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Glowing Sapphires

von

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Kommentar: War gar nicht so einfach etwas Historisches zu schreiben =_= Und dann auch noch mit solchen Persönlichkeiten... (merkt man sehr, dass ich da Vinci verehre? >.<°). Wer in Geschichte gut bewandert ist, findet vielleicht den ein oder anderen Fehler, aber auch wenn ich unzählige Wälzer zu da Vinci im Regal stehen hab, hab ich ja nun auch nicht in der Zeit gelebt oder ein Geschichts-Studium hinter mir. Also seht das bitte nicht gleich so eng ja?

Eigentlich sollte das Ganze hier auch erst etwas später veröffentlicht werden, kam dann aber bis zu einem gewissen Teil doch schon in meinem Adventskalender von 2005 (www.abr-fc.de.ms) raus.

Nur noch soviel: GS ist eigentlich als langer One- höchsens twoshot geplant gewesen, aber da ich es ja schon im AK veröffentlicht hatte und es eh noch ein wenig dauert bis es fertig wird, kommt es nun schon so hierher und wird dann so tröpfchenweise vervollständigt ^^ Nur damit ihr euch nicht wundert...
 


 

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~~~Unruhig wand sich Raffael auf dem dünnen Laken, versuchte so den unzähligen Händen seines Traumes zu entkommen, die nicht gewillt schienen, ihn je wieder frei zu lassen, ihn unablässig und _gegen_ seinen Willen am ganzen Leib berührten.

"NEIN!", schrie er erschrocken und wachte auf.

Doch ein Paar Hände ließ sich nicht vertreiben und rettete sich in die Realität hinüber... ~~~
 

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"Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise, da Vinci?", erkundigte sich der Herr des Chateaus auf dem sie fortan wohnen würden bei Raffaels Meister. Es war ein wirklich glücklicher Zufall gewesen, dass er sich bei ihrer Ankunft ebenfalls in Amboise aufgehalten hatte und ihnen dann auch noch zuvorkommend anbot, doch in seiner Kutsche mitzufahren.

"Nun, ich fürchte, darauf kann ich euch nur antworten, dass lange Reisen in meinem Alter zunehmend alles andere als angenehm werden...", gab der Italiener achselzuckend und unverblümt wie eh und je zurück.

Obschon er bereits über 60 Jahre auf dieser Erde wandelte, schien Leonardo da Vinci nichts von dem offensichtlichen Charisma und seinem beinahe grenzenlos anmutenden Genie eingebüßt zu haben. Aber dies war nur einer der zahllosen Gründe, warum Raffael ihn so glühend verehrte.

Im Moment jedoch hatte der überaus hübsche Sechzehnjährige dafür keinen Blick, ebenso wenig wie für die liebliche Landschaft - vielmehr war er einfach nur schrecklich durstig, verdammt müde und unendlich gelangweilt. Denn er war zwar der französischen Sprache durchaus mächtig und sicherlich nicht wortkarg, aber was nützte das, wenn er den Mund halten musste? Unbedeutende Lehrlinge wie er hatten nun einmal nichts zu melden, wenn sich Intelligenz und Adel miteinander unterhielten. Für ihn, der er im Gegensatz zu seinem Meister weder Rang noch Titel besaß, war es ja schon ein unglaubliches Privileg, hier in dieser Kutsche sitzen zu dürfen. Und angesichts der Hitze war Raffael auch sehr dankbar dafür, denn draußen neben dem Kutscher wäre er vermutlich schon längst verdurstet.

Überhaupt war es schon ein sehr glückliches Schicksal von diesem geniereichen freundlichen Mann als Schüler angenommen zu werden, obwohl er immer so unheimlich beschäftigt war. Selbst den Papst hatte Raffael so schon kennen gelernt! Auch wenn seine Erinnerung an diesen ein wenig dadurch getrübt wurde, dass dieser ihm eine gewisse Abneigung entgegengebracht hatte... Und tatsächlich war dies eine Erfahrung gewesen, die Raffael zuvor noch nicht gemacht hatte. Bisher war man ihm gegenüber immer wohl gesonnen oder eben gleichgültig gewesen. Aber richtige Abneigung... nein, die hatte er vorher nie zu spüren bekommen.

"Ich wusste nicht, dass ein bisschen Durst den Geist so weit wandern lässt, dass er nicht mehr in die Wirklichkeit zurückfindet..."

Erschrocken fuhr Raffael zusammen, richtete sich mit brennenden Wangen kerzengerade auf, doch die beiden Männer lachten nur, sodass er schamrot wieder in sich zusammensank.

"Bist du müde, Raffael?", wandte sich der fremde, adlige Franzose plötzlich an ihn, sodass jener erstaunt aufsah.

Hastig nickte er. "Ein wenig, Herr."

"Wir sind ja gleich da, dann kannst du dich auch bald ausruhen", zwinkerte da Vinci ihn aufmunternd an und der Junge erwiderte es mit einem schüchternen Lächeln. War ihm das jetzt vielleicht peinlich!

"Nun, es sei denn wir begegnen vorher noch meinem anderen Gast", warf der Herr des Hauses ein.

Fragend blickte der Blauäugige ihn an.

"Prinz Tiziano von Navarra ist erfreulicherweise einer Einladung meinerseits gefolgt. Ein sehr intelligenter, angenehmer junger Mann, allerdings auch recht forsch und unglaublich neugierig, so wie die Jugend nun einmal ist. Und ganz zweifellos hat er das außerordentliche Talent, die für ihn interessanten Leute in stundenlange Gespräche zu verwickeln, ohne dass jene es auch nur bemerken...", erklärte sich der Franzose leicht lachend, während Raffael nur noch betete, dass sich dieser Prinz in irgendeinem Loch vor ihnen versteckte, bis er ein kleines Zimmer und einen Krug Wasser bekommen hatte.

Aber wie es mit inständigen Wünschen eben so war, kam alles ganz anders...
 

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"Was ist denn hier los?", hörte Raffael einen angenehmen Bariton hinter sich fragen, hatte jedoch keine Lust sich nach ihm umzudrehen.

Inzwischen hatte er zwar immerhin etwas zu trinken bekommen, doch wie um dies auszugleichen konnte er kaum noch die Augen aufhalten. Das war allerdings auch kein Wunder, da bereits Nacht herrschte. Und er wagte nicht zu schätzen, vor wie vielen Stunden die Sonne untergegangen war, aber er wäre ja ohnehin immer auf dasselbe Ergebnis gekommen: vor _viel_ zu langer Zeit!

"Eure Hoheit!", rief der Lakai indes und verbeugte sich hastig.

Lautlos seufzend erhob auch Raffael sich, wandte mit gesenktem Blick sein müdes Haupt dem Prinzen von Navarra zu, um ihm die Ehre zu erweisen. Er konnte sich zwar kaum noch auf den Beinen halten, nachdem er die ganze Reise lang alle schweren Tätigkeiten für da Vinci verrichtet hatte, damit sich sein Meister nicht noch überanstrengte, aber er wusste, dass er sein Schicksal herausgefordert hätte, hätte er den Lieblingsneffen des hierzulande herrschenden Königs ignoriert als wäre er vom einfachen Gesindel.

"Ihr seid da Vinci! Man sagte mir bereits, dass Ihr erwartet werden würdet, aber es fiel mir schwer zu glauben, dass Ihr Euch tatsächlich von meinem werten Herrn Onkel dazu überreden lassen würdet!", rief der Prinz indes begeistert.

Vorsichtig lugte Raffael nach oben. Denn obwohl der Prinz ihm noch nicht erlaubt hatte, sich zu rühren, spürte er doch das seltsam unauslöschliche Verlangen, den Besitzer dieser geradezu bezaubernden Stimme zu erblicken.

Doch noch bevor er die Lider weit genug gehoben hatte, spürte er plötzlich drei Finger an seinem Kinn, die es sanft anhoben, seinen Blick dem eines Paars beeindruckender kiefergrüner Augen begegnen ließ.

Sprachlos starrte er in die bernsteinfarben umrandeten Pupillen, war wie gefangen, sodass es ihm erst nach einigen Sekunden gelang, beschämt die Lider zu senken.

"Und wen haben wir hier?", fragte Tiziano von Navarra, wie sich der Adlige da Vinci vorgestellt hatte, in die eingetretene Stille hinein.

"Meinen Lehrling Raffael d'Anghiari, eure Hoheit", befriedigte da Vinci höflich die Neugier des Prinzen, während sich die blassen Wangen des besagten Lehrlings in einem immer tieferen Rosé färbten. Raffael wusste nicht einmal wieso, fühlte sich nur auf einmal so verloren und wollte doch nicht, dass die behutsamen Finger sich zurückzogen, die kaum merklich über seine Haut streichelten.

Dabei war Tiziano ein Mann!

"Dein Name lautet also Raffael?", vergewisserte sich der Prinz an ihn gewandt.

"Ja, Eure Hoheit", erwiderte er leiser als beabsichtigt.

Glücklicherweise schien von Navarra jedoch keinen Anstoß daran zu nehmen, denn er bat ihn sogleich: "Dann sei so gut und erkläre mir, was hier vorgeht!"

Raffael jedoch war zunächst schlicht und einfach zu überrascht, um zu antworten, starrte den anziehenden jungen Mann mit dem schulterlangen, kastanienbraunen Haar nur fassungslos an. Nicht einmal der Papst war so ausgesucht höflich und freundlich zu jemandem von Raffaels Stand gewesen - auch nicht da Vinci zuliebe! Und jetzt kam so ein gut aussehender Märchenprinz - der Neffe des französischen Königs höchstpersönlich! - und wandte sich ausgerechnet an _ihn_?? Unsicher sah der Langhaarige zu seinem Meister, der ganz unverhohlen die Augenbraue gehoben hatte und nur mit einem Achselzucken antwortete, als er seinen fragenden Blick bemerkte. Hilflos sah er zurück zu von Navarra. Was sollte er denn jetzt machen? Und was, wenn er etwas Falsches sagte!?

"Aus irgendeinem Grund hat man es versäumt, ein Zimmer für da Vincis Gehilfen einzuplanen, Herr", antwortete schließlich der Diener vorsichtig für Raffael. "Und eine Umquartierung ist im Moment nicht möglich..."

Langsam nickte der Prinz und schien seltsam betrübt, als er kurz zu Raffael zurückblickte. "Ach ja, die Gäste des Balls, nicht wahr? Nun, das ist wirklich bedauerlich... Und es gibt wirklich gar keine Möglichkeit, ihn in hier im Chateau unterzubringen?"

"Nei- nun ja... _eine_ Möglichkeit gäbe es durchaus, Eure Hoheit", gestand der Lakai zögernd.

Fragend blickte der Prinz ihn an, löste seine Hand nun doch von Raffaels Kinn. "Dann sprich!", befahl er schnell.

"Vielleicht habt Ihr bemerkt, dass direkt an eure Gemächer noch ein Raum angeschlossen ist, der-"

Ungeduldig unterbrach ihn von Navarra. "Du meinst das Zimmer für den Kammerdiener?"

Immer noch ein wenig unruhig nickte der Gefragte. "Da Ihr auf eine Dienerschaft verzichtet habt, steht es frei."

Kaum registrierte Raffael, was die beiden Männer sagten. Stattdessen verfolgte er fasziniert, wie die grünen Tiefen zu leuchten begannen: "Aber natürlich! Eine fabelhafte Idee! Was meint Ihr, da Vinci? Wäre Euch damit nicht geholfen?"

Aufgeregt blickte der junge Schwarzhaarige zu seinem Meister, der seinen Blick kurz erwiderte, bevor er langsam nickte. "Wenn Raffael Euch wirklich nicht stört..." Dennoch wurde Raffael das Gefühl nicht los, dass sein Meister doch Bedenken hatte. Aber warum? Er wusste doch, dass sein Schützling keinen Ärger machen würde (jedenfalls nicht mutwillig...)!

Der Prinz aber lachte nur und gab mit einem jungenhaften Grinsen zurück: "Wie könnte mich ein so zarter hübscher Knabe stören?"

/WAS???/

"Dann habt Dank, eure Hoheit. Das ist eine äußerst großzügige Geste von Euch", bedankte sich der alte Maler formvollendet und verneigte sich.

"Nicht doch! Es ist mir ein ausgesuchtes Vergnügen einem Mann wie euch einen Gefallen tun zu können!", erwiderte der Prinz und erklärte dem Lakai dann aufgeräumt: "Nun denn. Du wirst Meister da Vinci zu seinen Räumen geleiten. Ich kümmere mich dann schon um den holden Jüngling hier."

Schweigend nahm Raffael seine wenigen Sachen, wünschte dem Maler geruhsamen Schlaf und folgte dann dem Prinzen. Er hatte es einfach aufgegeben, diesen begreifen zu wollen, und beschlossen, dass er auch morgen noch darüber nachdenken konnte, wenn er weniger müde und wieder im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war.

Lächelnd ließ der Prinz ihn schließlich einen prunkvollen aber doch geschmackvollen Raum betreten, dessen Boden mit Parkett und dessen Wände mit Seidentapete ausgekleidet waren.

"Dort ist von nun an dein Reich", erklärte Tiziano mit seiner klangvollen, Gänsehaut erregenden Stimme und deutete auf eine unscheinbare, nur angelehnte Tür. Er hatte Raffael tatsächlich seinen Vornamen angeboten - zumindest, solange sie allein waren. "Ich glaube, es ist nicht sehr groß, aber ich hoffe, es wird dir genügen, bis der Ball vorbei ist..."

Raffael nickte nur dankbar und verschwand noch einmal kurz um seine Sachen vom Gang zu holen. Dann stellte er seine Taschen auf dem Boden seines neuen Zimmers ab, ließ die Tür wie vom Prinzen gewünscht offen, damit es über Nacht nicht zu warm werden würde. Es war wirklich nicht groß, aber Raffael war genügsam. Immerhin war es ein Zimmer nur für ihn allein und das war mehr als ein kleiner Lehrling erwarten durfte!

Dann ging er um einen stabilen Schrank zu einer Nische, in der er sein Bett vermutete - und stöhnte frustriert auf. Entmutigt ließ er sich auf den Boden sinken, starrte geknickt ins Leere. /Ich will doch nur schlafen... Ist das denn zuviel verlangt?/, dachte er und überlegte, welche Sünde er begangen hatte, dass der Herr ihn erst mit einer so strapaziösen Reise und dann mit dem hier strafte.

"Raffael? Ist etwas nicht in Ordnung?", hörte er sich den Prinzen von nebenan erkundigen, doch inzwischen war der Jüngere selbst für eine Antwort schon zu müde.

"Raffa- oh...", machte der Prinz hinter ihm, hatte offensichtlich auch gerade entdeckt, was von dem Bett noch übrig geblieben war: Ein solides Bettgestell aus Holz, ein Sack voller Heu, der normalerweise sogar eine einigermaßen angenehme Matratze abgegeben hätte, nun aber längst vermoderte, und ein mottenzerfressener Lumpenhaufen, der früher einmal durchaus gemütliches Bettzeug gewesen sein musste...
 

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In der Nacht erwachte der Schwarzhaarige von einer fremden, aber trotzdem angenehmen Wärme, die ihn unglaublich sanft einhüllte.

Verwirrt öffnete er die Augen und musste sich eine ganze Weile lang an die Dunkelheit gewöhnen. In der Nacht hatte er noch nie gut gesehen...

"Was zum...?", mit aufgerissenen Augen starrte er in das schöne Antlitz des Prinzen und überlegte fieberhaft wie er hierher gekommen war. So verzweifelt er jedoch auch nachdachte, es wollte ihm partout nicht einfallen. Aber im Moment war das vielleicht auch noch nicht einmal das Wichtigste: /Ich muss hier weg! Heilige Mutter Maria, wenn mich der Prinz jetzt so nackt in seinem Bett findet, dann.../

Ängstlich versuchte er sich aus der Umarmung des ebenfalls unbekleideten Braunhaarigen zu befreien, fragte sich panisch, was geschehen war.

Ganz unvermittelt fielen ihm all die schändlichen Geschichten vom verdorbenen Adel Frankreichs ein, laut derer manche der Edelmänner hierzulande nicht nur leidenschaftliche Liebhaber waren, sondern auch vor dem eigenen Geschlecht nicht mehr zurückschreckten. Gerüchte von Orgien mit den eigenen Dienern tauchten in seiner Erinnerung wieder auf, die ihm heftige Röte ins Gesicht trieben, zugleich seine Augen entgeistert weiteten.

Zwar war Tiziano nur Halbfranzose, aber dennoch...

Und plötzlich wurde er wieder an den athletischen Körper des Prinzen von Navarra gezogen, blickte von einem Augenblick zum anderen erstarrt in dessen smaragdfarbene Augen.

"Sh! Beruhige dich, Raffael!", flüsterte er sanft und strich dem verloren zurückblickenden Jungen lächelnd eine Strähne von der Wange, küsste diese dann zart, so wie unter Franzosen üblich. "Du bist vor Müdigkeit eingeschlafen und ich habe es nicht übers Herz gebracht, dich auf dem kalten Boden liegen zu lassen. Du hast wirklich keinen Grund zur Beunruhigung..."

Peinlich berührt versuchte Raffael unauffällig ein wenig von dem Prinzen wegzurücken. "Aber... ich... bin nackt... Herr", flüsterte er kaum hörbar, wünschte sich, unsichtbar zu werden.

Tiziano blinzelte ihn verwirrt an. "Ja, natürlich bist du das! Es ist doch viel zu warm, um vollständig bekleidet zu schlafen! Oder macht ihr das in Italien etwa so?"

"Nein..." Betreten schüttelte er den Kopf, wagte noch immer nicht, in die kiefergrünen Augen zu blicken, bis Tiziano einfach sein Kinn umfasste und mit sanfter Bestimmtheit hochdrückte.

"Na also... Es gibt schließlich keinen Grund für dich, dich zu genieren. Du bist doch ein hübscher Junge, und wir sind ja beide Männer...", befand der Braunhaarige freundlich lächelnd und nahm seine Hand wieder weg.

/Das ist ja das Problem!!/, dachte er verzweifelt. Was er aussprach war jedoch nur ein leise gewispertes: "Aber Männer schlafen normalerweise auch nicht nackt im selben Bett..."

"Du meinst, du schämst dich vor mir? Im Ernst?", rief von Navarra ungläubig.

/Du hast gut reden! _Du_ siehst ja auch aus wie Adonis höchstpersönlich!/, warf Raffael ihm gedanklich an den Kopf. Langsam fragte er sich, ob der Prinz sich nicht einfach lustig über ihn machte, so oft wie er ihn in Verlegenheit brachte!

"Bist du sicher, dass du Italiener bist? Raffael, nicht einmal die Hofdamen von Navarra sind so zugeknöpft wie du! Ihr Maler bannt doch ständig irgendwelche nackten griechischen Helden auf Leinwand!"

"Mit denen wir aber jedenfalls nicht das Bett teilen!", giftete der Langhaarige ungestüm und aufgebracht. Dann schlug er erschrocken die Hand vor den Mund, kniff schnell die Augen zu, wartete mit angehaltenem Atem auf seine Strafe.

Was war in ihn gefahren? So konnte er doch nicht mit einem Prinzen reden! Besonders nicht, da dieser ihn - wenn auch gegen seinen Willen - in seinem Bett schlafen ließ! Oh, das war nicht gut! Nein, ganz und gar nicht!

Aber entgegen seiner Erwartung blieb es vollkommen still und Tiziano rührte sich keinen Millimeter weit. Raffael wusste nur noch nicht, ob das nun gut oder schlecht für ihn war...

"Willst du nicht langsam wieder ausatmen, Raffael?", flüsterte ihm plötzlich der melodische Bariton amüsiert zu, und gleichzeitig wurde ihm warmer Atem beinahe zärtlich ins Ohr gepustet, sodass ihm ein heftiger Schauer die Wirbelsäule hinabgejagt wurde, der bei dem Prinzen ganz bestimmt nicht unbemerkt blieb. Doch jener sagte nichts dazu, lächelte ihn nur ruhig an, als Raffael zischend ausatmete und überrascht die Augen aufschlug.

"Seid-", begann er und wurde sofort unterbrochen: "Hast du schon vergessen? Du darfst mich Tiziano nennen..."

"Aber...", unsicher spielte er mit einer glänzend schwarzen Strähne seines Haars, "das steht mir nicht zu, Herr... Ich bin doch nur-"

Und erneut ließ ihn der Prinz einhalten: "_Du_, Raffael, bist vor allen Dingen ein _Mensch_ und nichts anderes, hörst du? Außerdem mag ich Menschen, die nicht nur schön aussehen, sondern auch eine schöne Seele haben..."

"Aber Ihr - ich meine... d-du... du kennst mich doch gar nicht!", protestierte Raffael vollends aus dem Konzept gebracht, wusste nicht mehr, was er von der ganzen Sache halten sollte. Zeit seines Lebens hatte man ihm den Respekt vor den Obrigkeiten, egal ob sozialer, herrschaftlicher oder geistlicher Art, eingebläut und nun sollte er mit einem Prinzen reden, als seien sie zusammen aufgewachsen? Das ging doch nicht!

Tiziano lachte nur. Überhaupt schien er sehr oft zu lachen, was Raffael bestimmt nicht bedauerte, ob dessen atemberaubender Stimme. Ja, der junge Maler war sogar fast bereit, zu behaupten, dass er sich jedes Mal, wenn er dieses ehrliche Lachen hörte, selbst ein wenig fröhlicher fühlte... "Deine Augen verraten dich, mein Hübscher. Niemand, der so schöne Augen hat wie du, kann ernstlich verdorben sein... Vielleicht hier und da ein wenig irregeleitet, aber innerlich doch gut..."

Der Italiener schwieg nachdenklich, wusste ohnehin nicht, was er noch hätte sagen können. Er riss sich ganz sicher nicht darum, auf dem kalten Boden zu schlafen, und der Prinz hatte wohl deutlich genug gemacht, dass er Raffaels Scham für übertrieben und unangebracht hielt...

"Ich nehme an, dein Schweigen bedeutet, dass ich mein Bett auch für den Rest der Nacht mit dir teilen darf?", grinste der Braunhaarige mit einem schelmischen Zwinkern, nickte zufrieden, als der Blauäugige lautlos zustimmte, und zog ihn ungeniert wieder in seine Arme.

"Dann wünsche ich dir noch wunderschöne Träume..."

"Ich eu- dir auch...", nuschelte er leise und schmiegte sich zaghaft an die warme Brust, die soviel muskulöser und breiter war als seine eigene. Und als er spürte, wie gleichmütig das Herz in dieser Brust schlug, sank er seltsam beruhigt auf das Laken, schloss behaglich die Augen und ließ sich schon bald mit einem Lächeln in Morpheus Armen fallen.
 

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Seufzend schmiegte sich Raffael an den heißen Körper neben sich. Zwar war die Luft, die sanft über seinen nackten Leib strich, an für sich schon warm genug, aber die glatte Haut, an die er sich schmiegte, war auf eine vollkommen andere, subtilere Art warm, strahlte gleichzeitig etwas aus, dass in Raffael nur schlichtes Wohlgefallen zuließ.

Leise schnurrte er. So gut wie diese Nacht hatte er schon lange nicht mehr geschlafen und nach der - zumindest für ihn - sehr beschwerlichen Reise waren diese wenigen Stunden Schlaf die beste Erholung gewesen, die er sich nur vorstellen konnte.

"Raffael?", hörte er plötzlich einen sanften Bariton in sein Ohr flüstern. "Bist du wach, kleiner Maler?"

Erschrocken fuhr der Schwarzhaarige hoch und blickte heftig atmend in ein seltsam vertrautes Paar kiefergrüner Augen, die ein wenig verwirrt zurückschauten.

Dann seufzte der junge Mann(!), an den Raffael sich bis eben geschmiegt hatte, leise auf: "Und ich hatte noch gehofft, dass du heute etwas weniger schreckhaft sein würdest..."

Errötend starrte der Jüngere den Prinzen von Navarra an und beruhigte sich langsam wieder ein wenig. "I-ich war nur so... überrascht", versuchte er zu erklären, bemühte sich sogar um einen entschuldigenden Ton, da seine Hoheit der Prinz aus unerfindlichen Gründen ein wenig traurig zu sein schien.

"Nun... vermutlich erwachst du nicht an jedem Morgen neben einem Mann, nicht wahr", grinste der Grünäugige schief aber zustimmend.

Erleichtert sah Raffael zu, wie der Braunhaarige wieder zu lächeln begann, musste sich erneut eingestehen, dass er diesen Mann gerne einmal auf Leinwand bannen würde. Er war einfach wie einer dieser Traumprinzen von denen so viele Mädchen jede Nacht träumten: Schön, nett, wenn man sich die vielen Bücherstapel besah, offensichtlich auch recht intelligent und eben ein Prinz.

Tiziano aber lachte nur und strich ihm eine der schweren langen Strähnen aus dem Gesicht: "Gefällt dir, was du siehst?"

Indes konnte Raffael statt erneut zu erröten dieses Mal nur daran denken, wie weich sich diese Hände doch anfühlten! Dabei hatte der Prinz sicherlich den Umgang mit dem Schwert erlernen müssen!

Verwirrt über sich selbst schüttelte Raffael den Kopf und fing sich einen merkwürdig verschlossenen Gesichtsausdruck des Kurzhaarigen ein.

Fragend blickte Raffael ihn an. Er hatte das dumme Gefühl, irgendetwas falsch gemacht zu haben, konnte aber beim besten Willen nicht sagen was.

"Eure Hoheit?", machte der Kleinere leise und ein wenig zaghaft.

Zu seinem Schrecken musste er jedoch beobachten wie der Prinz ihn deutlich verletzt anblickte, bevor er Raffael grob von sich schob.

"Was habt Ihr?", fragte Raffael stark beunruhigt. Er konnte nicht sagen, warum, aber dass der Prinz plötzlich so abweisend reagierte schmerzte ihn mehr, als gesund für ihn sein konnte.

"Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, dass du mich Tiziano nennst! Und wenn dir nicht gefällt was du siehst, dann solltest du nicht so starren. Das ist unhöflich!"

"Aber... ich _habe_ doch nie behauptet, dass ich Euch nicht schön finde!", protestierte der Langhaarige fast verzweifelt.

Was ging denn hier nur auf einmal vor sich?

"Gesagt nicht", stimmte auch der Ältere erschreckend eisig zu. "Aber ich glaube dein Kopfschütteln war mir Antwort genug..."

Erschrocken schüttelte Raffael daraufhin gleich noch einmal den Kopf, griff schnell nach der Hand des Prinzen, um diesen zurückzuhalten, als der sich anschickte aufzustehen. "Wartet! Das war nicht wegen Eu- ich meine, _dir_!!"

Doch noch ehe der junge Maler den Mund wieder geschlossen hatte, schoss plötzlich die Rechte des Braunhaarigen vor, schloss sich fast schmerzend fest um Raffaels Kinn und zwang es unerbittlich hoch.

"Ich hasse es, angelogen zu werden. Also versuch nicht, mir vor dem Mund zu reden, nur weil ich der Prinz von Navarra bin!", fauchte der Braunhaarige scharf und herrisch, gab zum ersten Male deutlich zu verstehen, wer er war und wie wenig Raffael ihm entgegenzusetzen hatte - oder besser: wie wenig der Schwarzhaarige ihm entgegensetzen _durfte_.

"Aber...", versuchte Raffael es noch einmal kleinlaut. Er wollte doch nicht, dass der junge Adlige mit dem schönen Kastanienhaar böse auf ihn war! Er hatte ja noch nicht einmal etwas _getan_!! "Bitte, ich..."

"Sei still!", fuhr ihn der Ältere an - und da vergaß Raffael sich.

Einen Moment lang starrte der Jüngere noch mit den schreckgeweiteten saphirfarbenen Augen in die zornig funkelnden des Prinzen, dann riss er sich gekränkt los.

"Ich _habe_ nicht gelogen!!", rief er wütend und verzweifelt zugleich, weil der Prinz ihm nicht glauben wollte, dann rannte er in seine Kammer, schlug die schwere Holztür lautstark hinter sich zu.

Heftig atmend stand er da und bebte leicht als er zum Fenster trat, um sich unsicher an dessen Sims festzuhalten.

Warum zitterten ihm die Knie nur so sehr?

"Nein... Ich habe nicht gelogen...", wiederholte er flüsternd, als müsse er es sich selbst versichern, dann gaben seine Knie endgültig nach, sodass er schließlich mit nach hinten abgewinkelten Beinen auf seinem Hintern saß.

Spürend wie die Kälte des nackten Steinbodens bis in seine Knochen kroch, schlang er die Arme um seinen Oberkörper und wiegte sich langsam, fast apathisch hin und her.
 

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Ein leises Klopfen ließ ihn zusammenzucken, doch er hatte keine Kraft mehr aufzusehen, starrte blicklos auf seine verkrampften Finger.

Beinahe unnatürlich hob sich seine fast weiße Haut von dem dunklen Gestein ab und ihm schien als würde sie immer blasser, indes seine Fingernägel erfolglos nach Halt suchend über die Steine schabten.

"Raffael? Darf ich hereinkommen?", hörte er den Prinzen vorsichtig fragen, reagierte jedoch nur mit einem bitteren "_Ihr_ seid Tiziano von Navarra - _natürlich_ könnt Ihr hereinkommen!"

Ein leises Zischen, als ob der andere scharf die Luft zwischen den Zähnen einziehen würde, drang an sein Ohr, dann hörte er wie Tiziano seinen Atem wieder ausstieß. "Ich habe gefragt, ob ich hereinkommen _darf_, nicht ob ich kann...", erklärte der Prinz leise.

Verwundert hatte Raffael zugehört, doch er fand nicht die Worte, etwas zu erwidern, blieb stumm und lauschte doch angestrengt darauf, was der Braunhaarige nun anstellen oder antworten würde.

"Raffael, bitte, ich wollte ni- RAFFAEL!?!"

Erschrocken war der Schwarzhaarige zusammengefahren als Tiziano so plötzlich die Lautstärke angehoben hatte. Verstört, mit vor Schreck heftig klopfendem Herzen, blickte er zu dem nicht minder geschockt aussehenden Adligen, der eben noch in der Tür gestanden hatte, um nun mit wenigen ausgreifenden Schritten zu ihm zu eilen und neben ihm auf die Knie zu gehen.

"Was...?", machte der Prinz hilflos und nahm eine von Raffaels Händen, starrte auf das dunkle Blut, welches unter den kurzen Fingernägeln hervorquoll. "Was hast du, Raffael?"

Langsam entzog der schwarzhaarige Maler ihm seine Hand, stand dann wackelig auf, um sich mangels attraktiverer Sitzgelegenheiten gleich wieder an Ort und Stelle niederzulassen - jedoch nicht ohne genügend Abstand zwischen sich und den anderen gebracht zu haben.

Schweigend starrte er zu Boden und dachte über die seltsame Offenheit und Besorgnis des Braunhaarigen nach, schüttelte dann langsam den Kopf.

Nein.

Er konnte sich nicht mit dem Prinzen anfreunden, egal was jener sagte. Gerade eben hatten sie ja gesehen wie dies enden würde... Es war töricht von ihm gewesen, zu glauben, er könnte die Standesschranken einfach so überwinden: Menschen wie Tiziano würden für ihn auf ewig unerreichbar bleiben, solang er sich nicht plötzlich zu einem Künstler vom Niveau seines Meisters entwickelte.

"Es ist nichts", hauchte Raffael deswegen plötzlich, fühlte eine unbestimmte, nicht greifbare Trauer in sich, als er gleichzeitig an die wunderbare Wärme dieser Augen, dieser Stimme, dieses _Körpers_ dachte, die ihn noch in der Nacht so sorglos hatte schlafen lassen. Wie wohl und beschützt er sich doch gefühlt hatte...

Betrübt starrte er auf seine linke Hand, strich unbewusst mit der anderen über die Stellen, an denen Tiziano ihn berührt hatte. Doch plötzlich fühlte Raffael sie erneut, die langen Finger, die die seinen umfingen, den jungen Maler an jene starke Brust zogen, an welche er noch in der Nacht sein Gesicht geschmiegt hatte.

Überrascht sah er auf, erschauerte unwillkürlich als er in die jadefarbenen Tiefen blickte. Er wusste nicht, was es war, doch etwas in diesen Augen rührte sein Herz an und ließ es nicht mehr los.

"Wir haben in der Nacht friedlich ein Bett geteilt und doch willst du dich jetzt einfach wieder von mir entfernen?", fragte der Prinz. Und auch wenn Raffael es kaum glauben mochte, klang ein leises aber eindeutiges Flehen in der Stimme mit, als der Ältere hinzufügte: "Habe ich denn gar keinen zweiten Versuch verdient?"

"Ich..." Hilflos blickte er in das schmerzlich verzogene Gesicht, das sonst immer nur durch sein schönes Lächeln bestach. Was sollte er denn nur tun? Einerseits wusste Raffael, dass eine Freundschaft zwischen ihnen nicht gut gehen _konnte_, aber andererseits... andererseits schien Tiziano so verzweifelt darum bemüht. Und wenn er ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass er die Herzlichkeit und Wärme dieses freundlichen Blaublütigen vermissen würde. Denn auch, wenn er nicht wusste, wie dies möglich war, hatte er von Beginn an eine starke Zuneigung und Sympathie, ja fast etwas wie Verbundenheit für den Größeren verspürt.

"Raffael!", flüsterte Tiziano eindringlich, schien ihn beinahe hypnotisieren zu wollen, so intensiv wie er dem Jüngeren in die Augen blickte.

"Aber... was wollt Ihr denn mit einem einfachen Malerlehrling? Ich verstehe nicht viel vom höfischen Vergnügen, bin kaum gebildet und mein einziges Talent ist wohl das Malen... "

Seufzend strich der Braunhaarige ihm über die Wange, musste dann leicht lachen: "Die Etikette ist nichts, was ich an dir vermisse, aber auch nichts, was nicht erlernbar wäre! Und du wärst sicher überrascht, wenn du wüsstest, wie wenige von den sogenannten Privilegierten auch nur lesen und schreiben können. Außerdem... zählen bei einer Freundschaft denn nicht vor allem Sympathie und Vertrauen?"

Scheu aber ohne etwas dagegen tun zu können schmiegte Raffael sein Gesicht in die warme Hand, wiederholte leise und nachdenklich: "Freundschaft...?"

"Ja, Freundschaft - denn ich möchte gern dein Intimus[1] werden, solang du nichts dagegen hast..."

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[1] Ein altes Wort, dass sich - wie unschwer zu erkennen - vom Adjektiv "intim" ableiten lässt. Es steht daher auch für einen sehr vertrauten Freund bzw. Bruder im Geiste, d.h. jemandem dem man selbst sehr intime Dinge anvertrauen würde.
 

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"Raffael?", erkundigte sich Tiziano nach einer Weile der Stille und Wärme. Langsam sah der junge Schwarzhaarige auf, spürte wie aufgeregt sein Herz schlug, wusste für einen Moment selbst nicht, wie er reagieren sollte. Und dann...

...dann nickte er zaghaft, fügte leise hinzu: "Wenn Ihr wirklich wollt..."

Tiziano aber seufzte laut auf. "Unter einer Bedingung: Du fängst endlich an, mich Tiziano zu nennen!"

Errötend nickte Raffael und kuschelte sich in die wärmende, nähespendende Umarmung. "Tut mir Leid. Ich bin es einfach nicht gewohnt..."

"Das glaube ich gern", lächelte der Prinz von Navarra, fuhr sanft durch Raffaels Haar, sodass der Kleinere sich verstohlen auf die Lippe biss, um das leise Schnurren zu ersticken, dass seine Kehle hinaufkriechen wollte. "Ich gebe zu, dass mein Wunsch nach einer Freundschaft zu dir ungewöhnlich klingen mag, besonders, da wir uns kaum einen Tag kennen... Aber ich bin sicher, dass ich meine Bitte nicht bereuen werde..."

Immer heißer fühlte sich Raffaels Gesicht an, während der Ältere zu ihm sprach - was jedoch bestimmt nicht bedeutete, dass er sich nicht über das freute, was der Braunhaarige sagte. "Danke", murmelte er dann leise, vielleicht noch ein wenig schüchtern, aber ehrlich. "Das ist nett von... _dir_"

Hell lachte Tiziano auf und seine Augen blitzten dabei glücklich. Der Prinz schien sich wirklich sehr darüber zu freuen, dass Raffael die Etikette für ihn außer Acht ließ und vertraulich blieb. Und wenn der Sechzehnjährige sich einmal das Offensichtliche eingestand, dann war er selbst auch sehr froh darüber...

Während er also noch in diesem Gedanken vertieft war, ließ er sich von dem Grünäugigen zurück in dessen Gemächer und auf das Bett verfrachten - ein Unterfangen, das sich schwieriger gestaltete, als man meinen sollte, da der Braunhaarige offensichtlich nicht gewillt war, ihn loszulassen, ihn auf diese Weise jedoch halb trug und halb schob und sich so auch noch selbst in die Quere kaum.

"Es war auch nett von dir, mir noch eine zweite Chance zu geben", erwiderte der Adlige strahlend und verstärkte die Umarmung noch einmal leicht, bevor er Raffael fast bedauernd losließ.

Raffael aber spürte die plötzliche Kühle, die über seine angewärmte Haut strich und reagierte fast erschrocken. "Was ist?", fragend sah der Jüngere den Prinzen an, denn wenn er - natürlich nur zu sich selbst - ehrlich war, dann fand er es gar nicht gut, dass der Braunhaarige ihn einfach so aus seinen Armen entlassen hatte.

"Es ist schon recht spät und ich habe gehört, dass da Vinci ein Frühaufsteher ist. Sicher wird er schon auf dich warten", erklärte der junge Adlige sein Handeln mit einem entschuldigenden Schulterzucken.

Der zierliche Schwarzhaarige dagegen blinzelte einen Moment lang nur fragend. /...da Vinci?.../

Dann riss er die Augen auf und sprang so schnell aus dem Bett, dass seine Nase fast mit dem Fußboden Bekanntschaft gemacht hätte. Hastig sammelte er seine Kleider zusammen, die Tiziano ordentlich zusammengefaltet auf einen Stuhl gelegt hatte und fluchte still vor sich her.

"Nun warte doch", lachte der Grünäugige jedoch plötzlich leise und hielt ihn fest, damit er nicht doch noch kopfüber fiel, als er schneller in seine Hose schlüpfen wollte als es seinem Körper aufgrund gewisser anatomischer Gegebenheiten möglich war. "Brich dir doch nicht gleich das Genick! Und hab keine Sorge, ich werde die Verantwortung übernehmen, falls dein Meister dich strafen wollen sollte. Aber ich bin sicher, dass auch er der Meinung sein wird, dass du dir nach eurer langen Reise einen erholsamen Schlaf redlich verdient hast!"

Verunsichert sah Raffael in die kiefergrünen Smaragde, die ihn so unglaublich warm anblickten, dann nickte er zögerlich. "Danke", hauchte er zum wiederholten Male und kam sich langsam dumm vor, weil ihm nichts anderes einfiel, doch der Ältere schüttelte nur lächelnd den Kopf: "Dafür nicht, Raffael, dafür nicht..."

Betreten senkte er den Blick, während er sich sein Hemd überzog, immer langsamer wurde, und als er fertig war, wusste er plötzlich nicht mehr, was er tun sollte, starrte völlig verunsichert auf die zu einem Lächeln verzogenen Lippen, weil er sich nicht traute, Tiziano in die Augen zu sehen. Der Kleinere wollte etwas sagen, fühlte, dass etwas zwischen ihnen in der Luft hing, das ausgesprochen werden wollte, doch er wusste einfach nicht was es war!

"Jetzt aber ab mit dir", lachte der Prinz, schloss ihn noch einmal kurz in die Arme und küsste ihn auf beide Wangen, dann stolperte Raffael auch schon aus dem Zimmer - und musste sich draußen auf dem Gang als erstes gegen die Wand lehnen, weil sich seine Wangen etwa so heiß anfühlten wie weißglühendes Eisen...
 

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"Pass auf, dass du nicht zuviel Magenta beimischst, Raffael!", warnte sein Meister ihn auf Französisch, weil er wollte, dass Raffael sich rasch daran gewöhnte, diese Sprache auch im Alltag zu verwenden, und riss ihn so aus seinen Tagträumen.

Hastig nickte der Angesprochene und stellte erleichtert fest, dass die Warnung noch früh genug gekommen war, rührte den entstandenen Rot-Ton für seine Farbstudie eines Sonnenuntergangs noch einmal gut durch, bevor er da Vinci einen aufmerksamen Blick zuwarf. Gleich darauf verschwand er schnell in den kleinen Abstellraum, suchte dort einen neuen Graphitstift sowie einige Blätter Pergament heraus um sie dann leise zum neuen Schreibtisch des Sechzigjährigen zu tragen, welcher schon wieder konzentriert in seine Studien vertieft war.

"Danke", murmelte sein Meister ohne aufzublicken, doch der Schwarzhaarige freute sich trotzdem, dass er überhaupt bemerkt und ihm gedankt worden war. Ja, auch wenn dieser Mann sehr streng sein konnte, vergaß er nie jene, die ihm geholfen hatten, und ebenso nicht, ihnen dafür zu danken, egal wie ranghoch oder -niedrig sie standen. Raffael murmelte leise etwas, dass er selbst nicht ganz verstand, ging dann zur Staffelei um weiterzumalen, starrte dabei verträumt die schönen Farbverläufe an, die seinem Auge irgendwie gut taten, während seine Gedanken in regelmäßigen Abständen zum Prinzen von Navarra hinüberglitten - bis Leonardo plötzlich tief seufzend innehielt, seine Entwürfe zusammenraffte, und sich ihm zuwandte.

"Der Gouverneur erwartet mich in einer Viertelstunde", erklärte er mit einem Blick auf seine Skizzen. "Das Ganze wird sicher eine Weile dauern, aber danach kann ich mir deine Studie ansehen, wenn du möchtest..."

"Ja, bitte!", strahlte Raffael seinen Meister an, lugte dabei neugierig auf die Entwürfe, um die der Gouverneur da Vinci gebeten hatte. Lächelnd zeigte der Weißhaarige sie ihm, da er durchaus wusste, wie glühend er von seinem Lehrling verehrt wurde, begann dann aber von gänzlich anderen Dingen zu reden: "Prinz Tiziano von Navarra schien mir recht sympathisch. Ein wenig stürmisch und von bemerkenswerten sonnigem Gemüt, aber ein guter Mann. Ich hoffe, er hat dich gut behandelt?"

"Oh ja, sehr!", rief der Junge überschwänglich, bevor ihm klar wurde _wie_ überschwänglich... Errötend verstummte er, indes Leonardo leise lachte, nickte aber trotzdem noch einmal um seine Worte zu unterstreichen.

"Und du wurdest auch gut untergebracht?", hakte der ältere Italiener nach, bekam jedoch nur noch ein verträumt genuscheltes aber immerhin zustimmendes "Hm-m" zur Antwort, denn Raffael rief sich gedanklich schon in Erinnerung _wie_ gut. Dass Tiziano noch immer ein Mann war und Raffael dementsprechend eigentlich schon _zu_ gut "untergebracht" hatte, fiel ihm in diesem Augenblick schon gar nicht mehr auf. Das einzige, was er im Augenblick wusste, war, dass er noch nie in seinem Leben so angenehm, so _behütet_ geschlafen hatte...
 

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Plötzlich wurde die schwere Holztür aufgeschoben und ein schimmernd brauner Haarschopf schob sich vorsichtig durch die Tür. "Störe ich? Ich hatte angeklopft, aber niemand antwortete."

"Nein, nein, Ihr stört gewiss nicht", erklärte Leonardo geschäftig und Raffael blinzelte ein wenig erstaunt. Gestern hatte er das Gefühl gehabt, dass sein Meister dem Prinzen noch sehr abwartend gegenüberstand, wie immer bei Menschen die Einfluss hatten und von denen er noch nicht wusste, wie sie ihren Einfluss nutzten.

Lag es daran, dass er Raffael gut untergebracht hatte?

/So ein Blödsinn! Du nimmst dich viel zu wichtig! Die Aufmerksamkeit des Prinzen ist dir wohl schon zu Kopf gestiegen!/, rief er sich selbst zurecht, wandte dann seine Aufmerksamkeit - und Neugier - dem Prinzen zu.

"Wie schön... Eure Masken sind so eben eingetroffen und ich dachte mir, wenn ich Sie Euch persönlich bringe, ist das ein guter Vorwand um euch ein wenig über die Schulter sehen zu können", lachte der Adlige ohne jede Scheu und Scham.

Auch Raffael musste schmunzeln über soviel Ehrlichkeit, verbarg sein Lächeln jedoch geschickt hinter der Leinwand.

"Nun ich fürchte, da muss ich Euch enttäuschen. Ich bin in einigen Minuten mit unserem Gastgeber verabredet, um einige Dinge mit ihm zu besprechen", erklärte da Vinci, zuckte entschuldigend mit den Achseln.

Tiziano indes schien tatsächlich ein bisschen enttäuscht. Anscheinend war er ehrlich interessiert an da Vincis Werk - was Raffael nur zu gut verstehen konnte.

"Aber vielleicht kann Euch mein Lehrling ein wenig zeigen und erklären während ich fort bin. Und wenn Ihr Zeit und Muse habt, könnt Ihr ihm ja etwas über den Ball erzählen. Zwar kommt er aus dem Geburtsland des Maskenballs, aber ich fürchte, er war noch auf keinem einzigen..."

"Ihr meint Raffael?" Schlagartig bekam Tizianos Stimme wieder einen erfreuten Unterton. "Ah, da versteckst du dich! Welche Schande, fast hätt' ich dich übersehen... Du solltest wirklich unbedingt noch ein bisschen wachsen!"

Der Angesprochene hörte wie sein Meister leise und amüsiert über diesen _Rat_ lachte, während er selbst ganz rote Wangen bekam. "Ich fürchte, das kann ich nicht beeinflussen", murmelte er und versuchte gleich noch ein wenig mehr hinter seiner Leinwand zu verschwinden.

"Nun denn... ich empfehle mich fürs Erste... eure Hoheit..."

"Auf baldiges Wiedersehen, Meister da Vinci!", erwiderte Tiziano mit einem seiner zahlreichen und dennoch immer wieder einnehmenden Lächeln, deutete mit dem Kopf eine Verbeugung an. Natürlich würde er sich nicht wirklich verbeugen, denn das geziemte einem Prinzen nicht, aber schon allein die Andeutung überraschte den schwarzhaarigen Jungen sehr. Ja, der Prinz war wirklich ein sehr außergewöhnlicher Adliger...

"Möchtest du nicht deine Maske sehen, Raffael?", fragte der Grünäugige schon während da Vinci das Zimmer verließ. Doch sobald die Tür geschlossen war, konnte Raffael wirklich _spüren_, wie die Atmosphäre zwischen Ihnen wieder so seltsam vertraut wurde, als würde Raffael noch in Tizianos Armen liegen.

/in.../, hastig, mit leicht geweiteten Augen, senkte er das Kinn, sodass sein offenes Haar nach vorne fiel und seine glühenden Wangen verdeckte. Was zum Teufel dachte er da? Tiziano hatte ihn lediglich aus Menschlichkeit bei sich schlafen lassen, das hatte mit ihrer jungen Freundschaft überhaupt nichts zu tun! Bestimmt hatte er schon dafür gesorgt, dass das Bett in der Dienerkammer wieder soweit hergerichtet wurde, dass man ruhig darin schlafen konnte. Hatte er wirklich auch nur einen Moment lang angenommen, er würde heute Nacht wieder bei dem Braunäugigen schlafen und seine Nähe und Wärme genießen dürfen?

/Wie absurd!/, dachte er und schämte sich nur noch mehr für seine törichten Gedanken. Was war nur mit ihm los?

"Raffael?"

Verwirrt sah er auf und direkt in ein warmbraunes Augenpaar hinein, das nur wenige Zentimeter vor seinem Gesicht schwebte. Er konnte sogar spüren, wie sein Mund von warmem Atem sanft gestreichelt wurde. Dennoch senkte er den Blick nicht, _konnte_ es gar nicht, weil ihn dieser intensive und doch freundliche Blick gefangen hielt.

"Bist du gar nicht neugierig auf deine Maske? Oder bist du nur so vertieft in deine Welt, dass ich keinen Platz mehr darin habe?", erkundigte sich Tiziano verschmitzt, strich ihm lächelnd über den Kopf, bevor er sich wieder aufrichtete.

"Nein, ich...", er stockte einen Moment, sah den Größeren dann fragend an. "_Meine_ Maske?"

"Natürlich! Jeder der zum Ball eingeladen ist braucht doch eine Maske! Sogar die, die sich selbst einladen..."

Den scherzhaften Kommentar hörte Raffael gar nicht mehr, während seine Augen groß und größer, fast kugelrund wurden. "_Ich_ bin zum Ball eingeladen! Ich?"

"Sicher doch, wusstest du das denn nicht?"

Raffael schüttelte den Kopf. "Ich wusste, dass es diesen Ball geben würde und dass Vinci eingeladen ist, aber ich... _ich_ bin doch nur ein kleiner unbedeutender Lehrling!"

"Nun... dass du nicht sehr groß bist, ist wohl nicht zu leugnen... Aber ansonsten... einen Menschen, der solche Bilder malen kann, wie dieses hier, den bezeichne ich sicher nicht als unbedeutend..."

"Das ist nur eine Studie, Tiziano", wies Raffael ihn hin, hatte gar nicht richtig wahrgenommen, dass er gelobt worden war, was wohl an seiner natürlichen Bescheidenheit lag.

"Umso besser! Nun... tatsächlich ist es unglaublich: an die Maske für dich haben sie gedacht, aber nicht an ein Zimmer... beschämend, wirklich beschämend. Andererseits... nur vorteilhaft für mich..." Ein jungenhaftes Grinsen zierte die weichen Lippen. "Immerhin bist du sehr anschmiegsam..."

Traurig senkte der junge Maler den Blick, wandte sich hastig ab, um das leichte Zittern seiner Unterlippe zu verbergen. "Ihr macht Euch lustig über mich..."

"NEIN! RAFFAEL!" Der Schwarzhaarige zuckte zusammen, sah unwillkürlich zurück, ob dieser heftigen Reaktion.

"Tut mir Leid...", Tiziano räusperte sich verlegen. "Ich wollte nicht schreien... aber... wieso denkst du so etwas? Es war mein Ernst - und ohne jede böse Absicht habe ich es dir verraten..."

"Aber..."

Der Braunhaarige schüttelte leicht den Kopf. "War es dir unangenehm, dir mit mir das Bett teilen zu müssen?", fragte er leise und doch so ernst, dass Raffael unwillkürlich den Kopf schüttelte und so unwillentlich die Wahrheit preisgab. Unwillentlich, denn auch wenn er sich so seltsam zu diesem jungen Mann hingezogen fühlte, auch wenn ihn dieser unwahrscheinlich faszinierte - er wusste dennoch, dass er am Rande eines gesellschaftlichen Abgrundes balancierte. Männer schliefen nun einmal nicht im selben Bett - sollten es zumindest nicht, es sei denn vielleicht, dass nicht genügend Platz war. Schließlich lebte nicht jeder in einem Palast mit hundert Zimmern...

"Darf ich dich malen?", fragte der kleine Schwarzhaarige ganz unvermittelt und überraschte damit sogar sich selbst. "Der Meister hat mir aufgetragen mich allmählich mit der menschlichen Anatomie vertraut zu machen um auch Menschen genau wiederzugeben und..."

Doch wie erhofft hatte Tiziano nichts dagegen:

"Natürlich - wenn du möchtest...", erwiderte er langsam, schien ein wenig verwundert, doch dann fand das schon fast vertraute Lächeln wieder auf die ausdrucksvollen Lippen und Raffael wusste, dass es dieses Lächeln war, dass er festhalten wollte.

Hektisch sah er sich um. Dass er bis eben noch an einer Farbstudie gesessen hatte, die er eigentlich noch seinem Meister hatte zeigen wollen, war längst vergessen. "Vielleicht da am Fenster? Wenn wir es ein wenig frei räumen kannst du auch auf der Fensterbank sitzen."

"Wie du willst", antwortete Tiziano verschmitzt und die kiefergrünen Augen blitzten kurz auf, sodass Raffael unwillkürlich innehielt, ihn einen Moment lang völlig selbstvergessen anstarrte. Warum hatte er plötzlich eine Gänsehaut? Schnell schüttelte er den Kopf als könne er den Gedanken auf diese Weise loswerden und zog den Prinzen energisch zu besagtem Ort, ließ ihn auf der Fensterbank Platz nehmen und wurde nicht enttäuscht. Warmes Sonnenlicht spielte mit seinem Gesicht, die Landschaft fügte sich wie von selbst in das Ganze und der junge Edelmann schien ein natürliches Talent zum Posieren zu haben.

Schnell huschte Raffael durchs Zimmer, suchte sich Pergament, einige Stücken Kohle und einen Graphitstift außerdem noch etwas farbige Kreide zusammen und zog dann einen Stuhl quer durchs Zimmer an die Stelle, die er für das "Beobachten" am geeignetsten befand.

"Du musst lächeln! ...bitte", erklärte er noch schnell, während Tiziano schon konzentriert aus dem Fenster sah und dabei wirkte, als würde er in eine andere Welt entschwinden. Doch dem war nicht so. Denn beinahe augenblicklich verzog sich der Mund zum gewünschten Ausdruck und wirkten doch ganz natürlich dabei. Tatsächlich benötigte der Jüngere einen Moment bis ihm klar wurde, dass es auch echt _war_. Dann errötete er leicht und murmelte nur ein leises Danke, dass das Tizianos Lächeln nur zu vertiefen schien.

Dann versank Raffael gänzlich in seinen Betrachtungen. Eine ganze Weile lang nahm er nur das Bild in sich auf, erst als Ganzes, dann in allen Einzelheiten, versuchte jedes kleine Detail tief in sich aufzunehmen bis er ebenso gut die Augen hätte schließen können und dennoch alles wahrheitsgetreu vor sich gesehen hätte. Der Braunhaarige indes blieb ganz ruhig, auch das Lächeln fror erstaunlicherweise nicht ein, wurde nach einer Weile nur etwas sanfter, jedoch auch beständiger. Nicht das geringste Anzeichen von Langeweile zeigte der Prinz, bewegte sich so wenig wie möglich und sah einfach nur verträumt nach draußen.

Blinzelnd brach Raffael den Bann und atmete leise aber dennoch hörbar ein. Wie er sich leicht beschämt eingestehen musste, war er so in diesen Anblick versunken gewesen, dass er vergessen hatte weiterzuatmen... Dann jedoch straffte sich die zarte Gestalt und er griff zu einer Kreide in einem warmen Braunton, die mit dem Farbton des Pergaments harmonieren würde.
 

Bis sein Meister von seinem Gespräch mit Gouverneur d'Amboise zurückgekehrt war, hatte Raffael gezeichnet, ein Kohlestück nach dem anderen und noch mehr Blatt Pergament verbraucht, um Tiziano von Navarra in den unterschiedlichsten Posen zu zeichnen. Es war wirklich merkwürdig gewesen und selbst das Gefühl, das er beim Zeichnen gehabt hatte, hatte sich ganz neu angefühlt. Raffael war hin- und hergerissen. Einerseits schien es unmöglich, die ganze Atmosphäre auch nur annähernd einzufangen, was weniger daran lag, dass er nur ein- höchstens zweifarbig arbeitete, und es sich nur um - recht genaue - Skizzen handelte... Etwas nicht näher Bestimmbares lag in der Luft und füllte den Raum, erzeugte Ruhe und Spannung zugleich.

Dann war da Vinci zurückgekehrt und erst in diesem Moment war Raffael bewusst aufgefallen in was für einem Haufen von Papieren er saß. Doch sein Meister hatte nur stumm die Skizzen betrachtet, leicht genickt und ihn zum Weitermachen aufgefordert, sofern Tiziano noch Lust und Zeit erübrigen konnte.

Und der Prinz konnte nicht nur - um genau zu sein _wollte_ er es sogar...

Auch die schönste Zeit hatte jedoch einmal ein Ende. In ihrem Fall, als da Vinci erklärte, es sei genug für heute und Tiziano sei sicher müde vom pausenlosen Posieren. Und leider musste sich Raffael mit schlechtem Gewissen eingestehen, dass das nur vernünftig war... Tiziano war so freimütig gewesen, hatte ihm großzügig seine kostbare Zeit geopfert - das durfte er nicht einfach ausnutzen. Vielleicht hatte er ja auch Glück und der Prinz würde ihm in absehbarer Zeit wieder Modell stehen?
 

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Gedankenverloren saß Raffael auf dem Teppich zu Füßen des großen Bettes in dem er die Nacht verbracht hatte und führte einige seiner Skizzen weiter aus oder versuchte vielversprechende Aspekte in einem neuen Bild zu kombinieren.

Tiziano hatte ihn für eine Weile vom Malen ablenken können, als er ihm freundlich wie immer das Chateau und die nahe Umgebung gezeigt hatte, doch nun, das Abendmahl war bereits vorbei, hatte ihn das Fieber wieder eingeholt. Er konnte es nicht beschreiben, doch sein Innerstes war von einer Unruhe erfüllt worden, die ihn dazu antrieb weiterzuzeichnen - und er hatte ihr nicht das geringste entgegenzusetzen, wollte es eigentlich auch gar nicht.

"Du bist wirklich talentiert... ich kann verstehen, warum Leonardo dich unter seine Fittiche genommen hat", sagte Tiziano plötzlich neben ihm stehend und halb über ihn gebeugt. Hatte er nicht eben noch in einem Buch gelesen?

Stolz errötete der langhaarige Junge und bedankte sich artig, betrachtete einen Moment die rätselhaften grünen Augen, die ihm alles und doch nichts zu sagen schienen, bevor er anfing zu suchen.

"Hier... ich würde es dir gern schenken, wenn du es annehmen willst", lächelte Raffael ein wenig schüchtern und reichte dem Älteren ein gut getroffenes Portrait seiner selbst.

"Vielen Dank. Ich werde es gut aufbewahren", antwortete der junge Edelmann und verneigte sich spielerisch vor ihm, ging dann zu seinem Schreibtisch, um es sorgfältig zu verstauen.

Plötzlich aber drehte er sich wieder zu dem blauäugigen Malerlehrling und fragte ihn überraschend: "Sag, kannst du tanzen, Raffael?"

Verdattert schüttelte der Angesprochene den Kopf. "Nein... zumindest sicher nichts, was hoffähig wäre, wenn ihr das meint..."

Der Prinz nickte verstehen, kam wieder zu ihm und sah bedächtig zu ihm hinunter. "Hmm... das sollten wir ändern, Raffael. Denn einen Ball zu besuchen ohne tanzen zu können macht keinen Sinn... du würdest dich ja nur langweilen...", erklärte er seine Gedankengänge.
 

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"Schau nicht auf deine Füße, Raffael", riet der Prinz ihm und kaum dass er das gesagt hatte, trat der Jüngere ihm auch schon auf den Fuß.

Erschrocken ließ er Tiziano los und sah ihn scheu an. "Entschuldige bitte..."

Doch der schüttelte nur abwinkend den Kopf und belehrte ihn freundlich: "Mach dir keine Gedanken! Glaub mir, du willst nicht wissen, wie Madame Mirages Füße nach meiner ersten Tanzstunde aussahen... und ohnehin bist du nicht sehr schwer, als dass es mir viel ausmachen würde...."

Dann nahm er sanft aber bestimmt Raffaels zarte Malerhand wieder in die seine und ermunterte ihn mit einem Lächeln dazu, weiterzuüben. Es war schon ein wenig bizarr, dass ausgerechnet Tiziano, der viel größer und männlicher war als er, für ihn die tänzerische Rolle einer Frau übernahm, damit Raffael lernen konnte, wie man eine Dame führen musste. Allerdings, wenn es so weitergehen würde, dann bezweifelte er wirklich stark, dass er sich überhaupt auf den Ball trauen würde... Trotzdem nickte er, da Tiziano sich soviel Mühe mit ihm gab und er nicht undankbar erscheinen wollte. Allerdings konnte er sich einfach nicht davon abhalten, hinter der kunstvollen Maske immer wieder verstohlen nach unten zu lugen, um seinem Tanzlehrer nicht noch Hühneraugen zu verpassen.

Dies ging allerdings nur solange, bis der Braunhaarige ganz unvermittelt inne hielt und seine freie Hand um Raffaels Kinn legte, es sanft hochdrückte. "Sieh mich an, Raffael", forderte er leise aber bestimmt. "Sieh mir einfach nur in die Augen... Mit der Zeit wird es besser gehen, glaub mir... du musst dich nur ein wenig konzentrieren - aber auch entspannter an die Sache herangehen..."

Kleinlaut nickte der Maler und seufzte lautlos. Und schon versuchte er ein weiteres Mal Tiziano zu einem gesummten Lied durch das Zimmer zu dirigieren.

Tatsächlich wurde er allmählich sicherer und sah nun nur noch ganz selten hinab statt in die Augen des Halbfranzosen. Dafür hatte er noch immer nicht wirklich verstanden wie man führte... Und als hätte der Prinz von Navarra seinen Gedanken gehört, lächelte er plötzlich sacht: "Es fällt dir ziemlich schwer, zu führen, hm?"

Verlegen wich er dem Blick aus, nahm nun den Mund statt der Augen als Fixpunkt. "Tut mir Leid... ich glaube, ich bin einfach nicht für das Tanzen geschaffen..."

Aber sein Lehrer hielt erneut dagegen - und Raffael war auch nur noch halb so überrascht darüber wie am Anfang. Dieser junge Mann schien zumindest für ihn eine so schier unendliche Geduld aufbringen zu können, dass es einfach nur noch bewundernswert war. "Du kannst ja nichts dafür und aller Anfang ist schwer... Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich eigentlich nichts Anderes bei dir erwartet... Im Gegenteil hättest du mich eher überrascht, wenn es dir das Führen leicht gefallen wäre..."

Verwirrt blinzelte er, sein Gesicht ein einziges Fragezeichen, was Tiziano zum Lächeln brachte: "Du bist viel zu sanft und wenig energisch für so etwas... aber das macht eigentlich nichts... denn mir gefällst du so, wie du bist..."

Und ganz plötzlich, ohne jeden ersichtlichen Grund, begann sein Herz schneller zu schlagen, führte er sich aufgeregt, ohne seine Aufregung näher bestimmen zu können, spürte er wie seine Wangen warm wurden - und empfand es dennoch eher als eine positive Aufregung. Zumindest wirkte sie sich sehr positiv aus, denn auch wenn es ihm selbst nicht auffiel konzentrierte er sich immer weniger auf seine Füße und immer mehr auf Tizianos warme Finger: Ganz leicht und bewegungslos lagen sie in seiner Hand, sodass Raffael wirklich selbst versuchen musste zu führen, doch ihre Leichtigkeit und das Gefühl der weichwarmen Haut beruhigten ihn ganz ungemein...
 

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Kommentar: Hier wie in meinem Blog (http://myblog.de/absolutely-black-rain) versprochen der nächste Teil von GS ^^ Übrigens steht nun das Datum für das nächste "LyRa's Copic Culture", dem Treffen in Leipzig, dessen eine Hauptorganisatorin ich bin, fest. Würde mich freuen, wenn ich auch ein paar von meinen Lesern am 04.03. antreffe. Mehr Infos zu dem Treffen findet ihr in meinem Weblog ^^
 

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"Das sollte reichen, sonst wirst du morgen vor lauter Fußschmerzen gar nicht mehr tanzen können", schmunzelte Tiziano und knickste zwinkernd, bevor er Raffaels Hände losließ.

Jener war erleichtert, auch wenn es zum Ende hin wirklich Spaß gemacht hatte, aber andererseits war er auch traurig, weil nun die warmen Finger in seiner Hand fehlten. Erschrocken zuckte er zusammen. Schon wieder hatte er so einen seltsamen Gedanken gehabt!

Scheu setzte sich Raffael auf den Stuhl, der zu Tizianos Schreibtisch gehörte, und tat so, als würde er sich ausruhen. Leider war es ohne eine der fein gearbeiteten Masken - hierzulande "Loups" genannt - sehr viel schwerer als mit ihnen. Denn so konnte er seine vor Beschämung ganz heißen Wangen nicht mehr verbergen, die sicher schon rosig leuchteten.

"Habe ich dich zu sehr angestrengt, Raffael? Du hast ja ganz rote Wangen!", stellte Tiziano auch sogleich fest und kam näher. Hastig schüttelte der junge Maler den Kopf und senkte verzweifelt den Blick. Warum war der Prinz nur so verdammt nett zu ihm? Das war ja zum Verrücktwerden! Oder nein - vermutlich war er wohl schon längst verrückt, wenn er sich darüber beschwerte, dass ein so sympathischer Mensch wie Tiziano nett zu ihm war...

Zerstreut schüttelte er den Kopf und sah Tiziano so heillos verwirrt in die Augen, dass dieser zu lachen begann: "Du siehst aus wie ein kleines verirrtes Reh!"

Das war nun allerdings auch nicht unbedingt das, was Raffael als sechzehn Jahre junger "Mann" hören wollte. So verschränkte er trotzig die Arme und schob bockig die Unterlippe vor, starrte den sichtlich amüsierten Prinzen missmutig an. Noch vor wenigen Stunden wäre ihm dieses Verhalten vor einem Adligen nie eingefallen - doch Tiziano vertraute er.

Der Prinz des Königreichs Navarra behandelte ihn wahrhaftig wie einen lieben Freund, scherte sich nicht um den Standesunterschied - und angesichts der faszinierenden, aber ebenso ehrlichen grünen Augen war sich Raffael sehr sicher, dass sein Vertrauen nicht missbraucht und verraten werden würde. Natürlich wusste er selbst, dass er manchmal noch recht naiv war, auch, da er einfach nicht die Erfahrungen besaß, die ein Mann wie da Vinci in seinem langen Leben gesammelt hatte. Aber andererseits konnte er sich einfach nicht vorstellen, dass dieser offene freundliche Mensch falsches Spiel mit ihm treiben könnte. Schon allein aus der Tatsache heraus, dass Raffael weder Rang noch Namen, weder Macht noch Einfluss besaß. Er hatte ja nur seinen Körper, sein Talent sowie einige wenige Habseligkeiten für die sich ein Prinz ganz sicher nicht interessierte.

Ein leiser Seufzer kroch seine Kehle hinauf und endete in einem verhaltenen Gähnen, welches dezent darauf hinwies, dass er die Strapazen der Reise noch nicht vollständig kompensiert hatte. Tatsächlich war es auch schon recht spät, denn die Schatten wurden länger - und dunkler.

Tiziano lächelte nur. "Du bist müde, nicht wahr? Nun denn, dann sollten wir uns bettfertig machen."

Ein wenig geknickt stimmte der junge Schwarzhaarige zu, da ihm soeben bewusst geworden war, wie er die Nacht verbringen würde: Gänzlich allein.

Er wusste nicht einmal zu sagen, weshalb ihm dies auf einmal soviel ausmachte, da er auch in da Vincis Haus den Luxus eines kleinen aber eigenen Zimmers genossen hatte.

"Ich wünsche dir eine gute Nacht", erklärte der kleine Italiener mit einem traurigen Lächeln, stand auf und schlängelte sich umständlich an dem Prinzen vorbei. "Vielen Dank für den Tanzunterricht, nun werde ich mich sicher nicht blamieren."

"Ich fürchte, ich verstehe nicht", gab der Braunhaarige sichtlich irritiert zurück.

Verdutzt hielt der Langhaarige inne und starrte den Prinzen an, kratzte sich verlegen am Kopf. "Und ich fürchte, ich verstehe nicht, was es da nicht zu verstehen gibt."

Fasziniert beobachtete er, wie sich Tizianos Lippen zu einem kleinen Lächeln verzogen, bevor er seine Verwirrung erläuterte: "Sollte man sich nicht erst eine gute Nacht wünschen, wenn man das Licht löscht?"

"A-aber..." Raffaels Augen wurden groß, dann drehte er sich um und stürmte in das kleine anliegende Zimmer. Es war alles, wie er geahnt hatte: Der Geruch von frischem Heu lag in der Luft, die Bezüge waren ausgetauscht worden - sein neues Bett wartete darauf, dass er darin schlief.

"Verstehe...", hörte er Tiziano hinter sich, drehte sich zaghaft zu diesem um. Warum klang der Prinz auf einmal so enttäuscht wie Raffael sich gerade fühlte? "Und ich wollte dich eben noch fragen, ob du lieber auf der linken oder rechten Seite nächtigen willst, weil es mir gleich ist... Aber wenn du lieber in deinem eigenen Bett schlafen willst, dann erübrigt sich diese Frage natürlich..."

Überfordert mit der Situation ließ sich der kleine Schwarzhaarige einfach auf sein Bett fallen, sah unsicher zu dem Älteren auf. "Du meinst, ich sollte..."

"Ja. Ich fand, mein Bett wäre groß genug für zwei Personen... und wesentlich bequemer als das eines Dieners... Wenn du jedoch-"

Mit freudig klopfendem Herzen sprang Raffael auf und blieb erst stehen, als sie nur noch ein kleiner Schritt voneinander trennte, sah mit großen strahlenden Augen zu dem Größeren auf. "Darf ich auf der Fensterseite schlafen?", unterbrach er den anderen einfach und bemerkte nicht, dass sein Ton dem eines um Süßigkeiten bettelnden Kleinkindes glich.

Der Prinz stockte überrascht, fasste sich jedoch fast ebenso schnell. "Wo immer du willst, Raffael, wo immer du willst", lächelte Tiziano sichtlich erfreut und hielt ihm zuvorkommend die schwere Holztür auf.
 

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Kommentar: Man mag es vielleicht kaum glauben, aber ja, Raffael erreicht einen

neuen Höchststand in puncto Zutraulichkeit. Was das genau bedeutet... lest

selbst *grins grins* Ich hoffe jedenfalls es reicht, um mir die lange Wartezeit

zu vergeben ^^°
 

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Gedankenverloren spielte Raffael mit dem weichen aber sehr dünnen Stoff,

der sittlich ihre nackten Körper bedeckte und doch angenehm kühlte statt

wärmte. Die Nacht war nicht so mild wie zuvor, fast schon drückend in ihrer

schwülen Stille – dennoch machte ihm die zusätzliche Wärme der athletischen

Gestalt neben sich nichts aus. Viel mehr schmiegte er sich behaglich an sie,

wenn auch etwas verstohlen, da es ihm noch immer ein wenig peinlich war. Er

hatte immerhin sechzehn lange Jahre die Moral der feinen Gesellschaft

eingebläut bekommen und auch wenn da Vinci mit seinen oft ziemlich

unkonventionellen Moralvorstellungen einigem entgegengewirkt hatte, war es

doch noch nicht lang genug her, dass er die Nächte auf einer einfachen

Pritsche im Vatikan statt im Bett eines Prinzen verbracht hatte.

Er schauderte leicht. Obwohl der Vatikan eine wunderbare Welt war für jeden,

der das Christentum, Kunst und Architektur sowie uraltes Wissen zu würdigen

wusste und obwohl er jeden Tag über ein neues kleines Wunder gestaunt

hatte, war doch nie dieses beklemmende Gefühl in seinem Innern gewichen,

dass etwas an diesem heiligen Ort nicht so war, wie es sein sollte. Und

seltsamerweise hatte er dieses Gefühl immer nur in der Nähe mancher

Geistlicher empfunden. Nur der Papst hatte eine Ausnahme gebildet. Bei ihm

verspürte er diese merkwürdige, scheinbar unbegründete Furcht nicht im

geringsten – dafür allerdings hatte er immer das Gefühl gehabt, dem Heiligen

Vater ein Dorn im Auge zu sein und wusste doch nicht, was er getan haben

könnte, um den Unmut dieses bedeutenden Mannes auf sich gezogen zu

haben.

„Tiziano?", flüsterte er auf einmal leise, da er einfach noch nicht einschlafen

konnte, den Grünäugigen jedoch auch nicht wecken wollte, falls es diesem

schon gelungen sein sollte, in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu

entfliehen.

„Ja, Raffael?", erwiderte der Ältere mit weiterhin geschlossenen Augen,

allerdings ebenfalls nicht besonders müde klingend.

„Warum habt ihr auf einen Kammerdiener verzichtet?" Der hübsche Junge

mochte es fast nicht einmal vor sich selbst zugeben, doch die Frage

beschäftigte ihn, verdankte er es doch eben diesem Umstand jetzt hier liegen

zu... ja, zu _dürfen_.

Er spürte, wie der Prinz sich ein wenig hochstemmte, um auf ihn hinab sehen

zu können, auch wenn er in dem schummrigen Zwielicht, das der blasse Mond

in dem Raum schuf, kaum mehr als ein paar Schemen wahrnehmen mochte.

„Nun, ich war der Meinung Charles d'Amboise besitze genügend Diener, um

mir ab und an einen zu leihen, wenn ich ihn brauche... Aber um ehrlich zu

sein, schätze ich es einfach nicht, ständig von jemandem umgeben zu sein,

der vor mir zu Kreuze kriecht, wenn ich es so wollte, und der mich die ganze

Zeit mit Samthandschuhen anfasst. Es scheint zwar so, als wäre ich in dieser

Hinsicht eine Ausnahme unter dem Adel und ich weiß, dass es auch Diener

gibt, die dir zu einem wertvollen Vertrauten werden können, aber... nun ich

schätze, ich bin wirklich einfach kein guter Edelmann.

Es ist ja nicht so, als würde ich den Luxus nicht genießen, der mir durch

meine hohe Geburt zuteil wird... aber ich wünschte trotzdem, man würde

nicht immer zu mir aufschauen und mich stattdessen wie einen einigermaßen

normalen Menschen behandeln. Deshalb bat ich dich auch, mich Tiziano zu

nennen. Ich wollte, dass du den Menschen in mir siehst, der dein Freund sein

möchte – und nicht den Prinzen, zu dem du aufschauen musst", erklärte

Tiziano in sehr geistesabwesendem Ton.

Nachdenklich drehte sich Raffael auf den Rücken, starrte die Decke an,

während er grübelte. Schließlich aber nickte er leicht. „Ja, ich glaube, das

kann ich verstehen", wisperte er. Eigentlich war es unsinnig, da die Wände

recht dick waren und die Türen massiv genug, um ein Gespräch in

Zimmerlautstärke zu verschlucken, aber die Dunkelheit ließ ihn automatisch

seine Stimme dämpfen und auch Tiziano sprach eher leise. Vielleicht lag es

auch daran, dass sich unbemerkt eine sehr vertrauensvolle Atmosphäre

zwischen ihnen gebildet hatte, die nur ihnen gehören sollte, gerade wie ein

kleiner aber unermesslich wertvoller Schatz.

Plötzlich aber wurde ihm bewusst, dass sich Tiziano nicht wieder zurückgelegt

hatte, noch immer auf ihn hinuntersah, aber noch bevor sich sein Gesicht zu

einem fragenden Ausdruck ordnen und er sich seinem blaublütigen Vertrauten

wieder zuwenden konnte, spürte er schon die große warme Männerhand wie

sie über seine Wange strich, dabei einige der langen Haarsträhnen beiseite

streifte. Atemlos streckte er den Hals, versuchte mehr von dieser Berührung

zu erhaschen, drückte unwillkürlich den Rücken durch, als ein Haut und Haar

durchdringendes Kitzeln seine sensible Wirbelsäule hinunterschauerte und

konnte das leise Stöhnen, das sich seiner Kehle entwand, schließlich nicht

mehr zurückhalten.

Augenblicklich färbten sich seine Wangen in blumigen Rosé-Tönen, die Tiziano

in der herrschenden Dunkelheit glücklicherweise verborgen blieben. Leider

verriet sich seine Verlegenheit aber auch noch auf eine ganz andere Weise:

„Deine Wange wird ja auf einmal so seltsam warm, kleiner Maler!", neckte ihn

der Braunhaarige und Raffael fühlte, dass er sich über ihn beugte, als Tizianos

Atem heiß und doch nicht brennend über seinen Hals strich, sich ihre Seiten

und Oberschenkel leicht berührten. Und dann, ganz ohne Vorwarnung, legten

sich ein weichwarmer Mund, den er bisher nur auf seinen Wangen gespürt

hatte, auf seinen Hals, streichelte sanft an seiner aufgeregt pulsierenden

Halsader entlang bis hin zu seinem Kinn, über die noch wenig ausgeprägte

Kieferpartie hinweg, bis die vorwitzigen Lippen bei seinem Ohrläppchen

angelangt waren.

Ohne es verhindern zu können, begann Raffael bebend sich zu winden, indes

nun auch Tizianos andere Hand auf Wanderschaft ging, zart über seine

empfindsame Seite und den flachen Bauch streifte, manchmal sogar vorsichtig

in seinen kleinen Nabel stippte. Aufgewühlt biss er sich auf die Lippe. Wie

konnte der Ältere nur so ruhig bleiben? Sein Herzschlag, den Raffael an seiner

Brust fühlen konnte, schien kein bisschen schneller geworden, schlug noch

immer in jenem harmonischen Rhythmus, der dem jungen Maler die letzten

Nächte einen so friedlichen Schlaf beschert hatte.

„Ti-", zitternd erstarb jeglicher Ton wieder in seinem Mund, wich einem

erstickten Keuchen, als eine feuchte und doch brennende Zunge über sein Ohr

leckte. Dann endlich hatte Tiziano Erbarmen mit Raffael, dessen Herzschlag

indes so schnell geworden war, dass er ihn kaum mehr fühlte, nur noch ein

seltsames Rauschen in den Ohren hörte, fast wie das eines kleinen

Wasserfalls. Nur ein letztes Mal drückte der Grünäugige noch seine leicht

feucht gewordenen Lippen auf die Haut des Malerlehrlings, dann ließ er sich

zurück in die Laken sinken, zog Raffael dabei mit sich, sodass dieser plötzlich

in etwa so hilflos wie ein kleines Kätzchen auf dem Prinzen von Navarra lag.

Das förmlich in Flammen stehende Gesicht in der Halsbeuge des Größeren

geborgen, spürte er undeutlich wie Tiziano seine linke Hand in Hüfthöhe auf

seinem Rücken ablegte, während er mit der anderen vorsichtig in Raffaels

Haarflut griff und seine Nase darin vergrub, irgendetwas von „Wieso duftet

dein Haar nur so gut?" murmelnd. Was er jedoch am klarsten fühlte, war,

dass er Haut an Haut auf dem Prinzen lag, wobei eines der beiden schlanken

Beine leicht zwischen die des Älteren gerutscht war – er konnte nicht nur den

Herzschlag des anderen fühlen, nicht nur seinen Bauch, seine Brust, seine

Arme, er konnte die _gesamte_ Vorderseite dieses jungen Mannes spüren.

Und ein leichtes verwirrendes Ziehen zwischen seinen Lenden erinnerte ihn

daran, dass auch Tiziano an seinem Unterbauch fühlen können musste, dass

Raffael als Junge auf die Welt gekommen war.

„Wa-rum hast du... das getan... diese... Küsse?", fragte er mit schwacher

Stimme, so leise, dass es nur noch schwer verständlich war, aber er konnte ja

nichts dafür – ganz im Gegenteil zu einem gewissen Prinzen.

„Weil ich dich mag!", erwiderte der Tiziano schlicht und küsste ihn kurz auf die

Stirn.

„Na hoffentlich machst du das nicht bei jedem, den du magst", murmelte

Raffael von der ganzen Aufregung müde geworden.

Dem Älteren schien es ähnlich zu gehen, denn er antwortete nicht mehr

darauf, doch spürte Raffael wie sich die Lippen an seiner Stirn zu einem

sanften Lächeln verzogen...
 

.

.

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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von: abgemeldet
2006-09-04T16:45:35+00:00 04.09.2006 18:45
Ich muss zugeben als ich gelesen habe, dass dies eine Geschichte über da Vinci ist, war ich erst etwas skeptisch, eben weil er eine solche Persöhnlichkeit ist, aber ich bin von der Geschichte angenehm überrascht.
Ich mag deinen Schreibstil und finde die Geschichte auch sehr gelungen, freue mich schon auf die anderen Kapitel.
Hab die ersten Seiten gelesen und wollte dann auch bis zum Ende lesen, die FF lässt einen nicht los wenn man einmal angefangen hat.
Weiter so ^.^

Liebe Grüße
Ice Angel
Von: abgemeldet
2006-04-06T13:51:06+00:00 06.04.2006 15:51
Ohay-o ^^y
wirklich Süüüüß...hab jetzt erstmal alle Chapter gelesen...
Raphael ist echt knuffig...
werd natürlich die Chapter nachkommentieren wenn sie komplett sind...
Freu mich schon wenn´s weiter geht...
mata ne
Von:  Luma_
2006-02-01T18:34:28+00:00 01.02.2006 19:34
SÜß!!!!!
Freu mich, dass es weiter geht.
Hab's schon im Advendskalender total gern gelesen!^^
Bin schon gespannt, wie's weiter geht!
Von:  Suzaku
2006-01-21T15:31:07+00:00 21.01.2006 16:31
Diese Geschichte hab ich schon im Adventskalender geliebt. ^__^
Vor allem Raffael hab ich ins Herz geschlossen. Seine unschuldig, schüchterne Art ist einfach zum liebhaben.
Ich hoffe, auch hier kommt bald ein neues Kapitel. ^__^ *vor allem schon auf den Ball gespannt bin*
Mach weiter so!!! *strahl*
*wink*
Suza


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