Zum Zuschauen verdammt von ougonbeatrice ================================================================================ Kapitel 54 - Flüsterpost ------------------------ So müde sie auch gewesen war, ein Auge hatte sie nicht zu gemacht. Den größten Teil ihres Abends hatte sie im Gemeinschaftsraum auf einem Stuhl mit dem Vorwand noch ein paar Antworten nachschauen zu wollen in der Nähe des Eingangs verbracht, wo sie angestrengt versucht hatte etwas aus dem Schloss zu hören, was nicht nur dank den dicken Steinwänden, sondern auch dank dem Lärm der anderen beinahe unmöglich war. Worauf genau sie wartete, konnte sie nicht beantworten. Vielleicht auf einen Schrei, oder eine Explosion, wobei ihr Verstand ihr sagte, dass das alte Gemäuer jedes Geräusch schlucken würde. Sie hatte nicht erwartet, dass einer der Lehrer sie nachts aus den Betten holen würde, schon gar nicht der Schulleiter selbst, dass sie jedoch Stunde um Stunde rein gar nichts von dem mitbekamen, was sich irgendwo unter ihnen abspielte, war dennoch verblüffend; fast schon enttäuschend.   Irgendwann hatte sie es aufgegeben, wenn auch schweren Herzens, und war unvollrichteter Dinge in den Schlafsaal gegangen, wo sie trotz allem weiterhin versuchte zu lauschen.   Sie fühlte sich unruhig. Nicht nervös wie Tage zuvor beim Beginn ihrer Prüfungen, sondern eher wie ein Kind, das gespannt nachts wach lag und auf den Weihnachtsmann wartete. Selbst, wenn sie seine schweren Stiefel auf dem Dach nicht hören würde, so war sie sich sicher am nächsten Morgen eine Überraschung unter dem Baum zu haben, nur dass es in ihrem Fall keine Mandarinen im Stiefel, sondern eher die Nachricht eines glorreichen Sieges von Potter war.   Hätte sie eine Uhr gehabt, wären ihre Augen wohl minütlich zum Ziffernblatt gewandert. Es war erstaunlich wie schnell man sich an die Abwesenheit von Dingen gewöhnte, die man vor nicht allzu langer Zeit als unverzichtbar gesehen hatte. Dennoch vergingen die Minuten um sie herum quälend langsam, vor allem als am nächsten Tag keiner ihrer Kameraden auch nur Anstalten machte ihren Kerker verlassen zu wollen. Die Prüfungsphase war vorbei, also blieben alle länger als gewöhnlich in ihren Betten oder genossen ein ausgiebiges Bad, was es natürlich umso schwieriger machte an Neuigkeiten zu kommen, wenn niemand weder raus noch rein kam. Hinzu kam, dass das Frühstück ihnen hier serviert worden war, was Evelyn wohl als einzige verdächtig vorkam.   Sie hatte sich Paimons Kugel geschnappt, die die Schlange nun immer seltener als Rückzugsort nutzte und stattdessen Evelyns Körperwärme bevorzugte, und hatte sich ans Fenster des Gemeinschaftsraumes gesetzt.   Sie stellte sich vor, wie die Frühaufsteher im Gryffindor-Turm den vermutlich noch immer petrifizierten Körper von Neville entdeckten; oder wie die Mädchen Hermines ungenutztes Bett vorfanden. Jeder in Gryffindor würde mittlerweile wissen, dass etwas vorgefallen war, das aufregender war als das bevorstehende Quidditch-Spiel zwischen Slytherin und Hufflepuff, was hier unten im Kerker, sehr zu Evelyns Missfallen, das einzige Gesprächsthema war. Evelyn hoffte spätesten auf den Quidditch-Tribünen die ersten Gerüchte zu hören. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Lehrer völlig zur Tagesordnung übergehen konnten; nur wenige Stunden, nachdem einer ihrer Lehrer sich sowohl als Wirt einer parasitären Lebensform zu erkenne gegeben hatte, als auch versucht hatte den Stein der Weisen zu stehlen. Andererseits war es wohl auch nicht wichtig genug die letzten Spiele der Saison abzusagen. Doch wie sagte Oliver Wood so schön: Quidditch fand immer statt. Der Sport war Evelyns einzige Hoffnung ihre Mitschüler aus ihrer Lethargie aufwachen zu sehen. Merlin, niemand hatte auch nur hinterfragt, weshalb das Frühstück hier im Gemeinschaftsraum serviert worden war und nicht wie sonst üblich in der Großen Halle. Ein Angebot, was sie alle liebend gerne angenommen hatten, wollte doch niemand hinaus ins Schloss.   "Fisch Nr 394", flüsterte sie, den Kopf in die Hand gestützt, als ein weiteres Exemplar der Meeresbewohner vor dem Fenster zu sehen war. Möglicherweise war es aber auch zum dritten Mal Nr 157. Sie war kurz davor sich mitsamt Paimon unter ihrem Ärmel auf zur Bibliothek zu machen, in der Hoffnung vielleicht irgendwem zu begegnen, als sie hinter sich mehrere erschrockene Seufzer hörte.   Das wurde aber auch mal Zeit!, dachte sie, während sie so tat, als fand sie das Treibholz sogar noch interessanter, als die 394 Fische. Es fiel ihr schwer nicht sofort den Kopf herumzureißen und sich auf denjenigen zu stürzen, der wohl endlich mit den langersehnten Neuigkeiten eingetroffen war. Entweder das, oder Zabini hatte bei Koboldstein verloren.   Angestrengt versuchte sich auf die Reflektion im Glas zu fokussieren, doch bevor sie etwas klar erkennen konnte, hörte sie bereits eine fremde Stimme.   "Schüler dieses ehrenwerten Hauses. Ich bringe Kunde vom Vorsteher Slytherins", seltsam gedämpft hallten die Worte des Blutigen Barons durch den Raum, in dem es sofort still geworden war, als ihr Hausgeist durch den Eingang geschwebt gekommen war. Dass der Baron im Gemeinschaftsraum erschien, war soweit Evelyn wusste noch nie vorgekommen.   "Unglücklicherweise ist es in der Nacht auf heute zu einem bedauerlichem Zwischenfall gekommen, in den ein Lehrer dieser Schule verwickelt worden ist."   Der Baron schwebte in einiger Höhe über ihnen und hatte die Hände hinter seinem transparenten Rücken gefaltet. "Das Kollegium hat sich der Sache angenommen, doch es gibt noch keine genauen Details, die man Ihnen berichten könnte." Ich würde ja damit anfangen zu erzählen, wie ein dreiköpfiger Hund hier im Schloss gewohnt hat, aber mich sollte niemand fragen.   "Herr Baron, welcher Lehrer war in Gefahr?", meldete sich ein junges Mädchen, das nicht weit vom Baron an der Wand stand. "Auch diese Information steht mir nicht zu zu teilen. Sie alle werden gebeten hier fürs erste zu verweilen, doch seid sicher, die Sportveranstaltung wird wie gewohnt abgehalten werden."   Evelyn bemerkte, wie der Baron eilig das Thema gewechselt hat.   Marcus Flint, der die Mannschaft bereits um sich versammelt hatte, trat vor und klopfte sich gegen die Brust. "Das will ich auch schwer hoffen. Ich freue mich schon seit Wochen darauf die Hufflepuff unter meinem Daumen zu zerquetschten." Eher lustlos nickte der Baron dem forschen Marcus zu, bevor er ohne ein weiteres Wort durch die Wand verschwand. Kurz war es still, und man hörte nur das Feuer im Kamin. Diese Stille währte aber nur einige Herzschläge.   "Zwischenfall? Was für ein Zwischenfall?"   "Meint ihr, ein Lehrer hats erwischt?"   "Was soll das heißen, wir sollen hier leben?"   "Eingesperrt im Kerker! Mal wieder schlechter Humor unseres Schulleiters."   Jeder sprach durcheinander, die morgendliche Trägheit war mit einem Mal verflogen, was Evelyn mehr als begrüßte. Sie überkreuzte dir Arme vor der Brust, darauf bedacht Paimon nicht zu zerquetschten, und beobachtete an der Lippe kauend, wie Leben in die Schüler zurück kehrte.   Innerhalb kürzester Zeit waren ähnlich wie an Halloween die wildesten Gerüchte entstanden, die allein von den spärlichen Informationen des Blutigen Barons genährt wurden. Aus einer Vermutung war schon bald eine Tatsache geworden, dass der nächtliche Zwischenfall Dumbledore involvierte und dass er auf Grund seines Alters hinter dem Schreibtisch zusammen gebrochen wäre; tot, wenn es nach vielen im Raum ging.   Die Nachricht den Kerker offiziell nicht verlassen zu dürfen verbreitete sich schnell, und plötzlich konnte niemand es abwarten zu den Tribünen zu gehen. Evelyn vermutete dahinter eine verdrehte Psychologie, nach der die Schüler nun genau das wollten, was ihnen verboten war, obwohl sie zuvor mehr als glücklich über die Tatsache waren faul in den Slytherin Gemächern lungern zu können.   "Wo bleibt Pucey denn? Jetzt braucht man ihn ein Mal und schon ist er unzuverlässig", meinte Daphne mit Blick zum Eingang. Pucey war als Vertrauensschüler gerufen worden und war als einziger von ihnen momentan außerhalb der Kerker unterwegs. Der Tumult im Gemeinschaftsraum hatte schnell den Großteil des Hauses aufgeschreckt, sodass sie sich nun schon seit Stunden auf engstem Raum quetschen. Sie alle warteten nur darauf, dass Pucey entweder mit schmutzigen Details zurückkehrte, oder aber dass er sie endlich auf die Tribünen bringen dürfte.   "Das Spiel beginnt gleich. Wenn wir nicht bald hier raus dürfen, verpassen wir noch den Anfang", beschwerte sich ein Viertklässler bei seinem Freund, nicht weit von Evelyn und den Mädchen. Daphne schlug die Hand vors Gesicht.   "Wie denn? Unsere komplette Mannschaft steht ebenfalls hier. Die werden wohl nicht ohne die Spieler anfangen!" Sie deutete seufzend auf die Mitte des Raumes, wo die Mannschaft mit Besen in der Hand und in ihren Uniformen bereit stand. Der Junge drehte sich empört weg und verschwand in der Menge, vermutlich aus Scham.   "Idiot", kommentierte Pansy, kurz bevor sie sahen, wie die Steinwand zur Seite glitt. Pucey genoss seinen Auftritt, bei dem die meisten Augen nur auf ihn gerichtet waren. Dementsprechend viel Zeit nahm er sich auch zu antworten. Zu lang, wie manche fanden, sodass er unter Androhung den Tag mit zusammen geschmolzenen Beinen verbringen zu müssen anfing zu erzählen.   "Ich weiß ihr hofft auf Neuigkeiten, doch mir hat man genauso wenig gesagt, wie-", weiter kam er nicht, als die Proteste überall um Evelyn herum laut. In diesem Moment empfand sie Mitleid für ihren Vertrauensschüler, der nun den Frust der Slytherins zu spüren bekam.   "Der Arme, sie werden ihn gleich überrennen", sagte Millicent kopfschüttelnd und auch Evelyn sah es kommen, dass sich die Meute weder von Pucey, noch von einem Verbot davon abhalten lassen würden den Raum zu verlassen. Evelyn war froh am Rand zu stehen, da nun bereits das Gedränge begann.   "Professor Snape hätte die Sache im Griff."   "Ja, hätte er", gab Evelyn ihrer Freundin recht. "Pucey hätte ihnen irgendwas erzählen sollen."   Machtlos sahen sie zu, wie die Menge, angeführt von Marcus, Pucey aus dem Weg drückten und durch den Ausgang strömten. Anfangs hatte Pucey noch versucht sie aufzuhalten, sicherlich hatte er die Anweisung erhalten Slytherin hinaus auf das Quidditch-Feld zu eskortieren, doch seine Bemühungen waren umsonst. Schließlich reihte sich auch die Gruppe um Evelyn ein, deren Mitleid bereits drückender Vorfreude gewichen war.   Weshalb das Quidditch-Spiel stattfand, war für Evelyn unverständlich, speziell da man offensichtlich versucht hatte die Häuser voneinander zu trennen; zumindest vorerst, denn auf den Tribünen vermischten sich die Schüler schneller, als Professor McGonagall Examen sagen konnte. Die ersten Blicke gingen hinauf zur Lehrertribüne in der Hoffnung einen Hinweis zu erhalten, welchem der Lehrer etwas zugestoßen war. Allerdings war kaum die Hälfte der Lehrerschaft anwesend. Dumbledore fehlte, was die Slytherin in ihrer Vermutung nur bestärkte, doch neben ihm war auch der Großteil der anderen Lehrer abwesend. Tatsächlich waren nur die Hauslehrer der spielenden Mannschaften zusammen mit Professor Vektor und Burbage auf der Tribüne, während Professor McGonagall eilig über den Platz schritt.   Hier im Stadion herrschte immer angespannte Atmosphäre, doch heute schien kaum einer auf das Spiel zu achten, mit Ausnahme der Mannschaft um Flint. Tor um Tor erzielten sie, was von Lee Jordan nur knapp kommentiert wurde. Der sonst so euphorische Torjubel wirkte gedämpft und wurde von einem ständigen Murmeln beinahe verschluckt. Sogar Daphne war nur halbherzig bei der Sache.   "Schaut, die Ravenclaw wissen etwas." Sie beobachtete, wie eine große Gruppe nun völlig das Spiel ignorierte und heftig miteinander diskutierten. "Verdammt, was wissen die?"   "Schaut euch die Gryffindor an, die scheinen etwas zu erzählen zu haben."   Die Tribüne der Gryffindor war gut besucht, obwohl es ein Spiel von Slytherin war. Unter ihnen tummelten sich dutzende Hufflepuff und Ravenclaw Schüler, die förmliche an ihren Lippen klebten. Unter all dem Rot und Blau, sah sie aber kein Grün. Man konnte förmliche sehen, wie die Nachrichten wie eine Laolawelle durch das Stadion ging, mit der Gryffindor-Tribüne als Ausgangspunkt.   "Ein weiteres Tor für Slytherin. Sie führen nun mit 120:20." Verhaltens Klatschen war zu hören und Evelyn hoffte mit Blick auf die tuschelnden Ravenclaw, dass Slytherin nicht den Schnatz fing, ehe die Nachrichten sie erreicht hatten.   Noch ein bisschen, komm schon.   Endlich überhörten die außen Stehenden die Konversationen und ein einziger Satz breitete sich unter ihnen aus wie ein Lauffeuer.   "Harry Potter hat Professor Quirrell ermordet."   Der hohe Sieg der Slytherin Mannschaft ging völlig unter in dem Tumult, der zunächst langsam schwellte, sich dann aber überall ausbreitete. Die wenigen Lehrer hatten alle Hände voll zu tun die Häuser voneinander zu trennen und sie zurück ins Schloss zu bringen; und das wollte etwas heißen, immerhin waren McGonagall und Snape anwesend. Viel wusste man immer noch nicht, mit Ausnahme der vermeintlichen Tatsache, dass Harry einen Lehrer ermordet hatte. Evelyn vermutete, dass der Großteil der Details auf der Strecke geblieben war.   "Verdammte Flüsterpost", zischte sie, als sie auf dem Weg zurück in die Kerker waren.   Millicent hatte sie gehört und wirkte irritiert. Evelyn zuckte die Schultern als sie erkannte, dass sie ihr eine Erklärung schuldete. "Flüsterpost ist ein Spiel. Jemand flüstert seinem Nachbarn etwas ins Ohr, und dieser muss es ebenfalls flüsternd weitergeben, bis die Nachricht einmal im Kreis gegangen ist. Der letzte sagt laut, was man ihm ins Ohr gesagt hat."   "Verstehe ich nicht, wieso soll man flüstern? Man kann doch gleich laut reden?" Daphne legte den Kopf schief.   "Genau das ist der Spaß. Am Ende kommt meistens völliger Unfug heraus, und eben nicht der ursprüngliche Satz."   Millicent dämmerte, was Evelyn sagen wollte. "Du meinst wegen dem, was heute Nacht passiert ist? Glaubst du unsere Informationen sind falsch?"   Millicent, ich habe den Punkt den Glaubens schon lange überschritten. "Was ich sagen will ist, dass wir womöglich nicht alles wissen." Oder mit ziemlicher Sicherheit. Unter den Slytherin herrschte nun die Annahme Potter wäre wahnsinnig geworden und hatte Quirrell nachts in seinem Bett überfallen. Eine lächerliche Verzerrung von dem, was wirklich geschehen war.   "Was gibt es da noch zu wissen. Potter war nicht beim Spiel, genauso wenig wie einer seiner Lakaien. Die stecken da alle mit drin." Pansy hatte mittlerweile Draco schlechte Meinung über Harry angenommen. Daphne hingegen wurde skeptisch.   "Ich bin mir da nicht so sicher. Komm schon, Pansy. Mord? Das trau ich ihm nicht zu."   Seufzend wandte sich Evelyn von dem Gespräch ab, was nun in einem Für und Wider darüber ausartete, ob Potter zu einem Mord fähig war, oder nicht. Ein makaberes Spiel, wie Evelyn fand. Es schien kaum einen zu kümmern, dass ein Lehrer tatsächlich tot war, egal ob nun durch Harrys Hand oder nicht. Es herrschte keine Trauerstimmung, die Evelyn in dieser Situation erwartet hätte. Noch wussten sie ja nichts um die Umstände von Quirrells Tod und kannten ihn nur als den freundlichen Verteidigungslehrer.   Einige, darunter Draco, amüsieren sich sogar köstlich über Quirrells Ableben, oder besser gesagt der Tatsache, dass Potter scheinbar verrückt geworden war.   "Dass Quirrell nicht lange durchhält war zu erwarten, aber wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Potter seinem elenden Leben ein Ende machen würde. Ich hatte erwartet, dass er gefeuert wird wie jeder andere auch."   Evelyn horchte auf. Es war das erste Mal, dass sie über die vergangenen Verteidigungslehrer sprachen. "Gefeuert? Wurden in den letzten Jahren viele gefeuert?"   "Na, alle", beantwortete Zabini Evelyns Frage. "Oder sie gingen von selbst. Die Stelle wird meistens nur für ein Jahr ausgestellt. Keine Ahnung, weshalb Dumbledore darauf besteht jedes Jahr jemand anderen zu nehmen."   "Meine Mutter sagt, angeblich will er dafür sorgen, dass die Schüler möglichst viele Meinungen zu dunklen Künste bekommen, und wie man sich wehrt."   "Schwachsinn. Vor einigen Jahren war sogar Professor Sprout ein Jahr lang die Lehrerin, bis sie wohl mehr als glücklich wieder in ihr Gewächshaus durfte. Vermutlich ist niemand gut genug in Dumbledores Schatten Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu unterrichten, wo er doch so ein großer Held ist."   Einige lachten über Dracos verächtlich gespuckten Kommentar, was Evelyn nur nickend zur Kenntnis nahm.   "Er hat sie gefeuert, huh."   Die offene Neugier blieb auch nach dem Spiel bestehen, und ihr einziger Lichtblick war die Aussicht beim Abendessen endlich klare Worte zu hören. Dementsprechend hatte es jeder eilig in die Halle zu kommen, wo die Lehrer um Dumbledore bereits alle warteten. Es fiel auf, dass ein Platz neben Snape leer blieb.   "Jetzt bin ich gespannt", flüsterte Daphne, nachdem die Schülerschaft sich beinahe gleichzeitig an ihre Plätze an den Tischen begeben und alle Augen auf Dumbledore gerichtet hatte, der geduldig vor ihnen stand. "Wie viele von euch vermutlich bereits wissen, haben wir einen Verlust zu beklagen", begann er mit fester Stimme zu reden. Es war völlig still. "Professor Quirrell hat, wie ich fürchte, geheime Pläne verfolgt nicht nur dieser Schule, sondern auch jedem anderen zu schaden.   Glücklicherweise konnte einer der unseren ihn davon abhalten seinen Plan in die Tat umzusetzen." Kaum, dass er seinen Satz ausgesprochen hatte, begann der Gryffindor Tisch lauthals zu jubeln. "Potter! Potter! Potter!" Überall drehten sich Köpfe irritiert zunächst zu den Gryffindor, dann wieder zu Dumbledore, nur um kurz darauf mit dem Nachbarn zu diskutieren. Evelyn schaute ungeniert zu Draco, sowie auch Millicent. Dieser hielt seine Gabel nur fest umklammert, die Zähne aufeinanderpressend.   Dumbledore hob die Arme, und sofort wurde es wieder still. "Ja, Mr Harry Potter hat großen Mut bewiesen, trotz seines jungen Alters."   "Mir wird gleich schlecht", hörte Evelyn Draco sagen.   "Dennoch hat die Nacht Spuren bei ihm hinterlassen, von denen er sich erholen muss. Ich bitte euch also ihm Zeit zu geben." "Lasst ihn aufatmen, bevor ihr den Helden mit Gaben und Geschenken überhäuft." Selbst Evelyn musste bei Dracos Imitation des Schulleiters schmunzeln, denn ohne es zu wissen, war er näher an der Wahrheit, als es ihm lieb sein dürfte.   "Professor, wie konnte Harry Potter Quirrell besiegen?", rief ein Schüler vom Ravenclaw Tisch mit zustimmendem Gemurmel von allen Seiten.   "Das wird seine Geschichte zu erzählen sein. Seid jedoch versichert, dass euch keinerlei Gefahr droht. Genießt eure freien Tage, Hogwarts ist völlig sicher."   Dumbledore schwang die Finger, wie er es bereits bei der Eröffnung getan hatte, und vor ihnen erschien das Essen. Es gab keinen Zweifel, dass Dumbledore zu dieser Sache kein weiteres Wort verlieren würde.   "Völlig sicher. Na klar, wenn einer unserer Lehrer sogar versucht uns zu töten. Und es ist nicht einmal Professor Snape gewesen!", sagte Zabini mit vollem Mund. Er hatte keine Zeit vergeudet und sich von allem, was in seiner Reichweite stand, etwas genommen.   "Bestimmt hat Quirrell den Troll ins Schloss geholt. Nur warum? Wenn er hatte angreifen wollen, hätte es bessere Möglichkeiten gegeben."   Draco, der noch immer nur seine Gabel umklammert hielt, schlug mit der freien Hand auf den Tisch. "Seid ihr denn alle bescheuert? Das war eine Ablenkung."   Evelyn hob beeindruckt die Augenbraue. Die anderen hingegen starten Draco nur fragend an, weshalb er weiter sprach. "Er hat den Troll ins Schloss geholt als Ablenkung. Denkt doch mal nach, er hatte jederzeit angreifen können, hat er aber nicht. Er wollte etwas, hier im Schloss. Deshalb war er hier." Absolut richtig, sehr gut, Mr Malfoy.   "Aber was soll es hier schon geben?", fragte Daphne.   Als niemand antwortete, lehnte sich Evelyn vor. "Einiges. Das Schloss ist tausend Jahre alt, und ich wette hier gibt es weit mehr als alte Holzstühle und verstaubten Tafeln."   Ein verschmitztes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht auf, als sie sich wieder zurück lehnte und die anderen reden ließ, die nun die wildesten Theorien darüber hinausposaunten, was Quirrell hier gewollt haben konnte.   Tatsächlich sollte dieses Thema sie alle die nächsten paar Tage beschäftigen, während hinter vorgehalten Hand immer mehr durchsickerte. Evelyns Vermutung sollte sich bestätigen: die Gryffindor trugen die Nachrichten in die Welt hinaus wie dressierte Eulen, besonders nach der vernichtenden Niederlage gegen Ravenclaw, dank dem untrainiertem Ersatz für Harry. Evelyn glaubte, dass sie damit von ihrem Negativrekord ablenken wollten, was sogar klappte, auch wenn Slytherin ihren Sieg bei jeder Gelegenheit feierten. Die Siegerehrung war kurz gewesen, doch Snape hatte tatsächlich ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen, als ihm Dumbledore direkt nach dem Spiel noch auf dem Platz den Quidditch-Pokal überreichte, der nun ein weiteres Jahr in Snapes Büro stehen würde.   Top-Thema blieb jedoch nach wie vor Quirrell. Schon bald war jedes Detail bekannt: Dass man den Stein der Weißen hier versteckt hatte, dass es verschiedene Aufgaben gab, dass Potter sich davon geschlichen hat um Quirrell aufzuhalten. Überraschenderweise war aber nie die Rede davon gewesen, dass Quirrell einen Teil von Voldemort in sich gehabt hatte. Man nahm an, Harry hätte Quirrell in eines der vielen Feuer gestoßen, statt ihn mit nur einer Berührung bis zur Unkenntlichkeit zu verbrennen. Womöglich war dies dann doch eine Information, dir vorerst unter Verschluss bleiben sollte. Evelyn war zufrieden und erleichtert auch den letzten und vielleicht wichtigsten Abschnitt des Schuljahres hinter sich gebracht zu haben, ohne für sie offensichtliche Zwischenfälle. Sie genoss, wie Dumbledore es ihnen geraten hatte, die freien Tage, die nun vor ihnen lagen. Dabei kämpfte sie eins ums andere Mal gegen ihre eigene Neugier an, kam jedoch zu dem Entschluss, dass sie es sich nun durchaus erlauben durfte ihrer Neugier nachzugeben.   Trotz anfänglicher Skepsis hatte sie Millicent überreden können mit ihr in den Korridor im dritten Stock zu gehen, der nun wieder für jeden frei zugänglich war. Ein Angebot, das Evelyn sofort nachkommen wollte. Fluffy war verschwunden, doch der Raum selbst, war noch da. Evelyns Herz klopfte, als sie die Hand auf die simple Holztür legte und sie aufstieß.   Sofort wehte ihr ein unangenehm bitterer Geruch entgegen, sodass sie es Millicent nachtat und ihr Hemd nach oben über ihre Nase zog; was nichts nutzte.   "Was ist das für ein widerlicher Gestank!"   Der Raum war groß, mit etlichen kleinen Fenstern unter den Giebel, die jedoch nicht ausreichten um den Körpergeruch von Fluffy aus dem Raum zu spülen. Er hatte beinahe ein Jahr hier verbracht, was auch einschloss, dass er sein Geschäft hier erledigte. Evelyn sah lieber nicht allzu genau in die Ecken, obwohl sie mit Sicherheit gesäubert worden waren.   "Schau mal, hier!", rief Millicent von der linken Seite. "Das musst du sehen."   Evelyn eilte zu ihr und schaute zu Boden, wo Millicent hindeutete. Im schwachen Licht erkannte sie tiefe parallel verlaufende Risse im Stein. "Das sind Abdrücke von Krallen."   "Die sind gigantisch." Tatsächlich waren die etwas ein Arm langen Spuren beeindruckend anzusehen, sodass man eine vage Vermutung von der schiefen Größe des Tieres bekam. Plötzlich wirkte der Raum gar nicht mehr so groß auf Evelyn und sie freute sich beinahe für Fluffy endlich hier raus zu sein. Der Hund hatte sich hier drin vermutlich kaum bewegen können. Ihre Augen glitten über den Boden, auf der Suche nach der Falltür, doch selbst als sie den Raum einmal durchquert hatten, fanden sie nichts außer festem Stein und zurückgelassenem Heu.   "Sie haben sie vermutlich entfernt."   "Ja, vermutlich", gab Evelyn leicht enttäuscht zurück und verließ sehr zu Millicents Freude Fluffys nun völlig verwaistes Zimmer. Der Geruch hatte sich bereits in ihre Kleider gefressen, obwohl sie kaum fünf Minuten in dem Raum verbracht hatten. Millicent wollte schon die Treppe nach unten einschlagen, als Evelyn aus einem plötzlichen Impuls heraus stehen blieb. "Geh ruhig vor, ich denke ich werde kurz in der Bibliothek vorbei schauen."   Unverständlich warf Millicent dir Arme über den Kopf. "Wir haben praktisch schon Ferien. Was willst du denn jetzt noch in der Bibliothek?"   "Willst du eh nicht wissen", gab Evelyn nur zurück und tatsächlich nickte Millicent.   "Hast recht. Viel Spaß."   Evelyn wartete einige Minuten ehe sie Millicent ein Stück nach unten folgte, dabei allerdings im ersten Stock abbog. Vielleicht war es die Gewissheit kaum noch zwei Woche in Hogwarts verbringen zu dürfen, vielleicht aber auch das schlechte Gewissen, das sie in den Krankenflügel zog. Das schlechte Gewissen nicht verhindert zu haben, dass Harry nun bewusstlos im Krankenflügel lag und seinen ersten Kampf von vielen hatte bestreiten müssen.   Der Krankenflügel verbarg sich hinter einer riesigen Tür, beinahe so hoch, wie Fluffys Zimmer. Eigentlich hatte sie erwartet den üblichen Geruch nach Desinfektionsmittel und frischen Laken wahrzunehmen, der für gewöhnlich in Krankenhäusern vorherrschte. Stattdessen war sie überrascht einen süßlichen Geruch auf der Zunge zu haben, der sie vage an Erdbeere erinnerte, was ein wohltuender Kontrast zum bitteren Gestank eines Hundes war. Ehe sie genau identifizieren konnte, wonach die Luft schmeckte, rief bereits eine Frauenstimme aus einem kleinen Zimmer.   "Sie sind schon der Zehnte heute! Wehe Sie sind auch nur hier um Mr Potter zu sehen." Eine zierliche Dame mit spitzer Nase und fest geflochtenen Zopf erschien in der Tür, die Hände gegen den Kittel gestemmt.   "Leider ja, Madam Pomfrey, verzeihen Sie."   Kurz schüttelte sie den Kopf, ehe sie den Weg frei machte nach hinten zu den Betten. "Ich bin ja froh, wenn sich niemand verletzt, aber dies ist immer noch ein Krankenflügel, kein Gemeinschaftsraum. Beeilen Sie sich."   Kurz zögerte Evelyn und schielte eher verhalten an der Dame vorbei hinein in den Gang, in dem dutzende Betten standen. Sie befürchtete andere Schüler zu sehen, wobei sie in dem Fall unvollrichteter Dinge wieder gegangen wäre.   "Gehen Sie schon."   Madam Pomfrey drückte Evelyn bestimmend hinein und schloss den Vorhang, sodass man nun beinahe das Gefühl von Privatsphäre hatte.   Der Raum war Lichtdurchflutet, nicht nur durch große Fenster, sondern auch mit einem riesigen Kronleuchter, an dem dutzende Kerzen brannten. Besucher sah Evelyn keine zwischen all den leeren Betten. Nur ein einziger Patient war hier. Langsam, ohne große Geräusche auf dem Steinboden zu machen, ging Evelyn auf den schlafenden Harry zu, bis sie neben seinem Bett stand.   Die Haare kamen ihr länger vor, als bei ihrer ersten Begegnung vor all den Monaten, und er hatte etwas fülligere Backen bekommen. Auch wenn sein Gesicht gerade übersät war mit verarzteten Schürfwunden, so sah Harry in ihren Augen gesünder aus, als je zuvor.   "Es tut mir so leid", flüsterte sie und strich ihm den Haare aus der Stirn, sodass die Narbe frei lag. Eine kleine Geste, die unbemerkt von Evelyn von jemandem beobachtet wurde.   "Geh weg von ihm!", rief eine wütende Stimme, die nicht zur Krankenschwester gehörte und die Evelyn erschrocken herumfahren ließ.   Starre braune Augen funkelten sie an. "Ich sagte, geh weg", wiederholte Hermine nun deutlich leiser und Evelyn konnte nichts weiter tun, als stumm zu tun, was sie verlangte. Kurz schaute sie auf den Vorhang, doch Madam Pomfrey ließ sich nicht blicken, was sie erleichtert aufatmen ließ. Auf Ärger konnte sie gut verzichten.   "Ich wollte ihn nur besuchen", erwiderte Evelyn beschwichtigend, als sie einige Schritte zwischen sich und Hermine gebracht hatte. Auch ihr sah man den Kampf an, mit Schürfwunden an Händen und Gesicht.   "Dann kannst du ja auch wieder gehen."   Sie hätte tatsächlich gehen können. Was sie tun wollte, hatte sie getan, doch sie blieb stumm stehen und schaute Hermine an, deren wildes Haar über ihre Schultern fiel. Es überraschte sie nicht zu sehen, wie sie ein kleines ledernes Buch bei sich trug, dessen Titel in einfachen Buchstaben unter ihren Fingern hervor lugte.   "Ich wollte ihm nichts Böses, Granger."   Quietschend schob Hermine einen Besucherstuhl zurecht, auf dem sie sich niederließ. Sie tat bereits so, als wäre Evelyn gar nicht mehr hier. Es schmerzte von Hermine derart die kalte Schulter gezeigt zu bekommen, was Evelyn versuchte herunterschlucken. Sie wusste, dass sie Hermine damals verletzt hatte und dass sie nun eine solche Behandlung verdiente. Dennoch musste sie sich nun überlegen, wie sie hier raus kam.   Frustriert ballte sie die Hände zur Faust, als sie sich darauf vorbereitete die nächsten Worte zu sprechen. "Nichts Böses, aber der Anblick von dem verletzten Dornröschen ist wirklich zu amüsant."   Sofort riss Hermine ihren Kopf herum und stand auf, das Buch hoch erhoben. Fast glaubte sie, sie wolle das Buch nach ihr werfen, doch in der Gewissheit, dass Hermine Granger niemals ein Buch derart misshandeln würde, blieb sie unbeeindruckt stehen.   "Verschwinde, Harris!"   Dieses Mal kam sie der Aufforderung nach und eilte aus dem Krankenflügel, ohne auf Madam Pomfrey zu achten, die sich wieder in ihre kleines Zimmer zurück gezogen hatte. Es wurde Zeit, dass auch sie in ihren Kerker ging. Morgen würde die Abschlussfeier abgehalten werden, und Slytherin feierte bereits den Hauspokalsieg.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)