Zum Zuschauen verdammt von ougonbeatrice ================================================================================ Kapitel 40 - Tuireadh Coinnlear ------------------------------- Sie beeilte sich einige Bissen hinunter zu schlucken, ehe Quirrell in die Halle stürmen würde. Das Fest war bereits im vollen Gange, doch sein Stuhl war als einziger leer geblieben. Evelyn bemühte sich nicht zu oft zur geschlossenen Tür zu schauen, sondern eher auf die dampfende Suppe vor ihr.  "Wo warst du eigentlich?", fragte Daphne plötzlich, bevor sie sich ein Stück Brot abbrach. "Wir dachten, du wartest im Gemeinschaftsraum auf und, aber als wir vom Unterricht kamen, warst du nicht da." Evelyn kaute langsam zu Ende, ehe sie sprach. "Um ehrlich zu sein, war ich beinahe die ganze Zeit auf dem Klo." Die anderen verstanden, wie von Evelyn beabsichtigt, natürlich einen anderen Sinn und verzogen aus Mitleid das Gesicht. "So schlimm?", meinte Millicent. "Du solltest viel trinken." Mit der Hand schob sie ihr die Karaffe mit Kürbissaft entgegen, die Evelyn widerwillig annahm. Das seltsame Gesöff war für Evelyn viel zu bitter, weshalb sie üblicherweise nur kalten Tee trank. Pansy zuckte mit den Schultern und warf ihr ein Lächeln zu. "Sei froh, dass du zu Samhain wieder auf den Beinen bist." Wie wild fuchtelte sie mit ihrer Gabel herum, sodass Daphne, die sich in deren Reichweite befand, ein wenig zur Seite wich. "Wir haben dir übrigens deinen Kinlar mitgebracht." Kin-was? "Wow, danke", erwiderte Evelyn, hatte aber keine Ahnung wovon Pansy sprach. Die hatte ihre Gabel noch immer erhoben und schien damit auf etwas hinter Evelyn zu deuten. Eilig schaute sich Evelyn um, da das wohl von ihr erwartet wurde und sah auf die Kartons vom Frühstück, die alle dort an der Wand aufgestellt worden waren. "Meinen Kinlar", formte sie leise mit der Zunge, als es ihr wie Schuppen von den Augen fiel. "Mein Coinnlear!" So wird das Ding ausgesprochen!  Sie konnte nicht anders als über ihren eigenen Fehler zu schmunzeln, was den anderen nicht entging.  "Was ist so lustig?", wollte Blaise wissen. Evelyn wanderte mit ihrem Blick von Millicent, über Daphne hin zu Blaise, die alle auf eine Erklärung warteten. "Ehm, ich dachte nur gerade, wie ich früher zu den ... wie ich sie früher genannt habe. Für ein Kind sind das ganz schöne Zungenbrecher." Beinahe hätte sie den Coinnlear als Vase bezeichnet, konnte sich aber vorher bremsen. Dass es sich um Vasen handelte, war nur eine Vermutung von ihr, die gar nicht der Wahrheit entsprechen musste.  Blaise war der erste, der die daraufhin herrschende Stille mit seinem Gelächter durchbrach, wofür sie ihm sehr dankbar war. "Das kannst du laut sagen. Ich habe ewig gebraucht mir das zu merken." "Astoria sagt immer noch Tuirah Coin. Mutter hat es schon fast aufgegeben ihr die Aussprache beizubringen." "Tuirah Coin, das habe ich auch noch nie gehört. So schwer ist es aber nun auch nicht, wie ihr behauptet", meinte Malfoy kopfschüttelnd, wobei auch er, trotz Humorlosigkeit in seiner Stimme, ein leichtes Grinsen auf den Lippen hatte.  "Ist halt nicht jeder so perfekt wie du, Draco." Evelyn war sich nicht sicher, ob Pansy ihre Aussage ernst gemeint hatte, oder ob sie mit den anderen über Draco scherzte. Allerdings kam ihr ein Gedanke. "Ich kann den vollen Namen selbst heute nicht richtig sagen." Sie bemühte sich heiter zu klingen. Blaise schlug lachend mit der Hand auf den Tisch, sodass die Teller klirrten. "Was! So schwer ist es nun wirklich nicht", mimte er Draco, der Zabini einen unbeeindruckten Blick zuwarf.  "Mum hat es mir ganz gut erklärt", sagte Pansy und legte die Gabel, zum Glück, beiseite. Sie deutete mit dem Finger auf ihre Lippen. "Du musst das R an den Zähnen rollen, nicht am Gaumen. Die Zunge bewegt sich eigentlich kaum. Hast du das erstmal geschafft, ist es leicht." Diese Erklärung brachte Evelyn nicht weiter. "Kannst du es mir vorsagen, bitte?" "Twreth", sprach Pansy langsam. "Twreth Kinlar. Versuch es." Kurz stutzte Evelyn, da sie beim ersten Mal tatsächlich Twitter verstanden hatte, aber dafür war sie zur völlig falschen, Zeit am völlig falschen Ort. "Twreth", wiederholte sie, stellte aber fest, dass es gar nicht so einfach war die exakte Aussprache von Pansy zu imitieren.  "Fast, du musst es aber noch mehr rollen, so als ob du-" Den Vergleich konnte sie nicht mehr aussprechen, da mit einem lauten Knall die Tür zur Halle aufflog und alle irritiert auf den Mann starren ließ, der wild fuchtelnd hineingestolpert kam.  "Troll!", brüllte Quirrell heiser. "Troll, in den Kerkern. Ich ... Ich dachte, Sie sollten es wissen." Kurz schwankte er, ehe er mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden aufschlug.  "Troll?" "Hat er Troll gesagt?" "Hier im Schloss?" "Wo kommt der her?" Hunderte Schüler redeten plötzlich durcheinander, schauten sich hilfesuchend bei ihrem Nachbarn um und sprangen von ihren Sitzen. Vereinzelt hörte man, wie Kelche, Besteck oder was auch immer die Schüler gerade in Händen hielten, achtlos auf den Tisch geworfen wurde.  "Evelyn, die sind doch hoch gefährlich, oder?", fragte Millicent mit weit aufgerissenen Augen. Ihr war Quirrells Unterricht zum Thema Dunkle Geschöpfe noch allzu gut im Gedächtnis, und plötzlich hielt Evelyn das Thema nicht mehr nur für puren Zufall im Lehrplan.  "Ja, sind sie", versuchte sie zu antworten, ihre Worte gingen aber im Geschrei unter. Überall kletterten ältere Schüler auf die Tische und versuchten die Menge unter Kontrolle zu halten. Sie sah Pucey auf ihrem Tisch beruhigend auf Jüngere einreden, und auch Percy Weasley versuchte sein bestes die Gryffindor zusammen zu halten. Es war erstaunlich, wie von einer Sekunde auf die nächste ein geordnetes Fest zu einem Ameisenhaufen werden konnte.  "Ruhe!" Es war das erste Mal seit der Einsortierung, dass Albus Dumbledore direkt zu ihnen sprach, trotzdem reagierte niemand. Stattdessen schwoll das Geschrei immer weiter an, bis die Menge begann sich unruhig zu bewegen. Eine Massenpanik drohte. Evelyn zog Millicent auf die Bank um dem, im Moment noch harmlosen Drücken, zu entkommen. Pansy und Daphne taten es ihnen nach. Blaise war mit Malfoy und den anderen bereits in der Menge verschwunden.  Laute Explosionen durchdrangen die Halle, die so plötzlich kamen, dass die meisten sich erschrocken die Hände auf die Ohren schlugen. Auch Evelyn, über deren Kopf eine der Explosionen hoch gegangen war, hob sich die schmerzenden Ohren. Über ihren Köpfen hüpften dutzende rot leuchtende Frösche, die einer nach dem anderen zerplatzten und in feinen Funken auf sie nieder regneten. Sie alle stammten aus Dumbledores hoch erhobenem Zauberstab. Es dauerte, bis die Knallfrösche alle zum Schweigen gebracht hatten und Dumbledore zu ihnen reden konnte.  "Da ich nun eure Aufmerksamkeit habe möchte ich euch bitten, euren Vertrauensschülern in eure Schlafsäle zu folgen", meinte er ruhig, den Zauberstab noch immer sichtbar neben sich. "Die Lehrer, folgen mir." Das gesamte Personal, minus Quirrell, der Gesicht voran auf dem Boden lag, hatte sich bereits um den Schulleiter versammelt. Die Vertrauensschüler der Häuser, die noch immer auf den Tischen standen, winkten nun die Schüler zu sich. Es dauerte nur Sekunden, bis die ersten halbwegs geordnet die Halle verließen, wobei einige ihre Zauberstäbe krampfhaft umklammert hielten. Mit ihnen stürmten die Lehrer hinaus, die sich Richtung Kerker begaben.  Während die Halle sich leerte, standen die Slytherin unbeachtet von den anderen hilflos an ihrem Tisch. Pucey hatte gar nicht erst angefangen die Schüler um sich zu scharen, und die meisten Slytherin wären dem Befehl wohl sowieso nicht gefolgt.  "Wir können nicht in die Schlafsäle", sprach Daphne aus, was viele dachten. "Unsere Schlafsäle sind in den Kerkern."  "Was sollen wir tun?" "Wir bleiben hier", meinte Evelyn sachlich, was ihr nur entsetzte Blicke einbrachte.  "Wir können nicht hier bleiben!" "Wir können aber auch nicht in die Schlafsäle." Ähnliche Diskussionen machten sich überall breit, bis eine Gestalt zwischen den fliehenden Schülern auftauchte, die ihm wie selbstverständlich Platz machten. Evelyn atmete erleichtert aus, froh ihn zu sehen.  "Mr Pucey", sprach ihr Hauslehrer, um die sich automatisch die Schüler hilfesuchend scharten. "Sie beaufsichtigen die Schüler hier und warten, bis ich zurück komme. Die Tür bleibt hinter mir geschlossen, haben Sie verstanden?" Niemand wagte es ihm zu widersprechen. "Sir, was ist mit Professor Quirrell?" Pucey deutete dorthin, wo er erwartete Quirrell leblos liegen zu sehen, doch der war unbemerkt von allen verschwunden.  Evelyn spitzte anerkennend die Lippen. Sie hatte nur Sekunden auf Snape geachtet und Quirrell dabei nur kurz aus den Augen gelassen, trotzdem hatte es für ihn gereicht sich abzusetzen.  "Professor Quirrell scheint sich auf wundersame Art erholt zu haben." Snape ließ ein letztes Mal seinen Blick über die verängstigten Schüler schweifen, ehe er sich umdrehte und durch die Tür verschwand, die er hinter sich schloss. Die Schüler blieben unsicher zurück und der erste, der sich bewegte, war Pucey, der langsam vom Tisch kletterte.  "Setzt euch hin und wartet", verkündete er laut. Seine Stimme hallte in dem nun völlig leeren Raum, in dem sich Evelyn nun ein wenig verloren vorkam. Überall stand noch das Essen auf dem Tisch, die Teller waren noch gut gefüllt. Es war eine Momentaufnahme des plötzlichen Aufbruchs gewesen. Über ihnen schwebte die Dekoration aus Kürbissen mit verschiedenen Fratzen, so als ob sie die übrig gebliebenen Slytherin verspotteten.  "Er hat recht, wir sollten uns hinsetzen. Wir können nichts weiter tun, als warten." Damit meinte Evelyn mehr, als nur das Warten auf die Rückkehr ihres Hauslehrers. Sie hatte im Vorfeld überlegt sich an die Gruppe Gryffindor zu hängen, die in ihrer Panik und während ihrer überhasteten Flucht den Slytherin in ihrer Mitte nicht bemerkt hätten. Sie hatte sich dann jedoch dagegen entschieden. Hermine war in der Toilette, dafür hatte sie gesorgt; den Rest hatten Harry und Ron in der Hand.  Der anfänglichen Unruhe folgte Langeweile. Niemand hatte mehr Appetit, und so stocherten viele lustlos in ihren Tellern herum, um sich abzulenken. Pucey patroulierte den Tisch entlang und schaute beinahe nach jedem Schritt zur Tür, die verschlossen blieb.  Die Jungs hatten sie mittlerweile auch wieder gefunden, und so saßen sie schweigend da.  "Daphne", meinte Evelyn irgendwann, die ihre eigene Wartezeit wenigstens ein wenig sinnvoll nutzen wollte, "kannst du mir sagen, wer Terence Higgs ist?"  "Terence? Ja." Ihr Kopf ging nach oben um über die Menge hinweg sehen zu können. Es dauerte nicht lange, bis sie auf jemanden zeigte. "Der da, zwischen dem Dicken mit Krausehaar und dem Mädchen mit Zopf." "Der kleine mit schwarzem Haar?" "Ja, der." Evelyn bedankte sich und lief auf den Slytherin Sucher zu, der einen Arm tröstend um die Schultern des Mädchens gelegt hatte.  "Terence Higgs?", versuchte sie seine Aufmerksamkeit zu bekommen.  Irritiert drehte er sich um, wobei er den Arm um das Mädchen geschlungen hielt. "Ja?"  "Professor McGonagall schickt mich. Ich brauche ein wenig Nachhilfe in Verwandlung. Oder generell im Zaubern. Sie hat mich zu dir geschickt." "Nachhilfe? Das frägst du jetzt?" Der Zeitpunkt war nicht ideal, zugegeben, aber irgendwann musste sie fragen, wieso also nicht während eines Trollangriffs. Er schüttelte energisch den Kopf. "Tut mir leid, Kleine. Aber ich habe einen straffen Trainingsplan. Du musst dir jemand anderen suchen." Damit hatte Evelyn gerechnet. "Trotzdem danke." Eine Abfuhr zu bekommen war zu erwarten gewesen, immerhin hatte Daphne sie bereits vorgewarnt und selbst Professor McGonagall bezweifelte, dass er Zeit haben würde. Ungeachtet dessen hatte sie gefragt, womit sie ihre Schuldigkeit McGonagall gegenüber erfüllt hatte. Sie müsste jedoch schnell herausfinden, wer Booth war. Hinzu kam noch ihr Problem mit den Hauspunkten. Vielleicht hätte ich doch gegen den Troll kämpfen sollen, dachte sie, während sie zurück auf ihren Platz ging. Das ist immerhin ganze zehn Minuspunkte wert. Welch harte Strafe.  "Blaise?", rief sie, als sie sah, wie Zabini sich vom Tisch entfernte und kichernd hoch zum Lehrerpult rannte. "Blaise! Was wird das?" Er war nicht der einzige. Einigen wurde das Warten zu lang, und so kletterten sie hinauf zum Lehrertisch, der in den Augen der Schüler beinahe ähnlich tabu war, wie der Verbotene Wald. Im Moment schiene all das vergessen.  "Schaut her, ich bin der neue Schulleiter!" Ehe Pucey eingreifen konnte, kämpfte die kleine Gruppe Ausreißer bereits um das Recht, sich auf Dumbledores Stuhl niederlasen zu dürfen.  Kopfschüttelnd setzte sich Evelyn neben Millicent, die ein betrübtes Gesicht machte. Pansy versuchte bereits sie aufzumuntern, als Evelyn hinzukam.  "Die Lehrer haben ihn sicherlich schon längst aus dem Schloss gebracht." Millicent seufzte und zog die Augenbrauen zusammen. "Es ist nur, wo kam der her?" "Aus dem Wald, denke ich." "Den ganzen Weg hierher ins Schloss?" Millicent schien nicht überzeugt, und auch Daphnes Miene verfinsterte sich.  "Millicent liegt gar nicht so falsch. Waldtrolle leben weit im Herzen des Waldes. Sie müssten Tage wandern, um den Rand zu erreichen." Pansy ließ sich nicht beirren. "Professor Quirrell meinte doch, die wandern weite Strecken während ihrer Brunftzeit." Ja, das meinte er. Die ist aber im Mai. Evelyn wagte es nicht ihre Gedanken laut auszusprechen. Außer ihr schien jeder mit Pansys Erklärung zufrieden zu sein.  "Blaise, komm da runter, das ist doch lächerlich", rief sie stattdessen Zabini zu, der es sich auf Dumbledores Stuhl gemütlich gemacht hatte.  "Sie sollten auf Miss Harris hören, Mr Zabini." Mehrere erschrockene Japser waren zu hören, als Snape unbemerkt von allen die Tür geöffnet und hineingetreten war und durch die Halle rief. Sein Haar wirkte zerzauster, als noch eben und er hob sich am Türrahmen. Kaum einer achtete auf Snapes Erscheinung, sie alle eilten ihn entgegen um Neuigkeiten zu erfahren.  "Ist der Troll tot, Professor?" "Ist es vorbei?" "Haben die Lehrer das Schloss gesichert?" Die Gruppe an Ausreißern nutzte die Ablenkung und stahl sich zurück zur Menge, ohne weitere Konsequenzen für ihren Schabernack. Snape wirkte abwesend, bemerkte Evelyn, die wissend kurz hinunter zu seinem Bein schaute. Sein Umhang hatte er darüber geworfen, trotzdem sah sie, wie er sein Gewicht nur auf ein Bein verlagert hatte. In seinem Gesicht suchte sie jedoch vergeblich nach Anzeichen des Schmerzes.  "Um den Troll wurde sich gekümmert, doch der Schulleiter wünscht heute keine weiteren Aktionen mehr außerhalb der Gemeinschaftsräume", rief Snape über die Schüler hinweg. "Gehen Sie in ihre Schlafsäle und bleiben Sie dort." Er betonte seine Aufforderung mit Nachdruck. "Moment, halt", flüsterte Millicent zu Evelyn, die sich bereit machte in den Gemeinschaftsraum zu gehen. "Was ist mit Samhain?" Überall wurden Proteste laut, die Evelyn kaum nachvollziehen konnte; Samhain war vorbei, die Schüler in ihren Gemeinschaftsräumen. Doch der Großteil der Slytherin weigerte sich vehement einfach zu gehen.  "Ruhe!", verlangte Snape, der für einen kurzen Moment die Augenschloss und sich die Schläfen massierte. Er atmet schwer. "Mr Pucey, bringen Sie die Schüler, die nicht teilnehmen wollen zurück in den Gemeinschaftsraum. Der Rest wird von mir begleitet." Als die Menge nicht sofort reagierte schlug er die Hände klatschend zusammen. "Schnell, bevor ich es mir anders überlege!" "Komm, hol deinen Coinnlear!" Millicent zog Evelyn Richtung Kartons, die kaum realisierte, was plötzlich um sie herum geschah. Dutzende Hände griffen nach den Paketen, und hoben vorsichtig die Coinnlear heraus. Erst jetzt sah Evelyn, wie divers und unterschiedlich die einzelnen Modelle waren. Ihr fiel auf, dass einige Kartons unberührt stehen blieben, die wohl zu Schülern aus anderen Häusern gehörten, die nun aber bereits in ihren Gemeinschaftsräumen waren. Es würde eine Veranstaltung werden, an der nur Slytherin anwesend waren. Was auch immer das hier wird.  Pucey nahm die kleine Gruppe, und verschwand mit ihnen eilig nach unten, wobei er nicht begeistert aussah. Scheinbar wollte er zu denen gehören, die Samhain feierten, allerdings ging seine Pflicht vor und was Snape sagte, war sowieso Gesetz.  "Beeilung", bellte Snape, an dem bereits die ersten Schüler, ihren Coinnlear an die Brust gepresst, vorbeihuschten. "Und keine Aufzählung Ihres kompletten Stammbaumes, damit meine ich besonders Sie, Mr Malfoy. Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit." Draco lief grinsend an Evelyn vorbei, der das Blut aus dem Gesicht wich. Stammbaum? Bisher hatte sie versucht das Gebilde von dem Moosbett zu heben, doch irgendwo schien sich das Gestrüpp verhangen zu haben. Nach Snapes Bemerkung, die beinahe ebenso rätselhaft war, wie alles andere, hatte sie schockiert inne gehalten. Ich habe keinen Stammbaum.  "Was machst du denn?" Daphne kam hinzu und schubste Evelyn beiseite. Mit einem Griff zog sie den Coinnlear samt Moosbett heraus. "Hier, und jetzt komm."  Sie schüttelte den Kopf, wurde aber mitgezogen. Sie sah kaum, wie sich das Moos, das sie für Gestrüpp und Füllmaterial gehalten hatte, langsam um das Metallteil legte.  Snape folgte ihnen in einiger Entfernung, den Blick starr nach vorne gerichtet, während sie die Eingangshalle durchschritten und hinaus in die Dunkelheit traten. Es war windig geworden und erste Anzeichen für den Winter waren deutlich spürbar. Der Mantel, den sie an hatten und nur für Innen gedacht war, wo normalerweise immer irgendwo ein warmes Feuer brannte, war nicht geeignet um sie hier draußen effektiv warm zu halten. Evelyn zitterte und konnte nur hoffen, dass man es ihr nicht übel nahm, dass sie ihren Stammbaum nicht auswendig kannte.  Sie sah kaum, wo sie hingingen und vertraute darauf, dass die vorderen Schüler den Weg kannten. Zielstrebig suchten sie sich einen Pfad abseits des Schlosses, das noch immer hell erleuchtet hinter ihnen stand. Bald sah sie, wie sich die Menge teilte und sich kreisförmig anordnete. Das Licht, das das Schloss auf sie warf reichte gerade so aus, um einige Schemen auszumachen. Evelyn glaubte einige Felsen im Boden zu sehen, und als sie näher kam, erkannte sie, wo sie waren. Sie war schon einmal hier gewesen, als Millicent ihr in den ersten Tagen mehr über das Leben als Slytherin erzählt hatte. Damals waren ihr die Felsen bereits aufgefallen, sie hatte sich aber ansonsten keine Gedanken darüber gemacht. Scheinbar war der Ort wichtiger, als sie vermutet hatte.  Es waren deutlich mehr Schüler als Felsen hier, weshalb sich mehrere einen Stein teilten. Kurz schaute sie sich um, doch ihr Hauslehrer hatte sich abseits positioniert, die Arme verschränkt, und beteiligte sich ansonsten nicht.  "Es geht los", flüsterte Millicent. Erschrocken wich Evelyn einen kleinen Schritt zurück. Ihre Verwunderung schluckte sie so gut es ging hinunter als sie sah, wie die Felsen und Steine, die zum Teil tief in die Erde reichten, sanft in dunklem Blau zu leuchten begannen. Nach und nach erkannte Evelyn ein Muster.  "Runen", murmelte sie beeindruckt, als sie die vielen verschlungenen Striche und Formen betrachtete. Manches war überwachsen und kaum als Schrift zu erkennen. Doch an anderen Stellen war der Runentext deutlich zu lesen. Zu gerne würde sie verstehen, was genau in die Felsen geritzt worden war, aber ihr Wissen reichte gerade einmal aus, um das Muster als Runen zu identifizieren.  Die Szenerie vor ihr überforderte sie völlig. Die Anordnung, in der sie standen, und der Ort sprach für ein Ritual, ein altes noch dazu, und das erschrak sie. Andererseits war sie verblüfft und neugierig zugleich. Nie hatte es auch nur Erwähnungen eines solchen Rituals gegeben, das scheinbar Teil dieser Kultur war.  "Ich fange an", meinte eine älter Schülerin, die ihren Coinnlear vor sich erhob. "Ich bin Rhea, Tochter des Amulius, Sohn des Castor, Sohn der Hatysa." Kurz hielt sie inne, ehe sie weiter sprach. "Cuiridh mi clach air a chàrn." Der Junge neben ihr tat es ihr gleich. "Ich bin Coel, Sohn des Gwynn, Sohn des Thom. Cuiridh mi clach air a chàrn."  Einer nach dem anderen, reihum, zählten ihre Vorfahren auf diese Art auf. Manche fügten mehr Namensketten hinzu, andere beließen es bei drei. Es war jedoch ein Schüler, kaum älter als Evelyn, der ihre Aufmerksamkeit erregte und die anderen zum Teil verächtlich schnauben ließ.  "Ich bin Barrett, Sohn von Unbekannt. Cuiridh mi clach air a chàrn." Kind von Unbekannt, das reicht aus? Sie hinterfragte es nicht weiter, denn die anderen, so sehr er auch belächelt wurde keinen Vorfahr zu kennen oder aufzählen zu wollen, schienen diese Antwort zu akzeptieren.  "Ich bin Millicent, Tochter der Hellen, Tochter des Orville, Sohn der Diantha. Cuiridh mi clach air a chàrn." Als Millicent ausgesprochen hatte wurde Evelyn bewusst, dass sie nun an der Reihe war.  "Ich bin Evelyn, Tochter von Unbekannt. Cuiridh mi clach air a chàrn."  Sie bemühte sich den letzten Satz so gut nachzusprechen, wie sie ihn von den anderen gehört hatte, stolperte aber über die eine oder andere Silbe. Dass ihr dabei vor Kälte die Zähne klapperten, war sowieso eher hinderlich. Wieder schnaubten einige, doch Daphne übernahm, ohne dass es Proteste gab. Erleichtert atmete sie aus.  Im Schein der Felsen harrten sie aus, auf zitternden Beinen, bis auch der letzte seine Ahnenkette vorgetragen hatte. Wie befürchtet hatte Draco das Gefühl sich beweisen zu müssen und trug mehr Namen vor, als alle anderen. Evelyn hatte irgendwann aufgehört zu zählen, doch es mussten mehr als zehn gewesen sein. Neben sich hörte sie Daphne stöhnen, und auch andere wirkten verärgert über Dracos Zurschaustellung seiner Familie. "Jetzt kommt der beste Teil!" Evelyn, die geglaubt hatte endlich ins Schloss zurückkehren zu können, versuchte ihre Enttäuschung vor Millicent zu verbergen. Wir sind noch nicht fertig? Komm schon, mir ist kalt. Sie beobachtete, wie einer nach dem anderen den Coinnlear hob und sanft anpustete. Plötzlich ging alles ganz schnell. Jedes Gebilde fing Feuer in den Händen der Schüler und erhellte die Gesichter, in denen nun die Schatten der Flammen tanzten. Nur Sekunden später schwebten die brennenden Coinnlear nach oben in den Himmel. Ein angenehmer, undefinierbarer Geruch nach erdigen Kräutern umhüllte die Gruppe. Eilig pustete Evelyn auf ihren eigenen Coinnlear, in dessen Innern zuerst Funken stoben, ehe die Flammen sich züngelnd ihren Weg um das gesamte Gebilde suchten. Sie widerstand dem Drang aus Angst sich ihre Finger zu verbrennen einfach loszulassen. Statt glühender Hitze spürte sie jedoch einen angenehm warmen Hauch auf ihrer Haut, der ihren eisigen Fingern gut tat. Wie die anderen Coinnlear auch erhob er sich in die Luft und wurde vom Wind hinüber Richtung Schloss getragen.  Das Bild der brennenden Coinnlear im Dunkel der Nacht vor der Kulisse des funkelnden Hogwarts' war atemberaubend schön.  "Cuiridh mi clach air a chàrn", hörte sie Daphne sagen, die ebenfalls staunend ihre Augen in den Himmel gerichtet hatte. "Da, schaut!" Ein ehrfürchtiger Ruf aus ihrer Mitte kündigte das nächste Spektakel an. Zwischen den Coinnlear leuchteten weitere Gebilde auf. Erst ganz schwach, doch dann glaubte Evelyn auf ein Meer von Sterne zu blicken. Leuchtkugeln, die ähnlich blau schimmerten, wie die Runen der Felsen, wurden wie Motten vom Licht der Coinnlear angezogen und umkreisten sie, wie in einem Tanz. Immer mehr dieser Kugeln leuchteten auf und fügten sich in die Reihe der sich umkreisenden Sphären ein.  Evelyn vergaß in diesem Moment die Kälte, oder ihre Ängste um die Geschichte, in der sie sich befand, die ständig in ihrem Hinterkopf zu sitzen schienen. Die Schönheit des Lichterspiels über ihr war wie Balsam für ihre Seele, und der Geruch nach Kräutern, der in ihrer Nase hing, beruhigte ihren Puls, bis ihr Herz nur noch ganz langsam schlug.  Sie spürte, wie kalte Finger die Nähe ihrer Hand suchten und sie nahm Millicents Hand gerne an. Auch Evelyn hatte plötzlich das Gefühl die Nähe einer anderen Person zu brauchen und war glücklich dafür, Millicent an ihrer Seite zu haben. Sanft drückte sie ihre Finger gegen Millicents und hoffte, Millicent verstand die Geste.  Während alle weiterhin den Himmel beobachteten, glitt Evelyns Blick hinter sich, wo Professor Snape noch immer unbeweglich verharrte. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, doch sie war sich sicher auch er sah den Sphären zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)