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2 Cent zur Ermahnwelle Animexx

Autor:  halfJack

Durch Abwesenheit in den letzten zwei Wochen kommt meine Stellungnahme zu den Ereignissen ein wenig spät, doch da sich  animexx schließlich ebenfalls Zeit damit lässt, eine irgendwie geartete Reaktion zu zeigen, geht das wohl schon in Ordnung. Möglicherweise ist es sogar ganz gut, das Gedächtnis aufzufrischen, bevor hier alles, wie es den Anschein hat, unter den Teppich gekehrt wird. Als "2 Cent" bezeichne ich meine Meinung übrigens nicht, weil ich sie für irrelevant halte, sondern weil sie nur einen Bruchteil zu dem bereits in anderen Beiträgen ausgeführten Dingen hinzufügt, die mir bislang noch fehlten oder die mir zumindest nicht aufgefallen sind.

Ich habe die Kritik von abgemeldet und die meisten Ansichten dazu gelesen. (Info bzw. Zusammenfassung) Es muss wohl nicht darüber diskutiert werden, dass es sich dabei nicht um Satire handelte, sondern um einen Beitrag mit Unterhaltungswert. Ich bezweifle irgendwie, dass dieser zweifelhafte Doujinshi-Verkauf von ihm thematisiert worden wäre, wenn es sich bei der Erschafferin nur um eine junge, unerfahrene und unbeholfene Userin gehandelt hätte, die bloßgestellt werden sollte. Die Kommunikation auf Mexx hat sich längst vom Forum fortbewegt und findet unter den persönlichen Fanworks, Weblogeinträgen etc. statt, sodass der jeweilige Ersteller die komplette Handhabe hat und Kommentare nach Belieben löschen kann. Ist für mich ein Unding, aber das führt eben dazu, dass manche ihre Meinung im eigenen Bereich kundtun, wenn ansonsten doch damit gerechnet muss, ignoriert oder gar gelöscht zu werden. Natürlich kann man auch die Klappe halten. Ich bin selbst nicht der Typ dafür, um mich großartig an so etwas zu beteiligen, aber das muss ich auch nicht, um das Recht anderer darauf zu verteidigen. Vergleichbar ist das mit diversen Youtubern, die sich manchmal ein wenig weit aus dem Fenster lehnen. Die haben sicher nicht so viele Follower, weil sie nur Schmusekommentare schreiben. Das entspricht der Natur von Kritik und ich lese diese Beiträge gleichfalls gern wegen des Unterhaltungswertes, solange es nicht beleidigend wird. Bislang ist mir von Richter selbst oder seiner sogenannten angeblichen Anhängerschaft noch nicht untergekommen, dass da irgendjemand großartig beleidigend wurde. Man muss nicht mit jeder Meinung konform gehen, um distanziert beurteilen zu können, dass hier dankenswerterweise eine rege Diskussionskultur herrscht, nicht gegen, sondern vor allem mit den Leuten, die es betrifft. Was mir dabei schon aufgefallen ist, waren einzelne mir unbekannte Personen, die sich mit abwertenden Aussagen anschlossen, dann jedoch sogar von Richter oder seiner "Anhängerschaft" zurechtgewiesen wurden. Nach meiner Erfahrung wird hier also nicht einfach auf irgendwelchen Leuten herumgehackt. Es gibt Grenzen, die von gewissen Individuen bei solch stark frequentierten Einträgen ab und zu überschritten werden. Die gibt es fast immer, aber dieser Umstand sollte nicht dazu führen, dass jemand, dessen Beiträge oft gelesen und kommentiert werden, überhaupt nichts mehr in der Richtung schreiben darf. Daraus erwächst höchstens die Konsequenz, dass beispielsweise Richter die Verantwortung übernehmen könnte, solche Leute abzumahnen und ihnen klarzumachen, dass ihre Worte alles andere als cool sind und keine Zustimmung finden.

Negative Kritik ist kein Mobbing und sie kann sogar einen positiven Effekt haben. Ich erinnere an Marcel Reich-Ranicki, der stets einen scharfen Ton an den Tag legte, bei dem man allerdings schon froh sein konnte, überhaupt von ihm erwähnt zu werden. Es gibt (fast) keine schlechte Publicity. Günter Grass verdient diesem Umstand möglicherweise seine spätere Bekanntheit und Martin Walser wurde sogar durch die Auseinandersetzung im Schreiben inspiriert, obwohl beide mit den Verrissen zu kämpfen hatten. Große Beispiele für ein relativ kleines Problem. Der Doujinshi-Verkauf wäre wahrscheinlich ohne weitere Beachtung untergegangen, das stimmt. Allerdings hat manch einer die Arbeiten dieser Userin bloß aufgrund der Beiträge zu ihr gelesen. Man kann das demnach sogar als Werbung verstehen. Es ist kein Geheimnis, dass einige Fanworks gerade deshalb konsumiert werden, weil sie so schlecht sind. Ich würde sogar behaupten, auch für so etwas braucht es Talent. Mich würde nicht einmal wundern, wenn jemand durch diese irgendwie unfreiwillige Werbung sogar auf die Idee käme, sich das Teil zuzulegen. Auf die Weise wird etwas zum Kult wie die Trashfilme von Ed Wood. Nicht anders verhält es sich bei den MSTings, die auf Animexx erlaubt sind, selbst wenn der User seine Zustimmung nicht dazu gibt und obwohl die genauso verletzend sein können. Genau die gleiche Sache in Grün. Mir fehlt hier also völlig die Logik in dieser Aktion und Begründung.

Auf einem anderen Blatt steht natürlich, ob sich die betreffende Person davon angegriffen fühlte. Auch ohne "Beleidigungen", "Hetze" oder "Mobbing" - wenn jemand sich verletzt fühlt, ist das schlichtweg nicht egal, völlig unabhängig von irgendwelchen Begriffen, mit denen hier unbedacht herumgeworfen wurde. Doch braucht man dafür überhaupt etliche Regelungen und entsprechende Maßregelungen? Muss man wirklich anfangen zu verbieten, auf einem Pferd die Gerichtsstufen hinaufzureiten? Soll heißen, brauchen wir für jeden Quatsch gleich einen neuen Gesetzesentwurf, wo eigentlich der gesunde Menschenverstand ausreichen sollte? Ich finde es grundsätzlich nicht gut, noch mehr Regeln aufzuerlegen, nicht speziell wegen dieser einzelnen Geschichte und zur Verteidigung der Betroffenen, sondern wegen der unnötigen Einschränkung aller User. Es wäre wünschenswert, wenn es ohne ginge und allgemein bestimmt wird, dass die User ihre Streitigkeiten unter sich ausmachen. Animexx bzw. das Helpdesk kann und sollte manchmal jedoch auch bei so etwas eingreifen, aber nicht auf diese Weise, nicht als Macht- und Gesetzesinstanz, sondern als Vermittler. Ich glaube nicht, dass in diesem Fall Mobbing, Beleidigung etc. vorlag, außerdem muss man mit Kritik umgehen lernen, wenn man seine Sachen ins Netz stellt und um generell auch in der Realität klarzukommen. Falls jedoch tatsächlich Leidensdruck herrscht, gegen den der User sich nicht wehren kann, ist eine neutrale Instanz durchaus nicht das Schlechteste. Man kann zwar nicht immer beschützt werden, aber um Rücksichtnahme bitten. Was wäre also sinnvoll? Sich nicht auf irgendwelche fingierten Gesetze zu berufen oder diese anzukündigen, sondern sich zuallererst an den "Störfaktor" selbst zu wenden und um Kooperation zu bitten, und das bitte zeitnah! Zum letzten Punkt möchte ich noch kurz etwas schreiben, bevor ich den Rest ausführe.

Mir ist bewusst, dass so viel zu dem gesamten Thema geschrieben wurde, dass es schwierig ist, das alles aufzuarbeiten. Allerdings gelingt es schließlich auch mir, obwohl ich länger abwesend war, nicht zeitgleich mitlesen konnte und ebenfalls einen Alltag außerhalb von Animexx zu bewältigen habe. Ich mache dem Team sicherlich keinen Vorwurf, wenn wenig Zeit neben anderen Verpflichtungen vorhanden ist, dennoch erachte ich das Zeitmanagement als zu kritisieren. Bevor man sich für so einen unentgeltlichen Job im HD entscheidet, muss man sich im Klaren sein, ob man die Zeit dafür aufbringen kann. In anderen Bereichen wie bei den IM ist das vielleicht weniger wichtig, doch gerade beim Helpdesk ist es klar, dass man zeitnah für Probleme zur Verfügung stehen muss. An dieser Stelle möchte ich mich abgemeldet anschließen: Es war erstens ungünstig, so spät zu reagieren, als die Sache für die meisten schon gegessen war und erst diese Aktion das "Opfer" wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte, zweitens hätte man schlichtweg wissen müssen, dass eine Welle von Ermahnungen entsprechenden Widerhall findet. Zu erwarten, alle würden das stillschweigend hinnehmen, ist, pardon, reichlich naiv. Mir ist auch schleierhaft, wie man mittlerweile noch überfordert sein kann, da doch auf Animexx weniger als früher los ist und es nicht mehr so viel zu tun gibt. Ist die Administration parallel dazu ebenfalls so extrem geschrumpft? Dann sollten mehr Stellen ausgeschrieben werden. Denn es gibt ja offensichlich auch Leute (wie Aurora-Silver), denen nicht einmal die Chance gegeben wird, mehr Aufgaben zu übernehmen. Durch das Vorgehen wurde viel mehr Aufwand provoziert, als nötig gewesen wäre. Mir kommt das hochgradig unprofessionell vor, weshalb ich darauf aufmerksam machen möchte, dass eine Intervention auch völlig ohne das Auspacken der Machtkeule möglich ist.

Im Sinne der Person, die sich angegriffen ("gemobbt") fühlte, wäre es angebracht gewesen, so schnell wie möglich zu reagieren und unter dem Aspekt eines guten Klimas erstmal darum zu bitten, dass der Eintrag für niemanden mehr einsehbar ist, wahlweise mit einem Hinweis an die Kommentatoren, dass hier - auch wenn nicht gegen Regeln verstoßen wird und niemand böse Absichten hat - eine Person sich verletzt und bedrängt fühlt. Dafür hätte es keiner Beratung im großen Teamkreis und diffusen Gesetzen bedurft, die erst drei Wochen später verabschiedet werden. Kann natürlich sein, dass keiner darauf reagiert, aber das ist nun einmal der erste Schritt. Bei einer Weigerung hätte man als Seitenbetreiber wenigstens irgendetwas gegen die angeblichen Mobber in der Hand gehabt. Es passt einfach nicht zusammen, wenn Animexx vormals selten in solchen Situationen eingriff und dann plötzlich Erzieher spielen will. Auf die Weise wirkt es nämlich so, als würde es überhaupt nicht um Hilfe für den Betroffenen gehen, doch ich will ja niemandem etwas unterstellen. Nachträglich zu bedauern, wie sich die Sache zu Ungunsten des Betroffenen entwickelt hat, erscheint mir absurd, weil es meines Erachtens absehbar war.

Ich fordere, obwohl das natürlich wünschenswert wäre, in erster Linie keine Entschuldigung, Aufklärung oder was auch immer von Animexx, sondern dass die hoffentlich kommende Reaktion nicht in einem weiteren unsinnigen Gesetz besteht und stattdessen in Zukunft mit solchen Situationen angemessen für beide Seiten umgegangen wird.

Meinungen jeder Art hierzu sind gern erwünscht. Ich lösche, blackliste oder helpdeske niemanden.

Manga: Banana Fish Banana Fish, Manga, Weblog-Aktion

Autor:  halfJack

Beitrag zur Weblog-Aktion: Retro-Manga von TonaradossTharayn.

Banana Fish
Autor: Akimi Yoshida
Genre: Shojo, Thriller, Action, Boys Love
Bände: 19 (abgeschlossen)

Vietnam, 1973: Am Ende des Krieges ist der Himmel erleuchtet von fernen Bomben. In einer amerikanischen Stationierung dreht plötzlich ein Soldat durch und erschießt drei seiner Kameraden, bevor er überwältigt werden kann. Völlig apathisch murmelt er lediglich die Worte: „Banana Fish.“

New York, 1985: In einer Seitengasse trifft ein junger Mann auf einen Sterbenden, der ihm eine Phiole und eine Adresse gibt. Seine letzten Worte lauten gleichfalls: „Banana Fish.“
Bei dem jungen Mann, der die Phiole entgegennimmt und fortan das Geheimnis um deren rätselhafte Botschaft zu lösen versucht, handelt es sich um Aslan Jade Callenreese. Mit seinen 17 Jahren und trotz weißer Hautfarbe führt er eine Straßengang von Puertorikanern und Schwarzen an. Er ist verwickelt in Bandenkriege und die Machenschaften der Mafia. Im Untergrund von New York kennt man ihn nur als Ash Lynx, den Luchs, wegen seiner Intelligenz und Gefährlichkeit. Doch mit dem Geheimnis um Banana Fish verbindet ihn ein ganz persönliches Anliegen, denn sein Bruder, Griffin Callenreese, ist der Soldat, der damals bei dem Vorfall im Vietnamkrieg Amok lief und sich seitdem im Delirium befindet, ohne dass jemand ihn noch erreichen könnte.
Zu diesem Zeitpunkt lernt Ash den nur wenig älteren Eiji Okumura kennen, der als journalistischer Assistent aus Japan nach Amerika kam, um Recherchen über Kinderstraßengangs durchzuführen. Zwei Welten prallen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Durch seine unverfälschte Art gewinnt Eiji bald nicht nur Ashs Vertrauen, sondern sogar dessen Zuneigung. Zugleich werden die beiden in Ereignisse involviert, die weitere Kreise ziehen, als sie anfangs erahnen.

 

 

Banana Fish erschien in Japan von 1985 bis 1994 und wurde 2003 in Deutschland veröffentlicht. Er avancierte schnell zu einem meiner Lieblingsmanga, obwohl Planet Manga (Panini) ihn bei uns leider nach dem siebten Band einstellte. Glücklicherweise wurde er zur gleichen Zeit in Amerika herausgebracht. Es war der erste Manga, den ich mir nach seinem Abbruch aus dem Ausland besorgte. Der Import der amerikanischen Bände brachte tatsächlich sogar einen positiven Aspekt mit sich. Die deutsche Übersetzung ist durchaus sehr gut, aber nicht so hervorragend zum Setting passend wie die englische Version, bei der man darauf geachtet hat, die Ausdrucksweise der Afroamerikaner, die Umgangsformen der Straßengangs oder Eijis etwas holprige Sprachkenntnisse zu verdeutlichen.

Dass der Manga bei uns eingestellt wurde, liegt keineswegs an der Qualität, sondern an der schwierigen Zielgruppe. Es ist nicht leicht, diesen Manga einem Genre zuzuordnen. Er erschien in einem Magazin für Mädchen, ist demnach Shojo, wird allerdings manchmal als Boys Love bezeichnet, manchmal aufgrund der ernsten Handlung und Thriller- sowie Actionelemente auch als Seinen, also als Manga für erwachsene Männer. Tatsächlich hat Banana Fish ein bisschen von allem. Für Shojo ist der Zeichenstil eigentlich zu geradlinig, sehr realistisch und nicht beschönigend, die Panel sind klar strukturiert, es gibt weder Schnörkel noch Blumen. Anfangs erinnert der Zeichenstil noch ein wenig an das ein Jahr zuvor in Japan erschienene Akira von Katsuhiro Otomo, doch Akimi Yoshida verbessert ihre Zeichnungen binnen weniger Bände enorm und findet ihren eigenen Stil.
Die actiongeladene Handlung und der maskuline Stil zogen gleich zu Beginn auch männliches Publikum an. Andererseits steht die sich langsam entwickelnde Beziehung zwischen Ash und Eiji im Mittelpunkt, eine sehr intensive Beziehung, die wohl der Grund für das Genre Boys Love ist. Sie bauen eine Freundschaft auf, die Ash bis dahin völlig fehlte, und auch Ash wird für Eiji zum wichtigsten Menschen in dessen Leben, für den er, wortwörtlich, alles tun würde. Ihr Verhältnis zueinander wird am Ende tatsächlich als Liebe oder gar über Liebe hinausgehend bezeichnet, obwohl trotz aller körperlichen Nähe zwischen den beiden eine sexuelle Komponente nahezu völlig fehlt. Ich schätze, das hat auch einen guten Grund, auf den ich noch eingehen werde. Jedenfalls ist diese Charakterkonstellation die Hauptursache, warum ich diesen Manga noch heute als einen der besten überhaupt bezeichne (und ich habe sehr, sehr viele gelesen), daran kommen höchsten Subaru und Seishiro von CLAMPs Tokyo Babylon heran oder Koji und Takuto in Minami Ozakis Zetsuai/Bronze, es sind auf jeden Fall nicht viele.

Bis heute hat mich dieser Manga nicht losgelassen, noch immer greife ich manchmal einzelne Bände aus dem Regal und durchlebe das gleiche Mitfiebern wie beim ersten Lesen. Die Handlung ist spannend, radikal, aber vor allem gut durchdacht. Natürlich gibt es viele Manga über Polizisten, Straßengangs oder die Mafia, aber kaum einer geht über die typischen Klischees hinaus und erzählt in einer doch relativ langen Serie eine zusammenhängende und vor allem realistische Geschichte. Banana Fish ist ein sehr dynamischer Manga, der stellenweise kriminalistische Züge aufweist. Es geht um den umstrittenen Einsatz von leistungssteigernden, enthemmenden Drogen im Krieg, um Experimente mit Menschen, um Söldnertruppen und die Machtlosigkeit der Polizei gegen ein fast unantastbares kriminelles Milieu. So viele Schießereien sieht man in einem Shojo-Manga sonst fast nie, aber die Kampfszenen arten niemals aus und dazwischen gibt es immer wieder Pausen, in denen Raum für philosophische Gespräche bleibt oder sogar für Humor, manchmal in den schlimmsten Situationen. Kein Slapstickhumor, sondern natürlicher, alberner und ernster Humor, bei dem man gleichzeitig lachen und weinen möchte, tragische Komik, die man leider viel zu selten findet. Darüber hinaus werden Problemthemen wie Vergewaltigung, Prostitution und Kinderpornographie aufgegriffen, allerdings an keiner Stelle explizit dargestellt. Oben habe ich erwähnt, dass zwischen Ash und Eiji eine sexuelle Komponente nahezu fehlen würde, was meines Erachtens daran liegt, dass diese Problematik in Banana Fish ein wichtiges und ernstes Feld ist, in Bezug auf Männer, auf Frauen, auf Kinder. Man wird kaum Situationen finden, in denen in letzter Sekunde noch der strahlende Ritter erscheint. Dafür wird sehr sensibel und emotional gezeigt, wie die jeweiligen Charaktere damit umgehen.  

 

Überhaupt ist jede einzelne Figur glaubwürdig, jeder ist unverwechselbar und folgt seinen eigenen Motiven. Eiji beispielsweise ist vermeintlich behütet aufgewachsen, hatte nie Kontakt zu Waffen oder einem kriminellen Milieu, das heißt jedoch nicht, dass seine Welt völlig rosig wäre. Er kam nach Amerika, nachdem er in Japan den professionellen Stabhochsprung aufgegeben hatte, um dem Leistungsdruck und der persönlichen Enttäuschung zu entkommen. Man kann eben nicht alles schaffen, nur weil man sich anstrengt. Die Fotografie dient ihm anfangs nur zur Ablenkung, erst später entschließt er sich, seine berufliche Karriere tatsächlich in diese Richtung zu lenken. Natürlich kann er nicht dasselbe leisten wie Ash, dennoch hat er nicht permanent die Rolle der Prinzessin inne, die gerettet werden muss, auch er hilft Ash ab und zu aus der Patsche. Außerdem wird er nach und nach zu einer wichtigen psychischen Stütze.
Gleiches gilt für die Frauenfiguren, sie haben Charakter und Stärke, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. Mindestens zwei von ihnen sind mir unheimlich sympathisch. Ich kann mich nicht an einen anderen Manga erinnern, in dem eine stinknormale Hausfrau mit einer Maschinenpistole losrennt, um ihren Mann zu retten. Ebenso besteht die Gegenseite nicht nur aus stereotypen Bösewichten, umgekehrt können Freunde unfreiwillig zu Feinden werden.

Der Titel Banana Fish beruht auf der Kurzgeschichte A Perfect Day for Bananafish von J. D. Salinger. Das ist nicht der einzige literarische Hinweis in diesem Manga, es gibt zum Beispiel häufig Bezüge auf Ernest Hemingway. Darum möchte ich zum Abschluss eine Szene aufgreifen, die ein wenig die Atmosphäre des Manga vermittelt.

„Hast du jemals über den Tod nachgedacht?“

Es ist eine Frage, die Ash ganz offen stellt, während er mit Eiji vom Ufer aus auf die vom World Trade Center geprägte Skyline seiner Heimatstadt schaut, das New York der 80er Jahre. Dabei fällt ihm ein Zitat aus Hemingways Schnee auf dem Kilimandscharo ein, die Erwähnung eines Leoparden, dessen gefrorenes Gerippe dicht unter dem westlichen Gipfel von Afrikas höchstem Berg gefunden wurde. Niemand konnte sich erklären, was das Tier in dieser Höhe suchte. Doch Ash ist sich sicher, der Leopard müsse gewusst haben, dass er nicht zurückkehren würde. Auf dieselbe Weise gibt es auch für Ash Lynx kein Zurück, keine Alternative und keine Angst vor dem Tod. Nicht deshalb, weil er nicht leben wollen würde, sondern weil ihm das Sterben in manchen Situationen seines Lebens süß und friedvoll erscheint. Ash sehnt sich danach, da seine eigene Welt alles andere als friedlich ist. Dabei ist sein Überlebenstrieb sogar das, was ihn am Ende zu dem gemacht hat, was er ist. Zu Eiji sagt er in diesem Moment:

„Wenn ich an meinen Tod denke, stelle ich mir diesen Leoparden vor. Verlor er seinen Weg, während er eine Beute verfolgte, und gelangte dann an einen Punkt, von dem er nicht mehr entkam? Oder suchte er nach etwas anderem, stieg immer höher und höher, bis seine Kräfte verbraucht waren und er zusammenbrach? Ich frage mich, in welche Richtung dieses Gerippe schaute. Hat er versucht, wieder herunter zu gelangen... oder wollte er höher hinauf?“

Tage des Schreckens: Bild dir deine Meinung (auch ohne BILD) Medien, Politik

Autor:  halfJack

Wenn Menschen eine Meinung haben, dann suchen sie in jeder neuen Nachricht Hinweise, die ihre Annahme bestätigen, und stufen gegenteilige Informationen als weniger wichtig ein. Das heißt aber nicht, dass Medien keine Macht besäßen. Sie vermitteln uns von Beginn an nicht nur Informationen, sondern eben auch besagte Meinungen.
Die letzten beiden Einträge zum Thema Flüchtlinge, Fremdenfeindlichkeit, PEGIDA etc. habe ich über Falschannahmen geschrieben. Dieser Eintrag hier soll sich nun speziell mit der Vermittlung in den Medien, vor allem im Fernsehen, beschäftigen. Denn was mich an der ganzen Kiste zunehmend stört, eigentlich schon regelrecht beunruhigt, ist die Art und Weise, wie in den Medien flächendeckend mit der Thematik umgegangen wird. Hierbei möchte ich mich auf keine Seite stellen; mir war sowohl die übertriebene Propagierung der Willkommensstimmung nicht ganz geheuer – als würden wir gar nicht daran denken, dass damit viel Arbeit und eine enorme Verantwortung auf uns zukommen – als auch die jetzige Darstellung der letzten Ereignisse – als würde ganz Deutschland im Abgrund versinken und der Terror an jeder Ecke lauern.

Mittlerweile ist es normal, dass viele durch diverse Internetseiten schon längst über alles Bescheid wissen, bevor sie die Nachrichten einschalten oder erst recht eine Zeitung aufschlagen. Ist das der Grund, warum man das Gefühl bekommt, die Nachrichten seien nicht mehr zur Berichterstattung da, sondern um der ganzen Geschichte einen reißerischen Titel zu geben? Namensgebungen wie „Nacht der Gewalt“ oder „Woche des Schreckens“ machen es nicht besser. Das klingt verdächtig nach Horrorfilm, man denkt unwillkürlich an Blitz- und Donnerschlag im Hintergrund. Vor einigen Jahren kannte ich so etwas nur aus den Überschriften der BILD-Zeitung, nun sehe ich solchen Unsinn auf N24. Wobei „Unsinn“ vielleicht nicht unbedingt taktvoll klingt, denn die Geschehnisse sind schlimm genug. Man kann auch nicht immer verlangen, dass die Nachrichten stets distanziert und neutral bleiben, das erwarte ich auch gar nicht, aber die Auswahl und Inszenierung der Informationen ist meines Erachtens zu einseitig.
Vor einem Jahr hatte die übertriebene Propagierung der Willkommenskultur möglicherweise noch etwas Positives. Die Berichterstattung war einseitig, aber sie hatte wenigstens keinen negativen Effekt, führte sogar zu Initiative und Tatkraft, besonders bei den Jüngeren. Diese Tendenz kehrt sich nun mit der Angst ins Gegenteil um.

Ich möchte Merkel keineswegs in den Himmel heben, es gibt genügend Kritikpunkte, die man in den Nachrichten mal ansprechen sollte und die komischerweise stillschweigend hingenommen werden, aber eine Sache beim Kurs im Flüchtlingsthema ist doch irritierend. Sie sagte am Anfang: „Wir schaffen das!“, doch gleichzeitig mit dem mahnenden Zeigefinger, dass es nicht einfach werden würde, dass es Einschränkungen geben könnte und alle mithelfen müssten. Jetzt scheint es fast, als hätte nie jemand den zweiten Teil ihrer Aussage gehört. Es wird kritisiert, dass Merkel noch immer an ihrer Devise festhalte. Sonst regt sich doch auch jeder darüber auf, dass Politiker erst das eine sagen und später etwas ganz anderes machen. Verstehe ich das richtig, dass es nun so furchtbar ist, dass sich ein Politiker mal an sein Versprechen halten will und nicht vom Kurs abrückt? Kritik ist niemals verkehrt, aber nicht in einem Guss, indem man die Aufnahme von Flüchtlingen in Frage stellt, kurz nachdem man einen Amoklauf als Terrorakt verkauft hat.

Nun kann eingewendet werden, dass die Nachrichten das gar nicht eindeutig so darstellten oder dass es nicht flächendeckend geschieht. Aber wer macht sich ausreichend durch Zeitungen und Internetportale ein vollständiges Bild? Zumindest die Leute in meiner Umgebung machen das nicht, bei ihnen wird schlicht (auch jetzt noch!) die Meinung vertreten, die letzten drei, vier Anschläge hätten alle Terrorhintergrund und wären verschuldet durch die Flüchtlingskrise.
Bei den Ereignissen in München handelte es sich jedoch nicht um einen weiteren IS-Terroranschlag, sondern um einen Amokläufer, einen Deutsch-Iraner, der sich selbst eindeutig als Deutscher bezeichnete und dessen Motivation Fremdenhass war. Dafür spricht auch, dass seine Opfer sehr unterschiedlicher Nationalität waren: ungarisch, deutsch-türkisch, deutsch, türkisch, kosovarisch, griechisch und staatenlos. Das Motiv des Fremdenhasses entspräche demnach sogar dem Gegenteil von dem, was einige in meiner Umgebung behaupten.
Wer sich mit Kriminalgeschichte beschäftigt, weiß, dass das Empfinden der Bevölkerung, wie es um die Sicherheit bzw. Kriminalität steht, häufig nicht mit der tatsächlichen Kriminalitätsrate einhergeht. (Über Kriminalitätsstatistik könnte man an dieser Stelle auch ein Fass aufmachen, aber das würde hier den Rahmen sprengen; wer möchte, kann dazu trotzdem gern was sagen.)  Dieses Empfinden wird beeinflusst von größeren Ereignissen und natürlich von den Medien. Da wird so eine Anhäufung von Attentaten aufgebauscht zur „Woche des Schreckens“, weil es dem Tenor der Masse und mitunter der Politik gefällt. Die Medien vermitteln das, was die Leute hören wollen, und die Leute reden den Medien nach dem Mund.
In den „Tagen des Schreckens“ häuften sich scheinbar die Fälle von Menschen mit Migrationshintergrund. Aber dieser rassistische Amoklauf oder ein Fall, in welchem ein Mann seine Frau mit einem Dönermesser (in den Nachrichten wurde daraus gleich eine Machete gemacht) angreift, hat nichts mit Terror zu tun, trotzdem wird es in diesen Kanon gestellt. Warum? Um die Leute in Panik zu versetzen? Was ist mit Fällen von deutscher Kriminalität, wenn die sich mal häufen, warum wird das alles nicht in den Nachrichten breitgelatscht? Man merkt sofort, dass sich alles nur auf Terror ausrichtet, da sind auch die Anschläge in Thailand in weiter Ferne wichtig. Weil es das allgemeine Unsicherheitsgefühl der Leute wiederspiegelt und gerade gut zur Stimmung passt? Zumindest habe ich in den regulären Medien nichts davon gehört (anderen wird es da vielleicht anders gehen), wie in Japan ein Mann 19 Menschen in einem Heim umbrachte. Und was war das Motiv? Der Täter hasste Behinderte. Wird man sich vielleicht bei uns gedacht haben: Nee, passt nicht zur derzeitigen Stimmung, können wir weglassen.

Klar, das ist nur mein Empfinden, aber ich glaube, dass durch nicht wenige der Medien bestimmte Korrelationen vermittelt werden, die so gar nicht vorhanden sind und die mir äußerst bedenklich erscheinen. Dann werden Personen auf der Straße interviewt, die meinen, sie würden sich jetzt nicht mehr unbedingt auf öffentliche Plätze trauen, wo viele Menschen sind. Es könnte ja was passieren.

Ja, ich habe auch Angst. Zum Beispiel vor Kugelschreiberteilen. Wie viele Leute sterben in der westlichen Welt an verschluckten Kugelschreiberteilen? Es ist der Wahnsinn. Vor Schokoriegeln habe ich auch Angst. Wie ungesund Fettleibigkeit ist. Ich glaube, ich sollte rauchen, um nicht dick zu werden. Wenn ich dann noch überlege, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, bei einem Autounfall zu sterben, wir müssten alle panische Angst davor haben, in unsere Autos zu steigen und das nicht erst seit gestern. Zu Hause bleiben kann man aber auch nicht, denn die meisten Unfälle passieren im Haushalt, oder nicht? Was mache ich jetzt? Statistisch gesehen passiert am wenigsten im Fahrstuhl, habe ich mal gehört. Ich sollte vielleicht nur noch Fahrstuhl fahren. Oder Flugzeug fliegen. Wenn das Flugzeug dann in ein Hochhaus knallt, hat man letztlich wohl einfach nur Pech gehabt.

Kartoffeln statt Döner: Vorurteile und Möglichkeiten zur Aufklärung PEGIDA, Politik

Autor:  halfJack

Das ist ein Eintrag, den ich eigentlich schon lange, lange verfassen wollte und der jetzt vermutlich zu einem Sammelsurium an Gedanken werden wird, die ich über die letzten Wochen anhäufte. Wahrscheinlich teile ich das thematisch noch auf; der erste Part befasst sich mit Falschannahmen und Vorurteilen und der zweite soll sich um die Darstellung in den Medien drehen.

Erster Auslöser hierfür war irgendeine Sendung über Foodtrucks. (Sorry für diese äußerst präzise Angabe; wer weiß, wovon die Rede ist, kann das gern ergänzen.) In dieser Sendung war unter anderem ein Mann mit türkischem Migrationshintergrund, der auf ein Schild von rechtstendierten Demonstranten reagierte, auf dem stand: „Kartoffeln statt Döner!“ Als Zeichen für mehr Zusammenhalt entwickelte er daraufhin einen Döner mit Kartoffeln, quasi unter dem Motto: Türkei ♥ Deutschland. Eigentlich eine löbliche Sache, die Idee fand ich ganz gut, aber was mich vielmehr irritierte, war dieses Klischee der Identifikation mit... Essen?
Und dann auch noch unter größtenteils falschen Annahmen. Um es mal salopp zu formulieren: „Kartoffeln statt Döner“ ist an sich schon himmelschreiend absurd und komisch, wenn man bedenkt, dass Kartoffeln aus Amerika stammen und der klassische Döner, wie er noch heute hier verkauft wird, in dieser Version aus Deutschland. Natürlich gab es schon vorher gedrehtes Fleisch am Spieß, was für die Türkei durchaus typisch ist, und zudem waren es türkische Einwanderer, die die Grundlagen nach Deutschland brachten. Ob der Döner nun zuerst in Berlin oder in Reutlingen verkauft wurde, sei mal dahingestellt, aber darin zeigt sich meines Erachtens eine starke internationale Assimilation. Wir können viel voneinander lernen und profitieren, warum sollten wir als Deutsche also nur Kartoffeln essen? Doch Moment, warum soll die Kartoffel überhaupt für Deutschland stehen?
Ja ja, die gute alte Kartoffel, mit der sich die Deutschen so gern identifizieren. Es kommt mir vor, als würden manche dieser Leute glauben, schon die alten Germanen hätten sich ihre Kartoffeln überm Feuer geröstet. Durch mein regionales Umfeld höre ich eine ganze Menge Grütze. Fakt ist jedenfalls, dass Kartoffeln erst im 17. Jahrhundert zu uns kamen und sich die Bauern sogar anfangs mit Händen und Füßen dagegen wehrten, sie anzubauen. Einer geschichtlichen Anekdote zufolge soll Friedrich der Große eine List angewandt haben, indem er Kartoffelfelder von Soldaten bewachen ließ. Was bewacht wird, muss wohl wertvoll sein, deshalb sollen die Knollen nachts von den Bauern gestohlen worden sein. Jedenfalls waren Kartoffeln alles andere als beliebt und vollkommen unpreußisch. Es brauchte schon Zeit und einen „Kartoffelbefehl“, bevor die Deutschen auf den Geschmack kamen.

Wenn man sich also etwas auf sein Deutschsein einbildet, sollte man dann nicht ein bisschen mehr über unsere Geschichte Bescheid wissen? Gerade heute in Zeiten des Internets, wo man nur mal ein paar Sekunden zum Googeln braucht, um etwas herauszufinden? Dabei sehe ich diese Sache gar nicht so eng. Wenn man mitten im Gespräch etwas raushaut, von dem man aufgrund von Klischees überzeugt ist, dann finde ich das nicht so wild. Man kann ja nicht alles wissen und Vorurteile oder falsche Vorstellungen gibt es immer. Doch spätestens wenn ich ein Schild mit irgendeinem Slogan schreiben will, um damit zu einer Demonstration zu gehen, würde ich diese paar Sekunden doch mal aufwenden, um zu überprüfen, ob das stimmt, was ich da behaupte.
Bei einer der PEGIDA-Demonstrationen lief mal jemand mit einem Schild herum, auf dem sinngemäß stand: „Rettet die deutsche Spache!“ Rechtschreibfehler inbegriffen. Klar kann sich jeder mal verschreiben, aber gerade bei solch einer Botschaft würde ich mein Schild vorher lieber zehnmal durchlesen, bevor ich es mir über den Kopf halte und mich damit lächerlich mache.

Gegen Meinungen aus rechts und links habe ich überhaupt nichts, erachte sie sogar als Opposition für notwendig und fruchtbar, solange etwas dahintersteckt. Nur leider begegnen mir immer wieder im Gespräch mit Personen, die sich selbst gar nicht als rechts sehen, die aber eindeutig derartige Meinungen vertreten, größtenteils Falschannahmen, Irrglauben, Halbwissen und ein erschreckend niedriges Bildungsniveau. Mit Argumenten kommt man da dummerweise nicht weit. Damit meine ich nicht, dass sich alle von Anfang an querstellen und nicht zuhören, zum Teil habe ich sogar Einlenken und Zustimmung erlebt, aber bei der nächsten Unterhaltung ist es, als hätte man nie etwas gesagt, als wäre das alles wieder gelöscht. Woran liegt das nur? Ich vermute, dass es dazwischen im familiären und Freundeskreis zu Diskussionen kommt, in denen man sich gegenseitig bestätigt, hochschaukelt und am Ende gestärkt durch das Kollektiv die eigene Meinung für richtig hält. Was kann man dagegen tun? Oder ist es ein Kampf gegen Windmühlen?
Vor anderthalb Jahren ließ ich mal meinen Frust über PEGIDA in einem anderen Blog-Eintrag aus und musste gerade feststellen, dass viele der Falschannahmen noch immer nicht beseitigt sind und dass ich an dieser Stelle einiges wiederholen könnte, obwohl nicht alles aktuell ist. In der Zwischenzeit hat sich in den Köpfen der Menschen jedoch kaum etwas geändert. Kann man tatsächlich nichts tun?

Ins Rollen gebracht von den Stipendiaten der TU Dresden versucht man es jetzt mit einer Bierdeckel-Aktion: Für einen Stammtisch ohne Parolen.
Kurz zusammengefasst handelt es sich dabei um ein Projekt, in dem über typische Vorurteile auf beidseitig bedruckten Bierdeckeln mit nachprüfbaren Fakten und Zahlen aufgeklärt wird. Man machte sich in der AG Asyl Gedanken darüber, wie man an die Leute herankommen könnte, da doch die Debatten meistens in den entsprechenden einstimmigen Kreisen geführt werden. Das Stichwort Stammtischparolen führte dann zu dieser Aktion von Aufklärung durch Bierdeckel, die seit Juli in Sachsen läuft.
Natürlich gibt es auch Bedenken. Bringt das überhaupt etwas? Bewirkt es vielleicht sogar das Gegenteil und führt erst recht zu Aggressionen? Werden diese Argumente wieder nur mit „Lügenpresse“ beiseitegeschoben? Außerdem könnten sich diejenigen davon angegriffen fühlen, die nicht in der Kneipe sitzen und so einen Bierdeckel in die Hand nehmen, die stattdessen über die Medien davon erfahren und das Gefühl haben, man würde sie alle in einen Topf mit alkoholisierten Kneipensitzern werfen. Bereits die negative Berichterstattung über PEGIDA kam bei vielen nicht gut an, weil sie sich nicht ernst genommen und als Rechtsradikale abgestempelt fühlen.

Was denkt ihr? Gibt es Möglichkeiten? Ist so eine Aktion mit Bierdeckeln gut oder eher der falsche Weg?

Death Note 2016 Death Note, Death Note, Film

Autor:  halfJack

Seit Jahren ist ein amerikanisches Remake der Filme geplant, wurde immer wieder verschoben und neu besetzt. Nun allerdings geht Japan, ebenfalls unter Warner, vorher mit einem neuen Projekt an den Start: Death Note 2016.

Dabei handelt es sich nicht um eine klassische Adaption der Vorlage, sondern um eine Fortsetzung, die zehn Jahre nach dem Kira-Fall spielt. Sechs Notizbücher gelangen diesmal in die Menschenwelt - also genau so viele, wie funktionstüchtig hier existieren können. Der Kampf beginnt durch jene Partei, die Kiras Wiederauferstehung anstrebt, und denjenigen, die sich diesem Vorhaben in den Weg stellen. Mit von der Partie sind erneut Misa und Matsuda. Es wird wiederum einen Detektiv geben, der Ls rechtmäßiger Nachfolger ist und sich Ryuzaki nennt, dabei handelt es sich offensichtlich nicht um Near. Zudem wird es um Cyber-Terrorismus gehen, um einen Computervirus mit Namen Kira, der sich weltweit verbreitet und die Nachricht beinhaltet, dass derjenige, der sich alle sechs Death Notes aneignet, die Welt übernimmt, vielleicht als neuer Kira bzw. als neuer Gott?
Regie führt Sato Shinsuke, der bereits für die beiden (meines Erachtens sehr guten) "Gantz"-Verfilmungen verantwortlich ist.


Quellen:

http://www.filmstarts.de/nachrichten/18497164.html

http://asianwiki.com/Death_Note_2016

Verarsch andere und Animexx verarscht dich. Animexx, Humor

Autor:  halfJack

An alle, die sich gewundert haben, warum ich in letzter Zeit nicht antworte:
Mein Zugriff war eingeschränkt!
Seit über einer Woche konnte ich keinerlei Nachrichten, Gästebucheinträge, Kommentare etc. verfassen.

Das ist eine dieser Geschichten, die so bescheuert sind, dass man entweder besser darüber schweigt oder einen ausführlichen Weblogeintrag dazu verfasst. (Wer sich jetzt noch fragt: ich habe mich für die zweite Variante entschieden.) Auf die Weise muss ich nicht jedem, von dem sich ENS in meinem Postfach stapeln, alles einzeln erklären.

Schuld an meiner Accounteinschränkung sind fünf Minuten genervte Albernheit am 10. November, also Mitte der letzten Woche. Ich war nur ein paar Tage nicht mehr in meinem E-Mail-Postfach gewesen und wurde trotzdem von über 20 Spammails bombardiert. Manchmal reichen solche Situationen aus, damit ich irgendwelchen Scheiß mache. Wer mich kennt, weiß: ich mache häufig irgendwelchen Scheiß und verarsche gern Leute, am liebsten meinen geduldig genervten Kumpel Blaetterklingen.
Kurzerhand habe ich mich bei Animexx angemeldet und ihm ein paar der dämlichsten ENS meines Lebens geschrieben (und das will schon was heißen):

Betreff: Mahnung
Auf dem Klo mal schnell 458.781 Euro verdient!

Betreff: Ihre Amazonbestellung.
Ehemaliger Hartz-IV-Empfänger zeigt Ihnen, wie er in einem Jahr zum Milliardär wurde!

Betreff: Re: Anruf.
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Fick die Henne.

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Ich nahm an, dieser Mist wäre so offensichtlich gefälscht, dass kein Schwanz darauf hereinfällt. (Also klickt bitte nicht auf den Link. XD) Darum nahm ich an, ich würde nur ein liebevolles "Hornochse!" oder "Du blödes Aas!" zurückbekommen oder vielleicht eine jener originellen Antworten, mit denen sich meine Freunde mittlerweile gegen solche Aktionen von mir zur Wehr setzen. Falsch gedacht.

Lieber Blaetterklingen,
ich bewundere deine stoische Gelassenheit, die es dir erlaubt, meine Person als seriös und derlei Nachrichten als echt einzuschätzen. Sollte mein Account wirklich mal gehackt werden, dann kann ich mich darauf verlassen, dass ich von dir per Gästebuch infomiert und meine ENS als Spam gemeldet werden.

Um ehrlich zu sein, als ich die Reaktion bekam: "Dein Account wurde gehackt", hielt ich das für einen faden Scherz. Ich wollte bloß mit einem "XD" antworten, aber plötzlich tauchte ein roter Balken auf mit der Meldung: "Der Zugriff wurde eingeschränkt". Ich konnte nichts mehr machen, nur noch ENS lesen und PersStart aufrufen; nicht einmal meine Einstellungen konnte ich ändern oder einen Weblog-Eintrag verfassen, um andere über mein Problem in Kenntnis zu setzen. Und am lustigsten ist: ich habe dazwischen keine Verbindung gezogen und hielt das für ein vorübergehendes Problem von Animexx allgemein. Erst langsam dämmerte es mir. Meine Freundin nahm das ziemlich gelassen, als ich ihr meine Vermutung erzählte. Gedächtnisprotokoll:

Ich: "Er hat meine Nachrichten wahrscheinlich als Spam gemeldet und darauf wurde mein Account eingeschränkt. Damit habe ich nicht gerechnet. Wirklich gut. Er hat mich drangekriegt." (Mit ernster Miene Light Yagami aus Death Note zitiert)
Meine Freundin: "Meinst du, er hat das mit Absicht gemacht?"
Ich: "Natürlich hat er das mit Absicht gemacht. Niemand würde auf so etwas hereinfallen. In dem einen Betreff steht 123.456 Euro, das ist so offensichtlich, das kann gar nicht echt sein. Außerdem kennt er mich doch. Ich habe einmal eine hässliche alte Zeichnung von mir hochgeladen, nur um zu sehen, wie er darauf reagiert."
MF: "Ich denke trotzdem, dass das keine Absicht war."
Ich: "Er rächt sich an mir. Vielleicht dafür, dass ich ihm dieses Bild mit den zwei nackten Männern gewidmet und druntergeschrieben habe, so etwas gefiele ihm doch."
MF: "...du solltest dir echt mal Gedanken über deine Handlungen machen. Geschieht dir recht."
Ich: "Aber was soll ich denn jetzt tun?" D:
MF: "Deinen Account löschen."
Ich: "Was?! Selbst wenn ich wollte, ich komme nicht in meine Einstellungen. Ich könnte nur meine Bilder und Fanfictions löschen."
MF: "Dann lösch die."
Ich: "Und was soll das bringen?" DX

Die Anteilnahme meiner Freundin hielt sich also wie immer in Grenzen. Seit letztem Samstag schrieb ich ans Helpdesk und bekam nun endlich eine Antwort, sinngemäß: "Dein Account wurde offensichtlich gehackt. Er ist nun wieder zugänglich. Bitte ändere dein Passwort."
Ähm ja, vielen Dank, Animexx-Menschen, dass ihr so umsichtig auf eure Mitglieder achtet. Dagegen kann man wirklich nichts sagen.

So fühlt man sich wohl, wenn man den Ast absägt, auf dem man sitzt. Wer hätte gedacht, dass ich so authentischen Spam verfassen kann. Jetzt weiß ich, wie ich mit meinem Schreibtalent später mal Karriere mache.

Japan: Reale Videospielfiguren!? Japan (Sachthema), Super Mario, Pac-Man, Japan

Autor:  halfJack

Da habe ich nicht schlecht gestaunt, als in Sapporo, nicht weit vom Clock Tower entfernt, plötzlich ein Mario Kart auf der Straße an mir vorbeifuhr.

Nein, es war nicht Rémi Gaillard. Darf man mit so etwas in Japan überhaupt fahren? Aber Rémi wurde ja nicht in erster Linie wegen der zweifelhaften Verkehrstauglichkeit seines Fahrzeugs verhaftet, sondern weil er Bananenschalen auf die Straße geworfen hatte.

Das nächste Foto habe ich zwei Wochen später in Tokyo geschossen.

Pac-Man in der Fußgängerzone von Shinjuku? Auch da musste ich zweimal hinschauen.

Edit:
Kann mir mal einer erklären, wie man im Blog kleinere Bilder verwendet und mit der Großversion verlinkt?

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey! Familienpsychologie, Pädagogik

Autor:  halfJack

Manche Dinge sollten eigentlich nicht mehr verwundern. Ich habe einen Cousin, der seinen Sohn Bastienne nennen wollte. Wirklich, seinen Sohn. Bei der Namensgebung wies man ihn darauf hin, dass dies ein französischer Mädchenname sei, die männliche Variante davon sei Bastien mit einem entsprechend nasalen Laut am Ende. Gut für den kleinen Bastien. Blöd nur, dass seine Eltern ihn trotz der richtigen Schreibweise weiterhin wie ein Mädchen ansprechen. Angesichts dessen, dass der Kleine total verwöhnt und verweichlicht ist, vielleicht gar nicht so unpassend, aber das würde nur wieder überholte Klischees bedienen, die den nächsten Gender-Beauftragten (oder Beauftragtix?) in Empörung stürzen.

Nun also zu dem Fall von Frau Seeberg: Die Familienpsychologin erzählt in ihrem Buch von wahren Begebenheiten aus ihrem Alltag. Mir fiel dabei unwillkürlich ein Bild ein, das ich letztens im Kaufhaus auf einem Kalender sah: Ein Lehrer sitzt vor einem Ehepaar und sagt: „Tut mir leid, Ihr Kind ist nicht hochbegabt. Sie beide sind einfach nur sehr, sehr dumm.“ Es folgt ein Zitat.

 

 

Es roch nach Schweiß, Zigarettenqualm, Frittierfett und nassem Hund. Mal wieder.

Dieser Geruch fällt mir bei so vielen Leuten, zu denen ich als Gutachterin komme, auf. Manchmal mit mehr Zigarettenqualm, manchmal variiert durch Windel- und Erbrochenemaroma, falls kleine Kinder und/oder schwerste Alkoholiker im Haushalt leben. Aber irgendwie ist er doch immer ähnlich. Warum frittieren diese Leute alle ihr Essen? Ist das billiger? Geht das schneller? Oder handelt es sich um eine Familientradition? Jemand sollte diesen Zusammenhang einmal erforschen.

 

Es ging diesmal um eine Mutter und ihre siebenjährige Tochter, Schakkeline. Ja, genau. Schakkeline. Wird genauso geschrieben. Und gesprochen. Ja, auch geschrieben. Mit sch, zwei k und allem Drum und Dran: Schakkeline.

Wie in einer schlechten RTLII-Frauentausch-Parodie.

Ihr sechs Jahre älterer Bruder, Dewid, lebte bei seinen Großeltern väterlicherseits im Harz. Dewid... Wenn man es laut liest, weiß man, welcher Name sich eigentlich dahinter verbirgt. Und auch dieser wurde genau so geschrieben, wie ihn seine Eltern aussprachen: Dewid. Tatsache.

Wahrscheinlich hieß der zuständige Standesbeamte Üffes und hatte im Laufe der Jahre einen perfiden Sinn für Humor entwickelt, weil er sich ständig die urbane Legende vom Üffes anhören musste, der eigentlich Yves heißt, von seinen Eltern aber „Üffes“ genannt wird, weil die eben nicht wissen, dass Yves französisch ist und entsprechend ausgesprochen wird. Ich stelle mir vor, wie Üffes, mittlerweile Anfang vierzig, da hinter seinem dunkelbraunen Schreibtisch sitzt, der immer ein bisschen wackelt. Egal wie viele Bierdeckel Üffes Schneider – er hat sicher einen ganz langweiligen Nachnamen – darunterlegt, immer wackelt der Tisch ein wenig, ohne dass herauszufinden ist, wo genau die Ursache dafür liegt. Vielleicht hat sich der Tisch im Laufe der Jahre schlicht und ergreifend der Persönlichkeit seines Besitzers angepasst. Und weil sein Leben aus schlechtem Kaffee, einer unbefriedigenden Schwärmerei für die Dame, die in der Kantine an der Kasse sitzt, und dem ewigen Gewackel seines Schreibtischs besteht, begann Üffes Schneider eines Tages damit, bei der Anmeldung Neugeborener jeden, aber auch wirklich jeden Namen anzunehmen und keinerlei Korrekturen bezüglich deren Schreibweise vorzuschlagen. Im Gegenteil, er ging sicherlich irgendwann dazu über, den Leuten einzureden, dass man gewisse Namen tatsächlich so schreibe, wie man sie spreche. Das ist zwar niederträchtig vom Herrn Schneider und auch gemein den wehrlosen Kindern gegenüber, aber ein bisschen tat er mir auch leid.

 

Aber nun zu Schakkeline beziehungsweise ihrer Mutter, Frau Höffers: Sie hatte nie mit Schakkelines Vater (dem Mann nach Dewids Vater) zusammengelebt, aber ihre Tochter hatte Kontakt zu ihm und auch zu dessen Eltern. Immerhin. Die Großeltern und der Vater schienen den Berichten des Jugendamtes und der Schule zufolge nicht ganz unfähig zu sein, sodass ich die Hoffnung hegte, Schakkeline dort unterbringen zu können. Denn, wie sich spätestens im Laufe der Interaktionsbeobachtung herausstellte, tat die Mutter dem kleinen Mädchen keineswegs gut – im Gegenteil.

Frau Höffers hatte dreifarbige Haare und ein Zungenpiercing, das den Blick ganz wunderbar auf ihren Mund lenkte, sodass man die verfaulten Zähne und den ständig vorhandenen Speichelfaden im Mundwinkel immer vor Augen hatte. Warum eigentlich? Ich habe mich wirklich bemüht wegzusehen, aber es war kaum möglich. Wenn ich es mir recht überlege, ist dieses Zungenpiercing in Verbindung mit verfaulten Zähnen ebenso typisch wie der Geruch der Wohnungen. Jedes Mal nehme ich mir vor zu googeln, ich meine natürlich: zu recherchieren, ob vielleicht Piercings zu verfaulten Zähnen führen können. Wenn aber zuerst die braunen Stumpen da waren, ist es dann nicht einigermaßen dämlich, dann auch noch durch eine Glitzerkugel darauf hinzuweisen?

 

Im Einzelgespräch berichtete mir Frau Höffers, dass Schakkeline nach den Sommerferien noch einmal die erste Klasse wiederholen solle. Die Lehrerin habe gesagt, sie könne noch nicht genug, um mit ihren Klassenkameraden in die zweite Klasse zu gehen, und müsse noch einmal von vorne anfangen. Sie habe das ihrer Tochter so weitergegeben, worauf diese „voll rumgeheult“ habe. Es war offensichtlich, dass Frau Höffers keinerlei Verständnis für ihre Tochter hatte. Auf meine Frage, wie sie denn auf ihr Weinen reagiert habe, schaute mich Schakkelines Mutter leer an: „Wie jetz?“

„Na ja, haben Sie etwas zu ihr gesagt? Sie getröstet?“

Man könnte Frau Höffers zugutehalten, dass sie angestrengt in ihren Erinnerungen kramte und versuchte, etwas hervorzuholen, das als passende Antwort angesehen werden konnte. Schließlich wurde sie fündig und grinste mich samt braunen Zahnstumpen, Piercing und Speichelfaden im Mundwinkel an, als hätte ihr jemand eröffnet, dass sie gerade die goldene Friteuse gewonnen hatte, und sagte stolz: „Na, ich hab ihr gesagt, sie soll da mal nicht so blöd rumheulen.“

Da ich wohl nicht mit der Begeisterung reagierte, die sie erwartet hatte, fügte sie hinzu: „Und dann hab ich ihr gesagt, dass sie ja später wieder eine Klasse überspringen kann. Hab ich ja auch gemacht. Zweimal. Also ist das ja jetzt nicht so schlimm, wenn sie mal ’ne Klasse wiederholen muss, ey.“

Ich befürchte, dass mir kurzfristig die Gesichtszüge entgleisten. Ich fragte noch einmal nach...

„Ja, klar hab ich eine Klasse übersprungen, ey! Sogar zweimal!“ Auf meine erneute Nachfrage stellte sich heraus, dass sie „einen ganz normalen Schulabschluss halt, normal halt“ hatte (nämlich keinen – sie war auf einer Sonderschule gewesen und ohne Abschluss abgegangen). Sie war aber dennoch der festen Überzeugung, dass sie zweimal eine Klasse übersprungen habe, „weil, da hätte ich wieder in die sechste gesollt und bin dann auf der anderen Schule in die siebte. Und das dann danach noch mal. Statt noch mal die siebte in die achte. Also eine übersprungen. Zweimal.“ Sie rechnete mir wilde Sachen vor, bis sie zu dem Ergebnis kam, dass sie wahrscheinlich sogar dreimal eine Klasse übersprungen habe. Beeindruckend – auf eine Art...

Meine Tochter wäre sicher interessiert, den Rechenweg zu erfahren, um früher die Schule verlassen zu können.

 

Frau Höffers erklärte mir, dass auch ihre Schwester und ihr Bruder hochbegabt seien. Das liege bei ihnen in der Familie. So sei es auch bei ihrer Tochter. „Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey! Da kann man nix machen. Wir sind alle so. Die ganze Familie ist hochbegabt. Das ist so ein Genetik, das bei uns anders ist. Verstehen Sie? Das ist dann nur in unserer Familie. Okay, wenn die Schakkeline mal heiraten tut, kann der Mann das dann auch bekommen. Aber sonst bleibt das nur bei uns.“

Es war klar, dass Frau Höffers’ kognitives Niveau eher suboptimal war. So drücke ich das in Gesprächen mit Jugendamt und Gericht immer aus, um nicht sagen zu müssen, dass die Eltern leider strohdoof sind.

 

Ich war jedenfalls froh, als das Gespräch mit der Mutter beendet war und Schakkeline von der Schule nach Hause kam. Bei Interaktionsbeobachtungen muss ich den Leuten ja nicht ständig gegenübersitzen und sie anschauen.

Nach zehn Minuten wünschte ich mir jedoch die Gesprächssituation zurück. Denn Schakkeline tat mir so leid – und das nicht nur wegen ihres Namens.

Ihre Mutter gab ihr ständig widersprüchliche Anweisungen, was dazu führte, dass das Mädchen das einzig Richtige tat, nämlich gar nichts mehr. Nach den Aufforderungen, sowohl die Schultasche abzulegen als auch „jetzt gefälligst mal hier zu bleiben“, die Schuhe sofort auszuziehen, sich „ja wohl mal als Allererstes die Hände zu waschen“ und ihr „sofort wenigstens eiiiiin-maaaal“ zu helfen, den Tisch zu decken, wäre ich wohl auch verwirrt gewesen und hätte mich nicht mehr gerührt – zumal all das in einem extrem unfreundlichen Tonfall vorgetragen wurde und es wohl wahrscheinlich besser war, gar nichts zu tun anstatt das Falsche.

Schakkeline stand also da, schaute auf den Boden und bewegte sich nicht. Ihre Mutter packte sie an den Schultern, drehte sie um und schubste sie mit einem „Boooooah, ab, Hände waschen, wir ham Besuuuuuch!“ in Richtung Bad. Endlich wusste das Mädchen, was zu tun war.

Die gesamte folgende Interaktion ging genau in diesem Stil weiter. Eine Anweisung nach der anderen, teilweise widersprüchlich, teilweise unverständlich: „Jetzt, boah, mach mal, hopp, da, mach doch das, da! Mann, ey!“

Das war wirklich ihr O-Ton. Ich habe mitgeschrieben.

Ich fand es schwer auszuhalten und habe mich mal wieder gefragt, warum ich eigentlich nichts Anständiges gelernt habe. Oder zumindest einen Job mache, bei dem ich einfach von vornherein und ausschließlich helfen kann und nicht ewig lange beobachten muss, um hinterher nur das Allerschlimmste abwenden zu können. Die arme Kleine tat mir so leid. Ich glaube, sie hätte wirklich gern getan, was ihre Mutter von ihr wollte, aber es war einfach unmöglich herauszufinden, was zum Henker das sein sollte.

 

Ich habe die Interaktionsbeobachtung nach einer Stunde beendet – und denke im Nachhinein, dass das eigentlich noch viel zu lange war. Also, für mein Wohlbefinden war es definitiv zu lang. Für die Begutachtung natürlich nicht, denn es hätte ja sein können, dass sich doch noch was Positives entwickelt. Ein Spiel oder etwas in der Art... Ich hatte Frau Höffers mehrfach darauf hingewiesen, dass sie ruhig auch etwas mit Schakkeline spielen könne, aber ich befürchte, so etwas hatte sie noch nie gemacht.

Im Einzelgespräch, das ich mit Schakkeline in ihrem vollgestellten Kinderzimmer führte, war das Mädchen angenehm offen und gesprächig. Sie war keineswegs dumm, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie tatsächlich den Stoff der ersten Klasse nicht aufnehmen konnte.

Es musste einen anderen Grund für ihr schulisches Versagen geben. Dieses Kind hatte durchaus Potential, und niemand hatte es bemerkt! In solchen Momenten frage ich mich, was die Lehrer eigentlich tun. Na ja, die sind auch nur Menschen und haben dreißig Kinder in der Klasse. Und Schakkeline war kein auffälliges Kind. Dennoch... Die Lehrerin hätte sich nur einmal eingehend mit Schakkeline beschäftigen müssen, um zu bemerken, dass ihr Schulversagen ganz sicher andere Gründe hatte als mangelnde Begabung oder eine zu langsame Auffassungsgabe.

Schakkeline war still und zurückhaltend, verschwand also wahrscheinlich komplett vom Radar der Lehrerin, wenn im gleichen Klassenverband fünf bis sieben hyperaktive Kevins den Hannahs ihre Lillifee-Jacken in die Jungentoilette stopften. Gelegentlich kam es vor, dass Lehrer nach Gesprächen mit Eltern wie Frau Höffers annahmen, dass deren Schakkelines auch eher suboptimal ausgestattet waren. Oder sie schlossen einfach von dem dämlich geschriebenen Namen auf das Potential des Kindes.

Schakkeline aber war wissbegierig und konnte sich im Eins-zu-eins-Kontakt auch viel länger konzentrieren, als mir beschrieben wurde.

Nun war ich gespannt auf den Vater, den ich als nächstes treffen würde. Ich betete, dass er die Defizite der Mutter würde ausgleichen können.

 

Leider war es gar nicht von Belang, ob Herr Liedke dies können würde oder nicht. Er saß breitbeinig auf seinem leopardenimitationsdeckenbehangenen Sofa, rauchte eine Selbstgedrehte nach der anderen und hatte schlicht keinerlei Interesse an seiner Tochter. „Ja, die Schakkeline besucht mich immer mal wieder hier, aber ich hab da keine Zeit für. Die ist dann bei meinen Eltern und meiner Schwester oder so.“ Er machte eine Handbewegung, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. „Ich hab ja einen Job, und dann will man ja auch mal ein bisschen Freizeit haben! Man kann ja nicht immer nur arbeiten und dann das Kind da um sich haben. Das geht nicht. Das ist ja mal klar!“

Ja, stimmt... Wie konnte irgendwer nur auf die irrsinnige Idee kommen, dass ein Mann mit einem Job sich auch noch um seine Tochter kümmern konnte?

„Und dann hab ich ja auch eine Freundin. Da geht ja auch schon mal Zeit drauf. Und wo soll ich denn dann mit der Schakkeline hin, wenn die da ist? Also, das ist von mir aus schon irgendwie okay so, wie es jetzt ist, aber öfter kann die Schakkeline echt nicht zu mir kommen. Für so was fehlt mir echt die Zeit, wissen Sie.“

 

Das Gespräch mit Herrn Liedke war schnell beendet. Der Vollständigkeit halber erkundigte ich mich, ob er für den Fall, dass Frau Höffers sich nicht mehr um Schakkeline kümmern könne, sich vielleicht vorstellen könnte... Da unterbrach er mich schon: „Wenn die Frau Höffers ihren Arsch nicht hochkriegt, dann kann ich da auch nichts dafür. Die soll mal schön ihren Job machen. Immerhin kassiert die da Kindergeld und so was für. Dann soll die auch mal was machen, die faule Kuh, die. Also, das seh ich echt nicht ein, dass ich der dann auch noch helfen soll. Außerdem hab ich keine Zeit für die Schakkeline. Hab ich doch gesagt. Also, nee, echt nicht!“

 

Ich hatte mich gerade von ihm verabschiedet und das Haus verlassen, als eine junge Frau direkt auf mich zukam und mir ihre Hand hinstreckte. „Hallo, ich bin Manuela Liedke, Herrn Liedkes Schwester. Hätten Sie kurz Zeit?“ Sie machte eine einladende Armbewegung in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Ich würde gern mit ihnen sprechen. Ich... Also, ich wohne gleich um die Ecke.“

Ich war mit Herrn Liedke schneller fertig geworden, als ich geplant hatte. Also hatte ich noch Zeit bis zum nächsten Termin. Und da ich nicht unhöflich sein wollte und zudem neugierig war, stimmte ich zu.

Manuela Liedke war etwa Anfang dreißig, wohnte in einer einfachen, aber netten Wohnung und knetete nervös ihre Hände. „Kommen Sie doch rein. Hier... Also, ich habe... wenn sie wollen...“ Sie machte eine fahrige Geste in Richtung Kaffeetisch. Sie hatte zwei Tassen samt Untertassen aus mit Rosen bedrucktem Porzellan hingestellt, eine passende Kanne (mit Kaffee, nahm ich an) sowie ein kleine Milchkanne samt Zuckerdose. Dazu einen Teller mit ordentlich drapierten Keksen und ebenso gefalteten Servietten.

„Ich hab gewartet, bis ich Sie... Also, ich hab vor dem Haus gewartet, damit ich mitkriege, wenn Sie sich verabschieden, weil... Also, ich wollte mit Ihnen reden und wusste nicht... Also, das ist mir alles ein wenig peinlich jetzt...“

Ich fand Manuela Liedke gar nicht peinlich, sondern erfrischend ehrlich und authentisch. Und zudem schien sie im Gegensatz zu ihrem Bruder ein irgendwie geartetes Interesse an Schakkeline zu haben. Sonst hätte sie diesen Aufwand nicht betrieben.

„Ich hab die Lina gerne hier, wissen Sie?“

„Verzeihung, wen?“

Lag eine Verwechslung vor? Trank ich in einer ganz falschen Wohnung nicht für mich bestimmten Kaffee?

Frau Liedke hatte offenbar ähnliche Gedanken, denn sie riss die Augen auf. „Na, die Lina! Wegen ihr waren Sie doch bei meinem Bruder, oder nicht? Sie...“

Aber dann lächelte sie erleichtert.

„Schakkeline.“

„Ah...“

„Schakkeline ist Lina. Wir sagen schon immer Lina zu ihr. Schakkeline... Also, das ist ja wohl ein schlechter Scherz, oder? Mal ehrlich! Ich kann nicht fassen, dass sie jetzt in der Schule auch noch so genannt werden muss. Das ist doch... Also, ich glaube, dass das nicht gut ist. Da denkt die Lehrerin natürlich gleich, dass sie ein bisschen dumm ist. Oder?“

Jetzt lächelte auch ich erleichtert. Ich saß in der richtigen Wohnung mit einer Frau am Tisch, die offensichtlich die Möglichkeit hatte, die Situation zu retten. Und das tat sie dann auch.

Schakkeline, also Lina, zog zu ihrer Tante, Manuela Liedke. Frau Höffers wollte dem zwar zunächst nicht zustimmen, konnte sich aber erstaunlich schnell damit anfreunden, als Frau Liedke ihr versicherte, dass sie das Kindergeld behalten und Lina weiterhin bei ihr gemeldet sein könne. Sie arbeitete als Sekretärin bei einem Steuerberater und erklärte mir, dass sie auch ohne Kindergeld für Lina würde sorgen können.

Lina wiederholte die erste Klasse auf einer neuen Schule im Wohnumfeld von Frau Liedke und kam dort sehr gut zurecht – sie übersprang zwar keine Klasse, bewältigte den Schulstoff aber mehr oder weniger mühelos, fand schnell neue Freunde und fühlte sich bei ihrer Tante offenbar sehr wohl.

Ihren Vater sah sie hin und wieder, und auch ihre Mutter besuchte sie ab und an. Allerdings nicht wirklich oft, was aber weder Vater noch Mutter störte. Und Lina ebenso wenig.

 

 

Diese und andere Geschichten in:

"Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey!" von Sophie Seeberg

Buchvorstellung: Kafkas Puppe Buchvorstellung, Literatur

Autor:  halfJack

„Verbraucht alle Kohle, leer der Kübel, sinnlos die Schaufel!“ Franz lächelt, als sie wieder auf der Straße gehen.

„Was sagst du?“

„Wir werden nicht erfrieren!“

„Was macht dich plötzlich so sicher, Lieber? Du hast gehört, was für eine Angst die Leute vor dem Winter haben.“

„Wenn unser Ofen kalt ist, nehmen wir den Kübel und reiten darauf zum Händler!“

„Was ist das für ein merkwürdiges Rätsel?“, lacht Dora.

„Als Kübelreiter, die Hand oben am Griff, dem einfachsten Zaumzeug, reiten wir die Treppe hinab, vorbei am staunend aufgerissenen Maul unserer Wirtin. Unten aber steigen wir auf in den silbernen Himmel, prächtig dahinfliegend quer über die dunkle Stadt hin zum Kohlenhändler.“

„Wir reiten zum Kohlenhändler? Wie auf einem fliegenden Teppich?“

„Der Mann wird aus seinem Keller herausstürzen  und rufen, oh, unsere beste Kundschaft! Immer pünktlich bezahlt! Was darf es sein? Und schon beeilt er sich, unseren Kübel mit Kohle zu füllen, voll bis an den Rand, und noch eine Schaufel oben drauf. Nein, wir werden nicht frieren, ganz sicher nicht! Mit unserem Kübel reiten wir hin, wann immer es notwendig ist, und besorgen uns alles, was wir brauchen. Nicht auf dem fliegenden Teppich. Mit unserem wunderbaren Kohlenkübel reiten wir, liebste Dora.“

„Was du immer für Ideen hast! Komm, lass uns nach Hause gehen, zu unserem wunderbaren Kübel, und den Ofen heizen!“

„Ja“, erwiderte Franz. Er sagt ihr allerdings nicht, dass seine Geschichte vom Kübelreiter, im vorigen Jahre geschrieben, als er Dora noch nicht kannte, gar kein gutes Ende nimmt: abgewiesen vom Kohlenhändler und dessen Frau, die ihn gar mit der Schürze fortwedelt, fort aus dem Hof; nicht einmal eine Schaufel mit der schlechtesten Kohle, nur gefüllt mit ihrem Staub sozusagen, nicht einmal das ist zu haben für jemanden, der nicht sogleich bezahlen kann. Die Schürze der Frau scheucht den armseligen Reiter und seinen Kübel im Nu wieder fort und er steigt auf in die Regionen der Eisgebirge und verliert sich auf Nimmerwiedersehen.

„Wenn dieser schöne Herbst vorbei ist und die Kälte kommt“, sagt Franz, „haben wir, wenn der Kübel wirklich leer ist, immer noch viel Papier, um den Ofen anzuheizen.“

„Papier?“

„Einen Koffer voll Erzählungen, Notizen, Briefe. Die vielen tausend Seiten müssen zu etwas gut sein!“

„Deine Manuskripte willst du verbrennen?“

„Sie werden uns wärmen, Dora, sie werden uns in den kalten Nächten, die noch kommen, vor dem Erfrieren retten.“

„Aber...“

„Kein Aber, Liebste. Jahrelang habe ich vergebens versucht, mich an meinem Schreiben zu erwärmen. Doch Wärme wird es nur geben, wenn das Papier im Ofen landet.“

„Ich werde nichts verbrennen!“, sagt sie, fasst seinen Arm fester und beschleunigt den Schritt. Doch sie würde es sicher tun, wenn sie Franz Kafka damit auch nur eine Nacht lang retten könnte.

 

Gerd Schneider

Kafkas Puppe

 

Als wir in Berlin waren, ging Kafka oft in den Steglitzer Park. Ich begleitete ihn manchmal. Eines Tages trafen wir ein kleines Mädchen, das weinte und ganz verzweifelt zu sein schien. Wir sprachen mit dem Mädchen. Franz fragte es nach seinem Kummer, und wir erfuhren, dass es seine Puppe verloren hatte. Sofort erfindet er eine plausible Geschichte, um dieses Verschwinden zu erklären: „Deine Puppe macht nur gerade eine Reise, ich weiß es, sie hat mir einen Brief geschickt.“ Das kleine Mädchen ist etwas misstrauisch: „Hast du ihn bei dir?“ „Nein, ich habe ihn zu Haus liegen lassen, aber ich werde ihn dir morgen mitbringen.“ Das neugierig gewordene Mädchen hatte seinen Kummer schon halb vergessen, und Franz kehrte sofort nach Hause zurück, um den Brief zu schreiben.

„Mein Leben mit Franz Kafka“ von Dora Diamant

 

Fiktiv, wenn auch mit vielen biografischen Inhalten angereichert, wird in „Kafkas Puppe“ diese Begegnung geschildert. Es ist eines jener traurigen Kinderbücher, die von der Suche nach dem Glück handeln, von der Einsamkeit im Heim und von dem noch unbekannten Leiden der Erwachsenen. In dieser Hinsicht erinnert es an Klassiker wie „Mio mein Mio“ oder „Der kleine Lord“, in seiner Härte manchmal an „Huckleberry Finn“. Es gibt etliche Beispiele und viele enden in irgendeiner Weise mit einem Lichtblick. Viele, aber eben nicht alle; manche auch nur mit einer düsteren Ahnung davon, dass es vielleicht doch nicht das erträumte Land und die liebenden Eltern gibt, sondern nur die Kälte draußen vor der Tür oder lediglich den Trost, eine Kinderseele sei besonders geliebt worden, wenn sie frühzeitig stirbt, wie in „Hallo, Mister Gott, hier spricht Anna“.

„Kafkas Puppe“ geht anders an die Sache heran, das eigentlich Tragische bleibt unterschwellig nicht dem Kind vorbehalten. Damit erinnert diese Geschichte eher an den Ursprung für Barries Peter Pan, an seinen stellenweise autobiografischen Roman „Kleiner weißer Vogel“ oder den Film „Finding Neverland (Wenn Träume fliegen lernen)“.

Ich glaube, es geht etwas verloren, wenn man manche Bücher, Filme oder ähnliches nicht im frühen Alter kennen lernt. Auf der anderen Seite eröffnet der Blick des Erwachsenen gerade jene Rezeption, die einen wünschen lässt, etwas eher gelesen zu haben. Als Kind hätte ich dieses Buch mit Sicherheit geliebt. Genauso sicher hätte ich es zum Schluss wenig hoffnungsvoll gefunden. Die Geschichte kann man nun einmal nicht umschreiben.

Es ist 1923, als Kafka das Mädchen trifft und ihr fortan täglich im Park einen Brief ihrer Puppe überreicht. Zu dieser Zeit ist er bereits schwerkrank. Im folgenden Jahr wird er an seiner Lungentuberkulose sterben, womit ihm im Gegensatz zu seiner Familie erspart bleibt, ins Konzentrationslager deportiert zu werden. Seine Briefe an das kleine Mädchen sind bis heute verschollen.

Venus im Pelz Literatur

Autor:  halfJack

Wanda zu Severin:

Ich glaube wahrhaftig, dein ganzer Wahnsinn ist nur eine dämonische, ungesättigte Sinnlichkeit. Unsere Unnatur muss solche Krankheiten erzeugen. Wärst du weniger tugendhaft, so wärst du vollkommen vernünftig.

Der Genuss macht allein das Dasein wertvoll, wer genießt, der scheidet schwer vom Leben, wer leidet oder darbt, grüßt den Tod wie einen Freund; wer aber genießen will, muss das Leben heiter nehmen, im Sinne der Antike, er muss sich nicht scheuen, auf Kosten anderer zu schwelgen, er darf nie Erbarmen haben, er muss andere vor seinen Wagen, vor seinen Pflug spannen, wie Tiere; Menschen, die fühlen, die genießen möchten, wie er, zu seinen Sklaven machen, sie ausnützen in seinem Dienste, zu seinen Freuden, ohne Reue; nicht fragen, ob ihnen auch wohl dabei geschieht, ob sie zugrunde gehen. Er muss immer vor Augen haben: wenn sie mich so in der Hand hätten, wie ich sie, täten sie mir dasselbe, und ich müsste mit meinem Schweiße, meinem Blute, meiner Seele ihre Genüsse bezahlen. So war die Welt der Alten, Genuss und Grausamkeit, Freiheit und Sklaverei gingen von jeher Hand in Hand; Menschen, welche gleich olympischen Göttern leben wollen, müssen Sklaven haben, welche sie in ihre Fischteiche werfen, und die Gladiatoren, die sie während ihres üppigen Gastmahls kämpfen lassen und sich nichts daraus machen, wenn dabei etwas Blut auf sie spritzt.

"Venus im Pelz" von Leopold von Sacher-Masoch