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FF-Mary Sue Abhilfe-Tutorial [Diskussion]

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Inhaltsverzeichnis

Das Mary Sue – Phänomen

Wie entstand Mary Sue?

Mary Sues illustre Karriere begann im Jahre 1974, und zwar im Star Trek Universum. Die Amerikanerin Paula Smith schrieb für das Fanzine ‚Menagerie #2’ eine Fanfiction mit dem Titel ‚A Trekkie’s Tale’. Darin erschuf sie die Figur des weiblichen Lieutnants Mary-Sue, eine Halb-Vulkanierin, die mit ihren überragenden Fähigkeiten, ihrem wundervollen Charakter und ihrem blendenden Aussehen dem Trio Kirk/Spock/McCoy auf ungewöhnliche Weise das Leben rettet. Die Geschichte war ursprünglich als Parodie gedacht, jedoch avancierte diese Ur-Mary Sue zum Synonym für die strahlend schöne und von allen geliebte Heldin, um die sich stets alles dreht und die mit ihren bemerkenswerten Fähigkeiten ständig die Welt rettet. A star was born!

Was so harmlos begonnen hatte, verbreitete sich weltweit wie ein Buschfeuer durch sämtliche Fandoms. Wo auch immer Fanfics veröffentlicht werden, die Mary Sue–Klone sind nicht weit.


Was sind Mary Sues?

Sues sind sehr vielseitig, es gibt sie in zig verschiedenen Typen und den unterschiedlichsten Ausprägungen. Die Palette reicht von 'man merkt es fast nicht' (unglaublich selten!) bis hin zu diesen rundrum überperfekten, stinklangweiligen weil persönlichkeitslosen Barbie-Supergirl Sues, die nur noch Brechreiz auslösen.

Ein Symptom haben aber alle Sues gemeinsam und daran erkennt man sie todsicher: Sie drängeln sich rücksichtslos in den Vordergrund, ohne sie geht nichts. Sue ist der Dreh- und Angelpunkt einer FF, sie deklassiert systematisch alle Originalcharaktere zu Nebendarstellern. Meistens werden auch die Nebenschauplätze abgewürgt, bis sich alles nur noch um Sue dreht. Die einzige Person, die neben ihr eine wichtige Rolle spielen darf, ist der Chara, in den sie sich verliebt, denn eine Lovestory ist für eine Sue-Fic praktisch ein Muß.

Eine Sue ist in den meisten Fällen weiblich und fast immer ein nicht-originaler Charakter. Als Sonderform fungiert die Canon-Sue, in der ein Originalcharakter zu einem solchen Wundertier gemacht wird. Sues eher selten vorkommende männliche Variante wird dann Gary Stu oder auch Marty Stu genannt.
Mary Sues Erscheinungsbild lässt sich auf einen kurzen Nenner bringen: Atemberaubend! Auf die genaue Schilderung ihres wunderschönen Äußeren wird viel Sorgfalt verwendet; je mehr ausgefallene Adjektive darin vorkommen, desto echter ist die Sue. Ihre Augen sind selten einfach nur blau und ihre Haare bestimmt kein simples Braun. Die Varianten ‚tiefes Amethystviolett’ und ‚Kastanienbraun mit sonnengoldenen Strähnen’ trifft es schon eher.
Sehr gerne weist sie auch den einen oder anderen winzigen Schönheitsfehler auf, der sie aber nur noch interessanter macht und oft auch für ein Zeichen ihrer besonderen Herkunft steht.
Als Variante geistert auch noch die hässliches-Entlein-Sue herum, die dann im Lauf der Geschichte zum strahlend schönen Schwan mutiert und allen die Sinne raubt. In diesem Fall erfolgt die ausführliche Schilderung der kastanienbraunen, wallenden Haarpracht etc. halt etwas später.

Dass die Sue etwas ganz besonderes ist, erkennt man auch an ihrem Namen. Sie heißt niemals einfach nur Martha Müller oder Annie Smith, sondern wartet mit kompliziert geschriebenen, wild gemischten und möglichst langen Kreationen wie beispielsweise Kiara Chanurya Alekszandra Siobhàn Sylvija Mariko Takahashi Slytherin Gryffindor auf.

Mary Sue verfügt über Fähigkeiten, die außer ihr niemand besitzt. Meistens hat man von eben diesen Talenten auch noch nie etwas gehört. Als geborener Allrounder braucht Sue niemals etwas zu lernen, weil sie praktisch alles bereits perfekt beherrscht.
Trotz ihres jungen Alters, was sich in der Regel zwischen 18 und 25 Jahren bewegt, hat sie beruflich schon unglaubliche Erfolge erzielt und bekleidet oft Positionen, die ein Normalsterblicher erst kurz vor seiner Pensionierung erreicht.
Des Weiteren schleppt sie haufenweise Gerümpel mit sich herum, was ihr das Leben erleichtert und auf das normale Menschen ebenfalls keinen Zugriff haben. Und damit sie sich niemals einsam fühlt, stehen ihr gerne Drachen, zahme Werwölfe, Einhörner und sonstiges Getier als treue Begleiter zur Seite.

Die Sue ist entweder bei allen beliebt, oder aber tragisch missverstanden. Ihre Familienverhältnisse entsprechen praktisch nie der Norm (Vater, Mutter, Bruder), sondern bewegen sich eher in Richtung "verwaist", "verständnislose Pflegeeltern", "mächtige und berühmte, leibliche Eltern", etc. Die Vergangenheit einer Sue gestaltet sich meistens tragisch und/oder geheimnisvoll, aber trotz extremer Schicksalsschläge ist sie ausgeglichen und bei bester geistiger Gesundheit. Nichts davon hat sich negativ auf ihren wunderbaren Charakter ausgewirkt.
Oft weist sie eine bislang unbekannte Verbindung zu einem Original-Charakter auf (Dumbledores Tochter, zeitreisende Geliebte von Sirius, Harrys verschollene Zwillingsschwester, etc.), oder aber sie taucht ohne Vorwarnung in der Handlung auf (Austauschstudentin, mystisches Wesen, von Dumbldeore gerufene Retterin etc.).
Gerne ist sie auch kein einfacher Mensch, sondern kann mit einem viel fantastischeren Stammbaum aufwarten (Fee, Veela, Drache, Einhorn, Voldemort persönlich, etc... oder auch mehrere zusammen).

Bezeichnend ist auch eine Lovestory, die sich im Lauf der Geschichte zwischen Sue und einem anderen Originalcharakter entwickelt.
Am Ende bekommt Mary Sue, nachdem sie die Welt gerettet hat, ihren Prinzen und sie entschweben in den Sonnenuntergang (wahlweise auch ins Bett).
In Version 2 opfert sie sich selbstlos und stirbt einen tragischen Tod (natürlich auch erst, nachdem sie die Welt gerettet hat), worüber alle verbleibenden Rotz und Wasser heulen und nie wieder glücklich sein werden.

Soweit Mary Sues Charakterisierung, jetzt stellt sich die Frage, warum eine so wunderbare Persönlichkeit dermaßen verabscheut wird.

Warum wird Mary Sue gehasst?

Die Antwort darauf lautet kurz und bündig: Weil sie todlangweilig ist. Um das zu verstehen, dröseln wir jetzt mal ein bißchen die Mechanik einer guten Charaktererstellung auseinander:

Die Persönlichkeit

So großzügig Mary Sue auch von ihrem Schöpfer mit wunderbaren Gaben bedacht worden ist, sie weist kaum oder keine markanten Charakterzüge auf. Sue ist perfekt und mehr nicht.
Als Leser geht man aber mit den ‚Helden’ eine Art Beziehung ein, man möchte sich mit ihnen identifizieren, mitfiebern und ihr Handeln nachvollziehen und verstehen. Vereinfacht ausgedrückt: man möchte sich vorstellen können, ok, das könnte auch ich sein. Das funktioniert aber nur, wenn der Charakter differenziert gezeichnet ist und auch Fehler und Schwächen aufweist. Je sorgfältiger und vielseitiger eine Figur also konzipiert worden ist, desto lebendiger und echter tritt sie auf und desto eher ist man als Leser bereit, sie zu akzeptieren.
Mary Sue hat da als wunderschöne, alles könnende und immer nette Kunstfigur schlechte Karten, denn wer will sich schon mit Barbie oder Ken identifizieren?

Der Konflikt

In jeder guten Geschichte geht es letztendlich darum, dass ein oder auch mehrere Protagonisten vor diversen Schwierigkeiten stehen, die geklärt werden müssen. Genau diesen Prozess möchte man als Leser miterleben, man will sehen, wie sich der Held abrackern muß, um aus dem Schlamassel wieder herauszukommen, und zwar mit nachvollziehbaren Mitteln und Methoden. Je spannender und origineller das abläuft, desto fesselnder ist die Geschichte.
Beim Lesen verfolgt man also mit, wie eine Figur mit einem Problem konfrontiert wird, wie sie an die Sache herangeht, wie sie daran wächst, dazulernt und sich verändert, wie sie Rückschläge hinnehmen muß, bis sie es schließlich löst - oder auch daran zerbricht.
Nicht so die Sue, sie ist statisch und verändert sich nicht. Sie lernt auch nichts dazu oder macht neue Erfahrungen, da sie alles schon kann und weiß. Sue muß sich auch weder Gedanken machen, wie sie ein Problem jetzt lösen soll, noch braucht sie jemanden um Rat zu fragen.
Das Ergebnis ist bei ihr von Vorneherein klar, die von Sue verwendeten Methoden bergen auch keine Überraschungen. Der Autor hat ihr die Mühe einer langwierigen Suche erspart, eine ihrer vielen Fähigkeiten wird schon die passende sein, so dass das Dilemma, an dem sich alle anderen die Zähne ausbeißen, von ihr ohne größere Anstrengungen in Wohlgefallen aufgelöst wird.
Langeweile pur, denn wer liest schon gerne vorhersehbare Geschichten ohne überraschende Wendungen und mit einem Sue-Protagonisten, dessen instant-Charakter keine Veränderungen durchmacht?

Die Ausgewogenheit

Wie eingangs schon erwähnt, drängelt sich Mary Sue in den Vordergrund einer Geschichte und reißt alles an sich, bis auch der letzte Originalcharakter zum Nebendarsteller degradiert wurde und sich alles nur noch um sie dreht. Das Resultat ist, dass eine solche Geschichte flach und leblos wirkt, weil auf die nähere Ausarbeitung der anderen Figuren großzügig verzichtet wurde und auch Nebenschauplätze oft einfach unter den Tisch fallen. Sue als uneingeschränkter Dreh- und Angelpunkt der Welt, ohne sie geht gar nichts.
So eine Art des Schreibens wäre selbst für eine Biografie etwas sehr einseitig, für alles andere ist es tödlich. Eine Sue, die sowieso schon nicht viel Persönlichkeit zu bieten hat, zum absoluten Mittelpunkt zu stilisieren, gibt der Story dann den Rest. Wen interessiert eine langweilige Figur, die krampfhaft zur alleinigen Hauptsache gemacht wird?


Es finden sich garantiert auch noch mehr Gründe, warum Mary Sue so verhasst ist, das hier sind wohl die wichtigsten.
Jetzt ist also klar, was eine Mary Sue ist und warum niemand außer ihrem Schöpfer sie mag, wenden wir uns nun der Frage zu, warum fast jeder schon mal eine fabriziert hat bzw. es so häufig vorkommt.

Woran erkennt man, daß man eine Mary Sue fabriziert hat?


Ob bewusst oder unbewusst, Mary Sues sind fast immer Self-Inserts, also eine Figur, mit der sich der Autor quasi selbst in die Geschichte hineingeschrieben hat. Mary Sue ist nichts weiter als ein Konstrukt der Wünsche und Sehnsüchte ihres Autors. Sue verfügt nämlich über all das, was ihr Schöpfer auch gerne hätte: Tolles Aussehen, unendlich viele Talente, eine interessante weil geheimnisvolle Biografie, Erfolg, Bewunderer und selbstverständlich auch den Typen als Lover, in den er sich selbst verguckt hat. Man könnte sagen, der Autor lebt durch eine Sue seine Phantasien mit seinen Lieblingscharakteren aus.

Es geht in einer MS-Story gar nicht so sehr darum, eine gute Geschichte zu schreiben, sondern vielmehr um sich selbst zu beweihräuchern. Daran ist nichts verwerfliches, so ziemlich jeder stellt sich gerne einmal vor, wie es wäre, die Welt im Alleingang zu retten, dabei auszusehen wie *hier den Namen eures Idols einfügen* und von allen vergöttert zu werden. Kein Frust, keine Misserfolge, kein Liebeskummer, keine fettigen Haare vor einem wichtigen Date, kein was auch immer. Ich bin der größte, der tollste, der interessanteste, der schönste und alle lieben mich!

Solche Phantasien können schon mal sehr befriedigend für das eigene Ego sein und sie zu Papier zu bringen, kann viel Spaß machen. So ziemlich jeder, der eigene Geschichten schreibt, hat sich mit dieser Materie auch schon einmal ausgetobt. Bei aller Begeisterung sollte man sich aber den letzten Schritt lieber verkneifen: Diesen Erguß dann auf die Öffentlichkeit loszulassen.
Der Rest der Menschheit ist nämlich nicht im Mindesten daran interessiert, einem rundrum perfekten Überwesen Beifall zu klatschen, dazu hat jeder seine eigenen Phantasien und möchte nicht die von anderen Leuten unter die Nase gerieben bekommen. Während der Autor noch in einem ich bin Superman – Gefühl schwelgt, hat sich seine Leserschaft längst zutiefst gelangweilt ausgeklinkt.

Einigen wir uns darauf, dass man seine Mary-Sues besser für sich selbst schreibt und sie in der Schublade unter Verschluß lässt, und kommen wir lieber zu der sehr wichtigen Frage, wie man einen auch für andere Leser interessanten Charakter erstellt, also eine Mary-Sue vermeidet.

Wie vermeidet man, daß ein neuer Charakter zur Sue mutiert?

Um dem Mary Sue-Phänomen von vorneherein entgegen zu treten, solltest du den geplanten Charakter ausbalancieren, ihn also sowohl mit Stärken als auch mit Schwächen ausstatten. Schwächen hat nun einmal jeder, sie machen eine Person menschlich und zerstören das perfekte Bild von ganz alleine. Wichtig dabei ist, dass eine den Charakter interessant machende, tragische Vergangenheit nicht automatisch als Schwäche gilt, wenn der Charakter alles, egal wie schrecklich und unmenschlich es gewesen ist, innerhalb weniger Tage, wenn nicht gar Stunden verarbeitet.

Eine Schwäche kann vieles sein: Eine kleine Sucht oder chronische Angewohnheit (z.B. Zigaretten, Kakao, über die Lippen lecken, Fingernägel kauen etc), eine Entstellung an dem bisher perfektionistisch geplanten Körper (Muttermal, Narbe, strähnige Haare, Brille, Zahnspange, skuriller Schmuck etc) oder aber auch eine schlecht beherrschte und erst noch zu lernende Fähigkeit. Auch bestimmte, eher negativ besetzte Charakterzüge wie z.B. Jähzorn, Neugierde, Vergesslichkeit, Faulheit, Spinnenphobie u.s.w. dürfen vorkommen, auch sie sind menschlich und helfen dabei, eine Figur plastischer darzustellen und ihr Leben einzuhauchen. Ein überirdisch-wunderschönes Aussehen solltest du unbedingt vermeiden! Selbst ein Modell ist morgens nach dem Aufstehen verquollen, zerzaust und ungeschminkt.

Selbst ein noch so beliebter Mensch kann sich nicht mit allen in seinem Umkreis lebenden Personen verstehen. Eine starke Persönlichkeit versucht nicht, es allen recht zu machen, sie vertritt ihre eigene Meinung und eckt damit selbstverständlich auch bei anderen an. Feinde, Rivalen und menschliche Auseinandersetzungen sowie Streit und Liebeskummer gehören zu einem Charakter zwangsläufig mit dazu. Eine ständige Blümchen-Harmonie wirkt künstlich und erzwungen und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass ein im Hause Gryffindor untergebrachter Charakter sich automatisch mit Slytherin und Snape versteht. Solche wichtigen Aspekte solltest du bei der Charakterschöpfung unbedingt bedenken.

Für die Erschaffung eines Charakters solltest du nach Möglichkeit nur Themen behandeln, in denen du dich entweder auskennst oder du dich vorher gründlich darüber informiert hast, insbesondere wenn es sich um grenzfällige Tabuthemen handelt. Es macht einen Charakter automatisch lächerlich und unwirklich, wenn du z.B. die Wirkungen von Rauschmittel verdrehst oder sich im Umkreis der Sue reihenweise Selbstmorde der 'normalen und nicht so wunderbar-perfekten' Mädchen ereignen.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind Erklärungen. Kein Charakter kann plötzlich irgendwo aus dem Nichts auftauchen. Es interessiert den Leser wo diese Person jetzt herkommt, was sie hergebracht hat oder für welchen Zweck sie überhaupt da ist. Ein simples 'Dumbledore holte sie zur Rettung der Welt' reicht da nicht aus.
Genauso möchte man als Leser gerne erfahren, warum eine Figur etwas tut, genauso möchte man die dazu verwendeten Mittel und Methoden nachvollziehen können. Das gilt ganz besonders für Lovestories. Wenn sich die Heldin bis jetzt mit Draco Malfoy nur gefetzt hat, kann sie nicht von einem Moment auf den anderen unsterblich in ihn verliebt sein, eine solche Wendung muß man allmählich und glaubhaft entwickeln. Auch der wundersame Zaubertrank etc, der im passenden Moment aus dem Ärmel geschüttelt wird und der alle Probleme im Handumdrehen löst, ist zu vermeiden. So etwas zeigt nur, dass dem Autor nichts Originelleres eingefallen ist und wirkt deshalb langweilig.



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