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Beat me baby!

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Jaha!!! Es geht weiter! Ich wurde von der zauberhaften Fanfic einer Mexxlerin dazu beflügelt mal bei BmB weiter zu schreiben und habe mich an den schlimmsten Tag überhaupt rangewagt! BmB neigt sich damit dem Ende (naja fast...^^) und ich danke hier nochmal herzlichst allen Kommentatorinnen und vorallem kmolcki und ai-lila und allen Favonehmern/innen (^___^) Ui das klingt ja fast als sei es schon vorbei? Nein nein, so offen lasse ich euch nicht weg, Alex steht ja schließlich noch vor einigen Hürden ;) Komplett anzeigen

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Sei mein Herr und Meister!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

2-3

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

4-5

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

6-7

Kapitel 6
 

Das Gute an meinem Job als Arzt war, dass ich immer Kontakt zu irgendwelchen Kollegen hatte, die meist spezialisiert darauf waren, sich anderer Probleme anzunehmen. Nach der Begegnung mit Gideon hatte ich noch eine Weile rauchend im Flur gesessen und meine Gedanken kreisen lassen.
 

Während der Chefarzt uns Assistenten und jungen Fachärztre bei der morgendlichen Visite durch die einzelnen Krankenzimmer schleifte nutzte ich erneut den Moment mich mit meinem Problem auseinander zu setzen. Ich hatte meine Patienten gut vorbereitet und der adipös veranlagte, ergraute Mann mit seinem sächsischen Akzent hatte zwar mehr Dienstjahre als ich auf dem Buckel, im Endeffekt konnte er mir jedoch gerade nichts neues zu meinen Patienten erzählen.

Die Assistenzärzte kritzelten eifrig einige Notizen mit während der weiße Pulk ins nächste Patientenzimmer waberte. Ich schob meine Gedanken einen Augenblick zurück und betrachtete den Chefarzt eingängiger. Dr. Schmidt wusste sehr wohl mit unseren Neuzugängen umzugehen. Er hatte die Ruhe weg auch jede noch so simple Frage zu beantworten. Eine bewundernswerte Eigenschaft, auf die ich nicht zurückgreifen konnte. Allerdings war die Chefarztposition auch nur bedingt mein Lebensziel. Ein kleiner verängstigter Junge wurde mit warmen Worten auf seine Operation eingestimmt. Seine braunen weit aufgerissenen Augen erinnerten mich an Gideon und schmerzlich auch wieder an meine Erkenntnis der letzten Nacht.

Die Visite war beendet und die Schar weißer Kittel strömte auseinander, verteilte sich in den verschiedenen Räumen des Krankenhausflurs und ich nutzte die Gelegenheit den Kinderpsychologen zur Seite zu ziehen, der einmal die Woche die Visite beleitete.

„Wie kann ich dir helfen Alex?“ Er lächelte mich freundlich durch sein rahmenloses Brillengestell an. „Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen, Joe?“ Wir hatten für gewöhnlich nie sehr viel miteinander zu tun. Die meisten jungen Ärzte gingen nach einer gemeinsamen Schicht mal einen trinken, aber sowohl Joe als auch ich gehörten eher zu den Eigenbrödlern, sodass unsere Unterhaltungen meist auf Problemen von Patienten beruhten.
 

„Wenn es um den Jungen aus der 4 geht, mach ich mir keine Sorgen. Er schafft das schon.“ Joe fuhr sich mit der Hand durch sein volles dunkelbraunes Haar und verstaute seinen Notizblock in der Kitteltasche. „Nein... ich hätte da eher ein anderes Problöem.. aus dem ...näheren Freundeskreis. Ich.. wollte dich gern dazu um Rat bitten.“ Ich atmete tief aus und verfluchte mich für mein Gestottere. Der junge Psychologe hob fragend eine Augenbraue und musterte mich. „So...einen Freund also, hm?“ Ich lächelte schmal und nickte. „ Lass uns am besten in mein Sprechzimmer gehen. So zwischen Tür und Angel im Flur stelle ich ungerne Diagnosen.“ Er lachte leise und offenbarte kleine Lachfältchen in den Augenwinkeln. Es verwunderte mich etwas, da Joe nur unwesentlich älter war als ich. Während ich ihm durch den Flur folgte betrachtete ich mich in einer spiegelnden Glastür. Gott, vor dem Alter gruselte es mir wirklich! Aber keine alten zu sehen. Gut, Alex. Behalte deinen Plan im Auge!

Joes Sprechzimmer war ein lichtdurchfluteter Raum am anderen Ende der Station. Braune, einladende Ledersessel und ein antiker Schreibtisch sprachen für seinen Geschmack. Das Leder knarrte leicht, als ich mich setzte. Mein Blick streifte über die zahlreichen Bücher in dem kleinen Raum, die alle sorgfältig in die Regale einsortiert waren und keinen Platz mehr an der Wand frei ließen, als er mich aus meinen Gedanken zog. Ich war unschlüssig, wie ich beginnen sollte.

„Okay Alex, dann beschreib mal das Problem deines Freundes.“ Sein Grinsen war nun ziemlich süffisant und ich ärgerte mich, dass ich auf ihn zurück gegriffen hatte. Zugleich verlieh es seinem Gesicht etwas schelmisches und in Kombination mit seinem leichten Dreitagebart sah er gar nicht so unattraktiv aus. Genug geglotzt Alex! Zurück zum Plan! Ich räusperte mich leicht, da ich mich ertappt fühlte, beschloss aber an meiner Idee festzuhalten.
 

„Ich befürchte... meine Freund hat eine Art Agressionsproblem. Du musst wissen, er war nie ein Mensch großer Bindungen, aber ein One-Night-Stand lässt ihn nun nicht mehr locker...“ Joe blickte mich an, als ich anfing meine Geschichte als eine Fremde zu verkaufen. Eine Blickweise, mit der ich mich die Gesamte nacht abgemüht hatte. Er legte dabei langsam seinen Kittel ab, hing ihn an einem Haken, der an einem der Regale befestigt war und setzte sich dan in den Stuhl hinter dem Schreibtisch. Seine gepflegten Hände platzierte er gemächlich auf seinem Schoß als er ein Bein überschlug und sich zurück lehnte.

„Gut, aber wenn es sich um einen Stalker handelt ist vielleicht die Polizei ein besserer Ansprechpartner.“ Ich winkte ab und wandte den Blick wieder den Bücherregalen zu. „ Nein... soweit ich weiß, hat er mit allen Mitteln versucht, das Problem zu lösen. Letztendlcih sogar gewaltsam. Dieser One-Night-Stand bringt ihn wohl auch regelmäßig zur Weißglut und diese Aggression lässt er dann auch an dem Menschen wieder aus.“ Ein kleiner Seufzer meinerseits brachte Joe dazu, sich interessiert zu mir vorzubeugen.

„Ich meine... er hat mir da von ein paar wirklich abartigen Gewaltausbrüchen erzählt, aber je mehr er den anderen verletzt, desto schlimmer wird es. Es erregt ihn, obwohl er es gerne loswerden würde.“ Joe rieb sich leicht das Kinn als er mir zuhörte. Sein Blick war nichtssagend. Ich war mir unsicher, ob ich nicht doch einen Fehler begangen hatte.
 

„Das ..Opfer...dieser Gewaltausbrüche, also der Stalker in dem Sinne...“ Er gestikulierte leicht mit den Händen und sah mich etwas fragend an. „ ...er erduldet diese Behandlung?“ Ich nickte leicht. „Soweit ich weiß ja. Er wurde wohl auch vorgewarnt, scheint aber alles auf sich zu nehmen um in der Nähe meines Freundes bleiben zu können. “ Als sich Joe in seinem Sessel zurück lehnte und für einen Augenblick nachdenklich aus dem Fenster schaute, hatte ich das Gefühl meine Geschichte glaubhaft als die eines Fremden verkauft zu haben.

„Weißt du Alex... Das ist nicht mein Spezialgebiet, aber auf Anhieb würde ich ein größeres Beziehungsproblem vermuten. Ich meine, dein ...Freund... scheint sich in einer sehr starken Dominanzrolle zu befinden. Dominanz hat durchaus einen sexuellen Aspekt. Für Unabhängigkeit aber auch Führung. Nicht umsonst gibt es unzählige Menschen mit betsimmten Fetischen.“ Er griff nach einem Bleistift und tippte leicht auf der Schreibtischunterlage herum.

„Das Ausleben von Dominanz ist nicht unbedingt etwas schlimmes. Voraussetzung ist jedoch, das sowohl der dominante als auch der unterwürfige Part einer Beziehung sich dessen bewusst sind und es klare Grenzen gibt. Auch wenn es noch so erregend sein kann, die Oberhand zu haben und sie auch zu behalten, irgendwann ist es dann doch Körperverletzung, wenn es zu weit geht, verstehst du?“ Wieder sah er mich über seine Brille hinweg an. Er schien das Thema ernst zu nehmen. Sein Lächeln war nur flüchtig. Ich räusperte mich kurz und kratzte mich verlegen im Nacken als in meinen Gedanken die Aktionen mit Gideon wie kleine Kurzfilme an mir vorbei rauschten.
 

„Was kann mein Freund machen, wenn er nicht mehr will? Wenn er sich von dem Menschen trennen will?“ Eine Mischung an Gefühlen durchfuhr mich, als ich versuchte die Bilder zu verdrängen. Sowohl Scham als auch Erregung ließen mich nervös auf dem Sessel hin- und herrutschen.

„In erster Linie würde ich spontan sagen, er sollte den Kontakt abbrechen. Komplett. Wenn Menschen sich starken Misshandlungen aussetzen haben sie oftmals schon früher solche Erfahrungen gemacht und leiden unter einem gestörten Selbstwertgefühl. Die Erniedrigung ist manchmal für sie die einzige Form der Zuneigung. Aber letzten Endes ist es gerade das nicht. Und mit einem gewaltsamen Verhalten fördert man nur das gestörte Selbstbild.“ Wieder fuhr seine Hand durch sein Haar. Das Thema schien schwierig. Auch für ihn. Er atmete mit einem leichten Seufzer aus und sah mich an.

„Dein Freund sollte vielleicht umziehen, wenn er den Kontakt nicht anders beenden kann. Und sein...Gespiele sollte sich vielleicht einen guten Therapeuten suchen.“ Da grinste er schon wieder leicht. „ Mehr kann ich dir erstmal dazu nicht sagen, für alles andere bedürfte es genauerer Informationen, Einzelgespräche und so weiter.“ Joe lachte leise das Lachen mit den kleinen Fältchen am Auge. „Du möchtest sicherlich nicht, dass ich anfange dir eine Rechnung auszustellen.“
 

Meine Sitzhaltung verkrampfte etwas bei diesen Worten. „Tut mir leid, dich mit diesem Thema aufgehalten zu haben...“ Ein kurzes Räuspern von mir. „ Ich werde es meinem Freund ausrichten. Kann ich mich für den Rat etwas revangieren?“ Mein Blick war fragend. Ich versuchte meine innere Nervosität zu überspielen. Wenn Joe diese Geschichte auf mich zurück führte, dann wüsste er, dass ich homosexuell bin. Eine Tatsache, die ich bisher gut vor meiner Arbeit geheimhalten konnte. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe bei dem Gedanken daran, dass ich mich hier womöglich gerade selbst verraten hatte.

Mein Gegenüber erhob sich, immernoch lächelnd, kam um den Schreibtisch rum und lehnte sich dagegen. Die Hände auf der Tischplatte abgestützt lehnte er sich zurück , neigte den Kopf und sah mcih ruhig an. „ Wie wärs, wenn du mich mal auf einen Drink einlädst dafür?“ Ich war auf diese Antwort nicht gefasst und schüttelte leicht den Kopf. „ Was hast du gesagt?“ Wieder dieses leise Lachen. „ Einen Drink. Oder bin ich nicht dein Typ?“ Ich rutschte bei diesen Worten beinahe aus dem Sessel. Die Rollen an dessen Füßen machten es mir nicht leichter, den Schock abzufangen. Joe hielt mich und den Stuhl leicht fest. „ Wie kommst du auf diese Idee?“ Ich wehrte mich immer noch gegen ein Outing auf Arbeit. Bisher hatte ich einen recht guten Stand beim restlichen Personal.
 

„Ach komm schon Alex. Ich bin doch nicht blind. Wir arbeiten seit Jahren hier zusammen und nie sehe ich dich mit einer Freundin. Die Schwestern sehnen sich umsonst nach dir und mit den anderen jungen Ärzten treibst du dich auch nie rum. Wenn dass deine Taktik ist, es zu verheimlichen, kannst du dir auch gleich eine Leuchtreklame auf den Rücken binden.“ Er kicherte vergnügt und drehte mich und den Sessel leicht her. Eine kindliche Geste, die zu seinen ernsten Worten von eben nicht passte. Ich fühlte mich ertappt und unwohl. Bisher war ich mit meinem Auftreten ganz zufrieden gewesen. „ Jetzt schau nicht so toternst. Die Leuchtreklame würde auch nur einem Schwulen auffallen.“ Er zwinkerte mir zu und zog sich wieder hinter den Schreibtisch zurück. Ich nutzte den Augenblick mich zu sammeln.
 

/Unglaublich Alex, du hast diesem Menschen grad Einblick in deine abartigen Neigungen gegeben und er fragt dich tatsächlich nach einem Date!/ Ich lachte innerlich auf und auch gegenüber Joe fand ich ein triumphierendes Grinsen. Mein Sexappeal ließ mich anscheinend nie im Stich. „Okay, einen Drink, sag mir nur wann und wo und ich bin da.“ Meine Haltung lockerte sich wieder. Ein Date war immer eine Bezahlung nach meinem Geschmack. Und Joe war optisch nicht zu verachten. Muskulöser als Gideon oder gar Lukas. Beim Gedanken an Letzteren bekam ich irgendwie ein schlechtes Gewissen. Er wollte doch, dass ich mein Leben auf die Reihe bekomme. Ein Date mit einem Psychiater konnte man doch dazu zählen, oder?

„Welche Schicht hast du morgen?“ Ich musste kurz überlegen. Nicht , dass mir mein Dienstplan noch einen Strich durch die Rechnung machen sollte.

„Bin in der Frühschicht.“ Er schnipste mit den Fingern.

„Ausgezeichnet! Dann sage ich morgen 20 Uhr U-Bahnhof Warschauer Straße. Und wehe du bist zu spät!“ Ich hob verteidigend die Hände.

„Oh nein!“ Mein Lachen klang unbeschwert. „Drohst du mir sonst mit einer Tiefenanalyse meiner Psyche?“ Er grinste ind neigte den Kopf hin und her. „ Wer weiß, dass oder ich erforsche dich ganz heimlich von innen bis ich jeden Schwachpunkt kenne.“ Aus dem Mund eines Psychologen konnten die Worte einen schon ängstigen. Meine Libido war jedoch gerade wach geworden, und statt seine Worte richtig zu verarbeiten musste ich mich eher darum kümmern, ihm nicht zu sagen, dass ich ihn wohl auch gründlich von innen untersuchen würde. Auf meine Art.
 

Ich erhob mich und ging zur Tür. Joe begleitete mich bis auf den Krankenhausflur. Er legte seine Hand auf meine Schulter zum Abschied. Sie war unerwartet kühl. „ Also dann, bis morgen Abend!“ Ein kurzer freunschaftlicher Wink, der wie die Berührung an der Schulter niemanden ahnen ließ, was wir planten. Ich atmete erleichtert auf. Das Gespräch war befreiend, sowohl für meine Libido als auch für mich selbst. Ein Blick zur Uhr verriet mir, dass meine Schicht noch gut acht Stunden dauern würde. Ich ging ins Schwesternzimmer und holte mir die Akte meines nächsten Patienten. The show must go on!

Kapitel 7
 

Auf dem Heimweg kreisten meine Gedanken darum, wie ich Gideon am besten los werden konnte. Ein Umzug kam für mich eigentlich nicht in Frage, immerhin liebte ich sowohl meinen Stadtteil als auch meine Wohnung. Außerdem konnte ich allein nicht schnell genuug alle Sachen beiseite schaffen und irgendwie würde dieser kleine Mistkerl meine neue Adresse sowieso ausfindig machen. Ich schüttelte leicht den Kopf bei diesem Gedanken. Warum nur musste ich immer so abfällig von Gideon denken? Immerhin, wenn Joe Recht hatte, war dem kleinen Kerl schon so einiges Schlimmes widerfahren, was ich durch mein Verhalten nicht verbessern würde.
 

Meine Schicht war hart gewesen und das sanfte Schaukeln der S-Bahn machte mir die Augenlieder schwer. Einer meiner Patienten war heute verstorben. Für den Jungen eine Erlösung, mit Sicherheit, aber keinem Kind wünschte man einen bösartigen Tumor der es zu Tode quält. Vor einigen Tagen noch hatte ich ihm versprochen, ihm eines der kleinen Schmuddelblätter ins Krnakenhaus zu schmuggeln. Sechzehn Jahre war er. Immer diese Hilfe suchenden Rehaugen...
 

„Hey , lass die Finger von ihm!“ Ich schrak auf als ich die laute Stimme vernahm. Benommen blinzelte ich durch die Gegend und sah nur einen kleinen dünnen Kerl davon laufen. Sofort packte es mich und panisch klopfte ich meine Jacke ab, tastete nach Geld und Handy. Einschlafen in der Bahn kam in Berlin nicht gut. Auch nicht tagsüber. „Scheiße!“ Ich friemelte noch an meinem Mantel, der zu gut gepolstert war, als dass ich ohne weitreres alles hätte erfühlen können.

„Du solltest wirklich aufpassen wo du einschläfst Alex. Langsam komm ich mir schon vor wie dein Ritter in goldener Rüstung.“ Es kicherte aus dem Hintergrund und im nächsten Augenblick saß Lukas neben mir.

„Man man, erst in der Kneipe und nmun in der Bahn. Du solltest mehr schlafen.“ Für einen kurzen Augenblick streichelte er über meine Wange und lächelte sanft. „Keine Sorge, ich hab nicht zugelassen, dass er dir etwas klaut.“ Seine Hand verschwand von meinem Gesicht. Kälte ließ mich kurz erzittern. Doch war es nicht die Kälte von außerhalb. Die Bahn war gut beheizt. Die Kurze Berührung von Lukas war es, die mir die Wärme nahm. Ich schob mir ein paar haarsträhnen aus dem Gesicht und seufzte leicht.
 

„Danke... heute ist nicht wirklich mein Tag...glaube ich...“ Im Hinterkopf erschienen Erinnerungsfetzen von meiner kleinen Unterhaltung mit Joe. Schlechter Tag? Ich hatte ein Date abgestaubt und durch Zufall mal wieder Lukas getroffen. Nein mein Bester, schlecht ist was anderes. „Ich meine...ich ...Arbeit lief heute nicht so.“ Das war nicht gelogen. Ich fühlte mich wie ein alter Mann und streckte mich leicht. Lukas Hand drückte sich warm gegen miene Stirn.

„Du solltest dich ins Bett packen und ausruhen.“ Seine Hand verschwand und ein neuer Schauer durchzog mich. Er hatte mir jedoch eben eine gute Vorlage gegeben.

„Nur wenn du dich dazu packst.“ Ich grinste ihn süffisant an.
 

„Verdammte Schwuchteln!!!“ plärrte es mit einem mal aus dem Hintergrund. Ein alter Mann, gut über die siebzig blickte uns verachtend an. Berlin war eine tolerante Stadt, aber immer wieder mal, überkam es den ein oder anderen Menschen seiner Abneigung gegen Homosexualität kund zu tun. Die jüngere Dame neben dem Alten nestelte beschämft in ihrer Handtasche rum. „Opa, sowas sagt man nicht!“ Sie verzog ihr Gesicht zu einer entschuldigenden Grimasse während der alte Mann weiter vor sich hin tatternd seinen Blick wieder aus dem Fenster wandte. Lukas blinzelte etwas perplex über dieses Erlebnis, lächelte dann aber verständnisvoll der jungen Frau zu und widmete sich wieder mir. „ Wo waren wir? Ah du willst mich als menschliche Wärmflasche gebrauchen?“ Ich ergriff seine ungegipste Hand und zog ihn leicht an mich. „ Wieso nicht?“flüsterte ich ihm leise ins Ohr. Lukas lachte warm auf und entzog sich sowohl meiner Berührung als auch meiner sonstigen Nähe. „Zwei mal hab ich dich schon gerettet und du Schuft verlangst immer mehr !“ Er grinste breit und schob sich die Brille zurecht. „ Aber leider wartet ein vierpfotiges Ungeheuer in meiner Wohnung auf mich und wenn ich es nicht füttere wird es einer unglaublichen Zerstörungswut erliegen.“ Ich erinnerte mich schwach an seinen Kater und schmunzelte über Lukas ausdrucksweise. Dieses Ritterding schien ihm zu gefallen.
 

Die freundliche Stimme der S-Bahn machte mich darauf aufmerksam, dass die nächste Station Schönhauser Allee war. Ich hatte nun also die Wahl entweder meinen Heimweg anzutreten oder konnte versuchen doch etwas Zeit mit Lukas zu verbringen. Ich war von mir selbst überrascht, nach dem heutigen Tag diesen Wunsch überhauot noch zu hegen.

„Ähm, eigentlich müsste ich nun aussteigen.“ Ich blinzelte zur Anzeige und blickte dann Lukas an, der recht entspannt neben mir saß, die Beine übereinander geschlagen. Auch er blickte kurz hoch zur Anzeige. „ Dann kann ich wohl nur hoffen, dass du es heil bis nach Hause schaffst, hm?“ Seine Körpersprache war seltsam. Obwohl er für mich auf den ersten Blick immer so unglaublich zerbrechlich aussah, wirkte er nun völlig unnahbar. „Soll ich dich denn vielleicht noch ein Stückchen begleiten und bei der Raubtierfütterung assistieren?“ So stark er eben noch wirkte, das Lächeln auf meine Frage löste diesen Eindruck wieder auf.

„Gerne doch. Dann versorge ich dich eben mit einer heißen Schokolade.“
 

Während die S 8 langsam gen Pankow gondelte unterhileten wir uns über das Nachtleben von Berlin. Es war ungewohnt so normal neben jemanden zu sitzen. Wenn ich meine letzten Jahre rückblickend betrachtete ließ ich das Reden gern direkt weg und konzentrierte mich auf den interaktiven Part. Zugegeben, die meisten meiner Betthäschen besaßen auch nicht sonderlich viel Intelligenz für ein änger anhaltendes Gespräch. Das Besondere am Umgang mit Lukas war seine unglaublich ruhige Art zu reden. Nicht einschläfernd, sondern solide und fesselnd. Man könnte die Augen schließen und einfach seiner Stimme lauschen. „ So, hier müssen wir raus.“ Er stand nur langsam auf und mir wurde bewusst, was er vor kurzem erst mitgemacht hatte. Er verzog leicht das Gesicht dabei und ich fragte mich , ob der Schmerz von geprellten Rippen gerrührte. Obwohl ich ihn damals gefunden hatte, war ich mir über seinen Zustand nicht im Klaren. „Alles okay?“ Ich umfasste mit einem Arm vorsichtig seine Schultern und versichte ihm in der wackeligen Bahn halt zu geben. Irritiert blickte er auf meine Hand. „Schon.. schon okay.“ Auch wenn ich mit blöd vorkam, musste ich grinsen. Ich war mir nicht sicher, aber diese Geste schien Lukas zu verunsichern.
 

Als die Bahn hielt, ließ ich die Hand langsam seinen schlanken Rücken hinabgleiten. Er lief vor mir aus der Bahn und zog an der frischen Luft fröstelnd seine Lederjacke enger um sich. „Ich hasse den Herbst“ schimpfte er , blickte sich kurz orientierend um und stapfte los. Ich war überrascht, dass er nicht wirklich auf mich zu warten schien, schob dies aber auf die Kälte und lief ihm nach.
 

Das bereits einmal gesehene Straßenschild begegnete mir nach einigen Minuten. Borkumstraße. Ich hatte den Namen beinahe vergessen und wollt ihn mir nun genauer einprägen. Nebst Hausnummer und Lukas Nachnamen. Es handelte sich um Altbauten. Ich konnte mich nicht erinnern durch diesen dunklen Flur gegangen zu sein, aber mein erster und einziger Besuch bisher war eine Weile her und ich wahrlich nicht in bester Verfassung. Mit leichtem Ruckeln öffnete Lukas die schwere Doppeltür zu siener Wohnung. Lichtdurchflutet und von wohliger Wärme erfüllt empfing sie mich ein zweites Mal. Ich schmunzelte darüber, dass ich im Grunde nichts von meinem ersten Besuch behalten hatte un fragte mich , ob meine Betthäschen mein Inventar auch so gern verdrängten. Schließlich war der Wer zum Bett der einzig interessante für sie gewesen. Zugegeben, auch für mich.
 

Ich hatte so lange rumgehurt, dass die jetzige Situation für mcih ungewohnt war. Etwas verloren stand ich im Flur und betrachtete Lukas, wie dieser Lederjacke und Schal ablegte. „Willst du nicht auch den Mantel ablegen?“ Seine Brille war von der Kälte beschlagen. Er nahm sie ab und blinzelte etwas unbeholfen, während er sie an seinem schwarzen Rollkragenshirt trocknete. Einige blonde Strähnen fielen ihm dabei ins Gesicht. /Eigentlich nicht mein Typ.../ Ich schüttelte den Gedanken aus dem Kopf.
 

„Nicht ablegen? Nunja, scheint ein kurzer Besuch zu werden, hm?“ Er grinste , die Brille wieder auf der Nase, und wurde dann von mir abgelenkt, als ein dickes Etwas um die Ecke kam und ein lautes Geschrei veranstaltete. „Oh! Doch, so war es nicht gemeint!“ Ich zog etwas verdutzt den Mantel aus und hing ihn an die kleine Flurgarderobe. Das Geschrei von Lukas Katzentier erschütterte mich.
 

„Klingt als hättest du ihn Wochen nicht gefüttert“, merkte ich trocken an und wich leicht zurück, als das fellige Ungetüm auf mich zu kam. Katzen waren nicht mein Ding.

„Och das täuscht. Er versteht sich nur darin, so zu tun als ob. Nicht umsonst ist er so schlank gebaut.“ Seine Stimme verebbte am schluss etwas, als er mühsam den Kater auf den Arm hob und mit ihm in die Küche verschwand. „Ich glaub, wenn du ihn nicht tragen würdest ,würde das schon helfen!“ Während ich ihm dies nachrief zog ich meine Chucks aus. Sein weicher Teppich umfing einladend meine Füße. Auch dieser Teil von Lukas Wohnung war mir beim ersten Besuch entfallen.
 

„Bist du im Flur angewachsen, oder traust du dich nicht zu mir in die Küche?“ Er blickte hinter dem Türrahmen der Küche hervor und lächelte sein unglaublich freundliches Lächeln. „Nein, ich hab nur gerade deine Einrichtung etwas bewundert“. Um nciht ganz zu lügen ließ ich den Blick weiter schweifen während ich langsam Richtung Küche tapste. Helle Wände, heller flauschiger Teppich. Als Kontrast schwarzbraune, zum Teil antike Möbel und eine beige Couch zeichneten Flur und Wohnzimmer aus. Ein großes dunkles Bild hing über dieser und erfüllte damit den Ruam bis zur Decke. Alles sehr stilvoll, aber auch etwas steril. Auf Höhe des Türrahmens zur Küche drehte ich bei und erinnerte mich, wie Lukas bei der ersten Begegnung desinteressiert am Küchentisch saß, Kaffee trank und seine Zeitung las.
 

Jetzt werkelte er an einer dieser Kaffeepadsmaschinen rum und zeigte wedelnd Richtung Küchenstuhl. „Setz dich. So wie du hier rumgeisterst machst du mich nervös.“ Zwei Tassen wurden unter der Maschine platziert. Ein lautes Surren versprach baldigen Kaffeegenuss. Der Kater schmatzte in einer Ecke über sienen Napf gebeugt. Ich betrachtete das Tier eindringlich, starrte es quasi an. In seiner Leibesfülle erschien es so dekadent, dass es durchaus in diese Wohnung passte. Nur Lukas, mit den blauen Flecken und dem Gipsarm passte hier nicht so ganz rein. Dieser Gedanke lenkte meinen Blick wieder zum blonden jungen Mann. Es war ungewohnt. Normalerweise stürzten sich die Kleinen auf mich. Kaum war eine Tür hinter mir zu, öffnete sich in der Regel die zum Schlafzimmer. Aber Lukas werkelte einfach da rum, als ob es ihm gleich gewesen wäre, dass ich hier war. Diese Erkenntnis kratzte meinen Stolz an. Während er noch kleine Kekse auf einen Teller drapierte erhob ich mich und stellte mich lautlos hinter ihn. Er hielt in seiner Bewegung inne als ich meine Arme um seinen Bauch legte, nicht zu fest, wegen der Rippen, und meinen Kopf auf seiner Schulter ablegte. „Mach dir nicht zu viel Mühe. Kekse interessieren mich nicht so.“ Ich verleihte dem Satzende eine verruchte Tonlage und küsste Lukas leicht am Hlas. Schmuseleien waren weniger meine Art, aber bei ihm hielt ich diese angebracht. Noch immer bewegte er sich nicht. Nur das Schmatzen der Katze und die letzten Kaffeetropfen, die in die Tassen vielen erfüllten die Stille.
 

„Lass das lieber, Alex.“ Er atmete schwer und drehte sich zu mir um, schob mich zugleich etwas weg. „Ich hab keine Ahnung, wie du dich sonst so durchs Leben bewegst, aber als ich neulich sagte, dass du es ordnen solltest, bevor du mich darin unter bringst, meinte ich das ernst.“ Er holte erneut Luft. Für einen Augenblick befürchtete ich eine Heulattacke ala Gideon, merkte dann aber, dass seine Rippen ihm das atmen erschwerten. Ich schalt mich innerlich selbst und zog mich auf den Küchenstuhl von eben zurück.
 

„Offensichtlich hat dein kleiner Freund nämlih nicht verstanden, dass ihr kein paar seid. Oder ihr habt eine wirklich seltsam innige Freundschaft.“ Lukas wandte sich kurz von mir ab, holte eine Milch aus dem Kühlschrank und hellte seinen Kaffee auf. Es wirkte etwas unbeholfen. Der Gips behinderte ihn. „Soll ich dir helfen?“

„Nein danke, geht schon. Auch Milch?“

„Ähm, ja.. ist nicht der erste heute, etwas gestreckt ist er sicher verträglicher.“ Milchbutte und Kaffeetasse Nummer zwei landeten vor mir auf dem Küchentisch. Lukas Stuhl scharrte lautstart über den Fliesenboden, dann gesellten sich auch sein Kaffee und der kleine Keksteller auf den Tisch. Schwarzes Geschirr auf weißen Küchenmöbeln. Er schient diesen Kontrast zu mögen.
 

„Gideon ist einfach etwas aufdringlich. Ich arbeite an dem Problem.“ Leicht lächelnd winkte Lukas meine Worte beiseite. „Was du mit dem kleinen Kerl machst, ist absolut deine Sache. Ich halte mich nur grundsätzlich aus Beziehungen raus. Das gibt nur Ärger.“ Eben war ich noch verwundert, wieso ich mich so bereitwillig verteidigte, jetzt erfüllte mich das tiefe Bedürfnis danach, die Sache klar zu stellen.

„Gideon ist nicht mein Partner. Wir leben in keiner... nicht in dieser Form der Beziehung! Eigentlich ist er nur ein kleiner One-Night-Stand, der sich beharrlich an meine Fersen gehängt hat!“ Wut kochte in mir auf und meine Stimme wurde zum Ende des Satzes ungewollt lauter. Ich biss mir auf die Lippe. Lukas anzuschreien verbesserte hier gar nichts.
 

Leise klirrte sein Löffel als er den Kaffee umrührte. Der Blick mit dem er mich bedachte verwirrte mich. Ich hatte jetzt mit Wut gerechnet oder Eifersucht, aber in Lukas Augen sah ich nur Bedauern. „Oh Alex...wenn ich dich so reden höre, bezweifle ich grade, ob es überhaupt einen Menschen gibt, den du schätzt.“ Für den Augenblick war ich mir unklar, ob Lukas Worte oder seine unglaubliche Gelassenheit mich mehr verletzten. „ Ach komm, als ob du Mutter Theresa wärst!“ Er schmunzelte bei diesem Vergleich, der zugegeben, sehr passend für einen Schwulen war. Dieses Lächeln brachte mich noch mehr auf die Palme. Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Arme. Der Wunsch etwas zu Kleinholz zu verarbeiten kam in mir auf, aber andererseits wollte ich mir die Sache mit Lukas nicht verscherzen. /Kein Blasehase, kein kleines Toy./
 

„Ich bin vielleicht keine Heilige, aber ich geb den Menschen eine volle Chance. Immerhin hab ich auch dir eine gegeben, als ich dich damals vom Toilettenboden aufhob und mit nach Hause nahm wie ein Kätzchen. Ja genbau, das bist du. Mein keines Straßenkätzchen.“ Er kicherte triumphierend über seine Erkenntnis und streckte mir die Zunge entgegen. Sein Zungenpiercing kam dadurch zur Geltung. Bisher war es mir nicht aufgefallen,aber bei Lukas war ich eh nicht der Blitzmerker und spätestens bei etwas französischer Action wäre es mir wohl aufgefallen. Dennoch schaffte er es mich mit seinem Verhalten in eine größere Trotzphase zu bringen. Für gewöhnlich gab ich hier die Spitznamen. Lukas lächelte mich weiter an und nippte zwischendurch an seinem Kaffee.
 

„Hab ich dich gekränkt?“ Eine Augenbraue wanderte hoch über den Brillenrand hinaus. Wieder warf er mcih aus meinem Gleichgewicht. Hatte ich mich doch ebend im schönsten Schmollmodus befunden, den ich übrigens seit Jahren nicht mehr wirklich anschmeißen musste, so warf mich seine Frage da auch wieder hinaus. Es war keine spöttische Frage. Sie klang tiefgehend und ernsthaft. Seine schmale ungegipste Hand wanderte über den Tisch und streichelte mir leicht über den Unterarm. Sein Blick war ruhig, das Lachen verschwunden. „Ich wollte dich nicht kränken, Alex, ich kann nur nie meine Klappe halten.“ Er kicherte leicht, zog die Hand zurück und wedelte mit beiden Händen kurz in der Luft. „Manchmal gehen eben meine verrückten Gedanken mit mir durch!“ Etwas unwohl rutschte er nun auf seinem Stuhl hin und her, blickte mich ruhig an und wartete wohl auf eine Antwort.
 

Solche Gespräche lagen mir nicht. Ich hasste es über Gefüle oder ähnlichen Kram zu reden. Das war es, weswegen ich meine One-Night-Stands so mochte. Ein guter befreiender Fick und tschüssikowski. Alle Emotionen abgebaut ohne unnötig den Mund dafür auf zu machen. Meine verschränkte Haltung löste sich etwas. Meine Finger trippelten auf den Tisch ein, während ich mit mir selbst rang. Ich blickte Lukas kurz ins Gesicht. Sein Ausdruck schmerzte mich innerlich. Ich beschloss, dass dieser kleine blonde Kerl Gift für mich war. Zumindest mental. Körperlich wollte ich noch klären, vielleicht. Auf jedenfall würde ich ihm jetzt nicht meine Gefühlswelt offenbaren. Seine silbergrauen Augen ruhten auf mir. Ich fühlte mich in die Enge getrieben, denn in diesem Momant hatte ich die Oberhand verloren. Ein letztes Mal klopfte ich auf den Tisch, dann erhob ich mich. „ Ich glaub, ich gehe besser nach Hause. War’n langer Tag.“
 

Ich schaffte es stolperfrei in den Flur zu meinen Schuhen. Chucks ließen sich bequem auch mal halb im Laufen aunziehen. Das erleichterte meine Flucht. Lukas sagte nichts mehr. Er stand wortlos gegen die Wand im Flur gelehnt und betrachtete meinen total verrückten Abgang. Als ich nach der Türklinke griff, stoppte ich. Lukas hatte sich nicht bewegt. Sein Gesichtsausdruck war schmerzlich. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn gerade enttäuschte oder mit meiner Art verletzte. „ War nett zu plaudern.“ Ich hob kurz die Hand zum Abschied, öffnete die Tür und entschwand in den dunklen Hausflur. Die Tür fiel laut knarrend ins Schloss. Drinnen hörte ich nur das lauthalsige Mauzen des fetten Katers. Dann betrat ich die Straße. Berlins Lärm umfing mich. Die Kälte umfing mich und betäubte meine Gefühle. Hier draußen fühlte ich mich frei.

Growing up... 8-9

Kapitel 8
 

Ein neuer Tag, eine neue Runde. Wie auf den Jahrmarkt warf ich mich ins Leben und meine Frühschicht. Ich war etwas zerknautscht. Mein zügiger Abgang bei Lukas am Vorabend machte mir zu schaffen. Meine eigene Verklemmtheit wenn es darum ging über Gefühle zu reden machte mir zu schafen. Hintern frei und rauf da ist meine Devise. Mein innerstes in einem Gespräch preiszugeben hatte ich über viele Jahre erfolgreich unterdrückt und vermieden. Doch ich bereute es. Bei Lukas war ich nun wohl der absolute Vollpfosten. Ich wunderte mich selbst darüber, warum ich immer seine Nähe suchte, auch das Gespräch in der Bahn genoss, und dann so davon laufe.
 

„Guten Morgen!“ Ich schreckte aus den Gedanken hoch, die mich wiedermal an diesem Morgen quälten als ich über den Stationsflur lief. Joe nickte mir nur kurz lächelnd zu. Ein Gruß der nicht mal ansatzweise einem Außenstehenden verriet,was heute Abend wohl passieren würde.

„Morgen,“murmelte ich verdutzt, blickte ihm kurz nach und fand dann meinen Weg weiter. Wenn dieser Kerl mit seinem Dreitagebart und dem weißen Kittel so an einem vorbeischwebte, konnte man schon Appetit bekommen.
 

Ich habe früher nie auf meine Kollegen geachtet, denn Beziehungen am Arbeitsplatz waren für mich tabu, aber in diesem Fall musste ich ja eine Schuld begleichen und kam nicht drum rum. Ich war für einen Augenblick verwirrt, ob Joe wohl der passive oder aktive Part war. Ich hoffte auf den passiven, sonst würden wir da ein paar Probleme bekommen. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, das sofort wieder verschwand. Mein Problem mit Gideon war noch nicht gelöst. Doch heute würde ich da nicht weiter kommen. Es galt den Abend zu planen. Gideon würde auch am folgenden tag noch da sein. Und bezüglich Lukas gab ich grad meine Hoffnung auf. Zumindest konnte ich die Gedanken daran gut verdrängen bei der Vorstellung, welche schöne Schweinereien ich diese Nacht erleben würde. Sex ist etwas herrliches !
 

Ein kurzes Räuspern für einen klaren Kopf, dann betrat ich das nächste Patientenzimmer.
 

Ende Oktober und Minusgrade! Ich hasste es. Der Wind schnitt eisig von der Brücke her zum U-bhanhof Warschauer Straße und ich beglückwünschte mich mir einen dickeren Parker über das Nadelstreifen Hemd anstelle eines Jacketts gezogen zu haben. Mein Schal schützte mich vor weiterer Kälte und die Hände vergrub ich in den Taschen, dennoch nervte mich das warten etwas.

Aber ich war in der Schuld. Keine Zeit zu schmollen. Ich studierte etwas die Lidfassäule vorm Bahnhof als mir auf die Schulter getippt wurde. Joe stand hinter mir, in einen schwarzen dicken Kaschmirmantel gehüllt, mit stoppeligem Gesicht und diesem Lächeln, dass die Fältchen erscheinen ließ. „ Hey! Wartest du schon lange? Die S-Bahn hatte Probleme.“
 

Sein entschuldigendes Lächeln machte alles wieder wett.

„Und? Wie ist dein Plan für diesen Abend?“ Mein Lächeln zeigte, dass ich nicht sauer war.

„Nun, ich dachte mir, dass wir vielleicht erst ein-zwei Cocktails trinken und dann in die B gehen.“

Ich war überrascht. Irgendwie hatte ich mehr Intimität für dieses Date erwartet. Ich fragte mich kurz in welchen Kreisen ich mich früher rumgetrieben hatte. Bedachte ich Lukas und Joe, die offensichtlich nicht nur von einer starken Libido geführt wurden, sondern auch etwas Köpfchen besaßen und verglich diese Tatsache mit meinen Betthäschen, kam mir mein Leben leer vor. Durchvögelt, aber leer.
 

„Klingt nach einem guten Plan!“ Ich steckte etwas Enthusiasmus in meine Worte um meine Gedanken zu überspielen. „ Ein paar Freunde von mir feiern hier in der nähe nen Geburtstag. Da wollt ich vorbeischauen und dich einfach mitschleifen. Keine Sorge, sind paar süße Typen und die Cocktails dort großartig!“
 

Ich starrte ihn kurz verdutz an. DAS hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Diese Sache verwandelte sich von einem Date allmählich in ein normals freundschaftliches Treffen zu verwandeln. Joe sah mein erstauntes Gesicht und lachte kurz auf. „ Weißt du, du bist nen leckeres Kerlchen, aber erstens halte ich nichts von Monogamie und zweitens von Techtelmechteln auf Arbeit.“ Er zwinkerte mir zu und wandte sich dann Richtung Simon-Dach-Straße.

„Aber nen netten Abend schließe ich nie aus. Bereit?“

In Gedanken strich ich dann wohl den geplanten versauten Sex. Vielleicht war bei den versprochenen süßen Freunden was dabei. Zugleich war ich in gewisser Weise auch erleichtert. Es war nun egal, wer hier aktiv oder passiv war. Ein netter Flirt war drin und Joes professionelle Haltung zum Arbeitsklima brachte auch mich zurück auf meine Bahn.

„Na da stimme ich dir bei beidem zu!“ Ich grinste süffisant und kämpfte mich neben ihm an den Menschen vorbei über die Brücke...
 

Ich kann mich nicht mehr an den Namen der kleinen Bar erinnern, aber ich weiß noch, dass sie schräg gegenüber von Pauls Metal Eck lag. Wir traten nacheinander ein und Joe ging zielstrebig voran, begrüßte den Barkeeper und schlängelte sich durch die Leute in ein kleines, über einen Vorhang abgetrenntes Separee aus dem der Duft von Shishatabak drang.
 

Drinnen war lautes Gekicher zu hören und ein vergnügtes Gröhlen erklang, als Joe eintrat. Die Gäste saßen alle auf dem Boden auf großen Sitzkissen, überhaupt war alles sehr orientalisch und einladend.

„Naaaaa Joe? Bringst du endlich den Stripper?!“ Die Stimme, die diese Worte rief, klang unangenehm. Das den Worten folgende Gelächter zeigte aber eine gute Stimmung und spiegelte den schon erhöhten Alkoholkonsum wieder.

„Ich seh zwar nicht schlecht aus, aber zum Ausziehen bräucht ich erstmal nen Drink!“ Ich beglückwünschte mich selbst für mein schlagfertiges Konter, welches von weiterem Gelächter beggleitet wurde.
 

„Mädels, das ist Alex, mein Arbeitskollege, den ich euch versprochen hab.“ Ich winkte einmal in die Runde und ließ meinen Blick schweifen. Nachdem ich die Gäste einen nach dem andern kurz mit den Blicken Taxierte erstarrte mein Winken und ich blickte recht blöde auf die Person, die mittig saß und eine kleine Krone aufhatte.

„Hallo Alex.“ Die Begrüßung wurde von einem kleinen Lächeln begleitet und der Tonfall war wesentlich wärmer als ich erwartet hatte. Lukas saß ein paar Meter vor mir im Schneidersitz, eine hautenge Lederhose und dazu ein passendes Kragentop in schwarz an mit dieser lächerlichen kleinen Krone auf dem Kopf. Ein paar blonde Strähnen umspielten sein Gesicht und die Kerzen von dem Kuchen vor ihm auf einem kleinen Tischchen warfen kleine huschende Schatten auf seine amüsierten Gesichtszüge.
 

„Oh! Wie ich sehe kennst du unser Geburtstagskind bereits!“ Joe lachte, warf seinen Mantel in eine Ecke, in der bereits mehrere Jacken lagen, und zog mich mit runter auf ein freies Kissen. Es war nihct meine Art mich so ziehen zu lassen, aber diese Situation warf mich doch aus der Bahn.
 

Lukas angelte mit der unvergpsten Hand nach einbem Cocktail Glas und zog lächelnd am Strohhalm während ihr verdaddert meinen Parker auszog. „ Na was ziehst du denn für ein Gesicht Alex!“ Verwundert sah mich Joe an. „Hab ich da was verpasst Lukas oder ist er nur von deiner Schönheit geblendet?“ Die Runde gröhlte wieder. Mit katzenhaftem Grinsen stellte Lukas seinen Drink ab. Seine Wangen waren bereits leicht gerötet vom Alkohol. Er sah dadurch jung aus, niedlich beinah, und die Blessuren in seinem Gesicht schienen quasi verschwunden.
 

„Nein Joe, du hast nichts verpasst, ich vermute nur, dass Alex sich grad schämt, kein Geschenk dabei zu haben. Musst du wohl doch strippen, hm?“ Wieder ein Gröhlen in der Runde. Ich straffte meine Sitzhaltung und zwang mich zu einem Lächeln. „ Gib mir ein zwei Drinks und dein Wunsch geht vielleicht in erfüllung, aber dann unter vier Augen!“ Gegacker und Gekicher. Die Situation schien gerettet. Lukas zwinkerte mir kurz zu und angelte nach ein paar Salzstangen, die in einer kleinen Schale auf dem flachen Tisch in der Mitte standen.
 

„Aber das ist ja fast etwas ärgerlich.“ Joe kratzte sich leicht am Kopf,“Ich dachte ich bring mal nen neues Gesicht in die Runde, und dann das. Woher kennt ihr euch denn?“
 

Ich überlegte noch, welche unserer Begegnungen denn wohl die erzählenswerteste wäre. Wie Lukas mich auf dem Klo fand? Wie er mich vor nem Taschendieb bewahrt hatte? Wie wir von Gideon gestört wurden?
 

„Er hat mich vor kurzem gerettet, als diese Kerle mich zusammengeschlagen hatten. Ohne Alex hätte ich jetzt vieleicht nicht nur nen Gipsarm.“ Er lächelte und hob, zur B stätigung seiner Aussage, die maltretierte und eingegipste Hand. Ich erntete ein paar bewundernde Blicke und senkte lächelnd den Blick, winkte leicht ab. „ Ach was, das war doch nichts.“

Wieder klopfte mir Joe rauh auf die Schulter. Er war definitiv ein sehr maskuliner Homnosexueller. Ich wurde von ihm leicht hinm und hergerüttelt.

„Nur keine falsche Bescheidenheit. Wir sind alle sehr dankbar, dass du unserem Prinzesschen den Hintern gerettet hast.“ Auch Lukas wurde getätschelt und lächelte mir zu. Somit war mein Standpunkt in dieser Runde gesichert. Es war mir zwar etwas unangenehm, dass Lukas mich so in ein viel zu gutes Licht gesetzt hatte, aber besser als dass er unsere anderen Begegnungenwiederspiegelte.
 

Ein Kellner betrat das Separee und unterbrach das Gespräch. Es war mir ganz recht. Ich hab mich immer bemüht das Image eines recht abgebrühten Kerls zu haben und meiner Auffassung her war ich das auch. Die Blick, die ich hier bekam, passten ganz und gar nicht dazu. Man hatte mich hier sofort ins Herz geschlossen, aber nicht auf diese anhimmelnde Art, wie es meine Betthäschen so gern taten, sondern mit einer ungewohnten Wärme, die mir fast etwas Angst machte.
 

„ Wat darfs denn sein für die Herren?“ Joe ließ seinen Blick über die vorhandenen Cocktails schweifen und meinte dann: „ Ne Mago-Collada hätt ich gern.“ Zu seiner sonst sehr männlichen Art passte dieses Getränk überhaupt nicht. Aber es zeigte, dass er tatsächlich schwul war. Ich musste schmunzeln, blickte den Kellner an und meinte ohne weiter zu überlegen: „ Ich hätt gern `nen Long Island Ice Tea.“ Ein kurzes Nicken und der Kellner war wieder weg. Ich bemerkte, wie ich etwas angestarrt wurde. „Was denn?“ Ich unterstützte die Frage mit einer gehobenen Augenbraue.
 

„Na Alex du gehst aber ran! Nicht dass wir dich am Ende nach Hause schleppen müssen, der Abend is ja noch lang!“ Wieder der Kerl mit der unangenehmen Stimme. Aber nicht nur die Stimme war nicht nach meinem Geschmack. Er erschien zwar recht groß, aber war von eher sehninger Statur und das Gesicht glich mit seiner doch recht stark ausgeprägten Hakennase etwas einem Geier. Dennoch fanden seine Worte in der Runde Anklang und das gekicher setzte wieder ein.

„Na dann üssen wir ihn zu Lukas schaffen, der hat nen großes Bett und nen Platz frei!“ Wieder lautes Lachen. Ich grinste mit. Sie waren optisch alle nicht so mein Typ. Bis auf Joe, der zwar durchaus interessant gewesen wäre, aber da kam die Arbeit dazwischen. Und Lukas... tja da hatte ich wohl eh alles versaut. Also ermahnte ich mich, den Jagdtrieb meiner Libido mal etwas runter zu fahren und den Abend einfach so zu genießen. Offensichtlich stand hier der Spaß im Vordergrund.
 

„Wieso ist denn nur noch bei Lukas was frei?“ fragte ich und erneutes Kichern kam auf. „ Wat denn wat denn, gefällt dir unser Prinzesschen nicht?“ Oh wie ich diese Fragen hasste! Aber es passte zu Lukas Freunden, schließlich hatte er selbst mich schon mit dieser Frage in Verlegen heit gebracht.

„Och, das wollte ich damit nicht sagen!“ Amüsiert schürzte ich die Lippen und blickte mir Lukas mit seinem albernen Krönchen an. „ War nur neugierig.“
 

Die zwei Kerle zu Lukas Linken verfielen in eine stürmische Knuddelei und wedelten zugleich mit den Händen in der Luft. „ Stephen und ich sind seit 3 Monaten verheiratet!“ Ich beglückwünschte die beiden nachträglich, wobei ich selbst nicht an solche Beziehungen glaubte. Das jetzt hier durchblicken zu lassen war aber fehl am Platze und im Endeffekt auch nicht mein Problem. „Meiner ist noch arbeiten, der stößt später dazu“ kam es von Mister unangenehme Stimme, der sich noch kurz als Maik vorstellte. „ Und Joe ist für dich eh Tabu, schließlich seid ihr Arbeitskollegen, und auf so ein Niveau lässt er sich nicht herab!“ Maik kicherte und der Rest machte mit. Auch Lukas lächelte, aber ich merkte, wie sein Blick mich taxierte.
 

Unsere Cocktails kamen und ich nutzte die Gelegenheit mich mit einem kräftigen Schluck auf den Abend vorzubereiten.
 

Kapitel 9
 

So gegen Mitternacht und somit etliche Cocktails später ging es mit immer noch höchst begeisterter Stimmung ins Haus B. Lukas hatte von seinen Freunden neben ein paar sinnvollen Geschenken auch diverse Sexspielzeuge und sonstige Anzüglichkeiten erhalten und auf dem Weg in die B wurde wild spekuliert, ob sich heute Abend nicht ein freiwilliger Tester finden ließe. Lukas ließ diese Sprüche über sich ergehen, lächelte bzw. lachte immer mal mit, gab sich aber nicht sonderlich interessiert daran, nun schleunigst wen in die Kiste zu bekommen. Es passte zu seiner Art. Schließlich hatte er auch bei mir die Bremse gezogen. Rechtzeitig, wies mir durch den Kopf schoss.
 

„Na aber Lukas-Schnuggelchen. Wenn du da heute keinen abschleppst muss doch Alex dran glauben!“ Wieder dieses aufgeputschte Lachen. „ Ja, wie war das mit dem Striptease fürs Geburtstagskind!“ Vor der B war eine längere Schlange, in die sich vergnügt eingereiht wurde.
 

Das Haus B lag direkt unter dem U-Bahnhof Warschauer Straße und war eine recht bekannte Discothek für Homosexuelle. Aber auch Heterosexuelle kamen hier her um zu feiern. Ich blickte mich um und sicherte für meinen Teil die Gegend ab. Keine Arbeitskollegen in Sicht. Hätte mich aber auch gewundert. „Na los Alex! Nicht so verkrampft!“ Ein kräftiger Schlag auf meine Schulter begleitete Joe’s Worte und er schob mich langsam in der Schlange vorwärts.

Die Stimmung in der B war gut. Zielstrebig ging es erstmal in den Floor für Schlagermusik. Eine Runde Kurze wurde an der Bar bestellt und ich beglückwünschte mich, nach dem Long Island auf alkoholfreie Cocktails umgestiegen zu sein. Somit war ich klar genug und musste keinen erneuten Toilettenabsturz befürchten, wenn ich nun noch was Hochprozentiges trank. Die Partymeute nebst Lukas verzog sich auf die Tanzfläche während Joe und ich am Rand stehen blieben.
 

„Woher kennst du Lukas?“ rief ich nach einer Weile des schweigsamen Beobachtens zu Joe rüber. Er stand zwar neben mir, der Lärm erforderte aber eine erhöhte Lautstärke.

„Lukas?“ Sein Blick war fragend, als hätte er meine Frage nicht recht verstanden. Ich nickte ihm zu und deutete auf Lukas und dann auf Joe, unterstützt mit einem fragenden Blick. Diese Form der Kommunikation war mir irgendwie Fremd. Ich hielt mich immer bevorzugt im Darkroom auf, der sowieso nur für Männer war und in dem klar war, was man vom anderen wollte.
 

Joe neigte sich näher zu mir ran, behielt unsere Meute auf der Tanzfläche aber wie ein Wachhund im Blick. „ Ist mein Ex.“ Er lächelte etwas säuerlich und ich war durchaus überrascht. Offenbar konnte man mir das auch ansehen. „ Ich sagte ja, Monogamie ist nicht mein Ding. Seins schon!“ Ich erkannte einen Moment Bedauern in seinem Gesicht. „Hey, na immerhin könnt ihr noch miteinander!“ Ich lächelte und versuchte die eben erhaltene Info in meinem Kopf zu verarbeiten. Dabei drehte ich die Bierflasche in der Hand, welche ich mir eben zusammen mit dem Kurzen an der Bar geholt hatte.
 

Da kams mir in den Kopf. Was, wenn Joe meine Geschichte mit Gideon an Lukas weiter erzählt hatte? Gut, das würde seiner Schweigepflicht widersprechen aber dennoch. Die Zwei schienen ja noch recht vertraut miteinander und... Ich knirschte unmerklich etwas mit den Zähnen.
 

„Ist das nen Problem für dich?“ Joes Worte riefen mich aus meinen Gedanken. „Was?!“ Ich hatte den Faden verloren. „Na, dass unsere kleine Prinzessin mein Ex ist!“ Ich winkte mit einer kurzen Handbewegung ab. „Keines falls.“

„Ah, gut. Kam mir grad anders vor!“ Er grinste breit und prostete mir zu. Ich grinste zurück und hob ebenfalls zum Trinken an . Joe kam nicht weit. Maik stürmte auf ihn zu und zog ihn mit in die tanzende Menge. „ Ich liebe diesen Song!!“, hörte ich ihn nur noch gröhlen und sah zu , wei Joe es eben noch schaffte sein Gemüsebier abzustellen. Es war eine Schmuseballade von Doro. In Freiheit stirbt mein Herz oder so ähnlich. Ich war es nicht gewohnt, hier solche Musik zu hören, aber offensichtlich wurde sie begrüßt, denn sofort bildeten sich Pärchen, die engumschlungen tanzten. Stephen und sein Freund, dessen Name mir entfallen war und auch Maik und Joe gaben sich nicht sonderlich viel Blöße. Nur Lukas stand auf der Tanzfläche allein. Er sah unentschlossen aus, schockiert von all der Pärchenmacht.
 

Ich stellte mein Bier ab, lächelte leicht und ging auf ihn zu, als er sich grade auch zu mir an den Rand gesellen wollte. „ Darf ich um diesen Tanz bitten holde Maid?“ Da trotz des ruhigeren Liedes die Musik noch recht laut war reichte ich ihm meine Hand. Es war nicht meine Art, so mit anderen Männern umzugehen. Aber Lukas lächlte, schob sich scheinbar etwas verlegen die Brille zurecht und ergriff meine Hand. Ich zog ihn näher an mich, legte eine Hand um seine Taillie und begann mit ihm das langsame hin und her, das zu dieser Musik passte.
 

Lukas lächelte mich beinah schüchtern an und lehnte sich vorsichtig gegen mich. Ich lächelte zurück und triumphierte etwas, diesen sonst so sicheren Kerl etwas aus der Bahn zu bringen. Mir kam es zumindest so vor.

„Genießt du den Abend?“ Ich hatte mich vorgebeugt und stellte die Frage in angepasster Lautstärke relativ nah an sein Ohr. Lukas war einiges kleiner als ich und somit musste ich mich recht tief beugen.

Sein Blick wanderte über die Pärchen und blieb kurz an Joe und Maik hängen, dann blickte er mich wieder an und lächelte leicht. „ Ja, ist schon schön.“ Ich hob fragend eine Augenbraue. „ Nur schön?“ Immer wenn ich mich zu ihm herabbeugte, wurde ich von seinem Parfüm umgfangen. Ich sog den lieblich süßen Durft ein und blickte ihn wieder an. Wieder ging sein Blick zu Joe. „Manchmal... fühlt man sich trotz aller Freunde einsam.“ Lukas lächelte nun etwas schief. Entgegen meiner Art drückte ich ihn etwas enger an mich. Ich war nie der Tröster oder so etwas, aber bei Lukas ging es nicht anders. Offensichtlich hing ihm die Geschichte mit Joe noch nach. Es stieß mir etwas sauer auf, schließlich hatte doch er mir gesagt, ich solle mein Leben erstmal auf die Reihe bekommen, bevor ich ihn drin einbauen würde. Ich wollte aber nun mit ihm darüber nicht diskutieren. Langsam strich ich ihm eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Seine Wangen glühten, was ich auf den Alkohol schob.

Meine andere Hand kraulte sanft über seinen Rücken.
 

„ Wenn du dich einsam fühlst Lukas, solltest du vielleicht einen Abstecher in den Dark Room machen. Ich bin mir sicher, dass sich das dort ändern wird.“ Meine Worte wurden durch ein aufmunterndes Lächeln unterstützt. Allerdings erzeilten sie nicht die gewünschte Wirkung. Stattdessen versuchte Lukas sich nun von mir zu entfernen. „ Ach Alex. Für einen Augenblick dachte ich , du wärst nen netter Kerl! Du kapierst es nicht!“ Er wollte sich vollends von mir lösen. Ich ergriff ihn am Handgelenk, nicht zu fest aber durchaus bestimmend und zog ihn schwungvoll wieder an mich. Wieder umschlang mein Arm ihn, ließ ihm aber diesmal keine Möglichkeit zu gehen.
 

„Erklär es mir.“ Ich lächelte unbewusst noch immer, meine Stimme war allerdings recht rau geworden. Ich würde lügen , wenn ich behaupten würde, Lukas so an mich zu halten, hätte mich nicht erregt. „ Es geht nicht immer nur um nen guten Fick Alex. Was bringt mir all der Sex, wenn ich danach alleine da sitze!“ Seine Augenbrauen zogen sich etwas zusammen. Dieser kleine Anflug von Zorn stand ihm. Wieder wollte er weg, merkte aber schnell, dass er aus meiner Umarmung nicht entkommen würde. Damit wir nicht zu sehr auffielen machte ich mit dem langsamen Hin und Her weiter. Trotzdem merkte ich, dass zumindest Joe uns bereits beobachtete.
 

Ich beschloss darauf zu pfeifen, ergriff Lukas erneut am Handgelenk und zog ihn nach draußen und weiter in den Dark Roo, der quasi gleich um die Ecke lag. „ Alex was hast du..“ Weiter kam er nicht. Ich drückte ihn rau gehen die Wand und meine Lippen auf seine. Mit der Zunge leckte ich über seine Lippen, bis diese mir Einlass gewährten und unsere Zungen einen längeren Kampf aufnahmen. Als ich den Kuss wieder löste rang Lukas nach Atem und hielt sich dabei leicht die Seite. Die geprellten Rippen schienen sich wieder zu melden.
 

Ich presste mein Becken gegen ihn und ließ die Hand mit bedachtem Druck über seine schwarze Lederhose wandern. „ Es hat nicht geklappt, okay Lukas, aber vergiss ihn. Vögel dir etwas den Kopf frei und such dann erneut.“ Ich raunte ihm diese Worte mehr an den Hals , als ans Ohr, denn meine Lippen bahnten sich bereits den Weg über die Haut, die nicht vom Kragen bedeckt war.

„Ich ... bin nicht ..so einer !“ Er rang schon etwas um seine Worte und auch die enge Lederhose verriet ihn. Ich drehte ihn schwungvoll mit dem Gesicht zur Wand und presste mich an seinen Rücken, sodass er deutlich meine Erregung spüren konnte und seine durch den Druck gegen die Wand gesteigert wurde. Ich leckte mit der Zunge von Hals zu seinem Ohrläppchen und saugte leicht daran, bis ich den Druck gegen ihn leicht weg nahm. „ Ein bisschen bedeutungsloser Sex geht immer...“ raunte ich ihm wieder zu und presste mich erneut gegen ihn.
 

Sein Körper, der sich eben noch gegen mich aufgebeugt hatte, verlor an Spannung und er senkte leicht den Kopf. Ich löste mich von ihn und Lukas drehte sich zu mir um. Sein Gesichtsausdruck war leicht gequält und dennoch versuchte er zu Lächeln.

„Das ist es doch grad Alex...er ist nicht bedeutungslos...nicht für mich....“ Ich stand verdattert vor ihm und sah zu, wie er kurz seinen Sachen richtete. Dann lächelte er mich kurz an und verließ den Dark Room. Ich stützte mich mit einer Hand an der Wand ab und versuchte seine Worte und die Traurigkeit in seinen Augen zu verarbeiten. Natürlich war mir bewusst, dass nicht jeder Homosexuelle so durch die Betten hüpft wie ich, aber offensichtlich war Lukas wirklich einer der wenigen, die absolut monogam waren und wirklich nur in einer Beziehung ihr Bett teilten.
 

„Na Süßer, da hast du wohl ne derbe Abfuhr bekommen. Soll ich das mal zu Ende bringen?“ Mit festem Druck ging eine Hand an meine Errektion. Ich drehte mich mit dem Rücken zur Wand und lehnte mich dagegen. Der fremde Kerl öffnete meine Hose und ehe ich mich versah spürte ich seine heiße Zunge über meine Erregung tanzen. Als seine Lippen sich um meine bestes Stück schlossen und er langsam zu saugen anfing, stöhnte ich leicht auf und schloss die Augen. Lukas tauchte plötzlich vor meinem inneren Auge auf. Mit ihm sein gequälter Blick. Erst zu Joe. Dann wie er mich ansah. Wer auch immer mir da grad einen blies, er machte seine Arbeit fantastisch. Ich stöhnte leicht und blickte hinab auf dieses kaum zu erkennende fremde Gesicht. Er blickte kurz zu mir auf. In der Dunkelheit erschienen seine Augen leer. / Er ist nicht bedeutungslos...nicht für mich./ Lukas Stimme drang in meinen Kopf während ich den Blick dieser leeren Augen erwiederte. Obwohl ich kurz vor dem Orgasmus stand, ging es plötzlich nicht mehr. Nach Atem ringend versuchte ich den anderen weg zu drücken.

„Hör auf! Es geht nicht!“ Schlagartig ließ auch meine Erregung nach. Der Kerl lies von mir ab und taxierte mich kurz mit abschätzendem Blick. „ Was denn los mein Süßer, wars nicht gut?“ säuselte der Fremde zu meinen Füßen. „ Vergiss es...“ murmelte ich nur und sah zu , dass ich die Hose wieder zu bekam. Fluchtartig verließ nun auch ich den Dark Room, schoss am Schlagerfloor vorbei und Richtung Garderobe. Beim Weg nach draußen rief mir der Fremde noch irgendeine Beschimpfung hinter her. Ich nahm sie nicht wahr bis ich zwischen Schlagerfloor und Garderobe zum Stehen kam.
 

Dann hielt ich inne. Ein kommentarloser Abschied wäre nun genauso reif wie mein Abgang neulich aus Lukas Wohnung. Ich hatte mich eigentlich gut amüsiert und sollte durch dieses unsinnige Verhalten nicht zerstören, was sich heute Abend so ergeben hat. Ich knirschte kurz mit den Zähnen und drehte um.
 

Ein Teil der Partymeute war noch immer auf der Tanzfläche zugange. Maik hatte seine Arme mittlerweile um wen anders geschlungen und auch Joe tauschte Intimitäten mit einem Fremden aus.
 

Lukas und Stephen saßen zusammen mit Stephens Freund an einem Tisch in der hinteren Ecke. „Sorry Jungs, ich muss mich verabschieden.“ Sie blickten alle zu mir auf.

„Waaaas? Schon?“ Aus Stephens Freund sprach der Alkohol, aber in gewissem Maß auch tatsächliche Enttäuschung. Lukas blickte mich eher ausdruckslos an, während seine Freunde versuchten, meinen Aufenthalt hier mit ihrer Überredungskunst zu verlängern.

„Was ist denn nun mit unserem Prinzesschen hier?!“ Lukas wurde von Stephen umarmt und leicht hin und her geschüttelt. Er lächelte gequält und sah müde aus.

„Ich glaube nicht, dass ich heute noch nen Prinzen finde Steph.“ Während er dies sagte, blickte er zu mir auf. Ich fühlte mich angegriffen. Mein Magen verkrampfte bei seinen Worten und ich ärgerte mich, grad eben nen guten Blowjob für dieses Kerlchen hier sausen gelassen zu haben.
 

„Ohoooo !! Ihre königliche Hoheit hat schlechte Laune!!“ Gekicher. „Garçon!! Mehr Alkohol bitte!!! Damit wurde Joe adressiert, der tatsächlich Richtung Bar stapfte und bestellte.
 

„Gut Ladies, ich wünsche euch noch viel Spaß.“ Innerlich brodelte ich, aber ich bemühte mich locker zu klingen und setzte mein süßestes Lächeln auf, deutete eine Verbeugung an und marschierte davon.
 

An der Garderobe dauert es immer im Haus B, bis man das hat, was man möchte. Ich stand gegen den Tresen gelehnt und wartete, dass das Mädel auf der anderen Seite meinen Mantel aus dem Wirrwar an zu dicht gestopften Jacken, Mänteln und Rucksäcken heraussuchte. Eine schmale Hand legte sich auf meine und überrascht blickte ich auf. Lukas stand neben mit, schob etwas unbeholfen seine Brille zurecht und blickte mich an.

„Schade, dass du schon gehen willst.“ Seine silbergrauen Augen musterten mein Gesicht. Sie wanderten hin und her und ich vermutete, dass er nach Worten suchte.
 

„Du brauchst dich nicht zu entschulidgen Lukas.“ Ich lächelte schief. „ Du bist nunmal, wie du bist... und ich bin ich ...“ Die Worte hatten einen härtern Ton, als es mir lieb war. Ich empfing meinen Parker und begann mich anzuziehen. Lukas drückte meine hand etwas fester, dann zog sie sich zurück. Dort, wo sie eben noch meine Haut berührt hatte, fühlte es sich nun kalt an.
 

„Wenn du magst, komm morgen zum Kaffee? Nur du und ich und vielelicht einmal die Möglichkeit zu reden.“ Er lächelte leicht. Diese Einladung war vorsichtig und offensichtlich ohne größere Versprechen, doch trotz all seine Vorsicht in der Wortwahl stand dieser kleine Kerl vor mir, sein albernes Krönchen auf dem Kopf, und strahle eine unglaubliche Sicherheit aus. Vielleicht waren meine Worte kurz zuvor doch nicht so verkehrt gewählt gewesen.
 

„Also gut. Dann bis morgen Prinzesschen.“ Ich beugte mich hinab und küsste ihn sanft auf die Wange, dann verließ ich das Haus B.

Kapitel 10-11

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 12-13

Ich bin ziemlich entnervt...seit mehreren Tagen versuche ich nun diese Kapitel hochzuladen. Entweder schmiert mein Browser ab, oder es werden leere Kapitel gespeichert...und jetzt doppelt *grml* Ich mag Technik nicht x_X!! Danke ans Admin Team für die Infos, was jetzt mal wieder nicht lief :P ! Allen Anderen viel Spaß beim Lesen ;) PS: Ich hoffe nun passt es ^_^
 

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Kapitel 12
 

Mit weichen Knien und meiner schmutzigen Wäsche in der Hand taumelte ich ins Badezimmer. Das Wasser rauschte in die Wanne und auch hier hatte Lukas durch unzählige Kerzen eine wohlig warme Stimmung erzeugt.
 

„Gib mir deine Sachen.“ Ich registrierte, wie er mir meine Unterhose und die Jeans abnahm und aus dem Bad verschwand. Ich entledigte mich noch meiner Socken und tauchte langsam in das dampfend heiße Wasser ein. Er hatte Recht gehabt. Die Kälte von Draußen entwich nun entgültig meinen Knochen und das eben erlebte durchfuhr meinen Körper mit einer Woge der Erschöpfung. Ich hatte schon etliche geile Ficks gehabt. Immer war ich der aktive Part. Ich hätte mir auch nie träumen lassen, dass ich mich jemals einem Menschen so hingeben würde, aber es war gut. Besser noch. Das eben erlebte war eine neue Ebene der Lust für mich. Ich wusste, dass ich für mich selbst immernoch der aktive Part war. Aber jetzt wusst ich auch, dass ich mich bei Lukas gehen lassen konnte.
 

Ich sank genüsslich in den Schaum, als sich die Badezimmertür erneut öffnete und Lukas wieder hereingehuscht kam. Huschen war der passende Ausdruck, denn schnell und lautlos setzte er sich auf den Wannenrand hinter mich. Er hatte seine Socken ausgezogen und positionierte seine Beine leicht angewinkelt auf dem Wannenrand. Dann beugte er sich leicht vor und begann mit einem wohlig duftenden Öl meine Schultern einzureiben. Es roch nach Kräutern. Die Mischung wurde durch den heißen Dampf bis tief in meine Lungen getrieben. Umgehend wünschte ich mir eine Zigarette.
 

„Kann ich auch hier rauchen?“ Ich drehte mich nur leicht zu ihm um und sah sein Lächeln.

„Schau mal da an der Wand, du Räuchermännchen.“ Auf einem kleinen Regal stand ein Aschenbecher im maritimen Design und meine Schachtel Zigaretten lag daneben. „ Du denkst an alles, hm?“ Ein lieses Zippen, dann das Knistern der verbrennenden Zigarette beim tiefen Atemzug. Lukas Finger massierten mit sanftem Druck meinen Nacken und meine Schultern. Es fühlte sich herrlich an. Genüsslich neigte ich den Kopf nach vorne und spürte den sanften Druck einer Hand meine Wirbelsäule hinabstreichen. Natürlich massierte er einhändig. Die Zweite war ja im Gips. Wir schwiegen. Es arbeitete in meinem Kopf, woher Lukas so gezielt wusste, wie er mit mir umzugehen hatte. Es wunderte mich zugleich, wie ruhig ich war. Ich löschte nach etlichen Zügen den übrigen Stummel im Aschenbecher mit maritimen Design.
 

Ich drehte mich in der Wanne, zu schnell, als dass Lukas zurück weichen konnte. Ich ergriff seine gesunde Hand und küsste kurz den Handrücken. „Zeit für eine kleine Revange, findest du nicht?“ Behutsam zog ich ihn zu mir ins Wasser. „ Alex, nicht! Mein Arm!“ Mit einem geschickten Griff positionierte ich seinen Arm in die Höhe, sodass der Gips kein Wasser abbekam. Zugleich zog ich ihn etwas tiefer, wodurch er mir in die Augen sehen musste. Wasser spritzte durch die Gegend und lief über den Wannenrand. Die ein oder andere Kerze erlosch.
 

Ich küsste sanft seinen schmalen Hals und arbeitete mich mit leichtem Knabbern an der Haut vor bis zu seinem Ohr. Er erzitterte leicht bei dieser Berührung. Seine missliche Lage ließ ihm nicht viel Bewegungsspielraum, sonst drohte er weiter im Wasser zu versinken.
 

„Alex...das geht nicht...Uh...“ Er zuckte zusammen, als meine Hand mit Druck über seinen Schoß strich. Seine Erregung sprach für sich. Es geht doch nichts über einen verräterrischen Körper. Ich küsste ihn fordernd und hörte nicht auf, seinen Schwanz durch die nasse Hose zu streicheln.

„Genieß es doch einfach...“ Raunte ich ihm zwischen dem nächsten Kuss kurz zu. Dann drang meine Zunge ohne Gegenwehr in seinen Mund ein.

Er schmeckte so süß wie am Abend zuvor. Mit der leichten Gegenwehr sogar noch süßer.
 

„Alex...ich kann das so nicht...“ Seine Stimme klang flehend und unsicher blickte er mich an. Es war, als suche er Bestätigung in meinem Gesicht. Was auch immer Joe ihm für eine Standpauke gehalten haben mag. Vor mir war immer noch der Lukas, der keinen schnellen Fick suchte. Es verblüffte mich, dass es für ihn kein Hindernis war, mich in völlige Extase zu bringen. Die Tatsache, dass er mir dabei aber körperlich kaum nahe gekommen war, erklärte dies wiederrum etwas. Seine unversehrte Hand drückte sanft gegen meine Schulter und mich somit weg von ihm. Ich umfasste ihn erneut und drückte ihn sanft an mich, wohl darauf bedacht, seinen Gipsarm außerhalb der Reichweite des Wassers zu halten. Sein Widerstand brach etwas ein und er legte den Arm um mich...
 

„Du machst mich schwach Alex...“ Er seufzte leise und küsste sanft meinen Hals, als es an der Tür klingelte.

„Scheiße!“ Wie ein leises Knurren stieß er die Worte hervor.

„Du erwartest noch Besuch?“ Ich grinste amüsiert. Offensichtlich war Lukas doch kein Heiliger. Dummerweise kam die Unterbrechung just in dem Augenblick, wo er anfing zu genießen.

„Ich hatte nicht mit deinem Besuch gerechnet...“ Etwas unbeholfen zog er sich aus der Wanne, seine nassen Klamotten klebten na seinem schlanken Körper. Ohne zu zögern öffnete er seine Hose und zog sie aus. Mit einem Klatschen landete auch das Shirt daneben. Es folgte die Unterhose. Er stand mit dem Rücken zu mir und angelte nach einem Handtuch aus dem Schrank. Ich kam nicht umhin seinen nackten Körper zu betrachten. „ St arr mich besser nicht an, Alex.“ Seine Stimme trug ein kleines Lachen mit sich. Das Handtuch fiel ebenfalls zu Boden und ein schwarzer Bademantel von der Tür, kimonoartig geschnitten, umhüllte seine schlanke Silouhette. Es klingelte erneut.

„Handtücher findest du auch da in der kleinen Truhe.“ Er nickte zu einer kleinen Korbtruhe unterhalb des Badfensters. Wieder klingelte es. „ Verdammt nochmal...“ Grumelnd stapfte er aus dem Bad. Da die Wohnungstür nahe der Badtür lag, hörte ich ihn an der Gegensprechanlage. „Ich brauch noch nen Augenblick, komm schon mal hoch.“ Unter leichten Stöhnen stapfte er recht schnell in sein Schlafzimmer. Es klopfte an der Wohnungstür.
 

Man hörte ihn zurückkommen und die Tür öffnen. „Du bist ein paar Stunden zu spät.“ Seine Stimme klang nüchtern, ohne Schwung.

„Sorry Prinzesschen, zu viel Verkehr.“ Das Lachen kam mir bekannt vor, auch die Stimmlage. Unbeschwertheit und ein verschmitztes Lächeln schienen die Worte zu begleiten.

„Joe, ich weiß, wir sind nicht mehr zusammen, aber mich stundenlang für den nächst besten Fick vom Vorabend warten zu lassen ist nunmal nicht die feine Art.“ Ich hielt kurz inne. Johannes. Natürlich. Ich versuchte Lukas Stimme zu deuten. Es fiel mir schwer. Sie wurde durch die Badezimmerzür abgedämpft und er sprach betont ruhig.
 

„Na so wie du ausschaust, wusstest du deine Zeit doch zu nutzen.“ Schweigen und ein unsicherers Lachen folgte. Es klang nach Joe, der lachte. Warum konnte ich jedoch nicht erkennen.

„Ach Prinzesschen, guck doch nicht so finster. Wenn du nicht so frigide wärst, könnten wir auch zu dritt ne Menge Spaß ...“

Das Knallen einer Ohrfeige ließ seine Worte verstummen.

„Ich dachte eigentlich, dass du dich entschuldigen wolltest, nach deinem Vortrag gestern.“ Immernoch sprach Lukas ruhig, trotz der wohl eben ausgeteilten Ohrfeige. Offensichtlich schien das nichts neues für ihn zu sein. „Aber anscheinend möchtest du noch etwas mehr in der Wunde bohren, hm?“

„Lukas, ehrlich. Es tut mir leid, wenn ich dich verletzt hab. Du weißt, ich liebe dich. Aber ich bin nunmal kein Kerl für feste Sachen. Und ich glaube kaum, dass Alex da anders ist.“

Ich zog leicht die Augenbrauen zusammen. Es war kaum abzustreiten, dass ich kein Kostverächter war. Betrachtete ich jedoch meine letzten Wochen und Tage, erkannte ich mich selbst kaum wieder. Lukas nahm immer mehr bei mir ein, egal wie sehr ich mich dagegen wehrte.

„Ich will dich doch nur beschützen.“
 

„Danke, aber ich denke, dass ich alleine auf mich aufpassen kann.“ Ein Seufzer war zu hören.

„Du bist heute schon die kleine Diva oder? Kleiner Kater von der Geburtstagsfeier? Du hättest dich besser austoben sollen als...“

„Johannes, es reicht! Du musst mich nicht immerzu darauf hinweisen! Ich bin nicht so! Ich vögele nicht jeden geilen Kerl, der mir über den Weg läuft, verdammt nochmal!“

„Bei aller Liebe Lukas, es würde dir aber mal gut tun.“ Joe lachte leise. Ich selbst konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
 

„RAUS HIER!“ Erstmalig erlebte ich Lukas in lauter, fast schreiender Tonlage. Es war aber nicht das hysterische Keifen mancher Dramaqueens. Zumindest schreckte es mich nicht so ab.

„ Hey, ich dachte wir gehen etwas essen? So zur Wiedergutmachung?“

„Für heute bin ich bedient!“ Die Haustür knallte kurz darauf zu. Stille im Flur. Ich lauschte noch einen Augenblick, dann erhob ich mich aus der Wanne und angelte mir aus der kleinen Korbtruhe ein Handtuch. Nachdem ich mich und meine Haare halbwegs trocken gerubbelt hatte, nahm ich den zweiten, weinroten Kimonobademantel von der Badezimmertür und warf ihn mir über. Nicht, dass ich vor Lukas nicht auch nackt aufgetaucht wäre. Nach dem aktuell mitgehörten Gespräch hielt ich es jedoch besser, mich zu bekleiden. Ein Rauswurf für mich wäre sowohl nackt oder halbnackt durchaus unangenehm.
 

Ich war etwas unsicher, wie ich mich verhalten sollte. Ich beschloss einen Gang zurück zu schalten und meine Revange für das Schlafzimmererlebnis wohl besser auf später zu verschieben. Joe war ein knackicker Kerl, ich wüsste nicht, ob ich einen Dreier mit ihm ausschlagen würde, wenn er nicht mein Arbeitskollege gewesen wäre. Offenbar lag es Lukas jedoch sehr am Herzen eben nicht unwillkürlich durch die Gegend zu huren. Ich holte kurz Luft und öffnete dann gespannt und vorsichtig die Badezimmertür.
 

„Ist die Luft rein?“ Ich lachte leise und blickte zu Lukas, der im Flur stand, die Arme vor der Brust verschränkt, die Augenbrauen zusammengezogen und an seiner Unterlippe kauend.

„Ja... tut mir leid, dass du das mitanhören musstest. Ist nicht meine Art.“ Er seufzte leise und schlappte mit hängenden Schultern gen Küche.

„Ich mach mir nen Tee, willst du auch einen?“ Ich schlüpfte kurz zurück ins Bad, stieg über den Berg nasser Sachen von Lukas und angelte meine Zigaretten vom Regal über der Wanne. Offensichtlich war ich kein Buhmann.
 

Mein Glimmstängel erglühte und ich begab mich ebenfalls zur Küche. „Nen Bier wäre mir fast lieber.“ Ich lehnte am Türrahmen, zog genüsslich an meiner Kippe und betrachtete Lukas in seinem Bademantel aus feinglänzendem Satin, wie er düster dreinschauend den Wasserkocher befüllte und anwarf. Dann angelte er aus dem Kühlschrank ein Bier und stellte mir einen Aschenbecher auf die Küchenzeile.

„Ich denke du bist Nichtraucher, wieso hast du überall Aschenbecher?“ bemerkte ich amüsiert. Lukas zuckte kurz mit den Schultern.

„Joe war früher mal starker Raucher. Ist hängengeblieben.“ Immernoch mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter wurde ein Teebeutel in eine Tasse gestaucht und heißes Wasser drüber gekippt.
 

Ich legte meine Zigarette in den Aschenbecher und trat hinter Lukas. Behutsam legte ich meine Hände auf seinen Nacken und drückte sanft die Daumen auf die Haut. Er hielt still. Sein Körper war alles andere als entspannt. Tastend gingen meine Hände über seinen Nacken und die Schultern. Es war eine mehr medizinische Berührung, als dass irgendwelche Absichten dahinter steckten. Lukas schien das zu spüren und mich gewähren.
 

„Du bist ziemlich verspannt,hm?“ Er seufzte leise und lehnte sich gegen meine Hand.

„Seit ... seit dem Vorfall nach dem Neuen Ufer... Ich schlaf nicht so gut, das wirkt sich darauf aus, vermute ich.“ Immernoch gingen meine Finger tastend über seinen Nacken. Dann etwas tiefer, die Wirbelsäule hinab.

„Hum.. entspann dich mal.“

„Was?“ Sein Nervenkostüm war leicht überreizt, was seiner Nachfrage unmissverständlich zu entnehmen war.

„Einfach locker bleiben, okay?“ Ich ergriff seine Arme und kreuzte sie vor seiner Brust. „Keine Sorge, das ist jetzt keine Anmache.“ Ich lachte leise und auch Lukas musste schmunzeln. „Also, schön locker sein.“ Ich drückte ihn an mich, seinen Brustkorb und seine Arme mit den meinen umfasst und hebelte ihn hoch. Es knackte laut aus dem Wirbelbereich zwischen den Schulterblättern. Dann ließ ich ihn langsam wieder herunter.
 

„Und, besser?“ Ich strich nochmals kurz über seinen Nacken,dann trat ich zurück zum Türrahmen, nippte an meinem Bier und zog an meiner Zigarette. Lukas rieb sich leicht überrascht den Nacken. „Ja, etwas...danke..“ Ich prostete ihm zu. „Kein Problem.“

Mein Handy klingelte und ich stellte das Bier zur Seite, schurfte in den Flur und fischte es aus meiner Jacke, bevor es verstummte.
 

„Hey, Joe hier.“ Ich schluckte mich kurz und musste dämlich grinsen. „Hey, was ist los.“ Lukas lief an mir vorbei ins Badezimmer und ich hielt den Hörer zu. Es war vermutlich nicht das Beste, wenn Joe von meiner Anwesenheit erfuhr. Zumindest nicht im Moment. „Lust was trinken zu gehen?“ „Hm, heute ist‘s schlecht. Morgen nach meinem Spätdienst können wir gern einen heben. Da brauch ichs sicherlich.“ Ich lachte. Er lachte. „Halb elf an der Warschauer?“ Ich durchdachte kurz den Dienstplan. Bis zehn würde ich in der Klinik rackern. Die Zeit war knapp, aber machbar. „ Ja geht klar.“

„Bis dann.“ Ich verstaute das Handy wieder in der Jackentasche.
 

Lukas kam wieder aus dem Bad, seine nassen Sachen über dem Arm und lächelte kurz zu mir auf. „Das nächste Date?“ Er ging an mir vorbei ins Schlafzimmer. Man hörte ihn rascheln. Offensichtlich hing er die Sachen auf. In der Küche rotierte leise die Waschmaschine. Mir fiel auf, dass ich keine Kleidung hatte, solange das Ding lief. Offenbar war das auch Lukas aufgfallen. Er kam aus dem Schlafzimmer zurück und reichte mir ein Kissen sowie eine Decke, obenauf lag eine schwarze Boxershorts.

„Vielleicht passt sie dir, dann brauchst du nicht nackt auf meiner Couch zu schlafen. Den Bettüberwurf kann ich waschen, die Couch weniger...“ „Heißt das, ich habe noch etwas zu erwarten?“ Ich grinste ihn schelmisch an und nahm die Sachen entgegen.
 

„Träum weiter du alter Lustmolch...“ Er lächelte müde und ging langsam in die Küche um seinen Tee zu holen. Zwischendurch blieb er kurz stehen, atmete sehr langsam aus und hielt sich dabei die Rippen. „Hast du noch Schmerzmittel? Wenn...“ Er winkte ab.

„Die Aktion in der Wanne war etwas zu viel.“ Ein kleines trauriges Lächeln. „ Und ich hab mich unnötig über Joe aufgeregt. Weißt du, ich will einfach nicht nur dümmlich mir das Hirn rausvögeln. Ich will auch einfach mal... ach vergiss es. None of your business...“ wieder atmete er schwer, dann nahm er seine Teetasse und ging langsam Richtung Schlafzimmer.
 

„Ich bin ziemlich k.o., Alex. Ich denke, wie man den Fernseher bedient bekommst du raus? Bier ist im Kühlschrank. Morgen früh hau ich deine Sachen in den Trockner und du kannst weg von hier.“ Er lächelte schief, den Blick gen Boden. Er wirkte einfach nur müde.

„Wann musst du zum Spätdienst? Hab ich doch richtig gehört, oder?“

„Dienstübergabe ist gegen zehn. Also müsste ich hier so um neun los.“

„ Okay, ich stell uns nen Wecker.“ Er lächelte wieder geschafft und wandte sich bereits zum Gehen.

„Ach Lukas?“

„Ja?“ Er blickte mich fragend über den Rand seiner Brille hinweg an.

„Ich hab kein Date morgen.“ Ich zwinkerte ihm zu. Er lächelte nochmals kurz und tappte dann in sein Schlafzimmer.
 

Ich war überrascht, wie souverän er mich gerade auf die Couch verbannt hatte. Ich brachte das Bettzeug ins Wohnzimmer und probierte die Boxershorts an. Die Tatsache, dass sie mir relativ gut passte, sagte mir, dass sie definitiv nicht von Lukas sein konnte, dessen Hintern um einiges kleiner war. Vermutlich auch ein Relikt von Joe. Ich musste daran denken, dass jeder seinen Balast mit sich herum trug. Offensichtlich hieß Lukas Ballast Joe. Sicherlich nicht der einzige Ballast, offensichtlich aber der stärkste. Ich schmunzelte. Mein Ballast hieß Gideon. Und offensichtlich war dies auch Lukas bekannt. Vielleicht kannten wir uns doch besser, als gedacht.

Die nächste Fluppe wurde entzündet und ich pflanzte mich nebst Bier vor den Fernseher. Kerzenschein erhellte immernoch schwach den Wohnraum. Einige Kerzen waren bereits erloschen, andere kämpften dagegen an. Ich nippte am Bier und zappte lustlos durch die Programme. Lukas abgespanntes Gesicht kam mir in den Kopf. Offenbar schien er seit dem Angriff Alpträume zu haben. Alpträume, die ihm den Schlaf nahmen. Ich hielt mein Bier in der Hand und drehte es gedankenverloren.
 

Es war auffällig, wie Lukas immer wieder betonte, stark genug zu sein, allein klar zukommen. Dennoch schien er sich nach einem Partner zu sehnen. Ich konnte allerdings Joes Ansicht, dass Lukas frigide sei, nicht zustimmen. Ich musste an die Szene in der Badewanne denken und schmunzeln. Wenn Joe nicht geklingelt hätte, dann... Ein weiterer Schluck Bier und ein Zug an der Kippe. /Dann hätte ich ihn vielleicht rumgekriegt./ Aber ob wir dann beide zufrieden gewesen wären?
 

Mit dem nächsten Schluck war mein Bier bereits leer. Auf dem Weg zum Kühschrank löschte ich die letzten Kerzen. Ich war kein Freund dieser Deko. Zu Lukas passte sie allerdings. Ich öffnete den Kühlschrank und suchte das Bier. Diese verdammt kleinen 0,33l Flaschen versteckten sich einfach zu gut. Im Gemüsefach fand ich ein weiteres Exemplar und entführte es auf die Couchlandschaft.
 

Während ich an der Flasche nippte, fiel mein Blick auf Lukas Schlafzimmertür. Ich fragte mich plötzlich, wieviel Kraft es ihn die ganze Zeit kosten würde, permanent Stärke zu zeigen. Ich war und bin kein Menschenversteher. Die nächste Zigarette erfüllte kratzend meine Lunge. Ich versuchte mir vorzustellen ohne meine Zigaretten auszukommen. Ich konnte es mir nicht vorstellen. Ich rauchte einfach zu gerne. Nun versuchte ich mir vorzustellen, wie es wäre, auf Sex zu verzichten. Auch daran würde ich scheitern. In seinen kurzen, schwachen Momenten hatte ich erlebt, wie groß doch eigentlich die Begierde in Lukas war. Zum Schluss konnte man auch seinen Ärger hören, als wir gestört wurden. Wieviel Kraft brachte er wohl täglich auf, für seine Wertvorstellungen zu kämpfen, die ihm offensichtlich nur Spott brachten. Wieder sein Gesicht vor meinen Augen. Die Begegnung mit Joe hatte ihn erschöpft. Seine Stärke zu wahren, schien ihn zu schwächen. Die schlaflosen Nächte raubten ihm die letzte Energie.
 

Und dann kam ich. Ein Totalausfall an Emotionen, der fortwährend nichts anderes zu tun hatte, als an ihm rumzugraben. Ein Spiegelbild seines Ex-Freunds, völlig schwanzgesteuert und blind für alles andere. Das Bier neigte sich wieder seinem Ende und eine weitere Zigarette verpestete die Luft. Ich kam mir dreckig vor. Schmutzig wie der Rauch, der meine Lungen verließ. Ich dachte an unsere diversen Begegnungen, die Art, wie er mich am Abend zuvor verabschiedet hat. Er war derjenige, der immer wieder gab. Mir wurde schmerzlich bewusst, das Lukas nichts von mir erwartete. Und ich fragte mich mit dem letzten Schluck Bier, ob ich ihm außer einen netten Fick überhaupt etwas geben konnte.
 

Der Fernseher flimmerte lautlos. Es lief irgendeine Dokumentation über Familien mit behinderten Kindern. Die Kamera filmte im Nachtmodus den unruhigen Schlaf eines Kindes. Offensichtlich wurde es laut, denn seine Mutter betrat das Zimmer, um nach ihm zu sehen. Als sie sich zu ihm ins Bett legte, beruhigte sich das Kind. Ich zappte weiter. Zigarettenstummel nummer vier verschwand um schwarzen Aschenbecher, der nun nicht mehr so edel aussah, nachdem ich ihn benutzt hatte. Ich war schon immer gut darin, Dinge schmutzig zu machen. Räume, Kleidung, Sex...
 

Aus Lukas Zimmer kam ein Stöhnen. Ich lächelte kurz, da ich annahm, er würde seinen Frust manuell abbauen. Die folgenden Geräusche, die aus seinem Zimmer drangen, zeigten jedoch, dass er wohl wieder einen Alptraum haben musste. Ich schüttelte den Kopf über meinen ersten Gedanken und blickte wieder auf den Fernseher. Gerade wollte ich den Ton anschalten, um Lukas nicht weiter zu belauschen, als ich beim Blick auf den Fernseher langsam einen Gedanken fasste. Vielleicht würde es ihm helfen, wenn ich mich einfach zu ihm legen würde? Ich bin bekanntermaßen kein großer Kuschler. Aber es nagte an mir, dass aktuell Lukas derjenige war, der immerzu gab. Wieder hörte ich ihn unruhig stöhnen.
 

Da ich zu Gast war beschloss ich Aschenbecher und Bierflaschen in die Küche zu bringen. Ich schaltete den Fernseher aus und ging an Lukas Schlafzimmertür. Ich klopfte leise. Stille. Wieder klopfte ich und öffnete die Tür zeitgleich. Das kleine Knubbiglicht leuchtete auf der Kommode. Offensichtlich konnte er im Dunkeln nicht schlafen. Er rührte sich nicht, als ich an sein Bett trat. Seine Lider flackerten unruhig. Er warf den Kopf leicht hin und her. Langsam öffnete ich den Gürtel meines Kimonos und ließ ihn zu Boden fallen.
 

Als ich die Bettdecke langsam anhob raschelte sie leicht. /Verdammtes Federbett!/ Lukas öffnete seine Augen und schrak zurück. Verwirrt sah er sich um und dann wieder mich an. „Was tust du hier?“ Unbeirrt krabbelte ich unter die Bettdecke. Als ich halbwegs bequem lag breitete ich die Arme aus und lächelte ihn an. „Ich sorge heute Nacht dafür, dass du keine Alpträume mehr hast. Also los, kuschel dich an.“

Er blinzelte wieder ungläubig. „ Das ist bei Weitem die schrägste Anmache, die ich je erlebt hab.“ Er sah müde aus. Kleine Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab. Er strich sich die blonden Haare aus dem Gesicht.

„Keine Anmache, kein Gefummel. Versprochen. Und nun solltest du dich beeilen, ich mache so ein Angebot normalerweise nicht.“ Um ehrlich zu sein sein skeptischer Blick bestätigte mich auch nicht gerade. „Uh...treib keine Spielchen mit mir“ murmelte er leise, dann platzierte er eine Ecke des Kopfkissens auf meiner Brust und kuschelte sich darauf. Ich wartete bis er die richtige Position gefunden hatte und legte dann meine Arme um ihn. Seine Haare rochen frisch und blumig. Das süßliche Parfum mischte sich dazu. Ein Duft den ich gern einsog. Meine Finger spielten sanft in seinen Haaren, bis er tief und gleichmäßig atmete. Ich betrachtete seine ruhigen Gesichtszüge, die verblassenden blauen Flecken an seinem Körper, die alten Narben an seinem Unterarm. Er fröstelte leicht, also zog ich die Decke höher und ihn etwas näher an mich. Lukas war sehr leicht und somit war es auch nicht sonderlich unangenehm, ihn so halb auf mir zu haben. Ich schmunzelte über mich selbst. /Wer hätte gedacht, dass du mal freiwiliig mit jemanden im Bett liegst und nur schläfst Alex?/ Schließlich lehnte auch ich mich zurück, schloss die Augen und schlief langsam ein.
 

Kapitel 13
 

Eine leise ansteigende Melodie, die seltsam nach Wasserplätschern und Vogelgezwitscher klang , weckte mich. Lukas lag halb auf mir drauf und versuchte so unauffällig wie möglich den Wecker abzustellen. Leicht und warm war sein Körper auf mir. Keine schlechte Art zu erwachen. Seine Haare waren vom Schlaf zerzaust. Ein-zwei Mal war er nachts noch unruhig gewesen. Ich hatte ihn einfach jedes Mal wieder sanft an mich gedrückt und kaum hielt ich ihn, schienen die Alpträume zu verschwinden./ Fernsehen kann einen auf tolle Ideen bringen./

„ Komisches Gedudle..“ Ich rieb mir etwas schläfrig die Augen. Er sah mich überrascht an. „Oh ich dachte nicht, dass dich das weckt.“ Ich grinste ihn an.

„Nicht nur mich....“ Ich war ein Mann. Ein potenter Mann. Und wie jeder potenter Homosexueller hatte ich dank des Anblicks von Lukas auf mir eine äußerst potente Morgenlatte.

„Oh, na da freut sich aber wer, mich zu sehen.“
 

Es wäre nicht Lukas gewesen, wenn er nicht einfach aufgestanden wäre. „ Hey! Das wars?“ rief ich ihm nach. Man hörte sein Lachen aus dem Flur.

„Wenn du fertig bist, im Bad findest du dich ja zurecht!“ Offensichtlich war er in der Küche angekommen. Grummelnd schlug ich die Bettdecke beiseite und stapfte ins Bad. Ein Quickie am Morgen war immer nach meinem Geschmack. Auf Handarbeit vor der Arbeit konnte ich jedoch getrost verzichten.
 

Ich kühlte mcih im Bad ab, sorgte mit einer dieser Einwegzahnbürsten und einer kurzen Dusche für ausreichend Körperhygiene um kurz darauf ind er Küche von meiner Kleidung einer dampfenden Tasse Kaffe willkommen geheißen zu werden. Lukas saß wieder an seinem kleinen Küchentisch und las Zeitung. Der dicke Kater schmatzte in der Ecke der Küche.
 

„Danke fürs Waschen.“

Lukas blickte von seinem Kaffee und seiner Zeitung auf und lächelte mich an. Gerne doch. „Hat ein bisschen was von unserer ersten Begegnung, hm?“ Er grinste frech und auch ich musste lächeln. Okay, kein Quickie am Morgen, dafür aber die Erinnerung. Es war nicht sonderlich ruhmreich betrunken auf dem Klo einzuschlafen und wirklich erfreuen tat mich der Gedanke auch nicht. Aber ich konnte mich noch erinnern, wie ich das erste mal über Lukas dachte. Und wie ich nicht schnell genug weg konnte. Lukas war immernoch wie damals. Freundlich ,höflich, hilfsbereit und stellenweise extrem diastanziert. Nun musste ich wieder an die gestrige Erfahrung denken und schon das distanziert beiseite. Lukas hatte definitiv seine eigene Art.
 

Ich nippte an meinem Kaffee und entzündete einen Glimmstängel. Die Uhr an der Küchenwand zeigte dreiviertel neun. Also hatte ich noch 15 Minuten.

„Was machst du eigentlcih Morgen Abend?“ Lukas sah mich überrascht an.

„Ich werde vermutlich zu Hause sein, schließlihc bin ich krank geschrieben, da sollte man nicht so durch die Gegend tanzen.“

Ich hob fragend eine Augenbraue.

„Und was war mit vorgestern?“ Ich grinste süffisant, doch Lukas zeigte nicht einmal den Hauch des Gefühls, ertappt worden zu sein. „ Da hatte ich Geburtstag UND es war Wochenende. Also bin ich fein raus.“ Er streckte mir seine Zunge frech entgegen, sodass sein Zungenpiercing aufblitzte. Unweigerlich entwickelte ich die Vorstellung, wie er mir einen blasen würde. Zungenpiercings waren dahingehend eine tolle Erfindung.

„Alex hör auf Versautes zu denken....“ Er klang leicht genervt, lächelte aber.

„Wieso bildest du dir immer ein, dass ich das tue?“

„Erstens, liebst du Sex über alles. Zweitens, hast du wieder ne Errektion und drittens mich beharrlich angestarrt. Ich denke das reicht.“ Er schnippte mit einer schwungvollen Handbewegung in der Luft und blickte dann wieder auf seine Zeitung. Ein genüssliches Grinsen umspielte seine Lippen.
 

Ich zog an der Zigarette und löschte sie im bereitstehenden Aschenbecher. „Okay, okay... Deine Schuld, wenn du mich morgens so verhungern lässt.“ Ich setzte mich zu ihm an den Tisch und beugte mich vor, sodass er nur noch schwer lesen konnte und mich ansehen musste.

„Also, morgen Abend? Wir können Essen gehen und du musst mir dafür auch garantiert nicht gefällig sein.“ Ich grinste frech. Lukas blinzelte über seine Brille und schmunzelte dann.

„Hört sich gut an. Vorallem, dass ich dir dafür nicht zu Diensten sien muss.“ Wieder streckte er kurz und frech die Zunge raus.

Ich klaopte leicht auf den Tisch. „ Alles klar, morgen abend gegen acht hole ich dich ab.“ Ich ging schwungvoll in den Flur und zog meine Chucks an. Lukas wanderte nochmals kurz in sein Schlafzikmmer und kam dann zu mir.

„Hier, nicht dass du dich erkältest.“ Er reichte mir eine schwarze Baumwollstrickjacke, schlichte Ausführung mit Reißverschluss und hohem Kragen sowie einen etwas abgetragenen schwarzen Baumwollschal.

„Nicht mehr das beste, aber sollte dich wärmen.“

„Du bist zu gut zu mir.“ Ich grinste mein charmantestes Lächeln, zog die Strickjacke an, die wohl kein Relikt von Joe gewesen sein konnte, denn sie passte gerade mal so. Gut das Baumwolle elastisch war. Wie der Schal schnupperten die Sachen frisch und nach Lukas. Dieser beobachtete mich ruhig, wie ich die Sachen überwarf und schließlich meine Lederjacke anzog.

„Also das morgen, ist das dann...ein Date?“ Er klang etwas verunsichert und friemelte an seinem Morgenmantel rum. Dennoch suchten seine Augen Blickkontakt zu mir.
 

Ich grinste gewinnend, beugte mich kurz vor und küsste ihn sanft auf die Lippen, die noch nach Kaffee schmeckten. Der Kuss war schnell und unerwartet und ebenso schnell vorbei. Lukas blinzelte nur etwas perplex. „Ja, das ist es.“ Ich schenkte ihm ein weiteres gewinnendes Lächelnd und verschwand dann aus seiner Wohnungstür. Auch Lukas lächelte leicht.
 

Auf der Straße umfing mich die morgendliche Kälte, die mehr und mehr den Winter ankündite. Reif war auf der Straße und ich dankte Lukas innerlich für Strickjacke und Schal. Es waren vielleicht 1-2°C draußen. Nichts angenehmes. In meinem Kopf arbeitete es. /Was zur Hölle tust du da Alex?/
 

Ich war mir im Klaren, dass ich soeben Neuland betreten hatte. Ich hatte mich verabredet. Okay, das hab ich auch früher schon, aber da war es eine klare Sache, ein netter Fick, vielleicht noch ein kleiner Nachschlag und dann trennte man sich wieder zufrieden.

Ich hatte Lukas eben eine Option gegeben, die er ursprünglich bei mir nie gesehen hatte. Und ich, um ehrlich zu sein, auch nicht. Die Zigarette auf dem Weg zur U-Bahn sollte mir helfen im Kopf wieder klarer zu werden.
 

/Wieso um alles in der Welt machst du sowas?/ Ich rieb mir entnervt die Stirn. Ich fragte mcih , ob Ablehnung mich so sehr beeinflussen konnte, dass ich etwas unbedingt wollte. Ich wollte mit Lukas ins Bett. Aber nur für einen Fick so viel Aufwand? Das war nicht meine Art und das brauchte ich auch nicht. Ein einfaches Date zum Kennenlernen schien mir angebracht. Ich wusste nichts von Lukas. Und er mehr oder weniger auch nur von meinen Bettgeschichten. Also gab es wohl an mir eine Seite, die er kennen lernen sollte... Ich erschauderte leicht, doch das lag weniger an der Kälte, als an meinen Gedanken. Ihc wäre gerne lachend in eine Kreissäge gerannt. Ich war doch nicht der Typ für ein Date! Ein weiterer tiefer zug an der Kippe. Wenn diese kleinen Krebsarbeiter nur schneller wären. Andererseits...mit 27 an Lungenkrebs zu sterben war nicht mein Lebensziel.
 

Wieder hatte ich Lukas Gesicht vor Augen, wie er ruhig atmend auf meiner Brust schlief. Als könnte ich sein weiches Haar noch fühlen rieben meine Fingerspitzen aneinander. Ich betrachtete mich in einer spiegelnden Fensterscheibe:

Ich war groß, gut aussehend für meinen Geschmack und meinem Erfolg nach zu urteilen, erfolgreich und momentan offensichtlich ein ziemlicher Idiot. /Wo soll dich das ncoh hinführen, hm?/
 

Die Bahn kam. Meine Zigarette fluppte auf die Schienen. Ich stieg ein und machte mich auf den Weg zur Arbeit. Lukas musste nun einen Augenblick aus meinem Kopf weichen. Ich hatte Patienten, die versorgt werden wollten.
 

Ich betrat das Kankenhaus eine viertel Stune vor Dienstbeginn. Mein Weg führte mcih ins Zimmer der Aissistenzärzte und ich zog mich um. Erneut freute ich mcih über die Strickjacke, die ich nun unter der Stationskleidung tragen konnte. Es war nu mittelbar gut auf dem Stationsflur geheizt. Irgendeine überhitzte Schwester meinte ständig die Fenster aufreißen zu müssen und für Frischluft zu sorgen.
 

In ihre Bademäntel gehüllt und viele von Ihnen mit Thrombosestrümpfen versehen bemerkten die Patienten die Kälte nicht. Ein kruzer Check der anstehenden Fälle und ich schwang mich auf den Weg zum ersten Patienten des Tages...
 

Es war kurz vor elf als ich abends an der Warschauer Straße ankam. Joe stand an der Litfasssäule vor dem U-Bahnhof und wartete. Er musterte mich kurz und ging dann leicht lächelnd neben mir her Richtung der nächstbesten Bar. Heute abend sollte es doch männliches Bier sein, dessen waren wir uns einig. Meine Schicht verlief rauh und dauerte länger als erwartete. Dementsrechend war ich müde und abgespannt. Aber ich war nie der Typ, der ein Treffen wegen leichter Wehwechen wie Arbeitsmüdigkeit absagte.
 

In der Simon-Dach-Straße fanden wir auch schnell eine kleine Bar. Wir setztens uns an einen kleinen Tisch im hinteren Gastraum und bestellten beide jeweils ein großes Berliner. Es war eine dieser orientalisch an gehauchten Bars, wenig Licht bis auf einige Kerzen, dafür fühlte man sich ungestört.
 

Joe grinste mich immer noch an. Ich hob fragend eine Augenbraue.. „ Was ist los?“

Sein Grinsen wurde breiter. „ Wo waren wir denn gestern Abend?“ Ich schluckte kurz. Dann wies ich mich darauf hin, dass Joe und Lukas kein Paar mehr waren. Zudem war ich mir keiner Schuld bewusst, schließlich hatte ich nichts mit Lukas angestellt, was nicht erlaubt gewesen wäre. Die Frage war hier wohl eher, WAS hatte er mit mir angestellt?
 

Also streckte ich den Rücken, hob den Kopf leicht und grinste. „ Wieso willst du das wissen? Hast du mich so vermisst?“ Erstmal in die leichte Defensive mit ner netten Anspielung. Joe sah auch heute wieder zum Anbeißen aus. Seine markanten Gesichtszüge und der leichte Dreitragebart waren äußerst einladend. Vom gut verpackten Rest seines Körpers mal ganz abgesehen. Seine dunkelblaue Jeans von Armani saß wie angegossen. Ebenso das schwarze Hemd dazu. Die oben offen gelassenen Knöpfe deuteten seine Brustmuskulatur und eine leichte Brustbehaarung an. Ein frischer herber Duft umgab ihn. Alles in allem einladend. Aber er war immernoch ein Arbeitskollege.
 

Er blickte kurz zu Boden und grinste ebenfalls breiter. „ Nunja, ich würde dich noch immer nicht von der Bettkannte schubsen , allerdings kommen mir deine Schuhe recht bekannt vor. Ich meine sie hätten gestern bei Lukas im Flur gestanden.“

Nun grinste er wirklich über s ganze Gesicht, schelmisch funkelten seine Augen dabei und ich fühlte mich doch mehr als ertappt. Mein Geist raste auf der Suche nach der richtigen Antwort. Die Tatsache, dass Joe Psychologe war, machte es mir nicht leichter. Letztendlich konnte ich meine Anwesenheit wohl kaum verleugnen.
 

Ich zuckte mit den Schultern, als wenn es etwas belangloses gewesen wäre. „ Soweit ich weiß, bin ich ein freier Mann. Und Lukas auch...“ Unser Bier wurde gebracht. Joe hob an und nahm einen kräftigen Zug. Wenn man ihm dabei zu sah, sah er mehr als hetero aus. Unglaublich, dass dieser Kerl wirklich auf Männer stand. Und dann auch noch auf Lukas, der nun wirklich nicht jedermanns Typ war. Joe angelte sicherlich ähnlich wie ich etliche Blicke in jeder Disco. Er wischte sich mit dem Handrücken den Bierschaum von der Oberlippe.
 

„Das schon. Aber auf mein Prinzesschen pass ich dennoch auf.“Er blickte mich streng mit gehobener Augenbraue an. Seine Hände drehten leicht sein Bierglas auf der Stelle. Ich nahm nun ebenfalls einen ordentlichen Schluck. Dieser Abend schien sich wesentlich anders zu entwickeln, als erwartet. Als ich das Glas abstellte betrachtete ich kurz die gelbe perlende Flüssigkeit darin. „ Also gut, ja ich war da.“ Ich sah ihn ruhig an und wünschte mir plötzlich sehnlichst eine Zigarette. /Verdammtes Rauchverbot!/
 

Er räusperte sich kurz. „ Also hast du heimlich gelauscht?“ Ich grinste frech. „Naja, du hast meine Schuhe bemerkt und bei der Lautstärke war das weniger heimlich sondern eher unvermeidlich. War mir neu, dass Lukas so an die Decke gehen kann.“

„Ja, ich hab ihn doch sehr unglücklich erwischt.“ Er lachte leise und nahm den nächsten Schluck. Ein weiterer von dieser Sorte würde das Glas leeren. „ Allerdings macht es dann Sinn, dass der Kleine im Bademantel rumlief.“ Erneut grinste ich schelmisch. Innerlich wünschte ich mir, dass ich mehr zu Lukas Nacktheit hätte beitragen können, als eine kurze Fummelei in der Wanne. Allerdings musste Joe das nicht wissen.
 

Joe erwiederte mein Grinsen nicht. Seine gespielte Strenge war einem besorgten Blick gewichen. „Alex, wir kennen uns noch nicht wirklich lange...“ Er niptte an seinem Bier. Nippen war das richtige Wort, denn im Vergleich zu seinen vorherigen Schlucken tat sich nun erstaunlich wenig am Füllstand seines Glases. /Oh man, Alex, konzentrier dich aufs Gespräch! Du zwischenmenschliche Null!/

„..aber Lukas ist nicht einfach irgend ein Kerl, den man für nen netten Fick mit nach Hause nimmt und dann ohne weiteres links liegen lässt.“ Sein Blick wanderte von seinem Bierglas wieder zu mir. Er erschien mir erstaunlich unsicher für einen Psychologen. Allerdings war auch Joe nur ein Mensch und offensichtlich dieses Thema schwer zu besprechen.
 

„Ich weiß, ich habe kein Recht, dir irgendetwas vorzuschreiben..“ Er lachte leicht. Es war ein Lachen voll Sorge und einem Hauch Verbitterung. „..und wenn du nur ansatzweise so bist wie ich, wird es dich einen Scheiß kümmern, was ich hier von mir gebe...“ Sein Bierglas wurde geleert. Ich nahm einen Schluck von meinem. Die Atmosphäre war zu angestrengt, als dass ich es hätte genießen können. Ich wusste innerlich, dass er Recht hatte, dass es mir normalerweise völlig am Arsch vorbei gehen würde, ob er mir nun den Segen für ne nette Nacht mit Lukas geben würde oder nicht. Ich war nie auf einen sonderlich großen Freundeskreis aus. Also nahm ich nie auf irgendwelche Beziehungskisten Rücksicht. Rein, raus, aus die Maus. Das war meine Devise. /Betonung liegt wohl auf war.../
 

„Aber Lukas verkraftet solche Intermezzos nicht.“ Er blickte mich durchdringend an. Seine Worte klangen ernst. Lukas vernarbte Unterarme kamen mir in den Kopf. Kleine feine Linien, die ihn zeichneten. Ich hatte mir vorgenommen mehr über ihn zu erfahren. Ich fragte mich allerdings, ob Joe der Richtige war, mir mehr über Lukas zu erzählen.

Ich nahm einen beherzteren Schluck vom Bier. Es schmeckte plötzlich bitter.
 

„Er hat über die Jahre seine eigene Art gefunden, damit umzugehen. Ich vermute mal, du hast gestern mit seinen, nennen wir es ‚Fähigkeiten‘, Bekanntschaft gemacht.“ Er grinste leicht und hatte für einen Augenblick seine Augen geschlossen, als ließe er sich eine Erinnerung durch den Kopf gehen. „ Wenn dir ein bisschen was an ihm liegt, dann belass es bei dieser...Erfahrung. Lukas ist einfach kein Happen für zwischendurch.“
 

Ich leerte mein Bier und ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen. Ein Intermezzo war dies doch nicht mehr oder? Seit meiner ersten Begegnung mit ihm schwirrte mir Lukas durch den Kopf. Seine anziehende Person und seine zurückweisende Art machten mich innerlich wahnsinnig, aber auf eine lustvolle Art. Konnte ich noch die Handbremse anziehen?
 

Ich stellte das leere Glas auf den Tisch und trippelte mit den Fingerspitzen meiner rechten Hand leicht dagegen. / Ein Königreich für eine Zigarette!/ Mein Blick haftete auf den trocknenden Schaumkroneresten am Glasrand. „Ich bin mir nicht sicher, ob das mit dem ‚lassen‘ noch so einfach geht Joe.“ Ich erschrak innerlich selbst über den ernsten, tiefen Tonfall meiner Worte. Dann blickte ich zugegeben etwas unsicher zu Joe hinüber.

„ Um ehrlich zu sein, habe ich vorgehabt mehr über Lukas zu erfahren. Von ihm. Ich war nie ein Kostverächter, da hast du recht und ich bin mir sehr sicher, dass wir uns deswegen so gut miteinander können. Doch seit ich Lukas kenne, läuft das nicht mehr...“
 

Joe lehnte sich zurück und lachte leise. „Nicht einmal mehr mit deinem kleinen Stalker?“ Meine Hand machte eine wegfegende Bewegung. „Den bin ich los. Macht ne Auslandsreise und verliebt sich hoffentlich in irgendeinen armen Spanier oder so.“ Ich lachte, stützte mich mit verschränkten Armen auf den Tisch und blickte zu Joe rüber.
 

Dieser winkte kurz der Bedienung zu für zwei neue Bier und räusperte sich dann kurz. „Bedenke es einfach nochmal. Lern ihn kennen. Aber je mehr du dich in sein Leben mischst, umso größer wird seine Enttäuschung, wenn du feststellst, dass du nicht monogam leben kannst.“

„Du sprichst aus Erfahrung, hm?“ Joe lachte abfällig.

„Nicht ganz, ich hab ihm nie versprochen, dass ich monogam leben kann. Er hat sich‘s aber einfach zu sehr gewünscht... Oder ich zu wenig versucht.“ Ein Schulterzucken. Das neue Bier kam und wurde gierig getrunken. Alkohol schien in unserem Beruf ein guter Ausgleich für Stress zu sein, wenn es zwischenmenschlich nicht lief. In Kombination mit Sex war die Sache dann unschlagbar.
 

An Abenden wie diesen wäre ich normalerweise durch die Clubs gezogen, bis ich wen zum Austoben gefunden hatte. Der Gedanke, mich nun wieder ins Getümmel zu werfen, erheiterte mich nicht so wie früher. Wiedermal nicht zum Höhepunkt zu kommen, weil mir Lukas gedanklich zwischenfunkte, war nicht nach meinem Geschmack. Wobei zwischenfunken der falsche Begriff war. Eigentlich wollte ich nichts von den anderen Typen. Ich wollte Lukas, seinen süßen Duft und seinen sanften Widerstand brechen./Was ist, wenn du den Widerstand gebrochen hast?/
 

„Ich will gleich noch in die B. Kommst du mit?“ Joe rupfte mich aus meinen Gedanken. Sein Bier war bereits wieder leer. „ Sorry, ich bin raus für heute. Morgen wieder nen langen Dienst im Plan.“ Ich verzog das Gesicht beim Gedanken daran. Normalerweise kümerte mich das herzlich wenig, ein Quickie im Dark Room war immer einladend, aber heute nicht./ Auch wenn ich morgen nicht bei klarem Verstand sein werde, wenn ich mich mit Lukas treffen werde....üben wir uns mal in Vernunft./ So ein Quickie mit irgendwem vor unserem ersten Date war mit Sicherheit nicht der richtige Auftakt für eine mögliche intensivere Bindung. Bei dem Wort Bindung schüttelte es mich leicht.
 

„Oha! Du scheinst unser Prinzesschen ja wirklich ins Auge gefasst zu haben! Benimm dich, ich will dir nicht weh tun müssen!“ Er lachte auf und klopfte mir freundschaftlich und mit sehr viel Kraft auf die Schulter. Wieder dieses typische Heterogehabe. Die aufgebrachte Kraft untermalte jedoch seine spielerische Drohung. Er legte einen Zehner auf den Tisch. „ Wir sehen uns Alex.“ Er zwinkerte mit einem Grinsen und verschwand dann Richtung Club.
 

Da saß ich nun. Mein halbvolles Bier stand vor mir und schmeckte grad nicht. Ich saß oft alleine in Bars und es hatte mich bisher wenig gestört, schließlich blieb ich nie lange allein. Doch wenn man seine Zeit nicht mit sinnlosem Sex füllen konnte, mit was füllte man sie dann? Lukas schrille Geburtstagsgäste kamen mir in den Kopf und eine kleine Stimme in mir stichelte, dass ich doch an diesem Abend recht zufrieden war. Ich bezahlte ebenfalls und verließ den Laden ohne mein Bier auszutrinken. Kaum an der frischen Luft entflammte eine Kippe zwischen meinen Lippen. Genüsslcih zog ich den Rauch ein. Wenigstens dieses Laster schmeckte mir noch. Ein weiterer genüsslicher Zug am Glimmstängel und ich trat den Heimweg an.

Kapitel 14 und 15

Puh, was ein Akt! Aber es geht voran! Ich will eigentlich nicht zu viel sagen, daher presse ich die Lippen zusammen und wünsche euch Spaß beim Lesen!

Für Kommis bin ich immer sehr dankbar ;)
 

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Kapitel 14
 

Wie viele Tassen Kaffee ich am folgenden Tag getrunken hab, konnte ich kaum noch sagen. Fakt war, meine Nacht war trotz des frühen Heimwegs sehr kurz. Ich lag stundenlang wach und hatte nachgedacht. Überwiegend über mich. Viel über Lukas. Noch mehr darüber, was die Zukunft mir und ihm bringen konnte. Eine wirkliche Erkenntnis habe ich dadurch nicht erhalten. Außer vielleicht, dass mein bisheriger Lebensstil äußerst vergnüglich war, die Erfahrung mit Gideon jedoch Warnung genug war, bessere Wege einzuschlagen. Auch Joe’s Worte kreisten immer wieder in meinem Kopf. Seine Bitte, Lukas nicht das Herz zu brechen, war doch sehr eingehend gewesen. Immerwieder durchspielte ich den Ablauf einer möglichen Beziehung um zu ermitteln, auf wie vielen Wegen ich wohl fremdgehen würde oder woran sie früher oder später scheitern würde. Die Tatsache, dass wohl oder übel ich der Buhmann sein würde, entsprach nicht meinem Geschmack. Das ich mir selbst diese Rolle zuspielen würde, stand für mich außer Frage.
 

Dank der heutigen Kosmetik für Männer sah ich nicht so furchtbar schlecht aus wie ich geschlafen hatte. Ein bisschen Roll-on hier und Feuchtigkeitsgel da, und schon sieht der Mann von heute gepflegt und munter aus. Ich würde mit Lukas einfach in ein kuscheliges kleines Restaurant gehen, ein dunkles Plätzchen suchen und alles wird gut. Naja, fast alles. Ich war mir immernoch unsicher, was ich mit mir selbst anfangen sollte. Meine Libido schrie zwischendurch immer wieder auf und wollte Beachtung, zugleich erinnerte mich der leichte pulsierende Kopfschmerz, dass ich noch mehr als nur einen Schwanz hatte.
 

Mein Herz klopfte leicht, als ich auf Lukas Wohnungstür zuging und noch mehr, als ich nach dem Klingeln auf seine Antwort wartete. „ Soll ich gleich runter kommen?“ Ich bejahte. Mit dem Klang seiner Stimme erhielt ich einen leichten Stich in der Brust. Wie viel Verantwortung hatte ich?
 

Es dauerte nicht lange, dann stand er vor mir. Lukas trug einen nahezu bodenlangen schwarzen Mantel und hatte sich einen dicken schwarzen Wollschal um den Hals gewickelt. Er fröstelte leicht, als er an die frische Luft trat und lächelte mich an. „Ich hätte dich mal wieder nicht erwartet.“

„Versprochen ist versprochen.“ Ich zwinkerte ihm zu.

Lukas beugte sich plötzlich vor und küsste mich sanft auf die Wange. Sein süßer Duft umfing mich und wickelte mich wohlig warm ein. Auch meine Libido nahm sofort wieder ihre Arbeit auf. Ich fühlte mich wie jemand im tagelangen Hungerstreik, dem man grad ein kleines verführerisches Törtchen unter die Nase gesetzt hatte. Ich räusperte mich kurz. In Erinnerung an Lukas Geburtstag reichte ich ihm meinen Arm und er hakte sich lächelnd unter.
 

„Also Fremder, wohin gehen wir?“ Er lehnte sich in sanfter Vertrautheit gegen meinen Arm und sah zu mir auf. „ Nunja, ich kenne da einen hervorragenden Afrikaner, wenn dir etwas S-Bahn fahren nichts ausmacht?“

„Oh, Afrikanisch! Wie exotisch!“ Lukas kicherte vergnügt und drückte sanft meinen Arm. „Dann führe mich mal dorthin.“
 

Am Anfang war es einfach. Wir plauderten über unseren Tag, wobei Lukas sich zurück hielt, da aufgrund seiner Krankschreibung er aktuell nicht viel machen konnte. Er verriet mir, dass er als Chemielaborant beim Robert-Koch-Institut tätig war, der Gips schränkte ihn jedoch soweit ein, dass er seine Arbeit derzeit nicht ausüben konnte. Es schien ihn zu belasten, wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig deuten konnte.

Beim Essen selbst überraschte er mich. Sein Appetit war recht ausgeprägt und obwohl er das meiste nicht kannte, zeigte sich Lukas als sehr probierfreudig. Er ließ es sich nicht nehmen mir immer wieder einen Kostehappen zuzuschieben. Nichts was mir wirklich lag, sodass ich ihn früher oder später ein wenig ausgebremst hab dabei. Er schien es aber nicht weiter übel zu nehmen, sondern aß genüsslich weiter und bedauerte nur lächelnd meinen Verlust.
 

Lukas trug einen enganliegenden schwarzen Pulli mit V-Ausschnitt und Dreiviertelarmen. Auch im schwachen Lichtschein konnte ich die feinen Linien auf seinen Unterarmen sehen, die nicht vom Pulli bedeckt wurden. Wir waren mit dem Essen fertig. Seine Augen funkelten im Kerzenlicht und verdunkelten sich dann leicht, als sie meinen Blick bemerkten.
 

„Möchtest du sie nur anstarren oder auch wissen, woher sie kommen?“ Er spach leise mit einem rauen Unterton. Schief lächelnd ergriff er sein Glas. Ich zündete mir nervös eine Zigarette an. Zum Glück nahmen in Berlin nicht alle das Rauchverbot so tot ernst. Gierig sog ich den beißenden Qualm ein und pustete ihn langsam wieder aus.

„Die Frage ist eher, ob du mir überhaupt sagen möchtest, woher die Narben kommen?“ Der nächste Zug an der Kippe und wieder betrachtete ich ihn abschätzend. Lukas rutschte leicht auf seinem Stuhl hin und her. „ Das Leben ist nicht immer einfach, weißt du?“ Er grinste kurz. „ Was sag ich da, ich glaub für dich war die größte Hürde jemals schnell genug die nächste Nummer zu finden.“
 

„Autsch.“ Ich umhüllte mich mit mehr Rauch. Im Grunde hatte er Recht. Ich hab in meinem Leben immer alles erreicht,was ich wollte. Schule, Studium, Job...nur Lukas versuchte sich eisern meiner Statistik zu entziehen. Jeden anderen hätten diese Worte verletzt. Ich überspielte sie mit gewohnter Coolness und beschloss für mich ihn später dafür leiden zu lassen...im Bett und am besten unter mir.
 

„Entschuldige... Ich kam früher mit Problemen nicht so gut klar und das ist leider das Ergebnis davon.“ Er rieb sich gedankenversunken den ungegipsten Unterarm und blickte ins Leere. Ich weiß nicht wieso, doch ich zögerte nicht, als ich das Bedürfnis hatte in zu berühren. Meine Hand legte sich sanft auf seine Hand und meine Finger strichen sanft über seine. Die Stimmung schlug um. Seine Augen fanden meine und flackerten leicht. Bemüht ernst meinte ich leise:

„Lukas, es kann nunmal nicht jeder so ein grandioses Arschloch sein wie ich.“ Ich begleitete die Worte mit einem sanften Kopfschütteln und einem ironischen Grinsen. Es funktionierte. Ein Lächeln fand sich zurück in sein Gesicht.
 

„Du bist unmöglich.“ Erlachte nun leise und seine Finger spielten sanft mit meinen. Kurze Stille.

„Was machen wir hier eigentlich Alex?“ Unsicher hob er bei der Frage die Augenbrauen an, blickte auf unsere Hände und dann wieder mich an. Bis eben war die Berührung für mich etwas völlig normales gewesen. Nun zog ich meine Hand zurück, als hätte ich sie mir verbrannt.

„Ich weiß es um ehrlich zu sein nicht, Lukas.“ Schweigen herrschte wieder. Er blickte nachdenklich in mein Gesicht, dann auf meine Hand, schließlich auf seine.
 

Ein letzter Zug am Glimmstängel und er verschwand traurig im Aschenbecher. „Ich versuche zur Abwechslung mal normal zu sein.“ Ich lächelte kurz. „Bin nicht so gut drin, hm?“

Auch Lukas schmunzelte. „Es geht. Bei dir ist das nur so...befremdlich.“ Ich hatte den Eindruck, dass er noch etwas dazu sagen wollte, doch wieder verblieb er im Schweigen. /Vielleicht ist es deine Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen, Alex-Baby?/ Ich seufzte leise. War es wirklich der richtige Zeitpunkt, meine Gedanken offen zu legen? Würde ich ihm damit vor den Kopf stoßen? Joe’s Worte kreisten in meinem Kopf wie die Geier über einem Stück Aas. /Vermutlich würde von Lukas auch nicht viel übrig bleiben, wenn ich hier rum experimentiere./
 

„Ich mag dich Lukas.“ Er blinzelte überrascht. Eine solche Aussage schien er nicht zu erwarten. „ Und genau das ist das Problem.“ Ich grinste schief. „ Ich bin nicht gut darin, mit anderen Menschen umzugehen. Zumindest nicht außerhalb des Bettes.“ Ein verschmitztes Lächeln, eine kleine Zweideutigkeit.“ Ich bin, wie ich bin.“, und hier war ich in voller Größe. Der Gefühlskrüppel der Nation, der krampfhaft die richtigen Worte suchte und immer die falschen traf.
 

Lukas lehnte sich ein Stück zurück. Er schien zu erkennen, dass hier kein größeres Liebesgeständnis kommen würde, geschweige denn ein Schwur zur Treue oder Besserung. „Heißt das, mehr als ein kurzes Intermezzo ist für dich nicht drin?“ Seine Augen flackerten. Doch es waren keine Tränen. Er schien verunsichert. Kämpfte Lukas grad mit seinen Grundwerten? Es könnte auch Zorn sein, aber wütend erschien er mir nicht.
 

Ich lachte leise auf. „Versteh mich nicht falsch. DU hast viel an mir geändert. Aber ich befürchte, dass ich immernoch schlecht bin.“ Ich schüttelte den Kopf und friemelte die nächste Zigarette aus der Packung, mein Feuerzeug zippte leise. „Ich weiß es.“ Qualm umhüllte mich.

„Das heißt, du verschwindest. Denn aus deinem Bett kannst du mich schlecht werfen.“ Er schien noch immer verunsichert und nun doch etwas angegriffen. Beschwichtigend hob ich die Hände.
 

„Versteh mich nicht falsch. Verdammt Lukas, ich bin mies in sowas!“ Ein Lachen, der nächste nervöse Zug an der Zigarette.„Ich möchte... ein Freund sein, verstehst du?“ Ich berührte wieder kurz seine Finger, strich sanft über die blasse Haut. Er ließ mich gewähren und erwiederte die Berührung sacht.

„Ein Freund?“ Eine kleine Welle der Enttäuschung schwang mit seinen Worten mit. Mein Herz versetzte mir einen deutigen Stich, aber ich tat unbeeindruckt und zog erneut an der Zigarette, die nach und nach zu einem kleinen Stummel mutierte.
 

Freund war definitiv nicht das Wort, was sich Lukas vom heutigen Abend erhofft hatte. Und um ehrlich zu sein, hätte ich ihm auch gerne mehr geboten. Wenn ich mehr Arsch in der Hose gehabt hätte. Wenn ich mir selbst vertraut hätte. So verdammte ich mich gerade erstmalig zu einem Leben am Rand. Aber wenn es das einzig Gute war, was ich für ihn tun konnte, dann würde ich gerne am Rand stehen und auf ihn aufpassen. So wie Joe es tat. Ein lächerlicher Vergleich mit dem Film Bodyguard kam mir in den Kopf. Ich schüttelte den Gedanken dezent aus meinem Kopf und verlachte mich innerlich selbst. /Du wirst noch zu einer richtigen Queen Alex, wenn du so weiter machst./ Während ich mich selbst auslachte wäre es mir fast entgangen, dass Lukas sanft meine Finger drückte.
 

Seine Gesichtszüge erschienen so unglaublich sanft, dass ich ihn am liebsten augenblicklich zu einem Kuss über den Tisch zu mir herangezogen hätte. Aber es würde keinen solchen Kuss mehr geben, wenn ich mal etwas richtig machen wollen würde. /Scheiß auf deine Libido, Alex, dieses eine Mal!/

„Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass ich verstehe, was du mir sagen willst.“ Seine Finger verließen meine. „Und ich erahne, wie schwer das für dich ist. Ich fühle mich geehrt.“ Ein zaghaftes Lächeln. Dann griff er zum Wein und nahm einen größeren Schluck. Seine Wangen glühten danach sacht. Ja der gute afrikanische Rotwein, der hatte es schon in sich.

Er senkte leicht den Kopf . „Ich bin froh, dass ich nicht ganz auf dich verzichten muss.“ Seine Worte kamen leise, aber mit einem kleinen Lächeln. Ich griff zu meinem Glas und trank ebenfalls einen beherzten Schluck. Es war raus. Es war schlecht formuliert und bei weitem nicht das gewesen, was ich mir über Nacht an Worten zurecht gelegt hatte, aber irgendwie hatte ich es geschafft ihm mitzuteilen, dass ich es nicht auf den Versuch ankommen lassen würde, ihn unglücklich zu machen. Das hatte ich doch, oder?
 

Ich war nie der Typ, der nicht wusste, was er will. Und genau genommen wusste ich auch jetzt, was ich wollte. Doch das Problem war, dass meine Verlangen sich widersprachen. Ich wollte Lukas. Ich wollte nichts mehr, als seinen schlanken Körper unter meinen Berührungen erzittern zu sehen. Aber ich wollte einen glücklichen Lukas und eine kleine Stimme in mir lachte immer höhnisch bei dem Gedanken, dass ich ihn glücklich machen könnte. Ich konnte andere beglücken, aber einen Glückszustand von Dauer aufrechtzuerhalten, der sich außerhalb der Laken abspielte, dazu war ich nicht in der Lage, oder? Das kleine Kichern begann erneut.
 

Ich blickte Lukas an. Er sah nicht glücklich aus. Aber auch nicht tot unglücklich. Sein Blick ruhte auf mir, als könne er jeden Gedanken lesen, der durch meinen Kopf schoss. Und sein Blick sagte mir, dass es okay wäre. Ein Hauch Sehnsucht ging damit einher. Sehnsucht nach dem, was sich Lukas von diesem Date gewünscht hatte. Oder war es etwas anderes. Irgendwie hielt mich sein Blick gefangen, doch wenn ich von meinem Standpunkt nicht abweichen wollte, musste ich jetzt wegsehen. Ich musste diesen Moment brechen.
 

Eine Zigarette konnte im richtigen Moment wie eine Wand zwischen zwei Personen sein. Ich baute also mit einer weiteren Kippe eine kleine Mauer. Mehr fiel mir nicht ein. Und auch Lukas ließ die Schultern leicht sinken und lächelte traurig. „Zeit zu gehen, hm?“ Ich winkte dem Kellner für die Rechnung zu um Lukas Worte zu bestätigen.

„Besser ist’s, muss morgen wieder auf Arbeit und möchte dich doch noch nach Hause bringen.“ Ich zwinkerte ihm durch meine Rauchwand zu. Er merkte es und lächelte. Eine leichte knisternde Stimmung lag immernoch zwischen uns, auch wenn Lukas nun endgültig mein verbotenes Früchtchen war. Vielleicht auch gerade deswegen.
 

Nachdem ich bezahlt hatte, half ich ihm in seinen Mantel. Ich ließ es mir nicht nehmen, ihm dabei sanft über den Rücken zu streichen. Er wich nicht zurück und verharrte diesen Augenblick, dann machten wir uns mehr oder weniger zeitgleich auf den Weg zur Tür.
 

Die Kälte umfing uns unweigerlich, als wir auf die Straße traten. Es war Anfang November und bereits jetzt gefühlte Minusgrade im zweistelligen Bereich. Ich bot Lukas meinen Arm an und ohne zu zögern hakte er sich unter. Er lehnte sich sanft gegen mich und diese Vertrautheit stimmte mich zufrieden. Es würde schwer werden, meine Finger still zu halten, aber wenn es Momente wie diesen bewahren würde, wäre ich damit einverstanden. Zumindest für eine Weile.
 

Auf die S-Bahn wartend legte ich meine Arme um ihn, um ihn warm zu halten. Auch hierzu sagte Lukas nichts. Allgemein verlief unser Heimweg sehr schweigend. Die Bahn kam diesmal für meinen Geschmack zu schnell. Wartete man an Abenden wie diesen sonst locker mal 15 Minuten, so waren es heute gerade mal fünf Minuten, die ich Lukas so wärmen durfte. Zugegeben, fünf Minuten, in denen ich meinen Entschluss immer wieder hinterfragte, aber wenn ich auf den kleinen Blondschopf hinab sah, war ich mir doch wieder sicher./Einmal im Leben nicht das Arschloch sein./ Ich sagte mir diese Worte immer wieder. In meinem Kopf schrillte zugleich das höhnische Lachen, dass mich daran erinnerte, was ich sonst so gerne tat, und wie unfähig ich darin sein würde, ihn nicht unglücklich zu machen. Ein Augenblick zum Weglaufen, hätte ich nicht Lukas in den Armen gehabt. Die Bahn kam. Innen war sie gut beheizt und weiterer Körperkontakt nicht notwendig. Ich bedauerte es etwas. Wir saßen schweigend nebeneinander. Es war kein angenehmes Schweigen. Es wurde auch nicht besser, als Lukas langsam seinen Kopf gegen meine Schulter lehnte. Was hätte ich in diesem Augenblick alles gerne getan.
 

Meine Hände ruhten jedoch zusammengefaltet in meinem Schoß. /Einmal Alex. Ein einziges Mal./ Ich biss die Zähne zusammen und atmete tief durch. Hatte ich gewusst, dass es so schwer werden würde? War es denn schwerer als die Rolle des Mistkerls zu riskieren? Vielleicht war es nur schwer für den Augenblick und sobald meine Libido endlich ein neues Objekt der Begierde gefunden hätte, würde es leichter werden. /Vielleicht./ Kein Zustand, der in mir Behaglichkeit hervorrief.
 

Kurz vor seiner Haltestelle löste sich Lukas von mir. „Ich will Mittwoch mit Maik und Stephen ins Kino.“ Ich blinzelte ihn etwas verwundert an. Offensichtlich hatte ich mich arg in meinen Gedanken verloren. „Willst du mit?“

„Was wollt ihr euch denn ansehen?“ Lukas lächelte peinlich berührt. „Einen Twilight Rerun, bevor der vorletzte Teil ins Kino kommt.“ Ich hob fragend eine Augenbraue. Klar war dies ein Thema, dass man nicht umgehen konnte dank der Medien. Zugegebenermaßen hatte ich mich jedoch bisher vollends vor diesem Thema drücken können.
 

„Puh, ich steck da gar nicht drin...“ Er grinste vergnügt. „Kein Problem, ist nen kleiner Marathon, Teil eins bis drei und du bist up to date für den ersten Teil des letzten Buches.“

„Der erste Teil des... Teil eins bis drei?“ Ich ging das eben Gehörte durch und fragte mich, ob ich DAS wirklich verkraften würde. Lukas erhob sich und hinterließ einen kalten Fleck an meiner Seite. Er lachte offenherzig. „Freunde machen so einen Quatsch Alex...“
 

Da hatte er mich. Freunde. /Du hast es so gewollt, Alex./ „ Okay, okay, ich tu mir das an, aber wenn ich es nicht mehr ertrage, darf ich mich betrinken,ja?“ Wieder ein Lachen. Die freundliche Stimme der S-Bahn verkündete seine Haltestelle. Er drehte sich einmal lachend um eine der mittig stehenden Haltestangen. Meine Libido zuckte kurz bei diesem Anblick. Unartige Bilder schossen mir in den Kopf und mussten bekämpft werden. Kälte war ein gutes Mittel.

„Ja, ich denke den ein oder anderen Prosecco vorab werden wir uns auch genehmigen. Also ist Betrinken okay.“ Er betätigte den Türöffner und verließ den Wagen. Ich sprang auf und eilte ihm nach, klapste ihm leicht auf den Po. „Du versaust mich!“ Er lachte wieder. Ich legte lächelnd meinen Arm um ihn und begleitete ihn noch bis zu seiner Wohnungstür. /War doch ein guter Abend, oder? Für dein erstes sexfreies Date, hast du dich tapfer geschlagen Alex. Da ist so ein kleiner freundschaftlicher Klaps auch okay./ Ich hoffte es.
 

Es wäre schön, wenn ich doch nur einen Augenblick meinen Kopf abstellen könnte. Aber er arbeitete immerzu. An Lukas Tür zögerte dieser kurz. Sein Blick ruhte auf mir, begleitet von dem für mich nicht zu deutenden Gefühl, dass er auch vorhin im Restaurant mit im Blick trug. Ich strich ihm einmal kurz über die Wange.
 

„Schlaf gut, Lukas.“ Meine Stimme war rau und leicht belegt. Gern hätte ich jetzt mehr getan, als diese flüchtige Berührung. Lukas Wangen waren immernoch leicht gerötet und ich fragte mich , ob es noch vom Wein kam, der Kälte oder an mir lag. Er lächelte nur sanft, drehte sich um und schloss die Tür zum Hausflur auf. „Schlaf gut Alex.“ Er blickte sich für diese Worte noch einmal kurz um, dann verschwand er im Hausflur. Es schüttelte mich leicht. Auf dem Weg zurück zur Bahn erkannte ich den Kerl in der Fensterspiegelung nicht wirklich. Wenn das ich war, wo war dann der Rest von mir?
 

Leise lachte die höhnische Stimme in meinem Kopf. Immer wieder drang sie zu mir durch. Würde ich meine Libido jeh besiegen? Ich hatte den Abend überstanden, aber nicht ohne Lukas Nähe zu genießen, zu suchen oder mir sogar zu erschleichen. Ich schüttelte leicht den Kopf. Vielleicht war es Zeit für einen Absacker am Neuen Ufer und einem bedeutungslosem Abenteuer. Aber das hatte ja auch vorab schon so gut geklappt...
 

Kapitel 15
 

Ich bin an diesem Abend nicht ins Ufer und ohne weitere Abenteuer heimgekehrt. Mein Kopf platzte fast aus allen Nähten und innerlich wusste ich , dass ich meine Libido nicht mit irgendeinem kleinen knackigen Hinterteil ruhig stellen könnte.
 

Dieses Gefühl setzte sich fort an jedem Abend den ich in den kommenden Wochen mit Lukas und seinen Freunden verbrachte. Joe war häufiger mit von der Partie, verabschiedete sich aber meist frühzeitig, um noch etwas auf die Pirsch zu gehen, wie er sagte. Ich beobachtete jedesmal, wie bei diesen Worten ein kleiner Schatten über Lukas Gesicht huschte. Wenn es ihn aber wirklich noch verletzte, wusste er es auf Dauer gut zu überspielen. Ob seine quirligen Freunde es wirklich merkten, wenn sie Joe scherzend verabschiedeten, glaubte ich kaum.
 

In dieser Zeit nahm ich es mit so gut wie allem auf: Dem Twilight Marathon, Cocktailabenden, Abende mit Liebesschnulzen, Kaffeerunden mit Kuchen und ich erwies mich durchaus als begabter Gesellschafter. Zudem nutzte Lukas jeden Moment, der sich ergab, um mit mit etwas Nähe zu teilen, ob es nun ein vielsagender Blick, ein leichtes Anlehnen oder sogar ein wenig Kuscheln auf der Couch war. Nie etwas Sexuelles, leider, oder zum Glück, ich wäre wohl schwach geworden. Wenn wir diese Nähe teilten, verschwanden meine Kopfschmerzen für eine Weile. Doch wenn ich später alleine in meine Wohnung zurückkehrte, kamen sie wieder und bohrten sich gnadenlos durch meine Gedankenwelt. Und einher ging der Gedanke, was ich früher getan hätte und wie aussichtslos mir jetzt ein Weg in irgendeinen Darkroom erschien.
 

Auf Lukas und mich reagierten Maik und Co. Anfangs skeptisch. Es wurde jedes mal von neuem gewitzelt, ob wir nun ein Paar seien. Lukas ertrug diese Sticheleien mit dem Lächeln einer Heiligen Statue, ich knirschte grummelnd mit den Zähnen. Die Runde lachte dann, Lukas und ich blickten uns schweigend an und schienen uns mit unseren Augen immer wieder gegenseitig zu fragen, was wir hier taten. Aber ich blieb dabei, ich wollte ihn nicht verletzen. Irgendwann hörte auch das Sticheln etwas auf. Die von uns ausgeteilten kleinen Zärtlichkeiten gehörten somit zum freundschaftlichen Habitus und keiner versuchte mehr uns in peinliche Situationen zu bringen. Vielleicht waren auch einfach Lukas und ich es, die mit dem Alltag besser umgingen. Ich wollte ihn jedoch noch immer, daran hatte sich bisher nichts geändert, zu meiner eigenen Verwunderung.
 

Es war mitten in der Vorweihnachtszeit, als die Herrschaften beschlossen, gemeinsam den Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz unsicher zu machen und im Anschluss ins Haus B einzukehren. Der erste Schnee war mittlerweile gefallen. In der Dunkelheit wurde der Alexanderplatz liebevoll vom Weihnachtsmarkt beleuchtet, dessen Fahrgeschäfte, Imbissbuden und Händler ein buntes Gemisch an verschiedenen Düften, Lauten und Lichtsignalen von sich gaben. Es wurde in einer kleinen und völlig überfüllten Glühweinbude der erste Glühwein mit Schuss zu sich genommen und schnell glühten auch alle Gesichter. Ich war nie ein Weihnachtsmensch und sah da keine gegenteilige Entwicklung, aber mit Lukas an meiner Seite schien das sich nähernde Weihnachtsfest doch etwas von jener Beschaulichkeit zu besitzen, die man mir früher immer nahe bringen wollte.

Maik erzählte lautstark eine Anekdote aus seinem Frisörsalon. Der Kerl war tatsächlich Frisör. Ein Bilderbuchschwuler. Seine Stimme war noch immer zu schrill für meinen Geschmack, aber ich hatte mit der Zeit gemerkt, dass Lukas sich einen doch recht erwählten Freundeskreis angelegt hatte und somit war auch Maik, trotz der Tatsache, dass man ihn nicht reden hören wollte, immer ein offener Gesprächspartner.
 

Die nächste Runde Glühwein mit Schuss brachte die Idee mit sich , dass man doch eine Runde Riesenrad fahren könnte. Seit das Alexa am Alexanderplatz stand, war dahinter jährlich ein größerer Rummel, der auch ein Riesenrad bereit hielt. Vergnügt kichernd schob sich unsere Gruppe also Richtung Riesenrad mit dem festen Vorhaben einen Mengenrabatt bei dem Betreiber für unsere Gruppengröße herauszuschlagen. Ein paar vergnügt kreischende Kerle waren doch eine ausgezeichnete Werbung. Zumindest waren wir für uns dieser Ansicht.
 

Das Riesenrad hatte immer Gondeln für kleinere Gruppen und so teilte man sich in eine dreier und eine vierer Gruppe auf. Ich hatte das Glück, die kleine Gondel mit Lukas, Stephen und Martin zu teilen. Die zwei kuschelten sich verliebt und vergnügt zusammen und freuten sich unglaublich über die Aussicht. Lukas war ziemlich nahe an mich herangerutscht und umklammerte etwas verkrampft meinen Arm.
 

„Alles okay bei dir?“ Ich flüsterte leise an sein Ohr. Zögerlich öffnete er die Augen und blickte zu mir auf. „ Das kann ich nicht sagen. Das ist zu peinlich!“ Seine Wangen glühten vom Glühwein. Verlegen rückte er sich seine Brille zurecht und blinzelte über den Rand der Gondel, nur um kurz darauf wieder etwas fester an meinem Arm zu klammern.

„Ich dachte wirklich, ich könnte das...“ Ich war etwas verwundert und mir nun nicht mehr ganz sicher, wovon dagerade die Rede war. Meine Hand umfasste sanft sein Kinn und zwang ihn so, mich anzusehen.
 

„Okay, was ist los?“ Ein Hauch Sorge schwang mit meinen Worten mit. Ein erneuter verzweifelter Seufzer entkam Lukas Lippen. „Ich dachte echt, ich könnte das und das mir der Alkohol helfen könnte, aber... Ich hab so eine verdamte Höhenangst!“ Er verbarg sein Gesacht an meiner Brust und ich legte sanft meine Arme um ihn. Ein kleines Lachen schüttelte meinen Brustkorb. Innerlich hatte ich befürchtet, Lukas würde von etwas anderem reden, aber so fand ich meine Souveränität wieder und drückte ihn schützend an mich. „Dummerchen, warum fährst du dann mit?“ Er löste sich wieder leicht von mir, musste erneut die Brille zurecht schieben und schniefte leicht. „Naja, alle fahren. Ich wollte nicht der Dumme sein, der draußen steht.“
 

Ich grinste ihn an. /Der Dumme, der draußen steht. Moment mal Alex, bist du das nicht gerade?/ Mein Versuch ein guter Mensch zu sein verspottete mich also von neuem. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel. Lukas konnte sich nicht bewusst sein, was seine Worte in mir auslösten und er sollte es auch keinesfalls spüren. Ich strich ihm also stattdessen sanft eine blonde Strähne aus dem Gesicht und lächelte tapfer weiter. „ Keine Sorge, ich pass auf dich auf. Also halte dich ruhig weiter fest.“ Den letzten Teil des Satzes sagte ich mit einem Zwinkern und erhielt dafür einen kleinen Klaps gegen die Schulter. Dennoch wich er mir nicht wirklich von der Seite. Unser frischvermähltes Ehepaar schien davon nicht viel mitzubekommen, die zwei waren mit einer heftigen Knutscherei beschäftigt. Ich beneidete die beiden einen kurzen Augenblick und musste mich dann ermahnen, dass ich nicht an solchen Quatsch wie die Ehe glaubte und schon gar nicht beziehungstauglich war.
 

Dennoch, eine wilde Knutscherei mit Lukas wäre nach meinem Geschmack gewesen. Der klammerte sich nun schweigend an mich und ließ mehr als zaghaft seinen Blick über die Stadt kreisen. Je höher die Gondel kam umso mehr schnitt der Wind. Ein Grund mehr für Lukas nahe bei mir zu sitzen. Ich lächelte darüber, denn dieser Gedanke erfüllte mich wirklich mit einem leichten Prickeln. Erst jetzt merkte ich, als wir den höchsten Punkt passierten, dass Lukas nicht mehr vorsichtig über den Rand spähte, sondern tatsächlich mich ansah. Ich hielt seinen Blick für einen Moment.
 

Seine hellen grauen Augen fastzinierten mich nicht zum ersten Mal und ich konnte wieder in diesem Blick ein Gefühl sehen, was ich nicht deuten konnte. Bevor ich mich verlieren würde, brach ich den Blickkontakt jedoch ab, drückte stattdessen Lukas Hand sanft. „Hast es gleich geschafft.“ Ich versuchte aufmunternd zu klingen, aber eigentlich hasste ich mich selbst, dass ich immernoch versuchte, ein verdammter Held zu sein, indem ich ihn nicht noch fester an mich drückte.

Lukas nickte leicht und blieb an mich gelehnt bis wir wieder aussteigen durften. Maik, Joe und Maiks Freund waren zwei Gondeln vor uns ins Riesenrad eingestiegen und begrüßten uns freudig. Es war kurz vor 12 Uhr Mitternacht. Der Pegel wurde mit einem Glühwein to go aufrecht gehalten und die S-Bahn Richtung Warschauer Straße angestrebt.
 

Es folgten kleine Witzeleien über Lukas Höhenangst und seinen Heldenmut, dennoch in ein Riesenrad einzusteigen. „Lukas, Prinzesschen, wenn du diesen Mut mal auf die Männerwelt übertragen würdest, hätten deine Bettpfosten keine Spinnenweben mehr.“ Joe grinste verschmitzt bei diesen Worten, der Rest der Meute gröhlte, ich setzte zumindest ein Lächeln auf. Lukas blickte zu Boden, erwiederte aber nichts darauf. Ein kurzer Blick zu mir, dann nippte er an seinem Glühwein un drehte sich zu Johannes um.
 

„Mal sehen, der Abend ist noch jung, und wenn er schon so gut beginnt?“ Alle Mann gröhlten erneut. Ein Passant, der an uns vorbei ging, gab eine Beschimpfung gegen Homosexuelle von sich, die umgehend von wüsteren Worten aus dem Mund von Stephen, der sonst recht gelassen wirkte, gekontert wurde. Aber auch dies tat der Stimmung keinen Abbruch und Lukas wurde weiter hinterfragt, wie er sich denn heute seinen Traummann angeln wolle. Er ließ es mit einem eher gequälten Lächeln über sich ergehen, gab aber genug verruchte Antworten, um die kleine Schar bei Laune zu halten.
 

Die Disco war unglaublich voll an diesem Abend. Wie bei unserem ersten Besuch hier standen wir in der Schlange und warteten. Es war mittlerweile kurz nach Mitternacht. Es ging erstaunlich schnell voran, sodass wir nach 10 Minuten Anstehen unsere Jacken an der Garderobe abgeben konnten. Vom großen Dancefloor dröhnte der Weihnachtsschlager „Last Christmas“ und die Meute strömte jubelnd Richtung Tanzfläche.
 

„Also ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich brauch erstmal was zu trinken!“ Joe war neben mir geblieben und sah Lukas und Co. nach. „Ja, ein Whisky-Cola oder sowas wäre jetzt gut.“

Er klopfte mir in seiner lachenden Weise mal wieder etwas zu derbe auf die Schulter und wir pirschten uns zur nächsten Bar. Von hier aus taten wir das, was wir am besten konnten, wir behielten unsere kleine Gruppe im Auge. Weder Joe noch ich waren besonders leidenschaftliche Tänzer und wenn es ging war es das entspannte am Rand stehen, was wir bevorzugten. /Bisher nur auf der Tanzfläche, jetzt auch im gesamten Leben./ Ich knirschte leicht mit den Zähnen und suchte die Tanzfläche nach Lukas ab. In seiner schwarzen enganliegenden Jeans und seinem ebenso enganliegenden T-Shirt mit etwas tieferem V-Ausschnitt war er im Dunkeln der Tanzfläche nicht sofort auszumachen. Durch das Stroboskoplicht gelang es mir irgendwann aber doch und unweigerlich schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen.
 

Seine Augen waren geschlossen und einige gelöste Haare umspielten sein schmales Gesicht als er völlig in sich gekehrt tanzte. Ich hätte einen wie ihn niemals beachtet. Nun suchten meine Augen automatisch nach ihm. Über mich selbst schmunzelnd bemerkte ich nur am Rande, dass Joe wohl auch jemanden ins Auge gefasst hatte.

„Na was meinst du? Sieht doch ganz nett aus das Kerlchen.“ Er nippte an seinem Gemüsebier und nickte mit dem Kopf rüber zum anderen Ende des Raumes. Auf einer Box tanzte ein schlanker Kerl mit bronzenem Hautton und einladendem Muskelspiel an Armen und Bauch. Sein halb bauchfreies Top betonte dies nur zu sehr. In lasziven Windungen wickelte er sich um die Dancepole und gab sich ganz seinem Tanz hin.

Verglichen mit Lukas Art zu tanzen schrie hier jede Bewehung nach Aufmerksamkeit. Der Kleine strotzte vor Sexappeal und es hätte über ihm nur noch das Schild 'Nimm Mich!!' gefehlt, dann wäre das Angebot perfekt gewesen. Nun für Johannes war das Schild offensichtlich da. Er leerte sein Gemüsebier und gab mir ein kleines Signal, dass er nun erstmal weg sein würde.

„ Wo will er hin?“ Lukas stand leicht verschwitzt neben mir und strich sich einige der blonden Haare aus dem Gesicht. Ein leichter Schweißfilm bedeckte seine schlanke durch den tiefen Ausschnitt sichtbare weiße Brust. „Beutejagd“ erwiederte ich nur grinsend. So an den Tresen gelehnt, in diesen wirklich engen Jeans und dem verlockenden Oberteil hätte ich Lukas gern auf der Stelle vernascht. Stattdessen beobachtete ich dämlich glotzend, wie er sich einen Vodka-O bestellte und kurz neben mir verschnaufte. Zwischendurch blickte auch er mal über seinen Brillenrand zu mir auf. Ich hatte ihn einmal gefragt, wieso er keine Kontaktlinsen tragen würde, da hatte er nur gelacht und mir gesagt, wie gerne er diesen Blick über den Rand einsetzen würde. Er war unschlagbar.
 

„Ist was?“ Er grinste breit und hatte offensichtlich meine Blicke bemerkt. /Tapfer sein Alex!/ „Nichts, siehst gut aus heute.“

„Umso besser, ich hab ja heute den Tag der Überwindungen!“ Er zwinkerte mir frech zu und ich lächelte zurück. Ein Stich in meiner Brust signalisierte mir, dass ich wohl auch etwas zu überwinden hatte. Ein neuer Song zog Lukas auf die Tanzfläche. Ich nahm sein Getränk entgegen und signalisierte ihm kurz, dass ich mich in die Raucherlounge verziehen würde. Seinen Drink nahm ich zur Sicherheit mit.
 

Der Glimmstängel entflammte und der Rauch in meiner Lunge ersetzte etwas den Schmerz in meiner Brust. Ich war nie sonderlich empfindlich und hörte von daher einmal in mich hinein, um sicher zu gehen, dass ich keine Herzrhythmusstörungen oder ähnliches hatte. Alles schien normal. Ich zog erneut an der Zigarette. Im kleinen Engen Raucherraum hatte ich ein Plätzchen mit Tisch gefunden. Sowohl mein Whisky-Cola als auch Lukas Vodka-O standen vor mir. Früher hätte ich sowas tunlichst vermieden. Zwei Getränke bedeuteten immer, das hier nichts zu holen war. Aber im Endeffekt, war bei mir auch nichts zu holen. Dennoch bekam ich den einen oder anderen fragenden Blick. Ich mochte zwar gerade in einem Gefühlschaos stecken, dennoch schienen das hellblaue Lacoste-Poloshirt und meine dunkelgraue stonewashed Jeans mit kleinen schlitzen an Knien und Hintern meine Vorzüge zur Geltung zu bringen. Hätte ich nicht das zweite verwaiste Glas vor mir, wäre ich wohl bereits im Darkroom zu Gange.
 

„Ach, hab ichs doch geahnt!“ Maik ließ sich geschafft neben mich fallen. Er war ebenfalls verschwitzt vom Tanzen, im Unterschied zu Lukas konnte man das bei ihm auch sofort riechen. Lukas roch noch immer nach seinem verlockend süßem Parfüm. Eine weitere Qualmwolke verließ meinen Mund und waberte empor zum restlichen blauen Dunst, der den Raucherbereich so sauerstoffarm machte.
 

Maik legte plötzlich seine Hand auf meinen Arm. Seine wohl manikürten Fingernägel entgingen mir nicht. „ Alex Schätzchen, wie lange willst du jetzt eigentlich noch so daneben stehen?“ Er hatte sich zu mir vorgebeugt um die restliche Musik nicht zu sehr überbrüllen zu müssen. Ich blickte ihn überrascht an. Er lächelte nur verständnisvoll.

„Glaub mir, ick seh doch, wie dich andere ansehen. Und ick seh auch, wie du jedes mal solo nach Hause gehst. Willst ma doch nicht weiß machen, dass des alles ist.“ Er tätschelte meinen Arm. Seine Worte schickten einen leichten Kopfschmerz durch mein Gehirn. Nicht weil seine Stimme so nervig war, sondern weil er mich wohl oder übel ertappt hatte. Er grinste breit. Ich zog eingehender an meiner Zigarette und merkte zu meinem Bedauern, dass sie im Grunde damit abgebrannt war. Sie landete auf dem Fußboden, der als großer Aschenbecher bekannt war. Ein kräftiger Schluck leerte nun auch noch meinen Whisky-Cola. Nun musste ich mich wohl dem Gespräch mit Maik stellen.

„Ick vermute mal, dass du nen nettes Gespräch mit Joe hattest.“ Er grinste noch immer während ich nur die Augenbrauen zusammen kneifen konnte. /Woher wusste er das?/

„Weeßte, ist nämlich so. Joe will immerzu, dass Lukas sich mehr öffnet und dabei wacht er wie ne Glucke über ihn, dass ihm nischt passiert.“ Ich rieb mir leicht die Stirn. Worauf wollte er hinaus? Wieder tätschelte er leicht meinen Arm. „Ick seh, wie du Lukas ebenso schützt, und das ehrt dich, aber gönn dir zwischendurch och ma nen Späßchen, sonst wirst noch ne verbitterte alte Schachtel.“ Er prostete mir mit seinem undefinierbaren Getränk zu und grinste verschwörerisch. „Bist doch‘n Schnittchen, ach wat sach ick, das weeßte ja selbst!“ Er lachte schrill auf und tätschelte nochmals meinen Arm, dann ging er wieder.
 

Da saß ich nun mit zwei Stimmen im Kopf und meiner Libido, die nach Befreiung schrie. ‚Nieder mit der Handarbeit!!‘ war ihr Slogan. Ich verließ ebenfalls den Raucherbereich und nach einem kurzen Abstecher Richtung Klo begab ich mich wieder zu den anderen. Katy Perry dudelte grad durch die Lautsprecher und während alle Lesben besonders lautstark mitgröhlten, wie sehr sie doch den Kuss eines Mädchens genossen hatten, einigten wir uns auf eine Runde Kurze. Mir war es Recht. Ich orderte gleich einen neuen Whisky-Cola dazu.
 

Mit fortgeschrittener Stunde und gestiegenem Alkoholpegel landeten wir mal wieder im kleinen Schlagerfloor, der heute zum Glück jedoch weniger Schlager und mehr Kuschelmusik und viele nette 80ziger im Angebot hatte. Joe war zwischenzeitlich wieder aufgetaucht um sich zu verabschieden. Er schien offensichtlich Erfolg beim kleinen Dancepole-Häschen gehabt zu haben und war nun der festen Absicht, dieses auch mit nach Hause ins Bett zu schleppen.
 

Ein weiterer kleiner Schnaps, dann zog er mit Anhang vondannen. Doro wurde angespielt. Ich blickte unweigerlich zu Lukas und war äußerst überrascht, als ich feststellen musste, dass er diesesmal nicht allein auf der Tanzfläche stand.

Hatte ich damals noch den edlen Retter für ihn gespielt, wurde er nun von einem ca. 1,80m großen dunkelhaarigen Typen angetanzt. Einige Schnäpse und Cocktails intus ließ Lukas sich auch auf dieses Spiel ein und lehnte sich beim Tanz an den anderen. Als sie sich drehten trafen sich unsere Blicke und erneut durchfuhr ein Stich mein Herz. Seine silbrigen Augen ruhten auf mir und verschlangen mich, fesselten mich an ihn, bis er schließlich blinzelte. Ich musste tief Luft holen und beschloss lieber eine rauchen zu gehen. Eine Wand aus Qualm half immer.
 

Von meinem Platz aus hatte ich diesmal die Sicht auf den Eingang zum kleinen Floor, da ich quasi im Türrahmen zum Raucherbereich stand. Würden die anderen aufbrechen, könnte ich mitziehen. Sollte Lukas jedoch in Begleitunng heute nach hause gehen, und keiner konnts dem Kerl verübeln, denn heute sah Lukas unverschämt gut aus, würde ich mir wohl Maiks Worte zu Herzen nehmen müssen und doch mal wieder sinnlosen Sex anstreben. Ich hatte den Blick auf meine zweite Zigarette als ich Lukas Stimme hörte. Sie erschien mir unverhältnismäßig laut und ließ mich aufblicken. Er stand an der Wand des Gangs und der andere Kerl stand vor ihm. Offensichtlich gingen sie zur nächsten Stufe über. Unweigerlich zogen sich meine Augenbrauen zusammen und ich schimpfte mich einen Idiot, dass ich mich eben noch so in seinem Blick verlieren konnte, der mich ohne Weiteres zu ihm zog, und er jetzt einfach... Erneut seine Stimme. Die Szene im Gang hatte sich geändert. Im Zwielicht hatten sie nicht viel Aufmerksamkeit, schließlich waren fummelnde Kerle hier alltäglich.
 

Doch etwas an Lukas Körpersprache stimmte nicht. Seine Stimme klang zu erbost. Er zog sich an der Wand entlang weg von dem anderen. Offensichtlich hatte er mich gesehen und wollte auf mich zukommen. Der Kerl folgte ihm, packte ihn an seinem Handgelenk, dass erst vor wenigen Tagen vom Gips befreit worden war, und zog ihn unsanft zu sich zurück. „Komm schon, zier dir nicht so. So heiß, wie du aussiehst, kannst du doch jetzt keinen auf unschuldig machen!“ Der Kerl konnte sich nur noch lallend artikulieren. „Ich hab gesagt, du sollst mich nicht anfassen! Da läuft nichts!“
 

Meine Augenbrauen zogen sich noch weiter zusammen, sofern dies möglich war. Ich trat meine Zigarette auf dem Boden aus und beobachtete dabei, wie der Kerl Lukas erneut an sich pressen wollte. Es kostete mich nur wenige Schritte, dann traf ihn meine Faust mit ziemlicher Wucht auf den Unterkieferknochen.
 

Ich war nie einer, der prügelt. Und der Schmerz, der nun meine Hand durchzog, sagte mir, dass etwas mehr Übung vorab sinnvoll gewesen wäre. Nichtsdestotrotz ging mein Gegner zu Boden und blieb dort erstmal leicht benommen liegen.

„Alex, ich..“ Lukas sah schockiert auf den am Boden liegenden Typen, dann zu mir und schließlich zu den nahenden Securityleuten. Schlägereien waren hier selten, aber wenn es mal dazu kam, wollten sie immer schnell ‚aufräumen‘.

Ich hob verteidigend die Hände. „Schon gut Jungs, ich geh freiwillig!“ Kommentarlos begleitete mich einer der Sicherheitsmänner zur Garderobe. „ Was war los?“ Er blickte mir erst ins Gesicht, dann auf meine Hand. Ich suchte derweil den Garderobenchip.

„Der Kerl wollte kein ‚Nein’ akzeptieren.“ Ich nickte mit dem Kinn Richtung des nahenden Trupps von Security, dem Typen, der halb getragen wurde, und Lukas.
 

Die Sicherheitsleute wechselten kurz ein paar Blicke. Lukas stand blass daneben und warf immer wieder ein, dass es nicht zum Streit gekommen wäre, wenn der andere ihn in Ruhe gelassen hätte. Im Hintergrund erkannte ich nun auch Maik, Stephen und Anhang. Meine Hand schmerzte tierisch. Innerlich hoffte ich, nicht irgend was gebrochen zu haben. Ich würde es zu Hause genauer untersuchen.

„Okay, halte beim nächsten mal deine Fäuste etwas mehr unter Kontrolle und holt lieber uns zur Hilfe, ja? Für dich Großer ist der Abend vorbei.“ Der Kerl von der Security klopfte mir sanft gegen den Oberarm. Ich hatte bereits meinen Pulli und Mantel an sowie den Schal umgewickelt. „ Kein Problem.“ Ich lächelte leicht und er wandte sich dem Typen zu, den ich zu Boden geschickt hatte. Lukas kam zu mir und hielt mich kurz am Arm fest. Ich blickte zu ihm herab und lächelte schief. Mit der freien Hand streichelte ich ihm über die Wange. „Sorry Kleiner, wollte dir nicht den Abend versauen.“ Lukas blickte einfach nur zu mir auf und in seinem Blick lag eine solche Mischung an Gefühlen, dass ich nicht in der Lage war, sie zu sortieren.
 

„Warte kurz auf mich , okay? Ich verabschiede uns von den anderen.“ Ich nickte kurz, zugegeben etwas verwundert, nickte dann auch den anderen zu und ging bereits raus. Draußen genoss ich die eisige Luft, die in meine Lungen strömte, und paarte sie umgehend mit einer neuen Zigarette. Ich war kein Schläger. Aber eben bin ich einer gewesen. Ich hatte für einen Augenblick die Kontrolle verloren, um Lukas zu beschützen. Keine lobenswerte Tat, denn wie der Kerl eben schon sagte, sind diese Momente Sache der Security. Andererseits war es Lukas. Und somit persönlich.
 

„Puh!! Ist das kalt!!“ In seinen Mantel, Schal und Handschuhe gehüllt verließ Lukas neben mir das Haus B. Draußen standen noch immer Leute an, die rein wollten. Wir gingen schweigend zur S-Bahn. Offensichtlich etwas, was wir gut konnten. Aber Schweigen würde uns hier nicht weiterbringen. Meine Hand pulsierte unter mittelmäßigen Schmerzen. Ich streckte vorsichtig die Finger und testete schonmal, ob die noch ihren Dienst taten. Lukas war stehen geblieben. Ich hielt ebenfalls an und blickte zu ihm hinab.
 

„Ist deine Hand schwer verletzt?“ Sorge spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder. Er schien ebenso wie ich durch die Kälte schlagartig nüchtern zu sein. Kommentarlos griff er in den Schnee und packte mir davon einen Schwung auf den Handrücken. Mit seinen schmalen Händen hielt er somit meine Hand und den Schnee darauf. Ein kleiner Versuch, die Fingerknöchel zu kühlen und definitiv nicht die schlechteste Idee.
 

„Was ist denn nur passiert Alex?“ Er blickte zu mir auf und runzelte fragend die Stirn. Der eisige Wind ließ seine losen Strähnen um sein Gesicht flattern. Auch im Halbdunkeln konnte ich seine silbrigen Augen glitzern sehen. Ich suchte nach Worten. /Da bist du wieder. Du Gefühlskrüppel. Hast Mist gebaut und nun kannst du dich nicht einmal rausreden. Siehst du. Du kannst ihn auch ganz ohne Sex verletzten! Hättest dir deine Abstinenz sparen können!/

Meine innere Stimme verlachte mich höhnisch. Die Kälte zog mir in die Glieder, doch wenn ich Lukas so ansah, merkte ich es nicht. „Ich... ich hätte damit leben können, wenn du heute Nacht deine Prinzipien über Bord wirfst, und mit irgendwem nach Hause gegangen wärst.“ Meine Worte kamen gepresst, da es mir schwer fiel ihm diese Gedanken offen zu legen. „Es hätte mir nicht gefallen, aber es wäre deine Entscheidung gewesen.“ Ich zog nochmal an meiner Kippe und schnipste den Rest in den Schnee.
 

Mein Blick wanderte durch die Dunkelheit über Lukas Kopf hinweg. Dann konzentrierte ich mich wieder auf sein Gesicht mit diesen silbrigen Augen. „Ich weiß, ich bin ein Arsch...“ Wut kam in mir hoch. Wut über mich selbst. Die Wut fand sich in meinen Worten wieder. Lukas wich nicht zurück. Er hielt noch immer meine Hand, obwohl der Schnee sogut wie geschmolzen war.

„Aber ich lasse nicht zu, dass dich irgendwer bedrängt oder verletzt!“ Die Worte entkamen meinem Mund heftig und mit Nachdruck. Sie wurden getragen von all den unterdrückten Gefühlen, die ich für Lukas empfand. Ich hätte mich gerne selbst ausgelacht. Mit all meiner Entschlossenheit war ich mir sicher, dass Lukas sich nun entfernen würde.
 

Umsomehr war ich irritiert, als ich das Flackern in seinen Augen sah. Kleine Tränen liefen seine Wangen hinab. „ Ach du dummer großer Troll!!“ Meine Augen weiteten sich kurz, als Lukas sich auf die Zehenspitzen stellte und mich auf die Lippen küsste. Seine kleine spielerische Beleidigung nahm ich kaum wahr. Meine Arme schlangen sich automatisch um ihn, zogen ihn an mich und ich erwiederte diesen Kuss. Alle Bedenken waren für diesen Moment ausgelöscht. Es gab keinen sicheren Weg. Es gibt nur den Versuch und den Fehler. Oder den Erfolg. Aber das war für den Augenblick egal. Es zählte alles nichts. Nur Lukas hier vor mir mit seinen Lippen auf meinen zählte.
 

Mit aller Kraft pressten wir die Lippen zusammen, bis wir beide Luft holen mussten. Erst jetzt leckte ich ihm lockend über die Lippen und wurde von seiner warmen Zunge willkommen geheißen. Vorbei die Kälte draußen. Ich spürte Lukas an meinem ganzen Körper. Schmeckte seine süße Zunge. Atmete seinen süßen Duft. Es war der 5. Dezember, 4 uhr morgens und es begann gerade langsam zu schneien. Ich war 27 Jahre alt und hatte in diesem Augenblick den befreiendsten Kuss meines Lebens. Der Rest der Welt existierte nicht.

Kapitel 16 und 17

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 18 und 19

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 20 - 22

Heute gibt es drei Kapitel auf einen Schlag! Eigentlich wollte ich ja die FF abschließend posten, aber irgendwie ist es zu komplex geworden, als dass man es in ein, zwei Kapiteln zum Ende kommen lassen kann.

Ja das lest ihr auch gleich richtig! Wir kommen zu einem Ende!!! Unglaublich, nach so vielen Jahren, schaffe ich es endlich BmB! zu beenden *lach* Und das ist mein Ernst! Zeitgleich habe ich nun zwar GOTT HART begonnen, nichts desto trotz ist BmB! mein festes Ziel! Kapitel 23 ist so gut wie fertig, aber ich bin noch unsicher wie weit ich einige Probleme noch ausbauen will! BmB! bietet da so vieles! Diese FF hat mir viele Kopfschmerzen bereitet, weil ich lange Zeit nicht an ihr weiter kam. Und nun kann ich nachts kaum einschlafen, weil das Bedürfnis an ihr weiter zu schreiben so groß ist! *hach* @_@ genug geplappert: Viel Spaß bei den neuen Kapiteln zu BmB!


 

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Kapitel 20
 

Mein Schädel dröhnte unglaublich. Ein permanentes dumpfes Pulsieren vom Hinterkopf zur Schläfe hin. Immer wieder ein Stechen dazwischen. Meine Lippen waren trocken. Mein ganzer Mund fühlte sich wie die Sahara an. Ich leckte mit der Zunger über meine Lippen, aber es half nicht viel. Um mich herum war es sehr ruhig. Ich hörte nichts außer den dumpfen Rhythmus meines Herzens in der Brust. Der kleine Pisser hatte sein Wort also gehalten. Er hatte mich nicht getötet.

Meine Schulter schmerzte. Mein linkes Bein fühlte sich an wie ein fremder Klumpen an meinem Körper. Ich überlegte kurz, ob es sich lohnen würde, die Augen zu öffnen, oder ob ichs lieber lasse. Lukas Stimme kam mir in den Kopf.
 

Er war da gewesen, oder? Hatte ich mir das eingebildet? Seine Kleidung war total verschmiert gewesen. Er sah furchtbar aus und ängstlich. Ich bewegte leicht meine Finger an der Hand, wo ich meinte mich an seine Berührung zu erinnern. Alle Finger da, alle in Takt. Ausgezeichnet. Ein Test mit der zweiten Hand verlief ebenso erfolgreich. Gut, also meine Hände hatte ich noch. / Alex mach die Augen auf!/ Lukas Stimme in meinem Kopf. Sein panischer Blick. Irgendwer war noch in der Wohnung. War Lukas okay? Der stechende Schmerz in meinem Kopf legte sich allmählich. Es wurde Zeit, die Augen zu öffnen, sonst würde ich nie wissen, wo ich bin. Und die Augen einfach verschlossen zu halten war nicht mein Ding.
 

Ich musste mich konzentrieren um das Gefühl von meinen Lippen und meiner Zunge zu den Augen hin zu erweitern. Wie schwere Steine lagen meine Augenlider verschlossen. Ich zwang mich sie zu heben. Erfolglos. Erneut. Mäßiger Erfolg./Hier wird nicht aufgegeben!/ Beim dritten Versuch hielt ich vor Anstrengung den Atem an. Die Helligkeit erschlug mich und presste mir schmerzlich die Luft aus der Lunge. Alles Weiß. Atmen. Atmen tat weh. /Verdammte Scheiße!! Muss ein paar Rippen erwischt haben!/ Weiter atmen, schön flach, dann tuts nicht so weh. Meine Augen gewöhnten sich langsam ans Licht. Einfach ordentlich zusammenkneifen. Es reichte aus durch halb geöffnete Lider die Welt wahrzunehmen.
 

Eine leere neutrale Decke. Definitiv nicht die Decke meines Schlafzimmers. / ..Hilfe geholt.../ Lukas Stimme. Soweit es mir möglich war, erkundeten meine Augen den Raum ohne größere Kopfbewegungen. Es dauerte noch ein Weilchen, bis ich auch diesen wieder heben konnte. Es schmerzte unglaublich. Mein gesamter Nacken fühlte sich verspannt an, als hätte ich zu viel gearbeitet. Vor meinem inneren Auge sah ich etwas vorbei ziehen. Ich zuckte zusammen um beim nächsten Wimpernschlag festzustellen, dass nichts war. Einbildung. Erinnerung. Humbuk! Ich würde nicht zulassen, dass der kleine Pisser mich so verfolgt. Mit meinem nun erhobenen Kopf konnte ich den Raum besser wahrnehmen. Ein typisches Krankenzimmer. Einzelzimmer. Neben meinem Bett ein leerer Stuhl. Keine piependen Maschienen. Nichts was meine Lebensfunktionen überwachte. War wohl alles nicht so wild. Der Blick auf meine Beine hielt mich kurz auf. Das Linke war ordentlich zugegipst bis zum Knie, die restliche Haut an diversen Stellen aufgeplatzt und mit einigen Stichen wieder vernäht. Das Ganze umrandet von unzähligen Blutergüssen in tiefstem Dunkelblau.
 

„Ach Scheiße...“ Meine Stimme war tonlos und jedes Wort kratzte im Hals. Dennoch fühlte ich mich befreit, noch reden zu können. Ich ließ den Kopf zurück ins Kissen fallen. Es war anstrengend ihn so lange hochzuhalten. Zugleich schickte der Kontakt mit dem Kissen neue Kopfschmerzen auf den Weg. /Immer langsam Alex. So schnell wird das hier wohl nichts./ Ich atemete tief durch und schloss einen Augenblick die Augen. Lukas hielt meine Hand. Er streichelte meine Wange. Bilder, die wieder und wieder auftachten. Ich öffnete die Augen. Kein Lukas da. Etwas enttäuscht atmete ich langsam aus und fuhr mit meiner Bestandsaufnahme am Körper fort. Okay, linkes Bein war wohl hin. Sex im Stehen könnte für einige Zeit ein Problem sein. Der Anblick meines rechten Beines war nicht unbedingt besser. Blutergüsse überall./Scheiße!/ In meinem Kopf das Surren eines Gegenstands, der durch die Luft saust. Okay, Bein zwei nicht sehr ansehnlich, aber okay. Ich wackelte mit den Zehen. Japp, alles da.
 

Bis zur Brust war ich zugedeckt. Weitere Prellungen und Blutergüsse zeichneten sich an meinen Armen ab. Meine eine Schulter sah mehr als mitgenommen aus, ließ sich aber bewegen. In meiner rechten Hand steckte ein Verweilkatheter, der meinen Körper mit einer Nährstofflösung versorgte. Kleinere Platzwunden waren geklebt worden. Es würden Narben bleiben. Der Gedanke ließ mich innerlich grummeln. Der Blick unter die Bettdecke zeigte, dass ein Verband meinen Brustkorb stützte. Ich lag mit den Rippen wohl ganz richtig.

Dann wurde mir plötzlich sehr heiß. Ich konnte mich erinnern, dass dieser kleine Pisser nicht nur auf mich einschlagen wollte und... Als hätte ichs herauf beschworen fing mein Becken an zu schmerzen. Das Stechen war so stark, dass ich die Luft anhalten musste. Ich wurde wütend. Ich wurde so verdammt wütend, dass ich am liebsten aufgeschrien hätte. Dieser dämliche kleine Scheißer! Weil er ein ‚Nein‘ nicht akzeptieren kann. Meine Wut steigerte sich mit jedem Einnerungsbrocken, der seinen Weg zurück in meinem Kopf fand. Und mit jedem Fetzen schämte ich mich. Ich war Alex. Ich war immer ein Aufreißer. Ich habe den Ton angegeben. Die Dinge geregelt. Jetzt hatte ich die Kontrolle verloren.
 

Wie eine Welle strömten die unterschiedlichsten Ängste auf mich ein. Wie lange war ich hier? Was war mit meiner Arbeit? Wussten nun alle davon? Schlimm genug, wenn es so heraus käme, dass ich schwul war. All die Jahre ausreichender Mauerei für diesen Einsturz. Viel schlimmer wäre es, wenn sie so davon erfahren würden! Dann war ich nicht nur ne Schwuchtel, sondern auch noch ne vergewa... Ich konnte den Satz nicht zu Ende denken. Ich war am Arsch! Meine Gedanken überschlugen sich panisch. Was wenn ich in meinem Krankhaus liege? Schnell holte mich hier jedoch mein Verstand zurück, schließlich arbeitete ich in einer reinen Kinder- und Jugend Klinik.
 

Kein Ort für Typen wie mich. Kein Platz für viel zu große Opfer. Ich ballte die Rechte zur Faust. Der Zugang drückte unter der gespannten Haut. Der Schmerz lenkte mich kurz von meiner Panikattacke ab. Aber auch nur kurz. Wo war Lukas? Was denkt er nun? Ich war der Kerl, der ihn beschützen sollte, nich der, den er retten soll! Ging es ihm gut? Hatte Gideon auch ihn erwischt? Wusste er, was passiert war? Alles?! Der innere Schmerz und das Chaos in meinem Kopf ließ mich aufstöhnen. Ich wand mich unruhig im Bett und wünschte mir einen Augenblick lang einen Ort zum verkriechen. Aber Scheiße muss man entweder fressen oder man ertrinkt drin. Ich war noch nicht bereit zum Ertrinken, oder? Diese Gedanken jagten mich hin und her. Draußen wurde es allmählich dunkel und die Stunden vergingen damit, dass ich Pläne schmiedete, hier raus zu kommen. Eine gute Erklärung für Arbeit parat zu haben, wo ich so lange gesteckt hätte. Ich musste Joe anrufen. Aber wo war mein Handy? Ich sah es im Dunkeln fallen. Ein kleiner Schauer durchlief mich. Dann eben ohne Handy. Wo war Lukas? Hatte er sich abgesetzt, weil er so einen wie mich nun nicht mehr wollte? Mit jeder Stunde, die verging, fiel meine Laune mehr in den Keller. Ich hasste es. Ich hasste zum ersten Mal meinen Körper. Ich hasste meinen Verstand. Ich hasste es zu warten. Darauf, dass Lukas kommen würde. Darauf, die Wahrheit zu erfahren. So wie mein Bein aussah, würde ich wohl noch eine Weile hier bleiben. /Sieht nach einer langen Therapie aus./ Ich hasste Abhängigkeit.
 

Die Tür ging leise auf. Mein Kopf schnellte zu schnell hoch./ Zu sehr in Habachtstellung der gute Alex.../ Sterne zogen vor meinen Augen vorbei. Mein Körper schmerzte durch die schnelle Bewegung. Zu Nervös, zu hektisch. Zu sehr Opfer.
 

„Oh mein Gott! Du bist wach!“ Der Klang der Stimme erhob sich freudig. Die Sterne verzogen sich und Lukas stand an meinem Bett, vor Freude strahlend mit Tränen in den Augen. Seine Hand wanderte vorsichtig über meine Stirn. „ Hi Alex, schön, dass du wieder da bist.“ Da kullerte auch schon die erste Träne. Kein Kuss. Es nervte mich etwas. Ich hätte gerne einen Kuss gehabt. Aber wer will schon einen Kerl wie mich küssen. Niemand mag das Opfer, wenn das Opfer eigentlich der Beschützer sein soll. Ich konnte es Lukas nicht verübeln. Aber warum musste er nun heulen?

„Heulsuse! Was ist passiert? Mir fehlt da ein wenig...“ Ich bemühte mich einen bedeutungslosen Ton zu treffen. Lukas nun mit meinen wirren Gedanken und Vorwürfen zu beladen,wäre unnütze Zeitverschwendung.
 

Lukas wischte sich lächelnd die Tränen weg und nahm neben mir Platz. Seine schlanke Hand fasste nun nach meinen Fingern und drückte sie sanft. „Dein Stalker ist ausgeflippt.“ Ich nickte leicht und verzog das Gesicht. „Dessen bin ich mir bewusst...“ Lukas nickte verständnisvoll.

„Entschuldige... Joe und ich wollten nach dir sehen, weil du seit zwei Tagen auf Arbeit gefehlt hast. Dieser Gideon hat uns aufgemacht, wollte uns aber gleich wieder abwimmeln, da sind wir in deine Wohnung. Joe hat ihn überwältigt und ich den Notarzt gerufen.“

„Scheiße...“ Ich holte zischend Luft. Ein Königreich für eine Zigarette, auch wenn die mich jetzt wohl umbringen würde.

„Wie lange war ich weg?“

„Sieben Tage.“ Ich fluchte leise. „Weiß die Klinik, was passiert ist?“ Lukas nickte nur schwach. „Ließ sich nicht verheimlichen nach dem Aufmarsch an Rettungsdienst und Polizei vor deiner Haustür.“

Er drückte sanft meine Finger und lächelte aufmunternd. „Egal, hauptsache du bist wieder da!“

Ich lächelte nur schief. Mir war nicht zum richtigen Lächeln zu Mute. Würde ich nun meinen Job verlieren? Mein Becken schmerzte und ich konnte mich nicht umlagern. Verdammtes Bein. Verdammter Körper. Wieso musste ich noch atmen.
 

Lukas Finger strichen durch mein Haar. „Dein Stalker wurde verhaftet. Wird nun angeklagt wegen Vergewaltigung, schwerer Körperverletzung oder so. Die Polizei taucht sicher bald hier auf, jetzt wo du wach bist.“

„Lukas?“ „Ja?“ Seine gauen Augen funkelten trotz des leichten Tränenschleiers und noch immer lächelte er. „Ich muss hier raus. Ich kann nicht hier bleiben. Ich muss hier weg...“ Er rutschte mit dem Stuhl näher und legte seine Hand beruhigend auf meine Stirn.

„Shhhhh... nicht aufregen. Du musst dich noch ausruhen, hm?“ Ich griff mit der freien Hand nach seinem Arm und hielt ihn fest. Mein Blick bohrte sich in seine Augen. „Ich muss hier raus...“ Lukas blinzelte erschrocken. Er wollte etwas sagen, als es an der Tür klopfte und er ein Stück von mir weg rutschte. Seine Finger hielten nicht mehr meine.
 

Einer dieser Weißkittel betrat den Raum. Knapp über 40 schwang dieser Halbgott in Weiß sich in den Raum und lächelte einnehmend. Wir waren keine Halbgötter. Wir wären es nur gerne. Auch wir waren nur Fleisch und Knochen. Man musste nur mich ansehen. Er überspielte diese Tatsache.

„Ah, Herr Graf. Schön, dass sie wieder wach sind! Ich bin Dr. Becker.“ Nichts war an dieser Scheiße hier schön. Ich schluckte jedoch meinen Pessimismus hinunter um Lukas nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen. Stattdessen nickte ich nur auf mein Gipsbein. „ Wie lange hält mich das hier?“ Mit jedem Wort erhielt meine Stimme mehr Kraft. Hervorragend.
 

Dr. Becker blickte kurz in die Krankenakte unter seinem Arm und reichte sie dann an eine kleine Schwester weiter, die sehr unauffällig hinter ihm stand und Protokoll schrieb. „Nun, sie sollten nicht überstürzen, daher sind zwei drei Wochen eine recht optimistische Prognose.“

Optimistisch? Nen Scheißdreck war das.

„Wie siehts aus? Was außer dem Bein ist noch futsch?“ Dr. Becker schien zu begreifen, dass ich es eilig hatte. Er ging ums Bett herum und setzte sich auf den Bettrand gegenüber Lukas .

„Herr Graf, sie sind Opfer massiver Gewalteinwirkungen gewesen.“ Während er sprach legte er mir seine Hand auf den Arm. Ich zog ihn unweigerlich zurück. Das verunsicherte unseren Halbgott etwas, er fuhr aber fort. „Bis auf die Knöchel- und Schienbeinfraktur am linken Bein sind sie erstaunlich glimpflich davon gekommen. Sie haben mehrere gebrochene und angeknackste Rippen, unzählige Prellungen und Platzwunden. Die meisten mussten wir nähen oder haben sie geklebt. Die Platzwunde an ihrem Hinterkopf wurde ebenfalls genäht. Sie haben eine Gehirnerschütterung, ihre Schulter war ausgekugelt und sie hatten mehrere Verletzungen im Analbereich.“ Ich schluckte bei der Liste. Der letzte Punkt war wie ein Schlag ins Gesicht. Dämlicher kleiner Pisser.

„Allem Anschein nach hat der Täter kein Kondom benutzt. Die Ergebnisse des HIV-Tests sind also noch abzuwarten.“ Mir blieb kurz die Luft weg. Ich musste husten. Die Erschütterung schickte Schmerzen in alle Bereiche meines Körpers. „ Wie lange muss ich noch darauf warten?“
 

„Ich vermute einige Tage. Das Labor braucht manchmal etwas.“ Dr. Becker blickte von mir zu Lukas und zurück. „ Aktuell sollten sie sich eh zurückhalten. Wenn sie soweit erstmal keine Fragen mehr haben...“

„Wann kann ich hier raus? Im Bett liegen kann ich auch zu Hause.“ Er wechselte Blicke mit Lukas, die ich nicht verstand. Ich wusste nur, dass ich Krankenhäuser nicht ausstehen konnte. Hier würde mich keiner länger halten als nötig. Krankenhäuser waren wie ein Präsentierteller. Jeder konnte das Opfer sehen. Da. Zimmer was-weiß-ich. Da ist der vergewaltigte Kerl!

„Herr Graf. Ich weiß nicht, ob ihre Wohnung aktuell bereits wieder von der Polizei freigegeben worden ist, daher...“ Ich schluckte meinen Ärger runter. Offensichtlich konnte ich heute kein Datum aus ihm herauskitzeln. Ich würde es morgen wieder versuchen. Die Aufregung und das Reden hatte mich zudem auch erschöpft. Ich ließ mich zurück ins Kissen sinken und fluchte leise vor mich hin.
 

„Herr Altvater, kann ich sie kurz draußen sprechen? Wir sehen uns morgen Herr Graf.“ Wieder berührte der Kerl meinen Arm und erhielt eine erneute Abfuhr. Ich hasste es, wenn Ärzte ihre Patienten so befummelten. Früher hätte sich darauf vielleicht ein Flirt ergeben. Aber ich hatte keine Lust auf Flirts und genaugenommen lag es auch nicht an dem Kontakt zwischen Arzt und Patient, den er hier aufzubauen versuchte. Ich wollte einfach nicht angefasst werden. Fertig. Er lächelte nur zuversichtlich, stand auf und verließ den Raum. Lukas lächlete mich auf die gleiche ätzende Weise an.

„Bin gleich zurück.“ Dann huschte auch er aus der Tür.
 

Einige Minuten später kehrte er zurück. Die kleine Schwester von eben im Schlepptau. „Ich befreie sie mal von dem Zugang Herr Graf.“ Sie lächelte mich an und entledigte mich dann mit routinierten Griffen meines Venenverweilkatheters. „ So hier bitte ein bisschen draufdrücken, damit kein blauer Fleck entsteht.“ Sie stockte plötzlich und lief Rot an. Als ob ein kleiner blauer Fleck auf meinem Körper noch etwas ausmachen würde. „Entschuldigung“ mumelte sie nur noch als sie dann recht eilig das Zimmer verließ.
 

Lukas streichelte wieder meine Finger. „ Ein paar Tage wirst du es hier schon aushalten, hm? Ich hab in ein paar Tagen Urlaub über Weihnachten, dann kommst du mit zu mir, hm?“ Da war es wieder. Das zuversichtliche Lächeln. Alles wird gut, sagt es aus. Ich weiß, was passiert ist. Du bist ein Opfer, aber ist nicht so schlimm. Aber es war Lukas. Ich konnte ihm nichts vorwerfen.

„Scheiße! Ich will dir nicht zur Last fallen. Ich..“ Lukas legte mir einen Finger an die Lippen.

„Schon gut Alex. Nichts, worüber wir jetzt reden müssen. Ruh dich aus. Morgen schauen wir, ob wir dem Doktor nen Entlassungstermin vor Heilig Abend entlocken können und dann sehen wir weiter, ja?“ Da war er wieder. Der Lukas, der regelte. Der souveräne Lukas. Kein Mitleidslächeln. Ein handfester Plan war da. Er war da. Die Frage war nur, wo ich war? Ohne mich nun näher in diese Diskussion reinzuhängen nickte ich einfach nur müde. Ich war erschöpft und Schlaf erschien eine erträgliche Option. Lukas schüttelte eifrig mein Kopfkissen und meine Bettdecke auf. Pakte mich vorsorglich ein mit einem Lächeln auf den Lippen. Vielleicht würde ich ja nicht mehr aufwachen. Bei Lukas Anblick kam mir der Gedanke, dass das aber eigentlich nicht fair wäre. Also doch aufwachen. Besser ist das. Ich spürte noch, wie Lukas mir über die Wange streichelte, dann übermannte mich die Müdigkeit.
 

Kapitel 21
 

Am folgenden Tag stand die Polizei bei mir im Krankenzimmer. Zwei Beamte, der eine Mitte Fünfzig mit leichtem Bauchansatz, der andere keine dreißig und offensichtlich in der Ausbildung. Klasse Kombi.

„Also Her Graf, schildern Sie uns bitte einmal den Tathergang....“ Der jüngere Typ, Komissar Schrader, wie er sich vorstellte, saß an dem kleinen Tisch im Zimmer und schrieb eifrig mit, während der ältere, Hauptkomissar Drehmer, mir einige Fragen stellte.

„Ich kam von einem Abendessen nach Hause. Das Licht im Hausflur ging nicht. Ich nutzte mein Handy um mir die Stufen nach oben zu beleuchten. Oben bemerkte ich, dass die Tür zu meiner Wohnung offenstand. Ich hab Einbrecher vermutet. Da ich nichts gehört hab, bin ich in die Wohnung um nachzusehen, was noch da ist. In der Wohnung hat mich der kleine Mistkerl dann angegriffen. Den Rest kennen Sie sicher aus meiner Krankenakte.“

Ich war bereits jetzt schon genervt. Aber die Fragen mussten beantwortet werden. Ich versuchte mich möglichst kurz zu fassen. Herr Drehmer sah auf einen kleinen Notizblock in seiner Hand.

„Warum haben Sie nicht sofort die Polizei gerufen?“ Er hob fragend seine Buschigen Augenbrauen. Im Gegensatz zu seinem Kopf waren hier reichlich Haare vorhanden.

„Wie gesagt, ich hab nichts gehört und dachte, dass die Typen schon weg seien.“ Wieder ein Stirnrunzeln beim Herrn Hauptkomissar. Eifrigst blätterte er in seinem Block, der junger Herr Schrader schrieb irgendwas auf sein Blatt Papier. Beide warfen sich einen Blick zu, dann kam die nächste Frage.

„Sie kamen vom Abendessen mit ihrem Geliebten?“ Ich richtete mich auf, soweit es mir möglich war. Geliebter, was für ein komischer Ausdruck. Altbacken. Kurzfristig. „Ich war mit meinem Freund Lukas Altvater beim Afrikaner, ja.“ Wieder wechselten die Zwei Blicke, Schrader begann noch energischer zu schreiben.

„War an dem Tag etwas besonderes vorgefallen?“ Der Ältere bemühte sich sachlich zu sein. Dennoch nervten mich die beiden irgendwie. „Wir haben Weihnachtsgeschenke eingekauft und im Alexa sind wir auf Gideon gestoßen.“

Herr Hauptkomissar kritzelte seinen Block voll.

„In welcher Beziehung standen Sie zu Herrn Medivan?“ Ja auf die Frage hatte ich doch schon heiß gewartet! Um unserer schlechten Beziehung Nachdruck zu verleihen, antwortete ich erstmal mit einer Gegenfrage. „Wem?“

Der Komissar schien überrascht. Er blickte mich erstaunt an und auch klein Schrader hielt beim Schreiben inne um mich anzuglotzen.

„Herr Medivan. Gideon Medivan.“

Ich hob überrascht eine Augenbraue. „ Achso. Ich kenne seinen Nachnamen nicht. Wir hatten früher häufiger Kontakt.“

„Was bedeutet Kontakt?“ Verdammte Heten!! Ich knirschte leicht mit den Zähnen.

„Er ist eine alte Affäre von mir. Eine kurzzeitige Bettgeschichte. Anschließend hat er mich lange gestalked.“

„Haben sie das Stalking zur Anzeige gebracht?“ Ich kniff die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf.

„So schlimm war es nicht. Er tauchte gelegentlich bei mir auf, in der Hoffnung, dass etwas laufen würde.“

Schon wieder wechselten die Zwei einen Blick. Klein Schrader grinste dämlich. Drehmer trat auf der Stelle und wirkte etwas betreten. Ich war mir nicht sicher, ob das am dämlich grinsenden Schrader lag oder an der folgenden Frage.

„Hatten sie noch sexuellen Kontakt zu Herrn Medivan?“ Schrader senkte den Kopf und protokollierte eifrigst weiter. Ich konnte jedoch noch immer sein blödes Gegrinse spüren. Auch Drehmer sah mich an, als sei die ganze Sache klar. Schwules Pack, dass sich vor lauter durch die Gegend vögeln in die Haare bekommen hat.
 

„Hören sie Herr Drehmer, ich habe Gideon mehrfach gesagt, dass er verschwinden soll. Ich hatte seit Monaten keinen Geschlechtsverkehr mehr mit ihm.“

„Sind sie dabei jemals handgreiflich geworden?“ Ich musste schlucken. Diese Fragen waren zu genau. Zu zielgerichtet. Nun musste ich wohl auspacken.

„Nein. Ich habe einige härtere sexuelle Praktiken mit ihm versucht, in der Hoffnung, dass er dann endlich gehen würde.“

„Hat Herr Medivan sie dabei gebeten, aufzuhören?“ Der Knackpunkt. Zumindest für die beiden Herren hier im Raum. Schrader konnte schon nicht mehr, hielt sich aber tapfer.

„Nein. Er hat sich dem angepasst und sich weiter an mich geklammert.“ Hauptkomissar Drehmer nickte, als könne er mein Problem verstehen. Oder auch nicht. Man war sich hier ja nie sicher.

„In der Nacht, als Herr Medivan sie in ihrer Wohnung aufgesucht hat, waren sie da verabredet?“

„Bitte, was?!“ Ich schüttelte ungläubig den Kopf.

„Definitiv nicht! Ich hatte ihm beim Treffen im Alexa gesagt, dass er sich endlich neu orientieren soll.“

„Also hatten sie keine Affäre mit Herrn Medivan?“

„Nein!“ Ich bekam Kopfschmerzen. Was fragten die denn so doof.

„Hören sie. Nicht alle Schwulen ficken permanent durch die Weltgeschichte. Lukas legt viel Wert auf Treue. Und die gebe ich ihm. Scheiße, die hatte er schon, bevor da überhaupt was lief!“ Ich dachte an meine unzähligen erfolglosen Versuche einen kleinen Blasehasen aufzutreiben, um über Lukas hinweg zukommen.
 

Klein Schrader zog den Kopf ein und grinste sich wahrscheinlich wieder einen. Drehmer blickte etwas betroffen. „Entschuldigen sie Herr Graf, wir sind dazu verpflichtet diese Fragen zu stellen.“

„Dann stellen sie die bitte nicht so, dass ich als männliche Hure da stehe. Ich habe Gideon nicht zu dieser Tat provoziert. Ich habe seit langem keine sexuelle Beziehung mehr mit ihm gehabt. Ich lebe in einer festen Partnerschaft.“ Ich kam mir selbst blöd vor bei diesen Worten. Eine feste Partnerschaft. War es das? Ich hatte mir lange die Zähne an Lukas ausgebissen und jetzt, nach einem kleinen netten Wochenende, sprach ich, ja ICH, von einer Partnerschaft? Ich lachte mich innerlich selbst aus. Lukas berührte mich seit Gideons Attacke kaum noch. Aber vielleicht war das auch Einbildung.

Der Hauptkomissar kritzelte eifrigst in seinen Block. „Kam es an jenem Abend zum Kampf zwischen ihnen und Herrn Medivan?“ Er riss mich damit aus meinen Gedanken. Nun also auch noch die ganz schmutzigen Details. Wieder der Blickkontakt zwischen den beiden.

„Nein. Als ich nach dem Schlag auf den Hinterkopf wieder zu mir kam..“ Ich räusperte mich. Wie sehr ich es hasste, diesen zwei Heten diesen Scheiß zu erzählen. Ein Mann, der vergewaltigt wird. Ein Opfer. Wie lächerlich. Doch es hallf nichts. Wenn ich nun nichts sagen würde, fiele der Scheiß vielleicht noch unter einen lumpigen Beziehungsstreit.

„..als ich wieder zu mir kam lag ich bereits gefesselt am Boden.“

„Haben sie Herrn Medivan gesagt, dass er aufhören soll?“

„Ich kam nicht dazu.“

„Warum nicht?“ Wieder der vielsagende Blick. Hat ihm also doch gefallen, oder so ähnlich. Wut stieg in mir auf.

„Weil er mir mit dem Baseballschläger bereits die Fresse polierte!“ Meine Stimme wurde lauter. Drehmer notierte. „Heißt das, sobald sie zu sich kamen hat Herr Medivan Gewalt angewendet?“

Ich lachte höhnisch. „ Die hat er ja wohl bereits vorher angewandt. Der kleine Mistkerl hat erst einen Monolog gehalten, wieso ich seine Gefühle nicht erwiedert hab und hat dann zugeschlagen. Ich war durch den vorherigen Knockout nicht sonderlich kommunikativ.“ Ich hörte die Kugelschreiber übers Papier scharren. Man sollte wohl ein Buch daraus machen. Mit all dem Gekritzel war dies sicher möglich. Ich sollte mir die Rechte sichern. Schließlich war ich ja das Opfer. Schief grinsend strich ich mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht.
 

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass es zu einer Gerichtsverhandlung kommen wird. Sind sie mit einer Gegenüberstellung vor Gericht einverstanden?“ Ich nickte kurz. Es würde mir zwar nicht den Tag versüßen, aber wenn ich Gideon auch vor Gericht identifizieren müsste, würde ich das tun.

„Vielen Dank für ihre Geduld Herr Graf. Wir melden uns bei Ihnen, sofern wir noch eine Frage haben. Schrader, haben sie alles?“

„Wir haben uns nicht nach dem weiteren Tathergang erkundigt.“ Klein Schrader blickte klugscheißerisch von seinem Zettel auf. Wieder knirschte ich mit den Zähnen. Der Pisser wollte offensichtlich noch mehr Details. Vielleicht machte ihn das an? Wer konnte das schon sagen. Drehmer guckte etwas gequält, nickte aber.

„Ach ja. Herr Graf, können sie noch etwas?“ Oho! Man hat also auch mal gelernt auf die Beteiligten Rücksicht zu nehmen.

„Ja. Wenn‘s sein muss. Hauptsache dieser Mist geht vorbei.“ Der Polizeibeamte nickte verständnisvoll als wüsste er, mal wieder, wovon ich reden würde.

„Sie haben also in gefesselter Position ihr Bewusstsein wiedererlangt und weiter?“ Ich rieb mir die Schläfen. Immer wieder hatte ich über die Zeit unter Gideons Kontrolle das Bewusstsein verloren. Zusammenhänge fehlten. Aber ich wusste, worauf er hinauswollte.

„Gideon hielt seinen Monolog und traktierte mich mit diesem verdammten Baseballschläger...“

„Woher hatte er den?“ Der Kopfschmerz steigerte sich.

„War nen Relikt aus meiner sportlicheren Zeit...Sind teuer die Dinger... nachdem der Kerl damit fertig war, hat er sich ausgezogen. Ich bin wieder ohnmächtig geworden.“ Ich sehnte ich nach einer Zigarette. Seit ich wieder wach war, schrien meine Lungenflügel nach gesegnetem Teer und Nikotin. Die ganze Geschichte hier auszupacken wäre leichter gewesen, wenn ich mich hinter einer gewohnten Wand aus Qualm hätte verstecken können. Der Hauptkomissar kritzelte schnell mit. Als ich pausierte blickte er fragend. Ich räusperte mich in der Gewissheit,dass mir hier nichts erspart blieben würde.

„Im Anschluss hat er sich an.... hat er mich vergewaltigt. Mehrmals. Im Wechsel mit kleineren Treffen mit Mr. Baseballschläger.“ Ich deutete auf mein Bein und mein Gesicht. Mein Gesicht war durch mehrere Blutergüsse entstellt. Der dicke Gips sprach für sich. Drehmer hob die Augenbrauen. „Schrader, schreiben sie das sachlicher aber möglichst wortgenau.“ Schrader nickte und notierte.
 

Es war gesagt. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Mein Magen krampfte fürchterlich. Ich muss Farbe verloren haben, denn der Herr Hauptkomissar wurde plötzlich nervös. „Herr Graf, geht es ihnen gut?“ Ich hielt mir bereits mit einer Hand den Mund zu und deutet auf eine kleine Sammlung Nierenschalen aus Pappe. Mein Magen brachte mich fast um. Der Polizeibeamte war erstaunlich fix darin mir die Schale zu reichen und passte den Moment gerade ab, in dem mir mein Mittagessen wieder hoch kam. Ich hatte es gesagt. Mein Geständnis diesen beiden Polizisten erschien mir wie das gegenüber der gesamten Welt. Es war nun offiziell und amtlich: Ich war ein Opfer. Diese Einsicht drehte mir den Magen um. Das oder meine Gehirnerschütterung.
 

Als ich fertig war öffnete sich die Tür und eine der Schwestern kam herein. Offensichtlich hatte Drehmer den Rufknopf an der Tür getätigt. Sie reichte mir eine Papierserviette und entsorgte kommentarlos die Schale samt Inhalt. Dabei warf sie beiden Beamten einen vorwurfsvollen Blick zu. „Herr Graf braucht Ruhe. Die Herren Komissare sollten das beachten!“ Das Mädel gefiel mir. Leider war sie zu schnell wieder aus dem Zimmer. Ich wischte mit der Serviette über meinen Mund, aber der abstoßende Geschmack ließ sich nicht so einfach entfernen.

„Das Letzte, woran ich mich sonst erinnere, ist das Gesicht von Lukas Altvater, als er mich gefunden hat. Nähere Informationen über meinen Gesundheitszustand oder Verletzungen können sie mit sicherheit meiner Krankenakte entnehmen.“ Der Hauptkomissar Drehmer blickte etwas betroffen drein. Ein Mann seines Alters kannte eigentlich seine Grenzen bei der Vernehmung Geschädigter. Seine Augenbrauen rutschten genervt zusammen, als Klein Schrader eine weitere Frage stellen wollte. „ Ich denke, wir haben Herrn Graf lange genug strapaziert Kollege. Wir sollten alles Notwendige haben. Bitte entschuldigen sie die Umstände Herr Graf.“ Er nickte mir zu und trat einen Schritt zurück. Ungeduldig blickte er zu seinem Gehilfen. Dieser ließ sich beim Packen Zeit. Noch einmal lächelte er mich entschuldigend an.

„Kommen sie Kollege?“ Die Tür war bereits geöffnet und wartete nur darauf, dass Klein Schrader die Bühne verlassen dürfte. Beim Gehen sah dieser mich nocheinmal an und grinste hämisch.

„Angenehmen Tag noch, Herr Graf.“ Blödes Arschloch. Wie gern hätte ich ihm die Fresse poliert. Aber ich jag ja nun hier. Hätte meine Ente werfen sollen. Verdammt!
 

Kaum hatte sich die Tür geschlossen, ging sie auch schon wieder auf. Hinter einem großen Strauß Blumen betrat Lukas das Zimmer. Nachdem der Strauß in einer furchtbar hässlichen Leihvase des Krankenhauses ansehnlich auf dem Fensterbrett drapiert wurde, kam er zu mir rüber. Er drückte sanft meine Hand und streichelte mir über die Wange.

„Hey. Alles okay? Du siehst blass aus.“ Ich lächelte schief und verfluchte mich, mir nicht die Zähne putzen zu können. Ich musste grauenvoll riechen. Kein Zustand, in dem ich mich selbst hätte küssen wollen. Aber Lukas kommentierte weder das eine noch das andere. Offensichtlich bestand hier eh kein Bedarf. Die Hand von meiner Wange verschwand auch schon wieder.

„Alles okay. Unliebsamen Besuch gehabt.“ Lukas lächelte leicht.

„Ja, habs gesehen, die Herren von der Polizei. Der Hauptkomissar Drehmer ist sehr nett, aber seinen Kollegen mochte ich nicht!“ Ich liebte Lukas Menschenkenntnis. Zugleich wünschte ich mir umso mehr, dass ich meine Ente nach diesem Mistkerl geworfen hätte.
 

Als ich aus meinen Gedanken wieder zu Lukas blickte, merkte ich, dass er mein Bein anstarrte. „Ist nur nen Gips Lukas, das geht wieder weg.“ Er lächelte verlegen.

„Ja ich weiß, Doofi du, aber tut es sehr weh?“ Ich blickte selber eingehender auf den Gips.

„Weniger, bekomme wohl gute Schmerzmittel hier. Dennoch mach ich drei Kreuze, wenn ich hier raus bin. Ich hasse Krankenhäuser!“

Ein leises Lachen erfüllte den Raum „ Wie geht das denn? Du bist selbst Arzt Alex!“ Ich musste selbst schmunzeln. Auch wenn er nicht versuchte mich körperlich zu berühren, seine Art berührte mich.
 

„Ich meine als Patient! Selber Doofi!“ Seine Hand näherte sich mir, aber statt sie mir auf den Arm zu legen als Geste der Vertrautheit, landete sie auf dem Bettgitter. Das machte mich wütend. Es führte mir vor Augen, dass gerade Lukas Nähe jetzt das Richtige für mich gewesen wäre. Sie hätte mir gezeigt, dass er zu mir steht. Egal was war. Der ausstehende HIV-Test fiel mir wieder ein. Verdammter Scheiß. Was wäre, wenn ich nun positiv wäre? Vielleicht hatte Gideon die Ratte das gemeint, mit seiner Aussage, keiner würde mich mehr ansehen, wenn er mit mir fertig wäre.
 

Vielleicht hatte Lukas davor Angst? Aber er war doch intelligent genug zu wissen, dass eine kleine Umarmung nicht zur Ansteckung führte, oder? Vielleicht wusste er nicht mit dieser Sorge umzugehen? Schon wieder so ein verdammter Haufen ‚vielleicht‘ in meinem Leben!

„Alles okay Alex? Du guckst so abwesend?“ Ich blickte ihn an und blinzelte kurz.

„Ja, alles okay. Ich könnte nur sterben für eine Zigarette.“ Ich log nicht. Ich sagte ihm nur nicht die ganze Wahrheit. Er sollte nicht wissen, was in meinem Kopf vorging. Kein Grund ihn mit unnützem Ballast zu bewerfen. Vermutlich kam er nur noch der Höflichkeit halber. Er würde die Sache hier wohl absägen, sobald ich wieder auf den Beinen bin. Wer will schon ein Opfer zum Freund?

„Oh, hihi, na ich schau mal, was ich da machen kann“ sprach er und ehe ich mich versah schwebte er aus dem Zimmer. Kurz darauf kam wieder die Schwester von eben rein, lächelte aufmunternd und schob einen Rollstuhl ins Zimmer.

„Sie wollen also an die frische Luft Herr Graf? Das ist gut! Nicht immer den ganzen Tag in diesem Zimmer hocken! Ihr Freund hat mir versprochen, auf sie aufzupassen, aber ich ermahne sie dennoch dazu, es nicht zu übertreiben mit dem Rollen! Lassen sie sich ruhig mal schieben!“ Sie grinste ein Lächeln der Optimismusbranche und platzierte den Rollstuhl neben meinem Bett. Dann löste sie die Bettgitter und half mir beim Aufrichten.

„So auf drei gehts rüber in den Stuhl ... eins...zwei....drei!“ Mit Schwung half sie mir zielsicher in das dämliche Gefährt. Glücklicherweise war ich durch diverse Spaßrennen gegen einige meiner Patienten gut im Training und wusste mit dem Ding umzugehen.

„Bringen sie ihn bitte heil zurück, ja?“ Sie blickte dabei Lukas an und verließ lächelnd den Raum. Lukas ging kurz noch an den kleinen Kleiderschrank im Zimmer und holte meinen Mantel hervor.

„Okay, wie kommt der hier her?“

„Ich hatte ein paar Sachen für dich zusammen gepackt. Hier, anziehen, draußen ists kalt.“ Er half mir in den Mantel und lächelte dabei. Ich fragte mich, wie es er schaffte, dabei jeglichen Körperkontakt zu mir zu vermeiden.

Als er mir ein kleines Päckchen Luckies reichte, schob ich die düsteren Gedanken beiseite und lächelte zu ihm auf. „Danke Süßer! Du bist meine Rettung!“ Er lächelte schief und schob mich Richtung Tür.

„Das oder dein Todesengel! Und nu pack die weg, soll keiner sehen, bis wir draußen sind!“
 

An der frischen Luft entflammte umgehend einer der Glimmstängel zwischen meinen Lippen. Gierig zog ich den Qualm in meine Lungen. Der leichte Schmerz und das kratzige Gefühl im Hals waren der reinste Genuss. Ich lebte. Und diese kleine Zigarette zwischen meinen Fingern war der Beweis! Lukas stand schweigend neben mir und betrachtete mich beim Rauchen. Ich war froh, dass er mir den Mantel mitgebracht hatte. Es war wirklich eisekalt draußen. „Besser?“ Er sprach leise, als ich die erste Zigarette aus hatte. Meine leicht zerfrorenen Finger friemelten von der Kälte steif einen neuen kleinen Krebsarbeiter aus der Manteltasche.
 

Die frische Luft und der Zigarettenschub hatten mich zum Nachdenken bewegt. Im Rahmen dieses Prozesses hatte ich eine Entscheidung getroffen in Bezug auf die ganzen ‚vielleicht‘, die aktuell in meinem Leben eine Rolle spielten.

„Ja, danke dir.“ Ein tiefer Zug für die perfekte Wand aus Rauch. „Lukas, ich ...“ Sein Blick wurde erwartungsvoll. „Ich möchte, dass du mich vorerst nicht weiter besuchst. Ich hasse es, hier zu sein. Ich möchte nicht, dass du diesen Ärger abbekommst. Plane dein Weihnachtsfest, mach dir ein paar schöne Tage mit Joe und den anderen. Ich hab jetzt alles hier,was ich brauche.“

Die nächste Wolke aus Qualm umhüllte mich. Lukas war sehr blass geworden, auch wenn das bei ihm immer kaum möglich erscheint. Er schob seine Brille zurecht und holte tief Luft. Offensichtlich wollte er nicht zeigen, dass meine Entscheidung ihm eine Bürde nimmt. So zumindest redete ich mir das ein.
 

„Lukas, bitte, tu nicht so, als ob du gerne hier herkommen würdest.“ Ich lachte abfällig und sah zu ihm auf. Er stand mittlerweile mit verschränkten Armen da. Bevor ich noch etwas sagen konnte, hielt er mir jedoch den Mund zu. „ Ich bin keines deiner Häschen, was du wegscheiben kannst, wenn es schwierig wird. Ich bin ein Freund Alex.“ /Freund... Scheiß Wort. Von dir will ich mehr als Freundschaft! Aber was nun kommt, hast du selbst so gewollt mein Lieber!/ Aber Lukas wollte kein Opfer als Partner. Logisch. Mit meinen Gedanken tauchte die kleine höhnisch lachende Stimme in meinem Kopf auf.

Lukas bekam von diesen Gedanken nichts mit. Er zog die Hand von meinem Mund weg, als hätte er sich an meiner Haut verbrannt. Die Arme wurden wieder vor der Brust verschränkt. Seine Augen sahen traurig aus. „ Wenn du etwas Zeit für dich willst, nimm sie dir. Die Schwestern haben meine Nummer. Wenn du etwas brauchst, ruf an.“ Seine Hand streichelte einmal kurz über meine Wange und löste dort für einen Augenblick wohlige Wärme aus. Dann war sie wieder verschwunden. /Du hast es so gewollt Alex.../ Ja ich wollte das so. Ich wollte nicht, dass sich Lukas mit mir rumärgern muss. Ich holte die dritte Zigarette am Stück aus der Packung als ich Lukas beim Gehen nachsah. Was für ein beschissener Tag.
 

Kapitel 22
 

Lukas hielt sich an meine Bitte. Die folgenden drei Tage kam er nicht zu Besuch. Dafür kamen anderen Dinge auf mich zu. Mehrere Untersuchungen standen an. Röntgenaufnahmen meines Brutskorbs, Schädels und der eingegipsten Brüche. Dr. Becker war mit den Aufnahmen sichtlich zufrieden. Gesprächsstunden mit einem Therapeuthen wurden mir angeboten. Ich lehnte dankend ab.Ich kannte doch die Tatsache. Was sollte all das noch bringen? Ich hatte wenig Lust nochmal alles im Detail wiederzugeben, was ich bereits den Polizisten erzählen durfte. Meine Kopfschmerzen legten sich. Ich machte fortan eigenständige Ausflüge an die frische Luft, die mir besser taten, als es ein Therapiegespräch jeh hätte tun können. Zumindest redete ich mir das ein. Lukas fehlte mir bei meinen Frischluftexkursionen. Lukas fehlte mir überhaupt. Sein Blumenstrauß welkte allmählich am Fenster dahin und mahnte mich täglich, dass ich ihn zurück holen sollte. Saß ich vor dem Krankenhaus im Nikotindunst sah ich ihn immer wieder die Treppe hinunter gehen. Aber ich kleveres Kerlchen hatte ihn ja weggeschickt. Nun fiel mir ein,wieso. Weil Lukas mich nicht anfassen wollte. Aber war es das wert? Offensichtlich war es nicht nur der körperliche Kontakt zwischen uns, den ich brauchte. Er hatte gesagt, ruf an, wenn du etwas brauchst. Heute brauchte ich ihn.
 

Wieder auf der Station angekommen erkundigte ich mich bei der Schwester nach Lukas Nummer. Mein Handy war bei dem Zusamentreffen mit Gideon zu Bruch gegangen und seitdem hatte ich noch kein neues. Also nötigte ich den Automaten in der Eingangshalle mir gegen etwas Kleingeld eine Verbindung zu Lukas herzustellen. Es klingelte eine ganze Weile. Ich saß in diesem dämlichen Rollstuhl und wartete mitten in dieser riesigen Halle darauf, dass Lukas endlich abnahm. Es machte mich wütend. Es bremste mich aus. Ich wollte gerade wieder auflegen als das Freizeichen unterbrochen wurde und Lukas leise „ Hallo?“ sagte. Das Kleingeld fiel durch. Ich hatte nichts mehr zum nachlegen und musste mich wohl kurzfassen.

„Ich bins.“ Ich kam mir dämlich vor. Was sollte ich sagen? Ich hatte ihn doch quasi aus meiner Nähe verbannt. Wie konnte ich ihm immerzu vorwerfen, dass er sie gar nicht wolle? Allerdings hatte er auch kampflos das Feld geräumt. Ich war verunsichert.

„Alex?“ Ich musste lächeln über mich selbst, setzte mich aufrechter hin, sofern dies meine Rippen zuließen und zwang mich zu einer kräftigeren Stimme.

„Ja, ich bins.“ „Hey....“ Dieses völlig unsinnige Wort klang voller Erleichterung. Hatte er etwa auf meinen Anruf gewartet?

„...wie gehts dir?“

„Ich hab kein Kleingeld mehr. Das Gespräch ist sicher gleich weg. Kannst du...“ KLACK!

Da wars. Oder besser gesagt weg wars! Ich starrrte wie ein Idiot den Hörer in meiner Hand an. Ein Freizeichen wurde mir signalisiert. Zwischendrin sagte eine nette Stimme, ich solle doch Münzen einwerfen zum Telefonieren. Scheißdreck! So viel zu meinem Wunsch, Lukas zu sehen. Ich schob meinen fahrbaren Untersatz Richtung Ausgang um eine zu rauchen. Dieses versiebte Gespräch erforderte das.
 

Schnee fiel und glitzerte in der Weihnachtsbeleuchtung vor dem Krankenhauseingang. Ich zog meinen Mantel enger um mich und wünschte mir meinen Schal. Es war eisig. Einige Kinder kicherten vergnügt über den Schnee und bewarfen sich mit Schneebällen während ihre Eltern oder was auch immer, zumindest einer von ihnen auch Patient der Klinik, auf einer der kleinen Holzbänke am Wegrand saßen und sich unterhielten. Meine Zigarette war rutergebrannt und landete im Aschenbecher. Es wurde gerade dunkel und der Schnee tanze in immer größeren Flocken vom Himmel hinab. Eine davon landete auf meiner Hand und schmolz sofort.

„Alex!“ Ich blickte überrascht auf. Vor mir stand heftig schnaufend Lukas. Ich war verwundert und blickte ihn fassungslos an. Sein Mantel war offen, der Schal nur halbherzig umgewickelt. Seine Haare wirkten leicht zerzaust.

„Wo.. wo um alles in der Welt kommst du her?“ Er lachte und strich sich eine blonde Strähne hinters Ohr. Die Brille wurde kurz zurecht geschoben. Seine Hände stützte er auf die Knie und holte tief Luft. Dann richtete er sich wieder auf und hielt seinen Mantel zu. „ Ich war in der Nähe unterwegs, Umleitung vom Festnetz aufs Handy, kennst du ja sicher.“ Er lachte nochmals und wedelte demonstrativ mit seinem Handy vor meiner Nase.

„Aber wie...warum..?“ Mir fehlten die Worte.

„Du wolltest mir doch etwas sagen, oder? Du hättest sonst nicht angerufen.“ Er lächelte immernoch breit. Ohne dass er weiter etwas sagen konnte, griff ich nach seiner Hand und küsste sanft den Handrücken. Nun war Lukas mehr als überrascht. Mit offenem Mund und ohne Worte stand er da. Ich lächelte ihn an. „Du hast mir gefehlt.“

Es war seltsam diese Worte zu sagen. Man kam sich ungemein verletzlich vor. Ich hätte nun auch einiges von Lukas erwartet, aber er streichelte nur meine Wange und lächelte sanft.

„Na dann ist ja gut, dass ich gleich gekommen bin, hm? Lass uns reingehen, ist ziemlich kalt hier draußen.“ Wir waren beide aufgrund der dicken Schneeflocken von einer leichten Schneeschicht bedeckt. Ohne meine Antwort abzuwarten schob er mich in die Halle. Mein Magen krampfte. Seine Berührung an der Wange hatte zwar die obligatorische Wärme mit folgender Kälte hinterlassen, aber ein Kuss wäre mehr nach meinem Geschmack gewesen. Offensichtlich war ich noch immer nicht küssenswert und heute konnte es nicht an Erbrochenem liegen. Ich hatte bisher alles bei mir behalten.
 

Lukas erzählte mir ein bisschen was von seiner Arbeit, während wir auf meine Station fuhren. Wie er so erzählte und mich mit kleinen Belanglosigkeiten zuschüttete, wurde mir bewusst, dass er, auch wenn er mir nicht die Nähe schenkte, die ich haben wollte, dennoch sofort zur Seite geeilt war. Auch wenn ich meinen Satz am Telefeon nicht beenden konnte, war er gekommen. Lukas forderte nicht. Lukas gab. Ich holte tief Luft und beschloss die fehlende Nähe einfach noch ein wenig zu ertragen. Vielleicht würde es sich ändern, wenn der HIV-Test endlich einfliegen würde. Vorausgesetzt, das Ding war nicht positiv.
 

Als wir oben ankamen wurde ich von einer der Schwestern auf der Station abgepasst. „ Herr Graf, sie Rumtreiber, der Herr Doktor sucht sie schon die ganze Zeit.!Ah ihr netter junger Freund ist auch wieder da!“ Sie grinsten Lukas an,welcher freundlich zurück grüßte.

„Wir sagen dem Doktor bescheid, dass sie wieder da sind! Jetzt nicht weglaufen!“
 

Lukas und ich begaben sich auf mein Zimmer. Er legte seinen Mantel und seinen Schal ab und half mir beim Ausziehen. Schon klopfte es. Auf ein‘ Herein‘ warteten die wenigsten Leute im Krankenhaus. Hier gab es offensichtlich keine unpassenden Momente, um in ein Zimmer zu kommen, oder die Leute hatten einfach schon alles gesehen. Keine nette Etikette hier. Dr. Becker erwies sich selbst als netten aber auch beschäftigten Menschen und ich fragte mich, ob ich auch so geschäftig auf meine Patienten wirke. /Falls du noch einen Job hast, wenn du zurück kommst.../ Erneut traten Kopfschmerzen ein. Es gab immer wieder Gedanken an die Zukunft, die ich lieber verdrängen sollte. Sie zerbrachen mir schlichtweg den Kopf.
 

„Hallo Herr Graf, wie geht es ihnen?“ Er gab mir die Hand und nickte Lukas beiläufig zu. „Bis auf den Zustand meiner Anwesenheit hier blendend!“ Der Kerl lächelte kurz, zückte eine kleine Taschenlampe im Stiftformat und testete meine Pupillenreaktionen auf Licht. „Dann hab ich gute Nachrichten für sie.“ Mit einem Klick erlosch die kleine Lampe und er ging wieder etwas auf Abstand. „Alle Untersuchungen sahen soweit gut aus. Sie bekommen heute einen Gehgips und ein paar schnittige Krücken und dann dürfen Sie nach Hause!“ Er grinste breit und zwinkerte Lukas einmal zu.

„Sehr praktisch, dass ihr Freund bereits da ist, um sie abzuholen!“ Lukas blinzelte überrascht und drückte mir sanft die Hand.

„Alex, das ist doch fantastisch!“ Das war es in der Tat. Doch Lukas schwacher Ausbruch der Freude passte nicht zu seinen Worten. Ich wurde allerdings vom Doktorchen aus meinen Gedanken geholt.

„Wohnen Sie zusammen? Entschuldigen Sie, wenn ich das frage, aber Herr Graf wird vielseitig Hilfe benötigen. Ich kann ihn nur gehen lassen, wenn dafür auch wirklich gesorgt werden kann...“ Ich war mir nicht ganz sicher, ob er es ernst meinte. Der Kerl hatte sie doch nicht alle. Was dachte er sich? Ich war durchaus in der Lage mich alleine durch meine Wohnung zu schlagen und die ein oder andere Pille einzuwerfen.

„Klar, er wird bei mir wohnen, bis er sich erholt hat.“ Lukas Lächeln war so zuckersüß. Mein Magen drehte sich fast. ’Bis er sich erholt hat‘, dachte ich mir. Bis dahin und nicht weiter. Dann ist‘s aus. Aber er meinte doch, er würde nicht einfach weglaufen. Er ließe sich nicht verjagen. Was wenn eine Jagd nicht nötig wäre, weil er sich selbst befreit, sobald er kann?

„Wunderbar. Kommen Sie bitte nochmal zum Schwesternzimmer? Wir erklären Ihnen da seine Medikation. Niemand sollte an den Feiertagen im Krankenhaus sein, wenn es sich vermeiden lässt.“
 

Die Tür klackte leise ins Schloss und ich saß alleine in diesem sterilen Raum. Was ging mir da nur alles durch den Kopf? Ich musste verrückt sein. Lukas, der sofort herbeigeeilt war, würde mich nicht abschieben, sobald er könnte. Dazu hatte er Gelegenheit, als ich ihn bat zu gehen. Was hatte er vor? Viel schlimmer war, dass ich unter meiner körperlichen Beeinträchtigung litt und somit sicherlich kein guter Mitbewohner sein würde. Ich würde anstrengend sein, mies gelaunt und ... Ich fürchtete mich vor mir selbst. Was war, wenn der alte Lukas wieder zum Vorschein kam? Andererseits hatte der schon damals bei Lukas keine Chancen gehabt irgendwie sich durchzubringen. Es würde sicher alles gut gehen. Weihnachten mit Lukas. Ich lächelte bei diesem Gedanken.
 

Es war das erste Mal , dass ich mich auf Weihnachten freute. Ein warmes Gefühl durchzog meinen Körper und löste mich aus meiner Gedankensperre. Ich machte mich daran, sofern es mir möglich war, Sachen zu packen. Zu meiner eigenen Überraschung hatte Lukas nicht nur das Notwendigste in irgendwelche Tüten gestopft, er hatte mir eine komplette Reisetasche mitgebracht. Ich stopfte alles recht achtlos hinein, schließlich wollte ich schnellsmöglich von hier weg, und musste dann erkennen, dass ich das Krankenhaus schlecht in meiner jetzigen Kluft verlassen konnte. Unter dem typischen Patientenkittel, den ich verkehrtherum trug, soass er vorne offen war, hatte ich ein schlichtes weißes Shirt an. Der Kittel wurde gegen einen Hoodie ersetzt. Probleme bereitet mir vielmehr die Tatsache, dass ich keine Hose trug. Um mal eben in der Kälte eine zu rauchen kein Problem, man war ja abgehärtet, aber so das Krankenhaus komplett verlassen?

Ich wühlte mich durch die von mir so lieblos in die Reisetasche gestopften Kleidungsstücke auf der Suche nach etwas Brauchbarem.
 

„Kann ich dir helfen?“ Ich erschrak und ließ mit einem Aufschrei die Tasche fallen. Gänsehaut überzog meinen Arm und Bilder, die ich lieber verdrängen würde, huschten durch meinen Kopf.

„Oh! Oh das tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken!“ Lukas kniete sich hin und sammelte die Tasche nebst herausgefallener Kleidungsstücke auf. Neben ihm lag ein kleiner Papierbeutel.

„Schon gut. Von hinten Anschleichen liegt mir noch nicht so. Was ist das?“ Er packte das Tütchen auf meine Tasche. „ Deine Medikamente für die nächsten Tage. Was hast du eben gesucht?“ Er lächelte entschuldigend zu mir auf. Ich spürte wieder die Wut in mir hochkommen. Er konnte nichts dafür. Sie richtete sich gegen Gideon, der meinen Umgang mit Lukas nun um so vieles erschwert hatte.

„Ne Hose oder so. Kann ja so schlecht raus.“ Ich deutete auf meine nackten Beine. Lukas lachte leise und tauchte mit den Händen in die Tasche ab.

„Kein Problem... Hier! Sie ist nicht sehr ansehnlich, aber da wir das eine Hosenbein eh aufschneiden müssen...“ Er hielt eine leicht ausgeblichene schwarze Jogginghose in die Luft und grinste.

„Steht dir sicher prima so ein bisschen Assilook!“ Er warf mir die Hose auf den Schoß.

„Los, aufgehts zum neuen Gips, wird Zeit, dass wir nach Hause kommen!“ Er lächelte enthusiatisch auf mich hinab als er mich ohne größere Gegenwehr aus dem sterilen Krankenhauszimmer schob. ‚Wir.‘ Ich musste schmunzeln. Dieses Wort löste nach all dem Erlebten beinahe kleine Schmetterlinge in meinem Bauch aus.
 

Das Problem wenn man Patient und nicht Arzt in einer Klinik ist: Man wartet Stunden! Also saßen wir in einem kleinen Wartezimmer der Orthopädie und warteten auf meinen neuen Gehgips. Lukas erzählte mir lächelnd, wie er seine Wohnung dekoriert hatte, was nicht alles wo hing und wo er sich zusammenreißen musste, es nicht zu übertreiben. Ich lächelte ihm immer wieder zu, verfolgte seine Worte aber weniger. Der Flashback eben saß mir immernoch im Nacken. Erinnerungsfetzen, die mich erschaudern ließen. Sie erinnerten mich schmerzlich daran, dass ich nun ein Opfer war. Mit diesen Gedanken kamen die Kopfschmerzen und ich rieb mir die Schläfen, soweit es ging.

„Alles okay? Hast du Kopfweh?“ Lukas beugte sich sofort besorgt zu mir herüber und schaute fragend. „Nein, geht schon. Dämliche Warterei nervt.“

„Ist sicher gleich vorbei“ Er lächelte kurz und schwieg dann. Offensichtlich nahm er meine schlechte Stimmung als Aufforderung zum Schweigen auf. Nun erfüllte nur noch das Gehuste eines anderen Patienten und das leise Knistern einer Zeitung beim Umblättern den Raum. Ich verfluchte mich sofort wieder, schließlich wollte Lukas mir sicherlich das Warten nur erleichtern und letztendlich kamen die Kopfschmerzen nicht durch ihn. Es war zum verrückt werden. In diesem Augenblick riefen sie meinen Namen auf. „ Ich warte hier“, sagte Lukas leise und lächelte. „Bis gleich.“

Ich zwang mich ihm ebenfalls zuzulächlen bevor ich mich im Rollstuhl Richtung Behandlungsraum schob.
 

Als ich wieder zum Warteraum kam, war mir unwohl. Ich hatte beim Gipswechsel den Zustand meines Schienbeins gesehen und war irgendwie froh, mich nicht an diesen mit Sicherheit schmerzhaften Moment erinnern zu können. Er war mir verloren gegangen wie so viele andere düstere Augenblicke mit Gideon in dieser Zeit. Ich holte tief Luft und tat den nächsten Schritt, konzentrierte mich nur auf die Bewegung. Auf zwei Gehhilfen kam ich nicht so problemlos voran wie im Rollstuhl. Es erforderte wesentlich mehr Kraft. Lukas blickte von einer Illustrierten zu mir auf und lächelte. „Soll ich dich nicht doch hochschieben? Du siehst blass aus.“ Ich schüttelte den Kopf. Es tat verdammt gut wieder aufrecht zu stehen, auch wenn es nur mit Hilfe ging. Diesen Luxus würde ich nicht hergeben. Er vermittelte mir das Gefühl wieder teilweise die Kontrolle über meinen Körper und somit mein Leben zu haben. Lukas legte die Zeitschrift beiseite und erhob sich.

„Dann holen wir mal deine Sachen, hm? Ich hoffe Joe ist schon da, er wollte mir helfen.“

„Wobei?“ Ich sah Lukas fragend an und er lächelte. „Na dich die Treppe hochzutragen, Dummerchen! Außerdem muss ich zu Hause noch ein paar Sachen vorbereiten, da kann er helfen.“ Er grinste breit. „Hab ihn mit Weihnachtsplätzchen bestochen!“ Sein vergnügtes Kichern ließ mich für einen Augenblick das Erlebte vergessen. In Lukas konnte ich mich verlieren. Mit Sicherheit war es eine gute Idee bei ihm zu sein bis alles ausgestanden war. Aber diese Lücke zwischen uns, als wir zu meinem Zimmer gingen, klaffte für mich wie das tiefste Tal. Ich fröstelte leicht. Es konnte einen schon wahnsinnig machen, wenn er einen so ansah, aber nicht berührte. Und wiedereinmal fragte ich mich, ob unsere Berührung jemals wieder das gleiche Gefühl wie früher auslösen würden, oder ob er mich einfach nie wieder berührt. Wenn letzteres zutraf, war die Spanne des Glücks für mich definitiv zu kurz gewesen.

Kapitel 23 und 24

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 25

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Kapitel 26

Kapitel 26
 

Lukas erwiederte diese Worte nicht. Die Tatsache, wie er durch die Wohnung schwebte, reichte aber aus, um zu wissen, dass er glücklich war. Ein Krebsarbeiterchen dampfte zwischen meinen Lippen als es klingelte. Aus der Küche schnupperte es nach frischen Frikassee und Reis. Der Baum strahlte in sienem Glanz und Lukas hatte sich zurecht gemacht. Die hautengen glänzenden Jeans und das enganliegende schlichte Shirt konnten mich wahnsinnig machen. Mir fielen tausend bessere Dinge ein, die ich mit ihn nun lieber gemacht hätte, als Besuch zu empfangen.
 

Joe schob sich mit einigen Tüten beladen durch die Tür. Dicht hinter ihm folgten Maik, Stephen und Martin. Maiks Freund war al wieder anderweitig eingebunden. Mir wars ganz recht. Die heitere Bande würde mir heute viel Kraft abverlangen. Ich war mir unsicher, ob sie wussten, was mir passiert war. Ich saß auf dem Sofa und blickte unsicher in den Flur. Ich schämte mich. Neben Lukas zu bestehen war eine Sache. Joe ebenfalls. Aber wie würden Lukas freunde all das aufnehmen? Ich hörte herzlich laute Begrüßungen mit vielen Schmatzern. Getuschel an der Tür. Dieses Getuschel nervte mich langsam.

„Leute ich sitze hier und höre euch tuscheln. Lasst das gefälligst. Ich komme mir blöd vor!“ Brummte ich einmal in den Flur.

„Ohoooo! Alex, hast du etwa gelernt über deine Gefühle zu reden?“ Spöttisch grinste Joe mich an und begrüßte auch mich wie alle anderen mit einem Kuss auf die Wange.

„Frohe Weihnachten wünsch ich dir.“

„Ich dir auch.“ Er platzierte seine vollen Tüten unter dem Weihnachtsbaum und platzierte sich im Sessel. Nach Joe folgte auch Lukas, bepackt mit vielen Geschenken, die er ebenfalls unter den Baum stellte.
 

Es dauerte etwas, dann kamen die Drei ebenfalls zu uns. „ Hey Alex...“ Ich wurde von allen sanft gedrückt und mit einem Lächeln begrüßt. Ihre Blicke wanderten über meinen Körper um das Ausmaß an Zerstörung festzustellen. Sie blickten sich und dann Lukas an und verteilten sich auf den anderen Sitzgelegenheiten. Lukas entschwand kurz in die Küche und folgte mit mehreren Bechern Eierpunsch.

„So ihr Süßen! Zeit für ein bisschen Weihnachtsstimmung, nicht?“ Er kicherte und alle anderen mit ihm. Der Punsch wurde entgegen genommen, es folgte ein schmutziger Toast von Joe, alle gackerten und man stieß an. Alles wie immer. Nur ein plumpes Gipsbein in der Mitte der Runde, das störte.
 

Nach dem Abendessen saßen alle noch beisammen. Ich verzog mich für eine Zigarette in die Küche. Hier hatte ich auch einfach ein wenig Ruhe vor der Meute. Meine Rippen schmerzten. Die große Anzahl an Besuchern verhinderte, dass ich einen ausreichend bequemen Sitzplatz auf der Couch hatte. Außerdem fühlte ich mich seltsam, denn immer wieder blickte einer der Jungs zu mir rüber und ich konnte mir nicht erklären, ob sie die Wahrheit wussten, oder ob Lukas ihnen etwas anderes erzählt hatte. Der Qualm umhüllte mich als Joe zu mir kam und sich auch eine Zigarette ansteckte.
 

„Wildes Getummel im Wohnzimmer, hm?“ Er lächelte mich an. Ich rollte nur mit den Augen und zog erneut an meiner Zigarette. Der Atemzug stach mir in der Brust und ich verzog mein Gesicht.

„Alles noch ein bisschen viel für dich? Wie gehts dir? Zwischen dir und unserem Prinzesschen scheinen die Wogen ja wieder geglättet zu sein.“ Er hatte immernoch dieses Lächeln im Gesicht. Ich pustete den Rauch aus und blickte ihn an.

„Ich fühle mich wie ein verdammtes Wrack. Wenn das so weiter geht, werde ich noch tablettensüchtig.“ Ich lachte kurz mit verzogenem Mund. „Allerdings wäre mir die Nähe zu Lukas das wert.“
 

Joe zog ebenfalls an seiner Zigarette und nickte. „ Sei vorsichtig. Gerade bei Tramal. Ach ja!“ Er griff in seine Hosentasche und überreichte mir ein kleines Päckchen. „ Ich hab bekommen, was du wolltest. Sogar mir Gravur. Restgeld gibt’s später.“ Ich stützte mich nur auf eine Gehhilfe und nahm die kleine Schachtel an. Lukas Weihnachtsgeschenk. Ich kam nicht dazu selber loszugehen, also hatte ich beim Weihnachtsbaumkauf Joe um Hilfe gebeten. „Besten Dank.“ Ich löschte die Zigarette im Aschenbecher, doch Joe versperrte mir noch den Weg aus der Küche.

Fragend blickte ich ihn an.
 

„Lukas hat mir erzählt, du hättest ihm deine Liebe gestanden.“ Meine Augenbrauen zogen sich unweigerlich zusammen. Es wunderte mich, dass er mich so direkt drauf ansprach. „ Ja, habe ich.“

Er blickte mich eingehender an. Sein Blick schien mich zu durchbohren.

„Joe gibt es hier ein Problem, über das wir zwei reden müssen?“ Er lehnte sich gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme.

„Ich hab dir schonmal gesagt, dass du nicht mit ihm spielen solltest. Du hast schlimmes erlebt und musst das alles erst aufarbeiten. Ich bin nur in Sorge, dass du die Gefühle, die sich gerade in dir ausbreiten, falsch deutest. Lukas ist an dem Tag, als wir dich gefunden haben, schon fast gestorben vor Sorge... Ich will nicht, dass er verletzt wird, wenn du deine Gefühlswelt sortiert hast.“
 

Meine Augen ruhten auf ihm. Ich hatte eine weitere Zigarette angezündet. Verdammter Schutzmechanismus bei schwierigen Themen. Joe machte sich wiedermal Gedanken um Lukas. Was auch sonst. Beschhützerinstinkte konnte man bei ihm nicht ablegen.

„Du meinst, ich verwechsel Dankbarkeit mit stärkeren Gefühlen?“

Er neigte den Kopf hin und her. „So etwas in der Art, ja. Du hast eine Nahtoderfahrung hinterdir. Danach neigen Menschen häufiger zu impulsiven Handlungen.“ Seine Stimme war ruhig, der Blick ernst. Zwischendurch schmulte er immer wieder ins Wohnzimmer, ob unsere Abwesenheit auffiel.
 

Der Rauch brannte tief in meiner Lunge. Irgendwann würde mich das umbringen. Für den Augenblick war es ein guter Ausgleich zu Joes ernsten Worten. „Ich verwechsel da nichts Joe. Du weißt wie ich bin. Ich hätte mir vor einem Jahr eher die Zunge abgeschnitten, als diese Worte über die Lippen gebracht. Und ja,es kam impulsiv aus mir heraus. Aber ich würde es ohne weiteres wiederholen.“ Ich klopfte ihm leicht auf die Schulter.

„Ich bin vielleicht nen Gefühlskrüppel, aber diesmal ist es anders.“ Joe lachte leise und gab den Weg aus der Küche frei.

„Nagut. Ich box dich um, wenn du hier nur ne Show abziehst.“ Er drohte spielerisch mit der Faust, aber ich wusste, wenn ich hier nur spielen würde, wäre es ihm ernst. Ich wollte meinen deformierten Körper gerade aus der Küche hiefen als ich nochmals inne hielt.
 

„Sag mal, wissen die Jungs eigentlich, was passiert ist?“ Sein Blick wurde ernst und er nickte leicht. „Lukas war so fertig, das war nicht zu verheimlichen. Nen dämlichen Zeitungsartikel gabs auch noch dazu.“

„Was?! Aber..Die Arbeit...“ Er machte eine abfällige Bewegung. „Kümmere dich nicht darum. Sieh erstmal zu, wieder fit zu werden.“ Ich lehnte kurz nochmal gegen die Küchenzeile. Warum hatte ich darüber nie nachgedacht? Ich wollte eigentlich auf Arbeit von einem Autounfall reden. Der Zug war wohl nun abgefahren.
 

„Na ihrSüßen? Genug von uns Tratschtanten?“ Lukas kam in die Küche um den Punsch aufzufüllen. Er blieb vor mir stehen und blickte mich an. Sein Lächeln wich Sorge. „Du siehst blass aus Babe. Joe, hast du ihn wieder mit deinem Psychoscheiß zugequatscht? Ich hab dir gesagt, dass das unsere Sache ist.“

„Ich mach mir doch nur Sorgen Prinzesschen, dass..“

„Papperlapapp! Wir sind glücklich, das reicht für den Augenblick!“ Ich schmunzelte über Lukas Vehemenz und beugte mich vor, um ihn auf die Wange zu küssen. Er erwiederte die Geste mit einem sanften Kuss auf meine Lippen und füllte dann die Tassen wieder auf.

„Ich hab für euch auch Bier im Kühlschrank. Und du Schätzelein...“ Er lächelte mich an und legte einen strengen Unterton in die Stimme. „Bewegst deinen süßen Hintern wieder auf die Couch! Du hattest heute schon genug Anstrengung!“ Er kicherte vergnügt und auch ich grinste dabei. Joe hob nur fragend eine Augenbraue und fischte gerade zwei Bier aus dem Kühlschrank.
 

„Heute kam der Anruf aus dem Krankenhaus. Der HIV-Test war negativ.“ Nun grinste auch Joe. „Verstehe. Ihr habt also erstmal ordentlich gefeiert.“

Wieder vergnügtes Kichern, dann bewegte sich Lukas schwungvoll zurück ins Wohnzimmer. Ich sah ihm nach und stützte mich wieder in die Krücken um ihm zu folgen. „Hat mich meine Tagesdosis Tramal gekostet. Aber das war es wert.“ Joe lachte leise und klopfte mir leicht auf die Schulter, dann folgte er mir ins Wohnzimmer.
 

Mit dem beendeten Abendbrot und nachdem alle neue Getränke hatten, bestimmte Lukas , dass es Zeit für die Bescherung sei. Maik fing an und verteilte kleine Pakete an alle. Auch an mich hatte er gedacht. Ich packte die kleine Schachtel Luckies aus an die ein schönes graviertes Zippo gebunden war und bedankte mich. Da Lukas mir nochmals vor allen strikte Couch-Ruhe verordnet hatte, kam Maik für eine Umarmung zu mir. Ich fühlte mich schlecht, weil ich an die Jungs nicht gedacht hatte. Mein schlechtes Gewissen wuchs, als ich auch von Stephen und Martin eine Kleinigkeit erhielt.

„Lukas hätte mich einweihen sollen, dann wär ich losgezogen und hätte euch auch etwas besorgt.“
 

Alle kicherten und Maik ergriff das Wort. „Mach dir nichts draus. Du lebst. Das ist ein großes Geschenk für uns alle.“ Ich sah ihn skeptisch mit gehobener Augenbraue an. Stephen und Martin umarmten Lukas heftig von beiden Seiten. „ Wenn es dir gut geht, geht es unserem Prinzesschen gut und das macht uns glücklich!“ Alle lachten. Auch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Es war eigentlich ganz angenehm, dass sie mich nicht weiter mit Fragen bezüglich der Geschichte überhäuften. Sie wussten es, aber abgesehen von den anfänglichen Blicken schien nun alles wie immer.
 

Joe machte sich nun an seine Tüten und verteilte Geschenke an die Jungs und Lukas. Mp3-Player mit Clips für das Fitnessstudio wurden unter schiefem Gejohle angenommen. Lukas erhielt einen in Pink. Zusätzlich noch einen pinken Lenkradschoner von ‚Tussi on Tour‘. „ Oh Joe, deine Geschenke sind immer so grauenhaft!“ jammerte er , doch sein Gesicht verriet ein wenig Freude. Joe lachte herzlichst und reichte auch mir ein kleines Päckchen. Ebenfalls ein MP3-Player.
 

„Ich war so frei dir bereits ein paar Songs aufzuspielen Alex. Gute Laune Musik für deine Reha.“ Er zwinkerte mir zu und ließ sich auch von mir drücken. „Und das bei deinem Musikgeschmack! Alex-Schätzchen, lösch das lieber gleich alles runter!“ Die Gruppe lachte bei Martins Worten und ich schmunzelte mit.
 

Lukas huschte nun zum Weihnachtsbäumchen und verteilte seine Geschenke. Stephen und Martin erhielten ein Gesellschaftsspiel mit anrüchigem Inhalt und sofort wurde beschlossen, dass das bald gespielt werden müsse! Maik erhielt eine kleine japanische Spielfigur, irgednein Sammlerstück. Er war offensichtlich Animefan und Lukas hatte da in einem kleinen Comicladen in Kreuzberg eine besondere Entdeckung gemacht.
 

Für Joe gab es eine gute Flasche Whisky. Dann drängelte er sich zu mir auf die Couch. In seinen Händen hielt er eine kleine Schachtel und reichte sie mir lächelnd. Alle im Hintergrund blickten gespannt zu. Offensichtlich war er gut darin, seine Geschenke geheim zu halten. Ich befreite die kleine Schachtel langsam von ihrer Verpackung und erntete dafür viel Nörgelei aus dem Hintergrund. Lukas strahlte mich die ganze Zeit an. Um mich selbst nicht weiter unnötig auf die Folter zu spannen wurde der letzte Rest Papier mit einem Ruck entfernt. Die kleine Schachtel ließ sich leicht öffnen und ich schaute etwas verdutzt, als sich ein kleiner Schlüsselbund darin befand. Lukas blickte mich freudig an. Am Schlüsselbund waren zwei Schlüssel und ein kleiner Katzenanhänger, der Earnest sehr ähnlich sah.
 

„Damit du hier ein- und ausgehen kannst, wie es dir beliebt.“ Er sagte diese Worte leise aber mit bedeutungsvollem Ton. Es freute mich wirklich über alle Maßen. Ich küsste ihn erst sanft und dann abermals, etwas fordernder, was gleich den Spott der Gruppe mit sich brachte. Unter den Rufen von „Nehmt euch nen Zimmer!“ dankte ich ihm leise. Dieser kleine Schlüsselbund war wieder ein neuer Schritt für uns. Und viel besser, er war der Schlüssel für meine Freiheit. Lukas Wohnung sollte nun kein Gefängnis mehr sein und ich hatte doch die Möglichkeit jederzeit wieder zu kommen.
 

Ein weiterer Kuss, dann wollte Lukas bereits wieder aufstehen. Ich hielt ihn sanft am Handgelenk fest. „Warte. Für dich habe ich etwas.“ Überraschung im Hintergrund und in Lukas Gesicht machten sich breit. Auch ich holte meine kleine Schachtel aus der Hosentasche hervor und überreichte sie Lukas. Sie war nicht so hübsch verpackt, aber dennoch war er gespannt, als er sie öffnete.
 

Die kleine Schachtel ploppte leise auf und Lukas hielt den Atem an. Der kleine Silberarmreif mit schmalen keltischen Verzierungen funkelte ihn an. Er nahm ihn heraus und betrachtete ihn lächelnd. Dann entdeckte er die Gravur. /Dum vivo./ Er blickte einen Moment darauf und dann füllten sich seine Augen leicht mit Tränen. „ Ach du dummer alter Troll!“ Er warf sich mir um den Hals und hauchte mir ein leises Danke ins Ohr, bevor er allen anderen sein Geschenk präsentieren sollte.
 

Joe blickte mich nur ruhig an und lächelte dann mit einem leichten Kopfschütteln. Ich hatte wieder seine Worte im Kopf, aber für den Augenblick fühlte sich hier alles richtig an. Ich war mir sicher, dass diese Entwicklung keine Fehldeutung irgendwelcher Gefühle war. Lukas hatte mich in seinem Bann, bevor Gideon durchgedreht ist. Der Gedanke an diesen löste ein dumpfes Gefühl in meiner Magengegend aus. Bald würde die Verhandlung sein. Bald müsste ich ihm gegenüber treten. Ich hoffte still, dass es zu keinem weiteren Disaster kommen würde.
 

Doch für den Moment verdrängte ich all diese Gedanken. Lukas Anblick war einfach zu rührend. Erneut erhielt ich einen verliebt dankbaren Kuss und schlang die Arme um ihn. Das was seit Jahren das gemütlichste Weihnachtsfest. Und mit Lukas in meinem Armen fühlte es sich durchweg richtig an.

Kapitel 27

Kapitel 27
 

Es war Ende Januar und der Termin für die Gerichtsverhandlung stand an. Den Gips war ich mittlerweile los, aber ohne einen Gehstock fiel mir das Laufen weiterhin schwer. Die kleine Mistkröte hatte ganze Arbeit dabei geleistet, mir das Bein zu zertrümmern. Ohne den Gips und dank Lukas Wohnungsschlüssel zu Weihnachten hatte ich aber wieder ein Stückchen mehr Freiheit zurück erlangt, auch wenn ich mich ungerne unter Menschen bewegte.

Joe nannte mich nun gerne Dr. House und wie ich so vorm Spiegel stand, konnte man ihm fast recht geben.
 

Ich trug einen dunkelgrauen Anzug, ein weißes Hemd, bei dem ich die oberen drei Knöpfe offen ließ. Mittlerweile trug ich auch einen Dreitagebart. Lukas ließ ihn mich einfach nicht abrasieren. Aber wenn man sich unsere Beziehung derzeit besah, war dies ein kleiner Gefallen, den ich ihm machen konnte. Ich hatte versucht Tramal abzusetzen und litt unter Entzugserscheinungen. Schlaf war ein selterner Gast in der Nacht. Immer wieder quälten mich Albträume, rissen mich aus dem Schlaf und weckten meist sogar Lukas auf, da ich die Schreie nicht unterdrücken konnte. Ich war ein Schatten meiner eigenen Persönlichkeit.

Und so stand ich da, im Anzug, mit Gehstock, Dreitagebart und Augenringen.
 

„Scheiße...“ sprach ich zu mir selbst. Ich sah wirklich aus wie dieser verdammte TV-Arzt. Der einzige Unterschied war nur, dass ich wesentlich jünger war. Seufzend schloss ich doch noch zwei der letzten drei Knöpfe. Ich wollte nicht aussehen, als würde ich gerne Haut zeigen. Wobei es vermutlich egal war, wie ich mich anziehen würde, die Schiene der Verteidigung war deutlich.
 

„Kommst du?“ rief Lukas aus dem Flur. Er hatte sich fest vorgenommen mich zu begleiten. Seine eigene Aussage hatte er vor einigen Tagen schon gemacht, aber nun wollte er erneut ins Gericht, um mir den Rücken zu stärken. Er trug eine schwarze hautenge Röhrenjeans und einen schwarzen Rollkragenpullover. Schlicht und einfach, so wie er es am liebsten hatte. Ich wünschte mir in diesem Augenblick, dass ich mich auch so wohl in meiner Haut fühlen könnte.
 

„Drängel mich nicht so!“ Ich war dünnhäutig und reizbar durch den Schlaf- und Tramalentzug. Auch setzten mir nach der ablenkenden Weihnachtszeit Selbstzweifel zu. Ein Zustand, über den ich mit Lukas noch nicht weiter gesprochen hatte, weil ich es nicht konnte. Ein Zustand, der zudem durch die überfürsorgliche Art meiner Freunde verstärkt wurde. Natürlich wusste ich, das Lukas recht hatte. Nichts wäre schlimmer als unpünktlich zu sein, aber die wenigen Worte von ihm reichten schon, mich in eine noch miesere Stimmung zu versetzen. Schlecht für mich, ungerecht für Lukas.
 

Wir nahmen Lukas Wagen und parkten am Hauptbahnhof, da beim Gericht nichts mehr frei war. Ich konnte ihn noch auf einen kurzen Abstecher zu Starbucks überreden, ungefähr mein zehnter Kaffee innerhalb von wenigen Stunden, aber ich war wirklich nervös. Mit dem genehmigten Kaffee konnte ich etwas Frust gegenüber Lukas ablegen, lächelte ihn an, als er vorsichtig an seiner heißen Schokolade nippte. Irrte ich mich, oder war auch er angespannt? Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass der Vorfall unsere Beziehung nicht belasten würde. Mit meinen Stimmungsschwankungen, den Albträumen und meinem kurzen Geduldsfaden habe ich nicht gerade für Sonnenschein zwischen Lukas und mir gesorgt. Ich erwischte ihn in letzter Zeit öfters, wie er nachdenklich das Armband mit der Gravur betrachtete. Ob er die Nase voll hatte? Ich seufzte leise, merkte sofort, wie dies Lukas Blicke auf mich zog, aber er sagte nichts. Er hatte seit einigen Tagen aufgehört, mich immer wieder nach meinem Befinden zu fragen, sobald ich seufzte. Eigentlich fragte er mich gar nicht mehr. Bis jetzt.
 

„Willst du, dass ich mit in den Saal komme, oder soll ich draußen warten?“ Unschlüssig kratzte ich meinen Dreitagebart. Was den Tathergang angeht, wusste Lukas alles, es gab nichts, weswegen ich mich ihm gegenüber noch hätte schämen müssen. Das hatten wir Joe zuverdanken. Therapeut bleibt Therapeut. Nur gegen die aktuelle Stimmung zwischen uns, die mal eisig war und dann wieder heiß aufkochte, konnte er nichts machen. Das lag an mir und meinen Zweifeln.
 

„Ich weiß nicht. Solange kann es ja nicht dauern und du kennst das ja schon. Musst es dir nicht nochmal anhören. Warte draußen.“ Sinnierte ich auf seine Frage hin und bemerkte nicht den betroffenen Gesichtsausdruck. Mit dem Kaffee in der Hand und der Gehhilfe in der anderen bewegten wir uns auf das Gerichtsgebäude zu.
 

Die Verhandlung fand in einem hellen und nach Staub riechenden Saal statt. Nichts was man aus dem Fernsehen sieht. Alles war viel kleiner und ruhiger, keine hektisch gestikulierenden Anwälte, keine Zuhörer. Nur Wachpersonal, die Bank der Anklage, die Bank der Verteidigung und dazwischen das Richterpult. Lukas nach vor dem Saal platz. Ich küsste ihn kurz auf die Stirn und er drckte bestätigend meine Hand. Ein flüchtiges Lächeln wurde ausgetauscht, dann hinkte ich mit meinem Stock in den Saal.
 

Ein Gerichtsdiener stand an der Tür und nickte mir zu. Das Richterpult war leer, mein Anwalt saß auf seinem Platz, der Strafverteidiger für Gideon auf dem anderen. Die beiden kannten sich wohl und unterhielten sich, als sie mich bemerkten verstummten sie abrupt.

„Hallo Herr Graf, wie geht es ihnen?“ Mit festem Handschlag begrüßte mich Norman Fendsøg, ein gestandener Rechtanwalt mitte der Fünfziger. Er begann sofort einige Punkte nochmal mit mir durchzusprechen, wie zum Beispiel die Übereinstimmung meiner Aussage bei der Polizei mit der heutigen. Wir hatten das so oft durchgespielt, dass ich mich sogar etwas entspannte.
 

Dann betrat der Richter nebst Schöffen den Saal und zeitgleich folgten zwei Mitarbeiter der JVA und Gideon. Alle erhoben sich, der Richter hielt eine kurze Begrüßung und dann durfte man sich nach ihm wieder setzen. Gideon saß mit selbstgefälligem Grinsen mir gegenüber und je länger ich gezwungen war ihn anzustarren, umso mehr schwand meine Sicherheit. Bilder rauschten vor meinem inneren Auge vorbei, wie er über mir stand und den Baseballschläger nach mir schwang. Dieser giftige Gesichtsausdruck, der Hass und seine Flüche. Und jetzt dieses selbstgefällige Grinsen. Die Beteiligten im Saal werden vorgestellt und die Anklageschrift wird durch den Staatsanwalt verlesen. Diese Schritte hatten wir geübt.
 

Als sein Anwalt sein Eröffnungsplädoyer hielt,nahm ich kein Wort wahr. Wie gebannt war ich dazu gezwungen Gideon anzustarren, jene Nacht zu erleben, innerlich zu verkrampfen. Ich spürte die Blicke des Richters und der Schöffen auf mir, als diese Nacht als missglückte sexuelle Prktik dargestellt wurde, Gdeon als Opfer zu geschockt. Er habe sich nur wehren wollen. Diesen Teil hatten wir nicht geübt. Mein Magen verkrampfte und ich hätte nicht so viel Kaffe trinken sollen, denn mein Kreislauf war dadurch schwer belastet. Vielleicht war es auch der Tramalentzug. Ich kam zumindest nicht weit. Ich wurde angesprochen vom Richter aber konnte nicht reagieren. Mein Anwalt riss mich aus meiner Starre, als er mir seine Hand an die Schulter legte. Ich musste mich zusammen reißen, nicht vom Stuhl zu springen. „Geht es ihnen gut Herr Graf?“ Wieder fragte er mich nach meinem Befinden, diesmal schüttelte ich aber mit dem Kopf. Es nagte an mir, dass Gideon da saß und meinte, er hätte gewonnen über mich. Aber zugleich wusste ich, ich schaffe es nicht weiter. „Nein...Ich bräuchte eine Pause?“ fragte ich leise und Norman Fendsøg lächelte mich leicht an. Umgehend beantragte er eine Unterbrechung und auch wenn es dem Richter nicht gefiel, so sah ich an seinem Gesichtsausdruck, dass ich offensichtlich nicht gut aussah. In Begleitung von Herrn Fendsøg verließ ich den Saal und ging ohne Umwege zu Lukas, der mich überrascht ansah.

„Was ist denn los, schon fertig?“ Ungläubig blinzelte er zwischen mir und meinem Anwalt hin und her. Schwer stützte ich mich auf meinen Gehstock und entflammte eine Zigarette mitten im Gebäude. Es war mir egal. Lukas und Norman Fendsøg aber nicht also begleiteten sie mich zur Tür. Wortlos und hektisch zog ich wieder und wieder an der Kippe.
 

„Ich kann das nicht Lukas. Der kleine Scheißkerl sitzt da und grinst mich die ganze Zeit an! Ich hatte gedacht, ich könnte es! Wirklich!“ Ein letzter Zug, dann war die Kippe verraucht. Hilflos fast stand mein Freund vor mir und wechselte Blicke mit meinem Anwalt. „Herr Graf, sie müssen das durchhalten. Es ist wichtig, dass..“

„Komm mit rein. Lass mich dich ansehen. Mit..“ Ich unterbrach meinen Anwalt und wurde dann selbst unterbrochen. In dem Moment, als ich Lukas um Unterstützung bat, leuchteten dessen Augen auf und er küsste mich. Normalerweise machten wir das nicht in der Öffentlichkeit, aber in diesem Moment war es mir egal, ich brauchte das, ich brauchte Lukas und dieser Kuss gab mir seine Bestätigung. „Dummer Troll!“ Er wedelte mit dem Armband vor meiner Nase. „Lass uns gehen.“

Fragend blickten wir meinen Anwalt an. Die Verhandlung war nicht öffentlich und es bedarfte einiger Diskussion mit dem Gerichtsdiener und dem Richter, bis Lukas zugelassen wurde. Der Staatsanwalt unterstützte uns, in dem er gegenüber dem Richter angab, er hätte noch Fragen an Lukas, die bei der Vorverhandlung nicht geklärt worden waren.
 

Da saß er nun in der vordersten Reihe, mit seinem madonnenhaften Lächeln und blickte mich an. Diesmal huschte mein Blick nur kurz über Gideon und heftete sich an Lukas fest. Mir ging es immer noch schlecht, aber mit Lukas im Blick wusste ich, würde ich diese Verhandlung überstehen...

Kapitel 28

Mit Lukas im Blick schaffte ich es die Verhandlung zu überstehen. Gideon erhielt am Ende wegen Vergewaltigung mit schwerer Körperverletzung eine Haftstrafe von 8 Jahren. Es war ein kleiner Gewinn für mich,als ich seine Gesichtszüge entgleisen sah. Er hatte nicht damit gerechnet, ernsthaft bestraft zu werden, zumal sein Anwalt ausgiebig unsere Vorgeschichte aufgerollt hatte, die viele schmutzige Details hervorbrachte, die auch Lukas nicht kannte. Dieser ertrug alles mit eiserner Miene und ich vermutete bereits, dass dies zu Hause noch Konsequenzen mit sich ziehen würde.
 

Für den Augenblik schwebte ich aber auf dem Hoch des erfolgreichen Prozesses. Unter Protest wurde Gideon abgeführt und mein Anwalt schüttelte mir die Hand, oder ich ihm, ich weiß es nicht mehr genau, denn ich war plötzlich wie in Watte gehüllt. Ich hatte Recht bekommen aber nun war ich auch offenkundig das Opfer. Ich schluckte leicht, denn diese Erkenntnis verursachte mir immernoch Übelkeit, auch wenn ich sie bereits öfter getroffen hatte.

Lukas hakte sich bei mir unter und wir verließen den Gerichtssaal. Ich bekam noch immer nicht viel mit, bis ich draußen stand und Lukas mich leicht in die Seite stupste.

„Erde an Alex, bist du da?“

Perplex blinzelte ich ihn an und lächelte dann schwach. „Ja, klar.“ Dabei tasteten meine Hände bereits über mein Jacket und suchten die Zigaretten. Kurz darauf hatte ich herfolg und sog gierig den beißenden Qualm ein.

„Lass uns zur Feier etwas essen gehen!“ Lukas Augen strahlten mich an. Machte ihn die schmutzige Vorgeschichte, die er zu Ohren bekommen hatte, nichts aus? Hatte ich mich so in ihm geirrt?

Ich bekam nur ein stummes Nicken zu stande und ehe ich mich versah, waren wir auf dem Weg zum Ku’damm. Ein nobles Restaurant, dass gerne Miniportionen in zig Gängen servierte, war Lukas Ziel.

„Ist das nicht etwas zu viel des guten?“ Ich kannte die Preise hier nicht genau, aber nach bezahlbar sah es weniger aus.

„Ach was! Wir haben was zu feiern, du Troll!“ Wieder in meinen Arm eingehakt lenkte er mich zielsicher in den Gastraum. Er machte keinen Hehl daraus, dass wir ein Paar waren. Ich dagegen taxierte sofort den Raum, ob hier jemand saß, den ich kennen könnte. Zu meinem Glück wurden wir in eine ruhige hintere Ecke gesetzt. Wir wählten das überraschend preiswerte Tagesmenü und alkoholfreien Sekt zum Anstoßen. Ich durfte aufgrund der Medikamente keinen Alkohol trinken und Lukas war als Fahrer auch sehr darauf bedacht, bei Null Promille zu bleiben.
 

Der Service war super, genauso wie das Essen. Jeder Gang wurde stilvoll präsentiert von einer freundlichen Kellnerin, die sich nicht darum scherte, ob wir Homos waren oder nicht. Auch ich kam langsam runter, nur Lukas blieb auf seiner gute Laune Welle. Obwohl ich nicht sonderlich redselig war, erzählte er munter und machte Pläne für unsere Zukunft. Beim vierten Gang hielt ich es nicht mehr aus. Ich hätte mich ebenso gut fühlen sollen wie er, doch die Geschichte mit Gideon hatte mir gezeigt, was für ein Arschloch ich eigentlich war und es wahrscheinlich auch noch bin. Irgendwo tief in mir schlummerte dieses Monster noch immer. Und je länger wir saßen, desto mehr wurde mir klar, dass auch Lukas eines Tages so unter mir leiden könnte. Das war es, wovor mich Joe immer warnen wollte.
 

„Warum sagst du eigentlich nichts zu meinen Untaten, von denen du heute gehört hast? Bist du neuerdings so naiv, soetwas einfach zu verdrängen?“ fuhr ich ihm einfach ins Wort. Lukas Mund blieb offen stehen und überrascht sah er mich an. Nur langsam schlossen sich seine Lippen wieder und sein Blick wurde ernst. Er schaffte es immer so schnell sich wieder zu fassen. Eine bemerkenswerte Eigenschaft.

Mein blonder Liebhaber räusperte sich kurz und begann den ersten Bissen des vierten Gangs in seinen Mund zu schieben. Büffelfleischsalat mit Safranfäden, eine ausgesprochene Delikatesse.

„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich jemand bin, der sich so etwas gefallen lassen würde?“ Genüsslich folgte der nächste Happen in Lukas hübschen Mund.

„Und bisher hatte ich nicht den Eindruck, dass du diese Form der Extras im Bett brauchen würdest.“ Ein süffisantes Grinsen begleitete seine Worte und beinahe herausfordernd funkelten seine Augen mich über den Brillenrand hinweg an.
 

Ich kniff die Lippen zusammen. Wie konnte er so gelassen darauf reagieren. Schmälerte dies nicht mein Ansehen bei ihm? Ich wollte gerade zu sprechen anfangen, als er seine Hand auf meine legte und mir fest in die Augen sah.

„Alex, jeder hat seine Leichen im Keller, auch ich bin kein unbeschriebenes Blatt mehr. Warum erwartest du also, dass ich dir eine Szene mache, für Dinge, die du früher einmal getan hast?“

Er lächelte sanft und drückte meine Hand kurz, ehe er seine von ihr zurück zog.

„Aber was passiert, wenn ich wieder in so eine kranke Phase gerate?“ Seine Lippen schürzten sich leicht und ein amüsiertes Funkeln trat in seine Augen.

„Dann wirst du mich richtig kennen lernen Herzchen. Was glaubst du, weshalb ich so gerne oben liege? Ich gebe einfach gern den Ton an, also glaube, bloß nicht, dass ich dann nach deiner Pfeife tanzen würde.“

Bei der Erwähnung unserer Bettgeschichten merkte ich, wie unweigerlich mir das Blut in die Lendengegend schoss. Verdammt, dieser schlanke Kerl wusste einfach zu gut, wo er mich packen musste. Zugleich stutzte ich etwas. Er gab gern den Ton an? Ich hatte nie darauf geachtet, grundsätzlich waren wir sehr partnerschaftlich miteinander umgegangen. Bedachte ich jedoch unsere sexuellen Abenteuer, musste ich leicht schlucken. In gewisser Form hatte Lukas recht und es war mir bisher nie aufgefallen.
 

Selbiger grinste nun wie ein Honigkuchenpferd, als ob er meine Gedankengänge erahnen könnte. Mein Gesicht wechselte von nachdenklich zu überrascht hin bis zu einem mit sicherer Wahrscheinlichkeit idiotisch aussehenden Grinsen.

„Du bist wirklich unmöglich.“ Kam es mir nur noch über die Lippen. Wieso war Joe nur immer so um Lukas Wohl bedacht? Ich hatte das Gefühl, dass dieser durch nichts zu erschüttern sei. Gerade jetzt, wo ich zu befürchten begann, Lukas könnte wirklich einmal an mir zerbrechen, zeigte dieser mir nur, wie stark er wirklich war.

Wir hatten so viel durchgestanden, die Attacke auf ihn damals, Gideons Angriff und jetzt auch diesen Prozess. Wie konnte ich nur glauben, dass meine Vergangenheit Lukas erschüttern würde oder uns in den Weg kommen könnte?
 

Ich griff seine Hand, hob sie über den Tisch an meine Lippen und küsste sie sanft. Diese Geste brachte eine leichte Röte in Lukas Gesicht und er lächelte verlegen.

„Dum vivo...“ sprach ich leise gegen seinen Handrücken und wusste einmal mehr, dass dies nicht nur leere Worte waren und auch Lukas wiederholte sie leise.

Wir ließen das Dessert aus und machten uns zügig auf den Heimweg, denn eins stand nun fest: Heute galt es uns zu feiern!

Epilog

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Kommentare zu dieser Fanfic (21)
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Von:  ayumi-can
2014-09-30T16:54:05+00:00 30.09.2014 18:54
Wow, echt geniale Story!!!
Ich war die ganze Zeit über richtig gefesselt. Dein Schreibstil ist echt einnehmend und die Charaktere wie aus dem Leben genommen. ^-^
LG
ayumi. ^-^
Antwort von:  Leviathena
02.10.2014 13:32
Vielen dank :D freut mich sehr, wenn sie nochgelesen wird!
Von:  aschenneller
2014-03-16T18:43:47+00:00 16.03.2014 19:43
Diese Geschichte war spannend und sehr ergreifend!!!! Sehr schön!!!
Ciao
Christina
Antwort von:  Leviathena
16.03.2014 23:35
Danke dir :D freut mich, wenn die story noch gelesen wird, auch wenn sie älter ist ;)
Von:  Tokio
2013-05-20T10:28:03+00:00 20.05.2013 12:28
Super Story war durchgehend wunderbar geschrieben,vielen Dank dafür.
Antwort von:  Leviathena
22.08.2013 15:22
Oh, den kommi hab ich wohl übersehen? Nichts zu danken, im Gegenteil, ich muss mich fürs Lesen bedanken! :3
Von:  sorakovar
2013-03-02T15:11:57+00:00 02.03.2013 16:11
Hey und omg ich liebe diese Fanfic o:
Ich bin echt verdammt gespannt wie es weiter geht :3
Hehe LG
Von:  ai-lila
2013-03-02T14:13:26+00:00 02.03.2013 15:13
Hi~~

Oh ist das schön, das du weiter schreibst.
Kam leider erst heute zum lesen. ^^
Und vielen Dank, das du auch mich oben erwähnt hast.
Hab mich sehr gefreut. ^///^

Weiß net, ob ich den Mut dazu gehabt hätte, vor Gericht zu gehen.
Im "normal Falle" wäre das ganze schon peinlich. Aber wenn es auch noch um gleichgeschlechtliche Ex-liebhaber geht, haben die meisten Leute doch sofort Vorurteile im Kopf.
Jemand, der auf sein eigenes Geschlecht steht, ist in den Augen von vielen Idioten nur ein Mensch zweiter Klasse.
Also ... meine Nachbarn sind zwei Männer und lieben sich. Leben seit sechs Jahren bei uns mit im Haus und sind mit die nettesten Nachbarn.
Auf Die würde ich nie was kommen lassen; und außerdem geht es mich ja auch nichts an wer mit wem. Leider denken andere Mitbewohner nicht so wie ich. Die blöden Hammel, Die! @___@"

Es ist schön, das Luc so viel Geduld mit Alex hat.
Wenn die Beiden diese schlimme Zeit hinter sich haben, dürfte ihre Beziehung noch enger sein.
Hoffe auf alle Fälle, das Gideon einen ordentlichen Denkzettel bekommt und für Jahre weggesperrt wird.
Nicht das ich es glaube. v.v

Das war wieder ein klasse Kapi.
Freue mich schon auf das Nächste.
lg deine ai
Von:  kmolcki
2013-03-01T17:03:36+00:00 01.03.2013 18:03
ui das ist ja echt toll, dass es da weitergeht und nun weiß ich auch wieder warum ich kein Strafrecht mache...wer weit was Gideon von mir zu hören bekäme....JVA Straubing wäre für ihn noch zu gut!!! Danke auch Leviathen für die Erwähnung meiner Wenigkeit :-) magst du uns noch verraten welche FF dich zum Weiterschreiben inspiriert hat?

GGGLG kmolcki
Von:  Arael
2012-03-08T10:00:20+00:00 08.03.2012 11:00
ooooh ein total süßes kapitel :)
Von:  kmolcki
2012-03-01T18:18:11+00:00 01.03.2012 19:18
oh wann geht es hier enddlich mal weiter?? Sorry, bin einfach zu ungeduldig und die Geschichte ist auch zu gut!!!!
Von:  kmolcki
2011-12-12T17:29:44+00:00 12.12.2011 18:29
Mich da mal nur ai-lila anschließen kann, bin nur später zum Lesen gekommen, zur Belohnung noch 2 Dosen Pina-Colada Makronen rüberreich

Echt ein super tolles und schönes Kapi
Freu mich ebenfalls schon sehr aufs Nächste

LG Kmolcki ( bei strafverfahrensrechtlichen Fragen kannst mich gerne Kontaktieren, z. b. wenn Alex als Nebenkläger mit RA (Anwalt) auftreten will ...sfg!!!

Von:  ai-lila
2011-12-12T10:44:46+00:00 12.12.2011 11:44
Hi~~

Ach ich freue mich für die Beiden.
Zum einen das wieder so weit alles im Lot ist, zum anderen, das Alex negative ist.
Die letzte Hürde wird wohl die Verhandlung sein.
Aber mit dem Rückhalt von Lukas wird Alex auch dies durchstehen.
Da bin ich mir sicher.

Das war wieder ein klasse Kapi.
Freue mich schon auf das Nächste.
lg deine ai


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