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Kreuzfahrt mit Folgen

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Act 1

Kreuzfahrt mit Folgen
 


 

Kapitel 1
 

Das Geräusch des Telefons schrillte durch die vom Mondlicht durchfluteten Räume der Villa in den Hollywood Hills.

Hier, hoch über der Metropole der Stars, konnte man noch in Ruhe leben und arbeiten. Mit der Ruhe war es im Moment jedoch vorbei, denn der Apparat klingelte penetrant in die feierliche Stille hinein.

Und er schien auch nicht gewillt, damit aufzuhören.

Genervt stoppte Jeremy sein wildes Tippen auf dem Laptop und sah auf die Uhr. Es war halb eins in der Nacht. Welcher Idiot würde so spät noch anrufen? Spontan fiel ihm nur einer ein und das Drücken der Lautsprechertaste bestätigte ihm seinen Verdacht.

„Jeremy, mein Alter, lass mich raten. Du arbeitest!“ tönte die Stimme seines besten Freundes Mitch aus den Boxen. Mitch Cooper war einer der größten Produzenten der Traumfabrik.

„Richtig. Und du darfst auch gern raten, was du gerade tust. Du störst.“ gab Jeremy reichlich unfreundlich zurück und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Monitor. Fieberhaft überlegte er, wie er die Szene zuende bringen sollte. Sein neustes Drehbuch war eine Romantikkomödie, aber er wollte nicht so recht in Fahrt kommen. Irgendetwas fehlte.

Seine Finger huschten schnell über die Tasten, doch als der Absatz fertig war, löschte er ihn gleich wieder.

„Hallo? Tastenklopper? Ich bin auch noch hier! Lass deinen Bildschirm mal Bildschirm sein, sonst brauchst du bald noch eine dickere Brille!“ lachte Mitch aus dem Telefon.

„Was willst du? Und halt dich kurz.“ entgegnete der Mann nur geistesabwesend und tippte weiter. Er war nicht gewillt seine Aufmerksamkeit zu weit von seinem Manuskript zu entfernen. Nachts konnte er am besten arbeiten, also musste er diese kreativen Phasen auch nutzen.

„Wann hast du zum letzten Mal deinen Kerker da oben auf dem Hügel verlassen?“

„Der wievielte ist heute?“

„So lange also schon...ich fasse es nicht.“ Man konnte direkt hören, wie Mitch die Augen verdrehte. „Du hast hiermit nächste Woche etwas vor.“

„Ach ja? Und was?“ Es klang mehr als desinteressiert. Jeremy nahm einige Verbesserungen an bereits fertigen Seiten vor, da er einfach nicht weiter kam. Er hasste Schreibblockaden! Und diese dauerte nun schon entschieden zu lange! Das machte seine Laune nur noch schlechter.

„Ich gebe eine Party. Die S.S.Athena war frei und ich habe sie gemietet. Du erinnerst dich vielleicht noch, was eine Party ist. Da gibt es Essen, Musik...und! Pass auf, das könnte jetzt ein Schock sein! Andere Leute!“

„Ich habe keine Zeit, Mitch. Ich muss das neue Drehbuch fertig bekommen und das geht im Moment mehr als schleppend.“ Genervt drückte Jeremy auf den Speicher-Button und lehnte sich zurück. Es war zum Verrücktwerden. Es wollte ihm einfach nicht gelingen in die richtige Stimmung zu kommen.

„Außerdem bin ich nicht an Schiffen interessiert.“

„Diesmal kommst du mir nicht davon! So nicht, mein Lieber!“ Mitch klang mehr als bestimmt. „Meinetwegen nimm deinen gottverdammten Laptop mit, aber du kommst auf die Party. Drei Tage Seeluft werden vielleicht auch deinen grauen Zellen gut tun, die sind sicher von der gefilterten Luft in deinem Glaskasten schon abgestorben!“

„Drei Tage? Hast du zu viel Geld?“ Jeremy kannte die Antwort. „Mitch, was soll ich auf dieser Party? Du kennst mich doch. Ich bin mit meiner Arbeit verheiratet und auch nicht interessiert irgendwann die Scheidung einzureichen.“

„Du brauchst mal Abwechslung und du darfst deine ‚Frau’ ja auch mitbringen...wenn ich mich recht erinnere, hattest du gar nicht soviel für diese übrig...“ Mitch schien zu grinsen, Anzüglichkeiten gehörten bei ihm dazu. „Dein Arsch muss doch schon total verstaubt sein.“

„Und wenn er Pickel hätte, mein Hintern geht dich nichts an. Mach dir keine Sorgen um mich, ich brauche weder eine Frau, noch einen Mann an meiner Seite. Ich habe meine Arbeit, die füllt mein Leben genug aus.“ Er setzte die Lesebrille ab und fuhr sich über das Gesicht. Wenn er zu lange vor dem Laptop saß, brannten seine Augen immer schrecklich.

„Du hast sie nicht mehr alle!“ Mitch stöhnte genervt. „Erstens, du kommst! Zweitens, du wirst dich amüsieren! Drittens, du bringst jemanden mit!“

„Mal angenommen, ich würde Punkt eins annehmen, wen sollte ich bitte bestechen meine Gesellschaft für drei Tage auszuhalten? So viel Geld hab ich gar nicht.“ Er stand auf und ging zu seiner kleinen Hausbar, um sich einen Merlot on Ice einzuschenken. Vielleicht würde Alkohol seine Gehirnwindungen etwas in Gang bringen.

„Süßer, du bist eine angenehme Gesellschaft, wenn du es nur willst!“ Eine Pause entstand. „Säufst du dir eben wieder mal einen?“ Mitch wusste, dass das nicht stimmte, aber er übertrieb gern mal.

„Ja, damit dein Gequatsche leichter zu ertragen ist! Wenn du mich als angenehme Gesellschaft bezeichnest, müssen wir uns lange nicht gesehen haben. Warst du es nicht, der mir ins Gesicht gesagt hat, ich wäre der unsozialste Mensch, den du in Hollywood kennen würdest?“ Jeremy setzte das Glas neben dem Laptop ab und tippte ein paar Sätze ein.

„Alter Hut, alter Hut. Ich drehe mich wie ein Fähnchen im Wind, das gehört zum Job.“ Mitch lachte. „Komm schon! Muss ich dir erst unter die Nase reiben, dass wir hier nicht nur eine Party für wichtige Investoren geben, sondern dass auch mein Geburtstag gefeiert wird?“ Wieder eine kleine Pause. „Rutscht dir eben die Brille von der Nase? Du hast ihn vergessen, stimmt’s?“

„Meine Brille liegt auf dem Tisch.“ bemerkte der brünette Mann trocken, aber ärgerte sich im Stillen, dass sein Freund Recht hatte.

„Also gut, wann legt der Kahn ab?“ Es war nur aus seinem schlechten Gewissen heraus, sonst wäre er nicht mitgefahren, redete sich Jeremy ein und setzte sein Gestell wieder auf.

„Nächste Woche Freitag, am Montag kannst du wieder in deiner einsamen Höhle hocken. Ich danke dir.“ Jetzt klang die Stimme nach Lächeln. „Und wen bringst du mit?“

„Muss ich jemanden mitbringen?“ fragte Jeremy zerknirscht und ging im Kopf seine wenigen Bekanntschaften auf dem Gebiet durch. Vielleicht sollte er einfach seine Schwester anrufen und sie fragen.

„Ja, das musst du...und nicht deine Schwester, wag es nicht!“ zerstörte Mitch seine Illusionen.

„Warum? Auf deiner letzten Party hat sie sich prächtig amüsiert. Verdammt, Mitch, ich weiß niemanden, den ich fragen könnte. Mein Adressbuch erschöpft sich nach zwei Einträgen. Jedenfalls was Begleiter betrifft.“

„Du bist doch wirklich die unsozialste Person von ganz...“ Tiefes Einatmen. „Entschuldige...Süßer, du bist ein hoffnungsloser Fall. Los, schreib was auf.“

Jeremy verdrehte die Augen und kramte Zettel und Stift aus einer Schublade.

„Leg los.“

„555-47635.“ diktierte Mitch. „Morgen früh, gleich um neun, rufst du da an. Kapiert?“

„Und dann? Was ist das für eine Nummer?“ Es gefiel ihm nicht. Mitch hatte seltsame Verbindungen.

„Du nennst deinen Namen, sagst wer dich an sie verwiesen hat und dann mietest du dir den besten Begleiter, den sie zu bieten haben. Vergiss die Kosten, das zahlst du locker.“ Mitch kam sich offenbar sehr klug vor, seine Stimme klang regelrecht stolz.

„Mi~tch.“ Es wurde immer gefährlich, wenn Jeremy den Namen seines Freundes so lang zog.

„Was ist das für eine Nummer? Ein Bordell? Glaubst du wirklich, ich komme mit einem Edelstricher auf deine Party?“

„Süßer, wofür hältst du mich?!“ Gespielte Empörung in Reinkultur. „Okay, sag es nicht. Das ist kein Bordell, das ist ein Host Service, vollkommen seriös. Und so ziemlich die einzige seriöse Agentur Hollywoods, die dir auch einen feschen Schwulen an die Seite stellen kann. Du brauchst eine Begleitung, bist aber zu unsozial, um jemanden kennen zu lernen. Bitte schön, miete ihn dir!“

Jeremy stöhnte auf und vergrub das Gesicht in einer Hand. Das durfte doch nicht wahr sein! Was dachte sich Mitch nur bei solchen Aktionen?

„Was für eine glorreiche Idee. Du bist ein wahrer Freund.“

„Ich weiß, so bin ich eben. Komm schon, mach dir den Spaß. Die haben tolle Typen, ich spreche aus Erfahrung.“ Dabei konnte Mitch sich über zu wenig sozialen Kontakt nicht beschweren. „Die haben alles, die Jungs. Super Körper, Manieren, Grips. Das sind keine Stricher.“

„Wenn du es sagst, muss es ja stimmen.“ Sarkasmus war eindeutig Jeremys Stärke.

„Also gut, ich werde mich dort melden. Gibt es sonst noch etwas, was ich über den Trip wissen muss?“

„Du darfst zwei Dinge nicht vergessen: Erstens deine Tabletten gegen Seekrankheit und zweitens...mein Geschenk. Nichts besonderes...teuer, exquisit, das Übliche eben.“

„Ich werde sehen, was sich machen lässt.“ brummte der Brünette und klappte seinen Laptop zu. Es würde sowieso kein Geistesblitz mehr einschlagen. Der Himmel seiner Kreativität war wolkenlos.

„Dann sehen wir uns Freitag. Wann legen wir ab?“

„Um drei. Du kriegst noch eine schriftliche Einladung mit dem Anleger.“ Es klingelte im Hintergrund. „Oh, das ist mein...Besuch. Ich wünsche dir noch eine schöne Nacht, Arbeitstier. Bis dann!“

Jeremy legte auf und lehnte sich zurück. Was hatte er sich da nur angetan? Schon jetzt wusste er genau, wie diese drei Tage verlaufen würden. Nämlich grauenhaft!

Für diesen Tag hatte er genug. Mit seinem Merlot ging er ins Schlafzimmer, trank aus und legte sich ins Bett. Doch an Schlaf war nicht zu denken. Bis halb sechs lag Jeremy wach und überlegte, was er Mitch schenken konnte. Was schenkte man einem Mann, der alles hatte?
 

Jeremy kam sich ziemlich dämlich vor, wie er dort in dem stilvoll eingerichteten Warteraum saß und auf den jungen Mann wartete, der sich vor einer viertel Stunde nach seinen Vorstellungen erkundigt hatte. Da er keine genauen Angaben gemacht hatte, war es wohl ein kleines Problem.

Wie Mitch versprochen hatte, waren die Kerle, die sich hier anboten, mehr als Hollywood gerecht. Er würde also eher eine schlechte Figur neben einem dieser Wonderboys machen. Natürlich war ihm das ziemlich egal. Die ganze Sache war einfach nur recht nervenaufreibend und zeitkostend. Er könnte jetzt vor seinem Laptop sitzen.

Als er am Montagmorgen angerufen hatte, hatte die freundliche Frau am anderen Ende ihn in die Agentur bestellt, damit man sich persönlich um seine Vorlieben und Wünsche kümmern könne. Da Jeremy Montag jedoch noch einen Termin hatte, musste er es auf den nächsten Tag verschieben. Am liebsten hätte er ganz abgesagt.

Doch statt des jungen, unglaublich höflichen, geradezu schleimigen jungen Mannes betrat ein anderes Kaliber den Warteraum.

Der Mann war hoch gewachsen, an die 1,90 sicherlich. Er trug einen schwarzen Rollkragenpullover unter dem sich seine athletische Figur abzeichnete. Kein Bodybuilder, eher ein Schwimmer. Alles am rechten Platz, kein Gramm Fett zuviel.

Seine langen Beine steckten in dunklen Jeans, die Füße in teuren Lederschuhen. Sein schwarzes Haar war modisch frisiert, dem Trend nach mittellang und umrahmte ein männlich-attraktives Gesicht, dessen am meisten hervorstechendes Merkmal sicher die durchdringenden blauen Augen waren.

Er schloss die Tür, lächelte Jeremy an und reichte ihm die Hand.

„Aidan York. Schön, Sie kennen zu lernen.“

Jeremy stand auf und musterte den Mann ohne es zu verbergen. Sah aus wie ein Filmstar, aber hatte wohl nicht das Talent dazu. Gab es in Hollywood wie Sand am Meer.

„Jeremy Owens. Sind Sie mein Begleiter?“

Aidan lächelte und entblößte seine perfekten, vielleicht sogar gebleichten, Zähne.

„Das könnte durchaus sein. Wenn Sie mich wollen.“

„Sicher. Mir ist es egal, wer neben mir steht. Mitch hat mir aufgetragen in Begleitung zu kommen. Sie sind Begleiter. Fall erledigt.“ Jeremy zuckte mit den Schultern.

„Wahnsinn.“ Aidan gelang es zumindest, seine Miene nicht fallen zu lassen. „Sie wissen, wie man einem Mann ein Kompliment macht.“

Jeremy lächelte kurz, was eher an ein Zähneblecken erinnerte.

„Wie läuft das jetzt hier ab?“

„Nun, da Sie offensichtlich mit mir einverstanden sind, wenden Sie sich an Donald und der setzt den Vertrag auf. Es muss alles geregelt sein, das kennen Sie sicher.“ Wieder das warme Lächeln, es wirkte nicht einmal einstudiert. „Sie geben an, wann Sie mich brauchen, wie lange und wo ich Sie treffen soll. Ich weiß ja noch nicht, was Ihnen vorschwebt.“ Er zuckte mit den Schultern. „Und dann...“ Eine kurze aber aussagekräftige Pause „...gehöre ich Ihnen.“

„Ah ja. Es ist eine Geburtstagsparty, viele Leute, ein Schiff. Mitch mag es extravagant und er zwingt mich unter Leute zu gehen, damit er sich an der ganzen Misere hochziehen kann und mir den Rest des Jahres in den Ohren liegt, wie unsozial ich bin. Nicht, dass ich das selbst nicht wüsste, aber manchmal kann es wirklich nerven. So, da das jetzt geklärt ist, würde ich gern mit - wie hieß er? - Donald? reden.“ Jeremy bleckte erneut die Zähne und nickte zu der Tür, aus der Aidan gerade gekommen war und der junge höfliche Mann vorhin verschwunden.

„Wie könnte man auf die Idee kommen, Sie wären unsozial?“ Das klang noch nicht einmal spöttisch, war aber wohl so gemeint. „Donald ist in seinem Büro am Ende des Ganges. Hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.“

„Danke, gleichfalls. Wir sehen uns dann also am Freitag.“ Damit drehte sich Jeremy um und marschierte in besagte Richtung.

Aidan sah ihm nach. Was für ein merkwürdiger Kauz. Aber durchaus eine interessante Herausforderung, denn unansehnlich war er sicher nicht. Ein Schiff also...
 

„Sie sind wirklich ein sehr angenehmer Gesprächspartner.“ Aidan durchbrach die halbe Stunde Schweigen in der Limousine, die im Service des Host Clubs inbegriffen war. Er hatte einen Drink in der Hand, nichts Starkes, er durfte nicht betrunken werden.

Sein dunkler Smoking stand ihm umwerfend gut. „Auch wenn ich Sie zu nerven scheine...ein paar Details bräuchte ich schon.“

„Sie nerven mich nicht, Sie können nichts für das hier. Mitch nervt mich! Ich könnte jetzt in meinem Haus sitzen und an meinem neuen Drehbuch schreiben, aber nein.“ Plötzlich riss er die Augen auf und fasste sich an die Stirn.

„Verdammt.“ Das Geschenk! Er hatte völlig das Geschenk vergessen. Missmutig sah er sich um und griff in die Minibar des Wagens.

„Wissen Sie, von wann dieser Whiskey ist?“ Er studierte eingehend das Etikett.

„Sie haben sein Geschenk vergessen?“ Aidan schloss kurz die Augen. „Wie lange haben wir noch Zeit? Wir können gern einen kleinen Umweg fahren.“

„Nein, nicht nötig. Die Flasche wird es tun. Er ist es gewohnt, dass ich sein Geschenk vergesse. Wenn wir zurück sind, kriegt er was Anderes.“ Jeremy steckte den Whiskey in seine Tasche und seufzte.

„Schreiben Sie es auf meine Rechnung.“

„Wie Sie meinen.“ Aidan ließ es dabei bewenden. „Also dann. Ich bräuchte wirklich einige Informationen, es ist so schon spät genug. Wie heißt der Gastgeber mit vollem Namen, was ist er von Beruf, in welchem Verhältnis stehen Sie zueinander. Und...“ Er hob den Finger „in welchem Verhältnis stehe ich zu Ihnen?“

„Mitch Cooper, seines Zeichens Produzent. Wir haben einmal zusammen gearbeitet und uns angefreundet. Jetzt hat er sich zu meinem Quälgeist erhoben und versucht mich vor der Verkalkung zu bewahren.“ Kurz warf Jeremy seinem Begleiter einen Blick zu.

„In welchen Verhältnis wollen Sie zu mir stehen, wäre wohl die bessere Frage.“

„Das liegt nicht bei mir. Tauchen wir nur gemeinsam auf, so dass jeder zwar weiß, was los ist, aber nichts bestätigt wird? Betreten wir die Party eingehakt oder Hand in Hand, also vertrauter? Und ich muss wissen, inwieweit Sie zärtliche Gesten während der Feierlichkeiten erwarten. Küsse natürlich ausgenommen.“

„Natürlich. Um es für alle Anwesenden so leicht wie möglich zu gestalten, würde ich sagen, wir gehen einfach nur auf die Party, als wären wir Freunde. Keine Zärtlichkeiten, keine Berührungen. Nur nebeneinander stehen und hübsch aussehen. Ich werde mich sowieso so früh wie möglich in meine Kabine zurückziehen und arbeiten.“ Er klopfte auf die Laptop-Tasche und lächelte unverbindlich.

„Da spricht man vier Sprachen fließend und hat einen Abschluss an einem renommierten College und dann bekommt man gesagt, dass man nur hübsch aussehen soll.“ Er grinste und strafte die scheinbare Bitterkeit seiner Worte Lüge. „Alles klar. Ich stehe neben Ihnen und sehe gut aus. Kriege ich hin.“

„Gut.“ Der Wagen hielt am Pier und Jeremy stieg aus. Mit seinem Laptop und der gewohnten alten Umhängetasche, die er so sehr liebte, weil dort seine ganzen Ideen entstanden, wartete er, bis Aidan ebenfalls ausgestiegen war.

„Wollen Sie dieses Ding wirklich jetzt bei der Begrüßung mitschleppen? Das ruiniert Ihre Erscheinung, wenn ich das sagen darf. Lassen Sie es doch mit dem Gepäck an Bord bringen.“

Aidan musterte die Tasche mit einem Blick, den man sonst vielleicht einer Kakerlake schenkte, er war schwul, gegen einen gewissen Sinn für Ästhetik kam er nicht an.

„Nein! Das ist...mein Markenzeichen. Diese Tasche nehme ich überall mit hin und sie wird in meiner Kabine sofort in den Safe geschlossen. Erst dann kümmere ich mich um meine Erscheinung.“ Jeremy hielt die Tasche fest im Arm, streckte Aidan allerdings den Laptop entgegen.

„Der kann zum Gepäck.“

„Na wenigstens etwas. So haben Sie zumindest die Hände frei.“ Er reichte das Stück Elektronik an den Gepäckjungen weiter und wandte sich dann wieder Jeremy zu. „Wäre es Ihnen recht, wenn ich anfange, Sie zu duzen? Es macht sonst einen wenig vertrauten Eindruck.“

„Natürlich. Dann...dutze ich Sie wohl auch.“ Kurz schien der Brünette verunsichert und sah nervös zum Schiff.

„Na, hoffentlich spielen wir nicht Titanic 2. Die Dramatik würde zu Mitch passen.“

„Du glaubst, er versenkt ein Schiff voller zahlungskräftiger Klienten? Wie lange lebst du schon in Hollywood?“ Aidan schien nicht die geringsten Probleme mit dem Wechsel zu haben. Er ging neben Jeremy die Gangway hinauf.

„Lange genug, um zu wissen, dass die Publicity ihn zum Multimillionär machen würde.“ gab er zurück und zeigte dem Steward am Eingang ihre Einladung.

„Herzlich Willkommen, Sir. Sie werden sofort zu Ihrer Suite geführt. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt.“

Jeremy nickte und folgte dem Pagen oder wie man das auch immer auf einem Schiff nannte. Sie wurden zahllose Gänge entlanggeführt, die den Brünetten ganz wirr machten. Er hatte längst die Orientierung verloren. Vor einer Kabinentür machte der Page halt und öffnete sie mit einer Karte.

„Bitte sehr, die Herren.“

„Vielen Dank.“ übernahm nun Aidan die Konversation. Die Suite war für ein Schiff sehr luxuriös und hatte aber, was für ein Zufall, nur ein Bett. Ein mittelgroßes Doppelbett, genug Platz, aber nicht genug, um sich vollkommen aus dem Weg zu gehen.

„Nett, oder?“ meinte Aidan an Jeremy gewandt, der Page warf dem ‚Paar’ den einen oder anderen Blick zu.

„Oh ja, erinnere mich, dass ich Mitch nachher über Bord werfe!“ Das Bett passte Jeremy gar nicht. Er mochte es nicht, beengt zu liegen, da er sich nachts gern ausbreitete.

„Wo ist der Tresor?“ wollte er wissen und der Page zeigte ihm den schweren Kasten im Wandschrank. Jeremy inspizierte ihn eingehend und befand, dass er sicher genug war. Seine alte Umhängetasche fand ihren Platz darin und er verriegelte den Tresor wieder.

„Andere legen Schmuck da rein oder Wertpapiere, du eine abgefressene Tasche.“ Aidan schien sich über das Unwohlsein des Pagen zu amüsieren, denn er schaute ihn lächelnd an. „Es ist schon nicht leicht, aber man lernt mit den Macken seines Geliebten zu leben, denken Sie nicht.“

„Ich...äh...klar.“

Plötzlich hatte der Page es eilig, mit seinem Trinkgeld die Kabine zu verlassen.

„Sonst wäre der nie gegangen.“ erklärte der Begleiter. „Aber List und Schwulsein vergrault noch die Meisten.“

„Wenn Sie meinen.“ knurrte der andere Mann und setzte sich an den Tisch in der Mitte des Raumes.

Plötzlich klopfte es und als Aidan öffnete, strahlte ihm ein Mann mittleren Alters entgegen, der ohne zu fragen einfach eintrat.

„Jeremy, da bist du ja! Und wie ich sehe, hast du dir das Prachtstück der Agentur geangelt.“ Mitch grinste den Schwarzhaarigen mit einem Zwinkern an.

„Mitch Cooper. Jetzt weiß ich, woher ich den Namen kannte.“ Aidan reichte ihm die Hand. „Sie sind in der Agentur für Ihre Partys schon legendär. Und Sie haben uns viele Kunden verschafft.“ Er nickte zu Jeremy. „Diesen Griesgram ja wohl auch. Aber es ist ganz amüsant. Kaum sind wir allein, fängt er wieder an mich zu Siezen.“

„Aus Gewohnheit.“ verteidigte sich Jeremy beleidigt und wandte sich seinem Laptop zu, den er gerade aufklappte. Der Page hatte ihn getragen und auf den Tisch gestellt.

„Sie werden sich doch gut um ihn kümmern, oder, Mr...“ Mitch hielt immer noch die Hand des Begleiters fest. Er sah unbestreitbar recht attraktiv aus, mehr der Typ George Clooney. Seine Haare waren leicht graumeliert, aber er war in guter Form.

„Aidan, Aidan York. Und ich werde mein Bestes geben.“

„Das denke ich mir.“ Mitch grinste. „Und? Bist du mir jetzt doch dankbar für diese Idee? So einen Prachtkerl kriegt man nicht alle Tage zu sehen.“

Aidan schien es nicht zu stören, dass Mitch eben über ihn wie über eine Portion Frischfleisch redete.

„Ich will ein anderes Bett.“ sagte Jeremy nur, wieder einmal völlig mit seinem Laptop beschäftigt.

„Brauche mehr Platz.“ Er würde den Teufel tun und sich in Mitchs Flirtversuche mit Aidan einmischen. Sollten die Beiden doch auf die Party gehen, er würde sich auch hier beschäftigen können. Obwohl so eine Kreuzfahrt eine Gelegenheit war neue Ideen zu sammeln. Die besten Geschichten schrieb immerhin das Leben.

„Süßer, dieses Schiff ist ausgebucht, wenn du nicht bei der Mannschaft schlafen willst, wirst du dich wohl mit Aidan arrangieren müssen. Nicht das schlimmste Schicksal.“

Der Schwarzhaarige lächelte kurz, er saß mittlerweile auf dem Objekt der Diskussion.

„Das hast du extra gemacht. Ich wette, es gibt Suiten, in denen zwei Einzelbetten stehen.“ Jeremy blitzte seinen Freund ärgerlich an.

„Ja, die soll es geben. Aber wir haben zu viele Ehepaare, die es vorziehen, getrennt zu schlafen, weil jeder vom außerehelichen Partner des anderen weiß.“ grinste Mitch.

„Hervorragend. Und was hat dieses Schiff sonst noch zu bieten, wenn schon nicht genügend Betten?“ Jeremy hämmerte stärker als nötig auf die Tasten.

„Zwei großzügige Sonnendecks mit Pool, ein Casino, mehrere Bars und Cafés, ein Fitnesscenter...mit Saunabereich.“ Dabei schaute er Aidan an, der seine sorgsam gepflegten Augenbrauen hüpfen ließ.

„Gibt es auch so etwas wie eine Bibliothek, wo man in Ruhe arbeiten kann?“

Beide Männer starrten den Tippenden an. Sprachlos.

Die Ruhe ließ Jeremy aufschauen und sie ansehen.

„Was?“

„Er hat das ernst gemeint...oder?“ Aidan sah Mitch an.

„Ich fürchte ja...“ Das klang mehr als mitleidig.

Der Autor verdrehte die Augen und starrte wieder auf seinen Bildschirm.

„Im Gegensatz zu euch, habe ich noch einiges zu tun. Außerdem beginnt die Hauptparty doch erst heute Abend, oder? Also kann ich bis dahin noch etwas schreiben.“

„Ja, so ist er...entschuldigt mich, ich muss noch ein paar Gäste begrüßen.“ Mitch nickte und verließ das Zimmer.

Kaum war er draußen, erhob sich Aidan, ging zu Jeremy hinüber und legte von hinten die Arme um ihn. Sein Gesicht war ganz nah an der Wange des Mannes, der Atem strich über dessen Haut. Die schlanken Finger des Hosts griffen nach dem Laptop und klappten ihn zu.

„Genieß doch einfach mal das Leben...“ hauchte er.

„Hey! Ich hatte den letzten Absatz noch nicht gespeichert! Verdammt, was soll das werden?“ Jeremy schob die Arme von sich und griff wieder nach dem Laptop. Der Absatz war zwar verloren, aber er taugte sowieso nichts. Warum war er nur so blockiert? Die Formulierungen ließen wirklich zu wünschen übrig.

„Denkst du eigentlich nur an deine Arbeit?“ Aidan strich ihm durchs Haar. „Wie wäre es, wenn wir uns etwas näher kennen lernen, hm? Dafür ist das Bett breit genug.“

„Ist das auch im Service mit inbegriffen?“ Jeremy stand auf und machte sich von Aidan los. Bei so viel Aufdringlichkeit würde er erst Recht nicht weiter kommen. Vielleicht half ein kleiner Spaziergang auf Deck.

Es klopfte erneut. Dieses Mal waren es ihre Koffer. Auspacken würde ihn fürs Erste auch ablenken.

„Nein, ist es nicht.“ beantwortete Aidan die Frage schließlich kühl. „Ich entscheide, wann ich den Service ausweitere und wann nicht. Das ist meine Sache.“

„Nun ja, ich bezahle nur für die Dinge, die im Vertrag stehen. Dort ist alles festgelegt, wozu ich Sie benötige. Etwas von Bettwärmer stand glaube ich nicht dabei.“ Jeremy hievte seinen Koffer auf die Matratze und begann ihn auszupacken. Wie immer waren alle Kleidungstücke fein säuberlich angeordnet. Links oben die Unterwäsche, darunter die Hosen, rechts oben die Hemden und darunter die Socken. Gürtel waren ordentlich zusammen gerollt und bildeten das Zentrum.

Aidan schnaubte. „Von Geld hat niemand etwas gesagt. Ich bin keine Nutte.“ Er wirkte weniger freundlich als vorher. „Aber wie – Sie – wünschen.“ Er packte seinen eigenen Koffer aus. Was dachte sich dieser schäbige Blödmann eigentlich? Als hätte er sonst die Chance, an einen wie ihn heranzukommen. Wenn man sich schon einen Begleiter mieten musste, sagte das viel aus.

„Die richtige Bezeichnung in Ihrem Fall wäre Stricher.“ bemerkte Jeremy nebenbei und sortierte seine Sachen in den großen Schrank.

„Wenn es Ihnen hier zu langweilig wird, können Sie auch gern etwas herum laufen. Es macht mir nichts aus. Wir müssen nicht für drei Tage aufeinander kleben.“

„Bevor ich mir weiterhin Ihre Gesellschaft antue, sollte ich das vielleicht wirklich.“ Aidan ging zur Tür. „Frohes Schaffen noch.“ Dann war er auch schon verschwunden.

Jeremy beachtete den Abgang seines Begleiters gar nicht weiter. Nach dem Auspacken setzte er sich erneut an den PC und versuchte sein Glück.

Lange währte die Ruhe jedoch nicht. Es klopfte alsbald wieder an der Kabinentür. Gerade einmal eine halbe Stunde war vergangen.

„Wo bin ich hier? Im Wald unter Spechten? Kann man nicht mal zwei Minuten alleine sein?“ Sichtlich wütend stapfte er zur Tür, riss sie auf und stöhnte bei Mitchs Anblick auf.

„Nein, nicht du.“

„Doch, ich bin es, mein Schatz, du bist wie immer sehr charmant.“ Er grinste frech. „Aber sollte ich stören, kann ich gern...“ Sein Blick irrte an Jeremy vorbei durchs Zimmer. Resolut schubste er seinen Freund zur Seite und trat ein. „Wo zum...“ Er öffnete die Badezimmertür. „Aber...nein.“ Mit einem Stöhnen ließ er sich aufs Bett fallen. „Sag mir nicht, er ist schon über Bord gesprungen...“

„Das kann ich dir leider nicht beantworten. Er ist vor einiger Zeit spazieren gegangen, nachdem er versucht hat mich anzugraben.“ Er klang empört und vorwurfsvoll, als wäre das alles Mitchs Schuld. War es im Grunde auch.

„Er hat...?“ Mitch schloss die Augen. „Und warum...warum, zum Donnerwetter, liegst du jetzt nicht mit der Kippe danach im Mundwinkel zusammen mit diesem jungen Gott im Bett?! Warum hockst du vor deinem Laptop und er ist sonst wo?!“

„Ich weiß, du würdest ihn sofort anspringen, aber ich bin nicht daran interessiert. Er ist mein Begleiter, der mir auf deiner Party zur Seite steht, mehr nicht. Außerdem rauche ich nicht.“ Jeremy war völlig ruhig und erklärte die Umstände ganz sachlich.

„Verdammt, was ist denn nur los mit dir?!“ Mitch schien regelrecht die Fassung zu verlieren, „Meinst du, dass dich ein bisschen Spaß umbringt?! Guck dir den Kerl doch mal an! Klar bezahlst du ihn, aber sonst würde er einen wie dich doch mit dem Arsch nicht angucken!“ Eine ziemlich heftige Beleidigung, die er nicht einmal zu registrieren schien. „Scheiße, Jeremy, du bist irgendwann ganz allein, wenn du so weiter machst! Und du hast noch nicht einmal einen Hund, der deine Leiche anfressen könnte, wenn du plötzlich in deinem Haus tot umfällst und es erst nach Monaten jemand merkt!“

„Du bist mal wieder sehr dramatisch, Mitch.“ Natürlich wusste Jeremy, dass sein Freund sich nur Sorgen um ihn machte, aber so übertreiben musste er nicht.

„Hör zu, die Sache ist die: Ich komme bei meinem neuen Drehbuch nicht einen Schritt voran, mir fehlt die Inspiration. Aber ich habe nicht alle Zeit der Welt. Mir sitzt mein Agent im Nacken und es gibt bereits diverse Interessenten. Ich kann Spaß haben, aber zu seiner Zeit. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“

„Darf ich dich mal was fragen?“

Jeremy sah ihn an.

„Was denn?

„Wenn du doch nicht voran kommst, warum lenkst du dich nicht einmal ein wenig ab.“ Mitch lächelte. „Junge, ich mache mir Gedanken über dich. Du musst arbeiten, um zu leben, nicht leben, um zu arbeiten. Warum lässt du dich nicht einfach mal darauf ein? Du musst dich nicht in diesen Mann verlieben, aber wenn er dir anbietet, dir ein bisschen Freude zu schenken...“

„Ich bin an One-Night-Stands nicht interessiert.“ murrte der Brünette und wandte sich ab.

„Die Sache mit Richard ist erst ein halbes Jahr her. Ich will mich nicht schon wieder binden.“

„Binden nennst du das? Du hast diesen Mann quasi mit deinem Laptop betrogen. Er hatte nie etwas von dir.“

„Das stimmt doch gar nicht. Wir haben viel unternommen. Ich habe ihn sogar mit zum Set genommen, weil er das unbedingt mal sehen wollte.“ Ganz über die Trennung war er noch nicht hinweg. Es war so unerwartet gekommen. Dass all seine Beziehung mit der gleichen Begründung kaputt gingen, schien Jeremy gar nicht zu realisieren. Er sah nur immer wieder den schmerzvollen Betrug.

„Was willst du eigentlich von mir, Mitch? Ich bin kein Partylöwe oder Flirtguru wie du.“

„Ich will, dass du ein wenig lebst. Einmal zumindest. Vielleicht zeigt dir das mal, was du falsch machst.“ Mitch stand auf und umarmte Jeremy. „Ich mag dich und ich will nicht zusehen, wie du dich kaputt machst. Du hast jede deiner Beziehung hinter die Arbeit gestellt. Jede. Richard hat mit mir gesprochen, wusstest du das? Wie einsam er sich in deiner Gesellschaft gefühlt hat...das hat er mir gesagt.“

„Mit mir hat er darüber nie gesprochen. Aber er hatte dann ja genug Gesellschaft.“ Seine Worte waren wesentlich leiser als zuvor. Enttäuscht, verletzt, bitter.

„Wir hätten darüber reden können, wenn er nur zu mir gekommen wäre.“ Jeremy löste sich von Mitch und fuhr sich durch die kurzen Haare. Die Trennung hatte ihn damals schwer mitgenommen. Konnte er seit dem nicht mehr schreiben?

„Du merkst wohl gar nicht, wie du dich den Leuten gegenüber benimmst, was?“ Mitch schmunzelte. „Ich wette, du hast Aidan regelrecht vergrault, hm? Er ist es sicher nicht gewohnt, abgewiesen zu werden.“

„Er ist zu empfindlich. Ich habe ihm nur angeboten, er könne etwas spazieren gehen, damit er nicht die ganze Zeit im Zimmer hocken und mir beim Schreiben zusehen muss. Er schien beleidigt zu sein.“ Jeremy klappte den Laptop zu.

„Also gut. Wenn du mir versprichst, mir jetzt nicht länger in den Ohren zu liegen, komme ich mit dir raus und...amüsiere mich.“

„Das ist ein Angebot. Und vielleicht suchst du auch deinen charmanten Begleiter und hältst ihn davon ab, hier Rose zu spielen und sich von der Reling zu stürzen. Wir sind hier nicht auf der Titanic.“ lachte Mitch.

„Er wirkte auf mich eher selbstbewusst, denn lebensmüde.“ grinste Jeremy und suchte sich frische Sachen aus dem Schrank, die er am Abend tragen konnte.

„Das muss er ja auch. Wer weiß, mit wem er sich sonst so zeigen muss, da bist du sicher ein echter Gewinn.“ Der graumelierte Mann schlug ihm auf den Rücken. „Ich will dich heute Abend mit ihm tanzen sehen.“

„Ich kann nicht tanzen, Mitch. Das hast du selbst schon zu spüren bekommen.“ Er warf seinem Freund einen vielsagenden Blick zu und knöpfte sein Hemd auf.

„Der würde dich schon zu führen wissen.“ Der Produzent legte ihm die Hand auf die Schulter, er schien wieder die Fassung gewonnen und seinen anzüglichen Humor wieder gefunden zu haben. „Liegst du eigentlich im Bett eher unten oder oben? Bei ihm wäre sicher beides eine Erfahrung für sich.“

„Mi~tch. Fang nicht wieder damit an.“ Er stieß seinen Ellenbogen in die Rippen des Anderen und zog die Brauen zusammen.

„Im Übrigen ist es mir egal. Richard mochte beides, also haben wir uns abgewechselt.“

„Dann ist das ja kein Problem, egal welche Vorlieben Superboy hat.“ Mitch ging schnell außer Reichweite. „Also ab mit dir ins Vergnügen! Und such deinen Süßen!“ Er öffnete die Tür übertrieben feierlich.

Jeremy trat genervt auf den Gang und sah sich um.

„Und wie finde ich aus diesem Labyrinth heraus?“

„Du und dein Orientierungssinn.“ Mitch schnappte ihn sich bei der Hand und zog ihn mit sich. Er stellte Jeremy dann am Zugang des Sonnendecks ab und verabschiedete sich, da noch Vorbereitungen für die Party am Abend anstanden.

Jeremy schlenderte an der Reling entlang und hielt nach Aidan Ausschau. Sie hatten abgelegt, ohne dass er es mitbekommen hatte. Der Seewind strich ihm über das Gesicht und schlüpfte unter seine Kleidung.

Ein Stück weiter entdeckte er den Schwarzhaarigen auf einem Liegestuhl.

„Hier bist du also.“

Aidan hatte sein Hemd ausgezogen und es über den Stuhl gehängt. Seine Haare bewegten sich leicht im Wind. Neben seinem Liegestuhl stand ein bunter Drink mit Schirmchen auf einem Tisch. Es war deutlich erkennbar, dass mehr als eine Frau zu ihm hinüber sah. Ohne sein Hemd konnte man nun auch die Tätowierung auf seiner rechten Brust sehen. Ein Tribal.

„Ist dein Laptop kaputt?“ Allerdings lächelte er dabei.

„Nein, Mitch hat den Stecker gezogen, wenn du so willst.“ Jeremy setzte sich ans Fußende und gab einem Kellner ein Zeichen. Nach einer kurzen Bestellung verschwand der junge Mann wieder und der Brünette blinzelte Aidan gegen die Sonne an.

„Richtig von ihm. Er weiß eben, was gut für dich ist.“ Der Mann lächelte und fasste unter die Liege. Er holte eine Flasche mit Sonnencreme hervor. „Würdest du?“ Er drehte sich dabei schon auf den Bauch.

„Hm..“ Jeremy nahm die Flasche entgegen und öffnete den Deckel mit einem Klicken. Die Sonnencreme war kühl auf seiner Handfläche. Mit einem gehässigen Grinsen klatschte er sie auf Aidans Rücken.

Dieser sog die Luft ein. „Hey!“ Doch er lachte. Ein paar Frauen wandten entnervt den Kopf ab, einige jedoch sahen nun noch viel interessierter hin.

„Was? Du hast mich darum gebeten, ‚Schatz’.“ lächelte der Brünette zuckersüß und begann nun kräftig die Creme einzureiben.

„Lass meine Haut dran, du Ochse!“ grinste Aidan, schloss dabei aber die Augen. „Du kannst ja witzig sein. Na ja, als Drehbuchautor solltest du das. Oder schreibst du nur Dramen?“

„Nein, im Moment arbeite ich an einer Romantikkomödie, aber es will mir nicht so recht gelingen. Ich kann Romantik nicht viel abgewinnen, aber wollte einmal was Neues probieren.“ Er verlangsamte seine Bewegungen und spritze noch etwas Sonnencreme auf den blanken Rücken.

„Du kannst Romantik nicht viel abgewinnen? Vielleicht ist es gut, dass wir diese Tage zusammen verbringen.“ Aidan streckte sich genüsslich unter Jeremys Händen. „Ich kann dafür sorgen, dass es eine romantische Zeit wird, wenn du willst...“

„Ich verstehe nicht, warum die Leute so wild auf diesen ganzen Kram sind. Dieses ganze kitschige Gehabe geht mir eher auf die Nerven, als dass ich es interessant finde. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich mein Skript nicht fertig bekomme. Ich sollte eine einfache Komödie daraus machen.“ Noch einige letzte Züge, dann waren Rücken, Schultern und Oberarme geschützt gegen die Sonne.

Aidan setzte sich wieder auf und legte dem Mann die Hand auf den Hinterkopf. „Du hast vielleicht nur noch nicht den Richtigen gefunden, mit dem du Romantik erleben willst.“ Sprach es und beugte sich vor, um ein wenig an Jeremys Lippen zu knabbern, es war ein angedeuteter Kuss, eher eine Einladung dazu.

Sofort ruckte der Andere zurück.

„Du hast selbst gesagt, keine Küsse. Es war vereinbart, dass es keine Zärtlichkeiten oder Berührungen gibt.“ zischte er und sah sich um. Es war klar, dass es einige gesehen hatten. Jeremy war nicht jemand, der mit seiner Sexualität Probleme hatte, trotzdem musste das nicht mit einem Fremden sein, den er gerade mal ein paar Stunden kannte.

Der Kellner kam mit seinem Drink und er setzte sich auf einen Liegestuhl zu Aidans Rechten.

„Und ich sagte, dass ich meine Regeln selbst mache. Aber wie du willst, es war nur ein Angebot.“ Aidan nippte an seinem Getränk.

Sie verblieben eine ganze Zeit schweigend. Jeremy war angefressen und starrte auf den Ozean. Das Rauschen der Wellen gepaart mit den Stimmen der Passagiere lullte ihn ein, wie die Nachtmusik einer Babyspieluhr.

Langsam begannen sich hinter seinen geschlossenen Lidern Bilder zusammenzusetzen. Erst waren es nur Situationen, wie es sie auf diesem Schiff wahrscheinlich geben würde. Dann waren es ganze Szenen, ein richtiger kleiner Film bildete sich.

Das war es! Seine Ideen flossen und die Quelle schien das Kreuzfahrtschiff selbst zu sein mit all den Passagieren, der Besatzung.

„Titanic.“ murmelte er vor sich hin und in seinem Kopf bildete sich ein Untergangsszenario. Doch das schien ihm unpassend. Von einer Schiffsentführung über Schiffbruch und Zeitsprünge, gelang er immer mehr zu seiner alten Kreativität zurück.
 

Der große Festsaal des Schiffes war prunkvoll, schon beinahe etwas kitschig, geschmückt. Hunderte Kerzen und mehrere prachtvolle Kristalllüster spendeten warmes Licht, eine Kapelle spielte auf.

Dieser Abend sollte traditionell sein, ein Begrüßungsfest quasi, während der Geburtstag am nächsten Tag deutlich peppiger ausfallen sollte. Denn Mitch war zwar schon Mitte Vierzig, aber immer noch hipp. Das betonte er selbst oft genug.

Aidan hatte seinen besten Smoking an, als er die Halle betrat. Jeremys Freund hatte den Pomp so weit getrieben, dass an der Treppe ein Ausrufer, wie zu Zeiten der alten Könige, den Ankommenden vorstellte.

„Jeremy Owens und Begleitung!“ brüllte der Mann lautstark und klopfte mit dem Stock auf, den er in der Hand hielt.

„Das ist albern.“ knurrte der Brünette gerade und stieg die Treppen hinunter. Es war ihm peinlich, dass plötzlich aller Augen auf ihn gerichtet waren. Oder zumindest einige. Diese Aufmachung war so typisch Mitch!

„Ich wette, er macht das nur, damit gleich alle sehen, welche Berühmtheiten er eingeladen hat.“

„Er ist ein kleiner Angeber, aber eigentlich doch wirklich nett.“ Aidan knuffte ihn in die Seite. „Außerdem kannst du dir was darauf einbilden. Du wurdest nicht „und Begleitung“ genannt.“

„Nun ja, es ist wohl nicht so, als würdest du in Hollywood groß Karriere machen wollen. Da ist es nicht wichtig den Namen zu kennen.“ Sie hatten den Fuß der Treppe erreicht und wurden sofort mit einem Sektglas bedacht. Jeremy schnappte sich auch gleich ein paar Odoevre von einem vorbeiziehenden Tablett.

„Hoffentlich wird das Büffet bald eröffnet, ich hab Hunger.“

„Du hast es gut.“ Aidan betrachtete das Appetithäppchen. „Wenn ich das esse, bringt mein Personal Trainer mich um. Ich lebe nach einem Ernährungsplan.“ Seine Hand strich über seinen flachen Bauch. „Das kommt nicht von ungefähr...“

„So was ist doch idiotisch. Man quält sich, gönnt sich kein ordentliches Essen und in ein paar Jahren ist man doch so verbraucht, dass es niemanden mehr interessiert, wie man aussieht. Ich achte zwar auch auf mein Aussehen, aber trotzdem esse ich, was ich will.“ Jeremy lächelte Aidan an und biss genüsslich in sein Häppchen.

„Du verdienst mit deinem Aussehen auch kein Geld.“ knurrte Aidan etwas grantig. Die Häppchen sahen zu gut aus. „Was meinst du, wie oft ich für Poolpartys gebucht werde. Ich bin so schon täglich fast fünf Stunden im Studio, aber ohne die richtige Ernährung ist das trotzdem nichts.“

Jeremy schob sich seelenruhig das nächste Stück in den Mund.

„Selbst Schuld. Man könnte ja auch einen ordentlichen Beruf erlernen, in dem das Aussehen nicht zählt.“ Diesen Fitnesswahn verstand der Brünette überhaupt nicht. Er mochte es auch nicht immer schöner, dünner, künstlicher.

„Statt dich fünf Stunden im Studio zu verausgaben, solltest du vielleicht mehr lesen. Ich hab gehört, das verbraucht auch sehr viel Kalorien. Also, wenn man sein Gehirn benutzt, meine ich.“

Aidan lächelte ihn süffisant an. „Weißt du was? Wenn es mir mein Vertrag nicht verbieten würde, würde ich dich jetzt mal dezent Arschloch nennen und dir einen Drink ins Gesicht kippen.“

Jeremy grinste und nippte an seinem Sekt.

„Ich dachte, du machst deine eigenen Regeln? Wie auch immer, ich muss ein paar Leuten die Hände schütteln gehen. Werbung machen, du weißt schon.“

„Meinen Job und Ruf zu verlieren, das bist du nicht wert.“ Er lächelte immer noch, aber in seinen Augen flackerte Wut. „Geh ruhig. Ich stelle mich in eine Ecke und versuche mein Gehirn mal zu benutzen, vielleicht geling es mir ja.“

„Zusätzliches Training ist immer gut.“ schmunzelte Jeremy und ging von dannen. Er hatte schon diverse einflussreiche Produzenten und Agenten gesichtet, auf die er nun zusteuerte. Er hasste es zwar, aber anders würden sich seine Drehbücher nicht verkaufen.

Aidan entdeckte Mitch und gesellte sich zu ihm. Er wartete, bis dieser mit seinen Gästen fertig war.

„Ihr Freund ist wirklich wundervoll. Er weiß, wie man auf jemandem rumtrampelt. Kein Wunder, dass er allein ist. Ist er immer so?“

„Leider ja, dabei meint er es eigentlich nicht so. Irgendwann muss Jeremy das Taktgefühl und Einfühlungsvermögen abhanden gekommen sein.“ Der Gastgeber trank von seinem Weinglas und beobachtete, wie sein Freund lächelnd und sichtlich bemüht, freundlich mit einigen Investoren redete.

„Wissen Sie, ich bin nicht zimperlich. Aber ich frage mich, warum er mich bucht, wenn er dann mit mir redet, als sei ich ein besserer Kleiderständer. Er tut, als sei ich dämlich.“ Aidan lachte leise und nippte an seinem Sekt.

„Nun, um ehrlich zu sein, habe ich ihn dazu genötigt auf diese Party zu kommen. Und da es mit Begleitung ist und Jeremy niemanden hatte, der mit ihm mitgekommen wäre, habe ich ihm die Nummer der Agentur gegeben. Du hättest mal sehen sollen, wie er sich dagegen gesträubt hat. Wie ein Vampir das Tageslicht scheut, so scheut Jeremy Menschen. Es ist wie verhext. Ich kenne ihn jetzt schon sechs Jahre, aber glaubst du, wir waren mal gemeinsam auf einer Party, die freiwillig war? Also ohne Presserummel und so.“ Mitch seufzte tief und schüttelte den Kopf.

„Nicht einmal. Er ist ein armes Würstchen, obwohl er wirklich nicht schlecht ausgestattet ist. Der Männerwelt entgeht etwas. Um zum Thema zurückzukommen...es hätte jeden in der Agentur treffen können. Du warst wahrscheinlich nur der Erstbeste.“

„Der Erstbeste. Noch so ein schönes Kompliment.“ Aidan lächelte ihn auf eindeutige Weise an. „Ich bin DER Beste dort...“ Er kam etwas näher. „Vielleicht möchtest du ja, dass ich dir ein bisschen Gesellschaft leiste. Dein komischer Freund hat mich dermaßen frustriert, dass ich durchaus Zuspruch gebrauchen könnte.“ Der Schwarzhaarig schlug die Augen nieder.

„Oh, stell dich zehn Minuten frei in den Raum und dir liegen haufenweise Männer wie auch Frauen zu Füßen. Du kannst frei wählen, aber wenn dir das zu lange dauert...“ Er breitete die Arme aus und grinste.

„Es sei denn, du vögelst lieber in deiner eigenen Altersklasse. Aber dann entgeht dir ein guter Jahrgang.“

„Wie war das mit dem guten Wein...?“ Aidan stellte sein Glas ab und ließ dann ein Kondom aus seiner Smokingtasche aufblitzen. „Wo?“

Mitch lächelte sehr charmant.

„Folge mir.“ Er führte Aidan zu einer der Terrassen. Sie war nicht so groß, wie die anderen. Es waren nicht einmal Gäste dort. Dafür ein richtig kleiner Urwald an Palmen.

„Ich wollte es schon immer mal in freier Natur tun.“

Der Begleiter schaute nach einer Nische hinter den Pflanzen und winkte Mitch heran. Dabei leckte er sich schon über die Lippen.

„Dann sollten wir keine Zeit verlieren.“

Mitch öffnete bereits seine Hose.

„Ich warte nur noch auf mein Ziel.“

Aidan lachte auf. „Du bist kein Freund von Vorspielen, oder?“ Er öffnete seinen Gürtel und zog Hose und Unterhose gleichzeitig herunter. Hinter den Palmen war eine Wand. Der Schwarzhaarige stellte sich dagegen und beugte sich vor, streckte Mitch seinen perfekten Hintern entgegen.

„Meine Güte, Aid, du hast einen Arsch wie ein griechischer Gott.“ Der Ältere legte seine Hände auf die festen Backen und massierte sie eingehen.

„Wow, ich bin im Himmel. Dann gib mal dein kleines Wundertütchen her.“

Aidan ließ sich nicht lange bitten. Er reichte dem Anderen das Kondom. Extra feucht und sogar speziell für Analverkehr geeignet.

Der Grauhaarige riss die Verpackung auf und streifte sich das Latex über. Kurz musterte er den Aufdruck des Tütchens.

„Gute Marke, nehm’ ich selbst gern ab und zu.“ Ungeachtet, wohin es fallen würde, warf Mitch es weg und packte Aidan bei den Hüften.
 

Endlich hatte er sich aus der Mitte der Schakale befreit. Jeremys Gesichtsmuskeln taten schon weh vom vielen Lächeln. Diese aufgesetzte Höflichkeit war ihm zuwider. Aber trotzdem war es nötig. Dafür hatte er sich jetzt eine Auszeit verdient. Dagegen würde nicht einmal Mitch etwas tun können! Diesen hatte er sowieso schon einige Zeit nicht mehr gesehen. Aber sein alter Freund flitzte wohl zwischen den Gästen herum und bereitete alle auf die große Feier am nächsten Abend vor.

Mit einem neuen Glas Sekt in der Hand trat er auf die Terrasse und atmete die frische Seeluft ein. Es war sternenklarer Himmel, keine einzige Wolke. Erleichtert aus der Menschenmenge heraus zu sein, lehnte er sich gegen die Reling und sah auf das schwarze Wasser hinaus.

Ein Rascheln ließ ihn aus seinen Gedanken schrecken. Verwirrt blickte er sich um und bemerkte erst jetzt die vielen Palmen. Sollten wohl ein Gefühl von Karibik vermitteln.

Allerdings wackelten einige Blätter, und ganz bestimmt nicht vom Wind.

Jeremy trat neugierig, aber möglichst unauffällig, näher. Jetzt hörte er sogar leises Stöhnen.

„Das darf doch nicht wahr sein. Es gibt hier doch wirklich genug Kabinen auf dem Schiff.“ murmelte er und schüttelte den Kopf. Als er auf etwas trat, bückte sich der Brünette und hob ein leeres Kondomtütchen auf. Bei näherer Betrachtung fielen ihm fast die Augen aus.

‚Besonders gut für Analverkehr geeignet’ prangte in kleinen Lettern darauf. Auch das Stöhnen schien ihm vertraut.

‚Mitch...du wirst doch wohl nicht auf deiner eigenen Party...’ dachte er und schob einen Palmwedel beiseite. Tatsächlich, es war sein Freund, der sich da gerade wie ein brünstiger Eber über einen jungen Mannes hermachte.

Jeremy wollte sich schon abwenden und den Beiden ihre Privatsphäre lassen, da fiel sein Blick auf das Profil des Schwarzhaarigen, der dort so lasziv stöhnte. Vor Schreck fiel Jeremy das Glas aus der Hand und zersprang auf dem Boden.

„Aidan?“

Der junge Mann zuckte zusammen und wandte erschrocken den Kopf um.

„Jeremy!“ keuchte er und wusste noch nicht einmal, warum das so panisch und vor allem verschämt klang. Er war nicht prüde.

„Schlechtes Timing...ganz schlecht...“ keuchte Mitch, es klang erschrocken und ein wenig reumütig.

Der Brünette konnte nur auf das Bild starren, was sich ihm dort offenbarte. Wie oft hatte er es schon gesehen? Zweimal? Dreimal? Das letzte Mal bei Richard.

Wortlos und stocksteif drehte er sich um und ging wieder in den Ballsaal. Allerdings durchquerte er ihn und rannte schließlich fast schon die Treppe hinauf. Niemals hätte er gedacht, dass Mitch ihm das antat. Sein bester Freund.

Da er davon ausgehen konnte, dass Aidan irgendwann in ihr Zimmer zurückkehren würde, verschwand Jeremy nur kurz darin, holte seine Tasche und den Laptop und verzog sich in die hinterste Ecke des Schiffes. Arbeiten war immer noch die beste Lösung für jedes Problem.
 

Aidan nestelte an seiner Hose und schloss sie, während Mitch noch hinter den Pflanzen stand.

„Nun kommt schon, du kannst doch nicht einfach...“

„Ich hab keine Lust mehr.“ Der Gesichtsausdruck Jeremys hatte ihn zutiefst verstört. Er hatte ausgesehen wie ein betrogener Geliebter.

„Aidan! Lass mich hier nicht so stehen. Was soll ich denn...“ Aber der Schwarzhaarige war schon wieder auf dem Weg in den Festsaal.

Ärgerlich lehnte sich Mitch gegen die Wand.

„Na prima, Jeremy, jetzt hast du mir den vielleicht geilsten Fick meines Lebens versaut.“ Trotzdem konnte er seinem Freund nicht wirklich böse sein. So lief es nun mal in Hollywood. Die einen kamen hoch hinaus, die anderen wurden stehen gelassen, mit offener Hose und einem Mordsständer. Da hieß es Eigeninitiative und retten, was noch zu retten war.
 


 

~~~
 

So, dies war das erste Kapitel der neuen Story. Ich hoffe, es hat gefallen und ihr schreibt tüchtig Kommis, das spornt doch sehr an. Von allen RPGs, die ich bis jetzt geschrieben habe, ist das eines meiner liebsten. Ich kann auch nicht genau sagen, warum. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich manchmal in Jeremy wiederfinde und ich ihn einfach nur liebe! Dieser verbohrte, aber doch so hilflose Kerl ist einfach zum Knuddln ^^

Bin gespannt, wer euch am Meisten zusagt *g*

Act 2

Kreuzfahrt mit Folgen
 


 

Der Morgen graute über der S.S. Athena. Aidan lag in seinem Smoking ausgestreckt auf dem Bett. Die Lage sah eher ungemütlich aus, wie einfach eingepennt.

War er wohl auch, wenn man die leere Weinflasche auf dem Nachttisch bedachte. Er schnarchte leise.

Die Türklinke wurde herunter gedrückt und Jeremy schlüpfte in den Raum. Er sah nicht einmal in Aidans Richtung, sondern verstaute gewissenhaft seine Tasche und legte den Laptop auf den Tisch.

Im Bad zog er seine reichlich zerknitterten Sachen aus und den Pyjama an. So laut, wie der Mann schnarchte, würde er in tausend Jahren nicht aufwachen. Also schob er ihn mühevoll beiseite, damit er auch noch Platz unter der Decke fand.

Doch er hatte sich geschnitten. Als Aidan zur Seite gedrückt wurde, öffnete er die Augen und schmatze kurz auf. Verstört sah er sich um.

„Jeremy...?“

Der Angesprochene antwortete nicht, sondern drehte sich nur auf die andere Seite und zog die Decke höher. Es war schon spät – oder früh – er wollte jetzt nur noch schlafen.

„Wo warst du?“ Aidan legte ihm die Hand auf den Oberarm.

„Ich habe gearbeitet.“

„Die ganze Nacht? Es dämmert draußen.“ Aidan hatte leichte Kopfschmerzen, er trank selten viel.

„Ich kann nachts am besten schreiben. Würdest du mich jetzt also bitte schlafen lassen?“ Demonstrativ kuschelte er sich tiefer ins Kissen und schloss die Augen, auch wenn Aidan das nicht sehen konnte.

Der Schwarzhaarige presste die Lippen aufeinander. „Okay...wenn du meinst.“ Er drehte sich zur Seite, der Anzug war sowieso ruiniert. Also konnte er auch noch etwas schlafen.

Jeremy atmete einmal tief durch und schob dann alle Gedanken beiseite. Erst als die Sonne aufgegangen war, schlief er endlich ein.
 

Es war fast Mittag, Aidan hatte sich längst erhoben und frisch gemacht. Er war wieder die adrette Erscheinung, als die man ihn kannte. Die Haare frisiert, ordentlich rasiert, gekleidet in ein schlichtes, aber teures Shirt und dunkle Jeans.

Da sein Kunde immer noch wie ein Baby schlief und Aidan langweilig war, setzte er sich an den Laptop, rief die Datei auf, an der Jeremy eben arbeitete und las.

Zwei Stunden später erwachte auch Dornröschen aus seinem Schlaf und streckte sich ausgiebig. Das Bett bot genügend Platz, Aidan war also aufgestanden.

Nach einer weiteren viertel Stunde setzte er sich auf und blickte verschlafen durch das Zimmer. Bis er Aidan an seinem Laptop entdeckte.

„Was machst du da?“ Jeremy sprang auf und rannte zu ihm. Viel zu hart klappte er den Deckel zu und sah den Schwarzhaarigen wütend an.

„Was erlaubst du dir! Das ist mein Privatbesitz.“

Aidan war zusammengezuckt, Jeremy hatte ihm fast den aufs Touchpad gelegten Finger eingeklemmt.

„Ich hab doch nur gelesen! Das ist gut!“

„Das geht dich nichts an! Es ist nicht fertig! Niemand bekommt meine Manuskripte zu lesen, bevor sie fertig sind. Wag es nie wieder, dich an meinem Eigentum zu vergreifen!“ Jeremy schnappte das Notebook und legte es in den Safe.

„Du tust ja gerade so, als hätte ich dir was geklaut!“ fauchte Aidan. „Du hast sie echt nicht mehr alle! Ist das jetzt die Retourkutsche für gestern Abend?“

„Mir ist egal, was gestern Abend war.“ schrie Jeremy zurück und stürmte ins Bad. Er hatte einen schlechten Geschmack im Mund und wollte ihn los werden.

Aidan folgte ihm, blieb aber in der Tür stehen.

„Ach ja? Ist es das? Du hast mich gestern angesehen, als hätte ich dir das Herz gebrochen! Was hast du von mir erwartet?! Du hast mich zum Kleiderständer degradiert, als dumm bezeichnet und dann auch noch stehen lassen!“

„Du bildest dir sehr viel auf deinen ach so trainierten Körper ein. Du bist nicht einmal mein Typ, wie solltest du mir da das Herz brechen?“ Er packte die Zahnbürste und drehte sich um, den Bürstenkopf direkt auf Aidan gerichtet, als wolle er ihn damit erstechen.

„Hör zu, du bist nichts weiter als ein Edelstricher oder Callboy, den man buchen kann, um seinen Spaß zu haben. Aber wenn du deinen Spaß haben möchtest, dann bitte nicht auf meine Kosten! Lass dich von Mitch mieten, so lange du willst, aber dann auch von seinem Geld!“

Aidan lachte kurz auf. Die folgenden Worte sprach er betont, jedes für sich allein, mit einer kaum merklichen Pause.

„Du erbärmliche, bemitleidenswerte, verklemmte, unsympathische kleine Ratte. Was denkst du eigentlich, wer du bist? Nur weil ich weiß, wie man sein Leben genießt, bin ich noch lange kein Edelstricher. Und selbst wenn, wäre das meine Sache. Ich habe von Mitch kein Geld genommen und von dir hätte ich dafür auch nichts verlangt, du arrogantes Aas. Aber im Gegensatz zu dir, der du ja scheinbar Angst davor hast, dich mal zu amüsieren, will ich ein bisschen Spaß! Und da du mir ja partout die Laune verderben wolltest, musste ich mir eben jemanden suchen, der nicht meint, von seinem hohen Ross auf mich herabsehen zu müssen!“

„Als ob du dir ein Urteil über mich bilden könntest. Und jetzt verschwinde! Unser Vertrag ist aufgehoben, ich werde mich bei deiner Agentur über dich beschweren und dann kannst du sehen, von wem du das Geld bekommst. Hier wirst du nicht bleiben und wenn du im Maschinenraum schlafen musst, das ist mir egal.“ Jeremy redete sich richtig in Fahrt, doch plötzlich schien bei ihm die Notbremse zu gehen. Er war ganz ruhig, machte einen Schritt auf Aidan zu und schloss einfach die Tür vor seiner Nase, die Augen fest in seine verankert.

Der Schwarzhaarige starrte die Tür an und wusste nicht, was er sagen sollte. Was war denn das eben gewesen?!

Dieser Blick....

Aidan schüttelte den Kopf. Das war gründlich in die Hose gegangen. Die Agentur würde sich freuen. Und das passierte ausgerechnet ihm. Er drehte sich um und ging zum Schrank, packte langsam seine Sachen ein.

Er hatte gerade den Koffer voll, da kam Jeremy wieder aus dem Bad gestürmt, holte Tasche und Laptop und verschwand aus dem Zimmer. In der Tür rannte er fast gegen Mitch.

„Guten Morgen, Jeremy.“ lächelte der Mann freundlich, obwohl in seinen Augen etwas Wachsames lag. Der Brünette blickte seinen Freund nur einige Sekunden bitterböse an, dann drängte er sich wortlos vorbei und verschwand den Gang entlang.

Mitch seufzte tief und schloss die Tür hinter sich.

„Huch, was ist denn hier los? Was sollen die gepackten Koffer, dir ist schon bewusst, dass du dich auf einem Schiff befindest?“

Aidan machte ein missmutiges Geräusch. „Ich brauche eine Kabine. Er hat mich rausgeschmissen. Und die von der Agentur werden wohl das Gleiche tun...“ Er klappte seinen zweiten Koffer zu. „Wie konnte ich nur so unprofessionell und unvorsichtig sein?! Verdammte Scheiße!“

Die Wut auf sich selbst suchte ein Ventil und fand es in dem Koffer. Der Reisebehälter wurde gegen die Wand geschleudert, verteilte dabei seinen Inhalt auf dem Boden.

Mitch legte den Kopf schief.

„So wirst du nie fertig.“ Ein wütender Blick von Aidan ließ ihn die Hände heben.

„Schon gut, war ein schlechter Scherz. Aber warte ruhig noch mit dem Packen. Ich werde mit Jeremy reden. Das gestern war unüberlegt und dumm von mir. Du konntest es nicht wissen und ich...ich habe wohl im Eifer des Gefechts auch nicht daran gedacht.“ Der Mann mit den grauen Schläfen setzte sich aufs Bett und schlug ein Bein über.

„Ich sorge schon dafür, dass alles wieder ins Lot kommt.“

„Hör zu...“ Aidan ging wie ein eingesperrtes Tier im Raum auf und ab. „Ich weiß, ich habe dich verführt, ich war einfach sauer über sein Verhalten und es tat gut, wie du mich begehrt hast.“ Er fuhr sich durch die Haare. „Ich weiß auch, dass du sicher wie er denkst, dass ich nicht viel mehr als ein Edelstricher bin, aber das ist mir egal. Wenn er das tut, was er mir angedroht hat, ruiniert er meine Karriere! Ich liebe meinen Job, egal was die Leute über mich denken. Ich bin kein Callboy, sondern die Nummer eins unter den schwulen Begleitern dieser verdammten Agentur! Selbst Frauen buchen mich oft! Er darf mir das nicht kaputt machen! Nicht einer wie er!“

„Hat er dich als Stricher bezeichnet?“ Das schien Mitch zu amüsieren, doch er wurde schnell wieder ernst.

„Ich halte dich nicht für einen Callboy und Jeremy auch nicht. Selbst wenn er das gesagt hat, es hilft ihm über seine Wut hinweg. Und du kannst dir sicher sein, dass er keine Gefahr für deine Karriere ist. Jeremy beschwert sich nicht mal im schlechtesten Restaurant über das Essen, obwohl man es ihm ohne weiteres zutraut. Er will niemanden verletzen.“ Der Ältere grinste und stützte die Hände auf die Matratze.

„Ich weiß, er macht nicht den Eindruck. Aber noch einmal...mach dir keine Gedanken um deinen Job. Er hat dir nur gedroht, weil er wütend und verletzt war.“

Aidan atmete tief ein und theatralisch wieder aus. Er ließ sich neben Mitch aufs Bett sinken.

„Ich hab ihm weh getan...“

Er sah den Berg aus Klamotten an, auf dem der offene Koffer thronte.

„Ich hab ihm gestern Abend wirklich weh getan und ich weiß nicht einmal wie. Aber ich habe es in seinen Augen gesehen. Er hat doch nicht das geringste Interesse an mir.“

„Das weiß ich nicht. Aber du bist sicherlich nicht allein Schuld. Ich habe ihn genauso betrogen, obwohl ich genau weiß, dass er das nicht erträgt.“ Mitch machte eine Pause und schien zu überlegen.

„Weißt du, Jeremy hatte in den letzten zehn Jahren vier Beziehungen. Und seine drei letzten endeten alle gleich. Er erwischte seinen Freund mit einem Anderen im Bett. Es ist nicht etwa so, dass er sich die falschen Kerle aussucht, es ist eher das Gleiche wie in deinem Fall. Er ist ein Workaholic und vergisst darüber gern mal alles andere. Seine Ex-Freunde fühlten sich alle vernachlässigt und ungeliebt. Vor allem Richard, ein wirklich lieber Kerl. Sehr sensibel und anhänglich, überhaupt nicht der Typ Fremdgeher. Es ging auseinander, als ihn Jeremy mit einem Stuntman am Set erwischt hat. Das ist ein halbes Jahr her und ich glaube, er ist darüber noch nicht hinweg.“

„Es gibt wirklich schwule Stuntmen?!“ Jetzt war es an Aidan, schnell abzuwiegeln. „Sorry, war unpassend...trotzdem, du kannst ihn und mich nicht vergleichen. Ich liebe meinen Job, aber das auch nur, weil er nicht mein Leben auffrisst. Ich gehe auf tolle Partys, ich lerne die interessantesten Leute kennen und kriege dafür sogar Geld. Vielleicht muss ich mich dafür quälen - ich hätte Jeremys gestern töten können, als er mir diese Häppchen vor gegessen hat - aber ich tu es gern. Und ich kann sogar guten Sex haben, wenn ich es will. Er ist anders. Seine Arbeit treibt ihn von den Leuten weg. Wenn er zu allen seinen Freunden so war, wie zu mir in dieser kurzen Zeit, kann ich jeden einzelnen verstehen. Entweder er behandelt einen wie Luft...oder irgendwie von oben herab.“

„Ich weiß, ich konnte ihn am Anfang auch nicht leiden. Er ist die meiste Zeit des Tages unfreundlich und sarkastisch. Das wird noch schlimmer, wenn er eine Schreibblockade hat. Das Problem ist, Jeremy kann mit Menschen nicht kommunizieren. Auf dem Papier ist er ein Ass und in Gesprächen fehlt es ihm auch nicht an Worten, aber er kann weder auf Menschen eingehen, noch ihnen verständlich machen, wie er sich fühlt. Im Grunde ist er ein hoffnungsloser Fall. Man muss zwischen den Zeilen lesen, um ihn zu verstehen.“ Mitch stand auf und zupfte seine Hose zurecht.

Aidan sah zu ihm auf. Seine Augen hatten sich leicht verengt. „Bist du in ihn verliebt?“

Der Mann lachte und klopfte dem Schwarzhaarigen auf die Schulter.

„Nein, das bin ich nicht. Er ist eher wie ein kleiner Bruder für mich. Hilflos und weltfremd. Deshalb werde ich ihn jetzt mal suchen gehen.“

„Aber fass nicht seinen Laptop an, er beißt, wenn du das tust.“ Aidan grinste und stand auf. „Ich halte mich wohl noch fern. Da liegen Klamotten von mir rum, ich sollte aufräumen.“

„Ouh, böser Fehler. Kein Wunder, dass er dich rausschmeißen wollte. Sein Laptop ist ihm heilig! Aber noch mehr die Tasche. Dieses abgewetzte Teil ist einfach fürchterlich. Ich habe ihm sogar eine Neue geschenkt, super Design. Aber er bleibt bei der alten.“ Mitch zuckte mit den Schultern.

„So ist der Kauz eben. Wir sehen uns später.“ Er hob die Hand zu einem kurzen Wink und verließ das Zimmer.

Aidan las ein paar Slips auf und legte sie erst wieder in den Koffer, dann aber doch in den Schrank. Vielleicht war seine Karriere ja doch noch nicht ganz am Ende.
 

Es dauerte eine Stunde, bis Mitch seinen Freund gefunden hatte. Er hatte alle ruhigen, für Passagiere zugänglichen Plätze abgesucht und ihn schließlich in der hintersten Ecke der Sea View Lounge gefunden. Jeremy saß völlig allein an einem der Tische am Fenster und tippte auf seinem Laptop. Es war nur noch ein Barkeeper da, der die Stellung halten musste.

Mitch setzte sich Jeremy gegenüber.

„Verschwinde.“ knurrte dieser und sah nicht einmal auf.

„Jetzt sei nicht so...“ Mitch lächelte seinen Freund an. „Komm, ich will doch nur kurz reden.“

„Ich will aber nicht mit dir reden.“

„Okay.“ Mitch lehnte sich zurück. „Dann sag mir wenigstens, welches Verbrechen man mir vorwirft.“

Der Blick, der ihn traf, hätte tödlich sein können. Jeremy drückte die Tasten, auf denen seine Finger gerade lagen, so fest runter, dass nur ein Buchstabe im Dokument erschien.

„Das weißt du ganz genau. Tu nicht so unschuldig.“

„Nein, ich weiß es nicht.“ Der Grauhaarige verschränkte die Arme.

„Ich hätte dir das wirklich nicht zugetraut, Mitch. Nicht nur, dass es gleich am ersten Abend war, du konntest auch nicht wenigstens auf dein Zimmer gehen.“ Seine Hände zitterten vor Wut.

„Wir kommen der Sache näher...“ Offenbar wollte Mitch seinen Freund herausfordern, sein Blick sagte das deutlich.

„Hör auf mit diesen Spielchen!“ Der Barkeeper zuckte erschrocken zusammen, ob der geschrieenen Worte.

„Du hast mich genauso betrogen, wie alle anderen. Und versuch dich nicht rauszureden. Ich hab euch gesehen!“

„Ja, natürlich hast du uns gesehen!“ Mitch lächelte immer noch. „Aber, Süßer, ich frage mich, wo dein Problem liegt. Ich bin dein Freund, aber wir sind nicht zusammen. Er ist dein gemieteter Begleiter und du behandelst ihn entweder wie Luft oder wie einen Stricher von der Ecke. Wo liegt hier der Betrug?“

„Er ist mit mir hier! Ich habe ihn gebucht, damit er auf deiner Scheißparty neben mir steht. Er sollte für mich da sein und nicht wild in der Gegend rumvögeln!“ Nun zog es der Barkeeper doch vor seinen Arbeitsplatz zu verlassen. Dieses Gespräch wurde zu intim.

„Du hättest nur drei Tage warten müssen! Drei Tage! Dann wäre er frei gewesen und für dich verfügbar. Aber nein, du musstest ihn mir wegnehmen und er hat sich einfach...einfach...ihm war es völlig egal, wie es mir dabei geht! Es ist euch scheißegal!!“ Mit einer heftigen Bewegung fegte er den Laptop vom Tisch.

„Hey!“ Mitch schlug lang hin, als er geistesgegenwärtig versuchte, Jeremys Heiligtum zu retten. Der Stuhl polterte zu Boden und der Ältere küsste den Teppich. Fangen konnte er das Gerät aber dennoch nicht, es krachte zu Boden.

„Und ich dachte wirklich, wir wären Freunde. Aber ich täuschte mich immer in den Menschen.“ Jeremy nahm seine Tasche und ging davon.

„Warte!“ Mitch rappelte sich auf und lief seinem Freund hinterher, er bekam Jeremy am Arm zu fassen. „Süßer, niemand wollte dir weh tun! Wir sind Freunde, zumindest sehe ich das so. Was meinst du, warum ich mit allen Mitteln versuche, dich aus der Einsamkeit zu zerren? Aidan und ich haben einen Fehler gemacht, aber wir haben das beide nicht als Betrug an dir gesehen. Du hast den Jungen so schlecht behandelt, was erwartest du von ihm?“

„Dass er sich an den Vertrag hält! Da steht, dass er für drei Tage mir gehört. Nur mir und niemandem sonst! Weder darf ihn mir jemand ausspannen, noch darf er sich um jemand anderen kümmern. Er sollte nur für mich da sein!“ Jeremy war so aufgelöst, dass er seine sonstige eiskalte Ruhe nicht zurück erlangen konnte.

„Dann stoße ihn nicht von dir, wenn du das willst! Der Junge ist es gewohnt, bewundert zu werden! Vielleicht ist sein Ego etwas groß, aber du hast ihn ja wirklich überhaupt nicht zu würdigen gewusst! Du hast ihn einen Callboy genannt, für den Anfang. Und seine Intelligenz sprichst du ihm auch ab, nur weil er auf ein perfektes Äußeres achtet. Er liebt seine Arbeit, so wie du deine.“

Mitch unterstrich seine Rede mit großen Gesten.

„Wer hat jemals gesagt, dass ich meine Arbeit liebe?“ brüllte Jeremy so laut er konnte.

„Nur weil ich viel arbeite, heißt das nicht, dass ich es liebe. Ich verdiene damit mein Geld und wenn ich nicht viel investiere, gehe ich unter. So ist das in Hollywood, das solltest du am besten wissen.“

„Aber du...“ Mitch verlor den Faden. „Du hast...du...hä?“ Er schüttelte den Kopf. „Süßer, du erweckst bei jedem den Eindruck, dass du deine Arbeit mehr als alles andere auf der Welt liebst, ist dir das klar?“

„Es ist aber nicht so. Es ist nur ein Job, mit dem ich mein Geld verdiene. Zufällig ist es nun einmal das Schreiben von Drehbüchern, na und?“ Im Grunde hasste er seine Arbeit sogar. Sie war sein Zufluchtsort, weil sie beständig war, aber gleichzeitig verlor er alles andere.

„Du verdienst dein Geld damit, ja, aber ich verdiene es auch mit meiner Arbeit als Produzent. Und trotzdem leiste ich mir das hier!“ Er holte mit den Armen aus. „Du verdienst dein Geld mit dem Schreiben von Drehbüchern, aber was leistest du dir? Richard war ein toller Kerl, aber du hast ihn nicht einmal wahrgenommen. Vielleicht ist Aidan nicht der Mann fürs Leben, aber er ist eine Möglichkeit, mal aus deinem Einerlei herauszukommen und er ist eine mehr als angenehme Gesellschaft.“

„Das würde nicht funktionieren. Wir haben nicht die gleichen Interessen oder Hobbys. Ich bin kein One-Night-Stand Typ und er ist in zwei Tagen fort. Was nützt es mir also? Ich will eine Sicherheit, eine Konstante in meinem Leben. Und das ist nun mal nur meine Arbeit.“ Jeremy war mittlerweile wieder völlig ruhig, fast niedergeschlagen.

„Lern ihn doch vielleicht mal ein wenig kennen, interessier dich für ihn. Wer weiß schon, was er sein kann. Vielleicht entwickelt er sich sogar zu einem Freund.“ Mitch legte ihm die Hand auf den Arm. „Er bereut die Sache gestern genau wie ich. Ich war angeheitert, er war frustriert. Keiner von uns wollte dir schaden.“

Diese Ausreden hatte er schon zweimal gehört. Richard und Keith hatten beide gesagt, sie wollten ihn nicht verletzen. Cameron hatte es allerdings bewusst gemacht, um sich zu rächen.

„Und was soll ich jetzt machen? Ich habe ihn rausgeschmissen, er wird längst gegangen sein.“

„Ist er nicht. Ich habe ihm gesagt, er soll noch etwas warten. Vielleicht gehst du einfach mal in euer Zimmer und redest mit ihm. Aber höflich bitte. Er ist kein Callboy, schreib dir das hinter die Ohren.“ Mitch umarmte ihn einfach und schob ihn dann sanft, aber bestimmt aus der Bar. „Ab mit dir! Ich kratze deinen Laptop zusammen, Mr. Jähzorn. So bist du wenigstens nicht mehr in Versuchung.“ Und damit war die Eingangstür der Lounge auch schon zu und Mitch allein.
 

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend kehrte Jeremy zu seiner Kabine zurück, trat jedoch nicht sofort ein. Er wusste nicht, was er Aidan sagen sollte, falls dieser noch da war. Fieberhaft legte er sich einige Worte zurecht, verwarf sie aber gleich wieder. Er musste sehen, was die Situation brachte.

Mit bitterernster Miene, vor Anspannung, öffnete er die Tür und schlüpfte in die Kabine.

„Du bist ja noch hier.“ Also hatte Mitch Recht gehabt. Die erste Hürde war geschafft, nun wurde es schwieriger.

Der Schwarzhaarige hockte am Schreibtisch über einem Blatt Papier. Daneben lagen fünf, die zusammen geknüllt waren.

„Ja...das bin ich...“

„Gut...gut...“ Jeremy sah sich etwas hilflos um.

„Und? Was machst du?“ Er schlenderte zum Tisch und sah Aidan über die Schulter.

„Hey!“ Sein Begleiter knallte die Hand aufs Blatt, aber nicht schnell genug, als dass man nicht den Adressaten hätte lesen können.

„Lieber Jeremy,...“ stand dort in der für einen Mann wirklich sehr schönen Schrift.

Nun war das Interesse des Brünetten geweckt.

„Ist das ein Brief an mich? Zeig doch mal.“ Er zuppelte an einer Ecke des Papiers.

„Nein! Der ist nicht fertig!“ Aidan legte sich fast auf das Blatt. „Es ist ein Brief mit der Bitte um Verzeihung...“ grummelte er.

Jeremy sah ihn nun mehr als überrascht an.

„Warum?“

„Warum?!“ Aidan knüllte den Zettel zusammen. „Weil es mir leid tut! Und nicht, weil du mich bei der Agentur anschwärzen wolltest, sondern weil mir nicht einmal bewusst war, was ich dir da antue! Ich wollte...ach, eigentlich weiß ich nicht, was ich wollte, aber auf keinen Fall dir schaden. Ich war einfach frustriert und habe Mist gebaut...das stand ungefähr in dem Brief. Ich hab nur nicht genau gewusst, welche Worte ich wählen soll, das ist eher dein Metier.“

Der Mann stand immer noch reglos da und starrte auf den Schwarzhaarigen herab.

„Aber...warum? Ich versteh das nicht. Es könnte dir doch egal sein. Ich habe dich für drei Tage gebucht, danach sehen wir uns wahrscheinlich nie wieder.“ Natürlich hatten sich auch Richard und Keith entschuldigt, allerdings gleich mit den Begründung, dass es doch eigentlich alles Jeremys Schuld seie.

„Mag sein, dass das so ist...aber vielleicht ist das gerade der Grund. Ich war hier, um dir drei schöne Tage zu bereiten...“ Aidan stand auf. „Hör zu. Du bist wirklich manchmal unausstehlich, meistens sogar. Aber das gestern auf dem Sonnendeck hat mir gezeigt, dass du auch andere Seiten hast.“ Er senkte den Kopf. „Ich bitte für mein Verhalten um Verzeihung. Ich hatte kein Recht dazu.“

Jeremy war sprachlos und konnte sich nicht wirklich regen. Aidan meinte es tatsächlich ernst.

„O-okay.“ Es klang noch irritiert, aber dann fand er schlagartig zu seinen alten Verhaltensweisen zurück.

„Vielleicht bin ich auch nicht unbedingt die Art Klient, die du gern hättest.“ räumte er peinlich berührt ein und setzte sich an den Esstisch.

„Du bist schwierig.“ lächelte Aidan. „Aber das entschuldigt mein Verhalten nicht.“

„Vergessen wir die Sache.“ brummte Jeremy und stand kurz auf, um seine Aktentasche im Safe zu verstauen.

„Es gibt aber auch eine gute Nachricht für dich...oder nicht, wie man es sieht. Mein Laptop ist wohl kaputt. Das heißt, ich kann nicht arbeiten.“

„Die können dir doch sicher einen stellen, oder?“ Aidan sah ihn plötzlich entsetzt an. „Heißt das, deine ganze Arbeit an dem neuen Script ist dahin?! Hast du eine Sicherungskopie?!“

„Natürlich! Für wie blöd hältst du mich? Ich glaube nicht, dass die Dateien unrettbar sind, aber trotzdem werde ich wohl nicht tippen können.“ Nun war wieder der alte Jeremy da. Missgelaunt verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.

„Gefällt dir wohl nicht, dass wir jetzt doch Zeit zusammen verbringen. Wenn es dir nicht passt, kannst du auch gern allein etwas unternehmen. Ich werde schon keine Schwierigkeiten haben mich zu beschäftigen.“

Aidan lachte auf. „Du bist wirklich irgendwie süß, weißt du das?“ Er kam zu ihm hinüber, schwang ein Bein über den Braunhaarigen und setzte sich auf seinen Schoß. „Okay. Was willst du machen? Ich bin vollkommen für dich da.“

Das brachte den Mann sichtlich aus dem Takt. Verdutzt und auch irgendwie entsetzt sah er zu Aidan auf.

„Geh von mir runter. Seh ich aus wie ein Stuhl?“ Auf eben diesem rutschte er unruhig umher.

„Mir ist egal, was mir machen. Ich hab es nicht so mit den allgemeinen Freizeitangeboten.“

„Warum bist du so nervös?“ Aidan strich ihm über die Wange. „Wir sind nicht in der Öffentlichkeit.“

„Na und? Es ist unhöflich sich einem fremden Menschen so zu nähern. Vor allem, wenn dieser es nicht mag, einfach betatscht zu werden.“ Entschieden schob er die Hand beiseite.

„Und schon bist du wieder du selbst.“ Aidan stieg von seinem Schoß. „Kratzbürste.“ Er baute sich neben Jeremy auf. „Also? Sonnenbaden? Schwimmen? Ins Kasino? Such dir was aus.“

„Sonnenbaden vermindert den IQ um bis zu 20 Prozent, schwimmen kann ich nicht besonders gut, also bleibt nur das Kasino, in dem ich mein Geld zum Fenster rauswerfen kann.“ Der Brünette erhob sich und strich seine Hose zurecht.

„Aber dafür muss ich mich wohl etwas schicker anziehen.“

„Das solltest du. Und wer weiß, vielleicht bringe ich dir ja Glück und verschaffe dir den Hauptgewinn.“ Aidan gab sich sichtlich Mühe, positiv zu bleiben und die erneuten Beleidigungen Jeremys, seine gebräunte Haut sprach ja Bände, an sich abprallen zu lassen.

„Wir werden es sehen. Entschuldige mich für einen Augenblick.“ Jeremy stand auf und suchte sich aus dem Schrank eine schwarze Stoffhose, die er mit einem einfachen hellblauen Hemd und seinem Sportsakko kombinierte, heraus. Dann verschwand er im Bad, um sich umzuziehen.

Aidan setzte sich aufs Bett. Er kontrollierte seine Fingernägel, eine Marotte von ihm. Hoffentlich würden die restlichen Tage besser, als der Start.
 

Der Kasinobesuch kostete Jeremy letztendlich zwanzigtausend Dollar. Danach hatte er noch schlechtere Laune, als vorher und er beschloss, dass es doch ganz nützlich sein konnte ein paar Gehirnzellen zu verlieren. In Badehose legte er sich auf eine Liege auf dem Sonnendeck, während Aidan eine Runde im Pool drehte. Das Wasser war Jeremy zu kalt, er mochte niedrige Temperaturen nicht.

Entspannt lag er auf dem Rücken, die Augen unter der Sonnebrille geschlossen. Sein Körper war käsebleich, der beste Beweis dafür, dass er ein Stubenhocker war.

Aidan wuchtete sich aus dem Becken und kam tropfend zu seinem Kunden hinüber. Alle Blicke klebten an dem Adonis, aber das war er, ohne arrogant wirken zu wollen, einfach gewohnt.

Okay, ein klein bisschen arrogant war er wohl doch.

„Wow, du siehst aus wie eine Leiche, wenn du dich nicht rührst!“ lachte er, als er bei Jeremy ankam. Allerdings war der Mann keinesfalls hässlich, wie er feststellen musste.

„Das sagt viel über meinen IQ aus.“ schmunzelte dieser und schob die Sonnebrille hoch. Sein Blick musterte Aidan ausgiebig. Die enge Badehose ließ kaum Raum für Phantasien.

„Ist da etwas, was dir gefällt?“ lächelte Aidan. „Ich kann die Hose auch ausziehen, aber erst auf dem Zimmer.“ Das Wasser perlte im Sonnenlicht über die perfekt definierten Muskeln, funkelte auf der starken Brust.

Ertappt wandte Jeremy den Blick ab. Normalweise war ihm so etwas nicht peinlich, hier verhielt es sich anders.

„Nicht nötig, du hast nichts, was ich nicht selbst hätte.“ Er schob die Sonnebrille wieder herunter und legte den Kopf zurück. Seine Muskeln waren natürlich nicht so geformt wie Aidans, er war eher durchschnitt. Kein Spargeltarzan, aber auch nicht sonderlich muskulös. Wozu auch, wenn er nur die Filme schrieb und nicht in ihnen mitspielte.

Der Schwarzhaarige schob seine Liege näher an die von Jeremy heran und ließ sich nieder, seine Haut glänzte auch von der wasserfesten sauteuren Sonnencreme.

Er setzte ebenfalls eine Brille auf, um seine Augen zu schonen.

„Denk bitte nicht, ich sei dumm.“ wechselte er abrupt zu einem ernsteren Thema. „Ich bin es nicht. Auch wenn ich mit meinem Äußeren Geld verdiene.“

„Ich habe nie gesagt, dass ich dich für dumm halte.“

„Na ja, aber du hast es durchscheinen lassen. Du denkst nicht unbedingt gut über mich, zumindest gibst du mir das Gefühl.“

„Wieso? Was hab ich denn gesagt?“ Jeremy meinte diese Frage durchaus ernst, denn er konnte sich nicht erinnern, Aidan wirklich angegriffen zu haben.

„Du hast mir zum Beispiel gesagt, ich solle statt ins Studio zu gehen, mehr lesen. Das verbrauche auch Kalorien. Und dass ich mir vielleicht einfach mal einen Beruf suchen solle, in dem es nicht auf mein Aussehen ankommt.“

Aidan streckte sich.

„Allein das mit dem Lesen...weißt du, wie viel ich lese?“

„Nein, ich dachte nur, dein Job ließe nicht viel Zeit. Ich stelle es mir einfach anstrengend vor, wenn man 24 Stunden 7 Tage die Woche nur auf sein Aussehen achten muss. Da wäre es doch viel entspannender, wenn man sich einmal in Ruhe hinsetzt und liest. Bildung ist doch wichtiger als Aussehen. So kommt man im Leben weiter. Du verzichtest doch auf vieles für dein Aussehen. Bist du es nicht manchmal leid und möchtest einfach nur genießen?“

„Predigst DU mir eben davon, das Leben zu genießen?“ lachte Aidan auf. „Da führt ja ein Blinder den Blinden. Um es klar zu stellen: Ich lese viel und gern. Ich habe meinen Master of Arts in Literatur und Linguistik. Außerdem spreche ich Französisch, Spanisch, Italienisch und ein bisschen Deutsch. Ich verzichte im Moment auf irre viel, damit ich so aussehe, aber ich verdiene auch eine Menge. Und ich liebe mein Leben. Ich ackere ja nicht in einem dunklen Büro, sondern gehe auf Partys, treffe interessante Leute und habe, wenn ich es will, guten Sex.“

Jeremy fühlte sich an die Wand gespielt und gab nur ein Schnauben von sich.

„Als wäre Sex das Wichtigste.“ Mehr sagte er zu dem Thema nicht.

„Ist dir aufgefallen, dass ich ihn als letztes nannte...?“ fragte Aidan scheinheilig. Er spürte, dass er eben einen Sieg errungen hatte.

„Ich gehe eine Runde schwimmen.“ antwortete Jeremy nur darauf und erhob sich. Da er kein Handtuch untergelegt hatte, zeichneten sich die Rillen der Liege auf seiner gesamten Rückfront ab, von den Schultern bis zu den Waden.

Einige Liegen weiter fing eine Gruppe junger Frauen an zu lachen und ihm nachzupfeifen. Jeremy sah sich nur verstört zu ihnen um und stieg ins Wasser. Wie immer hielt er sich nur am Rand auf und wenn möglich im seichten Wasser.

Aidan bemerkte, worauf die Reaktion der Frauen gekommen war und beschloss, dass so etwas nicht angehen konnte. Er ging an den Frauen vorbei, demonstrativ, tauchte mit einem Hechtsprung in die tiefe Seite des Beckens und kraulte dann zu Jeremy. Er spürte, dass ihm die Blicke der Gruppe folgten.

Er zog den Brünetten an sich. „Spiel einfach mit, tu mir den Gefallen.“ hauchte er und dann küsste er Jeremy einfach. Dabei hielt er einen Spalt seiner Augen offen und spionierte die befriedigend erschütternde Wirkung seiner Aktion auf die Ladys aus.

Jeremy riss erschrocken die Augen auf und gab Laute des Protestes von sich. Allerdings nicht lange, denn Aidan küsste wirklich gut, geschickt. So gut war nicht einmal Cameron, der Schönling, gewesen. Dabei fiel dem Brünetten auf, dass es verdammt lange her war, dass er so geküsst wurde. Natürlich waren Richard und er auch intim gewesen, aber nicht sehr. Es war eher Petting. Worüber dachte er hier eigentlich nach?

Entschlossen drückte er Aidan von sich.

„Was sollte das? Ich habe doch gesagt, keine Zärtlichkeiten.“

„Diese Schnepfen haben sich über dich lustig gemacht.“ Aidan gelang es tatsächlich, mit seinen Bewegungen aus der Zurückweisung eine zärtliche Geste zu machen, zumindest anscheinend. „Jetzt lachen sie nicht mehr.“ Er grinste. „Du sagtest doch, dass man das Leben genießen soll.“

„Aber ich genieße mein Leben auf meine Art. Und dazu zählt nicht, sich anspringen zu lassen von fremden Kerlen.“ Er bewegte sich rückwärts durch das Wasser.

„Wenn sie mich so lustig finden, sollen sie doch. Krossgebratene Hühner.“

Aidan folgte ihm, das Nass umspielte dabei seinen Oberkörper, spritzte leicht an seinem Bauch hoch.

„Warum läufst du weg?“ Er lächelte dreist. „Hast du etwa einen Ständer?“

„Spinnst du? Ich habe meinen Körper sehr gut in Griff. Und außerdem gibt es auch keinen Anlass.“ gab der Brünette gereizt zurück und wandte Aidan seinen Rücken zu. Sollte der Kerl doch denken, was er wollte. Er war keiner dieser Sexbesessenen, die nur einen haarigen Unterarm sehen mussten, um steif zu werden wie ein Toter während der Leichenstarre.

Aidan erreichte ihn und umschlang ihn. „Bist du auch ehrlich?“ Seine Hand glitt unter Wasser, den Bauch des Drehbuchautors entlang.

„Warum sollte ich lügen?“ Nun wurde Jeremy wütend. Er fasste das Handgelenk und versuchte es wegzuziehen. So viel Dreistigkeit war ihm noch nie begegnet. Außer vielleicht bei Fans und Paparazzi.

„Merkst du es? Alle sehen uns zu.“ hauchte ihm Aidan ins Ohr. „So etwas nennt man, etwas Verrücktes tun. Das Leben genießen. Spaß haben.“

„Das nennt man sexuelle Belästigung.“ zischte Jeremy über die Schulter und bekam langsam doch rote Wangen. So stark in der Öffentlichkeit wollte er nicht stehen, schon gar nicht in so einer eindeutigen Pose.

„Ich bin dein Freund, schon vergessen? Keiner hier weiß, dass ich nur gemietet bin. Und ich wette, jede Frau hier beneidet dich um deinen Lover.“ Aidan drückte sich ganz fest an ihn, sein Becken bewegte sich dabei gegen Jeremy.

„Was machst du da!“ Das war zu Eng, er wollte nichts von all dem spüren. Wild mit den Armen rudernd, so dass das Wasser aufspritzte, versuchte der Mann loszukommen. Es sah aus, wie ein ganz gewöhnliches Spiel zwischen Verliebten, Neckereien eben.

Jeremy fand es allerdings überhaupt nicht lustig.

„Ich genieße das Leben!“ grinste Aidan. Dann verstärkte er seinen Griff und es gelang ihm wirklich, Jeremy anzuheben. Der Mann strampelte, doch Aidan bekam ihn richtig zu fassen, wuchtete ihn hoch und ließ ihn ins Wasser klatschen.

Sein Opfer ging unter wie ein Stein, aber tauchte sofort wieder prustend auf. Das Wasser war in seine Nase gelaufen und brannte unangenehm. Verärgert schubste er Aidan von sich und watete zur Treppe.

„Idiot. Seh ich aus wie ein Gummitier, mit dem man spielt?“

„Hey, Süßer, wenn dein Freund nicht mehr will, ich spiele gern mit dir!“ kicherte eine junge Frau am Beckenrand.

Aidan legte den Kopf schräg. „Sorry, Schatz, ich bin meinem Freund absolut treu.“ Er wartete keine Reaktion ab, sondern folgte seinem Kunden aus dem Becken. „Jetzt lauf doch nicht weg.“ wisperte er lächelnd.

„Mir ist die Lust am Schwimmen vergangen. Hier ist es mir zu voll.“ Jeremy schnappte sich sein Handtuch, rubbelte kurz über seine Arme und schlang es sich dann um die Schultern. Er wartete gar nicht auf Aidan, sondern strebte direkt ihre Kabine an.

Dieser folgte ihm aber auf dem Fuße, ungeachtet der Tatsache, dass er nasse Abdrücke auf dem Teppich hinterließ.

Er lief ihm schweigend hinterher, bis die Kabinentür hinter ihnen ins Schloss fiel.

„Warum so zickig, Schatz?“

„Wir sind unter uns, du kannst damit aufhören.“ Ruppig trocknete der Braunhaarige sich auch noch die Beine ab und warf das Handtuch dann einfach in eine Ecke. Mit in die Hüften gestemmten Händen sah er Aidan an.

„Denk nicht, ich hätte ein Problem mit meiner Orientierung, aber ich muss es nicht haben, dass das so in der Öffentlichkeit breit getreten wird, okay?“

„Darum geht es doch gar nicht...“ Aidan schob die Finger unter den Bund seiner Badehose und zog sie herunter. Sie glitt an seinen Beine herab und als er einen Schritt nach vorn machte, blieb sie am Boden liegen.

„Du wolltest nur nicht wahrhaben, dass es dir gefallen hat.“

Er machte noch einen Schritt auf Jeremy zu.

Dieser wich zurück und starrte fassungslos in den Schritt des Mannes, dann wieder in das so selbstbewusste Gesicht.

„Kannst du mir mal verraten, was das werden soll? Wenn du auf FKK stehst, such dir eine eigene Kabine. Ganz davon abgesehen...es hat mir NICHT gefallen. Angeglotzt werden, als wäre ich eine Krankheit oder ein besonders seltenes Tier.“

Aidan ließ den Abstand zwischen ihnen nicht kleiner werden, bis Jeremy schließlich an die Wand stieß.

„Du wurdest nicht angestarrt, als wärst du eine Krankheit oder ein seltenes Tier. Du wurdest beneidet. Wir wurden beneidet.“ Seine Stimme war pure Verheißung.

„Worum? Um unsere Emanzipation?“ Jeremy fühlte sich endgültig in die Ecke gedrängt. Angreifen! Er musste Aidan schnellstens loswerden.

„Was ziehst du hier ab? Die ach so tolle Verführer-Nummer? Versuch es gar nicht, ich steh nicht auf Kerle wie dich.“

Aidan ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, er berührte Jeremy nun schon fast, sah ihm dabei immer fest in die Augen.

„Was für ein Kerl bin ich denn?“

„Ein eingebildeter! Glaubst du, du kriegst jeden rum, nur weil du die Hose runter lässt? Das ist doch wirklich ein Armutszeugnis.“ Er drehte sich weg und wollte an Aidans Seite vorbeischlüpfen.

Die Arme des Schwarzhaarigen schossen an ihm vorbei und hielten ihn zwischen sich.

„Du glaubst, ich kriege dich nicht rum?“

Nun hatte die Stimme allmählich etwas Hungriges, die blauen Augen blitzten.

„Ganz recht. Ich springe nicht auf diese kindischen Spielchen an. Vielleicht bist du ein Schwuler, der bei jedem Kerl nen Ständer kriegt, ich nicht. Dafür müsste ich meinen Partner anziehend finden. Und das...“ Er ließ seine Augen abschätzig an Aidan entlang gleiten, damit dieser genau verstand.

„..ist nicht der Fall.“

„Warum betonst du das immer so auffällig. Wie unattraktiv ich bin. Wie oberflächlich.“ Jeremy war zwischen Aidan und der Wand eingeklemmt.

„Wie lange musst du das noch wiederholen, um dich zu überzeugen?“ Ihre Gesichter waren sich nah, die Nasenspitzen stießen fast zusammen. Aidas Saphire bohrten sich in ihre Gegenstück bei Jeremy.

„Ich will nur, dass du verstehst, dass das hier nicht funktionieren wird. Und ich will es auch nicht, also lass mich jetzt endlich los und ins Bad gehen, damit ich mir den Chlor abwaschen kann.“

„Und wenn ich das nicht will?“ Aidans Hände lösten sich von der Wand, fingen an, Jeremys Körper zu erkunden. Die Finger tanzten regelrecht über die Haut, berührten sie manchmal gar nicht, versprachen aber mehr.

„Was du willst, spielt hier keine Rolle. Du bist ein gebuchter Begleiter, der zu tun hat, was der Kunde will. Und ich will duschen!“ Jeremy schlug die Hände des Mannes weg und startete einen erneuten Ausbruch, dieses Mal nachdrücklicher.

„Dann komm ich eben mit und seif dich ein!“ Aidan schien sich nicht aus der Ruhe bringen lassen zu wollen.

„Vergiss es.“ Jeremy wurde ruppiger. Er fühlte sich mehr als unwohl in seiner Haut und wollte dieser Situation aus dem Weg gehen. Das war nichts für ihn, er brauchte Zeit für so etwas. Er war ein Kopfmensch.

„Hör endlich auf mit dem Mist, Aidan, oder ich werde wirklich wütend.“

„Warum willst du mir nicht glauben, dass das kein Spiel ist?“ Aidan klang immer noch ehrlich, nichts wirkte aufgesetzt. „Ich will dich nicht demütigen...ich will mit dir schlafen, dir nah sein...“

„ICH DIR ABER NICHT!“ brüllte Jeremy zurück und stieß Aidan von sich.

„Kapierst du das nicht? Ich will weder dir, noch irgendjemand anderem nahe sein! Es reicht mir!“

Mit so einem heftigen Angriff hatte der eigentlich kräftige und agile Mann nicht gerechnet. Er verlor das Gleichgewicht, stürzte nach hinten und knallte mit dem Hinterkopf an die Tischkante.

Sekunden später lag er am Boden und hielt sich den Schädel.

„Du hast sie ja nicht mehr alle...was sollte das?!“

Schwer atmend stand Jeremy da und starrte Aidan an.

„Du...du hast es doch darauf angelegt. Ich hab dir gesagt, dass ich das nicht will. Du bist...selbst Schuld.“ Bevor der Schwarzhaarige etwas erwidern konnte, stürmte sein Kunde ins Bad und schloss die Tür hinter sich fest zu.

„Ja, mit mir ist alles okay! Danke der Nachfrage!“ brüllte der Begleiter ins Badezimmer hinüber. Er blieb am Boden hocken, sein Kopf dröhnte.
 

Aidan hatte schließlich eine Schmerztablette eingeworfen, denn der Abend war bedrohlich näher gerückt und auch wenn er sonst nicht zimperlich war, eine Party, dann auch noch eine, die angeblich ‚hipp’ werden sollte, mit Kopfschmerzen durchzustehen, das war nicht seine Vorstellung von Spaß.

Statt im feierlichen Smoking steckte Jeremys Begleiter nun in einem schwarzen Hemd, am Hals leger ein Stück geöffnet, darüber ein schwarzes Jackett und die Hose war von der gleichen Farbe. Er sah aus wie ein Dressman.

Jeremy kam gerade aus dem Bad, wo er sich die meiste Zeit seit dem Vorfall aufgehalten hatte.

Seine Kleidung war unspektakulär wie immer. Eine dunkelgrüne Stoffhose mit einem bordeauxrotem Hemd. Darüber würde er nur sein einfaches Sportsakko tragen.

„Bist du fertig?“

„Siehst du doch.“ Aidan stand auf.

Die Atmosphäre war mehr als unterkühlt und Jeremy unternahm auch keinen Versuch das zu ändern. So war es das Beste.

„Dann können wir ja gehen.“ Er öffnete die Kabinentür und trat auf den Gang.

Sie gingen den Flur hinunter, dabei begrüßten sie hin und wieder andere Gäste, mit einigen hatte der Brünette am Tag zuvor geredet.

Kurz vor dem Festsaal hakte sich Aidan bei ihm unter. Er schaute weiter nach vorn, lächelte sogar.

„Mach so etwas wie vorhin ja nie wieder.“

„Das gilt auch für dich.“ gab Jeremy steinern zurück und machte sich nicht erst die Mühe seinen Gesichtsausdruck zu ändern.

„Das war kein Grund, so auszuflippen. Ich habe nicht versucht, dich zu vergewaltigen...“ Aidan nickte einer älteren Dame zu, die scheinbar absolut kein Problem mit dem Männerpaar zu haben schien. Selten in der Generation.

„Du bist zu aufdringlich geworden. Wenn du es nicht anders verstehst in deine Schranken gewiesen zu werden...“ knurrte der braunhaarige Mann unterkühlt und hielt Ausschau nach seinem besten Freund.

„Außerdem konnte ich doch nicht wissen, dass du so schwach auf den Beinen bist.“

„Bisher hat mich in so einer Situation auch noch niemand so hysterisch weggeschubst.“ Aidan schnaubte und lächelte gleichzeitig, eine Meisterleistung.

„Hallo, ihr Beiden!“ Mitch stürmte auf sie zu. Er begrüßte zunächst Jeremy, dann Aidan mit zwei auf die Wangen gehauchten Küssen und einer kräftigen Umarmung für seinen Freund.

„Ihr seht gut zusammen aus. War der Rest des Tages wenigstens noch schön.“

„Ganz toll...“ lächelte Aidan süffisant.

„Ich habe gehört, dass ihr euch im Pool amüsiert habt.“ Mitch grinste breit. „Ihr Schlingel!“

Jeremy schnaubte abfällig, sagte aber lieber nichts dazu. Mitch würde nur nachhaken und auf eine Standpauke von ihm konnte er im Moment wirklich nicht.

„Ist ja noch nicht sehr viel los hier. Ich dachte, das wird eine hippe Party.“ Der beste Weg den Älteren abzulenken.

„Das kommt noch, das kommt noch! Der Abend ist noch jung und das hippste und bestaussehendste Paar ist eben erst eingetroffen.“

Aidan musste unwillkürlich lächeln.

„Und nun schwingt das Tanzbein!“

„Das überlasse ich lieber den anderen Gästen. Wie wäre es, wenn du dir meinen Begleiter für eine Runde auf dem Parkett ausleihst?“ Der Autor hatte bereits ein Auge auf die Pasteten und Häppchen geworfen.

„Aber niemals.“ Mitch hatte es offenbar sehr eilig, abzulehnen. „Ich habe einen alten Freund getroffen, der will unbedingt tanzen. Schlag dir ruhig erst einmal den Bauch voll, nachher kommst du mir nicht davon. Ich will euch beide da auf der Tanzfläche sehen.“

Er verschwand in der Menge.

„Darauf kannst du lange warten.“ murmelte Jeremy vor sich hin und steuerte das Büfett an. Aidan blieb zurück oder nicht, das war ihm egal. Er wollte dem Schwarzhaarigen sowieso lieber aus dem Weg gehen.

Dieser folgte ihm jedoch und beobachtete ihn dabei, wie er sich den Teller mit Köstlichkeiten voll lud.

„Das macht dir Freude, oder? Willst du mir wieder einen voressen?“

„Du kannst ja weggucken. Diese Oduevre und Häppchen sind zu gut, um sie zu schmähen. Ich kriege einfach nicht genug.“ Er tat sich von jedem etwas auf, damit er alle durchprobieren konnte.

Aidan stellte sich neben ihn und schaute auf seinen Teller. Dann schnappte er sich blitzschnell eines der Häppchen und schon war es nicht mehr. Er kaute genüsslich. „Stimmt...lecker.“

Jeremy sah ihn an, kam sogar etwas näher.

„Oh nein..“ Er sah erschreckt aus. „...da...genau hier...das Fettpölsterchen war gerade noch nicht da. Du musst morgen unbedingt ins Fitnessstudio.“ Er drehte sich weg und holte sich die geklaute Sorte noch einmal, um sie selbst zu verspeisen.

Als er sich umdrehte, stahl sich Aidan ein anderes Appetithäppchen von seinem Teller und grinste ihn an, als er es verspeiste.

„Was wird das? Nimm dir deinen eigenen Teller und lass mir mein Essen!“ motzte Jeremy und hielt beschützend eine Hand über das Geschirr.

Aidan lächelte, es sah fast traurig aus. „Was muss man eigentlich tun, um zu dir durchzudringen. Du blockst ab, wir streiten, prügeln uns sogar fast. Du willst mich nicht als Verführer, du willst mich nicht als Spaßvogel, du willst mich auch nicht, wenn ich zeige, dass ich nicht nur streng nach Diät leben kann, sondern auch einfach mal die ganze Sache – für dich – außen vor lassen kann.“ Er nahm sich selbst einen Teller und füllte auf. Ohne auch nur eine Sekunde an Kalorien zu denken, dazu war er zu frustriert. „Warum lehnst du mich so ab?“

„Und warum bedrängst du mich so? Wir haben ein reines Arbeitsverhältnis. Du glaubst doch nicht wirklich, dass wir uns näher kommen, oder? Ich bin an einem One-Night-Stand nicht interessiert und ich will dich auch nicht an mich heranlassen.“

Aidan ließ fast den Teller fallen. Er sah Jeremy geradezu entsetzt an. „Und ich habe mich bei dir entschuldigt.“ Er lud sich noch mehr Häppchen auf. „Weißt du was? Wenn du so zu jedem Menschen bist, kann man deinen Freunden nur gratulieren, dass sie jemanden gefunden haben, um von dir loszukommen.“

Der hatte gesessen. Jeremy stand reglos da und starrte auf seinen Teller. Man konnte ihm nicht ansehen, was er gerade empfand. Er schottete sich völlig ab. Kein Gefühl kam heraus oder hinein.

„Ja...das kann man wohl.“ Er klang monoton und mit den Gedanken weit entfernt. Ohne noch mehr dazu zu sagen, aß er einfach seinen Teller leer.

Aidan tat es ihm nach. Er kochte innerlich. Wie konnte man nur so verbohrt sein?

„Da seid ihr ja!“ Mitch kam dazu.

Jeremy sah ihn nur ausdruckslos an und kaute weiter.

„Was ist denn hier los?“

„Eiszeit.“ antwortete Aidan.

„Würdest du uns kurz entschuldigen.“ Mitch lächelte den Schwarzhaarigen an, der nur mit den Schultern zuckte und abzog.

„Was nun schon wieder?!“

„Was meinst du?“ Völlig unbeteiligt, nahm er sich noch ein Schinken-Trauben Plättchen.

„Na das! Erst höre ich, dass ihr euch verliebt im Pool balgt und nun?! Was ist schon wieder los?!“

„Er wurde zudringlich.“

„Er wurde...“ Mitch schloss die Augen. „Red keinen Scheiß...“

„Es ist so. Im Pool hat er mich betatscht und als wir im Zimmer waren, hat er einfach seine Badehose ausgezogen und hat mich bis an die Wand gedrängt.“ Eine Sahne-Champignon-Pastete folgte.

„Wie konntest du nur diesen Albtraum überstehen, ohne den Verstand zu verlieren?!“ Mitch stürzte seinen Champagner in einem Zug runter.

Jeremy zuckte mit den Schulter und wirkte weiterhin völlig teilnahmslos.

„Dieses ganze Gefasel von ‚Ich will dir nahe sein’ hat mich abgelenkt, schätze ich.“ Er hatte den Sarkasmus gar nicht wahr genommen.

„Du denkst nicht eine Minute daran, dass er es vielleicht ernst meinen könnte, oder?“ Mitch schüttelte den Kopf. „Du behandelst den Jungen immer noch wie einen Gebrauchsgegenstand, warum bist du so herzlos zu ihm?“

„Was erwartest du eigentlich von mir, Mitch? Dass ich mein Herz an einen Mann hänge, der mit jedem Kunden Sex hat, der attraktiv genug ist? Ich bin es leid, verstehst du? Ich hab genug von diesem ganzen Beziehungskram. Ich will niemandem mehr nahe kommen und ich will auch nicht, dass mir jemand nahe kommt. Das ist das Beste für alle. So muss niemand mehr unter mir leiden und ich muss nicht dauernd mit ansehen, wie sich meine Freunde heimlich jemand anderes suchen.“

„Vielleicht ist er nicht der Mann fürs Leben, aber er könnte jemand sein, der dir mal zeigt, wie man ein wenig lebt.“ Mitch berührte ihn am Arm. „Du wurdest oft enttäuscht, aber mal ehrlich, du bist daran nicht unschuldig. Du musst dich nur ein wenig verändern, dann kommt der Rest von selbst. Ohne Anstrengung.“

„Ich will mich nicht ändern. Was ist so falsch an mir? Ich habe einfach keine Lust auf dieses ganze Theater. Irgendwann finde ich den Nächsten ja sowieso im Bett mit einem Anderen. Vielleicht sollte ich mir irgendwo ein Strandhäuschen kaufen und mich aus dem Business zurückziehen.“ Jeremy wusste selbst nicht, was er ändern sollte. Er verstand auch nicht, warum die Menschen immer so abweisend auf ihn reagierten. Er sagte doch nur, was er dachte.

„Verdammt, Schatz, du hast deine Freunde nur bei anderen gefunden, weil du ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt hast. Was meinst du, warum Richard sich bei mir ausgeweint hat und nicht bei dir? Er hatte das Gefühl, dass du kein Verständnis für ihn haben würdest.“ Der Grauhaarige nahm eindringlich seine Hand. „Jeremy, du bist ein toller Mensch, aber du versteckst das sehr gut. Es ist nicht immer das Beste, einfach zu sagen, was man denkt, damit stößt man oft genug Leute vor den Kopf! Und sich von ihnen zurückzuziehen, nur um sich nicht mit ihnen beschäftigen zu müssen, ist auch kein Weg. Der führt nur unweigerlich in die Einsamkeit. Warum willst du das nicht sehen?“

„Aber was soll ich denn machen? Egal, was ich sage, es ist immer falsch und die Leute sind wütend auf mich. Nimm doch Aidan. Ich habe ihm gesagt, dass Sonnenbaden dumm macht und vorgeschlagen, er soll ein Buch lesen. Das war ein gutgemeinter Ratschlag, aber er ist sofort sauer.“ Vorsichtig legte Jeremy ein Krabbenbrötchen beiseite, um an das Käsehäppchen darunter zu kommen.

„Ich bin nicht wie du, Mitch, ich kann nicht auf Menschen zugehen und völlig unbefangen sein.“ Das klang schon wesentlich leiser.

„Es kommt darauf an, wie du den Rat gibst. Ich kann es mir lebhaft vorstellen, wie es bei einem gebräunten Mann wie Aidan ankommt, ihm zu sagen, Sonnenbaden mache dumm.“ Er lächelte schon viel milder. „Wenn du nicht auf andere zugehen kannst, dann lass andere auf dich zugehen. So wie ihn.“

„Aber er ist deutlich zu nahe auf mich zugegangen!“ schmollte der Brünette und stellte schließlich seinen Teller weg. Sein Appetit war vergangen. Jetzt brauchte er ein Glas Sekt oder Wein.

„Aidan geht mit seiner Sexualität eben offen um. Das ist doch nicht so schlimm. Deswegen habe ich dir ja gesagt, dass er vielleicht der erste Schritt sein muss. Lass dich doch einfach mal fallen und genieß es.“

Unwillkürlich tauchte das Bild des Drahtseils vor Jeremys innerem Auge auf. Jedes Mal, wenn er darüber nachdachte, sich einem Menschen zu öffnen, erschien es. Warum wusste er auch nicht. Für ihn war das Leben einfach ein Drahseilakt. Ein Schritt in die falsche Richtung und es war vorbei. Deshalb überlegte er vielleicht auch dreimal so lange, bevor er einen Schritt tat. Er musste sicher sein. Es war zu oft passiert, dass er den falschen Weg gewählt hatte, vom Seil weg und auf eine Person zu. Dabei fiel er immer, die Frage war nur, ob ihn auch jemand auffing. Die letzten drei Male war er schmerzhaft auf dem Boden gelandet, sein Herz zersprungen in viele kleine Teile. Es hatte lange gebraucht das zu kitten.

Obwohl Jeremy nicht sehr überzeugt wirkte, grummelte er eine Zustimmung.

„Nach der Sache wird er sowieso nicht wieder versuchen mir nahe zu kommen.“

„Ich wage kaum zu fragen...“

„Ich hab ihn eben weggestoßen, als er so zudringlich wurde. Es war ja keine Absicht, dass er dabei mit dem Kopf gegen den Tisch geknallt ist.“

„Ich krieg zuviel...meine Nerven. Okay!“ Mitch nahm ihm das Glas aus der Hand. „Ab! Los, du forderst ihn jetzt zum Tanzen auf und ihr sprecht euch aus! Auf der Stelle!“ Er schubste Jeremy regelrecht in die Richtung, in der man Aidan sehen konnte.

„Aber...“

„Kein Aber! Jetzt retten dich auch nicht deine zwei linken Füße!“ Jeremy gab widerwillig nach und trottete wie ein kleiner Junge, der etwas ausgefressen hatte, zu Aidan.

„Willst du tanzen?“ fragte er ohne Vorwarnung und viel zu schroff, als dass man es als freundlich bezeichnen konnte.

„Was?!“ Aidan schien regelrecht erschrocken. Er sah erst Jeremy, dann Mitch in der Entfernung an, der wild gestikulierte. Da begriff der Schwarzhaarige. Mitch musste seinem Freund den Kopf gewaschen haben. Zum wievielten Mal? Kaum mehr zu zählen. Jeremy sah total verloren und hilflos aus, vor allem in der Aussicht, tanzen zu müssen.

Deswegen gab es für Aidan nur eine mögliche Antwort.

„Natürlich. Nur zu gern.“

Wie aufs Stichwort änderte sich der Song im Hintergrund in ein langsames Stück. Besagtes Stichwort könnte natürlich auch von Mitch gekommen sein, der mittlerweile neben dem DJ stand und grinste.

„Kannst du tanzen?“ wollte Jeremy skeptisch wissen und warf seinem Freund böse Blicke zu. Er hätte es eigentlich wissen müssen. Auf Aidans Nicken legte der Brünette die Hand auf seine Schulter.

„Dann führst du.“

„Hätte ich sowieso gemacht.“ Aidan lächelte dabei und zog den Drehbuchautor gekonnt in den Takt der Musik. Er führte wirklich gut, vor allem, weil er ja mit einem anderen Mann tanzte.

„Woher der Sinneswandel?“

„Mitch.“ murmelte Jeremy beschämt und sah Aidan dabei nicht einmal an. Seine Bewegungen waren eher steif und ohne den Anderen wäre er nie im Rhythmus.

„Er sagt, wir sollen uns aussprechen.“

Aidans Hand glitt am Rücken von Jeremy ein Stück abwärts, sie lag nun knapp über dem Hintern.

„Dann mal los.“

„W-wieso ich?“ Jeremy drehte sich mit dem Oberkörper ein bisschen, so dass er mit der Hand an den Arm des Schwarzhaarigen kam und ihn höher rücken konnte.

„Weil du schuld an der Beule an meinem Kopf bist. Darum.“ Die Hand rutschte wieder hinunter, Aidan zog ihn auch etwas näher heran.

„Aber nur, weil du aufdringlich geworden bist und nicht hören wolltest.“ Es ging schon wieder los. Jeremy schob die Hand wieder hoch und drückte sich weg. Er sah dabei recht aufgescheucht aus mit den hin und her huschenden Augen.

„Du hättest mein Nein auch einfach akzeptieren können.“

„Warum schiebst du meine Hand immer weg?“ Schon war sie wieder an ihrem Platz. „So kann ich dich besser führen!“ Sein Griff wurde etwas fester. „Und ich habe dein Nein nicht akzeptiert, weil ich das Gefühl habe, dass du nicht einmal weißt, was du willst.“

„Und du glaubst, du kannst es mir zeigen, in dem du mich bedrängst? Warum kannst du nicht verstehen, dass ich dir nicht so nahe kommen will? Schon morgen ist unser Vertrag zuende, wir sehen uns nicht wieder. Ich...ich will mich auf niemanden einlassen, okay? Ich habe genug von Beziehungen und dem ganzen Kram.“ Frustriert ließ er die Hand an ihrem Platz und starrte nur über Aidans Schulter.

Dieser zog ihn noch ein wenig näher an sich. Sie standen nun aneinandergeschmiegt und bewegten sich zu den leisen Takten der Musik.

„Wer sagt, dass wir uns nicht wiedersehen können...ohne Vertrag.“ flüsterte Aidan ihm ins Ohr.

Der Brünette schloss gequält die Augen. Er wollte diese ganze Verführer-Nummer nicht.

„Wozu? Ich kann mit keinem Mann zusammen sein, bei dem ich immer Angst haben muss, dass er mich betrügt. Das hatte ich zur Genüge.“

„Und du glaubst, ich könne dir nicht treu sein? Mein Job schließt Sex nicht mit ein, du erinnerst dich.“ Aidan klang nicht übertrieben verführerisch. Er schien es ernst zu meinen.

„Aber ich vermute, du bist ein Mann, der gern Sex hat. Ihn also auch dementsprechend oft haben will.“

„Ich bin nicht notgeil.“

Jeremy schwieg. Er schien nicht gegen Aidan anzukommen.

„Macht es dir Spaß mich zu quälen?“

„Ich will dich nicht quälen. Das habe ich nie gewollt.“ Aidan lächelte. „Ich kenne dich komischen Kauz erst kurz, aber ich mag dich. Wenn du willst, kannst du verdammt lieb und witzig sein. Nur willst du scheinbar nie.“

„Was nützt es mir? Es würde alles genauso laufen, wie bei meinen letzten Beziehungen. Ich lege einfach keinen Wert mehr darauf, jemand anderem zu vertrauen. Und es ist mir egal, ob Mitch und du der Meinung seid, ich würde vereinsamen.“ Jeremy presste seine Lippen so fest aufeinander, dass sie nur noch ein blutleerer Strich waren.

„Auch wenn du vielleicht nicht ohne Schuld bist...“ Aidans Stimme war leise. „Es tut mir leid, dass dir so weh getan wurde...das hast du nicht verdient...“

„Davon kann ich mir auch nichts kaufen. Ich will es einfach nicht, verstehst du? Ich will nicht mehr...“ Er errötete und blickte zur Seite. Dieses Gespräch war ihm mehr als peinlich. Jeremy war noch nie gut darin gewesen, seine Gefühle zu bereden.

„...verletzt werden.“

„Möchtest du lieber einsam sein?“ Aidan lehnte seinen Kopf gegen den von Jeremy. „Vielleicht solltest du dem Schicksal einfach eine Chance geben. Vielleicht hatte es einen Grund, dass du mich gewählt hast.“ Er lächelte leicht. „Soll ich dir was sagen? Ich habe das heute im Pool genossen...ehrlich genossen.“

Jeremy wollte sofort sagen, dass es ihm nicht so ergangen war, aber Aidans Worte schienen ihm auch etwas Anderes sagen zu wollen. Trotzdem sträubte sich alles in seinem Inneren dagegen, sofort auf den Schwarzhaarigen einzugehen.

„Es ist noch zu früh.“

„Wir haben Zeit...wenn du sie uns zugestehst...“ Statt über seinen Hintern strich Aidans Hand über Jeremys Rücken.

„Mal sehen.“ Der Braunhaarige senkte den Kopf und seufzte. Die Musik verklang leise, doch Mitch schien einen Dauerauftrag von Schmusesongs gegeben zu haben.

„Das ist ein Anfang...“ Aidan lachte leise. „Wäre dieser Druck etwas tiefer, würde ich jetzt fragen, ob du dich so freust...aber auf Brusthöhe würde mich das verstören...“ Er hatte schon eine ganze Weile etwas dort gespürt, durch das Sakko.

Irritiert sah Jeremy auf und wieder an sich herab.

„Ach so...das ist mein Fastject-Injector.“ Er trennte sich von Aidan und griff in seine Innentasche, um einen etwa Kugelschreiber großen Stift herauszuholen. An der Unterseite war ein Loch, aus der die Nadel schießen würde, wenn er auf den Druckknopf am andere Ende drückte.

„Adrenalin für den Notfall. Ich bin gegen Schalen- und Krustentiere allergisch.“

„Sieht ja...interessant aus. Wie geht das?“ Aidan gelang es trotz allem, den Takt zu halten, keine schlechte Leistung.

„Wenn ich mit dem Allergen in Kontakt komme, muss ich mir das Adrenalin sofort spritzen. Hier ist die Nadel.“ Er zeigte ihm die kleine Öffnung. „Wenn man hier hinten drauf drückt, schießt sie heraus und gibt das Adrenalin ab. Ich muss es also einfach aufsetzen und abdrücken. Wie eine Pistole.“ Er grinste.

Der Schwarzhaarige zuckte zusammen und tanzte auf einmal gegen den Takt. Es brauchte ein paar Schritte, bis er sich wieder gefangen hatte.

„Ich habe eine Nadelphobie...“ Er schien tatsächlich etwas rot zu werden.

„Oh. Na, du müsstest es dir ja nicht selbst spritzen.“ Jeremy wirkte plötzlich lockerer. Lag es an dem Umstand, dass er nun eine Schwachstelle seines Gegenübers kannte?

„Das könnte ich auch nicht.“ Aidan zitterte. „Ich hab solche Angst vor den Dingern.“ Er schloss kurz die Augen und atmete durch.

„Entschuldige.“ Schnell verschwand der Injector wieder in seiner Innentasche.

„Ich habe noch nie jemanden kennen gelernt, der eine Phobie vor Nadeln hat. Wie kommt das?“

„Weiß nicht...“ Er druckste rum. „Kindheitstrauma, denke ich...ist mir peinlich...“

„Erzähl es mir.“

„Ich bin als Kind in einen rostigen Nagel getreten...ich musste eine Spritze bekommen deswegen. Das tat so schon weh, ich war erst vier...und dann ist der Arzt mit der Nadel an meinem Knochen abgerutscht, ich hab nicht still gehalten, und musste noch mal stechen...ich hab geschrieen wie am Spieß und meine Mom hat mich kaum mehr unter Kontrolle gekriegt.“ Er sah zur Seite. Scheinbar zutiefst beschämt.

Jeremy schmunzelte und legte tatsächlich seinen Kopf gegen Aidans Schulter.

„Das ist süß.“ Vor allem schaffte es eine Vertrautheit, die dem Brünetten etwas Mut gab. Nun wusste er etwas über Aidan, das diesem peinlich war. Ein Ausgleich.

„Mein Date für den Abschlussball hat mich versetzt. Ich musste allein hin. Und bei meinem ersten Mal mit meinem Freund stand plötzlich meine Mom im Zimmer und fragte, warum der Fernseher so laut wäre und was wir da gucken würden, weil der Schauspieler so jämmerlich geschrieen hat...“ Aidan kniff die Augen zusammen. „Mehr Peinlichkeiten gefällig?“

Jeremy lachte leise und nickte.

„Ja, den ganzen Abend bitte. Dann komme ich mir nicht so allein vor.“

„Bei meinem ersten Auftritt als Begleiter war ich so nervös, dass ich dachte, es wäre vielleicht gut, ein Glas Champagner zu trinken, bevor es losgeht. Auf leeren Magen.“ Bei dem Gedanken kicherte er. „Ich bin die Treppe in die Halle, in die wir mussten, runter gefallen und lag mit angeknackstem Knöchel im Krankenhaus.“

Nun lachte der Autor schon lauter und drückte sein Gesicht gegen die Schulter, damit es niemand sah. Er wollte nicht wie ein verliebter Junge aussehen, der mit seinem Schwarm flirtete.

„Und ich dachte immer, dass so etwas attraktiven Menschen nicht passiert.“

„Ich dachte, du fühlst dich nicht allein? Also passieren dir auch Missgeschicke. Dann kann deine Theorie mit den attraktiven Menschen schon nicht stimmen.“

Aidan ließ es dabei bewenden, er redete gleich weiter.

„Das ist das erste Mal, dass ich dich richtig lachen höre. Gefällt mir sehr.“

„Ich habe nicht oft Grund dazu.“ Und es schien Jeremy unangenehm zu sein, denn er wurde schnell wieder ernst. Er hatte sich schon seit langem große Gefühle verboten, so war er immer auf der sicheren Seite, da niemand wusste, wie er fühlt und ihn ergo auch nicht verletzen konnte. Das hatte allerdings nicht verhindert, dass es oft genug trotzdem passiert war.

„Warum hast du eigentlich angefangen als Host zu arbeiten?“

„Zufall. Ich war mit dem Studium fertig, ich hatte nebenher gemodelt. Nicht oft, aber ich hatte ein paar Kontakte. Einer von denen hat mich dieser Agentur empfohlen und die sind an mich heran getreten. Der Rest waren wohl die Verlockungen. Ist nicht das schlechteste Leben.“

Der mittlerweile vierte Schmusesong fing an.

„Und wie lange willst du das noch machen? Du wirst ja auch älter.“

„Ich bin erst neunundzwanzig. Wir werden sehen. Ich habe mir vorgenommen, aufzuhören, wenn der Richtige kommt.“ Aidan schloss die Augen. „Dann suche ich mir etwas, womit er auch leben könnte. Ich würde ihn auch nicht teilen wollen.“

„Neunundzwanzig. Dann ist ja nächsten Jahr dein Leben schon vorbei. Du wirst sehen, ab dreißig geht es rapide abwärts. Die Knochen werden porös, der Rücken krumm und die Augen schlecht. Deshalb muss ich auch eine Lesebrille tragen.“ Er schmunzelte und sah zu Aidan auf. Plötzlich fühlte er sich nicht mehr von dessen Nähe bedroht. Es war sogar richtig entspannend sich mit ihm zu unterhalten.

„Wer weiß, vielleicht steht mir ja eine Brille?“ Er sah sich um. „Das macht Mitch extra. Irgendwann lynchen ihn die Anderen noch wegen der vielen langsamen Songs. Wollen wir sie erlösen und noch was essen gehen? Ich muss doch feiern, dass meine Knochen bald porös werden. Schließlich habe ich nächsten Monat Geburtstag.“ Er grinste wie ein kleiner Junge.

„Auf zum Büfett!“ Das war sowieso Jeremys Lieblingsort auf Partys. Sektbar oder Büfett. Auf dem Weg schnappte er sich schon ein paar Häppchen vom Tablett eines Kellners.

„Die sind hier wirklich gut. Ich mag diese hübschen kleinen Verzierungen.“ Er knabberte an einer Pastete mit Ei.
 

„Morgen sehen ich sicher aus....aus wie...wie ein Hefekloß! Ja, Hefe! Die geht doch so auf!“ Aidan warf kichernd die Tür der Kabine hinter sich zu.

„Ich fasse das nicht...ich habe...habe soviel gegessen...“ Er hielt sich den Bauch. Ein wenig, weil er vor Völle spannte, aber auch weil er schon wieder lachen musste. Sie hatten das Büfett und die Sektbar ordentlich geplündert.

„Dein Bauch hat schon den Umfang eines Heißluftballons. Hauptsache nicht auch den Inhalt.“ Jeremy schwankte leicht, als er zu einem Stuhl ging, um sein Sakko abzulegen. Umständlich bückte er sich auch noch nach den Schuhen.

Aidan stand bereits vor dem Spiegel, leicht schief. Seltener Alkoholkonsum konnte tückisch sein.

Er hatte das Hemd aus der Hose gezogen und tatschte auf seinem steinharten Waschbrett herum. „Ich glaub, ich...ich bin schon dick..er...“

Jeremy richtete sich auf und lachte, als er ein paar Schritte zur Seite taumelte.

„Ja, eindeutig. Da sind schon ganz viele Dellen drin.“ Er deutete auf das Sixpack und lachte erneut.

„Ouh Mann, ich muss ins Bett.“

„Ja...der Seegang ist im Moment...so stark...auf und ab...auf und ab...hin und her...“ Der Schwarzhaarige lachte schallend und fiel beinahe hin, als er sich aus seinen Klamotten strampelte. Die edlen Lederslipper kickte er gleich durchs Zimmer. Am Ende war er bis auf seine Socken nackt. „Oh...sorry...“ Er kicherte. „Ich...geh sofort unter die Decke.“ Beinahe hätte er das Bett verfehlt. Umständlich krabbelte er auf allen Vieren darüber, bevor er oben unter die Decke rutschte.

„Du hast auch keine Hemmungen.“ grummelte Jeremy und verschwand kurz im Bad, wo er sich seinen Pyjama anzog. Sein Bett zog ihn so magnetisch an, dass er das Oberteil noch auf dem Weg zuknöpfte.

„Ich vergesse manchmal, dass wir hier auf einem Schiff sind. Alles wirkt so wie in einem Hotelzimmer. Bis auf die Fenster. Die sind rund. In einem Hotelzimmer gibt es keine runden Fenster.“ Er fiel neben Aidan ins Bett und kuschelte sich ebenfalls unter die Decke. Es tat gut die Augen schließen zu können und Schultern und Füße zu entspannen.

„Du bissen Philo...Philo...Philo...Dingsbums...“ Aidan sah ihn an, richtig bewundernd. „In Hotels gibs keine runden Fenser...Fenster.“

„Philosoph. Ich weiß, ich hatte einen Kurs am College.“ Er hob den Zeigefinger, aber ließ ihn gleich wieder sinken.

„Lass uns schlafen.“ Im Gegensatz zur letzten Nacht rollte sich Jeremy auf die Seite, so dass er Aidan ins Gesicht sehen konnte.

„Duuuu...?“ Aidan schloss kurz die Augen. „Das Bett...schwankt so...mir ist schon schwindelig...“

„Musst du etwa kotzen?“ Jeremy richtete sich wieder auf, bereit aus dem Bett zu springen, um einen Eimer oder ähnliches zu holen.

„Ne...ich will mich nur irgend...wo...festhalten. Ich fall sonst raus.“ Er kicherte albern.

Schnaubend verschränkte er die Arme vor der Brust und sah auf Aidan herab.

„Das ist ein billiger Anmachversuch.“

„Isses nich!“ Der Andere verzog schmollend den Mund. „Du bist gemein!“

„Nein, nur nicht so betrunken wie du.“ gab Jeremy zurück und legte sich wieder hin. Allerdings etwas dichter an seinen Begleiter.

„Das is deine Schuuuld.“ Er schmollte immer noch. „Ich vertrag nix...gar nix...und du...hassssst mir das Glas...das Glas war immer voll...“ Aidan fing schon wieder unkontrolliert an zu lachen. „Woldest wohl...dass ich...die Trepp...Treppe runterfalle, wie damals!“ Er hob den ausgestreckten Zeigefinger in die Luft. „Aber nein! Nein, Mister....nich ich!“

„Du bist ja wirklich betrunken.“ stellte Jeremy überflüssigerweise fest. Seufzend rückte er näher zu Aidan, bis er dessen nackte Haut spürte.

„Schlaf, du hast es nötig.“ Dabei drückte er seinen Kopf weiter in die Kissen.

„Oh, du bist lieb!“ griente der Jüngere. Sein Arm legte sich um Jeremy. „Du passs auf, dassi nich raus fall, oder?“ Er schmiegte sich näher an den Brünetten.

„Ähm...“ Jeremy musterte das freudige, müde Gesicht und konnte nicht umhin leicht zu schmunzeln.

„Ja, ich passe auf.“ Er legte sich bequem hin und ließ Aidan noch näher rücken, legte sogar freiwillig den Arm um ihn.

Plötzlich schob Aidan sich ganz nah an ihn heran und drückte ihm einen Kuss auf. Sicher nicht so geübt wie sonst, aber er gab sich sichtlich Mühe. Bevor Jeremy etwas sagen konnte, rutschte er schnell wieder etwas weg. „Hab dich gern...“ flüsterte er, die Augen schon geschlossen.

Geschockt blieb der Brünette liegen und starrte gegen die Decke. Aidan hatte mal wieder die unsichtbare Grenze überschritten. Einfach so. Trotzdem konnte er ihm dieses Mal nicht böse sein.

Gedankenverloren leckte er sich über die Lippen und legte eine Hand auf Aidans Kopf. Sein Körper war so schön warm.

Das alte Gefühl von Sehnsucht und Verlust keimte in Jeremy hoch und er schloss gequält die Augen. Er würde er nur ein bisschen genießen. Nur ein kleines Bisschen. Aidan würde es morgen sowieso vergessen haben.

Also legte er einen Arm um den Schwarzhaarigen und schmiegte sich an ihn.
 


 

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An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle Kommentatoren. Ich freue mich immer wieder, wenn ich neue Gesichter sehe ^^

Ich erinnere noch mal jeden, der diese Story liest, dass es ZWEI Autoren sind und ihr das bitte auch in den Kommis berücksichtig ^^'

Ich hoffe, euch hat der zweite Teil genauso gut gefallen, wie der erste ^.^

Act 3

Kreuzfahrt mit Folgen
 


 

Das Sonnenlicht fiel durch die Bullaugen hinein. Und es tat weh. Schrecklich weh. Der Schmerz in Aidans Kopf war mörderisch, er hatte das Gefühl, dass dort ständig Schnellzüge kollidierten.

Doch trotzdem bewegte er sich nicht. Er war schon fast zwanzig Minuten wach, geweckt von seinem tobenden Kater. Der Anblick war aber zu schön. Er rührte keinen seiner schmerzenden Muskeln, damit Jeremy nicht aufwachte. Sie langen ganz nah beieinander, immer noch umarmt.

Als Aidan sich jedoch kurz durch die Augen wischte, regte sich der Brünette und streckte alle Glieder von sich. Dabei stieß er unwillkürlich gegen den anderen Mann und stockte.

„Oh, entschuldige.“ Er rückte ein Stück weg und gähnte.

„Bin ich dir heute Nacht zu nahe gerückt?“

„Nein...du hast mich davon abgehalten, aus dem Bett zu fallen.“ Von einem Filmriss war der Schwarzhaarige weit entfernt.

Jeremy errötete und setzte sich auf.

„Du hast wohl doch nicht genug getrunken.“

„Mein Kopf sagt da was Anderes.“ Er legte sich die Hand über die Augen. „Hattest du gehofft, dass ich das vergesse...?“

„Ich weiß nicht. Vielleicht.“ Es war schlimm genug, dass sie im selben Bett schlafen mussten, aber darin auch noch zu kuscheln, das hatte Jeremy nicht erwartet.

„Dann hätte ich auch so tun können, als hätte es mir nicht gefallen.“

„Freut mich. Ich fand es auch schön.“ drehte ihm der Schwarzhaarige einen Strick daraus. „Sehr schön sogar.“

„Ja, ist ja gut.“ knurrte der Autor und schwang die Beine aus dem Bett. So genau wollte er das Thema gar nicht besprechen.

„Wir sollten unsere Koffer packen. Nachher werden wir nicht mehr dazu kommen, wenn die Abschlussfeier vorbei ist.“

„Bitte...eine Aspirin und noch etwas Schlaf. Hab Erbarmen...“ Aidan drückte sich das Kissen übers Gesicht.

Kritisch musterte Jeremy den Anderen und nickte schließlich seufzend.

„Also gut, ich mache dir eine, dann kannst du weiter schlafen. Ich ziehe mich an und geh etwas spazieren.“

„Du bist ein Engel!“ war Aidans einziger Kommentar dazu.
 

Jeremy ließ seinen Begleiter bis zum späten Mittag schlafen und erkundete selbst noch etwas das Schiff. Es war viel zu groß, um es an zwei Tagen gänzlich gesehen zu haben. Auf seinem Weg traf er Mitch und sie setzten sich in die Sea View Lounge und aßen eine Kleinigkeit.

Dabei berichtete sein Freund von einem neuen Projekt, das er ins Auge gefasst hatte. Die Investoren hatte er auf den Partys davon begeistern können, somit war auch das nötige Geld vorhanden.

Danach sprachen sie noch etwas über die Abschlussparty, für die sich Mitch etwas ganz besonderes hatte einfallen lassen. Es sollte nicht nur die übliche Musik, Essen und Getränke geben, er hatte auch eine kleine Show arrangiert. Damit sollte die Reise würdevoll enden. Mit einem Knall, so vermutete Jeremy.

Da sie am Abend anlegen würden, war die Feier für den späten Nachmittag geplant. Sie war legerer, also kleidete sich Jeremy in schlichte schwarze Jeans und ein weißes Hemd mit Weste.

Aidan trug ebenfalls eine schwarze Jeans, dazu einen weißen Rollkragenpullover. Sie gingen, abgesehen von der Weste, im Partnerlook.

Dem Schwarzhaarigen ging es sichtlich besser, er hatte auch schon seine Koffer gepackt.

„Irgendwie schade, ich hätte noch ein, zwei Wochen kreuzen können.“

„Mir reicht es. Ich muss langsam wieder an die Arbeit und vorher meinen Laptop reparieren lassen.“ Jeremy band sich gerade die schwarzen Lederschuhe zu.

„Bist du fertig? Ich hab Hunger. Mal sehen, was sie uns heute für Köstlichkeiten auftischen.“

„Du bist ein kleiner Vielfraß...meinst du, ich überlebe das nächste Treffen mit meinem Trainer, wenn ich...ach, scheiß drauf...“ Er lachte. „Mit dir zu schlemmen, macht eben Spaß.“ Er band sich gerade den zweiten Schuh. „Fertig bin ich auch.“

„Gut, auf geht’s. Und ich bevorzuge es, als Gourmet bezeichnet zu werden.“ Mit gespielt erhobener Nase stolzierte der Brünette aus dem Zimmer.

Der Festsaal war in verschiedenen Blautönen dekoriert. Ganz offensichtlich war das Thema Unterwasserwelt, denn an den Wänden hingen Fische und Seetiere aus Plastik. Eine Seite wurde sogar von einem großen Aquarium mit kleinen Haien eingenommen.

„Man muss schon sagen, Mitch gibt sich Mühe.“

„Mehr als das...Wahnsinn.“ Aidan sah sich fasziniert um.

„Beeindruckt?“

Beide fuhren zusammen, wie aus dem Nichts war Mitch hinter ihnen aufgetaucht.

„Nein, eher zu Tode erschrocken.“ stöhnte Aidan und hielt sich die Brust.

„Nimm Rücksicht, er ist ein alter Mann. Nächsten Monat wird er dreißig.“ bemerkte Jeremy trocken und begrüßte seinen Freund.

„Du hast es dir richtig was kosten lassen, oder?“

„Tja, man ist nur einmal jung, nicht wahr, Aidan?“

„Du sagst es.“ Aidan knuffte den Brünetten in die Seite.

„Du wirst also dreißig. Ich denke, da werden wir dem jungen Hüpfer was schenken, hm, Schatz?“ Er grinste Jeremy an. „Schließlich hat er sich hier eine Menge Mühe gegeben.“

„Ich dachte an eine Prothese und Krücken.“ lächelte dieser süßlich und schnappte sich ein Glas Sekt von dem Tablett des vorbeiziehenden Kellners.

„Und schon säuft er los. Diesmal halte ich mich zurück. Gestern hat mir gereicht.“

„War ein wilder Ritt, hm?“ Mitch’ Augenbrauen hüpften auf und ab.

„Ja...um nicht aus dem Bett zu fallen, weil sich alles so gedreht hat.“

„Er war viel zu betrunken, als dass er noch irgendetwas hätte reiten können. Entschuldigt mich kurz, ich muss noch ein paar Worte mit Mr. Kenwood wechseln.“

„Und schon ist er weg...“ Aidan sah ihm nach. „Das war eine Flucht erster Güte.“ Bei den Worten lächelte er warm.

„Es scheint zwischen euch besser zu laufen. Ist er zutraulicher geworden?“ Mitch grinste und beobachtete Jeremy, wie er mit besagtem Mann ein Gespräch begann. Es war klar, dass es von seinem neuen Drehbuch handelte.

„Ich habe ihm alle möglichen Peinlichkeiten aus meinem Leben erzählt, danach ist er aufgetaut. Und er hat mich die ganze Nacht im Arm gehalten, auch wenn er hoffte, ich würde es vergessen haben.“

Aidan strich sich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. „Ich mag ihn.“ meinte er in einem durchaus merkwürdigen Tonfall, an seiner sonstigen Art gemessen.

Mitch sah ihn lächelnd an und in seinen Augen leuchtete ein wissendes Licht.

„Man muss ihn nur etwas kennen lernen, dann merkt man, dass er ein lieber Kerl ist. Einsam und etwas verbittert, aber lieb. Ich hoffe wirklich, dass er irgendwann einmal einen Mann findet, der es mit ihm aushält und vielleicht auch mal selbst das Ruder übernimmt.“ Ein kurzer Seitenblick traf Aidan, dann konzentrierte sich Mitch wieder auf seine Gäste.

Aidan sah Jeremy hinterher. Er kaute kurz auf seiner Lippe, ein Zeichen von Nervosität bei ihm. Die Sache entglitt seiner Kontrolle.

Der Abend gestern. Der Tanz, das Schlemmen, der Kuss im Bett. All das war so schön gewesen. Viel zu schön, um es als Teil des Jobs anzusehen. Gedankenverloren musterte er den Brünetten bei seiner offenbar schon wieder mehr als qualvollen Konversation.

„Du solltest ihn vielleicht erlösen.“ bemerkte Mitch, zweideutig.

„Das sollte ich wohl.“ Aidan grinste ihn an, das war in beiden Bedeutungen klar rüber gekommen.

Er ging zu Jeremy hinüber und stellte sich neben ihn. „Entschuldige, ich wollte nicht stören. Ich fühlte mich nur etwas einsam.“ Er streckte Mr. Kenwood die Hand hin. „Aidan York. Mr. Owens und ich sind zusammen hier.“

„Ach, ist das Ihr neuer Freund, Jeremy? Ich habe neulich Richard getroffen, er schien auch neu verliebt zu sein. Zu schade, dass es mit ihnen auseinander gegangen ist, sie waren so ein schönes Paar.“ Jeremy biss die Zähne zusammen und lächelte gezwungen.

„Alles geht einmal zuende, Edward. Zudem ist Mr. York nur ein Freund, der so nett war mich zu begleiten, damit ich neben Leuten wie Ihnen nicht so eine schlechte Figur mache.“ Er wollte nicht über sein Privatleben reden, denn Edward Kenwood war das größte Klatschmaul in ganz Hollywood. Allein in den grünen Augen konnte er schon erkennen, dass morgen so einige Leute mehr von Aidan wissen würden.

„Jeremy, Sie können gar keine schlechte Figur machen. Aber zurück zum Wesentlichen. Wenn wir zurück an Land sind, rufen sie mich doch einmal an wegen ihres neuen Drehbuches. Es klingt wirklich interessant und ich bin sicher, ich könnte einige Freunde davon überzeugen, es sich einmal durchzulesen.“

„Das ist wirklich zu freundlich.“

„Hab ich da jetzt Mist gebaut?“ Aidan sah ihn von der Seite an, als der Geschäftspartner Jeremys gegangen war.

„Ich wollte wirklich nur zu deiner Rettung eilen. Es sah aus, als würde dich das Gespräch allmählich quälen. Entschuldige.“

„Nein, schon gut. Ich hasse es, Leute für mich zu werben und Edward Kenwood ist ein schwer wieder loszuwerdender Mann. Ich bin froh, dass du mich vor dem neuesten Klatsch Hollywoods bewahrt hast. Das ist sein Spezialgebiet.“

„Gern geschehen.“ Aidan lächelte. „Aber jetzt wirst du sicher der neuste Tratsch, das habe ich nicht gewollt.“

„Lässt sich nicht verhindern...“ seufzte der Mann und steuerte schon wieder die Bar an.

„Ich weiß bei dir nie so recht, wie ich mich verhalten soll.“ Der Host ging neben Jeremy her. „Ich weiß, ich soll nicht tatschen, aber ich weiß auch nicht, ob das wie eben jetzt okay war.“ Er schnappte sich ein Glas von einem vorbeirauschenden Tablett, der Kellner guckte etwas pikiert, scheinbar waren sie bestellt gewesen. „Schon wieder Alkohol...“

„Ist das beste Mittel gegen Langeweile und Aufregung.“ bemerkte Jeremy trocken. Auf den Rest ging er nicht ein, denn ihm fehlte die Antwort. Seit dem letzten Abend wusste er selbst nicht, ob er Aidan um sich haben wollte oder nicht.

„Mitch hat vorhin von einer großen Attraktion geredet. Irgendeine Show. Bin mal gespannt, was er sich da ausgedacht hat.“

„Hundert nackte Kerle, die aus Torten springen? Würde zu ihm passen...“ Aidan legte die Hand vor den Mund, gespielt entsetzt. „Über den Gastgeber lästern...ich verliere noch all meine Manieren!“

„Mitch sähe das als Kompliment an. Er liebt es, wenn man ihm solches Zeug zutraut. Nein, ich würde eher auf so etwas, wie ein Eisballett tippen. Er ist ein großer Ballett- und Eiskunstlauffan.“ Sie wanderten ein wenig im Raum herum und blieben schließlich vor dem großen Aquarium stehen.

„Ich möchte wissen, wo er die aufgetrieben hat.“ Jeremy legte fasziniert von den Raubfischen eine Hand ans Glas.

„Das ist gar nicht so schwer. Ich war schon bei Typen zu Gast, die mehrere Aquarien mit den seltensten Meerestieren hatten.“

Aidan stellte sich neben ihn, das flackernde Licht, gebrochen vom Wasser des Beckens, tauchte ihn in ein Muster aus Licht und Schatten.

Einen Augenblick langt herrschte eine für Aidan geradezu unerträgliche Stille.

„Entschuldige...“ Erst schien er es damit bewenden lassen zu wollen, aber dann kam doch noch eine Begründung. „Ich fühle mich seit neustem immer mies, wenn ich dir von Kunden erzähle...ich...na ja...“

„Schon gut. Ich bin doch auch nur ein Kunde.“ Jeremy starrte in das Wasser und presste die Lippen fest zusammen. Heute Abend endete ihr Geschäftsverhältnis und er glaubte nicht, dass Aidan es ernst gemeint hatte mit den außerberuflichen Treffen. Wahrscheinlich erzählte er das jedem Kunden, der für ihn entflammte. Dann blieb es bei ein paar Mal Sex und alles war vorbei.

„Wann hast du den nächsten Termin hiernach?“

„Das erfahre ich erst, wenn ich wieder in der Agentur bin. Die regeln das.“ Aidan setzte ein Lächeln auf und schaute Jeremy an. „Wieso, willst du mich gleich weiter mieten?“ Die Worte waren viel zu schnell über seine Lippen gekommen, sein typischer Humor. „Entschuldige, das war taktlos. Ich schieße manchmal übers Ziel hinaus. Besonders nachdem ich dir ja gestern sagte, dass wir vielleicht auch privat mal...“

„Hör doch auf. Es wird keine privaten Treffen geben.“ Der Ausdruck des Mannes verfinsterte sich.

„Ich weiß, wie das läuft. Ihr müsst das den Kunden erzählen, damit sie euch irgendwann noch mal buchen. Aber das war das erste und letzte Mal für mich.“ Jeremy war ganz verändert. Gerade noch war er wie gewöhnlich zwar distanziert, aber trotzdem entspannt und umgänglich. Hier stand nun der selbe Mann vor Aidan, den er noch vor zwei Tagen kennen gelernt hatte. Verschlossen, aggressiv und unnahbar.

„Das würde mit uns sowieso nicht klappen. Wir sind zu unterschiedlich.“

„Wieso? Du kennst mich nicht einmal!“ Aidan war von dem Stimmungswechsel mehr als überrascht. Und auch verletzt. „Und hör endlich auf, hinter allem eine Taktik von mir zu sehen. Ich bin kein schlechter Mensch, der nur an seinen Profit denkt.“ Er schnaubte. „Ich wollte dich wirklich kennen lernen, privat, falls dich das interessiert. Aber du musst ja immer gleich das Schlechteste von jedem denken.“

„Du kannst mir nicht weiß machen, Aidan, dass du an mir interessiert bist. Und ich will ehrlich gesagt auch keinen Freund, der mit fremden Männern ausgeht und tut, als hätte er keine Beziehung, damit es vielleicht ein bisschen Extrageld gibt.“ Jeremy wusste, dass er gemein war und Aidan Unrecht tat. Aber so war es das Beste. Es würde sowieso nicht mit ihnen klappen und eine erneute Enttäuschung würde er nicht ertragen. Der Schwarzhaarige war in so kurzer Zeit schon viel zu nahe an ihn herangekommen.

„Du meinst, ich würde...was bist du eigentlich für ein kaltschnäuziger Mistkerl?“ zischte Aidan. „Du solltest...“

Weiter kam er nicht, denn Mitch trat auf die Bühne. Er schnappte sich das Mikrofon und begrüßte die Gäste, sofort verstummten alle Gespräche und somit auch der Streit, der sonst viel zu auffällig gewesen wäre.

Mit finsterer Miene starrte der Schwarzhaarige zur Bühne hinauf und hörte Jeremys Freund zu, wie der eine flammende Dankesrede voll spritziger Pointen hielt, die jeder Oscar-Verleihung alle Ehre gemacht hätte.

Den meisten Applaus bekam er sicher für den Abschluss, da eröffnete er nämlich das Büfett, an dem sich die Gäste gütlich tun sollten, bevor die große Überraschungsshow begann.

„Ich hole mir etwas zu essen.“ bemerkte Jeremy nur knapp und verließ Aidans Seite. Er fühlte sich immer sicherer, wenn er ein Glas oder einen Teller in der Hand halten konnte. Nicht nur an der großen aufgebauten Tafel konnte man sich bedienen. Auch strömten wieder einige Kellner in die Menge der Gäste mit hübsch verzierten Tabletts. Eben solch ein Kellner stellte sich Jeremy lächeln in den Weg.

„Möchten Sie ein Oduevre kosten, Sir?“ Es waren akkurat angerichtete Pastetchen. Der Brünette liebte Pasteten.

„Gern, danke.“ Er nahm sich eines herunter, als Aidan schon wieder neben ihm auftauchte.

„Möchten Sie auch, Sir?“

„Was genau ist das?“ Der Schwarzhaarige musterte den perfekt geformten Happen in seiner Hand.

Jeremy hatte es schon verschlungen, stockte nun aber.

„Das sind Dillpasteten gefüllt mit Krabbencreme.“ informierte der Kellner zu spät. Der Brünette rang bereits schwer nach Luft. Sein Gesicht war knallrot und der leichte Ausschnitt seines Hemdes ließ erahnen, dass es sich auf dem Rest des Körpers ausbreitete. Als würde er sich in einen gekochten Hummer verwandeln.

Jeremy griff panisch an seine Kehle.

„Scheiße!“ Aidans Augen wurden groß vor Entsetzen.

„Aber Sir, was...?“ Der Kellner stierte etwas verwunderte auf den Braunhaarigen

„Aus dem Weg!“ Der Host schubste ihn zur Seite, um schneller bei Jeremy sein zu können. Dieser schnappte nach Luft und brach in diesem Moment schon zusammen, ihm knickten die Beine weg. Aidan schaffte es, ihn zu fangen, doch er rutschte dabei mit Jeremy zu Boden.

Dieser verdrehte so stark die Augen, dass man nur noch das Weiße sehen konnte. Sein Körper krampfte und er bekam keine Luft mehr. Seine Luftröhre schwoll zu, er atmete nur noch röchelnd und zuckte panisch. Es ging alles furchtbar schnell, er hatte gar nicht mehr die Zeit gehabt, um seinen Injector aus der Tasche zu holen.

Da er die Pastete runtergeschluckt hatte, wurden die Symptome immer schlimmer.

Die umstehenden Gäste wichen erschrocken zurück, einige riefen nach einem Arzt. Auch Mitch kam herbei gestürmt.

Jeremy kam mittlerweile der Inhalt seines Magens wieder hoch, allerdings drohte er daran zu ersticken in seiner Panik.

So schnell er konnte, drehte Aidan ihn auf die Seite, damit er erbrechen konnte, soviel wusste er von seinem erste Hilfe Kurs. Das Meiste von Jeremys Mageninhalt ergoss sich über Aidans Jeans, aber er achtete nicht einmal darauf.

„Ist hier denn nirgendwo ein Arzt?!“ brüllte Mitch. „Ruft den Schiffsarzt!“

Aidan hörte ihn nicht einmal. Während er Jeremys Kopf hielt, damit dieser weiterhin brechen konnte, angelte er mit der anderen nach dem Gerät in der Tasche des Brünetten. In ihm wallte die Angst, sich vielleicht an der Nadel zu stechen, aber er drängte sie zurück.

Mit zitternden Fingern nahm er den Stift in die Faust und legte seinen Daumen auf den Knopf. Hatte Jeremy etwas davon gesagt, wo das Adrenalin hingespritzt werden musste? Oder war es egal?

Schließlich setzte er die Nadel einfach am Hals an und drückte ab. Jeremy gab ein Gurgeln von sich und zuckte immer noch.

Nun kamen auch einige Stewards zusammen mit dem Schiffsarzt angerannt, der einen überraschend gut ausgerüsteten Notfallkoffer bei sich trug.

„Was ist passiert?“ wollte er sofort wissen und checkte nur kurz Atmung und Herzschlag. Ohne weiter zu zögern, intubierte er Jeremy und schloss eine Handpumpe an.

„Er hat einen anaphylaktischen Schock. Ist er Allergiker?“

„Schalentiere...er hat, da waren Krabben drin!“ stammelte der Schwarzhaarige. „Tun Sie was! Retten Sie ihn, verdammt! Er darf nicht sterben!“

Mitch zog ihn ein Stück weg.

„Schon gut. Du hast getan, was du konntest.“

„Er darf nicht sterben!“ schrie Aidan nur wieder.

Der Arzt zog mehrere Spritzen auf und jagte sie alle nacheinander in Jeremys Arm. Zwei Stewards kamen mit einer Trage und sie transportierten den Mann ab. Auf der Krankenstation des Schiffes wurde Jeremy sofort an einen Tropf gelegt und an mehrere Monitore angeschlossen. Erst nach Gabe von Dopamin verbesserte sich sein Zustand. Der Ausschlag ging noch nicht zurück, doch der Kehlkopf entkrampfte und der Kreislauf stabilisierte sich.

Aidan war vollkommen durch den Wind, so verstört hatte man den Host wahrscheinlich noch nie gesehen.

Er wollte unbedingt zu Jeremy, als er es nicht durfte, wurde er wütend. Die ganze Sache endete dann mit einer Beruhigungsspritze, allerdings mussten drei Männer den Schwarzhaarigen festhalten, damit er sie sich überhaupt geben ließ.

Mitch nahm sich seiner an und versuchte den aufgekratzten Mann zu besänftigen. Natürlich hatte er Angst um seinen besten Freund, aber er vertraute auch auf das Können der Ärzte und hatte so einen Anfall schon einmal miterlebt. Die Hilfe war noch rechtzeitig gekommen.

„Jeremy schafft das schon. Du hast ihm wahrscheinlich das Leben gerettet, als du ihm das Zeug gespritzt hast.“

Aidan fühlte sich, als würde er ein wenig schweben. Sein Kopf war wie mit Watte gefühlt. Trotzdem konnte er die Worte noch verstehen, ihren Sinn begreifen.

Er lag in ihrem gemeinsamen Zimmer auf dem Bett.

„Das war meine Schuld. Wir haben uns gestritten.“ meinte er mit schwerer Zunge. „Er hat nicht aufgepasst, weil er sauer auf mich war.“

„Das stimmt doch nicht, Aidan. Jeremy ist einfach ein Vielfraß und manchmal zu unvorsichtig.“ Mitch legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Er wird wieder gesund, da mach dir mal keine Sorgen. Unkraut vergeht nicht.“ Der Mann schien gar keine Bedenken zu haben, aber tatsächlich sorgte er sich genauso um seinen Freund wie der Schwarzhaarige.

Aidan sah zur Decke, es schien ein bisschen, als würde er denken, er sei allein. „Ich weiß...“ ging er dennoch auf Mitch ein. „Ich mag ihn.“ Die Feststellung kam ohne großen Zusammenhang. „Ich mag ihn sehr. Aber er mich nicht.“

„Oh doch, und wie er dich mag. Der Kerl kriegt nur unheimlich schnell kalte Füße. Aber glaub mir, würde Jeremy dich nicht mögen, wäre euer Vertrag nach dem ersten Streit nichtig gewesen. Und er scheint in deiner Gegenwart aufzutauen. Nicht nur oberflächlich, auch innerlich.“ Mitch ließ seine Hand über Aidans Brustkorb wandern.

„Er mag mich nicht. Er hält mich für eine Nutte...Stricher. Er hätte mich jetzt gleich berichtigt.“ Aidan sah ihn an, seine Augen waren ein wenig glasig. „Ich mag ihn gern, aber er will mich nach dem Anlegen nicht mehr sehen.“

Der Grauhaarige schien kein bisschen verwundert.

„Hat er das gesagt?“

„Ja. Weißt du...ich meine es ja sowieso nicht ernst mit ihm. Ich werde meinen Job weitermachen und vor den Kunden, mit denen ich mir das Hirn rausvögele, behaupten, ich hätte keinen Freund. Jeremy weiß das alles schon.“ Er machte eine fahrige Geste. „Hellseher.“

„Das sieht ihm ähnlich. Er traut keinem Mann mehr über den Weg.“ Mitch seufzte und rückte näher.

„Weißt du, Süßer, er ist ein alter Sturkopf und viel zu lange allein gewesen. Die Sache mit Richard hat gerade mal drei Monate gedauert, davor waren es einige Jahre, die er abgeschieden in seinem Haus verbracht hat. Wenn du ihn wirklich so sehr magst, wie ich es hoffe, dann brauchst du einen starken Nussknacker, um seine Schale zu zerbrechen. Das und viel Geduld und Hartnäckigkeit.“ Die Finger des Mannes tanzten federleicht über Aidans Brust.

„Was machst du...?“ fragte der Host verwirrt.

„Du bist mir von damals noch was schuldig, mein Hübscher.“ lächelte Mitch süßlich. „Und wenn Jeremy dich nicht will, ich lasse mir so einen heißen Kerl nicht durch die Lappen gehen.“

Aidan schüttelte den Kopf, um den Nebel loszuwerden. „Du willst...?“

„Warum nicht? Du kannst mir nicht erzählen, dass du keine Lust hast und dieses Mal erwischt uns Jeremy bestimmt nicht.“

Aidan sah ihn an, eine ganze Zeit lang. „Was bist du eigentlich...für ein Schwein?“ murmelte er. „Du bist ja wohl...das Letzte...Ich betrüge Jeremy nicht.“

Der Ältere seufzte nur theatralisch und erhob sich wieder.

„Wäre nicht das erste Mal, aber wenn du nicht willst. Dir entgehen die besten Lenden Hollywoods. Wie dem auch sei. Ruh du dich noch ein wenig aus, ich sehe mal nach, was unser Krabbencocktail macht.“ Damit verschwand er aus der Kabine und steuerte die Krankenstation an, wo sich Jeremy langsam erholte. Die Medikamente hatten gewirkt und er war schon wieder ansprechbar und extubiert. Trotzdem wollten die Ärzte ihn noch überwachen, bis er von Bord ging. Ziemlich fertig lag er in seinem Bett und starrte an die Decke. Irgendwie fühlte er sich völlig erschlagen. Zudem juckte dieser verdammte Ausschlag wie blöde.

„Na, mein Freund? Wow, diese gesunde rote Hautfarbe steht dir.“ Mitch setzte sich lächelnd an Jeremys Bett.

„Wenn es witzig wäre, würde ich jetzt glatt lachen.“ gab der Patient mit kratziger Stimme zurück. Ihm war weder nach Scherzen, noch nach Unterhaltungen.

„Du bist mein erster Besuch. Wird wohl auch so bleiben, was?“

„Erwartest du denn jemanden?“ Ein Lächeln stahl sich auf das ältere Gesicht.

Jeremy drehte das Gesicht weg und murmelte ein Nein.

„Na ja...Aidan vielleicht. Aber der liegt noch in eurem Zimmer im Bett. Zumindest war er da, als ich ging.“ Mitch lehnte sich zurück.

„Du warst in unserem Zimmer? Warum?“ Es klang, als wüsste es der Brünette längst. Mitch war kein Mann, der etwas anbrennen ließ. Er hätte wissen müssen, dass Aidan gelogen hat. Aber warum war er jetzt trotzdem enttäuscht und verletzt?

„Na ja...dein Süßer war so hysterisch wegen dir, dass sie ihm eine Spritze geben mussten. Er ist so niedlich weggetreten und ich dachte, ich versüße ihm den Trip...“ Mitch verdrehte gespielt die Augen. „Und weißt du, was der tatsächlich sagt? Trotz seines lustigen kleinen Trips? Ich sei das Letzte und er würde dich nicht betrügen. Und das mir...ich armer Kerl...“

„Er hat dich abgewiesen?“ Jeremy war skeptisch und verwundert zugleich. Er konnte es sich kaum vorstellen, denn Mitch war attraktiv und für sein Alter noch sehr agil. Ein kleines Lächeln schlich sich auf Jeremys Züge.

„Du bist ein hinterhältiger Mistkerl.“

„Kann sein.“ Mitch zuckte mit den Schultern. „Eigentlich hat der Trick einen Bart, aber in seinem Zustand hätte es klappen können. Aber nein! Stand- und ehrenhaft. Und er sagte wortwörtlich, dass er Jeremy nicht betrügen werde.“ Das Grinsen wurde immer breiter.

„Wisch dir das dämliche Grinsen aus dem Gesicht.“ meckerte der Andere und sah seinen Freund böse an. Innerlich fühlte er sich so erleichtert, wie lange nicht mehr. Aidan hatte also doch die Wahrheit gesagt und...mochte ihn?

„Sie haben ihm eine Spritze gegeben?“

„Gegeben ist gut...der hat richtig gekämpft. Zu dritt haben sie ihn festgehalten, damit ihm der Arzt das Ding in den Arm jagen konnte. Er hatte Tränen in den Augen.“ Mitch kratzte sich am Kinn. „Wahrscheinlich war es, weil er unbedingt zu dir wollte.“ Die Wahrheit über die Tränen kannte der Grauhaarige ja nicht.

„Nein.“ lächelte Jeremy vor sich hin, wurde dann aber plötzlich wieder ernst.

„Wie geht es ihm jetzt? Meinst du...er kommt her?“

„Sobald er wieder von diesem Trip runter ist, kann ihn sicher nichts davon abhalten.“ Mitch sah ihn auf einmal durchdringend an. „Er hat sich das ganz schön zu Herzen genommen, was du ihm unterstellt hast. Der Junge ist vielleicht ein Lebemann, aber er ist kein Schwein. Und er mag dich sehr.“

Betreten senkte Jeremy den Blick und presste die Lippen fest zusammen.

„Ich hab Angst gekriegt. Das geht doch wieder nicht gut und ich...ich ertrage es einfach nicht mehr, Mitch. Ich will nicht schon wieder mit einem gebrochenen Herzen zurück bleiben. Nicht nach so kurzer Zeit.“

„Hast du das mal überlegt? Dieser Junge kann jeden haben. Er könnte sich den reichsten Medienmogul von Hollywood schnappen. Aber er will dich. Das ist offensichtlich. Und das trotz allem, was zwischen euch vorgefallen ist.“

Mitch lächelte immer noch.

„Dieser Junge ist ein Goldstück und wenn du ihn dir entgehen lässt, bist du einfach nur dumm und hast es nicht besser verdient.“

„Da bin ich ja erleichtert, dass du weißt, was für mich gut ist.“ knurrte Jeremy und spielte an der Kanüle in seinem Handrücken herum.

„Willst du mir nun eine Predigt nach der anderen halten, bis ich mich ihm an den Hals werfe und die Beine breit mache?“

„Du bist manchmal ein echt blöder Hund. Vielleicht solltest du für ihn wirklich mal die Beine breit machen, aber für den Anfang wäre es schon ausreichend, wenn du dich einfach mal fallen lassen würdest.“ Mitch klatschte ihm auf die Hand, damit er aufhörte, an der Kanüle zu nesteln. „Er fängt dich auf, er hat es auch im Ballsaal getan.“

„Und wenn er mich dann doch nach einem halben Jahr fallen lässt, weil er merkt, dass ich ihm zu anstrengend bin? Oder wenig Zeit habe?“ Jeremy schwankte. Er empfand sein Leben immer mehr als einen Drahtseilakt, vor allem mit den Männern, vor allem mit Aidan. Es gab kein Sicherheitsnetz und wenn er einen Schritt in die falsche Richtung tat, würde er sehr tief und sehr schmerzhaft fallen. Da war niemand, der ihn auffangen würde.

„Glaubst du, er weiß nicht, wie anstrengend du sein kannst? Du hast ihm das beeindruckend klar gemacht. Und trotzdem will er dich.“

„Ich bin immer noch nicht ganz sicher.“ Jeremy sah schon den Abgrund auf sich zu rasen.

„Meinst du, er kommt mich heute noch besuchen?“

„Jeremy...?“ Beide sahen sich um. Aidan stand im Eingang des Zimmers, er lehnte an der Wand.

„Süßer, was machst du?!“ Mitch sprang auf, um ihn zu stützen.

„Fass mich nicht an!“ Aidan wich ein Stück zurück. „Du mieses Aas! Hier machst du wieder auf gut Freund! Ich will zu Jeremy!“ Er lallte immer noch etwas.

Der Brünette lachte leise auf und winkte. Das war einfach zu herrlich, wie Aidan seinen alten Freund abblockte.

„Komm her und setz dich. Danke, dass du da warst, Mitch.“

„Klar, werft mich raus!“ lachte der Älteste in der Runde. Er tippte sich an die Stirn und ging.

„Sackgesicht...“ Aidan setzte sich ans Bett und atmete aus. „Was immer die mir gegeben haben...das war gut...“

„Ja, so siehst du aus. Meine Drogen waren auch nicht schlecht, obwohl mein Visagist versagt hat.“ Jeremy gab sich zumindest Mühe, locker zu wirken.

„Sei Mitch nicht böse, er ist ein guter Kerl.“

Aidan registrierte erfreut den kleinen Scherz, doch seine Wut war zu groß. „Er hat es ausgenutzt! Ich war neben der Spur, in Sorge um dich und er will mich vögeln! Das ist doch kein Freund!“ ereiferte er sich.

„Er lässt eben nichts anbrennen.“ Er versuchte sein Schmunzeln zu verbergen. Es war süß, wie Aidan sich aufregte.

„Wie kannst du das so locker nehmen?!“ Aidan fuhr sich durch die im Moment sehr wirren Haare. „Bedeute ich dir wirklich nichts?! Der Kerl ist kein Freund für dich, vorne rum ist er nett und hinten freut er sich, dass du nicht dazwischen kommen kannst, wenn er mich auf Droge vögeln will!“

Nun begann Jeremy doch zu kichern und konnte sich nicht mehr halten. Ihm tat noch alles weh, aber trotzdem gelang es ihm kaum aufzuhören. Tränen aus den Augen wischend sah er Aidan an.

„Du bist wirklich auf ihn reingefallen, oder? Kannst du es dir denn nicht denken?“

„Was denn? Was soll...“ Er stockte. „Scheiße. Dieser Blödmann hat mich gelinkt!“

„Ganz genau. Er hat dich getestet. Dabei habe ich ihm das nicht mal aufgetragen.“ Er lächelte zufrieden und lehnte sich in sein Kissen zurück.

„Ich glaube, du hättest was erleben können, wenn du darauf eingegangen wärst.“

„Ich bin es aber nicht.“ Aidan stellte das einfach so fest, er sah Jeremy dabei direkt an. „Und ich wusste nicht, dass es ein Test sein sollte.“

„Das ist dein Pluspunkt.“ Er fing wieder an mit der Kanüle zu spielen, ihnen ging der Gesprächsstoff aus.

„Hast du Lust, mal mit mir auszugehen? Essen vielleicht?“ fragte Aidan plötzlich und unvermittelt, es platzte regelrecht aus ihm heraus.

„Okay.“ Es kam wie aus der Pistole geschossen, richtig erschrocken. Kurze Pause. „Was?!“ Jeremy schien nicht mal verstanden zu haben, was Aidan gefragt hatte.

„Toll. Ich freue mich schon.“ Aidan grinste ihn an.

„Nein, halt. So war das nicht gemeint. Das war kein Okay-okay, sondern ein Ich-habe-verstanden-okay.“ Er fuchtelte mit den Armen herum und wirkte eher verstört.

„So, war es das? Ich fände es aber als Okay-okay eindeutig besser.“ Er legte den Kopf schräg. „Du darfst auch das Restaurant aussuchen.“

„Es wird kein Fischrestaurant.“ bemerkte der Brünette trocken und merkte gar nicht, dass er schon wieder seine Zustimmung gegeben hatte.

„Ich freue mich darauf, dich näher kennen zu lernen.“ Aidan stand auf und kam zum Bett. Er küsste Jeremy auf die gerötete Stirn. „Ruh dich noch etwas aus, ich kümmere mich um unser Gepäck.“

Jeremy bewegte den Mund wie ein Fisch auf dem Trocknen. Was sollte er denn noch sagen? Aidan ließ ihm keine Möglichkeit aus dieser ganzen Misere herauszukommen.

„Du machst mich fertig.“ Er kratzte über die Stelle, wo die weichen Lippen seine Haut berührt hatte. Der Juckreiz war schrecklich.

„Also gut. Aber lass mir noch ein paar Tage Zeit. Die wollen mich sowieso erst noch ins Krankenhaus schaffen.“

„Ich werde dich jeden Tag besuchen, damit du dich da nicht einsam fühlst.“ Aidan stand schon in der Tür. „Und wir haben alle Zeit der Welt.“

„Ich bin nicht einsam.“ grummelte er und sah in eine andere Richtung. Allerdings konnte Jeremy nicht umhin dieses warme Gefühl in seiner Magengegend wahr zu nehmen.
 

Es war halb acht und die Sonne senkte sich langsam über den Bergen Hollywoods. Die orangenen Strahlen zogen sich wie flüssiges Feuer über den großen Teppich im Wohnzimmer, der in einem kräftigen Gelb leuchtete. Jeremy stand am Fenster und sah in den Himmel. In einer halben Stunde würde Aidan kommen. Zu ihrem ersten Date. Wozu der Schwarzhaarige ihn im Grunde gezwungen hatte.

Aber wenn er ehrlich war, freute sich Jeremy darauf, obwohl er es sich immer wieder verbot. Die Enttäuschung wäre zu groß, wenn sich nach diesem Abend oder eher durch ihn, alles zerschlagen würde.

In der Küche klapperten Töpfe und das Fett zischte verheißungsvoll. Da er nicht gern selbst kochte, jedenfalls nicht so große Speisen, hatte er sich den Chefkoch vom Exquisite gebucht, der zufällig sein Nachbar war. Zusammen mit zwei Gehilfen würde er ihnen ein Festessen ohne Schalentiere kochen. Alles war genau abgesprochen.

Langsam wurde es auch Zeit, dass er sich umzog. Unter dem Vorwand sich einmal etwas zu gönnen, hatte sich Jeremy sogar einen neuen Anzug gekauft. Es war ein tief dunkelroter Nadelstreifen mit schwarzem Hemd, der seine blauen Augen strahlen ließ. Trotzdem überlegte er, ob er vielleicht overdressed war.

Noch während er hin und her überlegte, klingelte es unten. Die Kellnerin, ebenfalls aus dem Exquisite, würde die Tür öffnen, also konnte er noch schnell seine Krawatte binden.

Aidan wartete draußen, er trug einen schwarzen Anzug mit Krawatte, dazu ein weißes Hemd. Er sah umwerfend und wenn dann genauso overdressed wie Jeremy aus.

In seiner Hand hielt er einen Strauß roter Rosen. Die Kellnerin bat ihn hinein. Er wurde in der Eingangshalle abgestellt.

Dort musste er noch mindestens fünf Minuten allein verharren, da Jeremy nun etwas hektisch und nervös wurde. So nervös, dass er seine Aftershaveflasche beim Kämmen umstieß, worauf sich der Deckel löste und sich der Inhalt auf seinen Anzug ergoss.

Missmutig stieg er schließlich die Treppe hinunter, stinkend wie eine ganze Parfümerie.

„Hallo, Aidan.“ brummte er mit geröteten Wangen und blieb ein ganzen Stück von dem anderen Mann entfernt stehen.

„Hi.“ Der Schwarzhaarige lächelte. Wenn er das Parfüm wahrnahm, ließ er es sich nicht anmerken. „Die sind für dich.“ Er hielt Jeremy den Strauß entgegen.

„Danke.“ Der Brünette streckte sich umständlich, statt Aidan näher zu kommen. Für ihn war der Abend längst gelaufen. Mit diesem Start konnte alles andere nur schlimmer werden.

„Setzen wir uns doch solange ins Wohnzimmer, bis das Essen fertig ist.“ schlug er vor und lief gleich los. Man sah dem Haus an, dass nur eine Person darin wohnte und diese sehr zurückgezogen. Es gab keinen übermäßigen Protz, die Räume waren zwar groß, aber gemütlich eingerichtet, nicht unbedingt nach den neusten Trends. Jeremy legte viel wert darauf, dass er sich wohl fühlte, statt zu zeigen, wie viel Geld er doch hatte.

Sie setzten sich auf das Sofa, Aidan auf das eine, Jeremy auf das andere.

„Hast du leicht hierher gefunden?“

„Ja, deine Wegbeschreibung war gut.“ Aidan lächelte. „Du hast eine schöne Wohnung.“ Er wunderte sich schon etwas, dass Jeremy so auf Abstand ging, aber die Wolke von Duft zog bis zu ihm. Er unterdrückte ein Grinsen.

„Danke, ich habe lange gebraucht, um sie einzurichten.“ Die Kellnerin erschien mit einem Sektkühler und zwei filigranen Gläsern, auch aus dem Restaurant, da Jeremy, man glaubte es kaum, keine eigenen besaß. Er hob immer die leeren Senfgläser auf, löste die Etiketten ab und benutzte sie zum Trinken, da ihn teures Kristall eher nervös machte. Wenn es kaputt ging, wurde es teuer.

Die junge Frau schenkte ihnen ein und zog sich dann wieder zurück. Jeremy hob sein Glas und nickte Aidan einmal zu.

„Zum Wohl.“

„Willst du nicht anstoßen?“ Das Grinsen drängte schon fast schmerzhaft nach oben.

„Es geht doch auch so.“ Bevor Aidan noch weiter drängen konnte, nahm Jeremy einen Schluck.

„Entschuldigst du mich noch einmal kurz? Dauert nur eine Minute.“ Er stand auf und verschwand Richtung Küche, um mit der Kellnerin zu reden.

„Würden Sie so freundlich sein und den Tisch umdecken? Wir essen nicht mehr am kleinen, sondern an der Tafel. Zwei Gedecke jeweils an die Enden.“ Sein Wunsch wurde erfüllt und Jeremy konnte beruhigt zu seinem Gast zurück kehren. Mehr oder weniger beruhigt.

„Das Essen ist gleich fertig. Noch vielleicht zehn Minuten.“

„Kein Problem. Ich warte doch gern, Hauptsache es gibt diesmal keine Schalentiere. Der Schock reicht fürs ganze Leben.“ Er stellte sein Glas auf den Tisch. „Wie läuft es mit dem neuen Drehbuch?“

„Gut, seit ich wieder Zuhause bin, fließen mir die Worte aus den Fingerspitzen. Ich hab auch einen neuen Laptop, der alte war unrettbar verloren.“ Er lächelte schief und zupfte an seiner Anzugjacke. Der intensive Duft des Aftershave machte ihn ganz konfus und langsam bekam er auch Kopfschmerzen davon.

„Und wie läuft es bei dir?“

„Gut.“ Aidan lehnte sich zurück. „Ich hab viel Freizeit. Letztens habe ich meine Eltern besucht, sie wohnen drüben in L.A.. Ich jogge viel, davon kriegt man einen klaren Kopf. Ansonsten lese ich im Moment viel. Am liebsten am Strand.“

„Bildung in der Sonne, hm?“ Verlegen nahm er noch einen Schluck aus seinem Glas. Schon jetzt hätte Jeremy am liebsten alles abgebrochen. Nur gut, dass Aidan seinen Gestank nicht roch.

Als die Kellnerin in der Tür auftauchte, um sie zum Essen zu bitten, sprang der Brünette sofort auf und ging voran. Sehr weit voran. Sein Verhalten war mehr als unhöflich.

Im Speisezimmer prangte eine große Tafel, die mindestens vier Meter maß. Die Unterhaltung würde sicherlich nicht zu ausführlich sein. Zudem stand zwischen ihnen ein großes Blumenbouquet.

Aidan nahm Platz und hängte sich dann seitlich in den Stuhl, so dass er an dem gigantischen Arrangement vorbei sehen und zumindest den Blick auf die rechte Hand Jeremys erhaschen konnte.

„Das ist wirklich sehr gemütlich.“ Er lachte. „Was ist dir lieber...soll ich vielleicht im Wohnzimmer essen oder willst du dich einfach kurz duschen und umziehen? Ist dir nicht schon schwummerig von diesem Geruch?“

„Was?“ Jeremy wurde plötzlich knallrot, als habe er gerade einen ganzen Berg Langusten verspeist. Sichtlich aus dem Konzept strich er die Serviette auf seinem Schoß immer wieder glatt, obwohl sie makellos war.

„Welcher...welcher Geruch?“

„Dein Aftershave.“ Aidan grinste immer breiter. „Yves Saint Laurent ist ein netter Duft, benutze ich auch...nur scheint da bei dir etwas schief gegangen zu sein. Ist doch nicht schlimm, erinnere dich an meinen Sturz auf der Treppe.“

„Oh Gott.“ Jeremy stützte die Ellenbogen auf den Tisch und versteckte das Gesicht in den Händen. Das war alles mehr als peinlich. Gleichzeitig fragte eine leise Stimme in seinem Kopf, warum es so wichtig war, dass alles perfekt wirkte?

„Bitte geh.“ murmelte er leise. Noch länger konnte er sich dieser Schmach nicht aussetzen.

„Wir verschieben es einfach.“

Aidan stand tatsächlich auf, aber er ging nur um den Tisch herum und stürzte sich mitten in die Parfümwolke. Er beugte sich nämlich neben Jeremy herab und umarmte ihn.

„Du bist so süß, weißt du das? Komm, ich sage denen, dass sie das Essen warm stellen und du verschwindest kurz nach oben. Ich gebe meinen Abend mit dir nicht auf. Darauf freue ich mich seit zwei Wochen.“

„Ich hab keine Lust mehr. Das war eine doofe Idee.“ knurrte Jeremy. „Das ist ein schlechtes Omen. Der Abend war schon zuende, bevor er begonnen hatte.“

„Hör auf, rumzumosern!“ grinste Aidan. „Du mit deinen Omen. Schwing dich jetzt rauf und dann wird das schon. Du wirst mich nicht los, mein Lieber.“

Tatsächlich gab sich Jeremy geschlagen. Vielleicht lag es auch daran, dass er nicht wollte, dass Aidan noch länger dieser Pestwolke ausgeliefert war.

Ohne ihn noch einmal anzusehen, stand er auf und lief nach oben.

„Verdammter Mist.“ Wütend knallte er seinen neuen Anzug, den er extra für Aidan gekauft hatte, in die Ecke des Badezimmers und ging auch mit der restlichen Kleidung eher grob um.

„Ich hätte es wissen müssen. Ich bin nicht der Typ, der unter Menschen leben sollte.“ Nackt stieg er in die Dusche und stellte das Wasser auf angenehme 32 Grad. An der Wand abgestützt, ließ er sich einfach berieseln.

Wäre dies nun ein Psychothriller, vielleicht sogar von Jeremy geschrieben, so wäre nun der Moment gekommen, in der die dramatische, Nerven zerfetzende Musik einsetzte.

Dann nämlich, wenn sich der Schatten auf dem beschlagenen Glas der Kabine abzeichnete, der Mörder, der sich an sein hilfloses Opfer, eigentlich ja meist eine Frau, heran schlich, um die Kabinentür aufzureißen und die Arme in bester Tradition von Psycho brutal zu ermorden.

Allerdings war dies ja kein Thriller, deswegen öffnete sich zwar die Tür, aber nicht der kranke Mörder, sondern Aidan trat ein. Nackt und mit einem Lächeln.

Jeremy spürte, wie sich starken Arme um seine Schultern legten. Es ließ ihn so heftig zusammen zucken, dass er gleich alles an Shampoo, Seife und Duschgel von dem kleinen Regal fegte, was da war.

Völlig verkrampft stand er da und starrte gegen die Kacheln.

„Was machst du hier?“ Die großen Hände strichen ihm zärtlich über Brust und Bauch.

„Ich dachte, ich leiste dir Gesellschaft. Ich könnte dich waschen.“ Aidan hauchte ihm die Worte ins Ohr, sein nackter Körper lehnte an Jeremys Rücken.

„Ich hab dem Personal gesagt, dass sie das Essen warm stellen sollen und den Abend frei haben. Vergiss die Perfektion, vergiss das Dinner. Wichtig sind nur wir zwei und dass es ein schöner Abend wird.“

„Du bist ganz schön aufdringlich. Und dreist.“ Er weigerte sich innerlich noch darauf einzugehen. Aidan machte gerade seine ganze Planung zunichte. Der Koch sollte doch noch das in Flammen stehende Dessert servieren. Er konnte das doch gar nicht allein.

„Ich hab alles kaputt gemacht.“

„Nein, hast du nicht. Denn es ging mir doch bei diesem Abend nur um dich. Und so lange du da bist, kann der Abend gar nicht schief gehen.“

Aidan bückte sich und hob ein duftendes Duschgel auf. Er drückte sich etwas auf die Hand und wärmte es leicht, bevor er begann, Jeremy damit einzureiben. Ganz sanft und liebevoll.

„Entspann dich einfach. Das ist kein Verführungsversuch.“

„Ach...und was dann? Willst du mir die neuesten Einseiftechniken beibringen?“ Der Sarkasmus war unüberhörbar.

„Romantik, mein Lieber, Romantik.“ Aidan strich über die Brust, den Bauch und die Seiten, hinterließ überall einen duftenden Film aus Duschgel. „Genieß es doch einfach mal.“

„Ich weiß nicht.“ Jeremy biss sich auf die Unterlippe und haderte noch mit sich. Das war zu nah und zu intim. Und es war ihr erstes Date. Aber Aidan war so sanft und fürsorglich. Er mochte schon jetzt die großen Hände auf seinem Körper.

Seufzend beschloss der Brünette, es zu versuchen. Ein letztes Mal. Wenn es mit Aidan nicht klappte, würde er nie wieder mit einem Mann zusammen sein.

„Also gut.“ Er schloss die Augen und lehnte noch etwas schüchtern den Kopf zurück.

Und Aidan hielt, was er versprochen hatte. Er wusch Jeremy mit einer Hingabe und Sanftheit, wie man es selten erlebte. Dabei kam es weder dazu, dass der Schwarzhaarige ihn betatschte, noch bohrte sich irgendwann plötzlich eine Erektion in Jeremys Haut. Es war wie Aidan es gesagt hatte. Romantik und Zärtlichkeit, kein billiger Anmachversuch.

Als sie schließlich aus der Dusche stiegen, trocknete der Jüngere ihn zunächst ab, dann hüllte er ihn in einen Bademantel.

„Darf ich auch?“ Aidan nickte in Richtung des zweiten Exemplars am Haken.

„Natürlich.“ Jeremy lächelte. Er war völlig entspannt und diese Distanziertheit, die zuvor noch zwischen ihnen geherrscht hatte, nicht nur wegen des Parfüms, war wie weggeblasen.

Trotzdem war er sehr still, als sie die Treppe hinunter stiegen und sich aus der Küche das Essen holten. Zuerst wurde wieder der Speiseraum anvisiert, doch als sie in der Tür standen, gefiel es Jeremy hier nicht mehr.

„Hast du was dagegen, wenn wir ins Wohnzimmer gehen?“

„Ich liebe es, auf der Couch zu kuscheln und dort zu essen!“ grinste Aidan wie ein kleiner Junge. „Sehr gern!“

Also war es beschlossene Sache. Und wenig später fläzten die Beiden auf der gemütlichen Couch, der Tisch beladen mit Essen. Draußen war es schon dunkel, Kerzen und der Kamin spendeten Licht und Wärme.

„So hatte ich mir unser Date nicht vorgestellt. In Bademantel auf dem Sofa...fehlen nur noch die Pappteller.“ Es klang zerknirscht, aber mit einem unterschwelligen Lächeln.

„Aber wenigstens schmeckt es gut. Peter hat sich selbst übertroffen.“

„Es schmeckt toll und es ist alles perfekt! Vom Bademantel bis zu der Location. Besser geht es nicht!“ Er nahm ein Stück Rindfleisch auf die Gabel und hielt sie Jeremy hin. „Mund auf!“ Das Lächeln war geradezu spitzbübisch.

Jeremy verdrehte die Augen.

„Das wird jetzt aber arg klischeehaft.“ Dennoch öffnete er den Mund. Bis jetzt saßen sie nur nebeneinander, der Gastgeber mit angezogenen Beinen. Wenn er sich jetzt zur Seite fallen lassen würde, wäre er direkt gegen Aidan gelehnt.

„Und wie geht es jetzt weiter?“

„Was meinst du? Mit uns?“

„Ja.“ Er lief schon wieder rot an.

„Wir essen auf...vielleicht sehen wir uns einen Film an. Und da ich schon was getrunken habe, rufe ich mir nachher entweder ein Taxi oder du lässt mich auf der Couch schlafen.“

„Wir wollen es doch nicht am ersten Abend übertreiben.“ Jeremy stellte seinen Teller auf den Tisch und seufzte. Er war pappsatt.

„Ich meine eigentlich nicht diesen Abend.“

„Es kommt auf dich an.“ wurde Aidan nun doch wieder ernst. „Ich würde dich gern so oft es geht, sehen. Kennen lernen. Mit dir zusammen sein, Sachen unternehmen.“

„Und das lässt sich mit deinem Job vereinen?“ Ein Stück Realität kehrte zurück. Der Beruf des Schwarzhaarigen war für Jeremy untragbar, sein Mut, den er die ganze Zeit hatte, verflüchtigte sich langsam.

„Ich bezweifle, dass wir sehr viel Zeit gemeinsam hätten. Du hast einen aufregenden Job, der dich um die ganze Welt führen könnte, ich muss an meinen Drehbüchern schreiben.“

„Du hast den Wink vorhin nicht verstanden...“ stellte Aidan überrascht fest. „Ich kann wohl nicht so pointiert und gut mit Worten umgehen wie du, scheint mir.“ Er lächelte Jeremy an. „Ich habe gekündigt. Deswegen habe ich im Moment soviel Freizeit.“

Der Brünette sah ihn an wie ein Auto. Es war ganz still.

„Du hast was?! Warum??“

„Erinnerst du dich, was ich dir auf dem Schiff sagte? Dass ich kündigen würde, sollte der Richtige kommen?“ Aidan sah ihm tief in die entsetzten Augen.

„Aber...aber du kannst doch gar nicht wissen, ob es mit uns funktioniert! Dann bist du arbeitslos!“ Jeremy wurde ganz hektisch und fuchtelte mit den Armen herum. Die Erwartungen, die nun an ihn gestellt wurden, waren ihm zu groß. Das war Verantwortung, die er hier zu tragen hatte.

„Ich bin nicht mehr auf diesen Job angewiesen, Jeremy. Ich habe genug Geld. Und ich bin, wenn du dich erinnerst, doch qualifiziert genug, einen normalen Beruf zu finden.“ Er strich ihm über die Wange. „So etwas nennt man spontan seinem Herzen folgen.“

„Spontan ist ungesund.“ murmelte Jeremy und sah Aidan direkt in die Augen. Die Hand war so weich an seiner Wange.

„Das ist verrückt. Das ist wirklich verrückt.“

„Verrückt kann sehr attraktiv sein, Jeremy.“ Aidan lächelte einfach nur, er wollte die Hand am liebsten gar nicht mehr wegnehmen.

Was hatte Mitch zu ihm gesagt? Er solle sich fallen lassen? Das Bild des Drahtseils war ihm nur zu deutlich vor Augen. Wenn er einen Schritt von seinem geradlinigen Weg abwich, auf Aidan zu, würde er ganz sicher in einen bodenlosen Abgrund stürzen, aus dem er nie wieder entkommen konnte.

„Und findest du mich attraktiv?“ Aidan lächelte breit und strich mit dem Daumen über Jeremys Lippen.

„Lass es mich so ausdrücken: ich habe noch nie einen so verrückten Menschen kennen gelernt.“ Sie mussten beide lachen, nicht übertrieben, ganz natürlich.

„Okay.“

„Nur damit wir uns nicht falsch verstehen. War das ein Okay-okay oder ein Ich-habe-verstanden-okay?“ Jeremy grinste und beugte sich zu Aidan, ganz kurz berührte er seine Lippen.

„Ein Okay-okay.“

Und dann machte Jeremy einen Schritt auf Aidan zu, er spürte, wie er vom Seil fiel. Doch da waren zwei Arme, die ihn auffingen und in eine warme Umarmung schlossen.
 

~~~~~
 

Schluss, aus, Ende. Ab hier werden die Beiden ihren Weg gemeinsam finden, da müssen wir nicht mehr dabei sein ^^

Ich hoffe, euch gefällt der Ausgang. Ich kann nur immer wieder betonen, dass ich diese Story abgöttisch liebe ^^

Danke fürs Lesen und die lieben Kommis! Das motiviert immer wieder ^^



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Kommentare zu dieser Fanfic (11)
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Von:  llobi
2008-08-02T16:57:48+00:00 02.08.2008 18:57
Hallo Ihr beiden
die Geschichte ist genauso toll und mitreisend wie Drachenherz Ihr seid ein unschlagbares Team Ich kenne nur wenig Geschichten die mich derart in den Bann ziehen wie Eure jede ist einzigartig und doch findet sich Euer Schreibstil in jeder einzelnen wieder ich kann gar nicht sagen was mir am besten gefallen hat ob es Jeremy´s fast schon ins selbstzerstörerische gehende Eigenbrödelei ist oder Aidain´s fröhliche sanfte Art oder doch Mitch der seinen Freund aus seinem Schneckenhaus holen will alle zusammenergeben eine Story der extraklasse genau wie es auch Drachenherz ist ich warte mit Spannung auf eine Fortsetzung
lg llobi
Von:  mawkish-cherry
2007-04-21T09:01:11+00:00 21.04.2007 11:01
warum nur so wenig Kommis?????? Die Story ist sooooo superhammermäßiggeil!!! Ich kann meine Begeisterung gar nicht in Worte fassen, sooo toll ist das !! >.<
Wenn ihr(es sind doch 2 Autoren?) eine Fortsetzung oder ähnliche Geschichte schreibt, wäre das einfach nur total super!!! Bitte, bitte, macht weiter so!!!!
*favo*
Von: abgemeldet
2007-04-21T08:56:12+00:00 21.04.2007 10:56
warum nur so wenig Kommis?????? Die Story ist sooooo superhammermäßiggeil!!! Ich kann meine Begeisterung gar nicht in Worte fassen, sooo toll ist das !! >.<
Wenn ihr(es sind doch 2 Autoren?) eine Fortsetzung oder ähnliche Geschichte schreibt, wäre das einfach nur total super!!! Bitte, bitte, macht weiter so!!!!
*favo*
Von:  Zeckchen
2007-04-11T13:51:53+00:00 11.04.2007 15:51
ne klasse geschichte das muss man echt sagen. mir hat sie so gut gefallen das ich mich unheimlich freun würdde wen du ne vortzetzung schreibst oder noch mehr geschichten der dieser äneln. ich sag nur einfach fantstisch^^
Von:  DieLinkeBazille
2006-10-27T20:16:30+00:00 27.10.2006 22:16
wahhh....die Story ist so herrlich....
*fiepsel*
Einfach klasse!!!
Ich liebes dieses Pärchen...
>..<

Was? Was? WAS?
oO
Oo
OO
*muss das jetzt erstmal realisieren*
Wie das ende?
Das kann nicht sein!!
Nein nein nein....das darf nciht das ENDE sein....
*sterb*
Das könnt ihr mir doch nicht antun...
*dramatisch meint*
*umkipp*


Kleiner Scherz am rande...nicht beachten...
*droop*
XD

Aber...ich würde mich freuen wenn es doch noch vielleicht ein Spazial gibt...oder so....
*fiepsel*

Also dann ich wünsche euch beiden noch einen tollen Abend...
*wink*


Die Bazille^^
Von: abgemeldet
2006-10-27T17:24:10+00:00 27.10.2006 19:24
oh mein gott ist die schön..... *.*

ich hab sie in einem durchgelesen und .. wow.....

so schöööööööööööön....^^
weiter so...
lg Anu
Von:  Egnirys
2006-10-27T14:42:33+00:00 27.10.2006 16:42
<33333333
das.ist.genial.
!!
**
Von:  DieLinkeBazille
2006-10-19T11:39:53+00:00 19.10.2006 13:39
Wahh…das ist sooo toll..
*fieps*
Und die beiden sind so niedlich…
X33
Vor allem am Ende des Kaps….das ist so zuckersüß wie Aidan so betrunken ist….
>..<
Oder sie Szene mit dem Pool…und ich kann Aidan nachempfinden wie er sich fühlt wenn er Nadeln sieht….ich kenne diese Angst….nur zu gut…
^^

Waahh….ich krieg hier gleich einen Herzstillstand….ihr könnt doch nicht einfach an dieser Stelle aufhören…
*bettelt um Weiterführung*
Bitte….ohh….bitte….gebt dem hungerndem Volke was zu lesen…
X33

Also die Geschichte ist echt klasse…und ich mag die drei Charas sehr…sind wirklich niedlich, auf ihre Art!
Es sind alles drin…Spannung, Spiel und Streitereien..
X33
..und ich kann es kaum erwarten weiter lesen zu können…
>..<


Die Bazille^^
Von:  Suzaku
2006-10-18T17:43:51+00:00 18.10.2006 19:43
Jetzt hab ich Aidan doch tatsächlich mit e geschireben! o_O
*Kopfschüttel* Ich Dummi...
Tut mir leid. -_-''
Von:  Suzaku
2006-10-18T17:42:03+00:00 18.10.2006 19:42
Hi,
ich bin wieder voll auf begeistert. ^___^
Die Story ist einfach super.
Jeremy und Aiden sind mir schon richtig ans Herz gewachsen. ^^ (Und Mitch lieb ich seit seinem ersten Satz! *g*)
Es ist toll, wie ihr es schafft, die Gefühle von den beiden rüber zu bringen. (Vor allem Jeremys Zwiespalt)
Und Aiden betrunken ist einfach nur genial!! *lach*
Das Lesen hat mir jedenfalls viel Spaß gemacht und ich freu mich auf den nächsten Teil. ^____^
Baba, Suza


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