Zwischen Molotowcocktails und Shakespeare von Curupira ================================================================================ Kapitel 16: Kapitel 15. ----------------------- »Wolltest du nicht nur reden?«, haucht Juli gegen meine, vom Küssen wunden Lippen und ich spüre, wie mir jegliches Zeitgefühl abhandengekommen ist, als ich meinen Kopf an ihre Schulter lehne. »Mhm, später«, brumme ich gegen ihren Hals, schließe für einen Moment meine Augen und genieße schlicht ihre Nähe. Juli hält mich fest und erschaudert, als meine Hände auf Wanderschaft gehen. Ich weiß nicht warum, aber ich habe das dringende Bedürfnis ihre Haut unter meinen Fingern zu spüren, weshalb ich meine Hände unter ihr T-Shirt schiebe und mit kleinen Kreisen beginne, ihren Rücken zu erforschen. Juli hält ihren Atem an, als eine Hand von ihrem Rücken zu ihrem Bauch wandert und atmet leise lachend aus, als ich ihr in die Seite, zwischen zwei Rippen, pikse und somit die Spannung entlade. Grinsend sehe ich sie an, schubse sie sanft von meinem Schoß, sodass sie jetzt in meinem Bett liegt. Ich setze mich auf sie, bevor sie sich wieder aufsetzen kann und beginne, sie erbarmungslos zu kitzeln. »Pause«, keucht Juli nach einem Moment und hält sich grinsend den Bauch und mir kommt der Gedanke, dass in diesem Zimmer noch nie so viel gelacht wurde. Ich beuge mich zu ihr und küsse sie hart, voller verborgenem Verlangen, von dem ich bis jetzt nicht wusste, dass ich es habe und Julis Hände krallen sich in meinen Rücken, halten mich in Position, als ich mich zurückziehen will. »Du glaubst doch nicht, dass ich dich jetzt gehen lasse«, murmelt Juli und dreht uns so, dass ich nicht länger auf ihr bin, sondern unter ihr liege. Bevor ich ihr antworten kann, liegen ihre Lippen schon wieder auf meinen und mein Herzschlag verdoppelt sich, als ihre Hände unter mein T-Shirt fahren. Ich möchte unter ihren Berührungen zerfließen und versuche gar nicht, sie aufzuhalten, als Juli mich in eine sitzende Position zieht und mir mein T-Shirt über den Kopf zieht. Juli lässt mir keine Zeit, etwas zu sagen, Zweifel zu äußern, denn sofort liegen ihre Lippen wieder auf den Meinen und verführen mich. Lassen mir keine Zeit, meine Gedanken zu sortieren, weil eine Gefühlsexplosion die Nächste jagt. Erst als sich Julis Hände auch meines Sport-BHs entledigen wollen, halte ich sie auf. Nicht, weil ich nicht will, sondern weil ich es für den falschen Zeitpunkt halte. »Bist du dir sicher, dass du das jetzt tun willst?«, frage ich zwischen zwei Küssen und streiche Juli eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht, als sie innehält und mich ansieht, als sei ich verrückt geworden. »Wir haben alle Zeit der Welt dafür«, schiebe ich leise hinterher. »Haben wir das?«, fragt Juli mich überraschend sarkastisch, geht von mir herunter und setzt sich am Fußende, an den Rand meines Bettes. »Wer garantiert mir, dass du dich nachher nicht wieder umentscheidest und mich aus Allem aussperrst?« Obwohl es nicht sehr hell ist, sehe ich das Julis ganzer Körper zittert. Ich rutsche neben sie, ergreife ihre Hand und spüre ihre Tränen auf meiner Haut, als ich Juli in meine Arme ziehe und fest an mich drücke. »Romy, bitte schmeiß mich nicht raus aus deiner Welt. Lass mich diese Scheiße mit dir durchstehen. Ich glaube nicht, dass ich es noch einmal schaffe, zu sehen, wie du mir die kalte Schulter zeigst«, murmelt Juli irgendwann gegen meine Schulter, als ihre Tränen versiegt sind und drückt sich etwas von mir, um mich anzusehen. Ich seufze, ziehe Juli zurück in meine Arme und presse meine Lippen auf ihren Haarschopf. »Alles was hier zwischen uns geschieht, muss in diesem Raum bleiben. Außerhalb muss ich dieses Schauspiel fortführen. Ansonsten habe ich nicht vor, dich wieder aus meinem Leben auszuschließen.« Ich könnte es gar nicht mehr, füge ich gedanklich hinzu. Eine Weile schweigen wir und ich halte Juli fest in meinen Armen. »Und was ist mit dieser Nina?«, durchbricht Juli mit einer Frage die friedliche Stille, die mich beinahe ins Land der Träume befördert hätte. »Die steht auf meine Schwester, wenn ich das nicht falsch interpretiert habe«, erwidere ich und bin erstaunt, wie schläfrig ich mich anhöre. »Und der Kuss?«, hakt Juli skeptisch nach. »Bedeutungslos. Ein Versuch von Nina, der fehlgeschlagen ist«, erkläre ich und ziehe uns zurück in eine liegende Position. »Was für ein Versuch?«, fragt Juli und stützt ihren Kopf mit einer Hand ab, um mich besser ansehen zu können. »Dein Interesse an mir, schwinden zu lassen.« »Na das hat ja sehr gut funktioniert«, grinst Juli mich an. »Ich würde dieser Sache, die sich da zwischen uns entwickelt, gern eine echte Chance geben und dich, sobald die Sache mit Paul vorbei ist, auf ein Date einladen und wenn ich ein Herz hätte, würde ich dir jetzt sagen, dass ich glaube, dass ich mich in dich verliebt habe. Was bin ich ohne mein Herz?« Die Wörter sind einfach aus mir herausgesprudelt, ohne dass ich groß über ihre Bedeutung nachdenken konnte. »Du hast doch meins, oder hast du das schon vergessen?«, fragt Juli leise und beugt sich vor, um mich sanft zu küssen. »Was wäre ich nur, ohne dich?«, frage ich seufzend zurück und lehne meine Stirn an die Ihre. Mir geht es besser, seit ich weiß, dass Juli die Wahrheit kennt und nach jener Nacht in meinem Zimmer, kann ich Juli aus meinem Zimmer kaum noch wegdenken. Jede freie, unbeobachtete Minute verbringen wir zusammen und Martha passt auf, dass uns keiner erwischt. Leider besteht Juli aber darauf, dass wir nicht nur faul in meinem Bett liegen und kuscheln, sondern auch etwas für die Schule tun und unsere Texte für das Schauspiel lernen. Weil Juli im Internat bleibt, bin ich an keinen der beiden Wochenenden nach Hause gefahren, als ich die Gelegenheit hatte und vermutlich liegt es auch ein bisschen an meiner rosaroten Brille, dass ich es nicht gleich erfahren habe. Erst gestern habe ich, bei unserem allabendlichen Telefonat herausgefunden, dass ich die Farce einstellen kann, weil Paul von meiner Anzeige und von meiner neuerlichen Haltung Wind bekommen hat. Woher, kann mir Nina nicht sagen und auch Uschi kann nur Vermutungen anstellen, als ich sie kurz nach Ninas Anruf anrufe. »Vielleicht hat er echt ein paar Maulwürfe bei den Bullen. Wobei, wenn du zu einer Aussage vorgeladen wirst, muss dort drinstehen, weswegen sie dich verhören wollen?« Mir ist jedenfalls nicht wohl dabei, dass er jetzt Bescheid weiß. Warum kann ich nicht erleichtert sein und mich freuen, dass ich jetzt auch öffentlich mit Juli reden kann und versuchen kann, die Freundschaft von Rati und Uma zurückzugewinnen? Nicht, dass Juli und ich uns in aller Öffentlichkeit küssen können, wir sind immer noch in einer katholischen Schule, aber dennoch sollte ich mich wenigstens ein bisschen freuen, oder? Tief in mir weiß ich, dass ich mich erst freuen kann, wenn Paul in U-Haft ist. So lange er auf der Flucht vor der Staatsgewalt ist, kann er uns immer noch gefährlich werden. Nachdem Abend, an dem Nina mir das erzählt hat, sitze ich am Tag darauf in meinem Zimmer und überlege, ob ich das kommende Wochenende wieder im Internat bleibe. Nachdenklich hebe ich meinen Kopf von einem englischen Text und sehe Martha an, die mir gegenüber, auf dem leeren Bett sitzt und mir, gemeinsam mit Juli, mit Englisch hilft. »Was würdest du an meiner Stelle machen? Hierbleiben oder trotz der Gefahr, Paul zu begegnen, nach Hause fahren?« »Meine Eltern wollen dich kennenlernen«, wirft Juli ein, bevor Martha auch nur ihren Mund öffnen kann. Irritiert sehe ich zu Juli, die neben mir auf meinem Bett sitzt. »Was, du hast ihnen von mir erzählt? Von uns?« »Nicht direkt«, schüttelt Juli ihren Kopf. »Aber nachdem du schwer verletzt bei mir im Zimmer lagst, musste ich ihnen erklären, warum mich dein Zustand so mitgenommen hat.« »Also dieses Wochenende?«, frage ich zögernd und will mich im nächsten Moment dafür Ohrfeigen. Ein allzu dringendes Bedürfnis empfinde ich nämlich nicht, ihre Eltern kennenzulernen, nachdem ich das Zimmer ihrer Tochter mit meinem Blut beschmutzt habe. »Klar, wenn du Bock hast, könnten wir das dieses Wochenende machen und es so organisieren, dass meine Eltern dich bei dir zu Hause abholen und wieder hinbringen. Dann kann dir schon einmal niemand auflauern, auf dem Weg zu mir nach Hause.« Ich nicke und überlege. Uschi und Ralf wollen mich abholen kommen, wenn ich das Wochenende nach Hause fahre. »Wie kommst du nach Hause, wenn wir dieses Wochenende fahren? Können dich deine Eltern abholen?« »Vermutlich mit der Bahn«, erwidert Juli. »So kurzfristig können meine Eltern sich nicht von ihren Jobs loseisen. Warum fragst du?« »Weil wir dich doch mitnehmen können. Warte, ich teile Uschi eben mit, dass ich kommendes Wochenende heimfahre und frage gleich, ob sie dich mitnehmen können.« Ich ziehe mein Smartphone aus der Hosentasche und warte mit dem Anruf bei Uschi nicht darauf, dass Juli mir antwortet. »Hey Uschi, ich dachte daran, das kommende Wochenende heimzufahren, könnt ihr mich abholen?«, frage ich direkt, als Uschis Stimme erklingt. »Klar«, setzt Uschi an und ich höre es an ihrer Stimme, dass sie noch etwas fragen will. Weshalb ich sie eilig unterbreche. »Und können wir Juli mitnehmen? Sie muss sonst mit der Bahn fahren.« »Die Juli, die diese Unglaublichen-« »Genau die«, unterbreche ich Uschi. »Wie kommt es, dass wir noch nichts davon wissen, dass du dich wieder mit ihr abgibst?«, fragt Uschi und klingt amüsiert. »Aber ja, ich wüsste nicht, was dagegen spricht.« »Hat sich irgendwie nicht ergeben«, weiche ich einer vernünftigen Antwort aus und zwinkere Juli zu. Die vernünftige Antwort wäre nämlich, dass ich mit Knutschen beschäftigt war, während meiner Freizeit und das wäre Uschi gegenüber unfair. »Erst nachdem du erfahren hast, dass du mit dem Schauspiel aufhören kannst oder schon davor?«, fragt mich Uschi neugierig und ich kann mir ihr breites Lächeln, welches ihr Gesicht gerade bestimmt ziert, bildlich vorstellen. »Schon davor. Man hat mich beim Telefonieren belauscht«, erwidere ich und grinse in Marthas Richtung, die mich entschuldigend ansieht. »Wann werdet ihr da sein?« »Ich muss erst mit Ralf reden. Sobald ich mit ihm gesprochen habe, texte ich dir die Details, okay?« Nach dem Telefonat mit Uschi verzieht sich Martha in ihr Zimmer und Juli schließt hinter ihr die Tür ab. »Wann warst du das letzte Mal in deinem Zimmer?«, frage ich sie grinsend, als Juli sich zu mir herumdreht. »Vielleicht sollten wir Frau Kramer fragen, ob du das freie Bett haben darfst. Du bist in deinem Zimmer doch auch alleine?« »Das würde dich freuen, hm?«, fragt Juli mich lächelnd und setzt sich neben mich auf mein Bett, nachdem sie meine Englischsachen auf den Schreibtisch umgesiedelt hat. »Ja, sehr. Denn ich vermisse dich in jeder Nacht, die du nicht neben mir liegst«, sage ich, ergreife Julis Hand und küsse ihre Fingerspitzen. »Oh Romeo«, haucht Juli und ich schaue sie böse an. »Erinnere mich nicht an dieses Stück. Es reicht schon, dass wir morgen Nachmittag wieder proben müssen«, stöhne ich genervt. »Hasst du es noch immer so sehr?« Nachdenklich schüttle ich meinen Kopf. »Hass ist ein starkes Wort«, versuche ich mich an einer Erklärung und sehe sie ernst an. »Ich hasse die Typen, die mich Tag für Tag gemobbt haben und schließlich ins Krankenhaus geprügelt haben, weil ich nicht wie sie war. Weil ich mit fünf Anderen, die einzige Deutsche in der Klasse war. Ich hasse meine Schwäche, die mich dazu gebracht hat, mich den Möchtegern-Nazis anzuschließen und ich hasse das Konzert, auf dem ich Paul kennengelernt habe. Das ist Hass. Alles Andere, nur eine Abneigung.« Juli sieht mich interessiert an. Als ob sie mich etwas fragen möchte, sich aber nicht traut, es laut auszusprechen. »Besonders das Ende mag ich nicht. Mir tun die Beiden leid und ich will nicht sehen, wie du tot vor mir liegst. Auch wenn es nur geschauspielert ist«, erkläre ich und plötzlich erinnere ich mich wieder an diesen furchtbaren Traum, den ich vor einigen Wochen hatte. In dem Juli leblos unter mir lag, weil ich sie erstochen hatte. »Was hast du?«, fragt Juli mich und sieht mich besorgt an. Ich ziehe sie in eine Umarmung und drücke sie fest an mich. »Ich musste an einen Traum denken«, flüstere ich. »Es war ein unschöner Traum«, erkläre ich und zögere einige Sekunden, bevor ich ihr den Traum beschreibe. »Ich bereue jede Sekunde, in der ich dich wie Dreck behandelt habe. Ich habe dich das noch nie gefragt, aber verzeihst du mir?« »Wäre ich sonst hier?«, lächelt Juli und küsst mich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)