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Satanismus - Unschuld ist heilig und Hass erlaubt Satanismus

Autor:  halfJack

Eine ganze Menge von Leuten dachte früher, dass Gothics und Satanisten das Gleiche wären. Doch die meisten der in die Schwarze Szene Integrierten wehren sich vehement gegen eine Bezeichnung als Satanisten. Einige vertreten häufig noch die Ansicht, Satanisten würden Kinder opfern und einem Satan frönen und wollen sich von einer solchen Einordnung (verständlicherweise) distanzieren. Dabei lassen sie völlig außer Acht, was den Satanismus eigentlich ausmacht.
All jene Beispiele von "Kindern und Jungfrauen als Menschenopfer" sind bestenfalls Ausdruck eines individuellen Satanismus', bei dem sich jemand gedacht hat, er könne für seine Taten einfach mal das Böse schlechthin zum Grund erklären. Viele "echte" Satanisten würden an dieser Stelle ziemlich entrüstet sein, sich mit solchen kriminellen Vollidioten wie dem Ehepaar Ruda vergleichen zu lassen.

Die Form des Satanismus, die auf der satanischen Bibel von LaVey beruht und auf die sich mittlerweile die meisten berufen, lässt Opferungen aller Art völlig außen vor und verabscheut sie sogar. Die Grundregeln 9 bis 11 besagen nämlich, man solle keine Kinder verletzen, keine Tiere töten, wenn sie einen nicht angreifen oder man sie verzehren möchte, und man soll keine Menschen in der Öffentlichkeit belästigen.

Satan steht eher für die Individualität an sich, für das eigenverantwortliche Denken und Handeln im Menschen und dafür, sich nicht von einem höheren Gott oder einer überirdischen Kraft unterdrücken zu lassen. Darum könnte auch jeder Atheist dieser "Lehre" angehören. Hinzu kommt, dass dieser (autarke) Satanismus die Bibel nicht verneint; es ist eher eine weitere Form des Christentums, die sich von ihm abgezweigt oder vielmehr von der Kirche losgelöst hat.
Im Neuen Testament, also im Christentum, war Satan durchaus ein Zeichen des Bösen. Im Alten Testament und demnach in allen ursprünglichen Religionen, die einen einzigen Gott verehren, aber nicht. Die ersten monotheistischen Anschauungen enthielten nicht das absolute Böse, sondern betrachteten es als einen Teil vom Ganzen. Häufig wird der im Alten Testament beschriebene "Geist", der später die Rolle des Teufels einnimmt, als ein Prüfer angesehen. Er stand direkt unter Gott als einer seiner Angehörigen, der für Gott die Menschen auf ihren Glauben prüfen sollte, und er war demnach nichts zwingend Schlechtes. Natürlich rief er das Böse im Menschen hervor, aber das hing schließlich wiederum vom Menschen ab.
Die anderen beiden, eher neuzeitlichen Ansichten beruhen darauf, dass man Gott als den Unterdrücker des Menschen sieht und Satan als dessen Befreier, wie Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte und dafür in den Orkus verbannt wurde. Da steht Luzifer als Lichtbringer im Mittelpunkt. Allerdings ist diese Meinung auch ein wenig benachteiligend für den Menschen, da Luzifer schließlich erst aus dem Himmel verbannt wurde, als er sich weigerte, vor Adam, der Krone der Schöpfung Gottes, in die Knie zu gehen. Warum sollte Luzifer dem Menschen also wohlgesonnen sein, wenn er ihn nur als einfachen unwürdigen Lehmklumpen ansah? Diese Anschauung nennt man jedenfalls gnostisch umgewerteten Satanismus.
Beim zweiten, dem integrativen Satanismus werden Gott und Teufel gleichgesetzt, sie sind Teil ein und derselben Kraft im Menschen. Das muss ebenfalls nichts zwingend Übernatürliches sein, wenn man erneut auf atheistische Ansichten verweist.

Viele, die sich satanistischen Vorstellungen angeschlossen haben, waren - wenn überhaupt - nur deswegen gegen das Christentum, weil sie es als Unterdrückung ansahen und die in der Bibel beschriebenen Opferungen verachteten. Für sie hat jedes Leben den gleichen Wert, egal ob Mensch oder Tier. Wie gesagt, dem unschuldigen Leben darf kein Leid angetan werden. (Darum werden einige Satanisten auch zu Vegetariern.) Besonders in der Lehre von LaVey spielt das eine große Rolle.
Bei Crowley, Begründer des Satanismus vor LaVey, der sich selbst als das Tier 666 bezeichnete, sah das anfangs allerdings auch ein wenig anders aus, so viel möchte ich noch hinzufügen. Man muss ihm zugestehen, dass er wahrscheinlich nur so geworden ist, weil seine Eltern einer fanatischen christlichen Sekte angehörten, wobei sich Crowley jedoch in seiner extremen Anschauung später geändert hat und weniger radikal auftrat.
Es gibt genauso christliche Glaubensorden, die völlig neben der Spur laufen und denen anscheinend nur Bekloppte angehören. Solche Vereinigungen, die zum Beispiel meinen, nicht Gott sondern Satan hätte die Welt erschaffen, um Gott zu ärgern und die Seelen der Menschen in dieser Welt gefangen zu halten. Um von dort ins Paradies zu kommen, müsse man so schnell wie möglich durch Verhungern Suizid begehen. Oder solche seltsamen christlichen Messen, bei denen Sperma und Menstruationsblut als der Leib Christi verzehrt wird. Da steht das Christentum dem Satanismus in nichts nach.

Satanismus und kirchliches Christentum sind sich in vielen Dingen erstaunlich ähnlich. Es gibt positive Sachen und negative, wobei ich für mich persönlich sagen muss, dass die positiven auf der Seite des Satanismus eindeutig überwiegen. Dafür ist er letztendlich aber auch gefährlicher. Gefährlich ist zum Beispiel, dass keine Unterscheidungen vorgenommen werden, was die Bezeichnungen im Satanismus anbelangt. Alles, egal in welche Richtung es geht, kann unter Satanismus eingeordnet werden, selbst irgendwelche tier- oder kinderopfernden Idioten. Natürlich haben die einzelnen Orden ihre Namen, aber es gibt im Grunde genommen keine einheitliche "Kirche" (abgesehen von der Church of Satan, aber bei der geringen Mitgliederzahl...).
Beim Christentum gibt es zumeist zwei verschiedene Glaubensbekennungen, katholisch und evangelisch, und der Rest wird anders genannt oder es sind irgendwelche Randerscheinungen und Sekten, die allerdings alle davon distanziert betrachtet werden können. Geht es jedoch um den Glauben um Satan oder einfach nur um Ansichten, die als solche bezeichnet werden können und alles gänzlich Übernatürliche verloren haben, dann wird meist an das Bild des Teufels gedacht, das im Neuen Testament auftaucht, wie ich bereits weiter oben erklärte.

Verallgemeinerung und Irrglauben sind meist die Folge. Dabei bauen beide "Religionen" aufeinander auf - der Satanismus greift eine ganze Menge Dinge aus der Bibel auf, die widersprüchlich sind, und wandelt sie deshalb in eine ebenfalls auf diesen Grundlagen aufbauende Philosophie um (wohlgemerkt nicht bei allen Ausrichtungen).

Ein Beispiel:
William Blake - Die Hochzeit zwischen Himmel und Hölle
"Wenn Jesus Christus der größte Mensch ist, solltest du ihn in höchstem Maße lieben. Höre doch, wie er das Gesetz der zehn Gebote bekräftigt hat: Spottete er nicht über den Sabbat und somit auch über den Sabbatgott? Mordete er nicht jene, die um seinetwillen gemordet wurden? Wandte er nicht das Gesetz ab von der Ehebrecherin? Stahl er nicht die Arbeit anderer, sich selbst zunutze? Legte er nicht falsches Zeugnis ab, als er vor Pilatus sich zu verteidigen unterließ? War er nicht begehrlich, als er für seine Jünger betete und sie den Staub von ihren Füßen schütteln hieß gegen die, die ihnen Herberge weigerten? Ich sage dir, keine Tugend kann bestehen, ohne dass diese zehn Gebote gebrochen werden. Jesus war ganz Tugend und handelte aus innerem Antrieb, nicht nach Regeln."

Die Grundgedanken des Satanismus sind nicht schlecht. Außerdem ist dieses Thema in der Literatur sehr interessant: Charles Baudelaire, John Miltons "Paradise Lost", Dantes "Inferno" oder die Trilogie "His Dark Materials" von Philip Pullman, der von allem ein wenig in seine Erzählung eingebaut hat.
Gesellschaftsrebellion durch Satanismus dagegen finde ich inhaltlos. Oder wenn man daraus Kommerz macht, wie Marilyn Manson oder Cradle of Filth. Bei den Berühmtheiten aus Amerika scheint es ja ein Trend zu sein, irgendeiner Organisation anzugehören, wie beispielsweise Tom Cruise. Und wenn man mal hinter die Fassaden blickt, dann sind nicht nur Orden wie Church of Satan in dieser Richtung orientiert, auch Scyntology, die Illuminaten oder Freimaurer, sie alle haben ihre Wurzeln bei derlei Gruppierungen, den Rosenkreuzern, O.T.O. (Ordo Templi Orientis), die in anderer Richtung als Satanismus bezeichnet werden und die ursprünglich aus den christlichen Ritterorden entstanden sind.

Dass viele nur irgendwelchen Trends nachjagen, sehe ich da als echtes Problem. Es gibt schon zu viele, die als Modegothics (oder mittlerweile Emos?) rumlaufen. Und vielleicht ist gerade das ein Grund, um ein wenig mehr in dieser Richtung aufzuklären, damit nicht so viele Trugschlüsse entstehen. Wenn ich mal die Bücher von Ravensburger ansehe, in denen Satanismus eine Rolle spielt, dann muss ich feststellen, dass dort hoffnungslos falsch ausgelegt und/oder verallgemeinert wird. Natürlich gibt es auch solche Gruppen und ich will ihren Stellenwert als Satanismus nicht bestreiten, aber echter Satanismus ist das für mich nicht.
Na ja, ich bin kein Satanist, generell glaube ich an nichts außer mich selbst (obwohl das wieder die beste Voraussetzung für diese "Glaubensrichtung" wäre). Ich finde es nur schade, dass besonders dieses Thema so voller Missverständnisse steckt.

 

Literatur:

LaVey, Anton Szandor: Die Satanische Bibel & Die Satanischen Rituale, Zeltingen-Rachtig 2007.

Schweer, Thomas: Satanismus, München 2004.

Schmidt, Joachim: Satanismus. Mythos und Wirklichkeit, Marburg ²2003.

Dvorak, Josef: Satanismus. Schwarze Rituale, Teufelswahn und Exorzismus. Geschichte und Gegenwart, München 2000.