Grauzone von sharx (Was sonst noch passiert ist) ================================================================================ Kapitel 4: Geheimnisse ---------------------- Kapitel 4 Geheimnisse Oktober 1752 Mit einem flammenden rot ging die Sonne unter. Schon lange hatte ich mir nicht mehr die Zeit genommen einen Sonnenuntergang zu beobachten. Oft hatte ich anderes zu tun oder aber es bot sich nicht so ein Schauspiel wie ich es nun zu sehen bekam. Mit einem leichten Seufzen lehnte ich mich an die Reling der Morrigan und sah aufs Meer hinaus. Hier, in der Siedlung war es so friedlich. Warum konnte es nicht so bleiben? In den vergangenen Wochen hatte ich miterlebt wie in New York die Bürger auf die Straßen gegangen waren. Die Proteste wegen der kalendarischen Umstellungen hatten zu Ausschreitungen geführt und es war sicherer gewesen die Straßen zu meiden. Hope hatte von vielen Verletzten gesprochen. Sogar von Toten. Die Obrigkeit hatte hart durchgegriffen und die Soldaten hatten alles in ihrer Macht stehende getan um die Ordnung wieder herzustellen. Berichten zufolge war es in anderen Orten nicht besser gewesen. Auch aus Boston und Philadelphia hatten wir Nachricht erhalten, dass es zu Unruhen gekommen war. Hinter mir hörte ich Schritte und senkte den Kopf. Ich kannte dieses Geräusch. Liam stellte sich neben mich und lehnte sich ebenfalls an die Reling. „Ihr wart sehr still die letzten Tage“, sagte er nach kurzem Schweigen und ich hob den Blick. Als ob er nicht genau wüsste warum ich so schweigsam war. Es war nun schon zwei Monate her, dass Achilles mich nach Boston geschickt hatte um dort mit William Clark zu sprechen. Bei meiner Rückkehr waren Genievre und Louis schon fort gewesen. Knapp drei Wochen später erfuhr ich, dass Genievre tot war. Auch wenn ich sie kaum gekannt hatte ging mir ihr Tod doch nahe. Es ärgerte mich, dass ich vor meinem Aufbruch nicht doch noch einmal mit ihr gesprochen hatte. Andererseits hätte ich nicht gewusst, was ich ihr hätte sagen sollen. Mir tat es nicht wirklich leid, dass ich sie verführt hatte. Immerhin hatte sie es selbst gewollt. Bei der Nachricht über ihr Ableben hatte ich mich in einem Punkt jedoch auch bestätigt gefühlt. Frauen hatten bei den Assassinen nichts zu suchen. Sie waren nicht für ein solches Leben bestimmt und sie hatte es gewusst. Auch ihr Bruder hatte es gewusst und sie nicht daran gehindert es dennoch zu versuchen. „Es ist einfach viel passiert“, gab ich zurück und wandte mich wieder dem Meer zu. Ich wollte nicht mehr daran denken. Und ich wollte auch nicht an die Unruhen der letzten Wochen denken. Mir wäre es ganz lieb, wenn Liam mich einfach noch eine Weile allein gelassen hätte, doch das tat er nicht. Ohne einen Kommentar hielt er mir einen Brief hin. „Was ist das?“ fragte ich und nahm ihn entgegen. „Das ist eben aus New York gekommen. Ich dachte mir, es könnte euch interessieren.“ Aus New York? Vorsichtig faltete ich das Blatt auseinander. Die Handschrift erkannte ich nicht, dennoch überflog ich die Zeilen. Der Brief war nicht an mich gerichtet, doch der Inhalt... „Ist diesen Informationen zu trauen?“ Ich konnte das nicht glauben. Liams Miene wurde sehr ernst und er nickte. „Ich denke schon. Vor ein paar Wochen habe ich schon einen Brief erhalten. Wie es aussieht hat Selena sich in der Stadt niedergelassen.“ Er atmete einmal tief durch und fuhr dann fort: „Und sie wurde dabei beobachtet, wie sie in ein britisches Fort ging. Mehr als einmal.“ Ich verstand es nicht. Was hatte sie mit dem Militär zu tun? „Das muss ein Irrtum sein. Warum sollte sie freiwillig dort hin gehen? Sie hat einen Soldaten getötet.“ Und warum hatte Liam angefangen Informationen über sie zu sammeln? „Eine gute Frage. All zu viel konnte ich darüber nicht in Erfahrung bringen. Es sieht jedoch danach aus, als hätte es den ein oder anderen Zwischenfall gegeben, in den sie verstrickt war. Nicht nur die Auseinandersetzung die ihr beobachtet habt.“ Nun lehnte er sich mit dem Rücken an die Reling und ließ seinen Blick über den Anleger schweifen. „Meinen Quellen nach ist sie angegriffen worden, als sie die Stadt verlassen hat. Wohin sie wollte weiß niemand so genau und danach hat man einen Monat lang nichts von ihr gehört oder gesehen.“ „Was soll das bedeuten, sie wurde Angegriffen? Von wem?“ Ich verstand das alles nicht. Warum verschwieg er mir soviel in letzter Zeit? Er wusste genau, dass ich mir Gedanken um sie machte und dennoch gab er solche Informationen nicht an mich weiter. So was nannte sich nun Freund. Liam zuckte mit den Schultern. „Irgendwer, ich weiß es nicht. Aber ist es nicht seltsam? Sie freundet sich mit der Obrigkeit an und wird prompt zur Zielscheibe.“ Ich schnaubte. „Zufall.“ Denn was sollte es sonst sein. „Liam, ihr interpretiert zu viel in die Sache hinein. Ich bezweifle, dass sie in irgend welche Machenschaften verwickelt ist. Sie...“ Ja was? Sie hatte ein Talent in Schwierigkeiten zu geraten. Und sie hatte ein Geheimnis. „Ich suche nach Zusammenhängen, das ist alles.“ Er löste sich von der Reling. „Vielleicht solltet ihr das auch tun.“ „Warum fragt ihr sie nicht? Jetzt wo sie wieder in der Stadt ist könnt ihr sie aufsuchen einfach fragen.“ Auch wenn sie ihm sicherlich nicht antworten würde. Schon auf der Morrigan hatte sie kaum über sich oder ihre Vergangenheit gesprochen. Da würde sie bestimmt nicht über das reden, was sie nun tat. Liam warf mir einen ärgerlichen Blick zu. „Vielleicht werde ich das sogar tun.“ Meinte er das ernst? Ich sah ihm nach, als er von Bord ging und als er nicht mehr zu sehen war, wandte ich mich wieder dem Meer zu. Die Sonne war fast zur Gänze verschwunden und am Horizont zeichneten sich Wolken ab. Selena... Sie war noch immer hier. Dabei hatte sie zurück nach Europa gewollt. Ich konnte nicht verhehlen, dass es mich freute, dass sie noch da war. Dem Brief zufolge war sie vor etwa einer Woche in der Stadt gesehen worden. In Begleitung eines Mannes. Um wen es sich dabei gehandelt hatte stand nicht in dem Brief doch es hieß, dass sie wohl nur einen kurzen Besuch gemacht hatte und gleich wieder gegangen war. Seltsam. Wirklich sehr seltsam. In den folgenden Tagen war es Liam der Wortkarg und schweigsam war. Immer wieder warf er mir grimmige Blicke zu. Ich ließ ihn schmollen und kümmerte mich um meine eigenen Angelegenheiten. Besser gesagt, ich erledigte die Aufgaben, die man mir stellte. Mir war es nur recht, dass mein Freund mich ignorierte. So konnte ich meinen eigenen Gedanken nachhängen und ich kam zu dem Schluss, dass er sich täuschen musste. Das alles hatte nichts zu bedeuten. Soweit ich wusste, wollte sie Menschen helfen. Zumindest hatte Liam mir das erzählt. Es war gut möglich, dass sie sich einfach nur um ein paar Verwundete gekümmert hatte. Als Liam Mitte Oktober an mich herantrat war ich gerade dabei einen Haufen Holz zu spalten. Eine äußerst lästige Aufgabe, doch immer noch besser als sich um die Pferde zu kümmern. Ich konnte Pferde nicht leiden. Genau so wenig wie sie mich mochten. „Wie sieht es aus, Shay. Wollt ihr einen Rekord im Feuerholz machen aufstellen oder stechen wir in See?“ Die Art wie er es sagte machte deutlich, dass er keine Lust hatte, weiter auf mich wütend zu sein. Zu dem liebte er das Meer ebenso wie ich es tat und es gab nichts schöneres als der Natur zu trotzen. Zu dem kannte ich ihn gut genug um zu wissen, dass mehr dahinter steckte als sich einfach nur vor der Arbeit zu drücken. „Nichts lieber als das“, erwiderte ich nur und schlug die Axt in den Block, wo sie stecken blieb. Ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Züge und er klopfte mir auf die Schulter. „Ich ruf die Crew zusammen. Geht und bereitet alles vor damit wir bald auslaufen können.“ Schon ging er davon und ich sah ihm nach. Wohin sollte es überhaupt gehen? Wenn es eine längere Reise sein sollte musste ich mehr Vorräte an Bord bringen lassen. Es dauerte zwei Stunden bis wir bereit zum Aufbruch waren. Liam hatte die Mannschaft wohl schon einen Tag vorher darauf angesprochen und sie waren schnell zur Stelle. Vorräte, Trinkwasser und zu meiner Überraschung auch andere Waren, wurden an Bord gebracht. Als ich Liam danach fragte wurde er wieder ernster. „Nur ein paar Dinge, die nach Glouchester müssen. Wenn wir in Boston halt machen...“ - „Einen Augenblick“, unterbrach ich ihn. „Ich bin der Kapitän. Bevor wir überhaupt los segeln will ich wissen was los ist und wo es hingehen soll.“ Glouchester war nicht all zu weit und ich wolle nicht dort hin. Sicher konnten diese Kisten auch per Kutsche zum Ziel gebracht werden. Was vermutlich sogar schneller ging. Er warf mir einen langen strengen Blick zu, dann seufzte er. „Wir suchen noch immer nach Spuren zu den Artefakten. Hope hat ein paar Männer ausfindig gemacht die etwas wissen könnten. Wir verbinden nur ein paar Dinge miteinander um Zeit und Aufwand zu sparen.“ Warum hatte er das nicht gleich gesagt? Musste er immer so geheimnistuerisch sein? Es war doch viel einfacher, wenn wir offen miteinander sprachen. Ich sagte nichts mehr dazu, ließ die Kisten an Bord bringen und Anker lichten. In Glouchester wartete Louis auf uns. Mir gefiel das ganz und gar nicht. Sicher wusste er was zwischen seiner Schwester und mir passiert war. Zu meinem Glück sprach er es nicht an, half nur stumm die Kisten von Bord auf einen Karren zu laden und meinte dann, in drei Wochen wieder her zu kommen. Für die nächste Lieferung. „Was ist in den Kisten?“ fragte ich Liam als wir weiter Richtung Boston reisten. „Oder geht mich das wiedereinmal nichts an?“ Ein leichtes Schnauben kam von ihm und er schob sich die Kapuze vom Kopf. „Nichts besonderes. Ausrüstung, Kleider und Lebensmittel. Der Stützpunkt hier ist nicht so gut ausgerüstet wie die Siedlung. Sie haben Probleme mit der Ernte und sind auf Hilfe von uns angewiesen.“ Mir wurde peinlich bewusst, dass ich über die anderen Assassinen-Stützpunkte so gut wie gar nichts wusste. Mich hatte es schon gewundert, dass eine Bruderschaft auf Haiti existiert hatte. Vielleicht sollte ich mich damit etwas mehr befassen wenn wir wieder zurück waren. Es konnte nicht schaden zu wissen wo wir überall steckten. Nur für den Fall, dass es einmal Problem gab und ich Hilfe brauchte. Ein paar Meilen von Boston entfernt gerieten wir mit einem britischen Schiff aneinander. Es war ähnlich wie der Angriff Anfang des Jahres. Sie versuchten uns zu rammen, doch dieses Mal war die Morrigan besser ausgestattet und wir konnten ihnen ausweichen. Wir gingen selbst zum Angriff über und nach zwei Salven der Breitseitenkanonen ging das Schiff unter. Ein paar der Soldaten sprangen von Bord, klammerten sich an Kisten oder Fässer und ich hörte ihre Rufe. Sollte ich sie wirklich ertrinken lassen? Immerhin hatten sie uns zuerst attackiert. Es wäre nur richtig sie ihrem Schicksal zu überlassen. Andererseits... „Holt die Segel ein!“ rief ich und drehte am Rad um die Morrigan zu wenden. Auch wenn ich Assassine war, ein paar dieser Männer hatten vielleicht gar nicht gewollt, dass wir angegriffen wurden. Wir konnten sie unten im Frachtraum einsperren und in Boston laufen lassen. In der Zwischenzeit konnten sie darüber nachdenken ob sie wohl auf der richtigen Seite standen oder nicht. „Was habt ihr vor Shay?“ Liam warf mir einem besorgten Blick zu und ich erwiderte: „Sie rausholen. Hier ist kein anderes Schiff in der Nähe und bis Boston ist es nicht mehr weit.“ Ich sah ihm an, dass er protestieren wollte doch mein Blick musste ihm gezeigt haben, dass ich es ernst meinte. Kurz darauf hatten wir drei Männer aus dem Wasser gefischt, ihnen die Waffen abgenommen und ließen sie an Deck bewachen. Auch ein paar der Kisten und Fässer hatten wir geborgen. Nicht all zu viel, doch die Zeiten waren schlecht. Da nahm man was man bekam. Die drei Soldaten waren nicht sonderlich gesprächig, doch ich konnte ihnen ansehen, dass sie dankbar waren, aus dem Meer geholt worden zu sein. In Boston gab ich ihnen die Waffen zurück. „Wir sind immerhin keine Piraten“, sagte ich zu einem der die Waffe zögernd zurück nahm. „Aber ihr solltet euch überlegen wen ihr angreift. Andere hätten euch eurem Schicksal überlassen.“ Es war ein seltsames Gefühl zu sehen wie sie davon gingen. Normalerweise tötete ich Menschen und rettete sie nicht. Machte mich das nun zu einem besseren Mann? Schweigend sah ich ihnen nach bis Liam neben mich trat. „Ihr last sie wirklich gehen.“ - „Warum nicht?“ - „Diese Männer haben versucht euch zu töten.“ - „Sie waren auf einem Schiff, dass versucht hat uns zu versenken. Das bedeutet nicht, dass sie es gewollt haben.“ Ungläubig sah er mich an und schüttelte dann den Kopf. „Lasst uns losgehen. Wir sollten nicht länger als nötig in der Stadt bleiben.“ Er klopfte mir auf die Schulter und ging am Hafen entlang zu einem Lagerhaus, dass ich schon einmal aufgesucht hatte. William saß auf einer Kiste, eine qualmende Pfeife im Mund und starrte aufs Meer. Er wandte den Kopf als er unsere Schritte hörte und stand auf. „Ah, Wurde auch Zeit. Dachte schon ihr würdet mich einen weiteren Tag warten lassen.“ - „Es gab eine kleine Auseinandersetzung auf See. Nichts ernstes.“ - „Verstehe, verstehe.“ Er nickte und nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife. „Nun, ich nehme an, dass ihr wegen der Information hier seid.“ „Was habt ihr in Erfahrung gebracht?“ Liam verschränkte die Arme vor der Brust und Will senkte die Stimme. Sein Blick huschte über den Pier, doch es war niemand in der Nähe. „Dieser Samuel Smith... Ich habe Freunde, die schon für ihn gearbeitet haben. Sie sagen, er ist nach Europa aufgebrochen. Schon vor Monaten. Es heißt, dass er auf der Suche nach Wissenschaftlern sei. Warum, dass weiß niemand so genau.“ Er zuckte mit den Schultern und rieb sich den Nacken. „Wie auch immer. Er ist ein wohlhabender Mann. Einer der gut bezahlt wenn er Arbeit für einen hat.“ Für mich klang das nicht nach einem schlechten Menschen. Doch wenn er ein Templer war, dann war er ein Feind. „Sollte einer eurer Bekannten hören dass er aus Europa zurück ist, dann schickt uns eine Nachricht. Es ist wichtig, dass wir mit ihm sprechen.“ - „Natürlich, natürlich.“ Sein Blick verweilte einen Moment auf mir und er lächelte. „Wie sieht es aus? Helft ihr mir mit ein paar Säcken?“ „Tut mir leid, aber wir haben nicht so viel Zeit.“ Liam hob die Hand und wandte sich um. Will sah ein wenig enttäuscht aus doch sagte er nichts weiter dazu. Zögernd folgte ich Liam, zurück zum Schiff. „Für mich klingt es nicht so, als wäre der Mann eine Bedrohung“, sagte ich leise und Liam wurde langsamer. „Shay, er ist ein Templer. Nur weil er hin und wieder großzügig ist bedeutet es nicht, dass er ein guter Mensch ist. Er verwaltet die Reichtümer des Ordens. Dieses Geld könnte vielen nützen, wenn es in den richtigen Händen wäre. Stattdessen wird damit Unheil gestiftet.“ Nun, da war sicher etwas dran. Das hieß aber nicht, dass Smith unbedingt ausgeschaltet werden musste, wenn er zurück war. Vielleicht konnte man ihn überzeugen, dass er auf der falschen Seite stand. Doch noch war er nicht zurück. Bis es soweit war, sollte ich mir um ihn wohl keine Gedanken machen. Später saß ich am Schreibtisch und machte die Eintragungen ins Logbuch. Noch immer vernachlässigte ich diese Pflicht etwas und blätterte lieber durch die Eintragungen des Vorgängers. Dabei las ich sie in umgekehrter Reihenfolge doch etwas wirklich interessantes hatte ich dabei noch nicht gefunden. Nur ein Eintrag hatte mir ein klein wenig Aufschluss gegeben. Der Eintrag, bevor ich die Morrigan übernommen hatte. Der vorherige Kapitän war sehr Pflichtbewusst gewesen mit seinen Eintragungen. Penibel hatte er alle wichtigen Ereignisse des Tages mit Uhrzeit der Eintragung festgehalten. 9:25 An backbord haben wir französische Schiffe gesichtet. In diesen Gewässern sind sie eher selten anzutreffen. Der Kommandant der Flotte hat mich damit beauftragt herauszufinden was sie planen. 10:10 Eines der Schiffe ist dicht an der Küste entlang gesegelt und es wurden Beiboote zu Wasser gelassen. 10:40 Wir wurden entdeckt und das Schiff hat abgelegt ohne die zuvor an Land gegangenen Männer wieder aufzunehmen. Wir gehen der Sache auf den Grund und werden auf der Insel nach ihnen suchen. 11:20 An einer günstigen Stelle sind wir vor Anker gegangen. An Land haben wir die Reste eines Lagers gefunden und dort ein paar Schmuggler in Gewahrsam genommen. 11:30 Zwei meiner Männer haben eine Frau überrascht, wie sie sich Zutritt zum Lager verschaffen wollte. Bislang haben wir noch keine Informationen aus ihr herausbekommen. Sollte sie zu den Schmugglern gehören Dort brach der Eintrag ab. Es musste der Moment gewesen sein, als wir die Morrigan übernommen hatten. Wenn der Kapitän nicht gelogen hatte, und warum hätte er es tun sollen, dann hatte es Selena auch nicht getan. Sie war wirklich von den Soldaten eingesperrt worden. Mit einem Seufzen klappte ich das Logbuch zu und lehnte mich zurück. Wieso nur musste ich immer wieder an sie denken? War es die Art wie sie versuchte mit der Welt zurecht zu kommen? Ihre Ansichten über das Leben? Oder einfach nur die Tatsache, dass ich wusste, dass sie mich mochte? Diesen Gedanken schob ich bei Seite. Selbst wenn es so war, es war zu riskant sich auf mehr als eine flüchtige Bekanntschaft einzulassen. Ich war Assassine und sie verabscheute das Töten. Sie würde auch mich verabscheuen, wenn sie erfuhr was ich war. Nein, ich sollte sie mir wirklich aus dem Kopf schlagen. Der Wind war von Boston an gegen uns und wir kamen nur sehr langsam voran. Leichter Unmut machte sich bei der Crew breit und ich verstand es. Das Wetter wurde schlechter und es war frustrierend wenn man kaum voran kam. So erreichten wir New York zwei Tage später als geplant. Ich gab der Crew Landgang, damit sie abschalten konnten, ließ drei Mann an Bord, um auf die Morrigan aufzupassen, und machte mich mit Liam gemeinsam auf den Weg zu Hope. Jedes Mal, wenn ich vor diesem Anwesen stand fragte ich mich, wie sie es geschafft hatte sich das leisten zu können. Gefragt hatte ich sie nie und würde es auch nicht tun. Es war ihr Geheimnis und ich respektierte das. Sie öffnete die Tür nicht selbst. Ein junges Dienstmädchen ließ uns ein und wies nur auf eine Tür am Ende der Eingangshalle. Liam war schon oft hier gewesen und man kannte ihn. Ich dagegen... Nun das hier war das erste Mal, dass ich in das Haus selbst hinein ging. Normalerweise hatte ich Hope nur bis zur Tür gebracht oder Liam von hier abgeholt. Daher sah ich mich unauffällig um. Von außen sah das alles hier nach viel Geld aus, doch drinnen fehlte ein wenig der Glanz. Alles war einfacher, schlichter gehalten. Keine Bilder an den Wänden, kein Teppich auf der Treppe die nach oben führte und ein paar der Fliesen auf dem Boden hatten Risse. Doch es war alles tadellos sauber. Das Zimmer, welches ich nach Liam betrat, war ein Salon mit hohen Fenstern und einer leicht abblätternden Seidentapete. Die Möbel die hier standen wirkten vernachlässigt. Noch bevor ich mich darüber wundern konnte steuerte Liam schon auf eine weitere Tür zu, klopfte an und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Dieser Raum unterschied sich deutlich von dem davor. Er wurde von einem großen Schreibtisch beherrscht mit einem rot gepolsterten Stuhl dahinter. Hohe Regale voller Bücher und Papiere bedeckten die Wände. Im Kamin brannte ein Feuer und spendete Licht und Wärme. An einer Wand war eine Landkarte befestigt, mit kleinen Nadeln darauf. Vor der Karte stand Hope und wandte sich zu uns um, als wir eintraten. Kurz zuckte ein Lächeln über ihre Lippen als sich unsere Blicke trafen, doch gleich wurde sie wieder ernst. „Ihr seid spät.“ Ja ich freute mich auch sie zu sehen. „Das Wetter hat uns einen Strich durch die Planung gemacht. Der Rückweg dürfte leichter sein.“ Liam öffnete seinen Mantel, zog ihn jedoch nicht aus. Hier drin war es wärmer als draußen. Für meinen Geschmack sogar etwas zu warm. Frauen mochten es nun einmal etwas wärmer. Sie bot uns Stühle an, die um einen kleineren Tisch standen und ging zum Schreibtisch hinüber. Während wir uns setzten suchte sie dort nach etwas. Mein Blick wanderte zu der Karte an der Wand zurück. Ich erkannte die Küstenlinie an der sich die Kolonien befanden. New York und viele weitere Orte waren beschriftet, doch die Nadeln befanden sich nicht immer unbedingt in den Städten. Bei Boston steckte eine Nadel außerhalb der Stadt und in New York befand sich ebenfalls eine. Sie war jedoch nicht dort wo wir uns gerade befanden. Als Hope sich wieder zu uns umdrehte wandte ich mich rasch den Bücherregalen zu und tat, als würden diese mich interessieren. Dabei hatte ich überhaupt kein Interesse an Büchern. „Kaum vorstellbar, dass ich sie alle gelesen habe, oder?“ Ich spürte, wie ich bei diesen Worten leicht rot wurde. Es war wirklich kaum vorstellbar, dass Hope sie alle gelesen hatte, doch woher wusste sie, was in meinem Kopf vor sich ging? „Sicher waren einige davon interessant.“ Etwas besseres fiel mir einfach nicht ein. Als ich sie ansah wusste ich, dass sie meinen erbärmlichen Versuch etwas interessantes zu sagen lächerlich fand. Schon wandte sie sich Liam zu. „Hier. Die Karte die ihr haben wolltet.“ Er nahm das Blatt entgegen und sah es sich an. Dabei hielt er es so, dass ich nicht sehen konnte worum es ging. Also verbarg er noch immer etwas vor mir. „Gut. Das wird die Angelegenheit leichter machen.“ Er faltete das Blatt zusammen und steckte es ein. „Habt ihr noch etwas über das Mädchen in Erfahrung bringen können?“ Bei diesen Worten verfinsterte sich ihre Miene. „Soweit ich weiß hat sie New York schon vor Wochen verlassen. Einer meiner Spione hat versucht ihr zu folgen, doch hat er kurz außerhalb der Stadt ihre Spur verloren. Es könnte erneut Wochen dauern bis sie wieder zurück kommt.“ Mir war augenblicklich klar von wem die Rede war, schwieg angesichts der angespannten Stimmung. Dann hatte Liam Hope damit beauftragt nach ihr zu suchen. Ich verstand nicht warum er ein solches Interesse an ihr hatte. Damals wollte er sie so schnell wie möglich wieder loswerden und jetzt... Warum nur wurde ich das Gefühl nicht los, dass er mir etwas wichtiges verheimlichte? „Dann hat sie hier keine Unterkunft?“ - „Die hat sie.“ Es war deutlich zu hören, das Hope dieses Thema nicht mochte. „Man hat sie bei einem Ehepaar untergebracht, nahe am Hafen.“ - „Untergebracht? Was soll das heißen?“ Sie seufzte und ließ sich auf dem letzten freien Stuhl nieder. „Damit meine ich, dass sie dort auf Anweisung hingebracht wurde. Aber es ist sehr schwer etwas über sie in Erfahrung zu bringen.“ So wie sie es sagte und wie ihre Miene sich verhärtete, hatte sie auch nicht wirkliches Interesse daran etwas über sie in Erfahrung zu bringen. Liam legte die Stirn in Falten und rieb sich das Kinn. Eine Weile schwieg er und dachte angestrengt nach. „Vielleicht ist es auch unnötig sich deswegen Gedanken zu machen. Es gibt wichtigeres. Smith ist nach Europa aufgebrochen.“ „Mit der Schatulle, ich weiß.“ Augenblicklich war sie wieder besser gelaunt. „Für die Dauer seiner Abwesenheit hat sein ältester Sohn die Geschäfte übernommen. Er agiert von Boston aus. Ich habe einen Spion in seinem Haushalt untergebracht. Sobald er zurück ist, werde ich davon erfahren.“ Ich tauschte einen Blick mit Liam. Schon wieder Boston. „Hat dort nur sein Sohn seinen Sitz oder auch Samuel selbst?“ fragte ich und ihre Augen wurden etwas schmaler. Fast kam es mir so vor als gefiele es ihr nicht, dass ich mich in dieses Gespräch einmischte. „Nur sein Sohn. Einer seiner Söhne.“ Sie machte eine Pause und wandte sich wieder an Liam. „Was das Manuskript angeht... Es sieht danach aus, dass dieser Wardrop es noch immer besitzt doch ich konnte noch nicht in Erfahrung bringen wo er es aufbewahrt. Ein Attentat auf ihn ist derzeit nicht ratsam.“ Das sah ich genau so, doch mich fragte man natürlich nicht. Ich war insgesamt der Meinung, dass es nicht ratsam war einen von ihnen zu eliminieren. Auch ich hatte mich ein wenig umgehört, auch wenn ich natürlich nicht die Möglichkeiten und den Einfluss hatte wie die anderen. Doch ich hatte gehört, dass seit dem Tod von Lawrence Washington die Templer vorsichtiger geworden waren. Sollte nun noch einer von ihnen sterben konnte es gut sein, dass sie sich in ihren Löchern verkrochen und wir diese Artefakte nie in die Finger bekamen. Als wir zur Morrigan zurückkehrten war meine Laune recht weit gesunken. Schweigend ging ich neben Liam, dem meine Stimmung zwar auffiel, dazu jedoch nichts sagte. Noch bevor wir den Hafen erreichten blieb ich stehen. „Warum stellt ihr so viele Nachforschungen an? Ich dachte, ihr wärt froh gewesen als Selena das Schiff verlassen hat. Ich verstehe nicht, warum ihr euch noch für sie interessiert.“ Auch Liam blieb stehen, sah mich jedoch nicht an. „Ich tue das für euch, Shay. Auch wenn ihr es vielleicht nicht versteht.“ Das verschlug mir die Sprache. „Für... für mich?“ Langsam hob er den Blick. „Ich sehe euch doch an, dass ihr immer noch an sie denkt. Wir wissen so gut wie nichts über sie. Daher versuche ich in Erfahrung zu bringen was sie hier tut.“ Was sie tut, wo sie sich aufhält und mit wem sie Kontakt hat. Das klang für mich nach mehr als nur einem Freundschaftsdienst. „Und warum habt ihr mir das verschwiegen? Wolltet ihr damit warten bis ihr etwas erfahren habt das sie in ein schlechtes Licht rückt?“ Denn das was er mir über seine Nachforschungen gesagt hatte deutete an, dass sie sich mit den Briten und möglicherweise sogar mit den Templern verbündet hatte. „Um eben so eine Auseinandersetzung zu vermeiden.“ Wieder senkte er den Blick. „Ich bin nicht voreingenommen, was sie angeht. Der Weg, den sie eingeschlagen hat, ist gefährlich. Ebenso ihre Ansichten.“ Er machte den Eindruck noch etwas sagen zu wollen, ging dann aber weiter und ich folgte ihm. „Ihr habt mit ihr gesprochen, oder? Irgendwann während der Fahrt habt ihr unter vier Augen miteinander geredet.“ Wie sonst konnte er solche Dinge wissen. Liam nickte und fuhr sich über die Stoppeln, die seinen Kopf bedeckten. „Wir hatten die Gelegenheit uns zu unterhalten, während ihr geschlafen habt. Noch in der ersten Nacht. Für sie ist jedes Leben wichtig, egal um wen es sich handelt und was er getan haben könnte. Zumindest hat sie das gesagt.“ „Nur das?“ hakte ich nach, denn ich sah ihm an, dass da noch mehr war. „Nein, doch ich habe ihr versprochen es für mich zu behalten.“ Ein Lächeln huschte über seine Lippen und er warf mir einen kurzen Seitenblick zu. „Ich werde mich daran halten. Vielleicht erzählt sie es euch eines Tages selbst.“ Mir blieb wohl nichts anderes übrig als das zu hoffen. Dazu musste ich sie zuallererst wiederfinden und hier in New York war sie nicht mehr. Vielleicht hatte sie sich nun doch auf den Heimweg gemacht. Liams Worte machten mir jedoch ein wenig Hoffnung. Es war möglich, dass sie mich nicht für meine Taten verurteilte, sollte sie davon erfahren. Vor allem dann nicht, wenn ich ihr erklären konnte warum ich es getan hatte. Auf der Rückreise machten wir, wie abgemacht, noch einmal in Glouchester halt. In New York hatten wir noch einmal Vorräte an Bord genommen und diese luden wir gerade ab, als sich Louis der Morrigan näherte. Dieses Mal war er jedoch nicht allein. Zwei Männer waren bei ihm. Einer trug eine ganz ähnliche Kutte wie Achilles. Ich schätzte ihn auf um die 40. Das Haar war dunkel und kurz und er hatte eine üble Narbe im Gesicht. Für mich war klar, dass es sich bei diesem Mann um einen Assassinen handelte und so wie er auf uns zu kam hatte er mehr zu sagen als die anderen. Der zweite Mann wirkte jünger, trotz der weißen Haare die das dunkle blond schon fast zur Gänze verrieben hatten. Seine Kleider waren geflickt und staubig und nicht wirklich für diese Jahreszeit ausgelegt. Er beachtete uns nicht wirklich, sah sich nur ein wenig um und hielt sich im Hintergrund. Der Assassine stellte sich als Isaac Barnes vor. Einen Namen, den ich schon einmal gehört hatte. Er wies auf den anderen der aufsah als sein Name fiel. „Das hier ist Remus.“ Dieser nickte, sagte aber nichts. Isaac wies nun auf Liam und mich und stellte uns vor. Als Remus meinen Namen hörte verfinsterte sich seine Miene derart, das es mir vorkam, als würde er mir gleich an die Gurgel gehen. Dabei hatte ich ihn noch nie gesehen, geschweige denn von ihm gehört. „Stimmt etwas nicht?“ fragte da ich mir diese Reaktion nicht erklären konnte. „Nichts wichtiges“, wich er aus und versuchte seine Züge zu glätten, doch es gelang ihm nicht wirklich. Ich fragte mich woher diese Abneigung mir gegenüber wohl kam. So lauschte ich dem Gespräch zwischen Liam und Isaac nur mit halben Ohr. Louis war schon weiter gegangen und half beim beladen des Karren, mit dem sie die neuerlichen Vorräte fortbringen wollten. „Wie lange seid ihr schon in den Kolonien?“ fragte Liam und ich sah auf. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und da er, so wie ich auch, seine Kapuze aufgesetzt hatte, konnte ich sein Gesicht nicht wirklich sehen. „Seit etwas mehr als einem Monat“, erwiderte Remus nach kurzem zögern. Mir fiel sein Akzent auf. Er kam mir bekannt vor auch wenn ich ihn nicht einordnen konnte. „Isaac meint, ihr wärt aus Europa her gekommen. Wieso?“ Europa... Natürlich. Remus hatte den selben etwas breiten Akzent wie ihn auch Selena hatte. Nun verschränkte Remus die Arme vor der Brust. „Das ist privat.“ Es war beinahe zu spüren wie Liam sich bei diesen Worten leicht anspannte. Auch in seiner Stimme lag ein gewisser Unterton, den ich nur zu gut von ihm kannte. Den schlug er immer dann an, wenn er sich über etwas ärgerte. „Wie auch immer, wir könnten fähige Kämpfer brauchen. Wenn ihr euch dazu in der Lage fühlt.“ - „Mit etwas Training sicher. Aber erst wenn wieder alles verheilt ist.“ Remus legte sich eine Hand an die Seite und ich erkannte, dass dort mehr schlecht als recht Blut ausgewaschen worden war. Nach kurzem schweigen, in dem Liam ihn musterte, wandte er sich an mich. „Wir sollten aufbrechen. Je eher wir zurück sind um so besser ist es.“ Noch einmal sah er zu Isaac, „Solltet ihr in nächster Zeit noch Unterstützung benötigen, dann sendet eine Nachricht. Bis dahin alles Gute.“ Wir machten uns auf den Weg zurück zum Schiff und ich warf einen letzten Blick über die Schulter zu diesem Remus. Ein sonderbarer Zeitgenosse. „Was haltet ihr von ihm?“ fragte Liam als wir außer Hörweite waren. „Von Remus? Nicht viel.“ gab ich zu. „Er sah so aus als hätte ich ihm irgend etwas getan.“ Mich ließ der Gedanke nicht los dass es sich genau so verhielt. Ich hatte nur keine Ahnung was es sein konnte. „Das Gefühl hatte ich auch.“ bestätigte er, „Ihr habt ihn noch nie gesehen, oder?“ - „Nicht das ich wüsste. Aber ich erinnere mich nicht an jeden, den ich irgendwann einmal getroffen habe.“ - „Mit etwas Glück hat er euch nur mit jemand anderem verwechselt.“ Darauf lächelte ich. „Ich mache mir mein Glück, Liam.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)