde ich 32. Oder besser gesagt zum sechzehnten Mal sechzehn. Beinahe hätte ich es vergessen. Zur Zeit beansprucht eine große Finanzierungsfrage des ganzen Projekts mein ganzes Denk- und Erinnerungsvermögen und ich vergesse letzter Zeit katastrophal viel. Vor allem waren alltägliche Sachen betroffen, die absolut keinen Bezug zu meinem Problem haben. Ich muss halt zu viel Platz für den Inhalt etlicher Businessmeetings und deren Zusammenhang reservieren. An meinen Geburtstag wurde ich nichtsdestotrotz durch die jüngeren Kollegen sehr herzlich erinnert. Sie veranstalteten eine kleine Feier während der Mittagspause. Es gab Kuchen und kleine symbolische Geschenke. Sie unterschrieben zusammen eine Karte und dann wünschte jeder etwas ganz kurzes sogar mir persönlich. In solchen Momenten sehe ich plötzlich, dass die jüngeren mich eigentlich respektieren und auf mich wie auf eine Art Vorbild hochschauen. Manche wollen sogar später so werden wie ich jetzt. Aber ich denke oft stumm dazu: überlegt es euch ganz gut. Es ist nicht so toll wie es vielleicht aussieht. Und man muss höchstwahrscheinlich die Arbeit heiraten. Später am Tag kam ich mit dem letzten Zug zurück nach Hause. Ich hielt eine kleine Skizze von Sasuke in der Hand. Diesmal zeichnete ich ihn stehend an der Türschwelle mit zwei Tüten und in den Boden starrend. Wie er damals wirklich süß keine passenden Worte finden konnte und redete viel zu viel! Und wie er ab da für lange zwölf Jahre treu an meiner Seite blieb. Seit drei Jahren ist mein Geburtstag eine Art Gedenktag, an dem ich abends einen kleinen Muffin mit einer orangenen Geburtstagskerze esse und mich dabei an den unschuldigen Anfang unserer Beziehung erinnere. Und seit drei Jahren warte ich darauf, dass er mal wieder an diesem Tag an meiner Türschwelle auftaucht. Er muss nichtmal etwas mitbringen. Nur sich selbst. Es würde mir völlig reichen. Ich will, dass Sasuke für immer an meiner Seite bleibt. Dieser Gedanke passierte meinen Kopf kurz bevor ich die kleine Kerze auspustete. Ich aß den Muffin und legte mich danach ins Bett. Liegend im Bett starrte ich nachdenklich ins Handy. Die tausenden Wecker habe ich gestellt, oder? Ja, habe ich. Gut. Scheiße, ich bin schon 32, brauche morgens aber immer noch 10 Wecker um überhaupt aus dem Bett zu kommen. Der erste klingelt bereits um 6:45. Wie schrecklich… na gut, Herr Uzumaki, leg das Handy weg. Jetzt ist Schlafenszeit. Kaum trennte ich mich vom kleinen Gerät, vibrierte es und leuchtete aufdringlich auf. Meine Finger suchten kurz den Boden ab. Als ich auf das Display starrte, zeigte dieser „Alles Gute zum Geburtstag, Naruto“ an. Als Absender war Uchiha, Sasuke eingetragen. Dieser kurze Anblick reichte schon um mein Herz zum kräftigeren Schlagen zu bringen. Seit dreieinhalb Jahren verspürte ich eine echte impulsive Freude. Sie strömte rasch durch meinen gesamten Körper, erweckte jede verschlafe Zelle und brach durch das dicke Eis direkt zu meinem noch fest schlummernden Wesen durch. Und es fühlte sich so unglaublich gut an. Ist es vielleicht dieses etwas, was endlich mein inneres Feuer entfacht? Vielleicht geht dieser kalte leblose Winter schon sehr bald zu Ende? Erwachsensein, Teil 7 --------------------- 🍥🍥🍥 „Alles Gute zum Geburtstag, Naruto“ „Danke“ tippte ich blitzschnell ein und schickte die Nachricht ab. „Ich vermisse dich und halte es nicht mehr aus! Bitte sag mir, dass wir uns jetzt gleich sehen können!“ Meine Finger flatterten wild über das Display, bis die Nachricht abgeschickt werden musste. Mein Daumen zögerte und hing bewegungslos in der Luft. Ach ne… es ist viel zu unangebracht. Ich löschte den Text und starrte hoffnungsvoll das Gerät an. Sasuke meldete sich noch nicht zurück. Eine kleine Wolke zeigte an, dass er gerade etwas eintippt. Die Wolke verschwand. Keine Nachricht kam. Er hat irgendwie auch keine Kraft Sachen abzuschicken. Also schrieb der stolze Uchiha etwas, was er doch nicht so ganz gern zugibt? Etwa die Tatsache, dass er mich womöglich vermisst? Oder war das vielleicht ein sehr fieser Sasuke-Spruch, den er sich schlussendlich doch nicht erlaubte? Ach, naja, was soll‘s. Ich werde es eh nie erfahren. Ich legte das Handy auf den Fußboden und schloss die Augen. Ein leichtes Schlummern umgab sanft meinen Körper, betäubte mich und vertrieb unaufdringlich die Freude von vorhin. Keine Ahnung, wie lange ich so lag. Es reichte aus, um meinen Körper auf die Reise zurück in den Tiefschlaf vorzubereiten, doch plötzlich vibrierte das Handy noch ein Mal. Ich setzte mich ruckartig hin und warf die narkotisierende Schläfrigkeit entschlossen ab. Plötzlich wurde ich hundertprozentig wach. Meine Hand griff das kleine Gerät und meine Augen krallten sich hungrig in den Bildschirm. „Reden?“ las ich darauf. „Natürlich wenn es dir passt“ kam sofort nach. Aha! Er möchte auch mit mir quatschen! Ich riss das kleine Kasten ans Herz und meine Lippen formten sich zum riesigen überglücklichen Grinsen. Ich kippte überwältigt ins Bett, drückte sofort aufs Anrufen und legte den Hörer aufs Ohr. Es klingelte bereits. Während jeder vergangenen Sekunde lebte ich eine ganze Ewigkeit durch. Sasuke, du Spako, geh schon ran! Oh man, ich verhalte mich sowas von impulsiv. Ich bin einfach übelst dumm… ach, scheiß drauf. Dann ist es halt so. Interessiert mich nicht. Ich will ganz kurz seine Stimme hören. Und danach fahre ich sofort zu ihm. Ich werfe mich auf ihn, küsse ihn und lasse ihn nie wieder los. Und dann sind wir bestimmt für immer glücklich. Bis der Tod uns scheidet. Ja. Einfach so. Am anderen Ende ging plötzlich jemand ran. Meine anfängliche entschlossene Euphorie wurde abrupt gebremst und ich knallte mit aller Wucht gegen die eigene Dummheit. Ich vergaß völlig, wie man spricht. Durch den Hörer spürte ich sehr deutlich Sasukes Präsenz und wusste aus irgendeinem mysteriösen Grund, dass er mein Gesprächsgegenüber ist. Sasuke war anscheinend auch nicht auf das Gespräch vorbereitet. Keiner von uns traute etwas zu sagen und eine unangenehme Spannung baute sich rasch auf. Wir hofften beide, dass sich der jeweils andere das erste Wort wagt. Aber mir tat seine Präsenz nichtsdestotrotz gut. Mein Herz raste hin und her und beförderte die lebenserweckende Hitze überall in meinen tauben Körper. — Hey, - er ergriff unentschlossen die Initiative und ich war ihm so unendlich dankbar dafür. — Hi, - erwiderte ich. Die heikle Spannung löste sich magischerweise mit dem ersten Wort auf. Die Sprachgabe kehrte zu mir zurück. — Alles Gute, - wiederholte er sich. — Danke, - ich wiederholte mich auch. — Geht’s dir soweit gut? — Ja, ich glaub schon. Alles wie immer. Termine und Stress. Nichts Neues. — Haha, - lachte er kurz. — Und dir? Ich hab gehört, dass deine Arbeitsgruppe Fortschritte macht. — Ja, irgendwie so oder so. Ich arbeite dort schon sehr lange nicht mehr. — Achso? - überraschte ich mich. — Jaaaa, keine Ahnung… weiß nicht ganz… bin eines Tages aufgestanden und hab meine Vorgesetzten gebeten mich vorzeitig ins heimische Institut zurückzuschicken. Sie haben sich zwar gewundert, aber sie haben es trotzdem genehmigt. — Achso. Also bist du wieder hier, was? — Ummm, - murmelte er rechtfertigend. — Cool… Die Unterhaltung hörte auf. Aber ich wollte nicht auflegen. Obwohl wir in einem dummen Smalltalk steckten, tat es unglaublich gut seine super verlegene Stimme zu hören. Ich darf diese Unterhaltung nicht sterben lassen. Sonst sterbe ich mit ihr zusammen. — Ich vermisse dich, - folg plötzlich von meinen Lippen. — Ich dich auch, - hauchte er leise aus. Ich verspürte seine unglaubliche Erlösung. Er hatte anscheinend Angst diese Worte auszusprechen. — Hast du mich deswegen angeschrieben? - fragte ich hoffnungsvoll. — Ummm, - murmelte er kurz. Ihm war eindeutig peinlich diese Schwäche zuzugeben. Ich kann es aber irgendwie nachvollziehen. — Ich freu mich, dass du dich meldest. Danke für die Nachricht. — Kein Ding. Es wurde schon wieder stumm. Uzumaki, sag was! Rette es! JETZT SOFORT!!! — Und wie ist es wieder zuhause zu sein? - ich bastelte eine wackelige Frage, damit ich an mehr Gesprächsstoff rankomme. Oh Gott! Was für eine dumme Frage ist das?! — Tatsächlich sehr schön. Als ich zurückkam, hab ich plötzlich verstanden, dass mich dort alles ziemlich fertig gemacht hat. Das Essen, die Arbeitskultur, die Öffentlichen, meine Wohnung und so… es hat alles nicht so richtig gepasst. Und mir hat die Muttersprache unglaublich gefehlt. Seitdem ich hier bin, fühle ich mich nicht mehr so ganz isoliert. Meine Kollegen haben mich zwar nie ausgegrenzt oder so, aber keine Ahnung… es ist schon toll die Gedanken so auszudrücken, wie ich es will… ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll… — Du meintest doch damals, du wärest ziemlich zufrieden. Also war es doch nicht so ganz wahr, oder wie? - Verdammt! Was frage ich eigentlich?! — Tjaaa… sorry, sag mal, - er zögerte für eine Sekunde, - du grinst, oder? Ich erstarrte für einen Moment und wurde mir meiner aktuellen Körperlage bewusst. Ja, ich lächelte tatsächlich sehr aufrichtig. — Ähm, jaaa? Und woher weißt du es? - fragte ich etwas ängstlich. — Wenn du breit lächelst, ändert sich deine Sprechweise ein bisschen. Ich kann mir jetzt richtig gut dein Gesicht vorstellen. — Oh, - ich war sehr überrascht, - ist mir nie bewusst gewesen. — Es ist nur eine von diesen Naruto-Kleinigkeiten, also nichts geheimnisvolles. Sorry, wenn ich dich jetzt damit irgendwie verunsichere… Die Unterhaltung hörte mal wieder auf. Nein! Ich darf ihn jetzt unter keinen Umständen gehen lassen! — Hast du vielleicht irgendeine Naruto-Kleinigkeit, die dir verrät, dass ich dich unbedingt sehen will? - so, dieser dumme Smalltalk reicht mir langsam. Ich hab zu viel wichtiges zu sagen. — Ich denke schon. — Verrät sie dir vielleicht auch, dass es am besten jetzt gleich passieren soll? — Ja… — Na Gott sei dank! - ich unterbrach ihn, - sag mir bitte, dass du dich jetzt gleich mit mir treffen kannst. — Tatsache ja, weil… Er schluckte hörbar und verstummte. Seine fast frisch verliebt wirkende Unsicherheit machte sich sogar durch den Hörer bemerkbar. Stimmt, er kann auch so zart und zerbrechlich sein. Ich stellte mir sofort vor, wie er ängstlich den Kopf auf meinen Schoß legt und wie eine scheue Katze nach Aufmerksamkeit bettelt. Oh Gott! Sasuke!!! Ich vermisse dich sooo tierisch! — Oh nee, es ist so peinlich zuzugeben, aber… - ließ er jämmerlich ab und seufzte, - …ich treib mich halt seit einigen Stunden unter deinen unglaublich dreckigen Fenstern und ich mache dabei einen Eindruck eines übelst gruseligen Stalkers, - ich kicherte dumm und er fuhr besorgt fort, - warte mal… du wohnst doch immer noch dort, wo ich vermute, oder? Sag mal, bist du überhaupt zuhause? Vielleicht schläfst du heute im Büro? Termine und Stress und so! Scheiße! Mach ich mich jetzt zum letzten Deppen?! Ich lachte herzlich in den Hörer. — Alles gut. Ich wohne immer noch dort, wo du denkst, und ich bin jetzt zuhause. Also komm hoch. — Bereitet es dir wirklich keine Umstände? Plötzlich erinnerte ich mich an die Unterhaltung, die genau vor sechzehn Jahren stattfand. Gelingen wir immer wieder an denselben Punkt oder was? Es ist schon ziemlich witzig. — Bitte sagen Sie nicht, dass ich mich auch heute drei Mal wiederholen muss, Uchiha-san. — Na gut, - er kicherte, - dann bis gleich, - und legte auf. Es klingelte unten. Ich flog praktisch zur Sprechanlage hin, drückte hastig den Knopf mit dem Schlüssel, machte aufgeregt die Eingangstür auf und haute sofort ins Schlafzimmer ab. Jede Zelle in meinem Körper rastete aus und ich wurde dadurch ziemlich aufgedreht. Als ob tausend kleine elektrische Nadel ununterbrochen in meine Haut hinein picksten. Ich setzte mich auf das Bett, schaukelte hastig von links nach rechts und wippte ungeduldig mit beiden Beinen. Den Flur ließ ich dummerweise ganz unbewacht. Aber das fiel mir erst auf, als ich nach längsten drei Minuten meines Lebens ein unruhiges Rascheln hörte und mich zurück in den Eingangsbereich begab. Sasuke stand stumm auf der Türschwelle. Unsere Blicke trafen sich und wir warfen Verlegenheit hin und her ein paar Augenblicke lang. Ich hielt es nicht weiter aus, warf mich in seine Arme und landete in seinen sicheren festen Halt. Er drückte mich sehr nah an sich und bescherte mir einen lang ersehnten Wiedersehenkuss. Danach schloss er mich in einer intimen Umarmung und ich löste mich vollständig in ihr auf. Für ein paar Minuten genossen wir still diese bis zur Schmerzgrenze vertraute gegenseitige Nähe. — Seit wann bist du denn zurück? - erkundigte ich mich nach ein paar Minuten. — Seit ungefähr drei Jahren. — Und warum zur Hölle lässt du mich dann so lange warten, ha?! - die Frage viel wütender aus als ich es ursprünglich plante. Aber ich haute ihn kräftig in den Rücken und fügte trotzdem hinzu, - du Arschloch! — Aha, von wegen! - er haute mich noch kräftiger zurück, - wir sind ja angeblich getrennt besser dran als in der… wie hast du es nochmal betitelt? Achso, jaaaa! Die Fernbeziehungsmisere! - er spuckte das letzte Wort besonders wütend aus. Aber seine sarkastische Stimme hörte sich genau richtig an. Ja, mein Sasuke ist wieder zurück! — Nein. Überhaupt nicht. Die Welt ganz ohne Sasuke ist immer noch grausam und fürchterlich, - ich vergrub mein Gesicht in seine Brust und er umarmte beschützend meinen Kopf. — Ich hab doch damals gesagt, dass es so endet, - sagte er auf einmal sehr sanft, - und du, SCHWACHKOPF, wolltest mir überhaupt nicht glauben! - und schon wieder ist er sarkastisch. Ach ja… ich hab ihn so sehr vermisst! — Ja-ja, ich weiß! Ich hab voll verkackt! - murmelte ich schuldig. — Nicht schlimm. Ich weiß, dass es dir öfter passiert, - er guckte mich liebevoll an, - ich hab dich trotzdem ganz doll lieb. Er richtete mich auf, drückte mich dabei kräftig zusammen und legte entspannt den Kopf auf meine Schulter. Ich umschlang automatisch meine Arme um ihn herum. Nie wieder darf ich von ihm loslassen. — Naruto, ich liebe dich immer noch über alles, - sagte er verlegen, - geht es dir auch ein bisschen ähnlich? — Ja, es geht mir absolut genauso, - gab ich ehrlicherweise zu und verstummte. — Du liebst mich also auch? — Ja. — Dann sprich es bitte ordentlich aus. — Ach komm, du weißt es doch. — Bitte, - bat er verlegen erneut, - nicht, dass du tatsächlich ohne mich besser dran bist, und ich dir zu nahe trete, weißt du? Die Sprachgabe verließ mich mal wieder. Wir versanken in eine leicht angespannte Stille. Es fühlte sich genauso wie damals, als er mich fragte, ob wir uns mit Sakura tatsächlich geküsst haben. Ich spürte seine unruhige Anspannung. Es braucht also wirklich eine Bestätigung, ha? — Na gut, dann pass ganz gut auf, - ich beugte mich zu seinem kleinen fein geformten Ohr hin und flüsterte geheimnisvoll, - Sasuke, ich liebe dich absolut bedingungslos, - ließ ich süßlich ab. Mein Gesicht verwandelte sich in ein einziges zufriedenes Grinsen. Ich nahm etwas Abstand von ihm und fügte scherzend hinzu, - obwohl du augenscheinlich immer noch ein eingebildetes Arschloch bist. Er kicherte und sagte nichts. *** Wir saßen seit einigen Stunden auf dem Boden im Flur und konnten uns aus dem Eingangsbereich nicht wegbewegen, weil wir beide den Hunger nach dieser gegenseitigen Nähe einfach nicht gestillt bekamen. Seine Wärme fühlte sich sehr sanft, kuschelig und genau richtig an. Sie hat mir physisch gefehlt und ihre Abwesenheit machte mich anscheinend auf Dauer krank. Wenn er weiterhin an meiner Seite bleibt, bin ich schon sehr bald wieder der alte. Oder so. Keine Ahnung. Seine Präsenz tut mir körperlich so gut, dass ich mich sofort um einiges lebendiger fühle. Ich machte es mir bequem auf seinem Schoß, wickelte die Arme fest um seinen Torso und ließ mir von ihm die Haare streicheln. Meine Kopfhaut erkannte sofort Sasukes filigranen Finger und ich bekam ab und zu leichte elektrisierende Rückenschauer entlang der gesamten Wirbelsäule. Seine vorsichtigen Berührungen versetzten mich nach einiger Zeit in ein ruhiges Equilibrium und die Zeit stoppte. Meine gesamte Welt passte genau hierhin, auf seinen Schoß. Hier fühlt es sich so geborgen an. Sasuke ist mein sicherer Ort. Dort, wo er ist, bin ich auch zuhause. Ich bin nur seins. Und er ist nur meins. Es muss so sein. Wie hätte ich nur diesen simplen Grundsatz vergessen können? Ich bin immer noch unfassbar dumm. Gegen um halb vier Uhr morgens schufen wir es doch ins Bett. Er umarmte meinen Rücken und ich schmiegte mich fest an ihn. Er ist so schön warm, mein Sasuke! — Bin endlich wieder zurück, - flüsterte er und küsste mich in den Nacken. — Sehr schön. Ich freu mich richtig darauf, - hallte ich nach und schnappte mir gierig seine Handfläche. — Gute Nacht. — Ebenfalls. Ich wälzte noch ein wenig in seinen Armen rum, bis ich eine angenehme Liegeposition fand. Das Einschlafen misslang mir trotzdem ziemlich bitter, ich war einfach viel zu aufgeregt um nur ein Auge für nur eine Sekunde zuzutun. — Ich bin so wirklich froh! - ließ ich nochmal verträumt ab. — Dummkopf, schlaf jetzt. Du musst allerspätestens um 8:30 im Zug sitzen, - zischte er müde durch den Schlaf und schaltete sich ab. Damit hatte er schon wieder völlig recht. Epilog: Für immer sechzehn -------------------------- 🍥🍥🍥 Nun ist Sasuke seit drei Jahren zurück und unsere Beziehung läuft besser denn je. Ich will trotzdem nicht sagen, dass es für immer ist. Damals mit zwanzig war ich fest davon überzeugt und diese Überzeugung hat mir später ziemlich hart in den Rücken gestochen. Allerdings änderte sich seit meinem „sechzehnten“ Geburtstag alles sehr rasch. Seit dem Tag übernachtete Sasuke jeden Tag bei mir. Wo er schläft, war nichtmal eine Diskussion. Und nach drei Wochen fiel uns auf, dass seine Wohnung praktisch leer geräumt steht. Obwohl Sasuke ziemlich gut verdiente, wollte er trotzdem unbedingt alle seine Möbeln verkaufen, womit er sich fast drei Monate lang beschäftigte. Danach veranstalteten wir einen Streichwochenende mit Whiskey, Eis, einer dummen Komödie und einem aufblasbaren Bett und dann war Sasukes kleine stickige Wohnung endlich weg. Und seitdem wohnen wir zusammen. Witzig war, dass ich in den dreieinhalb Jahren nichtmal unsere alten Bilder von der Wand bei mir zuhause abnahm. Sasuke gefiel nicht, dass wir quasi in meiner alten Wohnung auseinander gegangen sind. Er wünschte sich aus dem Grund ein anderes Zuhause, welches nicht mit diesen negativen Erinnerungen behaftet ist. Deswegen zogen wir nach einem Jahr nochmal um. Die neue Wohnung lag viel günstiger als die alte. Sasuke braucht nur eine halbe Stunde zur Uni. Seitdem er zurück aus dem Ausland ist, betreibt er keine angewandte Forschung mehr. Er ist jetzt ein wissenschaftler Mitarbeiter und beschäftigt sich eher mit Theorie. So hat er mir das jedenfalls gesagt. Praktisch sieht es so aus, dass er, kurz nachdem wir erneut zusammenkamen, eine Doktorarbeit verteidigte, zurzeit diverse Paper veröffentlicht und so seine Forschung überwiegend allein betreibt. Das passt viel besser zu ihm. Eigentlich ist mein Sasuke gar kein Teamplayer. Er übernimmt außerdem kleine Verwaltungsarbeiten am Institut und betreut meistens zwei Lernveranstaltungen als Übungsleiter mit. Bei seiner ersten Veranstaltung machte ich sogar als Versuchskaninchen mit. Sie hieß „Einführung in die theoretische Informatik“. Sasuke war besorgt, dass er es so richtig vermasselt, und meinte an einem Abend scherzhaft, dass wenn er diese Konzepte sogar mir beibringen kann, dann kann es wirklich jeder verstehen. Und ich meinte dann, dass er es doch versuchen soll. Und so wurde aus einem Scherz eine sehr schöne Beschäftigung für uns beide. So testete er vor allem wie gut er den Vorlesungsstoff zusammenfasste. Einmal pro Woche am Abend vor der Übung hielt er einen Vortrag über die Konzepte aus der vergangenen Woche und ich durfte zwischendurch sehr gerne diverse Verständnisfragen stellen. Überraschenderweise waren Sasukes Vorträge über formale Sprachen, Aussagenlogik und Komplexitätstheorie super interessant und ich konnte den Stoff tatsächlich Woche für Woche mit etwas Mühe und viel Diskussionen verstehen. Am Ende ließ ich mich sogar bei Sasuke prüfen und er schenkte mir eine sehr schlecht gebastelte Urkunde, dass ich nicht so ein großer Schwachkopf bin, wie er immer glaubte. Jetzt hängt sie friedlich am Kühlschrank neben zahlreichen gut gemachten Skizzen von Sasuke. So wurde seine Welt mir ein Stück näher. Und sonst verfolgt er immer noch das Forschungsprojekt, bei dem er damals mitmachte, und berichtet mir ab und zu von den Ergebnissen. Er erklärte jetzt ordentlich, worum es geht. Besonders sorgfältig erzählte er, warum Cloud Computing so cool ist, sodass ich es endlich verstand. Ich kann jetzt seine Begeisterung für abstrakte Konzepte sehr gut nachvollziehen. Und besonders wenn diese Abstraktionen tatsächlich jemandem nutzen. Vielleicht deswegen studierte er ausgerechnet Informatik. Mein Freund ist schon ziemlich klug. Und jetzt hat er noch einen Doktortitel und teilt sein Wissen mit mir ohne sich dabei zu doll über meine Dummheit aufzuregen. Jedesmal, wenn mir es bewusst wird, ist es immer wieder ein wenig unfassbar. Was mich selbst angeht, bin ich nicht mehr der Leiter der Zeitschrift. Also, nicht so, wie ich es mal war. Seitdem wir wieder zusammen sind, sagte Sasuke mir mehrmals, dass mein Job mir überhaupt nicht gut tut. Er meinte, ich würde dadurch völlig eingehen. Und er legte mir einen sofortigen Jobwechel ans Herz. Seitdem Sasuke ein WiMi ist, hat er einen normalen Lebensrhythmus. Er kommt nach Hause, kocht etwas schnell und könnte den Abend theoretisch mir widmen. Aber er las aus Langeweile seine Arbeitspapers, denn ich kam ständig erst mit dem letzten Zug zu ihm. Da schlief er meistens. Auf dem Tisch fand ich liebevoll zubereitetes Essen und einen kleinen Zettel mit einem fiesen Sasuke-Spruch. Mir war schon schmerzhaft bewusst, dass letztendlich sowas uns auseinander trieb, deswegen wollte ich so schnell wie möglich aufhören. Ich machte meine Aufgaben etwas halbherziger als sonst, damit ich vielleicht eine Stunde früher zuhause sein kann. Parallel guckte ich mich nach einem neuen Job um, aber irgendwie passte nichts so richtig. Nach einem halben Jahr seit unserer Wiedervereinigung erkrankte ich richtig schwer. Eine einfache Erkältung artete in eine schlimme Lungenentzündung aus und das reichte Sasuke völlig. Er sagte, dass ich sofort kündigen muss, was ich tatsächlich machte. Und so fühlte ich mich wieder wie achtzehn: mein Freund fütterte mich monatelang durch, denn ich konnte sogar mit meinem jetzigen Lebenslauf nichts passendes finden. Jetzt war ich ja wählerischer als damals, weil wir uns jetzt sowas tatsächlich leisten konnten. Auf meinem Konto sammelte sich einiges an und Sasuke verdiente wie gesagt auch ziemlich gut. Eigentlich hätten wir es so lassen können. Zumal war Sasuke insgeheim super stolz darauf, dass er sich um mich finanziell sorgen durfte. Ein halbes Jahr lang machte ich nichts anderes, als seine Frau zu sein: ich kochte jeden Tag frisch und ziemlich aufwendig für ihn, machte die Wäsche, bügelte seine Besprechungshemde, stellte für ihn Mittagessen zusammen, hörte seinen Arbeitsgeschichten zu, machte unser Zuhause ordentlich und erfühlte gewissenhaft und mit viel Spaß meine ehelichen Pflichten. Sasuke mochte es richtig doll, dass ich wirklich nur seins bin. Er genoss sehr diese ruhige Zweisamkeit und sagte mir, dass er es am liebsten genauso für immer hätte. Er wusste natürlich, dass es nichts für mich auf Dauer ist, und dass sobald ich etwas finde, hört das hier auf. Deswegen eilte er jeden Tag nach Hause, wo ihn frisches Essen und seine etwas einsame Frau erwarteten. Neben dem Haushalt und Kümmern um meinem Mann versuchte ich meine alten Mangas in Ordnung zu bringen. Ich fischte die verblassten Skizzen aus dem Aktenschrank aus und zeichnete sie einfach neu. Das erste Büchlein, was mir in die Hand fiel, war der Superlawyer. Ich veröffentlichte ihn niemals, denn Sasuke sagte, dass es totaler Schwachsinn mit unglaublich flachem Himor ist. Jetzt stellte ich seine Aussage auf Probe, nachdem der Superlawyer schön sauber in der Neuauflage erschien. Und so sah der Superlawyer endlich den Tageslicht, aber jetzt in digital. Und er kam gar nicht gut an, wofür mich Sasuke richtig auslachte. Er verpasste keine Gelegenheit mich daran zu erinnern, wie mega-super-krass-doll recht er hatte. Naja, er hatte schon recht… der schlechteste Comic aller Zeiten. Als nächstes fand ich die Sammlung über den Schulalltag von einer Freundesclique. Der Manga war von meiner eigenen Schulzeit inspiriert. Es ging humormäßig in die Richtung des Superlawyers, deswegen waren die Geschichten entsprechend ausgedacht. Es kam schon etwas besser an, als der Erstversuch, aber auch nicht ganz doll. Daraufhin meinte Sasuke, dass es absolut verständlich ist, denn der Schulmanga war viel weniger schwachsinnig. Dann fand ich einen kurzen vermeintlichen One-Shot. Ich vergaß völlig über seine stille Existenz und konnte mich absolut nicht daran erinnern, wann ich ihn machte. Er kann nur damals gewesen sein, als ich die Geschichte von Daisuke und Moyashi zeichnete, weil die Zeichnentechnik entsprechend schlecht war. Es ging um einen fünfjährigen Jungen, der mit Amnesie in einer komischen Horrorwelt aufwacht und sich nicht mehr an sich, seine Familie und seine Herkunft erinnern kann. Auf seiner Hand stand ein Vorname geschrieben, er wunderte sich, wem der Name gehört und suchte verzweifelt nach dieser Person. Die Story zeigte einen Tag aus seinem Leben und am Ende des Tages kroch er in eine große Box und machte den Deckel zu. Am Ende der Geschichte bekam ich plötzlich den Drang rauszufinden, wem der mysteriöse Name gehörte. Ich suchte die Schränke gründlich durch, konnte aber leider keiner Fortsetzung finden. Und ich hatte keine Ahnung, dass ich irgendwann mal solche depressiven Geschichten eigenhändig schrieb. Ich zeigte den Manga Sasuke. Er meinte, dass er trotz seiner allgemeinen Melancholie doch ziemlich süß geworden ist. Ich veröffentlichte ihn auch. Und er fand tatsächlich eine gewisse Anhängerschaft. Ganz viele bekamen meinen Drang auch: wem gehörte der komische Name?! Aber nach so einer langen Zeit hatte ich das Gefühl, dass wenn ich jetzt die Fortsetzung schreibe, wird die Geschichte bestimmt falsch erzählt. Deswegen ließ ich es. Und dann veröffentlichte ich die Geschichte von Daisuke und Moyashi. Und die Story kam tatsächlich sehr gut an. Aber gar nicht so, wie ich es wollte. Es kam nämlich als BL-Manga an! Na gut, es gab gewisse… ähm… Vorboten vielleicht? Ich meine, Sasuke und ich sind ja schlussendlich doch zusammen und so, aber TROTZDEM!!! Es war am Anfang gar nicht so konzipiert! Ach, der Leserschaft entgehen kleine wichtige Details doch nicht aus dem Auge. Jedenfalls kam der Manga so gut an, dass ich von einer kleinen Shoujo-Zeitschriften angeschrieben worden war. Und ja, jetzt schreibe ich Shoujo-Manga. Wie ironisch! Das ist das einzige, was ich überhaupt nicht machen wollte, und jetzt macht es mir ungemein viel Spaß, denn zuhause habe ich genug Grundlagen für diverse Beziehungsgeschichten. Außerdem entdeckte ich in Sasuke eine romantische Seite. Er guckt sich jede Woche meine Skizzen durch und macht seine nicht gerade schlechten Korrekturvorschläge. Und so weiß er von meiner Welt Bescheid. Und allgemein gefällt mir wie es am neuen Arbeitsplatz abläuft. Die Zeitschrift ist viel kleiner als meine alte und wir bedienen nur eine bestimme Nische. Alles wird hier weniger streng gehandhabt. Es gibt nicht so viele Autoren und dementsprechend weniger Abgabetermine. Und natürlich hantiert man hier mit viel weniger Geld und es macht sich einfach bemerkbar. Als ich zum Vorstellungsgespräch kam, waren sie sehr überrascht, dass ich erstens in echt ein Typ bin und zweitens dass ich in einer der Sabakuno Zeitschriften über acht Jahre eine leitende Position besetzte. Sie fragten mich, warum ich überhaupt zu ihnen gekommen bin, worauf ich ganz ehrlich sagte, dass ich ursprünglich nichts mit Verwaltung zu tun haben wollte. Und dass der Job dort einfach mehr als ein ganzes Leben beanspruchte und es mich doch ziemlich fertig machte. Sie bedankten sich ganz herzlich für meine Bewerbung und eine Woche später wurde ich tatsächlich dort eingestellt. Ich durfte mich ab da an sehr oft in einer komplett weiblichen Gesellschaft aufhalten. Die jungen Mädchen schauten in erster Zeit auf mich hoch wie auf einen Gott und stellten sehr viele Fragen bezüglich der Verwaltung. Schlussendlich wurde ich doch zum Leiter, aber hier gibt es wirklich-wirklich wenig zu tun. Wir haben insgesamt nur fünf Leute, die den gesamten Betrieb organisierten. Früher hatte ich mit ganzen Abteilungen zu tun, die nur für eine einzige Sache zuständig waren, und es war sehr stressig. Aber ich gab meine Editorschaft von Utakata immer noch nicht auf. Und endlich konnte Sasuke ihn ertragen. Sie hatten sogar etwas gemeinsames, obwohl Sasuke es immer wieder kategorisch abstritt. Durch Utakata hielt ich immer noch Kontakt mit meinen Kollegen aus Sabakuno. Sie nahmen mir meine Kündigung nicht so ganz übel und wir unternahmen ab und zu etwas zusammen. Aus diesen drei Quellen stellte sich mein nicht gerade großzügiges Gehalt zusammen, aber es reichte völlig um mein jetziges Lebensstandard zu decken. Dafür bekam ich endlich ein normales Lebensrhythmus und konnte die Abende mit meinem Sasuke verbringen. Sonst lebte ich die verstorbene Beziehung zu unseren Schulfreunden auf und wir treffen uns alle zusammen einmal pro Jahr zu Weihnachten. Aber besonders guten Kontakt haben wir zu Sakura, was mich ungemein freut. Jetzt arbeitet sie in der Radiologie eines öffentlichen Krankenhauses, ist verheiratet und ihre zwei wunderschöne Kinder wachsen super schnell auf. Der jüngere ist sogar ein Mangaliebhaber und möchte später ein Mangaka werden. Deswegen kann er mich ganz gut leiden. Und die ältere ist sehr klug und interessiert sich für Mathe. Deswegen versteht sie sich ganz gut mit Sasuke. Manchmal besucht uns ihre ganze Familie übers Wochenende und wir unternehmen irgendwas alle zusammen. Außerdem haben wir seit neustem eine Katze. Er saß eines Tages vor unserer Tür und wollte nicht weg. Wir verteilten Flyer in der Nachbarschaft, ob jemand die Katze vermisst, aber niemand meldete sich. Und so blieb der große rothaarige Kurama bei uns. Er macht jedesmal Probleme, wenn wir in den Urlaub fahren, aber dafür haben wir ja jetzt Sakura. Und sie hat uns genauso, wenn jemand auf ihren großen Familienhund Gyuuki aufpassen muss. Und so unscheinbar existieren Sasuke und Naruto seit drei Jahren, jeden Tag Seite an Seite. Wir sind mittlerweile richtig spießig geworden. Aber das ist eine gute Sache. Wer möchte denn nicht einen sicheren Job, der Spaß macht und gleichzeitig einen leben lässt, ein bequemes gut eingerichtetes Zuhause mit einem faulen zickigen, aber super lieben Haustier, alte und neue Freunde und die eine Person, zu der man jeden Tag nach Hause eilt. Ja, so einen Sasuke möchte sicher jeder haben, aber er gehört bereits mir. Ich vermisste alles an ihm. Von meinen Lieblingssprüchen und wie wir einander fertig machen wollen bis hin zu seinem nervenden überflüssigen Pedantismus. Selbt seine langweiligen Lektionen über Ordnung des Sockenfachs und die Wichtigkeit dessen, dass man die Zahnpastatube stets zuschrauben muss, haben mir unglaublich gefehlt. Nicht, dass alles an ihm perfekt ist. Nicht, dass sein Nörgeln mich nicht ab und zu zur Weißglut bringt. Nicht, dass ich mich nicht aufrege, dass er morgens im Bad etwas länger als 15 Minuten braucht. Schließlich dank ihm kann ich jeden Morgen problemlos passende Socken finden. Dank ihm verwandelt sich die Zahnpasta nicht in ein ekliges Klumpen von Etwas mit Minzgeruch. Und weil er so lange im Bad braucht, sieht er immer anziehend aus, und es freut mich ungemein. Und danach liegen sogar keine Haare im Waschbecken und nichts ist nass. So wie es manchmal nach mir selbst verbleibt. Es hat alles seine Daseinsberechtigung. Sasuke achtet Gott sei dank genau auf die wichtigen Kleinigkeiten, die für einen angenehmen reibungslosen Ablauf sorgen, aber auf die ich selbst niemals achte. Als ich alleine lebte, konnte ich eben keine passenden Socken finden und mein Bad war unglaublich dreckig mit einem riesigen Minzklumpen statt Zahnpasta. Und ich im Gegenzug bringe etwas Chaos in unsere Beziehung hinein. Sasuke sagte mir einmal, dass ich unendlich begeisterungsfähig bin. Er meinte, dass durch mich unsere Beziehung jung bleibt, und dass sein Leben ohne mich ganz in eine viel zu streng getaktete monotone Routine abrutschen würde. Durch mich entdeckte er schließlich die riesige Mangawelt für sich. Momentan schauen wir sogar wöchentlich drei Animeserien. Er teilt seine Welt mit mir auch unglaublich gern und findet es super, dass ich dem überhaupt nicht abgeneigt bin. Er freut sich stets über die neuen kleinen Skizzen von ihm und fragt nach, wo eine bleibt, wenn ich lange nichts zeige. Und abgesehen davon hat er immer noch die Sicherheit auf meinem Schoß sehr gern. Und ich auf seinem. Denn wir brauchen einander immer noch um vernünftig zu funktionieren. Wir beide kommen in der Erwachsenenwelt allein immer noch nicht ganz zurecht. Es würde an sich gehen, aber es wäre überhaupt nicht gut. Als ein mittlerweile fünfunddreißigjähriger ist es schon peinlich sowas zuzugeben. Aber ich mag uns trotzdem genau so. Mein Leben ist mit Sasuke um einiges besser. Ich bin mit ihm um einiges besser. Für ihn gilt es umgekehrt auch. Das ist uns beiden viel zu gut bewusst. Diesen simplen Grundsatz meiner Existenz werde ich nie wieder vergessen. Im absoluten Notfall erinnert mich Sasuke daran und dann ist bestimmt alles wieder gut. Denn ich höre ihm endlich ganz genau zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)