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Falkenflug

Eine spirituelle Begegnung
von

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In die Freiheit

Niemand sah das rothaarige Mädchen, das auf seinem Fahrrad in einen einsamen Kiesweg einbog und zwischen den Wiesen verschwand. Bei dem kleinen Hochsitz am Rand des Weges stellte sie das Fahrrad ab und ging zu Fuß weiter. Die Sonne brannte unangenehm herab, noch stand sie im Zenit und das Mädchen bereute es, nicht früher losgegangen zu sein.
 

Ein seltsames Gefühl riss sie aus den Gedanken. Links von ihr war eine Stelle im dichten Unterholz, die eine unglaubliche Anziehungskraft auf sie ausübte. Sie entspannte den Blick und überließ es ihrer Intuition, einen Weg ins Innere des Waldes zu finden. Als sie die Grenze zwischen Wald und Wiese durchbrach, erinnerte sie sich daran, das sie eigentlich vorgehabt hatte, dem Hauptweg zu folgen, der nur hundert Meter weiter von dem mit Kies bestreuten Weg in den Wald hinein führte.

Doch der Gedanke verschwand ebenso schnell wie er gekommen war. Mit wachem Blick musterte sie die fremde Umgebung und folgte ihrer Intuition, die wie gewohnt all die unsichtbaren Wege ausmachte, die mit den Augen nicht zu erkennen waren. Ein völlig neuer Ort. Der Hauptweg endete nach etwa 30 Metern. Es gab keine weiteren Wege. Absolut perfekt, wenn man sicher sein wollte keine Menschen zu treffen. Daran das dies auch durchaus eine verhängnisvolle Tatsache war, dachte sie an diesem Zeitpunkt noch nicht.
 

Begeisterung drang in ihrer Seele an die Oberfläche, Freiheit, Wildheit. Die Energie brach aus ihr heraus- als sie losrannte um mit den Tieren des Waldes zu laufen, dehnte ihre Seele sich aus und begann zu fliegen…

Déjà-vu?

Und dann spürte sie wie sich die Atmospäre um sie herum veränderte. Längst mussten Stunden vergangen sein. Sie hatte nicht nachgedacht. Sie hatte auf dem Boden gelegen, den Körper in die weiche Erde und auf das knisternde Laub gedrückt und geschlafen. Sie hatte Fuchsbauten entdeckt, atemlos stillgestanden um Kaninchen, nur eine handbreit neben sich, nicht zu verscheuchen, war Hänge hinauf und herunter geklettert hatte getanzt, gesungen und geträumt. Zeit und Raum waren unwichtig geworden. Und dann blieb sie stehen. Etwas befremdet sah sie sich um. Um sie her erstreckte sich der Wald. Ja, sie war in den Wald gegangen. Was hatte sie in den letzten Minuten gedacht und getan? Sie wusste es nicht. Und vor ein paar Stunden? Das war schon einfacher. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie die Grenze des Waldes übertreten hatte. Doch hier begannen die Lücken- und dann hörten ihre Erinnerungen ganz auf. Ein seltsames Gefühl beschlich sie. Nicht schon wieder, flüsterte etwas in ihr.
 

Vor einem Jahr hatte sie in einem Waldstück etwas Ähnliches erlebt. Es war der Ort den sie kannte, jedes Blatt, jeden Baum, jeden Stein. Es war kein großer Wald, nicht groß genug um sich zu verlaufen, falls man entweder auf den Wegen blieb oder wusste wo man hinwollte. Da die Gegend sehr bergig war konnte jeder der es wollte das Waldstück ganz einfach in Anhöhen unterteilen, überwiegend ging es ganz einfach hoch und runter, in den Senken gluckerten Bachläufe. Sie war die Senke hinunter gegangen und an der anderen Seite wieder hinauf, immer in die gleiche Richtung. Sie wusste was sie oben erwartete: der Waldrand, ein Sandweg und eine grobe Holzbank. Als sie oben ankam war das erste was ihr auffiel die unbestreitbare Tatsache, das sie dort stand wo sie eigentlich aufgebrochen war. Ebenso unbestreitbar stand fest, dass das eigentlich nicht möglich war. Der einzige Weg zurück führte unweigerlich wieder die Senke hinunter und hinauf. Warum in aller Welt war sie dann an dem Hang wieder hochgekommen, den sie runter gegangen war? Während sie angestrengt nachdachte fiel ihr auf, das sie zwar wusste dass sie den Wald betreten und auch das sie die senke durchquert hatte. Doch ansonsten war da nichts. Nur eine seltsame Leere. Dann fiel ihr Blick auf die Uhr und lähmende Schwere breitete sich in ihr aus. Was auch immer sie erlebt hatte, es hatte zwei Stunden gedauert. Der Weg, zumindest den welcher sie normalerweise erwartete dauerte höchstens 30 Minuten. Zeit und Raum hatten ihr damals einen Streich gespielt und sie hatte nie herausgefunden warum…

Durch Zeit und Raum

Während sie daran zurückdachte, wie sie in den nächsten Tagen die gleiche Streckte dutzende Male gegangen war, den Wald nach einer natürlichen Erklärung durchforstet hatte, begannen ihre Gedanken sich im Kreis zu drehen. Damals wie heute hatte sich eine gewisse Zeit aus ihrer Erinnerung geschlichen. Nur hatte sie damals eine Uhr gehabt um es ihrer Vernunft zu beweisen. Und jetzt? Waren die Ereignisse miteinander vergleichbar?
 

"Es gibt noch einen Unterschied", erinnerte sie eine aufmerksame Stimme im Hinterkopf. "Damals dachtest du die Gegend zu kennen und es traf bis auf einige Ungereimtheiten auch ja zu. Es mag etwas passiert sein an das du dich nicht mehr erinnern solltest oder kannst. Du hast etwas erlebt und bist den Rückweg angetreten. Doch diesmal sind wir in einem fremden Gebiet. Mit etwas Pech gibt es hier keinen Rückweg!"
 

Sie schickte einen Gedanken zurück zu der Stimme der Vernunft, an die sie längst gewöhnt war. Sie war nur eine von vielen. Intuition, Vernunft, ihr Ego, alles Stimmen in ihrem Inneren, mit denen sie Gespräche führte, Von außen betrachtet hätte man dass wohl Selbstgespräche betrachtet.
 

"Du denkst an eine Raum-zeit Störung oder? Eine Schleifenfunktion, die dazu führt das Raum und Zeit in einem Gebiet sich ständig ändern. Da die Umgebung nicht gleich bleibt, gibt es nie einen definitiven Rückweg. Ist das nicht etwas übertrieben?"
 

Sie stockte. Dann wanderte ihr Blick die Baumkronen hinauf. Durch einige Stellen drang Licht. Sie wusste es bereits noch bevor sie die kleine Lichtung betreten hatte. Die Sonne! Sie hatte sich nicht bewegt, sondern verharrte regungslos im Zenit. "Das kann nicht sein", flüsterte eine panische Stimme in ihr. Dann rannte sie los während ihre Vernunft weitere Informationen und Thesen aneinander reihte. Das war ebenso unmöglich wie das vor einem Jahr! Es mochte ja angehen, das sie nicht mitbekomme hatte, das wenig Zeit vergangen war, aber etwas Zeit muss es sein, zumindest so viel das die Sonne weiter wanderte. Weder Sonne noch Zeit blieben einfach so stehen!
 

Sie blieb keuchend stehen. Egal was logisch war und was nicht, es war nicht von der Hand zu weisen. Wenn es einen Ort gab, in dem Zeit und Raum verrückt spielten, konnte mit den üblichen Sinnen nichts ausrichten. Aber es musste doch möglich sein, dieses Gebiet zu verlassen!Das Problem: Sie befand sich in einem Wald- und sie hatte sich verlaufen!

Die Prüfung des Falken

Sie wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, seit sie sich auf die Suche gemacht hatte. Auf einer Hügelkuppe hatte sie nach einer Möglichkeit gesucht, das Gelände zu überblicken, doch die Bäume waren zu hoch. Ach gab es keinen Weg, zu der umzäunten Wiese.

Damit schwand ihre Hoffung doch einen Weg zu finden, auf dem Menschen ein und ausgingen. Da sie sich auf der offenen Wiese nicht wohl fühlte hatte sie den Schutz des Abhanges gesucht und ihr Seelentier zur Hilfe gerufen. Die Wölfin hatte sie ein paar Schritte durch den Wald geführt, hier und da geschnuppert und war dann stehen geblieben. „Was ist?“ Die Wölfin hob den Kopf und ließ die goldgelben Augen auf dem Mädchen ruhen.

Dieses Gebiet gehört einem anderen. Du bist seinem Ruf gefolgt und nun ist es zu spät. Ich darf dir hier nicht mehr helfen. Um sein Revier befindet sich eine magische Grenze, die du überquert hast. Du musst sie finden und verlassen. Wir sind nicht mehr in der Welt die du kennst. Wenn du jetzt nicht gehen kannst, dann gehst du niemals.

Dann war sie weg und das Mädchen wusste, das es nichts nutzen würde, sie erneut zu rufen. Sie ließ sich gegen einen Baumstamm fallen und glitt daran hinunter. Sie war allein.

Tränen stiegen im ihre Augen und sie versuchte krampfhaft die Panik in die in ihr aufstieg zu unterdrücken. Ihr Herz raste.

Eine Prüfung also, na schön. Und von wem? Ich bin in das gebiet eines anderen eingedrungen, auf seine Einladung hin. Das war das Gefühl das mich ins Unterholz geführt hat, statt auf den Weg. Es wäre aber hilfreicher wenn er mir gesagt hätte warum.

Das wissen wir aber, erwiderte die Vernunft im gleichen Augenblick. Wegen einer Prüfung. Na toll, meckerte eine nervende Stimme in ihrem Kopf. Das bringt uns aber nicht weiter. Hast du mal darüber nach darüber nachgedacht, was passiert wenn die zeit beschließt das es nicht Mittag ist sondern einfach mal Nacht? Leicht bekleidet in der Kälte und niemand weiß wo wir sind, und wie willst du in absoluter Dunkelheit und Nebel den Weg finden, wenn man durch die Baumkronen nicht einmal den Mond sieht? Und niemand weiß wo wir sind! Hast du daran schon gedacht?!

Wunderbar, spottete eine andere Stimme, das Ego hat Angst um seine Existenz. Du bist immer wieder Abwechslungsreich! Sehr witzig, giftete die Stimme des Egos zurück. Was ist denn mit dir „Intuition“? Du hast uns schließlich in diesen Schlamassel reingeführt! Hat sie nicht, unterbrach die Vernunft. Das Selbst ist Schuld. Rein theoretisch ist nämlich die Seele dieser Einladung gefolgt. Das Selbst ist selbst ist schuld, kicherte die Stimme eines Kindes.

Könntet ihr jetzt vielleicht mal die Klappe halten?! dachte das Mädchen und schluckte die Tränen hinunter. Für eure Streitereien habe ich jetzt nämlich keine Zeit.

Aber eigentlich haben sie Recht, dachte sie. Die Seele war dem Ruf gefolgt. Ich, dachte sie, nur ich. Mein Selbst. Um etwas zu lernen. Es ist also richtig, das ich hier bin. Ich bin mit allem verbunden. In so einer Welt kann mir nichts passieren, ganz egal was verrückt spielt und was nicht. Ich bin nicht allein. Ich bin es niemals gewesen.

Sie stand auf. Ihr Atem ging ruhig. Sie holt tief Luft.

„Was auch immer lernen soll, ich bin jetzt bereit dazu.“ rief sie. „Ich werde mich nicht länger gegen dich versperren. Ich weiß das du mir nichts tun wirst.“

Sie lächelte und spürte wie die Zuversicht und die Energie wieder in ihren Körper zurückkehrte.

Für einen Moment dachte sie an die Karte des gehängten.

Ich kann nicht steuern was passiert. Aber das muss ich auch nicht, dachte sie und breitete die Arme aus. „Hier bin ich, hörst du? Ich ergebe mich!“

In diesem Augenblick ertönte in dem Baum über ihr ein durchdringender Schrei. Etwas landete auf ihrem Kopf. Noch bevor sie die unterarm lange Feder betrachten konnte raschelte es über ihr und ein Greifvogel schwang sich in die Luft. Sie dachte nicht länger nach, alle Zweifel waren weggewischt, nur eine Stimme in ihrem Kopf rief: Folge dem Falken! Er bringt dich hinaus.

Und dann rannte sie los.

Die Grenze zerbricht

Sie flog. Hetzte durch den Wald wie ein Tier auf der Flucht. Es war grotesk. Niemand konnte gegen ein Wettrennen mit einem Vogel gewinnen. Doch jedes Mal wenn sie ihn aus den Augen verlor und sich erschöpft mit der Hand an einen Baum lehnte, raschelte es über ihr, ein Schrei ertönte und weiter ging die Hetzerei. Er hatte auf sie gewartet.

Irgendwann blieb der Falke dann verschwunden. Sie spürte das etwas passieren würde.

Und dann drang etwas in ihr Bewusstsein: Irgendwo in der Ferne ertönte leise das Läuten eines Glockenturmes.

Im gleichen Augenblick spürte sie, wie etwas um sie zerbrach. Die Grenze eines Energiekreises, beschworen für eine Lektion, vibrierte und verflüchtigte sich. Sie befand sich wieder in ihrer gewohnten Welt. Und wieder drang ein Ruf mit absoluter Klarheit in ihr Bewusstsein. Wo eine Glocke läutet befindet sich eine Stadt. Auch wenn es nicht meine sein sollte. Folge dem Klang der Glocke, denn nur sie zeigt dir die Richtung, in die du gehen musst.

Wieder rannte sie los. Im Geiste zählte sie mit. Als der zwölfte Schlag verklungen war, schien ihr herz stillzustehen. In ihrem Kopf rauschte es. Dreizehn. Tränen stiegen in ihre Augen und sie stieß einen unbändigen Jubelschrei aus. Vierzehn. Geschafft! schrieen alle Stimmen in ihr gleichzeitig los. Fünfzehn.

Stille.

Nein!!

Mit einem „Plumps“ sackte das Herz in ihre Kniekehlen. Immer noch war um sie her dichter Wald und nirgendwo schimmerte das Licht, das sie Waldrand erwarten musste. Doch noch bevor sie anhalten konnte flog stürzte etwas aus dem Himmel, sie spürte einen Luftzug neben ihrem Kopf und dann jubelte sie erneut und folgte dem Falken, der erneut die Führung übernommen hatte. Und dann nur etwa 100 Meter weiter glänzte zwischen den Baumstämmen Licht. „Ja!“ schrie sie, sprang übermütig in die Luft und brach durch das Unterholz. Es war kühler geworden. Das nächste was ihr auffiel war der Kies bestreute Weg auf dem sie stand. Nicht weit entfernt ragte ein Hochsitz empor. Sie schluckte und wandte sich zum Waldrand um. Das konnte doch nicht-? Doch dann sah sie, was sie eigentlich längst wusste. Dort wo sie eben herausgekommen war, befand sich eine Stelle im Unterholz, die eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie ausübte. Sie öffnete den Mund, brachte jedoch kein Wort hervor. Das ist doch…?

Niemals allein

Ein halber Meter, wenn du es genau wissen willst, meldete sich die Stimme ihrer Vernunft das erste Mal wieder zu Wort.

Das Mädchen drehte sich um. Sie überquerte den Kiesweg und trat auf die von Sonnenstrahlen beschienene Wiese. War alles nur ein Traum gewesen? Hatte sie vielleicht einfach drei Stunden herumgestanden und vor sich hin geträumt?

Da ertönte am Himmel ein durchdringender Schrei. Sie wusste es bevor sie den Kopf in den Nacken legte und nach oben blickte. Die Silhouette eines Greifvogels schob sich vor die Sonne. Der Falke glitt triumphierend über den blauen Himmel, als sich das Mädchen unter ihm befreit auflachte und über die Wiese lief, während ihre Seele zu fliegen begann.
 

Das Mädchen hetzte über die Wiese und durch ein kleines Waldstück. Neben ihr rannte eine Wölfin, die dem Falken über ihnen kurz zuzublinzeln schien. Das Mädchen lachte. Ich bin nicht allein! Ich bin es niemals gewesen! Und ich werde es nie sein…



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von: abgemeldet
2009-09-27T20:33:31+00:00 27.09.2009 22:33
Hallo du,

das war großartig und mitreißend.
Hat sie also ihr Krafttier(?) gefunden.

Ich mag deinen flüssigen und schönen Schreibstil echt gerne. Und es stört überhaupt nicht, dass die Kapitel so kurz sind. Du schaffst es, in wenige Worte viel Leben zu bringen.

LG
-Hagazussa-
Von:  haruraku
2009-06-07T08:45:34+00:00 07.06.2009 10:45
Ich finde, du hast einen wunderbaren schreibstil.
Mir gefällt die Fanfic ganz gut bis jetzt, und vor allem die formulieren, dass sie seele zu fliegen beginnt ^^ <3
Weiter so ^^ <333

Lg,
Jukka


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