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SUPERNATURAL: A Midwinter Night's Dream

Wichtel-Fanfic for Sandy25
von

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01 (I-C-Snow)

Meine erste Supernatural-Story und Wichtel-Fanfic für Sandy schreitet voran. Ich will sie aber auch allen Mexxlern net vorenthalten, deshalb lade ich sie hier hoch. Diese Fanfic wird frei von Inzestsachen sein, also sorrü schonmal wer hier WinZest erwartet hat. Nichtsdestotrotz versuche ich den Charme der Serie einzufangen. ;-)

Und nun @ allz: n-joy it und eine schöne Vorweihnachtszeit!

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Inzwischen war es draußen kalt und dunkel geworden. Eine fast eisige Stille legte sich über die kleine Bergstadt und der am klaren Himmel stehende Vollmond erhellt den weißen Pulverschnee, der vor wenigen Stunden erst gefallen war.

Es war friedlich, doch genau das beunruhigte den am Fenster der kleinen Pension stehenden Sam Winchester, als er hinausblickte und seinem älteren Bruder beim Holzhacken zusah.

Ihm gingen viele Dinge durch den Kopf, aber Dean zu helfen war nicht unter seinen Gedankenfetzen. Der hatte es ja besser gewusst und wollte unbedingt vor Einbruch der Nacht noch hierher fahren. Jetzt, da sie eingeschneit und quasi von der Außenwelt abgeschnitten in einer vermutlichen Geisterstadt festsaßen, mussten sie improvisieren, denn sie hatten nicht einmal Zeit gehabt sich auf ihren neuen Auftrag vorzubereiten.

Ihr Nachtquartier, das sie gerade noch so erreichen konnten, bestand aus einem zum Motel umgebauten Landhaus, welches von außen wie eine Blockhütte aussah. Hier lebte die gealterte Mary McBride, die Sam von der Rezeption aus mit argwöhnischem Blick musterte und keine Sekunde aus den Augen ließ. Er fand ihr Verhalten durchaus gerechtfertigt, bedachte man, dass zu dieser gottlosen Zeit sonst niemand in eine so entlegene Ortschaft wie Harmon kam. Der Ort zählte wenige Seelen und tauchte nur auf wenigen Landkarten auf. Umso seltener kam es vor, dass sich jemand in diese fast isolierte Gemeinde verirrte und auch noch einquartierte.

Dean schien es bei ihrer Anmeldung nicht bemerkt zu haben, aber Mary McBrides Gästebuch war alles andere als dick und führte nur wenige Gäste. Umso seltsamer fand es der ehemalige Jura-Student, dass gerade in den vergangenen Tagen mehr Besucher als das ganze Jahr im Buch verzeichnet waren. Bei richtiger Gelegenheit würde er dieses Thema ansprechen, aber jetzt gab es wichtigeres zutun.

Er löste sich vom Anblick des sich abschindenden Bruders, konnte dabei ein schadenfrohes Grinsen nicht unterdrücken, und wandte sich wieder dem Buch seines Vaters zu. Die aufgeschlagene Seite beinhaltete eine seltsame Zeichnung von einem Art Schneemensch, sowie einen Bannkreis, der aus merkwürdigen Zeichen bestand. Es ging um Träume und einen die Menschen ereilenden Fluch, der zunächst in den Träumen der Betroffenen erste Schatten warf. Vorzeichen also, die auf eine Bedrohung oder ein großes Unheil hindeuteten. Für Sam stand fest, dass in Harmon bald etwas passieren würde – wenn es das vielleicht nicht schon war.

Als sich plötzlich die Tür öffnete und ein eiskalter Luftzug in das Foyer einströmte schaute Sam unvermittelt auf und blickte in das beinahe erfrorene Gesicht Deans, der ihn säuerlich ansah und das Holz neben den Kamin warf.

Mary verließ ihre Stellung hinter dem alten Holztresen und kam auf den netten und hilfsbereiten jungen Mann zu um seine Kleidung in Empfang zu nehmen.

„Vielen Dank, Mr. Black, sie waren mir eine große Hilfe. Meine alten Knochen wollen nicht mehr so, besonders bei diesen Temperaturen.“

„Schon in Ordnung, Ma’am, ich helfe gerne!“ gab Dean zurück und zog seine Jacke aus, die eigentlich überhaupt nicht für die draußen herrschenden Temperaturen geeignet war.

Nachdem Mary die Sachen aufgehangen und sich zurückgezogen hatte, setzte sich Dean zu Sam in die Sitzgruppe und wartete förmlich auf irgendeine dumme Bemerkung.

Doch Sam grinste nur leicht und wiederholte die Worte Marys: „...sie waren mir eine große Hilfe, Mr. Black. Mr. Black?“

„Ach halt doch die Klappe. Das nächste Mal gehst du, Klugscheißer! Und Black ist ein guter Name“, antwortete Dean genervt und rubbelte sich die erfrorenen Arme.

„Was für eine beschissene Kälte. Das nächste Mal suchen wir uns Florida oder Kalifornien aus, klar?“

„Dir hätte doch bei der Arbeit warm werden müssen?“ amüsierte sich Sam weiter auf Kosten seines Bruders, doch der verstand den Scherz nicht wirklich und sah ihn noch wütender an. „Haha, der war gut“, mokierte er sich und zwang sich ein gequältes Grinsen ab, das als solches kaum zu verstehen war.

Im Grunde war Deans Bereitschaft, der alten McBride beim Feuerholz hauen zu helfen etwas positives, denn eine gute Tat am Tag wertete sein Karma auf. Zumindest stand das im Horoskop, welches er heute Morgen erst an einer kleinen Raststätte gelesen hatte.

Er glaubte zwar nicht an diesen Mist, aber dennoch drängte sich ihm dieser Gedanke gerade auf. Natürlich würde er das auf keinen Fall Sam erzählen!

Die Mundwinkel des jüngeren zogen sich ein letztes Mal breiter, bevor er sich etwas vorlehnte und Dean einen Blick in das Buch werfen ließ.

„Ich war auch nicht untätig. Schau dir das an, Dean.“ Der Angesprochene setzte sich auf und besah sich flüchtig die Zeichnungen in dem Ledereingebundenen Buch.

„Mit was haben wir es zutun?“ fragte er schließlich. Sams Mimik wurde verständnislos und zwingend und er verharrte auf seinem Bruder.

„Alter, lies. Dad hat schon einiges über den prophezeienden Traum geschrieben“, meinte er schließlich, doch ihm entging nicht, dass Deans Gedanken ganz woanders waren. Noch immer beschäftigte sich dieser damit sich aufzuwärmen und rubbelte wie wild an seinen Armen.

„Wie cool, das nützt uns aber nicht wirklich viel im Moment, oder?“ fragte er spöttisch um zu verdeutlichen, dass Sams Mühen umsonst gewesen waren.

Dieser schüttelte den Kopf und gab den Versuch, seinem Bruder Informationen näher zu bringen, auf. „Du kapierst gar nichts, wie immer! Ich mach dir Feuer, vielleicht hörst du mir dann zu!“ resignierte er schließlich und stand auf.

„Sehr nett!“ ergänzte Dean noch etwas unpassend und verzog die Mundwinkel zu einem mürrischen Grinsen.

In diesem Moment hörten beide, wie im oberen Bereich des Hauses eine Tür mit lautem Knall ins Schloss fiel und die schrille und laute Stimme eines weiteren Gastes kreischte.

„Ich hab es gewusst! Mit DIR kann man nirgendwo hinfahren, ohne, dass du meckerst! Du kotzt mich an!“

Im nächsten Moment stapfte eine junge Blondine die Treppe hinunter. Glutrot im Gesicht und mit aufgequollenen und Tränenunterlaufenen Augen. Deans Aufmerksamkeit war sofort geweckt und sein Bruder konnte sich sicher sein, dass das Feuer nun unnötig geworden war.

Der Name der jungen Frau war Evelyne. Oft genug hatten sie ihn seit ihrer Ankunft aus der oberen Etage gehört. Ihr Fast-Ehemann hieß Jack und schien eine Abneigung gegen Schnee zu haben. Fragte sich nur, warum er ausgerechnet hierher kommen wollte.
 

(tbc)

02 (bad dreams)

Auf in Runde Zwei. Es macht Spaß eine solche Geschichte zu schreiben, wenn es draußen wettert. Wir haben Unmengen Schnee hier im tiefsten Erzgebirge. Da kommt doch richtige Kuschelstimmung auf.
 

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Da sie ihre eigenen kleinen Probleme hatten, betrachtete es Sam als unnütz, dieser belanglosen Frage auf den Grund zu gehen.

Während Dean der blonden Schönheit ein mildes Lächeln entgegenbrachte, das dazu führte, dass sie augenblicklich das Weinen einstellte und auf die Sitzgruppe zusteuerte, nahm Sammy wieder Platz und kramte kopfschüttelnd aus dem Buch ihres Vaters einen Zeitungsartikel hervor. Das Datum auf dem Kopf war erst neueren Ursprungs und markiert durch einen roten Stift. Ellen, die ihnen jenen Artikel ausgeschnitten und auf den Tresen gelegt hatte, wusste anscheinend, dass die Zeitangabe darauf Wichtigkeit besaß.

Und wie wichtig sie war!

Der Artikel, den Sam noch einmal zu lesen begann, ähnelte einer Begebenheit vor genau fünf Jahren, über die ihr Vater schon einiges recherchiert hatte. Gleichsam wie der Vorfall damals berichtete er von einem merkwürdigen Todesfall. Ein junger Student, der seine Ferien erst kurz zuvor mit Freunden in den Bergen verbracht hatte, klagte über ständige Alpträume, von denen er befürchtete, dass sie wahr werden könnten. Paranoide Wahnvorstellungen waren vielleicht dafür verantwortlich, so der behandelnde Arzt, dass der Mann sich irgendwann tatsächlich wie in seinem Traum vor einen herannahenden Zug warf.

Drogen konnten nach Angaben der Polizei ausgeschlossen werden und da der Mann allein auf dem Bahnsteig stand gab es auch weder Zeugen noch potentielle Täter.

Erst wenige Sekunden zuvor machte er noch eine Verabredung mit seiner Freundin aus, sodass die abschließend im Bericht stehende Todesursache „Selbstmord“ einen mehr als fragwürdigen Charakter aufwies.

Für Dean und Sam gab es nur eine Erklärung für den Vorfall: Es musste sich um eine Vision gehandelt haben, die dem jungen Mann schließlich das Leben gekostet hatte. Etwas Übersinnliches, das sie der Polizei nur schlecht sagen konnten.

Hier kam es also wieder auf die Winchesters an, die den Fall annahmen um dem wahren Grund für den Suizid aufzuklären.

In mühevoller Kleinstarbeit fanden sie zunächst heraus, wo der Student die letzten Tage vor seinem Ableben verbracht hatte: Harmon, ein kleines Bergnest im Nirgendwo, das nur schwer erreichbar war. Noch eine Gemeinsamkeit mit dem Todesfall vor fünf Jahren.

Doch schon ihr Weg hierher erwies sich als Strapazenreich und gefährlich, denn ein Schneesturm sorgte dafür, dass sie nur äußerst langsam mit dem Wagen fahren konnten.

Die Sichtverhältnisse waren obendrein gleich Null, sodass sie erleichtert und ziemlich erschöpft das kleine Städtchen am späten Nachmittag erreichten.

Sams Gedanken wurden unterbrochen, als Evelyne näher kam und in einem freien Sessel Platz nahm. Er bemerkte, wie die zuvor miese Stimmung seines Bruders aufklarte.

Es war typisch, dass der Ältere sich so vom weiblichen Geschlecht vereinnahmen ließ, dass er das Drumherum vernachlässigte. Einzig die Jagd und die spürbare Gefahr ließen ihn dann von seinen natürlichen Trieben abweichen. Durchschaubar und reichlich kindisch, wie Sammy fand, aber eben Dean. Er feixte leicht, doch dem Älteren entging die Gefühlsregung im Gesicht seines Bruders nicht. Mit einem abfälligen Grinsen seinerseits, machte er es sich in seinem Sitz bequem und wollte das Gespräch mit Evelyne eröffnen.

„Ist alles in Ordnung?“ erkundigte sich Sam aber plötzlich und stoppte Dean, der sicherlich nur Smalltalk für die junge Frau übrig gehabt hätte.

Evelyne wirkte angespannt, doch sie nickte leicht und strich sich eine Haarsträhne aus dem aufgequollenen und roten Gesicht.

„Ich denke schon. Mein...Freund...ist nur etwas gereizt“, ergänzte sie zaghaft. „Ich meine, so kenne ich ihn eigentlich gar nicht.“

Dean machte eine abfällige Geste. „Wie lange seit ihr schon hier?“

Evelyne überlegte kurz. „Seit vier Tagen. Aber ich glaube nicht, dass er wegen des Wetters so miese Laune hat.“

Der jüngere der Winchesters runzelte irritiert die Stirn. „Was macht sie da so sicher?“

Die junge Blondine lehnte sich Schulter zuckend nach vorn, um vom Tisch eine der frischen Gebäcktaschen zu angeln, die Mary anscheinend selbst gemacht hatte.

„Jack klagt schon seit der ersten Nacht hier darüber, wie schlecht er schlafen könne. Er wacht schweißgebadet und kreideweiß neben mir auf und klingt so, als wolle er jeden Moment ersticken.“

Kaum, dass Evelyne ihren letzten Satz beendet hatte, weckte ihr Gesagtes das Interesse der beiden Brüder, die sich einmal mehr in dieser Pension unter anderem Namen hatten anmelden müssen.

„Heißt das, dass er Alpträume hat?“ fragte Dean skeptisch nach, aber er kannte die Antwort bereits. Das Kopfnicken der jungen Frau bestätigte seine Befürchtung.

Er und Sam warfen sich einen viel sagenden Blick zu. Ein Blick, der Evelyne keineswegs entging.

„W-warum fragt ihr? Stimmt etwas nicht?“

„Oh, nein. Nein, alles bestens“, versuchte Dean das Ganze zu entschärfen. „Ich meinte nur...“, er suchte nach passenden Worten. „Mein Bruder hier“, und er zeigte tatsächlich auf den überrascht aufschauenden Sammy, „hat auch solche bösen Träume. Das nervt schon nach einer Weile.“

Und wie das nervte! Die Betonung in dieser Aussage gefiel dem Jüngeren gar nicht, sodass er Dean verärgert darüber anfunkelte, dass er ihn erneut vorgeschoben hatte.

Er entschloss sich nun doch Feuer zu machen.

Mit einem milden Lächeln in Evelynes Richtung stand er auf und begab sich dicht an Deans Sessel vorbei zum Kamin. Natürlich streifte er Deans Arm, auf dem er gemütlich sein Kinn gestemmt hatte.

Pure Absicht. Aber sicher. Dean lächelte nur entschuldigend. Das war auch das mindeste, was er tun konnte!

„Ach so. Verstehe. Darf ich fragen, warum ihr beiden hier seid?“ konterte nun Evelyne mit einer Gegenfrage und lenkte vom kindischen Verhalten ihrer Gesprächspartner ab.

„Nun, wir hatten etwas Pech mit den Straßenschildern. Mein Bruder konnte die Karte nicht lesen, sodass wir uns heillos verfahren haben“, beantwortete Sam die Frage spitzfindig, noch ehe Dean eine andere Lügenstory auftischen konnte, die halbwegs glaubwürdig erschien. Nun war es Dean, der Stirn runzelnd den Kopf drehte und ihn säuerlich ansah.

„Ihr seid also nur zufällig hier gelandet?“ stocherte Evelyne nach. Dean beließ es bei der Geschichte Sams. „Könnte man so sagen, ja.“

„Dann hattet ihr wirklich Pech. Der Wetterbericht sagt für die nächsten Tage reichlich Schneefall voraus.“

„Na toll“, brachte Dean etwas genervt hervor und angelte sich ebenfalls eine Teigtasche vom Teller. „Na wenigstens gibt es hier nette Unterhaltung. Sonst würde ich vor Langeweile sterben.“

„Sag das nicht zu laut!“ wisperte Sam prophetisch und zündete endlich das Feuer im Kamin an. Es dauerte eine Weile, doch schließlich brannte es hell und warm.

03 (you can't always get what you want)

Und hier die drei. Diesmal kurz, aber sehr aufschlussreich. ;-)
 

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Während es im Foyer langsam gemütlich wurde, kamen auch die beiden Brüder endlich dazu ihren Frust gegeneinander aufzulösen. Die unplanmäßige und nicht abgesprochene Fahrt hatte letztlich dazu geführt, dass Sam auf Dean wütend war. Dean wiederum nervte es, sich ständig seinem jüngeren Bruder gegenüber rechtfertigen zu müssen. Sie waren schließlich beide alt genug um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Der springende Punkt bei der ganzen Streiterei war jedoch die Tatsache, dass Mary ihnen letzten Endes nur noch ein Doppelzimmer in der Pension hatte anbieten können.

Nicht etwa, weil es keine freien Zimmer mehr gab: Es war das einzige Zimmer, in dem es dank eines Ofens noch einigermaßen auszuhalten war, denn die Temperaturen sanken rapide und befanden sich weit unter Null Grad Celsius.

Im Grunde machte es Sam nichts aus in einem Zimmer mit Dean zu schlafen, schließlich mussten sie das oft genug seit ihrer gemeinsamen Jagd tun. Doch in einem Bett war schon eine andere Sache.

„Alter, ich sage dir: Wenn du dich auf meine Bettseite drehst, schlag ich dich zusammen!“ bluffte Dean seinen jüngeren Bruder an, als Mary ihnen die Hiobs-Botschaft über ihr Nachtquartier überbrachte. Er schnappte sich seine Tasche und nahm der alten Frau den Zimmerschlüssel ab. Wäre er nicht so fertig, hätte er mehr gegen diese Sache protestiert. Doch er beließ es dabei und freute sich innerlich schon auf erholsamen Schlaf. Sam stand nach einer Weile ebenfalls auf und packte das Buch ihres Vaters und das Notebook in seinen Rucksack. Während er grinste und sich gedanklich schon damit anfreundete eine weniger ruhige Nacht an der Seite Deans zu haben, bemerkte er, wie nervös Evelyne wurde.

Sie warf Sam einen amüsierten aber doch unruhigen Blick zu und verabschiedete sich gespielt gelassen. „Dann viel Spaß ihr beiden. Ich werde auch mal wieder mal nach meinem Zukünftigen sehen.“

Er sah ihr nach und lächelte mild. Aber warum hatte er plötzlich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte?

Seine Gedanken wurden unterbrochen, als Dean reichlich ungeduldig mit den Fingern auf dem Treppengeländer zu trommeln begann. Er sah der blonden Schönheit nach, wie sie nach oben verschwand. „Pass auf, dass du nicht auf der Sabber ausrutscht, Bruderherz!“ bemerkte Sam sarkastisch und drängte sich an ihm vorbei. Ihr Zimmer befand sich auch in der zweiten Etage, nur am anderen Ende des Ganges, sodass sie am Zimmer Evelynes vorbei mussten.

„Klar!“ meinte Dean trocken und folgte ihm. Als beide auf Höhe des Zimmers waren, hörten sie, wie Jack der jungen Frau eine Predigt hielt und von ihr erwartete, dass sie morgen früh wieder in die Stadt zurückfahren würden. Er habe einen wichtigen Termin wegen der Hochzeitvorbereitungen. Evelyne stimmte zu und die Versöhnung war perfekt.

Sammy tippt Dean auf die Schulter. „Bei der wirst du wohl keine Chancen mehr haben“, meinte er schnippisch.

„Das hatte ich auch nicht vor, Klugscheißer!“ entgegnete dieser und öffnete noch im Gehen eine der Bierflaschen, die er in seiner Tasche hatte.

So klang der Abend allmählich aus und Ruhe kehrte in der Pension ein.

Nur leider blieb es nicht lange ruhig.

04 (silent night)

Nach dem kurzen, letzten Kapitel nun wieder ein etwas längerer Teil. Angliedern wollte ich ihn aber auch nicht. Ist doch mal ganz schön, auch einen kurzen Textabschnitt zu haben.

@Sandy: Bin ja mal gespannt, was du planst. ;-)

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Zugegebenermaßen war das Zimmer schon ein besinnlicher und gemütlicher Ort und um kein Geld der Welt hätten die beiden den Ofen gegen ein zweites Bett eingetauscht. Kuscheln war schließlich auch etwas Schönes.

Doch es musste etwa drei Uhr morgens sein, als Dean von merkwürdigen Geräuschen geweckt wurde. Irgendwann in der Nacht schien sich Sammy doch auf seine Bettseite gewälzt zu haben, sodass sie nun in viel zu enger Umklammerung nebeneinander lagen. Mit einer ruppigen Bewegung rollte er seinen Bruder von sich weg.

„Alter, ich hab dich gewarnt. Argh, verdammt...“ Sein Kopf dröhnte furchtbar und der Alkoholexzess vom Vorabend zeigte seine üble Nachwirkung. Er bereute es, aber erst eine gewisse Menge härteren Alkohols hatte ihm beim Einschlafen helfen können. Sam kannte diese Probleme wohl nicht, denn er hielt sich an Tee und warme Gedanken und schaffte es sogar noch vor Dean ins Land der Träume einzutreten. Umso ungerechter empfand er es nun, dass ausgerechnet er wach war – hatte er sich doch solche Mühe beim Zulaufen gegeben!

Zögerlich stemmte er sich auf und warf einen kurzen prüfenden Blick auf die andere Seite des Bettes. Sam, der immer noch tief atmend schlief, hatte nichts gehört und tat das, was angesichts seines Zustandes auch für ihn gesünder wäre: Schlafen.

Aber das war das Problem an der Sache. Er konnte nicht schlafen, wenn irgendwo im Haus solche abartigen Geräusche fabriziert wurden.

Na ja, eigentlich war er sich aufgrund seiner Kopfschmerzen gar nicht mal sicher, ob er sich diese vielleicht nur eingebildet hatte. Er lauschte und hörte sie wieder.

„Na toll!“ motzte er trocken. Es half nichts, er stand auf und lief zur Tür. Die Dielen knarrten unter seinen Füßen, doch davon unbeirrt griff er nach dem Türknauf und drehte ihn.

Es war nur ein kleiner Spalt, doch kaum dass er die Tür geöffnet hatte, hörte er die Stimmen lauter und auch das merkwürdige Geräusch.

„Dean...was zum Teufel soll das?“ hörte er hinter sich die murrende Stimme Sams, der aufgewacht war und sich verschlafen die Augen rieb.

„Schhht“, mahnte ihn der Ältere und legte den Zeigefinger auf die Lippen. „Da draußen stimmt was nicht!“

„Was?“ fragte Sam – noch immer verpeilt. „Mir dir stimmt was nicht.“

Dean wandte den Kopf und zischte ihn an. „Glaubst du, der Dämon wartet darauf, dass wir aufstehen, bevor er zuschlägt?“

„Der Dämon? Ist er hier?“ Nun war Sams Interesse doch geweckt und er stemmt sich aus dem weichen Bett.

„Bin mir nicht sicher, aber unser Goldlöckchen scheint irgendwie besorgt zu sein...“, meinte Dean Gedankenversunken und späte durch den Türschlitz.

Draußen unterhielt sich Evelyne mit Mary McBride und schien sehr nervös und irritiert. Mary versuchte die junge Frau zu beruhigen, nur gelang es ihr nicht wirklich. Das seltsame Geräusch, das Dean dem Schlummerland entrissen hatte war ein ununterbrochen schallendes Handy, welches in Evelynes Hand ruhte und dessen nervige Melodie beide Frauen anscheinend gar nicht bemerkten.

Inzwischen war Sam ebenfalls aus dem Bett gestiegen und hatte hinter Dean Stellung bezogen.

„Was ist da los?“ fragte er mehr an sich selbst gewandt, aber Dean konnte es sich nicht verkneifen einen unpassenden Kommentar dazu abzulassen. „Der neue Schnuffelsong, den will ich auch!“ Er erntete einen Verständnislosen Blick seines Bruders.

„Ich hab geraten, Collegeboy. Ich habe keine Ahnung, was zwei Frauen in der Nacht zu bereden haben.“

Sam sah hinaus in den hell erleuchteten Gang und schnappte dabei zwei Worte aus dem Gespräch der beiden auf. Sie veranlassten ihn dazu sich zu entspannen und Dean den Türknauf aus der Hand zu reißen, um die Tür vollends zu öffnen.

Dieser ließ es wortlos zu, denn seine Kopfschmerzen sorgten für eine deutliche Minderung seiner Reflexbereitschaft.

Als die beiden Frauen die Brüder erblickten, stoppten sie ihr reges Gespräch und fixierten Sam. Aber auch und vor allem Dean, der sich immer noch mit verzerrtem Blick seine Schläfen massierte.

„Es tut mir Leid. Wir...wollten sie nicht...wecken“, entschuldigte sich Evelyne ergeben, schaltete das klingelnde Handy aus und schien etwas zu nervös für Sams Geschmack, dem auch der argwöhnische Blick Marys nicht entging.

Die Alte schüttelte den Kopf und maß besonders Dean mit einem verachtenden Blick.

Dieser verstand zunächst nicht, was sie damit bezweckte, doch als sich Sam umwandte und seinen Bruder im beleuchteten Flur statt des düsteren Zimmers sah, wusste er, worauf Mary McBride hinauswollte. Dean schien sich in seiner Dusseligkeit nicht einmal eine Hose angezogen zu haben. Unumstößlich kam in ihm die Frage auf, wie er wohl einem Dämon hätte so seriös gegenübertreten wollen. Doch auch nachdem Sammys Blick sich verändert hatte, raffte Dean noch immer nichts.

„Alter!“ sprach Sam ihn schließlich fordernd an und deutete leicht auf seine untere Extremität. „Frierst du nicht?“ setzt er nach, als Dean ihn mit zusammengekniffenen Augen anstarrte und dann an sich hinunter glitt.

„Oh“, bemerkte er trocken und drehte sich mit einem kleinen Schmunzeln buchstäblich auf seiner Ferse, um zurück in ihr Zimmer zu gehen. Sammy überspielte die Peinlichkeit seines älteren Bruders und kam zum Thema zurück.

„Was ist passiert? Sie haben gerade gesagt, ihr Freund ist verschwunden?“ fragte er nach und legte neben Mitgefühl und Sorge auch Interesse in seine Stimme. Evelyne und Mary wechselten einen kurzen Blick und nach einem Kopfnicken der Älteren rückte die junge Blondine endlich mit der Sprache raus.

„Ich habe ihnen doch erzählt, dass wir schon seit vier Tagen hier sind. Seit der Ankunft in Harmon benimmt sich Jack seltsam. Jede Nacht wacht er schweißgebadet auf und verspürt den Drang etwas zu trinken. Bisher kam er nach einem kurzen Drink im Foyer immer wieder zurück ins Bett. Aber heute...“ Evelyne sah durch die offen stehende Tür ihres Zimmers in das leere Bett. Sam folgte dem Blick und auch Dean, der inzwischen angezogen war, schenkte dem Zimmer seine Aufmerksamkeit.

„Hätte das Handy nicht geklingelt, hätte ich gar nicht bemerkt, dass er noch nicht zurück ist!“

„Wann war das, Evelyne?“ erfragte Sam sofort und bemerkt dabei gar nicht, dass er die junge Frau bereits vertraut duzte.

Evelyne sah auf das Handydisplay. „Vor etwa einer halben Stunde.“

Ist er frische Luft schnappen, wollte Dean diese Möglichkeit gleich ausschließen, doch dann sah er hinaus und bemerkte, dass es furchtbar stürmte und schneite. Wohl kaum, schoss es ihm augenblicklich durch den Kopf. Kein Mensch, der einigermaßen bei Trost war, würde jetzt da rausgehen wollen.

05 (missing mention)

Liest die Fanfic überhaupt wer? ;_;

Sandy, du natürlich. ;-)

Ich schreib mich schonmal warm, auch wenn's keinen interessiert. *muhahaha*

Langsam wird's dünn in der Pension. Viel Spaß beim lesen.

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Langsam beruhigte sich die junge Frau wieder, die sich fortwährend Vorwürfe machte. Sie wärmte ihre eiskalten Hände an einer Tasse heißen Tees, den Mary McBride der kleinen Gruppe gebracht hatte.

Inzwischen waren Dean und Sam zusammen mit der alten Hausbesitzerin jede Möglichkeit abgegangen, die Jack Flannagan genutzt haben könnte, um das Haus zu verlassen. Nach einer knappen halben Stunde waren sie damit fertig gewesen und zu dem Schluss gekommen, dass das Haus quasi hermetisch abgeriegelt war. Für Dean und Sam stand fest, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte.

„Das ist strange. Er ist nirgends zu finden, Dean!“ meinte Sam schließlich, als sich alle Anwesenden wieder im Foyer befanden. Da Dean und Sam, sowie Evelyne und ihr Freund die einzigen Gäste waren und Mary in ihrem Alter sicher lieber Strickte, als sich mordlüstern auf zahlende Kunden zu stürzen, konnte man die Angelegenheit schlecht als Verbrechen deklarieren. Blut oder Anzeichen eines Kampfes gab es auch nicht.

„Vielleicht ist er doch nach draußen“, befürchtete Evelyne mit feuchten Augen und sah Sam fragend an.

Zwar glaubten Evelyne und Mary nun doch an die These, dass der Verlobte – aus welchen Gründen auch immer – hinaus in den Sturm gegangen war, aber Dean, der wachsam Türen und Fenster begutachtet hatte, ließ Sam unter vier Augen wissen, was er von der Sache hielt.

Sein misstrauisches Mundwinkelverzerren kannte der Jüngere nur zu gut. „Ich glaube nicht, dass er raus ist“, meinte er mit leichtem Kopfschütteln und stemmte die Arme in die Hüften.

„Wieso bist du dir da so sicher?“

„Evelyne meinte, dass es gegen zwei Uhr dreißig war, als er nach unten ging um einen zu heben. Wir haben gleich mit Suchen begonnen. Wenn jemand die Tür oder ein Fenster bei dem Sturm geöffnet hätte, dann müsste an der Stelle zumindest noch ein nasser Fleck auf dem Boden sein.“

Das leuchtete Sam ein. Dass Dean aber nichts gefunden hatte, zeigte, dass der Vermisste noch im Haus sein musste. Es verhieß im Allgemeinen nichts Gutes solche Behauptungen zu hegen und die Erfahrenheit des erprobten Jägers in seinem Bruder war eine verlässliche Größe.

Spurloses Verschwinden, prophetische Träume und ein Haus inmitten eines Schneesturmes, der sie vom Rest der Welt zumindest heute Nacht abschnitt. Wie sie beim Inspizieren der Pension von Mary erfahren hatten, war das Telefon schon seit Stunden tot und auch den Chevy der Brüder, den Geländewagen Evelynes oder den alten Ford der Laby konnten sie bei dem Sauwetter vergessen!

Sie mussten sich selbst irgendwie helfen und aus diesem Grund entschloss sich Dean noch einmal der Verlobten auf den Zahn zu fühlen.

„Evelyne, was genau hat dir Jack denn über seine Träume erzählt?“ fragte Dean. Er trat näher an die junge Frau heran, die noch immer an ihrer Tasse Tee hing.

Sam, den er mehr oder weniger außen vor ließ, runzelte verwirrt die Stirn, doch dann schien er zu verstehen und versuchte sich in Gedanken die Zeitungsartikel und Aufzeichnungen seines Vaters herzubeten.

Niedergeschlagen begann sich auch Evelyne zu erinnern. „Er meinte, dass er unter Wasser wäre und versuchen würde hinauf zu schwimmen. Doch irgendetwas stoppte ihn immer und verhinderte, dass er durch die Oberfläche käme. Wenn er aufwachte schnappte er immer nach Luft und seine Kehle fühlte sich trocken an. Ich verstehe aber nicht, was das mit seinem Verschwinden zutun haben soll. Das sind doch nur Alpträume!“

Dean sah Sam forschend an. „Was soll das?“ fragte Mary McBride plötzlich. „Sie sind doch nicht wirklich zufällig hier, oder?“

Die beiden Brüder wechselten einen weiteren Blick, der dann zu Mary ging. Überrascht darüber, dass die Alte so misstrauisch war und sofort Lunte gerochen hatte, überlegten beide gleichsam, was sie der Frau sagen konnten.

Sams diplomatische Fähigkeiten waren hier eindeutig die besseren und jetzt gefragter als Deans Ideen, eher der vielleicht irgendwelche neuen Lügen erfand.

„Wir sind auf der Suche nach Antworten. Und wir denken, dass wir sie hier finden können.“

Evelyne und Mary blickten beide noch immer durcheinander an.

„Es gab vor wenigen Tagen einen ungeklärten Selbstmord. Die Spur dieses jungen Mannes führte uns hierher.“

„Also sind sie so etwas wie...“, begann Evelyne. „Privatdetektive!“ fügte Dean trocken an. Sam sah ihn leicht genervt an. Kleine Notlügen waren okay, aber nicht in so einer Situation. „Wir hängen es nicht an die große Glocke, bevor wir nicht handfeste Beweise haben.“

„Und wieso der...“, fragte die junge Frau weiter. „Der Alptraum?“ warf der ältere wieder ein und erntete ein leichtes Nicken der Blondine.

„Mein Bruder und ich denken, dass der Traum in Verbindung mit dem Selbstmord steht und auch, dass der Ursprung dieser Tat hier liegt.“

„So ein Unsinn!“ protestierte Mary sofort und stand auf. „Wenn das Telefon gehen würde, würde ich jetzt den Sheriff rufen.“

„Das können sie gerne tun“, legte sich Dean mit ihr an, „aber auch der wird Jack nicht mehr helfen können!“

„Dean!“ wies ihn Sam scharf zurecht und deutete auf Evelyne, deren Aufmerksamkeit geweckt war und die ihn entsetzt ansah. „Denken sie etwa, dass er auch...Selbstmord...“ Sie stoppte.

Natürlich waren seine Worte undurchdacht und zu vorschnell gewesen, doch nun konnte er sie schlecht zurücknehmen. „Das wissen wir nicht, Evelyne, aber wenn der Traum nur Ansatzweise dem Muster entspricht, dann finden wir Jack in einem See oder einem anderen zugefrorenen Gewässer!“ versuchte Sam die gespannte Situation zu entschärfen. Es gelang ihm, aber auch noch ein anderer Grund sorgte dafür, dass sich die erhitzten Gemüter langsam wieder akklimatisierten.

Mary, die sich umgewandt hatte und in die Küche wollte, blieb stehen und blickte zurück. „Zugefroren?“ fragte sie nach.

06 (frosty like a fridge)

Endlich komme ich wieder zum hochladen, hatte "technische Probleme". Jetzt werde ich mich beeilen. Wollte die FF bis Ende des Jahres schon noch fertig bekommen.
 

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Dean hasste die Kälte – zu diesem Schluss kam er ein weiteres Mal als er mit Sam, Evelyne und Mary eine alte Steintreppe hinunterlief. Hier unten war es kalt und feucht und irgendwo tropfte unentwegt ein undichter Wasserhahn.

Mary McBride, die ihnen nur kurz berichtet hatte, dass es in diesem Landhaus in früheren Jahren einen alten Brunnen gegeben hatte, vermutete nichts unmögliches, aber es war schon eine Kunst, ohne auch nur einmal auszurutschen oder hinzufallen diese abschüssige Treppe hinunterzugelangen. Die Alte hingegen bewegte sich galant und mit der Umgebung vertraut, während sich Sam und Evelyne Halt suchend am Holzgeländer festkrallten und Dean leise murrend als letzter – und dabei reichlich unbeholfen aussehend – in das Kellergewölbe hinunter stieg.

Es war merkwürdig in so einer Gegend überhaupt einen dermaßen großen Keller zu finden, noch dazu einen mit Brunnenschacht.

Auf der untersten Stufe angekommen, konnte Dean nun endlich sein Feuerzeug benutzen um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, bis es plötzlich hell wurde und Mary mit einem selbstgefälligen Grinsen von einem Lichtschalter an der Wand wegtrat.

Die Alte nervt, ging es dem Älteren der Winchester-Brüder durch den Kopf, aber er lächelte nur gekünstelt und schenkte Sam einen beschwörerischen Blick.

„Sie sagten, dass der Brunnen schon über Jahrzehnte nicht mehr benutzt wurde. Wieso glauben sie ist noch immer Wasser darin?“ wollte Sam wissen um von Deans schlechter Laune abzulenken.

„Er wird nicht mehr aktiv genutzt, aber als Wasserspender dient er noch immer.“

„Das verstehe ich jetzt nicht“, gab Dean zu und trat näher, als Mary vorangehen und die kleine Gruppe durch das Gewölbe lotsen wollte.

„Das wundert mich nicht, Mr. Black“, gab sie sarkastisch zurück und erntete bei dem smarten jungen Mann ein weiteres verächtliches Gesichtszucken. Die Kälte im Gewölbe schien dadurch zuzunehmen, wodurch sich Sam berufen fühlte das Thema zu wechseln.

„Nun“, begann er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Eigentlich ist Black nicht unser richtiger Name!“ Evelyne und Mary wandten die Köpfe und schauten die beiden irritiert an. Auch Dean schien nicht gerade erfreut zu sein, dass sein kleiner Bruder gerade jetzt mit der Wahrheit herausrückte. Ein kleines Details, das er sich gerne für wärmere Gefilde aufgehoben hätte.

Dann aber war es die Alte, die sich wieder dem eigentlichen Zweck ihrer nächtlichen Suche widmete. „Ich weiß“, gab sie lediglich zu und lief weiter. Evelyne hingegen musste Sams Worte erst verarbeiten, was Dean veranlasste die erfahrene Information richtig zu rücken.

„Wir sind unter falschem Namen hergekommen, weil wir es gewohnt sind erstmal nicht so viel Aufsehen zu erregen.“

„Werden sie von der Polizei gesucht?“ wollte die junge Frau sogleich wissen und zählte in Gedanken eins und eins zusammen. Deans Mission war gescheitert. Natürlich war das der Grund für ihre Scharade, obwohl die Winchesters – allen voran ihr Dad – Meister darin waren sich als jemand anderes auszugeben, schon lange bevor Dean als mutmaßlicher Mörder vom Büro gesucht wurde.

„Na ja“, meinte Sam trocken und maß Dean mit einem süffisanten Blick. „Im System sind Leute wie wir nicht gerne gesehen. Es ist manchmal besser man geht auf Nummer sicher.“

Diese Erklärung reichte Evelyne. Sie nickte knapp und folgte dann Mary, die schon einige Schritte Vorsprung hatte und deren Stimme plötzlich durch die eisige Luft schnitt.

„Kommen sie schnell!“

Sofort waren die beiden Brüder alarmiert.

„Hier ist etwas!“

Auf das Schlimmste gefasst schoben sie sich an der zusammengefahrenen Blondine vorbei und stürmten in die Richtung, aus der die Worte der Alten drangen.

07 (man on the rocks)

Sam musste zugeben, dass die Alte fürwahr einen Sinn für theatralische Momente hatte. Der viel zu laute Schrei stand in keinem angemessenen Zusammenhang mit dem, was sich ihm und seinem entnervt dreinschauenden Bruder bot als sie gemeinsam in eine der Kammern des großen Kellers einbogen.

Mary McBride stand mit bleichem Gesicht an der Eingangspforte und deutete auf einen vor ihnen befindlichen Brunnenschacht. Zunächst war nicht ersichtlich was der Dame mehr missfiel: Die offen stehende Brunnenabdeckung aus massigem Stein oder die Tatsache, dass auf sie nichts Feuchtes sondern etwas Eisiges wartete.

Das Wasser, das an den Wänden, dem Boden und an der Decke entlanglief hatte sich gänzlich in Eis verwandelt. An sich für die Jahreszeit und das draußen herrschende Wetter nichts besonderes, jedoch verhielt es sich anders, da der Rest des Kellers Kältefrei schien und nur in und um den Brunnen Eis zu finden war. Schon gar in solchem Ausmaß.

Dean und Sam wechselten einen ziemlich vieldeutigen Blick, bevor sie einen Schritt weitergingen.

„Was ist das? Was hat das zu bedeuten?“ hörten beide Brüder hinter sich die irritierte Stimme Evelynes, die sie einfach ignoriert hatten, nachdem sie Marys Stimme vernahmen und die erst einige Sekunden nach ihnen an der Kammer eintraf.

„Da hat wohl einer die Klimaanlage zu weit aufgedreht“, meinte Dean etwas abwesend – hatte er es doch nur gedacht und wollte es eigentlich gar nicht laut aussprechen. Sam stieß ihn von der Seite an und ermahnte ihn, in solch einer Situation keine frivolen Sprüche abzulassen.

Dean schaute ihn entschuldigend an und griff bereits zum EMF um eventuelle unregelmäßige Ströme auszuschließen. Mary und Evelyne blieben an der Tür stehen, schauten unschlüssig zum Brunnen und zu den beiden Fremden, die anscheinend wussten was zutun war. Während die Brüder näher an den Brunnen herantraten und voll in ihrem Element die Umgebung analysierten, wechselten auch die beiden Frauen einen unklaren Blick.

Dean hielt das Gerät in alle Richtungen. An die Wände. Den Boden. Die Tür. An den Brunnen mit seiner Steinabdeckung zuletzt, aber nichts geschah. Was es auch war was diese seltsamen Eisformationen ausgelöst hatte, es war kein Geist.

„Was machen sie da?“ fragte Mary schließlich, als auch nach Minuten nichts Konstruktives aus der Kammer drang. Sam wandte den Kopf in Richtung Tür, während Dean ungerührt weitersuchte und sich nun direkt dem Brunnen und seinem Inhalt widmete.

„Wir...ähm...“, begann Sam sich etwas Zeit zum Nachdenken zu erstottern, „suchen nach elektromagnetischen Feldern.“

Mary beeindruckte das nicht. Zu deutlich war Sams Unsicherheit. „Und für was?“

Indessen hörte Dean nur mit einem Ohr zu, als sein Bruder der alten Hausherrin den Grund ihrer Untersuchungen erklärte. Misstrauen stand ihr ins Gesicht geschrieben und auch Evelyne wirkte nervös.

Der Brunnenschacht, der fast vollständig mit einer dicken Eisschlicht gefüllt schien, wirkte irgendwie anziehend. Er war das Zentrum des Gewölbes. Dean konnte hier die Kälte nicht nur auf der Haut spüren, sondern anhand des frostigen Atems auch vor sich sehen. Nachdem er das EMF-Gerät wieder in seine Hosentasche hatte verschwinden lassen, nahm er erneut sein Feuerzeug, doch es wollte nicht wirklich funktionieren.

Doch statt weitere Gedanken daran zu verschwenden, warum das so war, begann der das dicke Eis auf dem Brunnenrand etwas zu reiben um hineinzuschauen.

Was er im Eis sah, gefiel ihm dann aber weniger.

„Sam?“ rief er schließlich seinen jüngeren Bruder und deutete ihm zu ihm zu kommen. Dieser schien sichtlich befreit, sich nun nicht mehr mit Mary beschäftigen zu müssen.

Als er jedoch ebenfalls am Brunnen ankam, verging seine Erleichterung. Deans Blicken folgend, begriff er, worauf jener hinauswollte. Unter dem dichten Eis klafften zwei riesige, vor Schrecken geweitete Augen. Es war Jack, der scheinbar noch immer verzweifelt versuchte aus dem Schacht zu kommen, für den aber jede Hilfe zu spät kam.

„Das ist nicht gut!“ war das einzige, was Sam dazu einfiel.

Mary und Evelyne traten nun ebenfalls hinzu. Die jüngere brach in Tränen aus und suchte nach Halt an Deans Schulter, Mary McBride aber starrte etwas zu unbeteiligt für Sams Geschmack in das eisige Grab.

„Das kannst du laut sagen, Collegeboy!“ schenkte Dean seinem Bruder noch eine Antwort und nahm die aufgelöste Frau in die Arme.

08 (true lies)

Inzwischen schlug es fünf, als sie sich wieder in der Lobby einfanden und sichtlich mit den gegebenen Umständen und einer Lösung für ihr Problem rangen.

Zumindest konnte die Leiche nicht verwesen oder verschwinden. Die Polizei würde also auch noch am Morgen Spuren und eine gut konservierte Leiche zur Obduktion vorfinden.

Sam spielte mit seinem Handy, wohl wissend dass auch diese Möglichkeit Hilfe zu rufen nichts bringen würde. Der draußen noch immer wütende Schneesturm hatte auch diese zunichte gemacht.

Während Dean am entfachten Kamin stand und sich die kalten Glieder wärmte, saßen Evelyne und Mary schweigend in den großen Ohrsesseln und starrten scheinbar ins Leere. Zu unfassbar waren die vergangenen Minuten gewesen.

Jacks Selbstmord, und daran bestand für die beiden Winchester-Brüder kein Zweifel, stand in gleichem mysteriösen Zusammenhang mit einem Alptraum, wie der des jungen Mannes, der sie hierher geführt hatte. Die Frage nach dem Wie war also geklärt. Warum war eine andere.

„Wie konnte das nur passieren?“ durchbrach die Blonde jedoch plötzlich das Schweigen.

Dean wandte den Kopf und schenkte Sam einen auffordernden Blick. Er nickte.

„Nun“, begann jener und die junge Frau richtete sofort ihre Aufmerksamkeit auf ihn.

„Sie wissen, was passiert ist, nicht wahr?“ unterbrach sie ihn sogleich und ihre Behauptung schien eisern. Im flackernden Licht des Feuers sah es fast so aus, als würden ihre grünen Augen vor Zorn funkeln.

„Nein...nein!“ Sam schüttelte den Kopf.

„Wir wissen nicht, was da genau passiert ist, aber wir erahnen, was der Sache vorausging“, lenkte Dean ein und trat etwas vom Kamin weg. Evelyne und Mary schauten jetzt ihn an.

„Jetzt wäre eine guter Zeitpunkt, um uns reinen Wein einzuschenken, Mr.-ich-heiße-nicht-Black!“ entgegnete die Alte und lehnte sich zurück.

Erneut überkam Sam das ungute Gefühl, dass sie zu entspannt für die derzeitige Situation war.

Dean wechselte einen kurzen Blick mit seinem jüngeren Bruder, holte sich so Bestätigung, und setzte sich schließlich ebenfalls in einen Sessel um ihnen zu beschreiben, welchem Ziel sich die Winchesters schon seit einigen Jahren widmeten. Erstaunlicherweise hörten beide Frauen ohne Anzeichen von Ungläubigkeit oder Argwohn zu – so, als könne man ihnen von Gott der und Welt erzählen. Sie hätten wohl alles geglaubt, so seltsam es auch klingen mochte.

„Sie sind also ein Jäger, Mr. Winchester?“ hakte Mary nach, als Dean fertig war. Er kratzte sich am Hinterkopf und sah dann von der Alten zum Kamin zurück.

Oh, wie sehr er sich jetzt dorthin zurück wünschte. Dann würde er jetzt nicht von dieser Schachtel ins Kreuzverhör genommen werden.

Glaubte sie ihm? Seine Geschichte? Die Sache mit dem Alptraum? Und würde seine Antwort auf ihre Frage daran noch etwas ändern?

„So wahr ich hier sitze!“ antwortete er gelassen. Mary und Evelyne blickten wieder zu Sam, der überrumpelt zusammenzuckte und lediglich kurz nicken konnte.

„Und was jagen sie genau, wenn ich fragen darf?“ Die Alte schien misstrauischer denn je.

„Paranormale Wesen. Geister, Dämonen, alles mögliche“, behauptete Dean schnell und souverän.

Natürlich riss Mary ungläubig eine Augenbraue nach oben, Evelyne nahm es hingegen gelassener. Was davon Dean mehr beunruhigte konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen.

„Dann“, begann Evelyne erneut ihre Gedanken in Worte zu fassen, „war Jacks Tod kein Zufall? Glauben Sie, dass-“

„Mein Bruder und ich denken, dass es ein Muster gibt. Es scheint so, dass den Todesfällen immer ein Alptraum vorausging und das alles hier in Harmon seinen Ursprung hat.“ Sam blieb ruhig und sachlich, denn er wollte die junge Frau nicht noch mehr aufwühlen. Ihre zuvor wütenden Augen bekamen einen milden Ton und schienen besänftigt.

„Hören sie, Evelyne“, meinte Dean dann, „selbst wenn wir vor Stunden schon dieser Tatsache sicher gewesen wären, hätten wir Jack nicht daran hindern können in den Keller zu gehen und-“

Er stoppte, als Sam ihn eines eindringlichen Blickes würdigte. Diese Behauptung sollte unausgesprochen bleiben. Evelyne reichte es schon zu wissen, dass Jack sich selbst getötet hatte, ob da nun ein Traum war oder nicht und ob sie es hätten verhindern können oder nicht, spielte für sie keine Rolle. Sie hatte vor wenigen Stunden ihren Fast-Ehemann verloren. Und das zählte.

„Sind wir auch in Gefahr?“ wollte sie zaghaft wissen, als sie bemerkte, dass Dean nicht weiter sprach.

„Nein, das denke ich nicht.“ Sams Antwort wirkte sicher. „Bisher betraf es immer nur Männer. Also sollten sie und Mrs. McBride nichts zu befürchten haben.“

„Die Sache mit dem übersinnlichen Humbug ist schon verrückt genug“, lenkte Mary plötzlich ein und erhob sich dann aus dem bequemen Sessel. „Ich hätte Whoopi Goldberg einladen sollen. Rufen sie mich bitte, wenn sie eine Nachricht von Sam erhalten!“

Spitzfindige Bemerkungen wie diese waren die Winchesters gewöhnt. Dennoch schenkte Dean seinem Bruder einen genervten Blick, aber so, dass die beiden Frauen die darin befindliche Botschaft nicht deuten konnten.

„Hören sie, die letzten Stunden waren anstrengend“, lenkte der Ältere schließlich auf ein anderes Thema und erhob sich ebenfalls. „Wir sollten versuchen uns alle noch ein paar Stunden Ruhe zu gönnen und die Polizei später noch einmal zu erreichen. Das wird wohl das Beste sein.“

Keiner widersprach Deans Worten. Auch Sam stand die Anstrengung deutlich ins Gesicht geschrieben.

Nachdem der Kellereingang verschlossen und alle Türen und Fenster noch einmal überprüft waren, gingen die vier wieder in ihre Zimmer. Da sie nicht wussten, womit sie es zutun hatten, brachte es nichts irgendwelche Dämonenabwehrmittel einzusetzen. Die geladene Schrotflinte und reichlich Munition standen jedoch neben dem Bett in Bereitschaft. Ob sie wenigstens noch ein paar Minuten Schlaf bekommen würden, konnte keiner von ihnen mit Sicherheit sagen. Nicht nach dem, was passiert und was sie erfahren hatten. Sam war sich selbst nicht einmal klar darüber, ob es für Dean oder ihn selbst ratsam war überhaupt schlafen zu wollen. Was, wenn auch sie ein prophetischer Traum vom Selbstmord ereilte?
 

„Die Sache stinkt. Was hältst du davon?“ wollte Sam wissen, als die beiden Brüder wieder in ihrem Ehebett lagen und die holzverkleidete Decke anstarrten.

„Selbstmord á la Dämonenart, ganz klar!“ äußerte Dean trocken.

„Das meinte ich nicht, Idiot!“ keifte Sam zurück und schaute zur anderen Seite des Bettes hinüber. Der Ältere grinste nur. „Weiß ich doch, Schatz!“

„Mary war mir zu frigide. So als ginge sie das Ganze gar nichts an. Da bringt sich einer in ihrer Pension um und sie sagt nichts dazu. Findest du das nicht merkwürdig?“

Dean drehte sich von Sam weg und schloss die Augen. „Ach, keine Ahnung. Die Alte hat Haare auf den Zähnen. Die fand uns interessanter, als diese Frostbeule in ihrem Keller.“

„Eben, das meine ich!“ entgegnete Sam böse und stemmte sich hoch.

„Merk dir, was du sagen willst, Sammy. Darüber können wir doch auch in ein paar Stunden noch diskutieren, oder? Ich bin hundemüde“, wimmelte Dean ihn mit matter Stimme ab, als er neben sich die Federn knarren hörte. Die Kopfschmerzen waren zwar weg, aber Dean überkam plötzlich ein Verlangen nach Schlaf, das er selten so intensiv gespürt hatte. Ob das an der Kälte im Keller lag oder an seiner Holzhackerei? Während er aber bereit war Morpheus zu empfangen, schien Sam alles andere als müde und suchte das Gespräch.

Dean ignorierte dies und drückte sich tiefer in das weiche, frisch duftende Kissen um sich dem Schwall aus Müdigkeit und Ruhe zu ergeben.

„Wie kannst du jetzt nur Schlafen wollen. Der Dämon hat es vielleicht auch auf uns abgesehen“, meinte Sam nur noch resignierend. Fast im selben Moment fiel ihm die Situation auf, in der er sich gerade befand und dass er sich anhörte wie eine zickige Ehefrau, die von ihrem Mann verschmäht wurde. Mit einem leichten Rot im Gesicht – das Dean zu seinem Glück nicht sehen konnte –legte er sich wieder hin. Doch statt die Nachtischlampe auszumachen, nahm er sich die Aufzeichnungen seines Vaters zur Hand und begann noch einmal alle Fakten über die Vorkommnisse in seinem Kopf zu ordnen. Hatten sie vielleicht etwas übersehen?

Handelte es sich um einen Dämon, der mit Hilfe der menschlichen Ängste den Tod herbeiführen konnte? Und wenn ja, wie geschah dies und konnte man ihn aufhalten?

Als er nach einiger Zeit neben sich Deans Schnarchen vernahm, schüttelte Sam mit dem Kopf. „Alter, du bist echt nicht normal!“

09 (dream a little dream)

Ab jetzt wird's ernst...*muhahaha*
 

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Und wieder war sie da. Diese gottverdammte Kälte, die Dean mehr hasste als alles andere. Okay, die Dämonen, Geister, Fabelwesen und andere Dinge mal weggelassen.

Sie war ebenso grässlich wie nervig und schlich sich in sämtliche Regionen seines Körpers. Ehe er sich versah hatte er eiskalte Glieder die schmerzten und schließlich jegliches Gefühl vermissen ließen. Atmen fiel ihm schwer, die Gänsehaut verhinderte, dass er sich großmächtig bewegen konnte. Es war fast so, als wolle er festfrieren.

Mit der Kälte kam schließlich auch die Angst, denn Dean wusste, dass der Körper sich bei extremen Temperaturen nur bis zu einem bestimmten Grad selbst regulieren konnte. Den Rest musste und sollte der Mensch selbst machen indem er sich Witterungsgerecht anzog. Er sah an sich herab. Offensichtlich war das nicht der Fall, denn er hatte lediglich ein spärlich wärmendes Shirt und Boxershorts an.

Er verfluchte sich. Wie konnte er nur vergessen, sich anzuziehen.

Die Kälte drückte indessen weiter auf seinen Brustkorb, so als wolle sie diesen zerdrücken und Dean ging in die Knie. Er bekam keine Luft mehr-

Seine Lunge, alles zog sich zusammen!

„S...am...hil-“, brachte er noch stockend hervor, doch dann erstarb seine Stimme. Kein Ton wollte sich noch bilden.

Die Angst wurde nun übermächtig und Dean verlor jeglichen Halt. Ihm wurde schlecht, schwindelig und die innere Panik nahm Ausmaße an, die er noch nie so intensiv gespürt hatte. Er lag keuchend auf der eiskalten Erde und je mehr er versuchte zu atmen umso schlimmer wurden seine Schmerzen.

Er wusste nicht, was er tun sollte. Er war allein. Auf sich gestellt, so wie die bisher meiste Zeit seines Lebens.

Sein Leben.

Sein Leben!

Was hatte er gleich noch mal die letzten Jahre gemacht?

Ach ja, er war einem Dämon hinterher gejagt. Er hatte seinen Vater gesucht. Dann gefunden und wieder verloren. Und er musste auf Sam aufpassen. Das war seine Aufgabe.

Nein, das war sein Leben!

Müdigkeit – schon wieder. Da war noch etwas, an das er sich erinnern musste. Doch je mehr er es versuchte umso schmerzhafter wurde es. Dean keuchte auf.

Bleib wach, du musst dich erinnern, Dean, Junge reiß dich zusammen. Immer wieder flehte er die Worte in die schwarze Nacht, die sich um ihn abzeichnete. Jetzt erkannte er plötzlich die Umgebung, in der er sich befand. Zuvor hatte er dieser keinerlei Bedeutung zugemessen. Aber jetzt. Sein trüber Blick fiel auf einen Baumschmuck, der vor ihm hing und sich langsam hin und her schwang. Das Symbol kannte er. Nur woher?

Müde. Die Gedanken verließen Dean und mit einem Mal, so als knipse jemand einen Schalter aus, wurde es schwarz.
 

„Dean?“

„Dean, Mann, wach endlich auf!“ Besorgt rüttelte Sam am muskulösen Oberarm des älteren Bruders. Er wirkte angespannt und irritiert holte er schließlich sogar noch zu einer Ohrfeige aus. Glücklicherweise kam Dean in dem Moment zu sich und fing die sich auf ihn herabsenkte Hand noch in der Luft ab.

„Ey, Alter. Du schlägst mich im Schlaf, geht’s noch?“ Dean klang zwar noch reichlich dösig, aber er schien bei klarem Verstand zu sein. Mit schrecklichen Kopfschmerzen stemmte er sich in die Höhe und musterte seinen Bruder. Das Licht der Lampe blendete ihn, sodass er die Augen zusammenkniff.

„Argh, verdammt, mach das Licht aus!“ Dean hielt sich die Hand vor die Augen und warf sich wieder zurück ins weiche Kissen.

„Was ist passiert?“ wollte Sam wissen und klang dabei etwas nervös. Dean nahm die Hand vom Gesicht und sah ihn verunsichert an.

„Du hast mich geweckt, das ist passiert! Und hättest du wohl die Güte von mir runter zu gehen?“ Er überspielte seine innere Unruhe so gut er konnte. Ihm war schlecht und er kannte seltsamerweise nur ein Ziel. Ein dringendes Verlangen...

Während Sam der ausdrücklichen Bitte nachkam – oder war es vielmehr ein Befehl – kämpfte sich Dean wieder in die Höhe.

„Das meine ich nicht. Du hast im Schlaf plötzlich gesprochen, oder wolltest es zumindest. Dann hast du gezittert, als hättest du einen Anfall. Geht’s dir gut, Dean?“

„Was soll die Frage, Sammy...“ Dean wirkte plötzlich nicht mehr so sicher, wie sonst und das beunruhigte Sam noch mehr, als die Tatsache, in den Aufzeichnungen des Vaters nichts gefunden zu haben. Nichts außer Hypothesen.

„...du hattest einen dieser Träume, nicht wahr?“ meinte er dann trocken.

10 (especially for you)

Dean sah ihn an und doch nicht wirklich. Sein Blick ging ins Leere.

„Ich weiß nicht, wie’s dir geht, aber ich brauch jetzt einen Scotch!“ Er stand mühsam auf, nahm seine Klamotten – diesmal wirklich – und umging Sams Bemerkung.

„Einen starken!“ fügte er noch an.

„Weich mir nicht aus!“ fauchte Sam ihn regelrecht an und heftete sich an die Fersen seines Bruders. Dieser drehte sich im Türrahmen um und sah ihn herausfordernd an. „Ich weiß nicht, was du hören willst. Kann sein, dass es so ein Traum war, würde jetzt aber auch nichts ändern, okay?“

Er wandte sich wieder Richtung Foyer. Sam sah ihm verärgert nach.

„Du hast das geplant, nicht wahr? Du wusstest, dass du...“

„Ach, denk doch was du willst!“ kam prompt die Antwort und er schnitt seinem Bruder regelrecht das Wort ab. Dean wollte nicht nachdenken, jedenfalls nicht über dieses Problem. Ihm war schlecht. Er hatte gerade seinen Tod in virtual reality gesehen. Dass angeblich das ganze Leben an einem vorbeizog war jedenfalls eine Lüge. Zumindest in seinem Traum kam diese Sequenz nicht vor, was eigentlich schade war – an einige Frauengesichter hätte er sich gerne noch mal erinnert.

„Was hast du gesehen?“ hakte der jüngere nach und eilte ihm hinterher.

„Ach, keine Ahnung!“ Er wich der Frage offensichtlich und nicht sehr geschickt aus. „Dean?“ Sams eindringliche Art konnte echt manchmal nerven. Und er durchschaute auch zumeist alles viel zu schnell, das nervte noch mehr.

Im Foyer angekommen und den Whisky schon im Glas sah er seinen Bruder an und schüttete das verlockende Gebräu in den Rachen. Dann atmete er erleichtert aus und schüttelte sich.

„Es war die einzige Möglichkeit-“, begann er, doch diesmal unterbrach ihn Sam, der ihn herrisch am Kragen packte und tief in die Augen blickte.

„Möglichkeit für was? Hä? Sich zu opfern? Du bist so ein Idiot!“ keifte er ihn an. Dean schnappte sich Sams Handgelenke und drückte ihn von sich weg. Der etwas größere, wenn auch jüngere Sam hatte Deans Kraft weniger entgegenzusetzen und ließ es geschehen.

Dean verschaffte sich Luft und Raum.

„Wir haben keine Ahnung, mit was wir es zutun haben und du lässt zu, dass dich der Dämon in seine Fänge kriegt. Das ist leichtsinnig und dumm.“

„Nicht ganz, Collegeboy!“ fügte Dean an und goss sich noch ein Glas voll. Sam entspannte sich etwas. „Was meinst du?“

„Ich habe nicht nur meinen Tod gesehen“, Dean überlegte kurz und runzelte dann die Stirn, „na ja, eher gefühlt“, korrigierte er sich. „Ich habe auch noch was anderes gesehen, was ihn verraten hat und was uns nützlich sein wird ihn zu finden.“

Sam war es nun, der ironischerweise keinerlei Ahnung hatte, von was sein Bruder sprach. Das kam eher selten vor, zumal er für Fakten zuständig war.

„Was ist es?“

„Ein indianisches Zeichen.“

„Was?“

„Sagt dir Okandada Wakan etwas?“ Dean wirkte souverän, als er Sam in eine völlig neue Denk-Richtung schubste. „Ein indianisches Symbol.“

„Das Medizinrad. Das weiß ich, worauf willst du hinaus?“

„Findest du es nicht merkwürdig von seinem Tod zu träumen und fast im selben Moment dieses Symbol zu erblicken?“

Sam dachte kurz nach. Ergeben in die neue Erkenntnis, nicht zu wissen worauf sein Bruder hinauswollte, sah er ihn fordernd an. Es kam aber nichts weiter.

Dean ließ sich in einen Sessel fallen und sein Blick schnellte zur großen Standuhr. Es war fast sieben. Er verdrängte den Wunsch, sich noch einmal hinlegen zu wollen. Mochten die Frauen sich noch etwas Ruhe gönnen. Er würde mit Sicherheit keine mehr finden.

„Schamanismus also“, behauptete Sam dann und riss Dean aus seinen Gedanken.

„Wäre doch möglich.“ Dean verblüffte es immer wieder, wie clever Sam es verstand seine Gedanken zu deuten.

„Dann haben wir es aber nicht mit einem Geist oder Dämon zutun, sondern mit einem...“

„Menschen, korrekt!“ vervollständigte Dean hastig und stand auf.

„Außer Evelyne und Mary ist aber hier niemand. Niemand der sich mit so mächtigen Zaubern auskennt.“

Dean sah seinen Bruder beinahe verständnislos an. „Seit wann bist du so naiv? Ich bin mir sicher, dass wir ein Anzeichen von schamanistischem Hokuspokus finden, wenn wir hier im Haus mal bewusst danach suchen.“

„Mary?“ Sam sah ihn verwirrt an. Dann musste er lächeln. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“

Der ältere beachtete ihn gar nicht. Das ergebene und völlig herablassende Schnaufen seines Bruders signalisierte ihm schon, dass dieser nun beginnen würde alle Fakten aufzuführen, die Mary als Schamanin entlasten würden. Perfekt also, denn so musste er nicht selbst nachdenken.

„Das ergibt keinen Sinn, Dean. Das Medizinrad ist kein Instrument, um Menschen zu schaden. Mary ist eine nette Frau, deren Stammbaum sicher nicht in Richtung der Ureinwohner Amerikas führt.“

„Darauf würde ich nicht wetten, Collegeboy!“

Dean deutete über den Kamin, wo ein äußerst merkwürdig aussehendes Gebilde aus Bärenfell, Hirschgeweih und Federschmuck hing. Sam verschlug des buchstäblich die Sprache. Und das kam nicht oft vor.

11 (I can't fight this feeling)

Inzwischen war die Sonne auch über den letzten Bergwipfel gezogen und spendete ausreichend Licht und Wärme, sodass es Dean wagte nach draußen zu gehen um nach seinem ‚Baby’ zu sehen. In der Tat sah es alles andere als viel versprechend aus vor der Pension. Zu seinem Glück hatte er den Wagen noch unter einem Halbdach abstellen können, aber das bedeutete nicht, dass er nicht auch schippen musste.

Schon wieder körperliche Betätigung! Gott, wie er das hasste. Es wäre ja nicht so schlimm und sogar erträglich, wenn er einen Ausgleich hätte, aber leider sah es mit weiblichen Subjekten mau aus in dieser ärmlichen Bergregion. Die einzigen verfügbaren Frauen waren dummerweise zu alt oder hatten soeben ihren Fast-Ehemann verloren, da konnte er schlecht seinen bekannten Dean-Charme spielen lassen. Das wäre pietät- und schamlos. Und einen Ödipuskomplex hatte er auch nicht.

Wütend darüber schippte er sich den Frust von der Seele und erneut fasste er den Entschluss als nächstes Reiseziel Florida oder Kalifornien anzusteuern. Raus aus dem Schnee und rein ins Meer der weiblichen Reize, denn die gab es dort wie Sand und Alkohol.

Groteskerweise verschwendete er keinen einzigen Gedanken daran, wie er seinem Tod entgehen konnte, denn den hatte ja bereits vorgeträumt und wusste, dass er eisig werden würde. Warum sich also den Kopf darüber zerbrechen, was er machen konnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass er sich in Shorts und T-Shirt in die klirrende Kälte hinauswagte, war ohnehin verschwindend klein um nicht zu sagen gänzlich nicht vorhanden. Was ihn aber dennoch beschäftigte und bei der Sache bleiben ließ war die Tatsache, dass er vielleicht auch durch eine Art Fremdsteuerung dazu gezwungen werden konnte, denn er glaubte kaum, dass Evelynes Freund im Vollbesitz eines Geistes in den Brunnen gestiegen war.
 

In der Zwischenzeit half Sam dabei das Frühstück vorzubereiten. Er hielt es für besser die alte Mary McBride nicht allein werkeln zu lassen, solange er und Dean die Dame unter Verdacht hatten schamanische Praktiken durchzuführen. Auch Evelyne gesellte sich zu ihnen und deckte den Tisch. Offensichtlich störte es Mary nicht, dass die junge Frau anwesend war, aber Sams Hilfsbereitschaft schien sie nervös zu machen.

„Sie müssen mir nicht helfen, wenn sie nicht wollen!“ meinte sie herrisch und sah den jungen Winchester durchdringend an.

Sam lächelte mild und widmete sich dann wieder dem Kaffeekochen – etwas, dass er dank Dean sehr häufig tun musste und inzwischen perfektioniert hatte.

„Ich helfe gern“, antwortete er ruhig.

Dann kehrte wieder Schweigen in die geräumige Küche, die aus alten wie neuen Gerätschaften bestand und sehr fortschrittliches Mobiliar hatte.

„Ich verstehe euch jungen Leute nicht. Warum widmet ihr euer Leben der Suche nach Übersinnlichem?“ Erneut war es Marys Stimme, die die Stille durchbrach. Evelyne hob den Kopf und wirkte interessiert an der aufkommenden Konversation.

Sam überraschte diese Frage indessen, aber er wusste, was er antworten konnte.

„Ein Familienauftrag.“

Die Antwort schien nicht zufrieden stellend. Marys und Evelynes Augen ruhten immer noch auf ihm, sodass er seine Aussagen noch erläutern musste.

„Unser Dad, er…war auch ein Jäger und er…“, Sam suche nach passenden Worten. „Er starb, um uns zu beschützen. Deshalb…wollen Dean und ich seine Arbeit fortsetzen.“

Tatsächlich war sich selbst Sam nicht darüber im Klaren, weshalb er und Dean noch immer umherfuhren um das Böse auszutreiben. Sicher, der gelbäugige Dämon war noch am Leben und ihn mussten sie besiegen, das waren sie ihrem Dad schuldig. Aber das war nicht unbedingt der einzige Grund für sie oder zumindest für ihn.

Da war noch dieses schlechte Gewissen, das Sam plagte und schon so lange darauf wartete erlöst zu werden. Dean wusste, wie sich Sam fühlte. Und er? Sicher, Sam konnte sich ebenfalls vorstellen mit welchen Gefühlen Dean kämpfte.

„Sie zweifeln.“

Sam sah Mary aufmerksam an. Wieso hatte sie das eben gesagt?

„Glauben sie an das, was sie tun, Sam Winchester?“

Eine Frage, die in die Substanz ging und da kramte er ungern herum. Sam war sensibler als er manchmal zugeben wollte, aber Dean schien der einzige zu sein, der sich dessen bewusst war – und ihn deshalb damit auch immer aufzog. Glaubte er an die Arbeit, die er verrichtete?

„Ich denke schon. Wir haben schon vielen Menschen geholfen und-“

In diesem Moment stapfte Dean in die Küche, völlig durchnässt und abgekämpft und beendete das Gespräch mit seiner Was-gibt-es-denn-zum-Frühstück-Nummer.

Sam atmete etwas erleichtert auf.

In drei Dingen war Dean wirklich zu beneiden, schoss es dem Jüngeren durch den Kopf: Im Jagen, im Frauen abschleppen und im Essen. Seiner stillen Leidenschaft.

Er lächelte Mary entschuldigend an und schnappte sich seinen Bruder am Ärmel.

„Entschuldigt uns kurz“, meinte er ruhig und zerrte den irritierten und schon mit den Gedanken über der Pfanne stehenden Dean ins Foyer.

„Alter, lass das. Ich hab Hunger.“

Sam ließ sich nicht beirren. Als sie dann ungestört waren gab er Dean wieder frei und stellte sich ihm gegenüber.

„Du hattest Recht. Mit Mary stimmt was nicht.“

„Siehst du?!“ Triumphierend stemmte Dean die Arme in die Hüften.

„Nein, nicht das Schamanische betreffend. Sie stellt seltsame Fragen und...“, Sam überlegte, was er sagen konnte. Das nutze Dean aus und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.

„Sammy, die Frau hat Angst, sie ist nervös – schließlich liegt in ihrem Keller ein Mann auf Eis. Da ist es normal Fremde auszufragen. Das machen wir doch andauernd.“

Das mochte stimmen, aber Sam spürte, dass da noch etwas mehr dahinter steckte.

„Geht das Telefon inzwischen wieder?“

„Nein, noch nicht. Auch das Handy hat noch keinen Empfang. Wie sieht’s mit dem Wagen aus?“

Dean zuckte mit den Schultern. „Ich hab mein Baby ausgebuddelt, aber wenn ich mir so die Straßen ansehe, würde ich den Winterdienst am liebsten verklagen.“

Ob die so was hier oben überhaupt hatten?

Das hieß dann wohl, dass ein Wegfahren ernst einmal nicht in nächster Zeit möglich war.

„Hast du auch noch mal im Haus nach du-weißt-schon-was gesucht?“ fragte Dean dann unvermittelt, doch Sam schüttelte lediglich mit dem Kopf.

„Okay, dann müssen wir uns was anderes überlegen.“

„Das ist dämlich.“ Sam spielte wieder auf die unkonventionelle Taktik seines Bruders an. „Hör mal, ich hab darüber nachgedacht, was wir machen könnten. Unsere Chancen stehen nicht gerade gut, dass wir heil aus dieser Sache rauskommen, wenn wir weiter so passiv bleiben. So finden wir nicht heraus, was Mary hier treibt.“

„Hmmm.“ Dean sparte an Worten. Was sollte er auch entgegnen, einen besseren Plan hatte er auch nicht parat. „Was meinst du?“ fragte er dann noch Stirn runzelnd nach und verarbeitete erstmal Sams Worte.

„Dass wir Mary vielleicht direkt konfrontieren sollten. Sie danach fragen.“

Dean sah ihn entgeistert an. Solche Vorhaben aus dem Mund des sonst so vorsichtigen Sam Winchesters zu hören war ungewohnt. Das war wie Weihnachten und Ostern zusammen.

Er fuhr sich angespannt über den Nacken. „Also weißt du, ich halte das für keine gute Idee, schließlich sind das bisher alles nur unbewiesene Vermutungen.“

„Das weiß ich, aber anders können wir den Schamanen, Schrägstrich die Schamanin, nicht finden und vielleicht wird er oder sie ja nervös, wenn er oder sie weiß, dass wir ihm oder ihr auf den Fersen sind.“

Dean grinste. Alice Schwarzer in Person. Aber Sam hatte Recht. Da kein Alternativplan vorlag war dies also ihre momentan beste Chance in ihrem Fall voranzukommen.

Als er zustimmend nickte und sich Sam umwandte und wieder Richtung Küche marschierte, schnaufte Dean unzufrieden.

„Und das noch vor dem Frühstück, so ein Mist!“

12 (expecting trouble)

Inzwischen sind die Favolisteneinträge ja ganz schön gestiegen. Das freut mich, denn dann weiß ich, dass mein Geschreibe bei euch Anklang findet. ;-)

Mit großen Schritten geht es gen Finale. Schreibt mir ruhig, wenn ihr Fragen, Anregungen, Wünsche etc. habt.

In dem Sinne nun viel Spaß mit dem 12. Kapitel.

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Schnurstracks und ohne Umschweife steuerte Sam die Küche im hinteren Teil des Hauses an. Die alten Dielen knarrten unter seinen Füßen – was ihm jetzt erst auffiel, doch er legte sich gedanklich schon einige Satzelemente zurecht, die er der vermeintlichen Schamanin Mary McBride an den Kopf schmeißen würde, sodass die Dielen und das Knarren unter seinem Gewicht – was beileibe nicht viel war – nebensächlich wurden. Natürlich auch sein murrender Bruder, der ihm dichtauf folgte.

Von Dean würde er weniger Hilfe erwarten können, zumal dieser alles andere als begeistert davon schien, was der jüngere vorhatte. Konfrontation bedeutete entweder seiner Arbeit sicher zu sein, was der Fall war, wenn man genügend belastendes Beweismaterial besaß, oder aber so verzweifelt, dass man nur noch darauf hoffen konnte den Täter durch einen verräterischen Fehler zu entlarven. Die erstere Variante gefiel ihm mehr.

Aber Dean musste zugeben, dass sein Bruder auch nicht ganz Unrecht hatte, denn schließlich lief ihnen die Zeit davon. Was beide bisher wussten: zwischen den prophetischen Todesträumen und dem tatsächlich eintretenden Ableben lagen nicht einmal zwei Tage. Weniger als 48 Stunden. Und das sollte ihm eigentlich Unbehagen bereiten.

Inzwischen kämpfte Sam mit anderen Problemen. Da Deans Enthusiasmus für seinen Vorschlag sowieso nicht sehr groß war, würde Sam das Reden übernehmen und sollte es zum Kampf kommen – wie immer der bei einer alten Frau aussah, dann würde er Dean den Vortritt lassen.

So wie immer.

Leider, und so weit dachte Sam offensichtlich nicht, hatte Dean während seiner Schaufelaktion am Wagen keinerlei Waffen oder ähnliches mitgenommen. Sie stellten sich also nicht nur ohne anständigen Plan, sondern auch waffenlos einem unbekannten Etwas entgegen.

Ihre Arbeitsaufteilung war wie immer perfekt. Bei ihrem Plan B sah es da schlechter aus, denn den gab es – wie üblich – leider auch nicht.
 

Indessen kam die Küche in Sichtweite und bald darauf erblickte Sam auch Mary, die über einem Topf stand und Frühstückseier kochte. Die Alte machte in aller Seelenruhe Frühstück, während in ihrem Keller eine Leiche lag.

Das erstaunte nicht nur Dean, den fürwahr nicht viel erstaunte, sondern auch Sam, der allerdings gelassen blieb und sich in den Nacken griff.

Dean grinste. „Nervös, Brüderchen?“ Er erntete einen genervten Augenverdreher.

„Na, wieder da, Mr. Holmes, Dr. Watson?“ fragte Mary indessen, wandte sich aber nicht um. Sam, der eben den Mund aufgemacht hatte und etwas sagen wollte, schloss die Luke wieder und sah zu seinem Bruder. Wer von ihnen war wohl Dr. Watson?

„Ähm, wir müssen mit ihnen reden, Mrs. McBride“, begann Sam schließlich etwas sicherer und schaute sie wieder an.

„Waren wir nicht schon bei Mary?“ fragte diese nach, drehte sich aber nicht um.

Während der jüngere seine Satzbausteine noch mal ordnete und einen neuen Anlauf nahm, bemerkte Dean etwas weit interessanteres als Marys Kochkünste.

„Wo ist Evelyne?“ fragte er unvermittelt und unterbrach Sam ein weiteres Mal.

Jetzt schaute Mary über ihre breite Schulter und ihr Blick schweifte durch den Raum.

„Bis eben war sie noch hier. Ist sie nicht zu ihnen ins Foyer gegangen?“

Die beiden Winchesters wechselten einen vieldeutigen Blick. Beide beschlich ein ungutes Gefühl. Was, wenn Evelyne etwas von ihrem Vier-Augen-Gespräch mitbekommen hatte? Und was, wenn sie daraus jetzt falsche Schlüsse zog?

Da die junge Frau nicht an ihnen vorbei sein konnte, konnte sie sich nur im hinteren Teil des Hauses befinden, oder, was logischer erschien, nach draußen gegangen sein. Dean mochte die zweite Option weniger.
 

Draußen mussten trotz Sonne und strahlend blauem Himmel an die zwanzig Minusgrade herrschen. Dean rieb sich die kalten Arme und stapfte scheinbar ziellos umher. Wirkte albern, war es aber nicht. Tatsächlich wusste Dean nicht, wie er gefahrlos durch den hohen Schnee kommen sollte ohne dabei großartig einzusinken. Sam, der dicht hinter ihm war, fand das ziemlich nervig und schubste ihn etwas, sodass Dean beinahe nach vorn und mit dem Kopf voran in den Schnee fiel. Gerade noch so und unter Zuhilfenahme der Arme konnte er sich abfangen.

„Was soll das, hä?“ motzte er und blickte über die Schulter.

„Wir haben keine Zeit für so einen Mist. Evelyne ist vielleicht in Gefahr!“

Dean verdrehte die Augen. „Glaub mir, der geht’s gut.“

„Ach ja, und woher willst du das wissen?“

„Wohin sollte sie, bitte schön, gehen, hier draußen? Solange hier keiner die Straßen klarmacht kommt niemand aus Harmon weg. Nicht mal per Anhalter!“

Gutes Argument. Sam sah sich um und sein Blick blieb an der Pension hängen. Erst jetzt bemerkte er, dass das Landhaus wirklich ein interessantes Äußeres hatte. Im Dämmerlicht ihrer Ankunft konnten sie es nicht sehen, aber jetzt bei Tag erkannte er die vielen filigranen und eindeutig indianischen Schnitzereien darauf. Musste lange gedauert haben, so was zu schaffen und – was wohl viel wichtiger war – sie musste ein Vermögen wert sein. Ein weiteres Indiz, dass Marys Abstammung untermauerte. Es konnte aber auch nur purer Zufall sein, dass sie das Haus ihr Eigentum nannte.

Während Sam in Gedanken versunken schien, erreichte Dean die Scheune des Hauses, in der Evelynes und Jacks Wagen untergestellt war. Dean fand es beeindruckend, dass ein so junges Pärchen sich einen so großen Geländewagen leisten konnte. Ein ausländisches Fabrikat. Nagelneu, groß und teuer. Mit einem abschätzenden Blick machte er noch einen Schritt und blickte auf den Boden, der eindeutig vor kurzem betreten worden war und feuchte Fußspuren aufzeigte.

Das geräumige Nebenhaus, welches früher einmal neben Pferden auch anderen Tieren Unterkunft gespendet haben musste, schien jetzt nur noch als Abstellplatz und Garage zu dienen. Als Dean auf Höhe der Vorderräder war hörte er ein leises Schluchzen. Hinter dem hellblauen Wagen saß die zusammengekauerte Evelyne und weinte. Bitterlich und vollkommen fertig.

Um auf sich aufmerksam zu machen, aber sie gleichzeitig nicht zu erschrecken, tat Dean etwas, dass er sonst nicht machte. Er besah sich den Wagen noch mal und pfiff erstaunt.

„Mannomann, so ein Teil will ich auch mal fahren!“ Natürlich war der gewünschte Effekt nicht annähernd so, wie erhofft. Die junge Frau fuhr zusammen und wirbelte herum. Mit weit aufgerissenen und roten Augen blickte sie auf den überraschten Dean, der beschwichtigend die Hände in die Luft riss.

„Alles okay, keine Angst. Ich bin’s nur!“ Evelyne wirkte enttäuscht ihn zu sehen.

„Was machen sie hier?“ fragte sie dann, doch ihre Stimme klang immer noch jämmerlich dünn und vibrierte.

„Waren wir nicht schon beim ‚du’? Und eigentlich war das mein Text!“ Dean rieb sich die kalten Hände. Gott, wie er fror, doch als er die junge Frau ansah, die bis auf einen Pullover, eine Jeans und dicke Stiefel nichts anhatte, fröstelte es ihn noch mehr. „Frierst du nicht?“ fragte er ungläubig.

Evelyne blickte ihn verständnislos an und zog sich den Pullover etwas länger. Natürlich tat sie das. Ein Gentleman hätte ihr jetzt seine Jacke gegeben. Dean war offensichtlich kein Gentleman.

„Ich habe ihr Gespräch vorhin gehört. Das mit Mary.“ Sie sah Dean unverblümt an und erhoffte sich klare Fronten.

„Manche würden lauschen dazu sagen, aber ich nenne es Pech!“ meinte Dean trocken.

„Ich nenne es Zufall. Denkt ihr wirklich, dass Mrs. McBride etwas mit Jacks Tod zutun hat?“ fragte sie leise nach. Das Wimmern war jetzt fast gänzlich verschwunden.

Als Sam hinzukam fiel sein Blick zuerst auf die Wagenschlüssel in der Hand der jungen Frau. Wollte sie wirklich wegfahren? Wie hatte sie wohl vorgehabt das Scheunentor aufzubekommen, wenn vertikal davor drei Meter Schnee lagen?

„Das wissen wir noch nicht. Wir wollten gerade Cluedo spielen gehen. Wollen sie nicht mitmachen?“ Sie blickte ihn an. Noch immer verständnislos und – ja – sogar etwas verachtend.

„Mein Verlobter ist tot...und sie reißen darüber noch Witze.“ Erstaunlicherweise blieb sich eher ruhig bei diesen Worten, aber ihre Augen funkelten Dean leicht an.

„Ich neige dazu, wenn mir kalt ist etwas rücksichtslos zu werden.“ Dean ließ ihr keine Zeit zum antworten und wandte sich schon wieder zum gehen. Doch er ging nicht direkt zum Haus zurück, sondern holte nun das nach, was er zuvor vergessen hatte. Bewaffnet mit dem Wagenschlüssel des Impalas bahnte er sich einen Weg zu diesem und öffnete den Kofferraum. Als Evelyne hinten aufschloss und ihm über die Schulter in den Wagen sah, stutzte sie.

„Oh...mein...Gott!“ Evelyne klang sichtlich nervös. Ihr Blick ging zu Sam, der sie eines leichten Lächelns bedachte. „Und was macht ihr, wenn ihr euch nicht verfahrt?“ fragte sie, den Blick wieder auf das gigantische Waffenarsenal im Kofferraum des schwarzen Chevys gerichtet.

„Wir jagen!“ antwortete Dean knapp und lud seine 9 mm durch. Evelyne wollte nicht wissen, was die Beute der beiden Brüder war.

13 (shamanic slapstick)

So, liebe Leute. Heute habe ich das letzte Kapitel der Fanfic abgetippt. Sie hat nun doch 19 Kapitel und nicht wie anfangs von mir anberaumt 14-16. Sie ist nun endlich fertig, das Ende ist gewählt. Erstaunlicherweise ging es mir leicht von der Hand. Dean wird, wie ihr es euch gewünscht habt, ETWAS leiden, aber nur etwas. Keine Angst. ;-)

Aber nun erstmal viel Spaß mit dem 13. Kapitel. n-joy!

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Als die drei aus der Eiseskälte ins Haus zurückkehrten holte Mary gerade die Eier aus dem Wasser. Sie wischte ihre Hände an der Schürze ab und warf der kleinen Gruppe einen nachdenklichen Blick zu.

„Ist alles in Ordnung?“ fragte sie schließlich, als sie in das unruhige Gesicht Evelynes blickte.

Die junge Frau wusste nicht, was sie antworten sollte, deshalb nickte sie nur stumm und ersuchte Dean und Sam mit ihren Augen um Hilfe.

„Klar, alles bestens, Mrs. McBride.“ Dean blieb locker wie immer. Sam nicht.

„Wir müssen mit dir reden, Mary.“ Er versuchte wieder die Vertrauensschiene. Sein einnehmendes Gemüt konnte ihnen schon des Öfteren aus heiklen Situationen helfen, aber Dean war sich nicht sicher, ob das auch diesmal funktionieren würde. Die Waffe in seinem Hosenbund beruhigte ihn da schon wesentlich mehr.

Mary lächelte mild. „Das sagtest du schon, Sam Winchester.“

Sam warf nun Dean einen vieldeutigen Blick zu, so als ob er sich nicht sicher war, wie man bei einem so unscheinbaren Lächeln weiter verfahren müsse. Er brauchte ein bisschen Unterstützung. Verbale oder moralische war ihm egal.

„Es geht um ihr Haus. Ihre Familiengeschichte und um ihre ethische Grundhaltung zum Schamanismus.“

Bamm! Dean brachte sämtliche Fakten auf den Punkt. Beinahe vergaß Sam zu atmen und starrte ihn ungläubig an.

Er war schlichtweg schockiert über so viel Offenheit. Das nannte man wohl mit der Tür ins Haus fallen. Und das konnte Dean wirklich gut, nur tat er es häufiger im übertragenen Sinne, wenn sie irgendwo einbrachen.

„Verstehe“, antwortete Mary schließlich gelassen und nahm auf einem der leeren Stühle Platz. „Ihr denkt, dass ich etwas mit dem Tod des jungen Mannes zutun habe.“ Sie sagte das mit einer beispiellosen Nüchternheit, dass Sam nachdenklich wurde.

„Fakten, reine Fakten.“ Dean fixierte sie. Auch ihm entging nicht, dass die alte Frau keinerlei verräterische Reaktionen gezeigt hatte. Vielleicht war diese Gleichgültigkeit ja auch ihre Art ihre Schuld zu verschleiern.

Von Psychologie verstand Dean noch nie viel. Sam allerdings genauso wenig, denn er hatte sich nicht umsonst Jura ausgesucht. Sie hatten ihre besten Karten ausgespielt, ohne den Jackpot zu knacken. Enttäuschung machte sich in Dean breit und auch Sam konnte seine innere Ungeduld schlecht verbergen. Er versuchte die Situation etwas zu entschärfen.

„Wir beschuldigen sie nicht, Mary, aber diese seltsamen Träume sind allem Anschein nach einer schamanischen Praktik zuzuschreiben und da dieses Haus einige Fragen aufwirft und sie die Eigentümerin sind…“ Sam stockte.

Mary begann erst leise, dann eindringlicher zu lachen, sodass er seine Gedanken nicht zu Ende denken konnte.

„Ihr jungen Menschen seid wirklich schnell bei der Schuldzuweisung. Ein Haus als Beweis für eine schamanische Bewohnerin zu nehmen zeugt nicht gerade von Einfallsreichtum. Vor Gericht würdet ihr da nicht viel rausschlagen können. Außerdem hat das rein gar nichts mit dem Tod-“

„Seien sie still!“ Dean und Sam fuhren erschrocken zusammen und auch die alte Mary verstummte. Im nächsten Moment stand Evelyne mit Deans geladener Neun Millimeter in der Küche und hielt den Lauf direkt auf die sitzende Hausbesitzerin.

„W…was…?“ Dean inspizierte seinen Rücken, nur um zu bemerken, dass es tatsächlich seine Waffe in Evelynes zittrigen Händen war. „Lassen sie das, Evelyne. Das bringt doch nichts!“ Sam nahm beschwichtigend die Hände nach oben.

„Sie waren es, hab ich recht?“ Die junge Frau ließ sich nicht beirren. Sie schien Sams beschwörerische Stimme gar nicht wahrzunehmen und alles auszublenden, was nicht mit Mary, der Waffe und ihren Gefühlen zutun hatte. „Geben sie es zu, verdammt!“

Mary sah sie an, sah durch sie hindurch und lächelte wieder.

Dean glaubte zu erahnen, was Mary gerade dachte: Oh, ihr armen jungen Menschen…

„Ich gebe gar nichts zu!“ sagte sie schließlich und warf Dean einen mehr als deutlichen Blick zu. Er verstand ihn. Als Evelyne ein weiteres Mal auf Mary einreden wollte schnappte er sich die Waffe mit einer blitzschnellen Bewegung, sicherte sie wieder und gab Sam ein Zeichen, der die fast hysterische Frau festhalten sollte.

Den Tränen mehr als nah ließ es Evelyne geschehen, doch versuchte sich gegen Sams festen Griff zu wehren. Es entwickelte sich zum fixieren, was Sam gar nicht gerne tat.

„Beruhigen sie sich, Evelyne. Bitte!“ Er versuchte sie mit Worten zu besänftigen, aber nichts schien sie aus ihrer Trauer und Wut herauszulösen.

„Wenn sie dann mit dieser Scharade fertig sind, können wir ja endlich frühstücken.“

Als diese Worte durch den Raum glitten verstummte Evelyne sofort und wandte entsetzt ihre Augen auf die alte Frau. Auch Dean und Sam fanden diese Reaktion mehr als irritierend und sahen Mary McBride mit einer Mischung aus Argwohn, Unverständnis und Geistesverwirrung an.

„Bevor sie Fragen: Ich habe den Sheriff erreicht. Er kommt in etwa zwei Stunden mit einem Räumfahrzeug der Armee und zwei Deputies vorbei um sich unserer Leiche anzunehmen.“

Sam schaute zum Telefon und schließlich zu Dean, der leicht den Kopf schüttelte.

„Wenn sie mir nicht glauben, überzeugen sie sich bitte selbst! Das Telefon geht wieder!“

Sam ließ die sich wieder gefangene Evelyne los und nahm den Hörer ab. Tatsächlich! Ein Freizeichen.

Er nickte seinem Bruder zu.

„Das verstehe ich nicht ganz“, gab dieser offen zu und schaute in Marys Richtung.

„Ich auch nicht, aber das soll sie nicht stören! Ich bin schließlich nur eine alte Frau.“

Das nur wollte Dean nicht glauben.

„Sind ziemlich viele glückliche Zufälle für meinen Geschmack.“ Deutlich hörte man Deans Misstrauen heraus.

„Finden sie?“ fragte Mary schnippisch nach und legte erneut ein freundliches Lächeln auf ihre schmalen, faltigen Lippen. Ein Lächeln, was sicherlich nicht als solches gemeint war.

14 (collision=course)

Evelyne wusste nicht so recht, wie sie sich verhalten sollte, jedoch nahm sie, wie Dean und Sam, am Frühstück teil. Es war eine schweigsame Runde und nur das gelegentliche Klirren von Löffeln auf Tellern oder in Tassen war zu hören.

Die junge Frau spielte nervös an ihrer Kaffeetasse und blickte gedankenverloren auf ihren halbvollen Teller. Sie hatte keinen Hunger. Eigentlich drängte sich in ihr immer heftiger der Wunsch auf einfach aufzustehen, in ihr Zimmer zu gehen und dortzubleiben, bis die Polizei ankam.

Auch Sam wirkte unruhig und schielte ab und an zu ihr. Er versuchte in ihrem Gesicht zu lesen und ihre Gedanken zu studieren. Sie war wie ein offenes Buch und Unbehagen stand ihr buchstäblich auf die Stirn geschrieben. Mary war da ein ganz anderes Kaliber.

Sie zu verstehen stellte in den Augen der beiden Brüder ein weit größeres Problem dar, denn sie wussten nach wie vor nicht, was sie von der Alten zu erwarten hatten.

War sie nun eine Schamanin, oder nicht?

War sie gefährlich, oder einfach nur verschroben?

Es war schwierig einen Menschen einzuschätzen, der so wenig seiner Gefühle nach außen sichtbar machte, wie die alte Dame.

Während sich Dean sein drittes Hörnchen in den Mund schob, fiel Sam etwas ein, das er die Hausbesitzerin schon seit ihrer Ankunft am vergangenen Abend fragen wollte. Er war sich nicht sicher, ob es jetzt und hier überhaupt Sinn hatte, eine derart belanglose Frage zu stellen, aber da offenbar keiner der Anwesenden den dringenden Wunsch verspürte über das Wetter oder eine Leiche im Keller zu sprechen, versuchte er sein Glück.

„Sagen sie, Mary, wie kommt es, dass sie erst seit ein paar Wochen so viele Gäste in ihrer Pension haben?“ Dean schaute seinen Bruder irritiert an. Auch Evelyne, die Sams Worte als gelungene Abwechslung empfand, schaute auf. Nur Mary reagierte wie immer verzögert und aß seelenruhig weiter.

Sam wusste nicht, ob sie seine Formulierung richtig verstanden hatte und umschrieb sein Anliegen.

„Ich meine, ich habe mir ihr Gästebuch auf dem Tresen angesehen und die letzten Einträge zurückverfolgt. Sie hatten noch vor einigen Wochen keinen einzigen Gast!“ Der noch immer mit kauen beschäftigte Dean zog überrascht eine Augenbraue nach oben und sah seinen Bruder verblüfft an. Klugscheißer, ging es ihm durch den Kopf, aber er schätzte gerade das an seinem Sammy. Auch wenn er es nie zugeben würde und ihn stattdessen immer damit aufzog. Ein Jäger konnte nicht an alles denken und war des Öfteren auf Hilfe von anderen angewiesen. Früher, als er noch allein auf die Jagd ging, machte er sich nie Gedanken darüber, ob er allein klarkommen würde. Es gab viele Möglichkeiten mit Dämonen, Monstern oder übernatürlichen Wesen fertig zu werden, ohne sich von anderen Unterstützung zu holen. Nachdem er aber mit Sam losgezogen war, hatte sich einiges verändert und er wollte, oder vielmehr konnte, sich ein jagen allein schon gar nicht mehr vorstellen. Wie anstrengend das doch sein würde!

Dank Sammy kam er wenigstens ab und zu in den Genuss das normale Leben zu spüren. Da war jemand der Kaffee kochte, der da war, wenn er wieder eine der unzähligen Moteltüren aufstieß oder einfach nur dasaß und zuhörte, wenn er mal Stress mit einer neuen Liebelei hatte. (Zugegeben, solchen Gesprächen konnte Sam nicht viel abgewinnen, aber er war sehr geduldig und es gab ja auch noch die Möglichkeit Interesse vorzugaukeln.) Das waren Momente, die er schätzte und dafür war er Sam dankbar.

Sicher, zu zweit zu jagen brachte nicht nur Annehmlichkeiten. Nicht nur einmal gerieten sie dank Sams Dickkopf in heillose Schwierigkeiten oder waren verwundbar, da die größte Schwachstelle des jeweils anderen der Bruder war. Die Dämonen schienen das schon zu wissen, noch bevor sie manchmal auf die Jagd nach ihnen gingen.

Trotzdem hatten sie es bisher noch immer geschafft aus ihrer größten Schwäche ihre größte Stärke zu machen. Mochte das so bleiben! Dean würde nicht zulassen, dass sein Traum vom Tod real werden würde. Das durfte er seinem Sammy doch nicht antun.

Indessen der ältere Winchester seinen Gedanken freien Lauf ließ und einmal mehr zu dem Entschluss kam, dass sein Leben einfach nur geil war, beendete Mary ihr Frühstück und blickte Sam auf seine Frage hin an.

„Es ist Saison. Das kennen sie sicher, Mr. Winchester!“ meinte sie mit einem versteinerten Gesicht. Der Ausdruck gefiel dem jungen Mann gar nicht.

„Sicher kenn ich das, aber es erklärt nicht, weshalb das so abrupt geschehen ist!“ Hartnäckig.

Sie sah ihn durchdringend an und hielt seinem herausfordernden Blick stand. Innerlich wog sie die Wahrscheinlichkeiten ab, wie clever der junge Mann war und wie viel sie sich erlauben konnte zu erzählen. Schließlich fügte sie sich in das Unvermeidliche.

„Hier herauf verirren sich nicht viele Auswärtige“, setzte Mary ihre Erklärung fort. „Die meisten machen nur Kurzurlaub und wollen für einige Stunden dem Stress der Großstadt entfliehen. Harmon war früher ein gut besuchtes Bergnest, müssen sie wissen.“ Sie machte eine kurze Pause und blickte aus dem Fenster. Draußen schien immer noch die gleißend helle Sonne, die dem weißen Schnee eine gnadenlose Frist verkündete. „Heute aber, geraten solche Dinge in Vergessenheit. Die jungen Leute haben keine Zeit mehr für Urlaub. Sie besinnen sich nicht mehr ihrer Wurzeln in der Natur. Es ist zu schnelllebig geworden und hier draußen fehlt es ihnen an Bequemlichkeiten.“

Aus den Worten der Dame sprach deutliches Bedauern. Sie wirkte traurig über diese Tatsachen.

„Ich habe diese Pension von meinem Mann vererbt bekommen. Er starb vor einigen Jahren an einer Lungenentzündung.“ Sie sah Sam wieder an, so als erwarte sie, dass er sie verstand. Ihre Augen leuchteten und er erkannte, dass ihr Gesagtes tief aus dem Herzen kam.

„Es kostete mich viel Mühe und Geld, um dieses Haus behalten zu können. Es ist das einzige, was mir von ihm geblieben ist.“

Sam warf Dean einen flüchtigen Blick zu, als Mary eine weitere Pause machte. Er führte gerade seine Kaffeetasse zum Mund, aber wusste, was der Blick zu bedeuten hatte.

„Wenn die Gäste ausbleiben, kommt kein Geld in die Kasse, sehe ich das richtig?“ fragte Dean ungelenk und stellte die Tasse wieder ab. Mary sah ihn mit einem bösen Blick an.

„Also haben sie sich Hilfe aus dem Jenseits geholt, damit sie ihren Besitz retten konnten. Das Andenken an ihren verstorbenen Mann.“ Nun war es Sam, der mit Schlussfolgern dran war. Marys Augen wanderten sofort zu ihm, aber alle Boshaftigkeit, die Dean gegolten hatte, war verschwunden. Er hatte also recht mit seiner Vermutung.

Evelyne blieb indessen stumm, hörte zu und schaute abwesend in ihre Kaffeetasse. Ihr Spiegelbild wirkte grotesk.

Wieder kam ungemütliches Schweigen in der viel zu großen Küche auf. Damals, so dachte Dean plötzlich, mussten hier duzende Menschen für sich in der Küche gearbeitet haben. Jetzt war Mary nur noch allein. Wie einsam musste sie sein?

„Ich wollte nie, dass jemand zu Schaden kommt“, meinte sie plötzlich leise und umklammerte ihre Kaffeetasse mit eisernem Griff.

„Ich wollte nicht, dass jemand stirbt.“ Noch leiser. Evelyne entwich ein Schluchzen und erneut schossen ihr die Tränen in die Augen.

15 (without dignity - no doubt)

So, mal ein klärendes und etwas ruhigeres Kapitel dazwischen. Im nächsten wirds dann wieder spannend...*hopeso*.

n-joy!

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Die grausame Gewissheit übermannte sie, dass die Alte den Tod von Jack zu verschulden hatte. Die beiden Brüder hatten also Recht.

Sie presste sich die Hand auf den Mund und verbarg ihre roten Augen hinter einer Mähne aus blonden Locken. Sam wollte eine Hand auf ihre Schulter legen. Tröstend. Doch er konnte es nicht, denn auch ihm schnürte es die Kehle zu und er schien unfähig einer Bewegung.

„Ihr Mann war ein…“, begann Dean und erntete von Mary ein angedeutetes Nicken.

„Er brachte mir bei, wie man die großen Geister beschwört. Sie sind helfende Wesen, die nicht zerstören. Ich hielt die Geschehnisse für Zufälle, bis sie beide hier auftauchten.“

Langsam ergab alles einen Sinn. Es war traurig zu erfahren, was den Grund für die Beschwörung war, doch Dean konnte es verstehen und seltsamerweise kam ihm die Alte nun gar nicht mehr so unsympathisch vor. Sie hatte in den vergangenen Minuten ihr wahres Gesicht gezeigt und wirkte beinahe erleichtert darüber.

„Sie halten alles Übel von der Pension fern, alles, was dem Haus und ihnen schaden könnte“, gab Sam zu bedenken. „Im Grunde tun sie das, wofür sie gerufen wurden.“

„Das ist lächerlich!“ Evelyne mischte sich ein. „Jack hat weder Mary noch dem Haus etwas getan!“

Das stimmte. Alle schwiegen und dachten nach.

„Er wollte hier weg, oder?“ fragte Dean plötzlich und untermauerte seine Erkenntnis mit einer seiner typischen Blitzmerker-Gesten. „Er hat sich Arbeit mit hierher gebracht. Ihm war der Urlaub nicht so wichtig und offensichtlich gefiel es ihm nicht. Wir hörten gestern Abend durch Zufall, dass er wieder weg wollte. Wenn er das erzählt hätte wäre der Ruf der Pension wieder in Unehre geraten.“ Es klang reichlich theatralisch, wie Dean das sagte, aber grob ausgedrückt waren es genau die Gedanken, die auch Sam durch den Kopf gingen.

„Er würde nie…“, begann Evelyne, doch unterbrach sich selbst. Ihr offener Satz gab Grund zu der Annahme, dass er das doch tun würde. „Oh, mein Gott!“

„Dann bist du wohl auch ein potentiell gefährlicher Gast“, bemerkte Sam trocken und sah seinen Bruder an.

Mary und Evelyne blickten gleichsam irritiert wie entsetzt auf den nervös lächelnden Dean, der sich ein weiteres Hörnchen aus dem Brotkorb angelte.

„Ach, jetzt hör aber auf. So ein Quatsch!“

„Sie haben auch geträumt?“ fragte Mary. „Sie hatten auch eine Vision?“

„Wieso haben sie das nicht gesagt?“ Empört darüber meldete sich nun auch Evelyne zu Wort.

„Das ist nichts, worüber man sich den Kopf zerbrechen sollte.“ Schwacher Spruch, das merkte Dean in dem Moment, als die Worte seinen Mund verließen. Natürlich sollte er darüber nachdenken und jetzt mehr denn je, denn wie es schien hatte Mary die Kontrolle über ihre gerufenen Geister verloren.

„Was machen wir nur?“ Evelyne wirkte sichtlich überfordert.

„Keine Ahnung.“ Sam warf seinem Bruder einen finsteren Blick zu. Es war alles andere als der passende Moment um zuversichtliche Stimmung zu verbreiten, aber so negativ konnte selbst Dean nicht an die Sache rangehen.

„Wir könnten die Geister vielleicht besänftigen indem wir den Grund ihres Handelns aufheben“, meinte Sam, aber der Vorschlag schien bei Mary Missfallen zu verursachen, denn das würde bedeuten das Haus zu zerstören.

„Kein guter Plan“, meinte Dean anstelle Marys. „Ich würde erstmal herausfinden wollen, warum die Geister dieses Hauses mich als Bedrohung ansehen. Es muss doch Gründe haben, weshalb sie so aggressiv vorgehen. Vielleicht bringt uns das ja dahin, herauszufinden, wie wir die Geister besänftigen können.“

„Es ist ihre herabschätzende Art“, meinte Mary plötzlich und sah ihn unverhohlen an.

„Meine was?“

„Sie wollten schon seit der ersten Minute im Haus wieder hier weg.“

„Na, woran das wohl gelegen hat?!“ Dean war deutlich anzusehen, dass er Mary dafür Mitschuld zuwies.

Die ganze Situation wirkte angespannt und wenig produktiv, weshalb sich nun wieder Sam einmischte, der als der Besonnenere der Winchesters galt und einen kühlen Kopf bewahrte.

„Mal langsam ihr beiden. Es ist ja offensichtlich, dass ihr euch nicht leiden könnt“, meinte er beruhigend und schaute beide mit seinem ich-durchschaue-euch-Blick an. „Aber wir kommen nicht weiter, wenn wir uns jetzt gegenseitig den Kopf waschen. Deans Vorschlag klingt gar nicht so schlecht. Wenn wir wissen, aus welchem Grund die Geister ihre Gäste heimsuchen, dann können wir diesen Fluch“, und Sam wählte das Wort mit Bedacht, „vielleicht auch aufheben, bevor Dean das Zeitliche segnet!“

„Amen, Bruder!“ Dean grinste und lehnte sich zurück.

16 (no bravery)

Im Grunde war es Dean egal, was sie taten, nur mussten sie es schnell tun, denn irgendwie kroch die Kälte spürbar und immer intensiver in seinen Körper.

Nach dem gemeinsamen Frühstück hatte Mary den Brüdern die Aufzeichnungen und persönlichen Dinge ihres Mannes gezeigt, während Evelyne ihre Tasche packte und sich reisefertig machte. Es war keine überstürzte Reaktion aufgrund des Todes von Jack, denn auch ohne diese Tatsache wären beide am Mittag abgereist. Sie nahm sich Zeit ihre Kleidung und die Unterlagen ihres Fast-Ehemannes zusammenzulegen. Immer wieder glitt ihr Blick zum Doppelbett zurück.

Es klang so unfassbar, doch vor weniger als zehn Stunden hatte sie noch mit Jack darin gelegen und über ihre gemeinsame Zukunft philosophiert. Er hatte andere Ansichten als sie. Eigentlich waren sie grundverschieden, aber sie lebte schon immer nach dem Motto, dass sich Gegensätze auch anziehen und ergänzen konnten. Nach einer Weile verebbten ihre Tränen.

Sie konnte nicht böse auf Mary sein. Sie wollte es auch nicht. Sie wollte der Polizei erklären, dass es ein Unfall war. An etwas anderes wollte sie nicht glauben.

Während so jeder etwas zutun hatte und die Minuten verstrichen, meldete sich der Sheriff noch einmal und verkündete triumphierend, dass ihr spezielles Räumfahrzeug vom Militär beim Räumen der Straße um einen Meter schneller vorankam, als ein gebrauchsfertiges Schneemobil aus dem nächsten Baumarkt. Erstaunliche Erfindung!
 

Gegen elf Uhr dreißig fanden sich alle wieder im Foyer ein und rekapitulierten das Erfahrene bei einer heißen Tasse Kaffee.

Keiner von ihnen wirkte allerdings recht zufrieden mit den Recherchen und Ergebnissen, sodass sich Evelyne eine Frage nach den Fortschritten verkniff.

Sam ordnete und sortierte einige Notizzettel, während die alte Mary McBride ihm geduldig zusah und gelegentlich ihre handschriftlichen Aufzeichnungen überflog. Dean stand am Kamin und wärmte seine eiskalten Hände am Feuer. Er wirkte alles andere als ruhig und von seiner bisherigen Gelassenheit war nichts mehr zu spüren.

Evelyne musterte ihn und erkannte die Nervosität und die angespannte Haltung des Jägers, von dem sie in den vergangenen Stunden zumeist dumme Sprüche oder taktlose Bemerkungen gewohnt war. Jetzt wirkte er fahrig und unsicher.

„Hier steht nichts über Aufhebung oder Beschwörungsumkehr“, meinte schließlich Sam resignierend und lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. „In den Büchern von Marys Ehemann steht nur, wie man die Geister herbeirufen kann und selbst das klingt äußerst zweifelhaft.“

Mary lehnte sich in einem der Sessel zurück und schmunzelte.

„Finden sie Ekstase so seltsam?“ fragte sie schließlich und lächelte verschmitzt.

„Nein, das nicht, aber die Art und Weise irritiert mich.“ Sam wies auf eine Zeichnung und eine Liste an Zutaten, die man benötigte um das Gebräu für die Bewusstseinsreise herzustellen.

Die alte Frau lachte wieder. Herzlich und gar nicht bös gemeint, jedoch blieben die anderen ausdruckslos und starrten sie ohne Verständnis an.

„Es ist ein einfaches Hausrezept, nichts aufwendiges. Die meisten Gewürze und Beigaben befinden sich hier im Haus. Einiges lagert im Keller.“ Sie blickte in die Runde. „Glauben sie mir: Die Drogen, die sich einige Jugendliche heutzutage - wie sagt man -reinpfeifen sind weitaus schlimmer!“

„Haben sie noch etwas davon?“ fragte Dean und setzte sich in einen der freien Sessel. Er fror immer noch.

Sie nickte. „Etwas von dem Extrakt müsste noch in einem Regal in der Scheune stehen!“

Kaum hatte sie das gesagt, stand er auch schon wieder auf.

„Super. Dann dürfte es nicht schwer sein, die Geister noch einmal herbeizurufen.“

„Moment…“, begann Mary vorsichtig. „Das erste Mal habe ich Wochen dazu gebraucht, die richtige Menge zu ermitteln!“

Dean legte den Kopf schief und sah sie mit gerunzelter Stirn an. „Na, ganz so viel Zeit habe ich leider nicht!“

„Bei jedem Menschen wirken sich die Zutaten anders aus!“ Noch ein Argument gegen Deans Entscheidung. Diesmal kam der Protest jedoch aus Sammys Mund. Auch er war aufgestanden. „Es wäre Wahnsinn und leichtsinnig von dir, wenn du…!“

„Denkst du, das weiß ich nicht?“ Dean bleckte seinen Bruder in einer so barschen Form an, dass der Jüngere sofort verstummte und sogar sichtlich zusammenfuhr. Dermaßen gereizt hatte er Dean selten erlebt. Und einen gereizten Dean mochte er gar nicht, da er ihn nicht einschätzen konnte.

„Dean“, begann er leiser und kam einen Schritt auf ihn zu. Seine Stimme klang sanft und enthielt die Botschaft, dass sich der ältere doch wieder besinnen und zur Ruhe kommen sollte. Der aber dachte nicht daran. Die glasigen Augen Sams, die ihn zu beschwören versuchten, änderten auch nichts an seiner Entscheidung. Er machte auf dem Absatz kehrt, nahm sich mit einer lässigen Bewegung seine Jacke von der Sessellehne und stapfte Richtung Küche.

„Dean!“ Sams Stimme klang nun eindringlicher. „Verdammter Dickschädel!“ Der Angesprochene grinste etwas, denn das Fluchen stand Sam gar nicht gut.

17 (blue water)

Draußen hatte sich die Sonne wieder hinter dichten Wolken versteckt. Es schneite zwar noch nicht, aber es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis das Schneegetose wieder einsetzte.

Dean machte große Schritte um zur Scheune zu kommen, denn warten wollte er darauf nicht. Er konnte nicht mit Sicherheit sagen, was er sich von der Beschwörung der Geister erhoffte, aber alles war besser, als Däumchen zu drehen und Notizzettel zu ordnen. Außerdem schürte die Kälte in seinem Körper die Ungeduld, die unentwegt in seinem Inneren wütete und ihn zur Eile ermahnte.

Trotz dicker Jacke, die er nun endlich witterungsgerecht übergestreift hatte, schien eisiger Wind auf seinen Körper zu kriechen. Er hasste die Kälte!

Nervösen Schrittes lief er weiter. Er blickte sich dabei kaum um und fixierte das dunkelbraune Holzhaus auf dem schneebedeckten Feld. Hier und da lugte ein Nadelbaum aus der dichten Schneedecke, doch ihn interessierte nur das alte Haus. Als er um die Ecke bog, kam das Scheunentor in Sichtweite und die letzten Schritte fielen ihm nicht sonderlich schwer. Der bereits niedergetrampelte und damit geebnete Weg bot ihm festen Stand und Sicherheit. Trotzdem kam der Traum, dem er eigentlich keine ernstzunehmende Bedeutung zugemessen hatte, in greifbare Nähe.

Das empfand er als seltsam. Warum wohl, glaubte er plötzlich, dass Schnee und Kälte ein Zeichen dafür waren, dass er sterben würde?

Er lächelte verwegen: In Zeiten der Globalen Erwärmung und schwankender Heizkosten war es doch ein Unding an Unterkühlung zu sterben. Dass die statistischen Werte etwas anderes sagten, ließ er außer Acht, denn für so was war Sam zuständig. Er selbst verstand nicht viel von Zahlen.

Und bewusst hatte er dem jüngeren keine genauen Details von seinem prophetischen Traum berichtet. Umso mehr Sorgen würde er sich letztendlich machen und das konnten sie nun gar nicht gebrauchen.

Mit einer schnellen Bewegung hatte er das knarrende Tor geöffnet und trat in die alte Scheune. Wieder fiel sein Blick auf den Boden. Da waren sie noch, die nasse Fußspuren, die jetzt allerdings einen leichten Überzug besaßen. Gefroren.

„Na toll“, meinte er schließlich an sich selbst gewandt, als sein Blick weiter schweifte und das riesige Regal erblickte.

Bevor er die Küche und damit das warme Haus verließ, hatte ihm Mary beschrieben, wo er das Fläschchen mit der besonderen Mixtur finden würde, jedoch gab es in diesem Regal duzende solcher Flaschen und Döschen. Wie sollte er da die richtige finden?

„Okay, blau und transparent…“, murmelte er eifrig suchend und hob jedes der gläsernen Behältnisse an, um den Inhalt zu begutachten. Seine Hände zitterten und sein Atem gefror bei der Berührung mit der Luft. Innerlich verfluchte er sich, dass er Sams Hilfe bockig wie ein kleines Kind abgelehnt hatte und ihn stattdessen bei Mary und Evelyne hatte sitzen lassen. Es gab für ihn aber mehrere Gründe, allein hier raus zu gehen, denn eigentlich traute er der alten Frau noch immer nicht zu hundert Prozent über den Weg. Er wusste selbst nicht, warum er das so empfand, aber irgendwas an ihr störte ihn noch und sein Instinkt hatte ihn noch nie im Stich gelassen.

Seine Finger glitten währenddessen über etliche Flaschenhälse und Etiketten, blieben hier und da haften, wanderten dann aber enttäuscht weiter. Plötzlich jedoch zögerte er: blau und transparent! Transparent war eine andere Bezeichnung für durchscheinend oder durchlässig. Wie Wasser.

Blue Water.

Die Aufschrift auf der kleinen Flasche überraschte Dean nicht. Sogar in solchen Situationen beliebte Mary noch rätselhafte Beschreibungen zu geben. Diese Frau war wirklich äußerst schräg drauf.

„Das muss es wohl sein.“ Dean war skeptisch und vergewisserte sich, dass die Beschreibungen auf den anderen Flaschen belanglos waren. Er nahm die kleine Flasche an sich und wandte sich wieder zur Tür. Zu spät erkannte er, dass er auf einer der Eisschichten stand.

Noch während er sich drehte verlor er das Gleichgewicht und begann ungelenk mit den Armen zu rudern. So sehr er sich anstrengte, er fand keinen Halt mehr.

Der Boden kam auf ihn zu und empfing ihn mit schmerzhaftem Knall.

Sein Bewusstsein entglitt ihm. Schemenhaft erkannte er neben sich das zerbrochene Fläschchen. Ein seltsamer und stechender Duft kroch in seine Nase. Dann umfing ihn klaffendes Schwarz.

Es war kalt und er wurde ohnmächtig.

18 (on razor's edge)

Wir nähern uns dem Ende...*muhahaha* Keine Angst, es folgt dann eine weitere Episodenähnliche Sidestory zu SN! Hier erstmal das vorletzte Kapitel! n-joy!

Und danke an alle Favo-Listen-Einträge! Das freut mich sehr.

_____________________________________
 

Sam schaute nervös auf seine Uhr. Dann verglich er die Stellung der Zeiger mit einer großen Wanduhr, die in Marys Foyer stand. Bis auf ein oder zwei Minuten gingen sie gleich. Aber das beunruhigte ihn nicht.

Vielmehr die Tatsache, dass Dean schon seit über zwanzig Minuten in der Scheune war! Schließlich hatte er ihm selbst gesagt, dass er nach spätestens einer Viertelstunde wieder da sein wollte. Gut, Dean war nicht immer der verlässlichste, aber bei einem Auftrag und während ihm kalt war konnte Sam schon davon ausgehen, dass er zu dem stand, was er sagte.

Draußen begannen indessen einige riesige Schneeflocken vom Himmel zu schweben. Leicht und geschmeidig. Es sah romantisch aus, aber die Recherche vereinnahmte Sam.

Angespannt und zappelig wippte der jüngere Winchester mit seinem rechten Fuß und schaute noch einmal auf die handgeschriebenen Aufzeichnungen in seinem Schoß. Doch jedes Mal, wenn er zu lesen begann, schnellten seine Augen zur Wanduhr zurück.

Evelyne und Mary bemerkten die fahrigen Bewegungen und wechselten einen Blick.

„Nun gehen sie schon, verdammt!“ meinte Mary schließlich und machte eine eindeutige Kopfbewegung Richtung Scheune.

„Vielleicht ist ihr Bruder beim Suchen eingeschlafen. Ich habe schließlich viele Flaschen da draußen gelagert.“

Das ließ sich Sam nicht zweimal sagen. Dennoch zögerte er etwas und warf Evelyne einen fragenden Blick zu. Er wollte sich vergewissern, dass es ihr nichts ausmachte mit der alten Schamanin allein zu bleiben, schließlich hatte sie, wenn auch indirekt, etwas mit dem Ableben Jacks zutun.

Die junge Frau blickte ihn aus müden Augen heraus an. Sam glaubte darin einen Funken Gleichgültigkeit zu erkennen. Er nickte knapp und ging.

„Sam“, hielt ihn Mary aber noch einmal zurück. Der Angesprochene wandte den Kopf. „Die Mixtur darf nicht verschüttet werden. Passen sie darauf auf!“ Ihre Stimme klang mahnend und Sam spürte, dass es ihr Ernst war. Erneut nickte er und verließ das Foyer in Richtung Küche.
 

Mit großen Schritten, wie es auch sein Bruder Minuten zuvor getan hatte, eilte er durch den Hintereingang ins Freie und schlug den niedergetrampelten Weg zur Scheune ein. Sanft rieselte der Schnee zu Boden und setzte sich in seinen braunen Haaren fest. Gelegentlich kam auch eine Flocke auf seiner Wange zum liegen und er wischte die kalten Kristalle beiseite. Es war zwar kalt, trotz der noch immer am Himmel stehenden Sonne, jedoch schenkte er den Temperaturen weinig Aufmerksamkeit.

Seltsamerweise kam ihm während seines Weges die Frage in den Sinn, was Dean wohl geträumt hatte, als er seinen Tod vor Augen gesehen hatte. Er beschrieb ihm letztendlich nur das Okandada Wakan, das Medizinrad, aber Sam konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er von eben solchem erschlagen werden würde. Die größten Medizinräder, die in etwa das Aussehen eines Traumfängers besaßen, waren reich geschmückte Weidenringe, deren Gewicht bei weitem nicht ausreichte, um einen Menschen zu töten. Er schüttelte den Gedanken beiseite, denn es war grotesk und Zeitverschwendung darüber nachzudenken. Er sollte sich auf die Zeremonie vorbereiten und den Text aus Marys Aufzeichnungen hinterfragen.

Das Scheunentor kam indes in Sichtweite und Sam erkannte, dass es etwas offen stand. Offenbar war Dean noch darin, also hatte Mary vielleicht Recht und sein Bruder war einfach übers Suchen verzweifelt.

Sam lächelte etwas. Ihm fiel ein, wie Mary das Elixier beschrieben hatte: blau und transparent.

Das traf sicher auf einige Flüssigkeiten in einer Scheune zu, die als Abstellplatz für Autos und zur Aufbewahrung von einigen Reinigungsmitteln diente. Auch einige Likör- und Schnapsflaschen waren mit blauem Inhalt befüllt. Da kannte sich jedoch sein Bruder besser aus, denn Sams Verlangen nach Alkohol war noch nie besonders groß gewesen. Auch auf der Uni nicht, was Dean mehr als einmal kritisiert hatte.

Er rieb sich die kalten Hände und verscheuchte diesen Gedanken ebenfalls und konzentrierte sich wieder auf das hier und jetzt, denn in die Vergangenheit abzudriften führte ihn unweigerlich zu Jessica und das konnte er nun gar nicht gebrauchen.
 

„Dean?“ Das Tor kam in greifbare Nähe und er wollte nicht riskieren von Dean über den Haufen geschossen zu werden. Sam wusste, dass dieser eine Waffe im Hosenbund verstaut hatte und er glaubte die Nervosität seines Bruders auch in dessen Finger lokalisieren zu können, wenn sich ihm unbekannte Schritte von hinten näherten.

„Dean?“ Noch einmal ließ Sam seine Stimme erklingen, als keine Antwort zu hören war.

Das sah seinem Bruder nicht ähnlich. Normalerweise kam irgendeine dumme Bemerkung, aber das einzige, was Sam vernahm war der leise um die Scheune wehende Wind.

„Das ist nicht witzig, Alter. Hast du das Zeug gefunden?“ Er schob das Tor noch etwas zur Seite und betrat die Scheune.

Was er sah gefiel ihm allerdings überhaupt nicht, denn es bestätigte sein schlechtes Gefühl. Sein Bruder lag reglos auf dem eiskalten Boden und hatte die Augen geschlossen. Sein blasses Gesicht war ein ungewohnter und erschreckender Anblick und Sam spürte, wie ihn das Adrenalin in den Kopf schoss.

„Nein, Dean!“ Die Sorge um den anderen vibrierte in seiner Stimme. Mit nur einem riesigen Schritt war er neben dem Bewusstlosen, ging in die Hocke und suchte nach Deans Handgelenk.

Seinem Einsatz war es zu verdanken, dass er das Überprüfen von Vitalfunktionen und die Reanimation erst kurz zuvor bei einer Unterhaltung mit Dean zur Sprache gebracht hatte. Es war wichtig für beide nicht nur Dämonen und Monster zu töten, sondern auch über lebenserhaltende Maßnahmen Bescheid zu wissen. Dean hatte ihn noch beschmunzelt, aber jetzt…

Noch ein Schock. „Dean!“ Seine Berührung zeigte keine Reaktion.

Dean war eiskalt und sein Puls kaum noch spürbar. „Mach keinen Mist, Dean!“ Sams Stimme ging in einen besorgten und beschwörerischen Tonfall über.

Er schüttelte ihn an der Schulter und schlug ihm leicht ins Gesicht, doch der andere erwiderte nichts. Kein Wort, kein Stöhnen, nicht eine kleine Bewegung.

Verzweifelt griff Sam nach Deans Hüfte und versucht ihn hochzustemmen.

Er musste ihn aus der Kälte bringen. Zurück ins Haus!

„Du könntest mir ruhig etwas helfen, Alter!“ Sam wusste, dass Dean ihn nicht hören konnte, aber die Worte beruhigten ihn. Er musste Dean helfen. Zu seinem Glück war er nicht sehr schwer, sodass es ihm gelang ihn auf seine Schultern zu hieven.

Als Sam etwas ins Torkeln kam und sein Blick zu Boden ging erblickte er die kleine zerbrochene Flasche. „Oh…“, Sam stöhnte und griff Dean unters Gesäß als er nach hinten rutschte und ihm beinahe entglitt. „Du…Idiot! Du…hast…es…zerbrochen!“ Sams Worte stockten vor Anstrengung und er fühlte die erfrorenen Hände Deans, die er nach vorn gelegt hatte um ihn besser tragen zu können. „Mary sagte, es darf nicht zerbrechen!“ Seine Augen fühlten sich feucht an, aber Sam konnte nicht sagen, ob es vor Kälte war, oder weil ihm bewusst wurde, dass ihre einzige Chance die Geister zu besänftigen, vertan war. Nun gab es keine Möglichkeit mehr Deans Leben zu retten. Jedenfalls nicht auf diesem Weg. Er keuchte und sah prüfend über die Schulter in das leichenblasse Gesicht seines Bruders.

„Du Sturkopf! Ich werde dich nicht sterben lassen!“ Es war offensichtlich, dass er besorgt war, doch er beschloss stark zu sein. Panik half weder Dean noch ihm selbst.

Er stand auf und eilte zurück zum Haus.

19 (surrender)

Ab in die letzte Runde. Diejenigen, die sich mehr Action gewünscht haben, müssen auf die zweie Fanfiction warten und sich gedulden. Diese wird davon reichlich beinhalten. "Midwinter" hingegen endet eher ruhig, was mir persönlich aber wichtig war, schließlich handelt es sich um eine Wichtel-Fanfic. Was mit Dean passiert ist wird an späterer Stelle einmal gelüfet, solange dürft ihr Rätselraten und euch selbst etwas ausdenken. ;-)
 

__________________________________________
 

Richtige und falsche Entscheidungen waren schon immer ein Problem für Sam.

Schon seit er sich entschlossen hatte mit Dean auf die Suche nach ihrem Vater zu gehen, hinterfragte er sein Handeln auf Alternativen. Was wäre wohl passiert, wenn er damals nicht zu seinem Bruder gegangen wäre. Wenn Dean nicht bei ihm aufgetaucht wäre. Hätte er Jessicas Tod vielleicht irgendwie verhindern können? Nein, sicherlich nicht.

Aber hätte er ihn allein gerächt, ohne die Hilfe seines Bruders und Vaters anzunehmen? Oder wäre sein Leben weiter in geregelten Bahnen verlaufen und würde er jetzt noch an der Uni studieren?

Was würde Dean machen? Da sie eigentlich grundverschieden waren, würde ihr Verhältnis zueinander genauso innig sein, wie es das heute war?

War Jessicas Tod vielleicht der Preis dafür? Und welche Rolle spielte ihr Vater dabei? Vielmehr sein Tod, für den sich Dean verantwortlich fühlte.

So viele Fragen ohne Antworten quälten ihn. Sinnlose Fragen, die Sam nicht in Ruhe ließen und um den Schlaf brachten. Schlaf, den er dringend brauchte und den sein Körper spürbar einforderte. Leider waren sein Körper und sein Geist in diesem Punkt aber uneins.

Genauso erging es Dean, der ruhig atmend neben ihn lag und an einige elektrische Geräte angeschlossen war. Das monotone Piepen und Zischen gab Sam die Sicherheit, dass der Ältere noch lebte. Das leichte Heben und Senken des Brustkorbes und die zurückgekehrte Gesichtsfarbe beruhigten ihn zusätzlich und er schloss seine schmerzenden Augen.

Er wusste, dass Dean Krankenhäuser hasste, aber im Moment war Sam egal, was dieser denken würde, denn sein Leben hing noch vor wenigen Stunden am seidenen Faden.

Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Nach seiner Verabschiedung von Evelyne und der Aufnahme der Zeugenaussage bei der Polizei war die Zeit im Nu verstrichen. Es musste schon weit nach sechs Uhr sein.

Erinnerungen zogen an Sams innerem Auge vorbei. Zu ihrer beider Glück erreichte die Polizei in dem Moment die eingeschneite Pension, als er mit dem halberfrorenen Dean zurück in die Küche gestürmt kam. Das Räumfahrzeug bot die Möglichkeit den in Lebensgefahr schwebenden Mann in das nächstgelegene Krankenhaus zu bringen. Was also hätte Sam machen sollen?

Das Risiko eines Kälteschocks war zu groß gewesen, Dean brauchte ärztliche Hilfe und zumindest eine Weile konnte Sam die Polizei mit ihrem Decknamen in die Irre führen.

Eine kalkulierbare Gefahr, wie Dean sagen würde.

Als er seine Augen wieder öffnete blickten ihn die grau-grünen Augen seines Bruders an, der versuchte ein Lächeln aufzulegen und sich ein mattes „Hey!“ abquälte.

„Hey“, erwiderte Sam erleichtert und vollkommen erschöpft. Als sich Dean etwas bewegte, aber jeder Knochen in seinem Körper zu schmerzen begann, kam Sam näher an das Bett heran und legte Dean eine Hand auf die Stirn.

„Was…ist passiert?“ wollte er mit leiser Stimme wissen und sah seinen Bruder aus kraftlosen Augen an. Sam lächelte. Das unerklärliche Fieber war gesunken. Fieber, das in keinerlei Zusammenhang mit einer Unterkühlung stand. Er und Mary hatten eisern geschwiegen, als man sie deswegen im Krankenhaus befragt hatte. Es blieb unter ihnen. „Du warst bewusstlos und wir haben dich ins Krankenhaus gebracht.“

Dean lächelte zurück.

„Ich hasse Krankenhäuser!“ raunte er trocken und zeigte sein spitzbübisches Grinsen, das Sam vollends beruhigte.

„Ich weiß“, entgegnete er und lächelte kurz. „Ich werde die Schwester holen.“ Der jüngere löste sich vom Bett und zeigte Richtung Tür.

„Bin gleich wieder da, renn ja nicht weg!“

Dean grinste wieder. „Ja ja, Dr. Collegeboy! Aber hol’ ne hübsche Blondine.“

„Die haben schon Feierabend“, entgegnete Sam sarkastisch und verließ das Zimmer.

„Argh, verdammt!“ Dean hatte noch Schmerzen, aber sein Humor war ein sicheres Zeichen, dass es ihm besser ging.
 

Während sich der Ältere in die Höhe stemmte, inspizierte er sporadisch das Zimmer. Es wirkte wie alle anderen Krankenzimmer in denen er je war: trist und wenig einladend. Ein einziges abstraktes Bild hing an der kahlen, weißen Wand. Gardinen gab es gar keine. Er hasste Krankenhäuser nicht umsonst, denn irgendwie verband er diese Orte nicht nur mit Schmerzen und dem Tod ihres Vaters, sondern auch mit Leid und Unbehagen.

Leichenhallen dagegen waren für ihn beruhigende Orte, was seltsam und skurril erschien. Er würde Sam nie erklären können, warum das so war, aber sollte er tatsächlich einmal sterben, wünschte er sich einen Transport zur nächsten Leichenhalle. Auf den Zwischenstopp in der Kühlkammer eines Krankenhauses konnte er gerne verzichten.

Als Deans Augen durch den spärlich eingerichteten Raum schweiften und seine trübseligen Gedanken allmählich verstummten, erschien plötzlich eine ihm vertraute Gestalt im Türrahmen. Mary.

Dean blickte sie unschlüssig an, doch die alte Frau lächelte nur mild. Ein freundliches Lächeln, warm und zufrieden. „Das haben sie gut gemacht, Greenhorn!“ meinte sie kokett. Er runzelte irritiert die Stirn.

„Das verstehe…“, begann er, aber sie schüttelte nur mit dem Kopf und unterbrach ihn.

„Sie werden es noch verstehen, Dean Winchester, später einmal!“ Sie klang erleichtert und gab ihm ein unmissverständliches Zeichen zum Abschied. Er hob ebenfalls die Hand, aber es wirkte mehr ferngesteuert. Als Mary schon wieder kehrt machte und gehen wollte, drehte sie sich noch einmal zu ihm. „Sie haben einen wirklich fabelhaften Bruder.“

Er musste schmunzeln. „Den Perfekten!“ bekräftigte er.
 

Einige Minuten nachdem Mary gegangen war kehrte Sam zurück, allerdings ohne Schwester und mit Deans Klamotten unter dem Arm.

„Wir müssen gehen! Die Polizei hat unsere Steckbriefe bekommen.“

Dean ließ sich genervt ins weiche Kissen sinken. Er ahnte schon so was. Ruhe gönnte man ihm schließlich noch nie wirklich, nicht bei der Jagd und nicht auf der Flucht!

Mit dem letzten bisschen Würde, das er noch finden konnte, streifte er sich ohne Sams Hilfe seine Sachen über und folgte seinem perfekten Bruder, der sie beide unbemerkt und schnell zu ihrem Chevy brachte. Als Sam den Wagen startete und auf die nächste Bundesstraße gen Süden fuhr, kuschelte sich Dean neben ihm in eine warme Decke und schloss die noch immer erschöpften Augen.

Sein Körper kam zur Ruhe. Und im rhythmischen Motorgeräusch des Impalas hörte er unerwartet die Worte Marys in seinem Kopf widerhallen.

Was hatte er gut gemacht?

Er konnte sich nicht entsinnen etwas anderes getan zu haben, als seine Chance auf Rettung zu zerbrechen. Der Fluch kam ihm wieder in den Sinn. Aber tot war er offensichtlich nicht, also musste etwas geschehen sein. Nur was? Es war zum verzweifeln.

„Was ist da eigentlich passiert, Dean?“ fragte Sam plötzlich, als könnte er seine Gedanken lesen.

Dean öffnete leicht seine Augen und blickte auf die nächtliche Straße. Es schneite gerade wieder und die Flocken fielen im Scheinwerferlicht auf die Windschutzscheibe, nur um wenige Sekunden danach zu schmelzen und vom Scheibenwischer verscheucht zu werden.

„Ich habe Mary vorhin noch einmal getroffen und sie meinte, dass nun alles wieder okay sei.“ Sam blickte Dean von der Seite forschend an. „Was meinte sie damit? Hast du den Fluch aufgehoben? Hast du mit den Geistern gesprochen?“

Dean schwieg und starrte einfach nur geradeaus.

Geister…

Der neblige Schleier in seinem Kopf lockerte sich. Irgendetwas in ihm wollte sich erinnern, an etwas oder jemanden, aber er konnte den Gedanken, die Erinnerung, nicht fassen. Sie entglitten ihm. Dann hörte er erneut Marys seltsame Worte.

Sie werden es noch verstehen, Dean Winchester, später einmal!

Er nahm die alte Lady beim Wort und musste lächeln.

„Ich habe keine Ahnung, Sammy!“ gab er schließlich zu und schloss wieder seine Augen. Sam musterte ihn skeptisch.

„Wichtig ist doch, dass ich nicht in das große, weiße Licht gegangen bin.“ Damit war die Unterhaltung für ihn beendet und der verdiente und garantiert Alptraumfreie Schlaf empfing ihn. Ein Traum inmitten eines winterlichen Schneetreibens.

Wenn er aufwachen würde, wären sie schon im Süden. Im warmen Süden. Weit weg von geheimnisvollen Geistern…
 

Ende
 

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Wusstet ihr,…
 

… dass die meisten Kapitelnamen auf Songs zurückzuführen sind? „You can’t always get what you want“ beispielsweise ist ein bekannter Song der Rolling Stones, der u.a. auch in der TV-Serie „Dr. House“ zu einem leitenden Thema wurde.
 

… dass „Blue Water“ der magische Stein und Schatz des Mädchens Nadia aus der Animeserie „Die Macht des Zaubersteins“hieß? Die Serie ist eine meiner Lieblingsserien, weshalb ich den Injoke einbaute.
 

… dass die Fan Fiction nicht nur Sandy25 gewidmet, sondern sie gleichzeitig beta-Leserin war? Vielen Dank, Schnegge! Hast du fein gemacht. ;-)
 

… dass ich und Sandy25 bereits an einer weiteren Fanfic zu SN sitzen, die nach der Messe in Leipzig online geht? Eine erste Leseprobe erhaltet ihr hier im Anschluss.

Leseprobe

Hier nun die versprochene Leseprobe der neuen Fanfiction, die diesmal nicht in kalten Gefilden, sondern an "heißen" Orten spielt. Wie "heiß" es für die beiden Brüder wird erfahrt ihr dann ab Ende März auf Animexx...
 

Vorweg: Während "Midwinter" in der zweiten Staffel angesiedelt war, beschäftigt sich die neue Fanfic, deren genauer Titel bis dato noch nicht feststeht, mit dem Inhalt der dritten Season. Viel Spaß beim Lesen!

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Eigentlich konnte sich Dean Winchester nicht beklagen.

Er lehnte sich genüsslich auf der Sonnenliege zurück, schob die Brille tiefer ins Gesicht und schweifte mit breitem Grinsen über das üppige Angebot an jungfräulichen Reizen. Der Strand war voll davon. Kurze Bikinis, elegant ausgesparte Modelle, oben ohne – oh ja, das Leben war schön!

Von Trübsinn schien keine Spur. Sicher, er hatte nur noch ein knappes Jahr zu leben bis sich die Hölle auftun und ihn verschlingen würde, aber momentan genoss er die herrlichsten Tage in seinem Leben. Mit dem Wissen, dies bald nicht mehr tun zu können kam der Wunsch die wenige noch bleibende Zeit zu nutzen. Nein, sie vielmehr mit jeder Faser seines Körpers zu spüren.

Obendrein waren diese Tage die ersten wirklich freien seit Beginn seiner Jägertätigkeit. Er hatte sich nie beklagt keinen Urlaub zu haben, er brauchte schließlich auch keinen, aber jetzt da er langsam des Jagens überdrüssig und müde wurde erkannte er, dass „Urlaub“ nicht unbedingt nur ein leeres Wort war, das an Tage freien Waltens geknüpft war. Es war die Gewissheit neben der Arbeit auch noch ein Leben zu haben, zu existieren und auch mal nur für sich da zu sein.

Er mochte das Wort plötzlich und spielte sogar mit dem Gedanken den „Urlaub“ noch ein Weilchen auszudehnen. Wer weiß, vielleicht konnte er den Kreuzungsdämon sogar dazu bringen mit ihm gemeinsam einen Drink an der schicken Cocktailbar zutrinken, bevor sie ihn mitnahm.

„Dean?“ Der Angesprochene hob leicht den Kopf und erkannte seinen Bruder. Sam hatte ein weißes, leicht durchscheinendes Leinenhemd zu einer blassblauen Jeans angezogen und nahm auf einer freien Liege Platz. Während Dean die Ruhe selbst war und sichtlichen Spaß daran hatte die Zeit mit Nichtstun zu vergeuden, wirkte Sam angespannt und sprichwörtlich „auf dem Sprung“.

„Bobby hat gerade angerufen und gesagt, dass er uns etwas schickt.“

„Aha“, meinte der ältere der Winchesters trocken und stemmte sich etwas in die Senkrechte um Sam besser sehen zu können.

„Und was?“ Eigentlich wollte es Dean nicht wissen, aber er stellte trotzdem die rhetorisch gemeinte Frage, die Interesse vorheucheln sollte.

„Ein Reisetagebuch aus Mexiko. Er hat es von einer befreundeten Wissenschaftlerin bekommen.“

„Und was erwartet er von uns?“ Dean legte irritiert den Kopf auf die Seite und lächelte plötzlich. Sam sah ihn verunsichert an, da er nicht wusste, worauf der andere hinauswollte, doch dann erkannte er, dass das Lächeln nicht ihm galt, sondern einer äußerst spärlich bekleideten Person hinter ihm. Die Blondine reichte Dean seinen bestellten Drink mit Schirmchen und lehnte sich weit vorn über, sodass Dean sein Trinkgeld hervorragend Richtung Dekolleté reichen konnte. Mit einem breiten Grinsen und einem mädchenhaften „Dankeschön“ verließ die Kellnerin die beiden wieder.

Sam folgte dem Blick Deans, der sich noch lange an den Meterlangen Beinen der Grazie festsaugte.

„Deine Sorgen will ich haben, Alter!“ meinte er schließlich und schüttelte verständnislos den Kopf.

„Was denn? Das Leben ist zu kurz, um nicht ausgekostet zu werden.“

„Das meine ich nicht! Wenn du so weitermachst, wirst du Pool-Verbot bekommen. Der Gorilla am Tresen wirft schon seit gestern verächtliche Blicke in deine Richtung. Ich glaube, er hält dich für einen Gigolo oder Casanova.“

Dean grinste und wedelte mit seiner Hand, als wolle er Fliegen verscheuchen. „So ein Unsinn! Die Frauen stehen nun mal auf mich. Das ist wie ein Fluch.“

Sam entgegnete darauf nichts mehr. Stattdessen knüpfte er an das vorherige und in seinen Augen wertvollere Gedankengut an.

„Wo wir von Flüchen sprechen. Bobby meinte, dass das Buch womöglich der Grund für das Verschwinden seiner Freundin ist.“

Er erntete nun einen verständnislosen Blick Deans. Seit wann untersuchten die beiden Vermisstenfälle? Als würde Sam den Einwand in Deans Gesichtsausdruck lesen können fügte er hinzu: „Bobby glaubt, dass seine Freundin einem mächtigen Zauber zum Opfer gefallen ist.“

„Einem mächtigen Zauber?“ Sichtliches Missfallen.

„Etwas Altes. Wahrscheinlich mexikanischen Ursprungs.“

Er gestand, dass er sich in diesem Bereich noch nicht gut auskannte und beließ es dabei. Deans Reaktion drückte ähnliches aus. Er zuckte nur mit den Schultern und schlürfte seinen Drink. Dieser schmeckte süß und machte Lust auf mehr, sodass es nicht lange dauerte, bis er einen neuen bestellte. Natürlich kam erneut die blonde Kellnerin und natürlich kosteten beide einen langen und intensiven Blickkontakt aus, während Sam schon wieder ins Hotel verschwand und mit Hilfe seines Notebooks mexikanische Flüche abcheckte.
 

(tbc)



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Kommentare zu dieser Fanfic (21)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-03-09T21:11:32+00:00 09.03.2009 22:11
Mexikanische Flüche?
Hört sich interessant an...
ich freu mich auf die zweite ff^^
Von: abgemeldet
2009-03-09T21:08:46+00:00 09.03.2009 22:08
Ich auch...
obwohl ich zugeben muss, das ich mir das Kapitel GANZ anders vorgestellt habe....
Naja ich werd mal in der leseprobe rumschnüffeln!^^
Von:  Sneaky
2009-03-06T17:29:53+00:00 06.03.2009 18:29
Ich würde sehr gerne noch mehr von dieser FF lesen *schnief* Schade, dass sie schon fertig ist.
Von: abgemeldet
2009-03-03T16:33:15+00:00 03.03.2009 17:33
Bitte schnellstens weiter machen. Warte verzweifelt darauf wies es weiter geht!!! Also beile dich bitte mit dem nächsten Teil.
Von: abgemeldet
2009-02-22T18:37:20+00:00 22.02.2009 19:37
Wieter so :D:D:D her mit action :D:D:D
Von: abgemeldet
2009-02-22T18:31:34+00:00 22.02.2009 19:31
meine fresse jetzt wird es spannend :S
Von: abgemeldet
2009-02-19T22:11:33+00:00 19.02.2009 23:11
Hui!^^
Ich hatte richtig Hrzklopfen!^^
Wenn ich so darüber nachdenke bekomme ich nur bei sehr wenigen Ffs Herklopfen...
Hm....
Ach was solls!
Freu mich schon auf das nächste Kapitel!^^
Und endlich ist mal was passiert!^^
(Nicht falsch verstehen!^^
Bis zu nächsten mal!^^
Von: abgemeldet
2009-02-18T18:12:41+00:00 18.02.2009 19:12
Ui!^^
Endlich!^^
Ich hoffe es dauert schöööööööön lange( naja er soll ja net ganz erfrieren^^)bis Sam ihn findet... naja er weiß ja wo Dean ist...

Mich hat es etwas Überrascht die Worte "globale Erderwärmung" und ähm... wie war das noch gleich? Ach ja "schwankender Heizkosten" zu lesen... das hab ich echt nicht erwartet...^^
Sag mir bitte wieder bescheid wenns weitergeht!^^

Lg Bloody-Marry
Von:  Silly-Sama
2009-02-12T21:04:55+00:00 12.02.2009 22:04
@ Bloody-Marry: Du hast schon recht, die Kapis sind recht kurz, das fällt mir auch erst auf, wenn sie online sind <-- im Word zähle ich meine Wärter selten. ;_;
Das sind auch Dinge, an denen ich noch arbeiten muss. Mit Ausformulieren wird das wohl nicht viel zutun haben, mit Inhalt eher mehr. Das sind aber alles Dinge, die ich dann in der nächsten Story umsetzen/berücksichtigen werde.

LG und danke für deine (versteckte) Kritik! ;-)
Von: abgemeldet
2009-02-12T17:43:21+00:00 12.02.2009 18:43
ich hoffe so langsam passiert endlich was...
Irgendwie spannst du mich auf die Folter und das mag ich nicht...^^
Bin viel zu nervös...
Bin gespannt aufs nächste Kapi^^

sag mir bitte wieder Bescheid!^^

P.S: Dein Schreibstil find ich immer besser auch wenn er sich nicht sonderlich verändert... ich glaub den solltest du mal so lassen!
Aber ich finde die Kapi sind etwas kurz... ach eigentlich ist das net schlimm...
(Ich fang an mist zu schreiben ich glaub ich hör hier auf...)^^

Lg Bloody-Marry^^


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