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Sexualisierung in Fanworks Humor

Autor:  halfJack

I don't care, I ship it!

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Datum: 10.09.2015 17:35
In Fanszene in einer Nussschale. Wenn es wenigstens nur Anime wäre, aber nein... realserien, Buchcharaktere(verschiedene Universen, andere Autoren i don't even give a fuck) und in allen erdenklichen Spielarten der Sexualisierung.
Da wird mit erhobenen Zeigefinger auf irgendwelche Medien (wie etwas Computerspiele allgemein) gezeigt, wie Sexistisch sie doch wären, aber was in anderen Bereichen und Köpfen abgeht, das interessiert dann niemanden.
Am besten finde ich, wenn der Fetisch ins groteske geht und irgendwelche Charaktere andere Charaktere aufessen, entweder durch stilisierten Vore oder gleich mit präziser Anatomie und Kochrezept für Psychophaten(Nichts gegen Kannibalismus aus Liebe : D )... Hatte ich dir von den Kurzcomic erzählt, in dem ein riesengroßes Fettes Weib (natürlich mit drei Penisen) zwei anderen ebenfalls bepeniste Frauen mit ihren Brüsten aufsaugte und dann in der Innensicht gezeigt wurde, wie sie langsam verdaut wurden? Da dachte ich auch nur: Fass Freud! Deute! Deute!

Vieles ist ja auch echt lustig, aber wenn die sich so tierisch ernst nehen und knall hart argummentieren, wo und in welcher Szene angeblich das Parring voll derbe und unleugbar(Neologismus?) vorgezeichnet wurde, denke ich mir immmer... nun. Ähmm. Keckse?
Der Charakter ist A-sexuell? Scheiß egal! Heterosexualität? Eine Lüge! Impotenz? Für den Uke eh unwichtig!
Und das einzige was mich wirklich stört - man hat ja die Macht einfach wegzusehen und Dinge zu ignorieren - ist die Respektlosigkeit die damit einhergeht. Einerseits behaupten diverse Induiduen, sie würden die Serie und die Charaktere lieben, andererseits schreiben sie die Serie und die Charaktere so sehr um, das es nichts mehr mit dem Original zu tun hat. Ist das Arroganz oder vollkommene emotionale und soziale Inkompetenz?
Eine Bekannte, die früher (?) zu solchen sehr freizügigen neu Interpretationen neigte, hat es auch tatsächlich geschaft in einem Spiel mehr als ein Dutzend potentiell Schwule Charaktere zu imaginieren, aber das einzige Pärrchen, das wirklich Schwull war, völlig zu ignorieren. Na schönen dank auch^^
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Datum: 14.09.2015 15:06
Wow, die Wege des ersten Absatzes deiner Antwort sind tief und Verschlungen. Okay, der Subtext Pädophilie ist nicht zu übersehen. Da ich durch die Masterarbeit aber doch immer wieder auf das Thema zurückkomme, muss ich sagen, dass ich es langsam leid bin, wie in der Gesselschaft damit umgegangen wird. Wenn jemand zum Sexualstraftäter wird, ist er in keiner Gesselschaft die auf Würde und Gleichheit setzt tragbar. Das gilt auch für Personen die Kinder missbrauchen, in dem sie mit ihnen Pornografisches Material herstellen. Der Rest ist ziemlich unhaltbar. Die Gedanken und vor allem auch die Gelüste sind frei. Man darf sich alles vorstellen und Künstlerisches alles produzieren, vom Pornografischen Material zum Vergewaltiger zu werden, ist als Sprung ebenso absurd wie vom Action-spiele Spieler zum Amokläufer. Ein scheinbar naher Link, völlig falsch und tief in den Köpfen verwurzelt. Selbst wenn jemand Pädophile Gelüste hat, heißt es nicht das er sie auslebt. Das zu behaupten ist schon gefährlich. Der nächste Schritt ist, denjenigen Aufzuhalten der nichts getan hat und in den meisten Fällen nichts tun wird und im nächsten Schritt denjenigen zu verurteilen, von den man etwas vermutet. Und dann haben wir russische Verhältnisse, in dennen ungebildetet, zum Hass erzogene Menschen mit dem Segen des Staatsaperates Pädophile, Homosexuelle (die scheinbar per se für Pädophile gehalten werden) und andere Minderheiten Erbarmungslos zu jagen.
Es ist immer die Frage der Grenzen, die jeder nicht geistig zurückgebliebende Mensch problemlos ziehen kann. Gewalt im Film legitimiert keine Gewalt in meiner Altagswelt. Selbst wenn ich in ein Koluseum, als antiker Römer der ich nun mal bin, gehe und die Gewalt nicht einmal mehr die Schranke des Mediums überschreiten muss, ist mir doch klar, das ich das Zuhause so nicht erleben werde. Selbst wenn – um mal etwas krasser zu werden – mir der Sinn danach steht, nach Thailand zu fahren um da Jungs in Mädchenkleidern zu vögeln und zu verletzten und bla bla bla, weiß ich dass ich zuhause in Deutschland Grenzen habe, die enger geschnürt sind und die auch nicht überschritten werden dürfen. Der Mensch hat eine unheimliche Kraft zu differenzieren. Und die ist viel Nuancierter als nur Fantasie Wirklichkeit. Auch in der Fanatsie kann man sich Grenzen setzen und bestimmte Bereiche ausklammern, ebenso in der Lebenswirklichkeit. Desensibilisiert 50 Shades of Gray die Massen? Nö. Ganz im Gegenteil, das Thema wird dadurch stärker beleuchtet, neue Interessierte kommen in den Kontakt damit und lernen schnell was für ein Blödsinn das Buch ist(Dabei sind tatsächlich gefährliche Fehlinformationen in dem Buch gegeben, zum Beispiel wird vom männlichen Part einfach das Safe-Wort ignoriert. Damit macht er sich sofort zum Exualstraftäter. Es gibt aber genug Leute, die darauf hinweisen und diesen Fehler richtig stellen). Dann ist die Frage, dabei bleiben oder nach Hause gehen, wenn die Mode sich verliert.
Allgemein gibt es einen gewissen Hang zum Verbot von Dingen, die man in seiner eigenen Lebenswirklichkeit für Gefährlich hält. Wenn man sich als Erwachsener nicht einmal entfernt ausdenken kann, was kleine Mädchen da auf Yaoi.de für Gewaltpornos schieben, wird man das wohl als gefährlich einstufen. Finde ich recht naheliegend. Abgesehen von ein paar psyschich Kranken, die darauf hängen bleiben, statt ihr bedürfnis nach Gewalt daran abzubauen, sehe ich da gar kein Problem. (Kennst du eigentlich „das Heilige und die Gewalt“ (Ein Titel nicht zwei) von Girad?)
Exkurs zum Exkurs ende.

„in den meisten (Ausnahmen bestätigen die Regel) Fällen finde ich es nicht passend, wenn Charaktere sogar aus völlig verschiedenen Welten/Universen plötzlich zusammengeworfen werden. „

Es gibt einige sehr interessante. Alan Moore hat in Lost Girls die gealterten Mädels aus Oz, Wunderland und Nimmerland aufeinander stoßen lassen und das sogar in einer ungeöhnlich pornografischen Art und Weise. Das gute an dem Beispiel: Es ist ein Buch, was man sich kaufen muss und womit man nicht im Internet bildtechnisch bombardiert wird. Darauf komme ich später noch einmal zurück. Das interessante bei diesem erotischen Intermezzo ist, er hat das alter die sozialisierung und teils auch Traumatisierung der Charaktere berücksichtigt und das ganze in die Zeit kurz vor dem ersten Weltkrieg, mit allen sozialen und Geselschaftlichen Problemen. Man muss das nicht gut finden, man wird aber nicht umherkommen zuzugeben, das es eine in sich geschlossene und lückenfrei Schlüssige Interpretation ist. Soetwas ist ja heute nicht mehr ganz selten, wird aber eher mit noch undifinierteren Charakteren gemacht, wie etwa Märchenfiguren, die man Charakterlich gar nicht verhunzen kann, weil es keinen Charakter gibt, der die Figur in irgendeiner Weise definiert.

„Was ich nur anstrengend finde, ist das Beharren auf der eigenen Meinung, was leider auch bei einigen Shipping-Fans deutlich wird. Ich finde es deshalb unnötig, weil man irgendwie jedes Pairing erklären kann, wenn man will.“

Ja ; _ ; zum ersten Satz. Nein, zum zweiten. Um etwas zu sticheln, selbst bei L wird das Problematisch, weil ihn durch seine psychoalisierung a-sexualität und a-romantik (keine romantische Liebe) dermaßen auf den Leib geschrieben steht, das es einfach nur ein absolutes nein ergibt. Man es es disskutieren, aber man kann zu keinem schlüssigen Ergebnis kommen, wenn es weder zur Figur noch in den Kosmus passt. Die immer groß geschriebene Sexualisierung (was habt ihr Frauen eigentlich damit?) dringt doch meistens in Kosmen ein, wo Sexualität nur zart geschrieben wird oder gar nicht existiert. Und ein Werk einfach nur in Pornografie umzuschreiben, kann Kunst sein, ist es aber in den meisten Fällen nicht.

Ich bin übrigens auch der Meinung das ein Werk durch das definiert ist, was sich in ihm befindet und nicht was mal geplant wurde. Das ist schwachsinn und führt nirgendwo hin, wenn man das Werk interpretieren will. Für kulturwissenschaftliche Analysen würde sich der Wegfall der Homosexualität natürlich wessentlich stärker anbieten.

„Zur Frage des Respekts:
Da führst du ja ein starkes Wort ein. Ich empfinde Respekt vor Menschen, real existierenden Menschen, und halte es für respektlos oder zumindest unangenehm, ein Fanart meinetwegen zu den Schauspielern von Harry und Draco aus Harry Potter anzufertigen.“

...Was in der Regel allerdings getan wird. Sowohl in den Fanarts als auch in den Covern der Fanfiktions wird sehr schnell deutlich, das zumeist die Bildvorlage, also die Schauspieler als Figuren der Fantasie missbraucht werden. Und so stark auch die lokale und situative Differenzierungskraft des Menschen sein kann, noch schwach ist doch der Wille der meisten zwischen Schauspielern und Rolle zu differenzieren. Der Schauspieler des König Jofreys aus Game of Thrones hat Kiloweise Morddrohnungen bekommen^^ da denkt man sich dann auch... boah.


„Fern von aller Sexualisierung könnte man Fanfictionautoren auch den Respekt vor der Serie absprechen, wenn sie irgendwelchen haarsträubenden Unsinn verfassen.“

Das geht meistens einher und war von mir auch eher als einklammerbar und nicht zum ausklammern gedacht.


„“Bei L ist dieser Kontrast am krassesten in dem Buch "L Change the World". Respektlos war letzteres nicht, ist ja auch noch Canon, aber es entsprach meiner Meinung nach nicht dem Bild, das Ohba von ihm vermittelt hat.  „“

Ich bin ganz glücklich mit der herangehensweise, die ich für die Figuren durch die Arbeit am Mythos gelernt habe. Geschichten und Figuren sind strukturen die sehr stark anders durch Inhalt bebildert werden können. Wenn aber die Struktur der Figur nicht mehr passt (z.B. typischer Trickster, viel gutes tun, viel schlechtes tun) dann kann man Canon hin und her interpretieren, dann funktioniert es einfach nicht mehr. Mein Lieblingsbeispiel ist der Jocker aus Batman. Es gibt beinah so viele Interpretationen wie es Autoren gibt, die sich mit dem Thema beschäftigen. Einige Jocker wirken sehr gut, andere eher schlecht, manche funktionieren aber einfach überhaupt nicht, weil teils einfach nur ein Krimineller gezeigt wird, den der gewisse – aber sehr sehr weit gefäscherte – (Wahn)witz fehlt.

Noch einmal zum: Man muss es ja nicht lesen.
Bilder sind hier vielleicht das bessere Beispiel. Ein Bild was du in unter einer Sekunde erfassen kannst, kannst du dann nicht mehr ungesehen machen. Ich persönlich bin da relativ resistent, aber es gibt ja genug Menschen, denen es ihre Jugend verdribt, weil sie die Filme nicht mehr sehen können. Das Internet spuckt dir Bilder ins Gesicht. Und viele sind auch nicht nur in den hinterletzten Ecken zu sehen. Man kann sich selten aussuchen, was man sehen will und was nicht und da geht die Respektlosigkeit nämlich in die nächste Runde: Die Respektlosigkeit vor anderen Fans, deren Interpretation einen vielleicht die Serie verdirbt. Nach den 80ten Bild von Eren Jäger, wie er seinen Komandanten fickt, könnte beim naiven Beobachter beispielsweise auch der Verdacht keimen, das es sich bei Attack on Titan vielleicht um eine Yaoi Serie handelt und nicht um das – was auch immer es ist, dabei aber angenehm unsexuelle wasauchimmer.

„Edit:
Damit hätte ich eigentlich gleich wieder einen neuen Blog schreiben können.“

Hattest du auch schon im Text erwähnt. Immer diese Redundanz... schrecklich. Sinnvoller wäre es natürlich gewesen etwas zu dem Video zu sagen und es nicht einfach nur so stehen zu lassen.
Im übrigen kannst du das auch trotzdem noch machen, wenn deinen Sendebewusstsein ein Gespräch mit mir nicht reicht^^
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Datum: 04.02.2018 17:48
Da bin ich in der Tat abgeschweift. Eigentlich wollte ich nur ausdrücken, dass die Wege der Fantasie zu jedwedem Werk verschlungen sind, ob man dazu etwas in Form von Fanfictions zu Papier bringt oder nicht. Der Rest hat tatsächlich nichts mehr mit dem eigentlichen Thema zu tun, auch wenn es eine interessante Diskussion ist. Wir scheinen dahingehend ohnehin einer Meinung zu sein.

Exkurs zum Exkurs: 50 Shades

Allerdings war die Desensibilisierung bei 50 Shades nicht in erster Linie auf Sadomasochismus bezogen. Dennoch, obwohl es diese Richtigstellung zum Buch von vielen Seiten gibt, erlebe ich es nach wie vor (auf Arbeit, in der Familie, in den Medien), dass eine Gleichstellung der Inhalte von 50 Shades mit der tatsächlichen Auslebung sadomasochistischer Praktiken stattfindet. Ich glaube trotzdem, dass du Recht hast und 50 Shades eher zur Aufklärung beigetragen haben könnte, als Falschannahmen zu verbreiten. Immerhin haben sich viele, die mit dem Thema vorher nicht in Berührung kamen, auch so schon ein vorurteilsvolles, womöglich falsches Bild von solchen Sexualpraktiken gemacht. 50 Shades könnte diese Spielarten vom Stigma befreit und gesellschaftsfähiger gemacht haben.

Mein Hinweis spielte jedoch vielmehr auf die Bagatellisierung/Normalisierung an, wenn Mädchen Geschichten schreiben, in denen der eine Part unterdrückt und kontrolliert, wahlweise vergewaltigt wird. Bei yaoi.de (zum damaligen Thema Rape als Modeerscheinung) lautete eine der Kritiken vom Jugendschutz, dass Mädchen sich falsche Vorstellungen von einer Beziehung machen würden, wenn sie so etwas lesen. Zwar ist es eine große, aber doch noch immer eine Subkultur, in welcher Fanfictions mit solchen Inhalten geschrieben werden. Löscht man diese aus einem derartigen Grund, müsste man in letzter Konsequenz auch jene Bücher oder Manga verbieten, in denen Beziehungen ganz genauso dargestellt werden. (Im Mangabereich werden manche Bände zumindest auf den Index gesetzt, das stimmt, aber sonderlich konsequent ist man dabei nicht. Warum sonst ist "Finder" auf dem Index, "Totally Captivated" hingegen nicht?) Wie viel "gefährlicher" wäre, diesem Vorwurf bzw. der Kritik zufolge, dann ein Buch wie "50 Shades", das massenhafte Verbreitung erfahren hat und worin es letztlich auch als völlig normal hingestellt wird, dass ein Lover seine kleine Tollpatsch-Fickliese in jeder erdenklichen Weise kontrolliert, verfolgt und bevormundet? Eigentlich könnte sie ihn als Stalker anzeigen und das hat dann absolut nichts mehr mit SM zu tun. Sein Verhalten ist nicht nur krankhaft, sondern strafbar.
Mich würden nach wie vor die psychologischen Mechanismen dahinter interessieren, die für Konsumenten (Mädchen, Frauen, aber Männer gehören auch dazu) Beziehungsmodelle mit solchen Tendenzen zu sexueller Unterdrückung, Missbrauch, Kontrolle, mitunter sogar Vergewaltigung oder Gewalt an sich derart interessant oder anziehend machen, vor allem aus Perspektive des Opfers.


Exkurs zum Exkurs des Exkurses: Das Heilige und die Gewalt

Damit wären wir auch schon bei René Girard. Ich habe "Violence and the Sacred" von ihm auf Englisch gelesen. Es gibt ein paar interessante Aspekte darin. Ich komme gerade darauf, weil Girard ebenfalls die Koinzidenz von Sexualität und Gewalt anschneidet. Leider nur anschneidet, ich hätte mir gewünscht, dass er darauf noch etwas genauer eingeht. Auch die Thematik über Monster („the monstrous double“) und Masken hatte spannende Ansätze, dazu hätte ich gern mehr gelesen. Grundsätzlich fehlte mir ein bisschen der rote Faden oder ein Muster; er hat zwar eine Hauptthese, will diese aber mit zu vielen verschiedenen Bereichen untermauern, ohne die einzelnen Gebiete richtig auszuarbeiten und sich zudem für eine Bearbeitungsmethode zu entscheiden. Psychologisch oder soziokulturell kann er seine Gewalt- und Sündenbocktheorie meines Erachtens nicht gleichzeitig anhand von Freud, griechischen Tragödien und Stammesritualen (die zufälligerweise genau passend ausgewählt wurden) behandeln und das alles, als würde er lediglich Literatur analysieren. Psychologische oder soziologische Arbeit funktioniert anders, philosophisch oder historisch ist es ebenfalls nicht. Da er schon eher literarisch/literaturkritisch seine Thesen aufbaut, wären Utopien wie Orwells „1984“ perfekt geeignet gewesen, das wiederum hat er leider nur mal nebenbei erwähnt.
Ich persönlich stoße mich bei Autoren, die theologisch argumentieren, an solchen Festlegungen, dass es weder gut sei, wenn eine Gesellschaft völlig von Religion bestimmt sei, noch, wenn sie überhaupt nicht davon bestimmt sei, oder dass ein Staat ohne Religion nicht existieren oder funktionieren würde. Derartige Sätze musste ich zweimal lesen und habe mich gefragt, ob Girard die ernsthaft so meint oder ich es einfach nur falsch verstehe. Zudem macht er Aussagen über das Heilige in Bezug auf die Menschheit im Allgemeinen, geht hierbei aber fast ausschließlich auf christliche oder angelehnte Religionen ein. Umfassend kann man das sicher nicht nennen, außerdem führt es dazu, dass er zumeist von Patriarchaten ausgeht, obwohl er matriarchalische Strukturen durchaus erwähnt, doch wieder nur am Rande. Ändert natürlich nichts daran, dass ein paar der Thesen sehr spannend bleiben.

Die Beispiele zu Opferritualen haben mich an die Ainu erinnert. Als wir das vorvorletzte Mal in Japan waren, haben wir uns viele Orte angeschaut, die einerseits mit archäologischen Funden der Jomon-Kultur in Verbindung standen sowie mit den Ainu, den japanischen Ureinwohnern, die eine ähnliche Naturreligion vertreten wie die Indianer. Deren Nachfahren halten heute eine eher halbgare Variante der alten Riten aufrecht. Glücklicherweise. Denn eines ihrer Hauptfeste basiert ebenfalls auf der Sakralisierung eines Tieropfers. Keine schöne Sache. Eine Bärenmutter wurde beim Winterschlaf in ihrer Höhle eingeschlossen und von außen mit Speeren getötet, dann wurde ihr Junges ins Dorf gebracht und dort ein Jahr lang gehalten, gefüttert, geehrt. Nach diesem Jahr wurde das Junge bei einem traditionellen Fest zu seiner Mutter „geschickt“. Wie das ablief, kann man sich vorstellen. Heute wird das zum Glück nur noch metaphorisch mit Stellvertretern gemacht. Hindert die Leute aber nicht daran, sich trotzdem Bären in engen Käfigen auf eine Art und Weise zu halten, die bei uns in Deutschland verboten wäre. Japan ist beim Tierschutz eben noch nicht, ähm, besonders weit. Allein die Tierhandlungen dort finde ich grausig.

Inwiefern Sündenböcke zur Stabilisierung der Gemeinschaft verwendet werden, ist jedenfalls ein spannender Ansatz.


Zurück zum Thema.
Bei Crossover denke ich nicht an die gut durchdachte Einbeziehung von Geschichten, deren Inhalt man in einer neuen Interpretation unter einen Hut bringen kann. Dein Beispiel zu Oz, Nimmerland und Wunderland klingt beispielsweise interessant. Mir schwebte allerdings eher das vor, was in dem Video aufgegriffen wurde. Ich meine mich an die beiden Schießwütigen aus Cowboy Bebop und Trigun zu erinnern. Wenn Charaktere vor allem aufgrund ihrer Ähnlichkeit zusammengeworfen werden und keinerlei sinnvoller Zusammenhang zwischen ihren Universen hergestellt wird, dann entspricht das leider der Masse an Crossover oder Crack Pairings. Was Sailor Moon mit Son Goku will, verstehe ich ebenso wenig. Es gibt selbstredend ein paar amüsante oder gut durchdachte Ausnahmen. Trotzdem kann man aus Spaß an der Freude schreiben, was man will. Das ist schließlich auch das Schöne an Fanfictions, dass man fast alles ins Netz rotzen kann.

Zur Sexualisierung:
Wie ist deine Aussage gemeint, „was Frauen eigentlich damit hätten“? Wenn du meinst, was ich weniger vermute, dass Frauen häufig Serien „sexualisieren“, sei es durch Boys Love oder durch weibliche OCs/Self-Insert, dann würde ich behaupten, dass Männer sich davon nicht weniger freisprechen können, wenngleich es dort andere Formen annimmt. Vielleicht gibt es statistische Erhebung, ob Frauen oder Männer mehr pornografisches Material produzieren/konsumieren, aber allgemein finde ich das Geschlecht hierfür reichlich egal. Sexuell aufgeladen wird überall, mal mehr, mal weniger.
Wenn du hingegen meinst, Sexualisierung wäre eine Kritik, die häufiger von Frauen geübt wird, finde ich das ebenso fragwürdig.

Zu den letztgenannten Kritikpunkten, da zeigt sich nur eines: Sex sells.
Es spielt offenbar in der Gedankenwelt von den meisten eine sehr große Rolle, sodass sie vieles in der Richtung fabrizieren. Vor einiger Zeit hat mir jemand etwas Ähnliches gesagt, dass man sich vor grafischen Darstellungen nicht gut schützen kann und dass sie sehr schnell sogar verletzen können, in dem Fall ging es um ein Bild, auf dem zwei Figuren (Mann und Frau) beim Koitus dargestellt waren, die im Original homosexuell sind. Hier geht es um Diskriminierung, aber den Spieß kann man natürlich auch umdrehen, schließlich sollte man sich von so etwas nicht nur angegriffen fühlen dürfen, wenn man zu einer Minderheit gehört. Ich verstehe zwar die Kritik, kann sie selbst jedoch aus zwei Gründen nicht vertreten. Erstens wahrscheinlich einfach nur deshalb, weil mich solche Bilder nicht angreifen. Ich kann diverse Dinge ekelhaft finden, beispielsweise habe ich mal einen Doujinshi zu Death Note mit Watari und L gesehen, in welchem L von Watari zuerst xxx und danach xxx. Für mich absolut verstörend und abartig. Doch irgendwen wird das wohl ansprechen, jeder hat seine Fantasien, also bitte. Das ist der andere Punkt. Denn zweitens stellt sich mir, wenn man schon Kritik daran übt, die Frage: Was soll passieren? Soll das verboten werden? (Wobei kinderpornografische Darstellungen ja ohnehin schon verboten sind, aber die angesprochenen Sexbilder zu Attack on Titan sind ja nicht per se verboten.) Wie passt deine letzte Kritik zu deinen Worten am Anfang: „Die Gedanken und vor allem auch die Gelüste sind frei. Man darf sich alles vorstellen und künstlerisch alles produzieren.“

> selbst bei L wird das Problematisch, weil ihn durch seine psychoalisierung a-sexualität und
> a-romantik (keine romantische Liebe) dermaßen auf den Leib geschrieben steht, das es einfach
> nur ein absolutes nein ergibt.

Interpretation. Ich beispielsweise halte es für absolut unwahrscheinlich, dass L asexuell ist, würde aber niemandem meine Meinung aufzwingen wollen. Allgemein würde ich bei der Ansicht mitgehen, dass man nicht bei jedem Charakter alles hineininterpretieren kann, aber L und dessen Sexualität ist dafür, auch wenn du das anders siehst, kein gutes Beispiel. Besser wäre gewesen, du hättest dir Sherlock Holmes ausgesucht, weil dessen Interesse an Sex oder zumindest am anderen Geschlecht tatsächlich in den Büchern thematisiert wird, nämlich als nicht vorhanden. Auf Basis dieser Lektüre käme ich nie auf die Idee, eine (sexuelle) Beziehung zwischen Sherlock Holmes und einer Frau für möglich zu halten. Dennoch gibt es haufenweise Adaptionen, in denen das anders dargestellt wird, insbesondere mit Irene Adler. Sind diese Darstellungen dann alle falsch?
Dagegen gibt es bei L nach meinem Empfinden entweder gar keine oder eher noch Belege für eine vorhandene Sexualität, vielleicht nicht sonderlich ausgeprägt oder durch seine eigene Person und die Gefahr, die so etwas mit sich bringt, eingeschränkt, aber mental durchaus vorhanden. Als asexuell oder zumindest erfahrungslos wird er häufig gesehen, obwohl es dazu eigentlich keinen Beweis, nicht einmal einen sicheren Hinweis gibt. Ohba hat sich immer darum bemüht, L abgebrüht darzustellen, aber asexuell? Das könnte ich mir bei Near vorstellen, aber bei L nicht. Seine Begeisterung für Misa interpretierte ich als Finte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass L wirklich ein Fan von Misa ist, dass er ihre Karriere verfolgt und Light um sie beneidet, das war meines Erachtens alles Schauspielerei. Aber das sehen nicht alle so, einige haben das auch tatsächlich ernst genommen. Im Anime gibt es sogar eine meines Erachtens relativ perverse Szene, in der L bei einer Lippenstiftwerbung von Misa auf etwas unappetitliche Weise an einer Banane(nschale) herumkaut. Bei den Vier-Panel-Comics im Manga stellt L mit Light Vermutungen darüber an, ob Misa wohl einen weißen Bikini trägt. Auch in "L Change the World" wurde diese vermeintliche Affinität so ernst genommen, dass L sogar einen kleinen Misa-Schrein hat. Meinetwegen. Unter diesen Gesichtspunkten verstehe ich jene, die L mit Misa zusammenwerfen. Warum nicht? Genauso könnte man Light auf den Leib schneidern, er sei asexuell, weil er seine Pornoheftchen systematisch und völlig ungerührt durchblättert – wäre er wirklich gerissen, hätte er sich dabei einen runtergeholt – oder weil er an Misa kein Interesse zeigt, weil er generell kaum stärkere Gefühle für einen potenziellen Beziehungspartner zu haben scheint und auch vor einer Affäre nicht zurückschreckt. Manche denken deshalb, er habe keinen Sex mit Misa, andere leugnen nur, dass er Sex mit Takada hat. Kann man ja gern so sehen, aber meines Erachtens (und hierbei gehe ich nur von meiner Vorstellung vom Original aus) empfindet Light weder für Misa noch für Takada Liebe, auch wenn Takada eher seinem Typ entspricht. Um Misa gefügig zu machen, wird er garantiert mit ihr ins Bett steigen, aber zutreffend ist meines Erachtens auch, dass er sie später mit Takada betrügt und das nicht nur mit einem Dinner in einem Hotel vor hübscher Kulisse.
Bei L hingegen könnte ich mir vorstellen, dass er seine ersten sexuellen Erfahrungen geplant mit einer Professionellen hatte. Dahingehend halte ich ihn für abgebrüht und keineswegs für so unschuldig, wie ihn manche gern sehen wollen, auch wenn er womöglich, ähnlich wie Light, kein großartiges Interesse daran hat. Mir persönlich kommt es nach allem, was ich zu Death Note kenne, vollkommen absurd vor, L als asexuell zu definieren, wohlgemerkt fern von allem homoerotischen Romantisieren. Da ich dafür dennoch einen Interpretationsspielraum sehe, werfe ich es niemandem vor, wenn er das anders sieht als ich. Das bewegt sich für mich alles im Rahmen des Möglichen.
Um das zu erläutern: dass L Socken hasst, ist laut How to read ein Fakt. Man könnte jetzt davon ausgehen, dass er es einfach nur nicht mag, wenn seine Füße eingeengt sind, oder man denkt sich eine traumatische Geschichte über seinen Sockenhass aus, das ist dann Interpretation. Stellt man ihn allerdings so dar, als würde er Socken abgöttisch lieben, wäre das in meinen Augen in der Tat eine falsche Darstellung in Bezug auf den Manga. (Interpretationen sind schließlich auch davon abhängig, auf welche Medien man sich bezieht und nicht alle muss man als Canon akzeptieren, genauso wie man nicht alle Darstellungen von Batmans Joker als richtig empfinden muss. In der Live-Action-Serie etwa trägt L Socken.) Ls Beziehung zu Sex, Romantik oder Beziehung steht nun auf einem ganz anderen Blatt. Die gelieferten Hinweise im Manga reichen überhaupt nicht aus, um sich davon ein Bild zu machen und sich ein Urteil zu erlauben, von dem man am Ende genau sagen kann, so ist es und nicht anders. Darauf zu beharren, dass man mit solch einer Meinung absolut Recht hat, ist für mich vergleichbar mit der Meinung von Mädels, die darauf beharren, dass sie mit ihrer Pairingvorstellung im Recht sind.

Ganz allgemein würde ich deine Aussage ansonsten unterstützen, dass es einige Interpretationen gibt, bei denen man selbst nicht mitgehen oder zustimmen würde, die einem sogar mit Erklärung nicht einleuchten. Ich halte Joey und Kaiba aus YGO auch für ein absurdes Paar, weil sie keinerlei Gemeinsamkeiten haben, weil ihr Intellekt, ihr Denken völlig verschieden ist, weil sie sich die meiste Zeit nur angiften (wenn sich Kaiba denn überhaupt für Joeys Gezeter interessiert). Trotzdem gibt es Leute, die das nicht nur shippen, weil sie es ach so süß finden, sondern weil sie wirklich ein Fundament dafür sehen. Ich kenne ein paar dieser Erklärungen, manche waren nachvollziehbar, andere wirkten auf mich nicht überzeugend, dennoch waren sie vorhanden. Es leuchtet mir nach wie vor nicht ein, aber selbst in diesem Fall würde ich nicht behaupten, es wäre alles totaler Nonsens, nur weil ich es nicht nachvollziehbar finde. Unsinn ist es für mich dann, wenn nicht einmal das existiert, wenn man keinerlei Grundlage dafür schafft, warum zwischen zwei Figuren sich eine Beziehung entspinnt und warum das nun die große Liebe sein soll. Auf ähnliche Weise verstehe ich beispielsweise nicht, was bei 50 Shades ein reicher Schönling an einem unerfahrenen Naivchen findet, das versehentlich und total idiotisch in sein Büro stolpert. Aber das entspricht wohl einfach einem Klischee von Mädchenfantasie.

Jedoch scheinst du mit „A-Sexualität“ etwas anderes zu meinen als mit einer asexuellen Sexualität bzw. Asexualität als Sexualität. Um ein Beispiel aufzugreifen, dass du selbst mal in diesem Zusammenhang erwähntest: Man kann die Charaktere von Harry Potter bis zu einem bestimmten Punkt als a-sexuell begreifen, solange ihre Sexualität nicht thematisiert wird. (Ich meine mich allerdings zu erinnern, dass die Wirtin von den Drei Besen relativ zeitig von Harry oder Ron auf „diese Weise“ gesehen wurde.) Ob es sich nun wirklich so verhält, sei mal dahingestellt, aber gehen wir davon aus, es sei so und Sexualität sei erst mit dem Auftauchen von Cho Chang erstmals ins Spiel gekommen, wozu muss man die Figuren davor als a-sexuell und somit in ihrer Sexualität als nicht interpretierbar annehmen? (Habe ich das so richtig verstanden?) Nur weil etwas nicht thematisiert wird, heißt das nicht, es sei nicht vorhanden. Solange es sich im Rahmen bewegt und nicht den offensichtlichen Festlegungen widerspricht, halte ich es auch für legitim und nicht verwerflich.


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