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Vampire's Kiss

Wenn Liebe tödlich ist
von

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Prolog

Die Beute:

Ein Leben, zwei, drei... so unzählig viele, alle mit einem anderen Schicksal.

Doch wer hat unser Schicksal in der Hand? Wer sagt uns was wir tun und wo wir hingehen sollen? Ist es etwa Gott, der wie ein Autor unzählige kleine Bücher schreibt? Haben wir unser Schicksal überhaupt selbst in der Hand? Hätte ich dann alles ungeschehen machen können? Damals, genauso wie jetzt, in dem Wald wo ich zusehe wie er getötet wird? Will ich überhaupt hier sein? Will ich ihm helfen? Oder ist er mir gleichgültig? Was soll ich tun?!
 


 


 

Das Raubtier:

Nun warte ich hier, im Dreck, verlassen von allem und jedem, auf meinen Tod.

Ich wehre mich nicht, nein, für einen wie mich ist der Tod der einzige Ausweg. So viele Menschenleben hatte ich schon auf dem Gewissen und so sollte es enden – mit einer Knarre an der Schläfe und mit einem Lächeln im Gesicht. Dass ich dabei meinen liebsten Menschen verraten und fast in den Tod getrieben habe, hatte ich nicht gewollt. Wie alles andere was ich getan habe auch...

The beginning of the end

Die Beute:
 

Es war wieder so ein Montag. Einer, an dem man in die Schule kommt und sich überlegt ob man nicht doch besser im Bett geblieben wäre. Einige würden natürlich sofort auf dem Absatz kehrt machen um ihre Zeit wo anders tot zu schlagen. Doch ich war nicht so jemand. Mir war meine Zukunft wichtig, da konnte auch niemand dran rütteln. Ich hatte mein Leben bereits vollständig verplant. Guter Abschluss - Studium - ein gut bezahlter Job, für manche nur ein Traum. Aber ich versuchte alles Menschenmögliche um das zu verwirklichen. Daher hatte ich auch wenig Freunde. Mehr als die Hälfte meiner Klasse ignorierte mich, andere bewunderten mich meiner guten Noten wegen, doch nur wenige kannten mich als ihre Freundin. Eine davon war Nicole, sie hatte etwas von einem Klassenidol. Von den Mädchen bewundert und von den Jungen verehrt. Ich allerdings mochte ihre leicht durchgeknallte Art lieber.

Es war laut als ich die Tür meiner Klasse aufmachte. Eigentlich normal, doch heute waren alle aufgeregter. Was hatte ich heute schon wieder verpasst?

„Sarah!“ Nicole kam aus einer der vielen kleinen Mädchengruppen zu mir.

„Morgen. Was ist denn jetzt schon wieder? Kommt irgendein Star zu Besuch?“

„Nein, nein. So besonders ist es auch nicht, aber angeblich kommt ein neuer Schüler. Du weißt doch, unsere Hühner können leicht aufgeschreckt werden.“ Sie deutete auf eine der noch immer tuschelnden Gruppen.

„Aber... mitten im Halbjahr? Ich dachte das ginge nicht.“

Ein Achselzucken, die einzige Antwort, bevor wir beide uns an einen der seitlich aufgestellten Tische setzten. Sie wollte gerade weiter erzählen, als die Tür ein weiteres mal aufging und die gesamte Klasse verstummte. Ein mir unbekanntes Gesicht betrat den Raum. Ein Junge, schwarze, fast Schulterlange Haare und ein unbeteiligter Gesichtsausdruck. Auf jeden Fall einer der stillen Sorte. Er hätte normal gewirkt, wäre die Reaktion auf meinen neugierigen Blick nicht gewesen. Ein kurzer, abgehackter Atemzug, dann biss er sich auf die Lippe, setzte sich an einen Tisch am anderen Ende des Klassenzimmers und beobachtete mich nicht weiter. Ein komischer Junge...
 

Später in der Pause wollte ich eigentlich nur für meine anstehende Englisch-Klausur lernen, doch er ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Dank meinem Lehrer wusste ich bereits seinen Namen – Florian. Doch was mir wichtiger war, war der Grund warum er so komisch wirkte. Ich versuchte diesen Gedanken abzuschütteln und lenkte mich stattdessen mit meinen Aufgaben ab. Shakespeare, sehr interessant... Ich merkte nicht wie jemand neben mir stand, bis er anfing zu sprechen und ich erschrak im ersten Moment.

„Romeo und Julia... kitschig, oder? Was dagegen wenn ich mich setze?“ Der Schreckmoment verflog und was blieb war ein eigenartiges und bedrückendes Gefühl.

„Nein, setz dich ruhig. Du bist Florian, oder?“

„Scheint so, als wäre ich schon in aller Munde... und du? Du hast wahrscheinlich auch einen Namen oder willst du lieber weiter starren?“ Peinlich, ich hatte tatsächlich nicht bemerkt dass ich ihn angestarrt hatte. Ich schaute lieber wieder auf meine Aufgaben und verbarg mein puterrotes Gesicht unter einem Vorhang von Haaren.

„Äh... sorry. Natürlich hab ich einen Namen!“

„Und, verrätst du ihn mir?“

„Sarah...“ wieder huschte mein Blick zu ihm. Ein unnatürlich schönes Lächeln war das erste was ich sah. Ein wenig Belustigung schwang auch mit, er schien sich offensichtlich über meine Reaktion zu amüsieren. Eine weitere Woge Blut schoss mir in die Wangen.

„Schöner Name. Könntest du mir noch sagen was wir gleich haben?“

„Das müsste Deutsch sein.“

„Danke für die Info. Ich geh dann mal wieder, ich muss noch zum Schließfach.“ Er nahm seine Sachen und wollte gerade gehen, da fiel mir ein, was ich eigentlich von ihm wissen wollte. Ohne nachzudenken schnellte meine Hand zu seinem Arm und ein „Warte!“ kam aus meinem Mund. Verdutzt drehte er sich halb um und auch ich verschluckte meine Worte. Zum Glück fielen sie mir doch noch ein.

„Ich wollte dich noch fragen warum du mich vorhin so komisch angeschaut hattest.“

„Ungewohnte Gegend.“

Diesen Tonfall kannte ich noch gar nicht... so kalt, dass mir jegliche Worte im Halse stecken blieben.

„Ich hoffe das wäre es dann. Die Pause ist bald vorbei. Wir können unser Gespräch ja das nächste mal weiterführen.“

Ein Schauer durchfuhr mich. Dieser Typ schien zwei Seiten zu haben. Ziemlich unheimlich...

Als es dann klingelte, wachte ich aus meiner Starre auf und sah dem wohl ungewöhnlichsten Jungen nach den ich kannte.

Eine mir bekannte, sarkastische Frauenstimme erklang hinter mir.

„Na, schon fleißig geflirtet? Und ich dachte du hättest keine Zeit für einen Freund.“ Nur wenige Zentimeter trennten Nicole und meinen Ellenbogen darauf, aufeinander zu treffen.

Da werden noch interessante Zeiten auf uns zu kommen...
 

Ende Kapitel 1

Painful memories

Das Raubtier:
 

Wochenende – mein erstes in einer neuen Stadt. Und ich hatte natürlich nichts besseres zu tun als mich zu Hause zu langweilen. Ich lag auf meinem Bett und dachte ich könnte vielleicht etwas schlafen. Besser als nichts zu tun. Aber die ständigen Streitereien meiner Eltern machten das unmöglich. Ich nahm mir meinen MP3-Player, steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und versuchte alles andere auszublenden. Gleichzeitig erinnerte ich mich erneut an damals, als mein Leben noch annähernd normal war.

Damals hatten sich meine Eltern auch schon gestritten. Irgendwann hatte ich mir gewünscht sie würden sich endlich trennen, aber nein, auf mich hört ja keiner.

Damals aber gab es wenigstens jemand, der für mich da war, wenn sie sich um mich stritten. Dieser jemand war meine Schwester Delia. Immer genau dann, wenn es mir am schlechtesten ging, war sie da. Und immer genau dann fand sie die richtigen Worte um mich zu trösten. Diese Zeiten waren wunderbar... Ich liebte sie dafür. Sie war die Einzige, die mich verstand und für mich da war. Bis zu diesem verfluchten Tag...

Wir fuhren weg, weil meine Eltern mich mal wieder nervten. Sie saß am Steuer, ich daneben.

„So langsam kann ich mir das nicht mehr anhören. Warum eigentlich immer ich?! Ich hab den beiden nichts getan!“

„Ich kann dich verstehen, aber du musst dich auch in die Lage unserer Eltern versetzten. Wie würdest du reagieren, wenn dein Sohn sich wie ein Verrückter prügelt und dann auch noch einen Sachschaden verursacht?“

„Kann ich was dafür, dass der Idiot im Weg stand?! Außerdem hat er schlecht über dich geredet, da musste ich ihm eine reinhauen.“

„Eine?!“ Sie seufzte. „Flo... es war lieb von dir mich zu verteidigen, aber das nächste mal mit weniger Gewalt, okay?“ Ich grummelte leise vor mich hin, weil ich genau wusste, dass sie recht hatte. Ich wollte es nur nicht zugeben.

Wir kamen an einer Baustelle vorbei und vor uns bog ein Laster ein, der von dort kam. Delia trat auf die Bremse, aber nichts geschah. Sie versuchte es immer wieder – nichts. Voller Panik lenkte sie das Auto nach links, es schlenderte wild umher. Dann sahen wir nur noch den Laster auf uns zukommen, es wurde schwarz...

Ich wachte auf und lag immer noch auf dem Bett. Ich schien doch eingeschlafen zu sein. Meine Eltern waren nicht mehr zu hören, da mein Vater höchstwahrscheinlich wieder abgehauen war. Diese Stille war bedrückend und ich hasste es. In solchen Momenten wünschte ich mir meine Schwester zurück...

Ich stand auf und ging raus ohne ein Wort zu sagen. Ich musste einfach weg von hier.

Es war bereits Nachmittag und ich irrte ziellos umher. Nach einiger Zeit fand ich einen Friedhof. Der einzige Ort an dem ich meiner Schwester nahe sein konnte, obwohl sie hier nicht begraben war. Und dennoch ging ich hinein in das Labyrinth aus Gängen und Wegen. Die Stille hier war anders. Sie beruhigte mich und ich fühlte mich sicher. Wie bei meiner Schwester...

Plötzlich riss mich etwas aus meinen Gedanken. Ein Geruch – Blut. Seit dem einen Tag habe ich viel Blut gerochen, einige weniger appetitlich, andere mehr. Aber dieser war unwiderstehlich. Ich erkannte auch sofort von wem er stammte, denn als ich ihm folgte sah ich Sarah. Warum war sie hier?

Sie erschrak als sie mich sah und sie sah traurig aus, also versuchte ich sie mit einem Lächeln zu beruhigen.

„Hi. Dich hatte ich hier gar nicht erwartet. Besuchst du jemanden?“

„Ja... meine Eltern.“ Sie lächelte traurig und betrachtete dabei die Grabsteine. Ich fühlte Mitleid und kam näher um sie zu trösten.

„Muss hart sein. Ich weiß wie du dich fühlst, ich hab vor zwei Jahren auch jemanden verloren.“

„Tatsächlich? Bist du deshalb hier?“

„Nicht ganz,“ Ich lächelte sie an um meine Trauer zu verbergen. „Sie liegt auf einem anderen Friedhof, aber irgendwie fühle ich mich ihr auch hier nahe.“

Wir schwiegen. Die Stille tat gut, es beruhigte mich. Dann fuhr sie fort.

„Ich will ja nicht taktlos sein, aber wer ist denn gestorben?“

„Meine Schwester. Uns ist ein Laster entgegen gekommen und die Bremsen ihres Autos versagten.“

„Sagst du damit, dass du bei dem Unfall dabei warst?“

Ich nickte. Die Erinnerung an das Geschehene brachte eine andere hervor. Nämlich das, was danach geschah. Ich lag für einige Tage im Koma, so sagten die Ärzte. Und ich hatte eine Platzwunde am Hinterkopf, die mich eigentlich hätte töten sollen. Sie meinten ich hätte Glück gehabt, trotzdem heilte die Wunde sehr langsam. Heutzutage wünschte ich mir, ich wäre damals gestorben...

Sarah begann wieder zu sprechen.

„Tut mir leid, falls ich schlechte Erinnerungen zurückgebracht habe.“

„Macht nichts. Es tat gut mal mit jemandem darüber zu reden.“ Ich lächelte. Es tat wirklich gut, endlich löste sich etwas von meiner Trauer. Sie lächelte zurück.

Ich mochte sie und wollte auch mit ihr befreundet sein, also nahm ich das Risiko auf mich und fragte sie.

„Sag mal Sarah, hast du jetzt noch Zeit?“

„Ja, wieso?“

„Dann könnte ich dir ein Eis ausgeben. Natürlich nur wenn du willst.“

Sie schien sprachlos zu sein. Es war wohl das erste Mal, dass sie so etwas gefragt wurde. Sie lächelte schüchtern, wie ein kleines Kind, das von einem Fremden etwas geschenkt bekommt. Irgendwie war es süß, so süß, dass ich einfach lachen musste. Zum ersten Mal in den zwei Jahren spürte ich wieder Freude am Leben. Es war, als wäre nie etwas passiert. Ich begann wieder zu leben, immer mit dem Risiko sie umzubringen. Doch wir trafen uns immer öfter und manchmal, in sehr seltenen Momenten, vergaß ich mein verfluchtes Leben und das, was ich deswegen geworden bin. Ich wünschte dieses Gefühl würde ewig anhalten...
 

Ende Kapitel 2

The beast

Das Raubtier:
 

Einen Monat war es nun her, dass ich hier angekommen war. Es war Mitte Juni. Ich hatte mich hier eingelebt, hatte Freunde und vergaß in einigen Momenten sogar meine andere Seite. Es war wunderbar, aber... ich wusste, dass es unmöglich war so weiterzuleben. Es war falsch, was ich da machte, so gefährlich. Ich hätte in jedem Moment die Beherrschung verlieren können, ohne dass ich daran etwas hätte ändern können. Und mit jedem Tag wurde es schlimmer. Es war ihr Geruch, der an meinem Verstand zerrte. Sie hatte in den vergangenen Tagen nur Glück, dass ich mich noch zusammenreißen konnte, aber es wurde irgendwann unerträglich, sodass ich mich nach und nach von ihr und ihren Freunden abwenden musste. Ich konnte sie doch nicht einfach so anfallen. Ich wollte nicht noch einmal zu einem Mörder werden. So wie an dem Ort, an dem ich vorher gewohnt hatte. Mein Körper hielt dennoch dem Druck jemanden zu beißen stand. Bis zu diesen einen Abend...
 

Es war bereits dunkel und ich wollte nach Hause, nachdem ich den Tag mit den anderen verbracht hatte. Zu der Zeit war es nicht mehr ungewöhnlich diesen Durst zu verspüren, aber dass es schon so weit war... Ich fühlte mich krank und schwach, ob es daran lag dass ich lange kein Blut getrunken hatte? Ich wollte gar nicht darüber nachdenken. Also beschleunigte ich meine Schritte um endlich zu Hause schlafen zu können.

Dann kam ich an dieser Frau vorbei. Sie war ganz normal und grüßte mich sogar. Sie ging an mir vorbei, wobei ich etwas bemerkte, nicht mit den Augen, sondern mit der Nase. Sie blutete, wahrscheinlich hatte sie sich irgendwo geschnitten. Ich drehte mich um und sah an ihrem Finger tatsächlich ein Pflaster. Und ich roch Blut...

Plötzlich kroch es in mir hoch, das Verlangen. Mir wurde warm, heiß. Mein Blut kochte und ich konnte nicht denken. Ich merkte wie sich meine Sinne schärften und sich nur auf die Beute richteten. Nun ging ich – ohne es zu wollen – hinter ihr her. Sie bemerkte mich etwas später und irgendetwas musste sie erschreckt haben, denn sie ging schneller, rannte fast. Irgendwie schaffte ich es sie in eine Gasse zu drängen. Sie sagte etwas, was, weiß ich nicht. Ich konnte es schon nicht mehr hören, meine Gedanken richteten sich auf sie, als Futter. Eine heisere Stimme kam aus meinem Mund und ich erschrak selbst darüber, aber nur im Inneren.

„Die Beute sollte nicht sprechen können.“

Nun verabschiedete sich mein Denken vollkommen und ich betrachtete die Szene wie aus weiter Ferne. Es war grauenhaft und unvorstellbar, dass ich dieses Monster sein sollte. Die Frau zitterte am ganzen Leib und ich roch ihre Angst, was mir nur einen weiteren Adrenalinschub gab. Ich grinste boshaft und voller Vorfreude auf das Festmahl, dann stürzte ich mich auf sie. Das letzte was sie sah, waren meine gelblich leuchtenden Katzenaugen, bevor sich meine Fangzähne in ihren Hals bohrten. Von da an ging alles ganz schnell. Es war ein fürchterliches Geräusch und gleichzeitig genoss ich den Geschmack ihres Blutes, das mir warm aus meinen Mundwinkeln tropfte. Wie in einem Rausch trank ich immer weiter, bis es nichts mehr gab, dass man trinken konnte. Sie war tot.

Als ich fertig war, stand ich auf, wischte mir das Blut vom Mund und kam langsam wieder zu mir selbst. Ich wollte gerade gehen, als ich vor mir einen Mann stehen sah. Er machte keine Regung. Sein Gesicht zeigte kein Gefühl, nicht einmal Angst. Seine Haare waren weiß, obwohl er in meinem Alter war. Höchstwahrscheinlich gefärbt.

„Wer... wer bist du?“ Keine Antwort. „Ich habe dich etwas gefragt!“, rief ich.

„Armer Junge... es muss hart sein etwas zu tun, was man nicht will, nicht wahr?“

„Wer zum Teufel bist du?!“ Ich wurde wütend, der Rausch hatte noch nicht geendet und ich griff ihn an. Doch er schnappte sich meine Faust, zog mich zu ihm und gab mir mit dem Ellenbogen einen Kinnhaken. Ich traf hart auf dem Boden auf, rieb mir das Kinn und wunderte mich. Seine Kraft war unglaublich, er warf mich einfach so zu Boden ohne mit der Wimper zu zucken.

„Wer... was zum-?“

„Was ich bin fragst du? Spürst du es denn nicht?“

„Ein Mensch jedenfalls nicht, aber was da-?“ Jetzt fiel es mir auf. Er hatte dieselben unnatürlichen Augen wie ich. Gelbe Katzenaugen. Ich konnte nicht sprechen vor Schreck.

„Du weißt wahrscheinlich nicht einmal was du selbst bist, oder? Wirklich, armer Junge...“ er seufzte und fuhr dann fort: „Hast du schon mal was von Vampiren gehört?“

„Wa - was? So etwas gibt es nicht!“ Er zog eine Augenbraue hoch.

„Und wie ist es dann möglich, dass wir uns unterhalten? Und außerdem, du hast gerade menschliches Blut getrunken. Selbst mit einem einfachen Menschenverstand sollte man wissen, dass Vampire Blutsauger sind.“

Ich war erstarrt. Ich, ein Vampir? Möglich schien mir nun alles.

„Wenn du aufhören willst blind umherzuirren und zu morden, dann solltest du dich an mich und meine Herrin wenden. Wir können dir helfen.“

„Warum sollte ich mir von einem helfen lassen, den ich nicht einmal kenne?“

Mit einer übertrieben höflichen Stimme antwortete er: „Ach, natürlich. Verzeih mir mein Benehmen. Mein Name ist Loki. Und wie nennt man dich, wenn ich fragen darf?“ Ich überging diese Frage, stand auf und ging auf ihn zu. Dieser Kerl machte mich einfach nur wütend mit seiner arroganten Art.

„Das heißt noch lange nicht, dass ich bei eurem kleinen Verein mitmache!“

„Habe ich jemals von einem Verein gesprochen?“ Er schien ungeduldiger zu werden.

„Ist mir doch egal was ihr seid! Ich werde mir von solchen Leuten wie dir nicht helfen lassen! Und jetzt geh mir aus dem Weg, ich will nach Hause.“ Ich versuchte mich an ihm vorbeizudrängeln und so schnell wie möglich zu verschwinden, ansonsten würde er mit Sicherheit der nächste Tote sein. Aber bevor ich es realisieren konnte, packte er mich an der Kehle und hob mich hoch, als würde ich nicht mehr als eine einfache Puppe wiegen. Sein Griff war eng, sodass ich kaum atmen konnte. Es war unglaublich, was für eine Kraft dieser Typ hatte. Er schaute mich mit seinen gelben Augen an und ich erkannte in seinem Blick die pure Mordlust. Ich begann ihn zu fürchten.

„Jetzt hör mir ganz genau zu Jungvampir. Du weißt wohl nicht in welcher Lage du dich befindest? Solche wie dich verspeisen die Jäger zum Frühstück. Sie sind bestimmt schon auf dich aufmerksam geworden. Bei dem Theater was du in der vorherigen Stadt angerichtet hast. Es sind über 20 Menschen gestorben, wenn nicht sogar mehr. Glaubst du, dass lassen die durchgehen? Du hast Glück, dass wir dich eher gefunden haben, ansonsten wärst du nur noch ein Haufen Asche. Wir sind hier, um dich vor diesem Schicksal zu bewahren.“

Ich versuchte ein heiseres Lachen. „Denkst du wirklich, ich wäre so blöd und würde mich nicht wehren?“ Er drückte fester zu und ich musste einen Aufschrei unterdrücken.

„Wenn du dich nicht mal gegen mich wehren kannst, dann kannst du dich gleich den Jägern stellen. Vergiss nicht, dass ich gerade dein Leben in meinen Händen halte. Ich könnte dich mit Leichtigkeit wie ein Zweig durchbrechen.“

„Und warum tust du es dann nicht einfach?“

„Meine Herrin wünscht dich lebend zu sehen. Also reiz mich nicht, sonst könnte es dir schlechter ergehen als bei den Jägern.“ Der hatte gesessen. Vielleicht war es doch besser mein loses Mundwerk zu halten. Er grinste mich nun an und ließ mich langsam los. Ich fiel auf die Knie und musste husten.

„Braver Junge. Meine Herrin wird sich in nächster Zeit mit dir in Verbindung setzten. Und wag es nicht, deine Meinung wieder zu ändern.“

Mit diesen Worten ging er und ließ mich allein. All das war unmöglich, wie ein Albtraum aus dem ich nicht fliehen konnte.

Ich stand auf, wischte mir das restliche Blut weg und taumelte schließlich nach Hause.

Alles was ich bisher kannte – alles eine Lüge. Es gab also Vampire und ich war einer von ihnen. Ein Monster in Menschengestalt. Mein Leben war nun für immer verflucht und ich konnte nichts mehr dagegen machen...
 

Ende Kapitel 3

Reality

Das Raubtier
 

Konnte das alles wahr sein? War es ein Traum, Realität, oder bin ich doch gestorben und bin in der Hölle? Und wenn es die Hölle ist, was habe ich getan?
 

Diese und viele andere Fragen schwirrten gleichzeitig in meinem Kopf herum, sodass mir übel wurde. Und dennoch wollte ich mich keinen Zentimeter von meinem Bett bewegen. Ich lag leblos auf dem Bauch, mein Gesicht im Kopfkissen versteckt. Meine blutverschmierten Klamotten rochen immer noch nach meinem letzten Opfer. Es bewies mir, dass das hier Realität war.

Es war immer noch Nacht und ich hatte das Gefühl als würden die Sekunden wie eine Ewigkeit verstreichen. Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen.

Seit wann hatte es angefangen? Diese Lust nach Blut, das ständige Verlangen einem lebenden Wesen die Kehle aufzureißen und mich an seinen schmerzerfüllten Schreien zu erfreuen...

Es war nach diesem einen Unfall, damals vor 2 Jahren. Ich lag mehrere Monate im Koma, meine halbe Schädeldecke war aufgerissen. Auch jetzt spüre ich diesen Schmerz noch, und die Narbe, die nie wieder verheilen würde. Ich ertastete sie ohnmächtig. Sie kratzte an meinen Fingern und fühlte sich unecht an.

Als ich aus dem Koma erwachte, wollte ich nur meine Schwester sehen. All die Zeit in der ich nur dort lag, konnte ich nur an sie denken. War sie am Leben? Ging es ihr gut? Sie war der Grund, warum ich nicht ins Jenseits fiel. Doch vielleicht war das mein größter Fehler... Denn als ich hörte, dass sie nicht mehr lebte, wünschte ich mir, nie wieder aufgewacht zu sein.

Der Durst begann wenige Tage später deutlich zu werden. Ich dachte mir, dieses schwache Gefühl sei die Folge meines Schocks, doch das war es nicht. Irgendwann schlich ich mich nachts raus, um anderen Patienten ihr Leben zu verkürzen. Damals dachte ich noch, das sei nur ein Albtraum, der wird bald aufhören. Doch er tat es nicht. Ich streifte auch Monate danach noch herum, um mir meine Opfer auszusuchen. So entstand bald das Gerücht eines Serienmörders. Ich hatte Angst. Angst vor mir selbst. Bald schon hielt ich mich selbst für geistesgestört. Aber ich konnte es niemanden sagen...

Meine Eltern und ich zogen bald in eine andere Stadt. Die Serienmorde hörten auf, doch hier fingen sie wieder an.
 

Während ich mich meiner Vergangenheit erinnerte, schlief ich langsam ein. Zu erschöpfend war dieser Tag.

Ich erwachte erst, als ich einen schrillen Schrei hörte. Die gleiche Art wie ich bei jeder meiner Jagd hörte. Erst langsam begriff ich, dass ich nicht mehr in meinem Bett lag, sondern draußen in der Dunkelheit stand. Vor mir ein Mädchen das ich allzu gut kannte. Ich sah ihr Gesicht deutlich vor mir, trotz der Dunkelheit.

Es war Sarah.

Sie kauerte geschockt auf dem kalten Boden, die Todesangst deutlich zu sehen. Ich wollte ihr etwas sagen, wollte ihr sagen, dass alles okay ist, dass ich ihr nichts tun werde. Doch stattdessen kam nur eine grauenhafte Art Fauchen aus meiner Kehle.

Ich war wieder das Monster, das über mich herrschte. Mit gefletschten Zähnen sprang ich auf sie zu; ich konnte mich nicht mehr aufhalten, allein ihr Geruch brachte mich in einen Rauschzustand. Das letzte was ich hörte war das knackende Geräusch von Knochen als ich ihr Genick brach. Meine Fangzähne berührten ihre Haut und –
 

Ich erwachte schweißgebadet auf meinem Bett, in meinem Zimmer. Ein Albtraum, ein schrecklicher Albtraum. Doch so real, dass meine Zähne sich tatsächlich in die eines Vampirs verwandelt hatten. Mit viel Mühe brachte ich sie dazu sich zu normalisieren.

Ich richtete mich auf um mir etwas Schweiß von der Stirn zu wischen. Die Bilder schwirrten mir immer noch im Kopf herum. Und sie wurden schrecklicher von Mal zu Mal. Ich musste aufstehen um mich zu beruhigen. Doch es ging nicht. Was wäre gewesen, wenn es tatsächlich passiert wäre? Oder es noch passieren würde? Nein, das konnte ich nicht zulassen.
 

Ich war überrascht über meine eigene Entscheidung. Sie war zu drastisch und zugleich die Einzige die mir einfiel. Das Angebot dieses merkwürdigen Jungen hatte ich schon vergessen.

Ich ging in die Küche, alles war dunkel und keiner konnte mich bemerken. Die perfekte Gelegenheit. Ich nahm mir also das schärfste Messer das ich finden konnte und hielt es gegen das Mondlicht. Es kam mir plötzlich so freundlich vor, als hätte es nur auf diesen Moment gewartet. Und trotzdem kam mir ein kalter Schauder über den Rücken bei dem Gedanken mir damit das verfluchte Leben zu nehmen. Ich dachte gar nicht weiter nach und ging nach draußen um zum letzten Mal die kühle Nachtluft einzuatmen. Beim Ausatmen streckte ich meine linke Hand nach vorn und zählte bis drei, bevor die kalte Klinge meine Venen aufriss. Meine Haut brannte und ich wartete auf die Ohnmacht, doch nichts geschah.

Nichts geschah?

Als ich auf mein Handgelenk starrte sah ich nur, dass das Blut aufgehört hatte herauszuströmen und sich die Wunde langsam schloss. Konnte es noch schlimmer kommen? Hatte ich jetzt nicht mehr das Recht über meinen Tod zu bestimmen?

Leblos ließ ich das Messer fallen, bevor ich selbst auf die Knie fiel. Ich konnte nichts mehr als auf mein unverletztes Handgelenk starren.
 

Was habe ich nur falsch gemacht? Erst erfuhr ich, dass ich ein unbezwingbares Monster war und nun das? Nicht einmal so konnte ich mich stoppen?!
 

Mir flossen heiße Tränen über das Gesicht, sie fühlten sich unecht an und wollten mich in dieser Situation nur noch lächerlich machen. Ich war so verzweifelt, dass ich nicht anders konnte und einen Schrei ausstieß der in einem leisen Wimmern endete.
 

Was war das nur für eine Welt die mich zu einem lebenden Toten machte?
 

Ende Kapitel 4

Isolating

Die Beute
 

„Sarah!!“

Ich wollte mich gerade meinem Frühstück widmen, da hörte ich die helle Stimme meiner Freundin. Nicole kam angerannt als würde sie im letzten Moment den Bus erwischen wollen. Nur, dass sie weder dem Bus hinterher jagte, noch überhaupt rennen musste. Es war gerade Pause und ich saß auf einem der Tischtennistischen und genoss die Sonne. Nicole setzte sich neben mich.

„Hey, hast du heute schon die Nachrichten gesehen?“

„Nein, wieso?“

„Dann hast du den Bericht über den neusten Mord nicht gesehen?“

„Schon wieder?“

In letzter Zeit kamen sie häufiger vor; man ging von einem Serientäter aus. Die Opfer waren anscheinend willkürlich ausgewählt, aber die Art wie derjenige sie umgebracht hat war immer die selbe: Die Leichen waren blutleer, hatten Bisswunden am Hals und waren teilweise auch halb aufgerissen. Es kam das Gerücht auf, dass es ein Vampir hätte sein können.

„Was glaubst du, sind die Gerüchte echt?“

„Ach, Quatsch! So etwas wie Vampire gibt es nicht. Vielleicht ist es ja irgendein Geisteskranker der sich für einen hält.“

„Aber irgendwie mach ich mir schon Sorgen, Sarah. Immerhin sind die ganzen Morde in unserer Nähe. Hast du etwa keine Angst?“

„Natürlich hab ich das. Wer nicht?“

Das war das Schlimmste daran. Man wusste nicht wer der Täter war und er lief immer noch herum. Keiner traute sich mehr nachts aus dem Haus, geschweige denn überhaupt vor die Tür.

„Ich hoffe man findet ihn bald.“ Ich nickte nur als Antwort.

Eine Zeit lang schwiegen wir, bis Nicole sich meldete.

„Ach, übrigens: Hast du Florian in letzter Zeit mal gesehen? Er sieht nicht gerade gesund aus, oder?“

„Mmh...Aus dem Weg geht er mir auch. Ich frag mich ob ihm die Sache mit dem Mörder so mitnimmt.“

„Er muss doch schon längst Verfolgungswahn haben. War das in seiner alten Heimat nicht auch so?“ Ich nickte wieder.

Florians Gemütszustand ging mir ziemlich zu Herzen. Ich konnte es nicht mit ansehen wie kränklich er manchmal aussah. Außerdem fragte ich mich warum er mich mied. Ich hatte immerhin nichts getan, dass er sauer auf mich sein würde.

Ich stand auf und nahm mir meine Sachen vom Tisch.

„Ich werde ihn jetzt einfach fragen!“

„Ob das so eine gute Sache ist? Vielleicht will er ja nicht drüber sprechen – Hey!“

Ich hörte ihre letzten Worte gar nicht mehr als ich in Richtung Schuleingang lief. Ich wollte ein für alle Mal wissen was Florian so bedrückte. Also lief ich die Treppen zur Pausenlounge hinauf. Dort fand ich ihn in einer kleinen Ecke, abgeschottet von anderen. Ich stand noch etwas dort, bevor ich dann auf Florian zu ging. Sein Anblick war so...ungewöhnlich, dass ich erst schlucken musste, um den Kloß im Hals wegzuschaffen. Er saß dort mit verschränkten Armen ohne sich zu bewegen. Nur sein Kopf bewegte sich in meine Richtung. Er sah unglaublich müde aus und die Ränder unter seinen Augen waren deutlich zu sehen. Es tat mir in der Seele weh.

Ich setzte mich gegenüber von ihm, um endlich mit ihm sprechen zu können.

„Was ist los?“

„Ich wollte mit dir reden.“ Er spannte sich ein wenig an, ließ mich aber weitersprechen.

„Was ist nur los mit dir? Ich erkenne dich ja gar nicht mehr wieder Flo. Wenn es irgendwas gi-.“

„Es gibt nichts.“ Er drehte seinen Kopf zur Seite um mir nicht in die Augen sehen zu müssen. Seine aprubte Antwort – oder besser gesagt der Ton in dem er gesprochen hatte – verschlug mir die Sprache. Es war genau der Ton, der mir jedes Mal Angst machte, so kalt, als wäre es die Stimme eines anderen.

Nach einiger Zeit fand ich meine Wörter wieder.

„Aber, ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht. Du kannst mit mir über alles sprechen!

Und... und ich würde gerne wissen, warum du mir aus dem Weg gehst, hab ich dir etwas getan?“

Ich hatte eine Antwort erwartet, aber nichts kam. Er starrte nur aus dem Fenster und war in Gedanken verloren. Das einzige Indiz, dass er mir zuhörte war, dass er immer angespannter wurde. Solangsam verfinsterte sich sein Blick und ich hatte das Gefühl, dass ich ihn wütend gemacht hatte.

„Flo-.“

Plötzlich stand er auf und ich zuckte vor Überraschung und Angst zusammen.

„Du kannst mir nicht helfen! Gerade du nicht... Tut mir leid, aber es ist nichts gegen dich.“

Ich wollte gerade weitersprechen als er mir wieder ins Wort fiel.

„Und frag bitte nicht weiter nach. Es gibt Dinge, die du nicht verstehst.“

Die letzten Worte waren nur geflüstert, als wollte er dass nur ich sie höre. Außerdem lag eine Traurigkeit in seiner Stimme bei der ich fast geweint hätte.

Schnell ging er die Treppe herunter, sodass ich nichts weiteres fragen konnte. Er sagte zwar, dass es nichts gegen mich sei, aber ich hatte trotzdem das Gefühl als müsste ich ihm helfen. Ich wusste nur noch nicht wie...
 

Ende Kapitel 5

My Lady

Das Raubtier
 

Irgendwie konnte ich mich doch noch zu einem gemeinsamen Tag überreden lassen. Auch wenn mich das Blut anderer Menschen beruhigte, schien der Durst unstillbar zu sein. Es konnte nicht mehr so weiter gehen! Ich musste etwas tun! Möglicherweise war das Angebot mir helfen zu lassen, doch nicht so schlecht. Doch ich wusste ja nicht wo sich dieser Loki befand, oder gar seine Herrin...
 

„Na bitte, geht doch!“ Chris war ziemlich stolz, dass er seine Freundin endlich dazu bewegt hat, auf ein Skateboard zu steigen und dabei nicht runterzufallen. Obwohl sich Nicole mit Händen und Füßen gewehrt hatte, hatte dieser darauf bestanden, wo er doch heute den Vorschlag gemacht hatte, den Tag auf einem Skateboardgelände zu verbringen.

„Glaub mir, wenn ich wegen dir falle, wirst du das dein ganzes restliches Leben zu spüren bekommen!“

Sarah saß derweil auf einer Bank neben den Beiden, während ich so gut wie möglich versuchte ihr nicht zu nah zu kommen. Sie schien nicht gerade ein begeisterter Skater zu sein und ich war im Moment eh nicht in der Lage mich für längere Zeit auf etwas zu konzentrieren. Dafür schwirrten mir zu viele Gedanken im Kopf rum. Ich wurde erst aus diesen Gedanken gerissen, als Sarah mich ansprach.

„Die Beiden sind manchmal echt wie ein altes Ehepaar, nicht?“ Sie kicherte. Es erschien mir gekünstelt, als wollte sie mich dazu bringen mitzulachen. Aber sie wusste, dass es nicht klappte.

„Mmh-mh.“ Und schon wieder verlor ich mich in Gedanken. Ich konnte kein Gespräch mehr richtig anfangen, geschweige denn weiterführen, seit ich diesem Loki begegnet war. Das schien auch nicht gerade unauffällig zu sein, denn Sarah blickte mich sorgenvoll an.

„Und...dir geht es wirklich gut?“ Sie fragte nur zögerlich. Seit ich sie einmal angeschrien hatte, traute sie sich kaum mich anzusprechen.

„Nein, nein. Es ist alles in Ordnung.“ Ich lächelte ein wenig um sie zu beruhigen, doch sie kannte mich zu sehr. Und trotzdem sagte sie nichts weiter. Möglicherweise durchschaute sie meine gespielte Persönlichkeit, wollte aber nichts aus Angst sagen.

Ich stand auf, damit sie mich nicht mit noch weiteren Fragen löcherte. Es war mir nicht geheuer, dass sie Zweifel an meiner Gelassenheit hatte. Daher ging ich auf direktem Wege in Richtung Chris, der gerade versuchte Nicole seine Fähigkeiten zu beweisen. Er nahm mehrere Meter Anlauf und steuerte mit dem Skateboard auf ein Treppengeländer zu. Dann sprang er auf das Geländer, rutschte mit Leichtigkeit hinunter und landete sicher. Es sah nicht so schwer aus wie man es sich vorstellte. Als er dann oben wieder angekommen war, prahlte er lautstark, sodass ich nicht anders konnte als ihn heraus zufordern. Zumindest das bisschen Normalität wollte ich ausleben.

„Wetten, ich schaffe es das lange Geländer herunter und sehe dabei noch besser aus als du?“

„Um was wetten wir?“

„Der Verlierer gibt heute allen einen aus.“

„Die Wette gilt. Streng dich an, Anfänger.“ Mit einem selbstsicheren Kichern nahm ich mir sein Board, ging einige Meter zurück und bereitete mich geistig auf den Sprung vor. Ich stand schon öfters auf einem Skateboard und ärgerte mich etwas, dass er mich Anfänger nannte. Doch ich hatte kaum Übung in Tricks. Genauer gesagt war es das erste mal, dass ich so etwas versuchte. Früher stand ich nur auf dem Skateboard eines Freundes, der mir es mal geliehen hatte. Das konnte ja nur schief gehen. Doch ich blendete meine Zweifel einfach aus und fuhr so schnell ich konnte dem Geländer entgegen. Ich schaffte tatsächlich den Sprung und landete einigermaßen sicher auf der Stange, doch dann lehnte ich mich zu weit nach hinten. Das Board rutschte nach vorne und ich verlor das Gleichgewicht. Bevor ich es schaffte mich mit den Händen abzustützen, knallte mein Hinterkopf auf die Kante einer Treppenstufe. Der Schmerz durchzuckte meinen Körper und ich schrie auf. Ich krümmte mich zusammen und hielt mir die Hände an den Kopf. Meine Haare vermischten sich bereits mit dem Blut und ich sah nur noch verschwommen. Eines der Mädchen hinter mir kreischte erschrocken und Chris war sofort an meiner Seite. Doch ich bemerkte nichts anderes als den Schmerz. Mit einer heiseren Stimme versuchte ich die Umstehenden zu beruhigen.

„Alles... in Ordnung. Es tut nicht so weh wie es aussieht.“ Das war jedoch glatt gelogen.

Wenige Minuten später wurde ich mit einem Krankenwagen ins nächstgelegene Hospital gebracht und gründlich untersucht. Bereits im Wagen verband man mir den Kopf und gab mir Schmerzmittel. Als alle Untersuchungen vorbei waren, brachte man mich in ein Krankenzimmer, wo ich dann auf die anderen wartete. Als erstes stürmte Sarah rein, dicht gefolgt von Chris und Nicole.

„Flo! Wie geht’s dir? Was haben die Ärzte gesagt?“

„Es ist nicht sonderlich schlimm. Es war eh nur eine alte Narbe die aufgeplatzt ist. Sie wollen mich aber erst morgen entlassen um sicherzustellen, dass ich keine Gehirnerschütterung habe.“ Sarah atmete erleichtert auf.

„Versprich mir bitte eins: Tu so etwas nie wieder! Weißt du was für Sorgen wir uns gemacht haben?!“ Ich lächelte etwas beschämt. Ja, vielleicht hätte ich das wirklich nicht machen sollen. Immerhin wusste ich, dass das sowieso in die Hose geht.

„Ich denke, damit hat es sich mit der Wette. Belassen wir es bei einem Unentschieden.“

„Nichts da! Wer ist denn auf diese dämliche Wette eingegangen? Du wirst dich brav deiner Niederlage stellen!“ Da fingen sie wieder an, das streitende Ehepaar.

Als sie dann gingen waren bereits einige Stunden vergangen und die Sonne ging langsam unter. Ich schaute ihnen vom Fenster aus nach und war wieder in Gedanken versunken.
 

Ich bekam zwar genug Schmerzmittel, doch plötzlich durchfuhr mich ein stechender Schmerz, begleitet von einem Geräusch, welches man mit einem lauten Tinitus vergleichen könnte. Als ich dann auf die Straße unter mir blickte, sah ich ein Mädchen. Sie schaute direkt in meine Richtung, als wusste sie, dass ich sie sah. Durch ihr Grinsen wusste ich, dass sich meine Vermutung bestätigte. Sie steuerte den Eingang an und der Schmerz verschwand so schnell wie er gekommen war. Wenige Minuten danach öffnete sich die Tür und dieses Mädchen stand vor mir. Sie hatte helle blonde, ja fast weiße Haare und war ungefähr in meinem Alter. Trotzdem hatte ich das Gefühl, sie sei kein normales Mädchen. Es war mir unbeschreiblich, aber ich fühlte eine Art Demut, als würde mein Körper instinktiv vor ihr zurückweichen. Diese Unsicherheit ärgerte mich. Und ihr Kichern stachelte mich nur auf.

„Tatsache. Loki hat mich nicht enttäuscht. Du bist wirklich so süß wie ich es mir erhofft hatte.“ Loki? War das nicht dieser Vampir, den ich vor Wochen kennen gelernt hatte?

„Wer sind Sie?“ Dass ich ungewollt eine höfliche Anrede verwendete, verwirrte mich noch mehr.

„Bist du nervös? Du zitterst.“ Ich versuchte mich zusammenzureißen und unterdrückte das Zittern. Doch die Demut wich langsam einer ungewöhnlichen Art von Angst. Es war nicht die gleiche Angst wie bei diesem Loki, diese Angst war unheimlicher. Lag es an ihrem Lächeln, an ihrem Blick oder weil ich wusste wer sie war.

„Sind Sie diejenige von der Loki sprach? Seine Herrin?“ Mir fiel es schwer das Wort auszusprechen.

Sie stolzierte zu mir herüber, setzte sich aber dann auf das Bett.

„Mmh. Ein schönes Zimmer hast du hier. Und eine schöne Wunde wie ich sehe auch.“ Eine kurze Weile schwiegen wir. Währendessen sah sie aus als würde sie meine ganze Seele durchforsten.

Ihre Stimme war am Anfang noch mädchenhaft und süß, doch nun sprach sie mit einer erschreckend ernsten Stimme weiter.

„Du fragst dich sicher warum ich dir soviel Angst einjage, dass du dich nicht einmal traust mich wie Gleichaltrige anzusprechen.“ Es erschreckte mich, dass sie das wusste. Das machte mir noch mehr Angst, sodass ich nicht antworten konnte.

„Das liegt an dem Altersunterschied. Du hast schlichtweg Respekt vor mir.“ Sie fuhr mit ihrer mädchenhaften Stimme fort.

„Ah! Fast hätte ich es vergessen! Es ist unhöflich seinen Namen nicht zu nennen, wenn man mit jemandem spricht! Wenn ich mich vorstellen darf: Ich bin Serafina, freut mich dich kennen zulernen. Und wie heißt mein neuer Schützling?“

„F-Florian.“ Wieder ein Kichern. Was fand sie nur so lustig?

„Nun, Florian. Willkommen in der Welt der Vampire. Du hast einen ganz schönen Wirbel gemacht mit deinen abendlichen Streifzügen. Aber das wird sich jetzt ändern.“

Ich schüttelte den Kopf um diese Angst zu vergessen und ihr endlich meine Meinung zu geigen!

„Hör mal, ich habe nie behauptet Ihr Schützling zu werden! Ich will nur, dass ich diesen Durst nicht mehr verspüre!“

„Das ist unmöglich, Kleiner. Wobei ich dir aber mit Sicherheit helfen kann, ist, diesem Durst standzuhalten und nicht den Verstand zu verlieren. Dafür jedoch, muss ich dich unter meine Fittiche nehmen.“

„Niemals! Ich werde mich nicht mit Monstern zusammentun!“ Ihr Lächeln verschwand und sie ging zu mir. Ich hatte das Gefühl als hätte ich sie gereizt und wich automatisch zurück. Doch sie legte ihre Hand auf meine Wange und ich blieb wie erstarrt stehen.

„Du weigerst dich? Erinnerst du dich als du Loki getroffen hast? Mit deiner Einstellung musste er bestimmt ein wenig Gewalt anwenden. Jetzt stell dir mal vor ich müsste das tun.“ Nein, das wollte ich mir gar nicht vorstellen. Allein ihre pure Existenz jagte mir Furcht ein. Sie verstand es wohl, lächelte wieder und wendete sich von mir ab. Als sie dann mein Portemonnaie auf dem Tisch sah, nahm sie es und zog ein Bild heraus. Es war ein Gruppenbild von mir und Sarah. Sie kicherte und betrachtete es.

„Ein wirklich süßes Mädchen, nicht wahr? Sie sieht so glücklich aus! Du magst sie bestimmt sehr. Kein Wunder, denn sie sieht auch sehr appetitlich aus.“

„Wagt es nicht sie in irgendeiner Weise anzufassen!!“ Jetzt blickte sie wieder zu mir, aber das Lächeln war nicht verschwunden.

„Nein, ich werde ihr schon nichts tun. Aber wenn du so weiter machst... Wer weiß, vielleicht liegt sie bald vor dir, leichenblass und blutleer.“ Der hatte gesessen. Sie hatte Recht, vollkommen Recht. Ich musste mich wieder an den Albtraum vor einigen Wochen erinnern. Die Bilder vor meinen Augen sind immer noch so real, wie es beim ersten Mal waren.

„Wie... wie kann ich das verhindern?“ Ihr Grinsen wurde breiter.

„So ist es gut. Werde mein Schützling und du wirst keine unschuldigen Menschen mehr töten.“ Ich brauchte nicht einmal lange zu überlegen und nickte. Sie legte mein Portemonnaie wieder auf den Tisch und kam näher.

„Nun denn, du siehst blass aus. Hast du viel Blut verloren bei deinem Sturz? Hast du Durst? Du kannst von meinem Blut trinken, wenn du willst.“

„Aber...“

„Keine Angst. Von einem Biss sterbe ich nicht. Du brauchst nicht zu zögern. Bitte, bedien dich.“ Sie zog ihr Shirt ein wenig zur Seite, sodass ich ihren makellosen Hals sah. Ohne nachzudenken biss ich ihr in den Nacken. Das Blut durchströmte mich, während es mich von innen wärmte. Es hatte einen komplett anderen Geschmack als normales Blut. Ich brauchte nicht einmal viel zu trinken bis es mir besser ging. Nur eine kurze Weile danach ließ ich sie wieder los und sie stand immer noch vor mir, grinsend und kein bisschen schwächer als vorher. Die Bisswunde verheilte binnen weniger Sekunden.

Von nun an war ich also ihr Lakai, doch es störte mich nicht im Geringsten. Mir war alles recht um Sarah den Tod zu ersparen...
 

Ende Kapitel 6

temporary relief

Kapitel 7: Die Beute
 

Ein schrilles Pfeifen erklang und deutete auf den Anfang der Halbzeit. Die Spieler gingen erschöpft an den Rand des Feldes, um sich einen Schluck des kühlenden Wassers zu genehmigen. An einem Tag wie heute würde sich keiner ohne aus dem Haus trauen, wir waren mitten im Hochsommer.

Obwohl die meisten Spieler jede unnötige Bewegung vermieden, um ihre Kräfte zu sparen, war einer putzmunter – entgegen meiner Erwartungen.
 

„Es freut mich, dass Flo wieder auf den Beinen ist.“

„Mmh-hm.“

„Und, hast du dich mit ihm versöhnt?“

„Naja, es ist ja nicht so als hätten wir uns gestritten, aber was immer es auch war, jetzt ist alles in Ordnung.“

„Na bitte, geht doch! Und jetzt kann einer Beziehung nichts entgegenstehen!“

„W-Wie bitte, WAS?!“

Das kam unerwartet, ich hatte mich beinahe an meinem Getränk verschluckt. Und ich war sprachlos über ihre Idee. Ich mochte Florian natürlich, aber ihn lieben? Ich wurde rot und schaute von Nicole weg, genau ihn seine Richtung. Er unterhielt sich gut gelaunt mit einem seiner Mitspieler, bis er zu mit blickte und lächelte. Bis vor kurzem hatte ich noch ein unheimliches Gefühl wenn er mich anlächelte, doch nun, nun... war es so normal und trotzdem fesselnd. Es schien ihm tatsächlich besser zu gehen, aber das mulmige Gefühl blieb, dass etwas mit ihm nicht stimmte. ...Als würde er zu perfekt wirken um menschlich zu sein.

Ohne es zu bemerken lächelte ich zurück, was Nicole für weitere Sticheleien nutzte.
 

Ein weiteres Pfeifen und die Halbzeit war zu Ende. Während des Spiels erbrachte Florian die besten Leistungen und war weitaus weniger erschöpft als alle anderen. Es war klar, welche Mannschaft gewinnen würde.

„Schon komisch...“

„Was ist komisch?“

„Na, hast du es nicht auch bemerkt? Schau dir Flo doch mal genauer an. Irgendwelche Anzeichen von Müdigkeit? Nein, und das bei dieser Hitze. Als wäre er total resistent gegen Hitze!“

Nicole hatte also die gleichen Gedanken wie ich. Warnend hielt sie mir ihren Finger ins Gesicht.

„Ich sag dir was Sarah, der Junge ist nicht normal. Der ist ein Alien oder so was!“

„Ach Quatsch. Aliens gibt es nicht.“

„Meinst du? Hast du einen Gegenbeweis?“

Ich zögerte. „Nein, eigentlich ni –.“ Kaum wollte ich den Satz beenden, hörte ich wie sich die Menge aufgeregt unterhielt. Ich schaute automatisch auf das Spielfeld und sah erstaunt auf das gegnerische Tor. Der Pfosten war komplett verbogen und der Ball lag halb deformiert meterweit in der entgegengesetzten Richtung, als wäre er mit großer Kraft geschossen worden und abgeprallt. Alle Spieler schauten auf Florian, der durch die Peinlichkeit angestarrt zu werden etwas rot wurde. Er schien den Ball geschossen zu haben. Aber wie konnte er so viel Kraft aufbringen?

Nicole wendete sich wieder an mich.

„Na? Beweis genug?“
 

Es wurde bereits dunkel, als das Spiel entscheiden war. Ein Sieg für unsere Mannschaft. Nicole und ich standen vor den Umkleiden um auf Florian zu warten. Frisch geduscht und umgezogen kam er raus.

„Herzlichen Glückwunsch, dank dir hat unsere Mannschaft eine Glückssträhne.“

„Ach, so besonders ist das jetzt auch nicht...“

„Sei nicht so bescheiden.“ Nicole knuffte ihn am Arm, um ihn aufzumuntern.

„Und außerdem muss ich die Reparatur am Tor bezahlen, so gut lief es heute also nicht.“

„Genau das ist es was ich meine! Wie zum Henker hast du das hinbekommen?“

Ich mischte mich kurzerhand auch ein.

„Das würde ich allerdings auch gerne wissen.“

„Tja, gute Frage. Sowas ist mir bisher noch nicht passiert. War schon ein wenig peinlich.“ Er kicherte. Aber etwas daran war gekünstelt, weiß er es doch?

„Jedenfalls, reife Leistung, das sieht man nicht oft.“

Sie lachte und Florian und ich stiegen mit ein. Doch auf einmal schaute er ernst in eine Richtung. Wir folgten seinem Blick und sahen einen unbekannten Jungen. Er hatte außergewöhnlich weiße Haare und starrte Florian an. Er kam mir unheimlich vor und er wirkte angespannt, trotz seiner lässigen Haltung. Auch Florian wirkte plötzlich steif.

„Kennst du ihn?“

Er gab uns keine Antwort, stattdessen wollte er gerade gehen. Doch der andere kam uns entgegen. Jetzt starrten sich beide an, eine unangenehme Stimmung kam auf. Sowohl Nicole als auch ich, waren davon eingeschüchtert und sagten nichts.

Dann sprach der Junge.

„Herzlichen Glückwunsch zu deinem Sieg.“ Seine Stimme war wie Eis und hatte kaum Emotion. Es war als ob er sich ganz und gar nicht über Florians Erfolg freuen würde.

„Danke, aber deine Glückwünsche brauche ich nicht.“ Auch seine Stimme war angespannt.

Nicole traute sich nur zaghaft etwas zu sagen.

„Ähm, Hallo? Ich wiederhole: Kennst du ihn?“

„Ein flüchtiger Bekannter, nichts weiter.“ Er ließ seinen Blick die ganze Zeit auf den Jungen gerichtet. Nun galt ihm auch seine Frage.

„Was machst du hier?“

„Ich wollte mir mal...deine Freunde ansehen.“ Mit der zweiten Hälfte seines Satzes meinte er wohl mich, denn er blickte mich direkt an. Das beklemmende Gefühl nahm zu.

„Wenn ich mich vorstellen darf, ich bin Loki, ein“ er sah Florian von der Seite an, „flüchtiger Bekannter von Florian.“

„I-ich bin Sarah und das ist meine Freundin Nicole.“

„Verstehe.“

Seine schweigsame Art jagte mir Angst ein, es war eine ähnliche Angst, die ich auch bei Florian manchmal verspürte.

Nun starrten sich die beiden Jungs wieder an. Ihre Blicke sprachen Bände; die besten Freunde schienen sie nicht zu sein. Kurz darauf drehte sich Loki um und ging. Gleichzeitig sprach Florian uns an.

„Sorry, aber ihr müsst alleine feiern gehen. Ich hab etwas zu tun.“

„Schon okay...“

Und so ging er dann auch, oder besser gesagt, er folgte diesem weißhaarigen Typen. Einige Zeit standen wir da noch, bis die beiden außer Hörweite waren.

„Ich sag’s doch, Aliens! Und der Andere ist auch einer! Und jetzt gehen die beiden zu ihrem Raumschiff, um dort fürchterliche Experimente mit uns vorzubereiten!“

Ich seufzte.

„Du hast eine zu lebhafte Fantasie...“
 

Doch dieser Junge ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Einer mehr der diese unangenehme Atmosphäre ausstrahlte. So langsam gefiel mir die ganze Situation nicht mehr . Erst mein zwiespältiges Gefühl gegenüber Florian und nun noch einer seiner Sorte. Was war hier los...?
 

Ende Kapitel 7

Warning

Das Raubtier
 

„Hey!“

...

„Hey!!“

„Ich rede mit dir!“

Schließlich drehte sich der Weißhaarige doch noch zu mir um. Er war so emotionslos wie immer.

„Was ist?“

„Was machst du hier wirklich?“

„Unsere Herrin hat mir befohlen dich abzuholen.“

„Ach, jetzt werde ich schon wie ein kleines Kind behandelt?“

„Als Vampir bist du noch ein Kind, ja.“

Ohne eine weitere Antwort abzuwarten, drehte er sich wieder um und ging weiter. Ich musste ihm notgedrungen folgen.

Auch wenn es mir nicht gefiel, ich war jetzt einer von denen und musste mich den Anweisungen dieser Frau, meiner Herrin, beugen. Und somit auch diesem Loki... Doch einen Vorteil hatte das ganze ja. Immerhin konnte ich mich langsam kontrollieren und meine abendlichen Streifzüge verringerten sich auf die Zeiten, in denen ich mit den anderen beiden Vampiren raus musste. Auch meine eigenen Kräfte lernte ich kennen. Es war mir also kein Wunder mehr, warum mich Loki damals einfach in die Luft halten konnte.
 

„Wir sind da.“

Vor uns lag ein Altbau, nicht zu auffällig, nicht zu belebt. Genau hier wohnte sie zusammen mit ihrem Diener. Wenn man hier langliefe, würde keinem im Traum einfallen, dass hier zwei Vampire leben würden. Beim ersten Mal dachte ich natürlich, er würde mich zu irgendeinem Geisterhaus führen, doch dieses kleine Haus sah überhaupt nicht danach aus.

Und so gingen wir in eine genauso normale Wohnung. Na gut, relativ normal, wenn man von den dunklen Möbeln und Accessoires absah. Serafina hatte einfach eine Schwäche für Gothik.

Loki kniete sich demütig vor ihr hin und ich tat widerwillig das selbe.

„Wir sind wieder zurück, meine Herrin.“

Sie stand allerdings nicht zu einer Begrüßung auf, sondern wechselte lediglich die Überkreuzung ihrer Beine und schlürfte ihren Tee. Ich konnte ihre arrogante Art nicht leiden; sie wusste welche Macht sie besaß und sie nutzte diese auch aus. Genauso gut wusste sie, wie ich zu ihr und der ganzen Situation stand. Allerdings kümmerte es sie nicht.

„Willkommen zurück.“

Ein leichtes Kopfnicken in Lokis Richtung und er verzog sich in ein anderes Zimmer.

„Setzt dich bitte Florian.“

Ohne großartige Einwände nahm ich mir den nächsten Stuhl. Ihr unterschwelliger Befehlston war schon Routine für mich geworden. Eine unangenehme Atmosphäre entstand.

„Ich habe gehört, deine Mannschaft gewonnen? Herzlichen Glückwunsch.“

„W-Woher wussten Sie das?“

„Loki hat es mir erzählt. Er saß im Publikum; du hast ihn nur nicht bemerkt. Kurz nach dem Ende hat er mich angerufen.“

Kurzes Schweigen, sie stellte ihre Tasse hin und wurde ernster.

„Er hat mir auch von deinem grandiosen Schuss berichtet. Das muss ein außergewöhnlicher Anblick gewesen sein. Für normale Menschen.“

Ich schluckte. Ich hatte ein Gefühl, worauf sie hinaus wollte. Sie setzte ihre Predigt fort.

„Florian...Du bist gut darin, deinen Durst zu kontrollieren; darauf bin ich stolz. Aber du musst auch lernen deine Kräfte im Griff zu haben. Wir können es uns nicht leisten auffällig zu werden. Vampire wie wir, die unter Menschen leben, müssen sich anpassen. Es gibt Regeln in unserer Gesellschaft, die befolgt werden müssen. Verstehst du?“

Wenn sie so ruhig war, war sie am furchterregendsten. Ich nickte nur kurz; ich hatte gelernt ihr genügend Respekt zu zeigen.

„Du hast noch viel zu lernen, also leiste dir keine weiteren Ausrutscher.“

„...Jawohl...“

Ein leichtes Kichern.

„Guter Junge. Du darfst nun gehen.“

„Das war alles?“

„Das war alles. Oder glaubtest du etwa ich würde dich bestrafen? Bestimmt nicht bei meinen Lieblingen!“

Sie lachte. Um ehrlich zu sein, genau das dachte ich. Bei dieser Frau konnte man sich nie sicher sein...

Ich stand auf und verabschiedete mich, doch kurz bevor ich das Wohnzimmer verließ, fing sie wieder an zu sprechen, also drehte ich mich erneut um.

„Und noch etwas Florian. Ich bitte dich von nun an vorsichtiger zu sein. Ich habe seit kurzem einen gefährlichen Geruch in der Nase.“

„...Jäger?“

„Möglicherweise...Vergiss nicht, sie sind unberechenbar und skrupellos genug andere unschuldige Menschen in Gefahr zu bringen, nur um ihre Zielperson ausfindig zu machen.“

„Aber sie würden niemanden töten...oder?“ Automatisch dachte ich an alle, die mir wichtig waren und mit denen man mich erpressen könnte. Allen voran Sarah...

„Menschen nicht, aber sollten sie einen Jungvampir finden, der herrenlos ist, werden sie nicht zögern ihn zu beseitigen. Solltest du sie also antreffen, erwähne meinen Namen. Glücklicherweise bin ich eine Adelige und bin somit vor ihnen geschützt. Deswegen besitze ich auch das Privileg Schützlinge aufzunehmen.“

Erleichterung machte sich breit. Ich hatte Angst davor zu sterben, wenn ich es nicht selber entscheiden konnte. Vor allem nicht mehr jetzt, wo ich endlich die Gewissenheit hatte, dass ich niemanden mehr etwas antun würde. Denn die meisten Opfer wurden nicht komplett von Blut befreit, sodass sie überlebten. Ihnen wurde lediglich die Erinnerung gelöscht.

Doch die Erleichterung verschwand schlagartig.

„Aber...sollten sie einen direkten Befehl haben, würde es schwieriger werden. Sei also vorsichtig und hoffen wir, dass sie nicht hinter dir her sind.“

Ich nickte nur noch und ging hinaus. Meine größte Sorge galt jetzt Sarah.
 

Ende Kapitel 8

Threat

Die Beute
 

Ich schaute mir noch einmal den Zettel in meiner Hand an, bevor ich zurück ins Regal sah, um die richtige Marke zu finden. Meine Tante hatte mich zum einkaufen verdonnert. Nur wenige Schritte nach links und ich schnappte mir das Brot, das ich suchte. Kurz darauf klingelte mein Handy. Ich nahm den Anruf entgegen, während ich weiter durch den Laden streifte.

„Ja? Sarah hier.“

„Sarah? Zum Glück...“

„Ach du bist es Flo. Was gibt’s?“

„Äh, nichts besonderes eigentlich...Wollte nur mal hören wie es dir geht.“

Komischer Grund für einen Anruf, jedenfalls für seine Verhältnisse.

„Ganz gut eigentlich. Aber warum fragst du so plötzlich; machst du doch sonst nicht?“

„Es gibt immer ein erstes Mal. Na jedenfalls ist es schön deine Stimme zu hören...“

Hatte ich das jetzt richtig verstanden? Er freut sich über meine Stimme? Vor lauter Überraschung wäre mir fast die Marmelade aus der Hand gefallen.

„Äh, w-was sollte das denn jetzt bedeuten?!“

„Ach, vergiss was ich gesagt habe. Wir sehen uns dann morgen.“

„J-ja, auf wiedersehen...“

Er legte auf und ich starrte nur auf das Display bis in dann hochrot und in Gedanken versunken die Kassen ansteuerte. So etwas hatte ich ja noch nie von ihm gehört, das passte nicht zu ihm. Da war doch irgendetwas! Oder war das nur meine Interpretation? Vielleicht bildete ich mir das nur ein, oder klang es wirklich so, wie ich es vermutete?

War das etwa – AUTSCH!

Ich hatte nicht bemerkt wo ich hinlief und rempelte prompt ein Mädchen an. Sowohl ihre als auch meine Einkäufe wurden auf den ganzen Boden verstreut. Sofort kniete ich mich hin und half ihr die Sachen aufzuheben.

„T-tut mir sehr leid, haben Sie sich verletzt?“

„Nein danke, es ist nichts passiert.“

Jetzt wo ich ihr direkt in die Augen blickte, erkannte ich erst wie schön sie war. Sie hatte schwarze, fast schulterlange Haare und eisblaue Augen. Außerdem war sie etwas kleiner und zierlicher als ich und ihre Haut war ebenmäßig. Man hätte sie fast für eine Porzellanpuppe gehalten.

Gemeinsam hoben wir unsere Einkäufe auf und stellten uns vor.

„Tut mir noch mal leid. Ich bin übrigens Sarah und Sie?“

„Ich heiße Serena. Freut mich dich kennen zu lernen.“

Ich war fasziniert von ihrer Stimme. Müsste ich sie mit einem Instrument vergleichen, so wäre es eine Violine. Ich war hin und weg.

„Ah, ist das vielleicht Ihr Handy?“

„Ja, das ist meins. Danke, dass Sie es für mich aufgehoben haben.“

Mit einer weiteren Frage gab sie es mir zurück.

„Wer ist dieser hübsche Junge neben Ihnen?“

Sie meinte damit wohl das Bild von mir und Florian, das ich als Hintergrundbild hatte.

„Das ist Florian, ein guter Freund von mir.“

„Ein guter Freund also...“

Sie grinste. Ich konnte erahnen was sie dachte.

„N-nein, also nicht so gut, ähm, na ja...“

Das war peinlich... Ich verhaspelte mich immer mehr, aber dann gab ich schließlich auf. Sahen wir etwa wirklich aus wie ein Paar?!

Serena kicherte amüsiert weiter, bis sie erschreckt aufhörte.

„Wenn Sie mich entschuldigen, ich habe vergessen jemanden anzurufen.“

„Nein, ist schon in Ordnung. Machen Sie ruhig.“

Sie kramte ihr Handy aus ihrer Tasche, während sie gleichzeitig etwas weiter weg ging, um nicht gehört zu werden. Ich wartete. Das Gespräch war nur kurz, aber sie drehte mir die ganze Zeit den Rücken zu. Es schien also etwas wichtiges zu sein.

Schließlich kam sie wieder zurück.

„Sarah war es, richtig?“

Ich nickte.

„Wissen Sie, es macht mir wirklich Spaß mit Ihnen zu reden. Vielleicht könnten wir uns ein wenig mehr unterhalten? Natürlich nur, wenn Sie wollen.“

„Nein, nein! Ich mag es auch mit Ihnen zu reden. Sie sind so eine ehrliche Person.“

So gingen wir gemeinsam aus dem Geschäft und tratschten über alles was uns einfiel. Sie war so unglaublich nett und sympathisch. Ein Wunder, dass ich sie nicht vorher kennen gelernt hatte.

Wir waren schon etwas länger unterwegs, die Sonne ging schon langsam unter und die Straßen wurden leerer, als sie plötzlich stehen blieb.

„Mich hat es sehr gefreut Sie kennen zu lernen Sarah. Und mich freut es auch, dass Sie mich für ehrlich halten.“

„Das heißt dann wohl auf Wiedersehen. Vielleicht sehen wir uns morgen wieder, ich würde sehr gerne mehr über Sie erfahren.“

„Ich würde es noch nicht auf Wiedersehen nennen.“

„Hä?“

Plötzlich wurde die Stimmung düster und ihr Lächeln wirkte anders... Irgendetwas an ihr hatte sich geändert und ich fühlte, dass es nichts gutes war. Irgendetwas ging hier vor sich und ich war mitten drin.

Ich wollte sie gerade fragen, was sie damit meinte, doch ich konnte nicht. Denn eine fremde Hand schnellte aus einer Gasse und packte mich. Der Griff war stark, sodass ich nicht entfliehen konnte. Ich wollte schreien, aber man hielt mir ein Tuch mit Betäubungsmittel vor dem Mund. Es ging alles so schnell und panisch versuchte ich um mich zu schlagen, aber ich erwischte niemanden. Schließlich sackte ich zusammen und die Welt um mich verschwamm. Nur noch halb ohnmächtig bekam ich einige Worte mit.

„Gut gemacht Serena, wir haben sie.“

„Natürlich. Und jetzt weg mit ihr.“

„Jawohl meine Liebste.“
 

Und dann wurde alles schwarz...
 

Ende Kapitel 9

Countdown

Die Beute
 

Langsam wachte ich wieder auf und trotzdem war noch alles dunkel um mich herum. Nach einigem Blinzeln wurde meine Sicht klarer. Der Raum in dem ich war, war recht dunkel und es roch leicht vermodert. Wahrscheinlich wurde ich in einen Keller gebracht.

Nur eine kleine Lampe leuchtete und zwei Gestalten standen dort.

Ich war immer noch etwas benebelt von dem Betäubungsmittel und trotzdem versuchte ich aufzustehen. Dabei merkte ich jedoch, dass meine Arme und meine Beine gefesselt waren. Jetzt schien ich also in eine wirklich ernste Sache zu stecken...

Kaum saß ich halbwegs aufrecht, kam einer der beiden Gestalten zu mir und legte sofort den Finger auf meinen Mund. Es war ein recht gutgebauter Mann mit blonden, lockigen Haaren. Wäre es eine andere Situation, hätte er sehr sympathisch gewirkt. Allerdings sah sein linkes Auge unnatürlich aus; wie blind und ich sah auch eine senkrechte Narbe daran.

„Schhhh. Kein Laut, Kleine.“ Ich folgte der Anweisung, alleine schon aus Angst.

„So ist’s gut. Wenn ich mich vorstellen darf, ich bin Fenrir. Das ist natürlich nicht mein richtiger Name, aber mehr als das brauchst du auch nicht zu wissen. Und meine reizende Kollegin hinter mir ist Serena. Aber du hast sie wahrscheinlich schon kennen gelernt.“

„W-Was wollt ihr von mir?“ Meine Stimme zitterte und war kaum mehr als ein leises Wimmern.

„Gut, dass du fragst. Sarah, richtig?“ Ich nickte zögerlich.

„Ok, hör zu. Du brauchst keine Angst vor uns zu haben, du bist nicht unser Zielobjekt, nur der Köder.“

„Köder?“ Er nickte, holte gleichzeitig mein Handy aus seiner Tasche und zeigte mir das Bild von mir und Florian.

„Du kennst diesen Kerl wie es aussieht. Kannst du mir etwas über ihn erzählen?“

„Hat- hat Florian etwas angestellt?! Bitte tut ihm nichts!“ Ich bekam mehr Angst, nicht um mich, sondern um Florian. Er hatte doch noch nie Ärger, weder mit der Polizei noch mit sonst jemanden...Trotzdem nickte der Mann noch einmal.

„Und deswegen sind wir hier. Er ist nämlich nicht der liebe, nette Junge von nebenan. Er ist nichts geringeres als ein Massenmörder.“

Plötzlich drehte sich alles in meinem Kopf und mir wurde schwindelig. Florian? Ein Massenmörder? Das konnte nicht wahr sein. Und trotzdem erinnerte ich mich automatisch an all die Situationen, in denen ich ein ungutes Gefühl bei ihm hatte. Ich begann die Situation zu realisieren und eine andere Art von Angst überkam mich. Liebte ich wirklich einen Mörder?

Während ich noch in meinen Gedanken versunken war, mischte sich Serena ein.

„Fenrir, ist das nötig? Jonathan wird nicht erfreut sein, dass du ihr die ganze Mission erklärst.“

„Aber Schätzchen, wir retten sie gerade. Ich finde da ist es nur fair zu wissen, wovor man gerettet wurde, oder? Nicht wahr?“ Mit diesen Worten richtete er sich wieder an mich und erzählte weiter.

„Also, Sarahlein. Dieser junge Mann namens Florian steht auf unserer Liste. Er hat unzählige Menschenleben ausgelöscht und dich hätte es auch erwischen können. Wären wir nicht hier. Du kannst uns also ruhig dankbar sein.“

„Was...Aber...warum?“

Fenrir begann zu grinsen, als ob er auf diese Frage nur gewartet hätte.

„Weil er ein Vampir ist.“

Was? Aber Vampire gibt es gar nicht, das konnte also nicht wahr sein. Niemals!

Ich wollte den beiden genau das fragen, aber ich war so geschockt, dass ich nicht sprechen konnte. Ich hockte nur da, starrte auf den Boden und bemerkte nicht wie der Mann wieder aufstand und anfing auf mein Handy zu tippen.
 

Das Raubtier

Ich war schon fast an dem bekannten Altbau meiner Herrin angekommen und auch Loki erwartete mich. Diese Nacht sollten wir wieder auf Jagd gehen, doch dann klingelte mein Handy. Automatisch nahm ich es aus meiner Tasche und öffnete nichtsahnend die SMS. Als ich sie dann laß, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Ein eiskalter Schauer durchfuhr mich und es fühlte sich an als hätte mein Herz aufgehört zu schlagen. Ich war wie erstarrt.

Loki kam auf mich zu mit einem leicht genervten Ton.

„Was ist?“

Automatisch und monoton laß ich vor.

„Wenn du deine kleine Freundin wiedersehen willst, empfehle ich dir so bald wie möglich im Wald nördlich der Stadt zu erscheinen, Vampir. Bringst du jemanden mit, geht es ihr an den Kragen. Gezeichnet: deine Henker.“

Eine unheimliche Stille machte sich breit. Sogar Loki war schneeweiß vor Schreck.

Angst, Wut, Schrecken und schließlich die beklemmende Gewissheit, dass das kein Scherz war, schwirrten in meinem Kopf herum und hörten nicht auf. Langsam fingen meine Hände an zu zittern und Wut überkam mich. Ich war kurz davor mein Handy auf den Boden zu schmeißen, doch Loki hielt meine Hand fest und schüttelte nur den Kopf. Die Wut verflog so schnell wie sie gekommen war und was übrig blieb, war die Angst um Sarah.

Leise, fast schon flehend sprach ich.

„Was soll ich tun...?“

„Geh, wenn du sie wirklich liebst. Aber vergiss nicht, es wird das letzte sein was du tust.“

Ohne großartig an andere Alternativen zu denken, nickte ich und drehte mich um, um zu gehen, doch Loki hielt immer noch meine Hand. Erstaunt sah ich wie Loki mich traurig ansah. So hatte ich ihn noch nie gesehen.

„...Danke... Es war schön, dich kennen gelernt zu haben, Florian.“ Nun lächelte er mich an und ich sah, dass er es ernst meinte. Ich drehte mich komplett um und lächelte zurück.

„Ich hab zu danken. Mach’s gut Loki.“

Und damit drehte ich mich noch einmal um und lief los ohne zurück zu blicken.
 

Es war ein Lebewohl und das wusste ich ganz genau. Ich würde weder ihn noch Serafina je wieder sehen. Aber es ging um Sarah und sie sollte nicht noch mehr in diese Sache mit reingezogen werden.
 

Ende Kapitel 19

End

Das Raubtier
 

Ich wusste es von Anfang an, irgendwann würde es soweit kommen. Ein Monster wie ich konnte nicht ungestraft weiterleben. Und das war meine Strafe.

Erschöpft erreichte ich endlich den Wald und meine „Henker“. Ich roch sie bereits bevor ich die Lichtung betrat. Der Mond war schon aufgegangen als ich wort- und emotionslos vor ihnen stand. Genauso standen sie mir auch gegenüber, aber unsere Blicke sprachen Bände.

Sarah stand mit einem angsterfüllten Gesicht neben den beiden. Sie wollte sich aus dem Griff des schwarzhaarigen Mädchens befreien als sie zu mir rief.

„Florian! Renn! Sie wollen dich umbringen!“

Traurig blickte ich sie an.

„Ich weiß.“

Sofort hielt sie in ihrer Bewegung inne und starrte mich entgeistert an.

„Warum? Warum bist du dann hier?“

Ihre Stimme war nicht mehr als ein Wimmern. Sie schien die Antwort zu ahnen, wollte sie jedoch nicht wahr haben. Ich senkte meinen Blick; ich konnte ihr nicht mehr in die Augen schauen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit der Stille brach der Junge das Schweigen.

„Es freut mich, dass du doch noch gekommen bist. So ein kooperatives Opfer hatten wir noch nie. Noch ein paar letzte Worte an deine kleine Freundin?

Letzte Worte. Mir wurde meine Situation langsam bewusst und ich überlegte mir meine Worte gut. Also sprach ich ohne aufzusehen.

„Sarah...Es tut mir leid für alles, was du durchmachen musstest. Und auch, dass ich dich so belogen habe. Ich bin nichts weiter als ein Monster, ich habe es nicht anders verdient. Vergiss mich einfach.“

Die letzten Worte waren direkt an Sarah gerichtet. Mein Blick war versteinert und ich wartete auf eine Antwort.

„Nein...“ kam leise aus ihrem Mund. Sie wiederholte es lauter und schüttelte dabei den Kopf. Sie wollte es nicht wahr haben. Ich versuchte mich zusammen zu reißen.

„Geh jetzt.“

„Nein!“

Verzweiflung machte sich in mir breit; ich wollte nicht, dass sie meinen Tod mit ansieht.

„VERSCHWINDE!!!“

Das genügte um sie zum rennen zu bringen. Als sie außer Sichtweite war, fiel ich auf die Knie und weinte meine letzten Tränen.

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Die Beute:

Ich rannte. Ohne nachzudenken lief ich durch den Wald, bis ich endlich stehen blieb um Luft zu holen. Das ganze war ein Alptraum. Ich wollte endlich aufwachen, aber langsam realisierte ich, dass ich schon wach war. Ich drehte mich um und wusste nicht was ich tun sollte.

Ich erinnerte mich an die Zeit, die ich mit ihm verbrachte. Es gab zwar auch beängstigende Situationen, aber kein einziges Mal hatte Florian etwas getan, wo ich ihn für hassen könnte. Auch wenn ich jetzt wusste was er war, war er immer noch menschlich. Ich sah ihm an, dass er unter sich selber litt. Er hatte den Tod nicht verdient!

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Ewige Minuten verstrichen und ich wollte nur, dass er endlich den Abzug der Knarre drückte, die er an meine Schläfe hielt. Doch stattdessen sprach er.

„Es tut mir leid für dich. Aber es ist nun mal mein Job dich zu erlösen. Ich hoffe du findest deinen Frieden.“

Die Pistole knackte als er sich bereit machte abzudrücken. Schließlich löste sich ein Schuss und es wurde still. Zu still.

Gegen meinen Erwartungen lebte ich noch. Ich war unverletzt. Dieser Schuss hätte mich töten; mich treffen sollen. Nicht sie.

Sie? Sarah?

Emotionslos sah ich nach oben und starrte Sarah an. Sie hatte sich schützend vor mich gestellt und stand immer noch. Auch die beiden Jäger starrten sie entgeistert an. Keiner hatte erwartet, dass sie zurückkommen würde.

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Zitternd und erschöpft stand ich vor ihm. Denjenigen, der meine wichtigste Person fast erschossen hätte. Ich hielt seine Hand mit der Pistole hoch, sodass sie ihn nicht mehr treffen konnte. Langsam wurde mir der Schmerz an meiner Schulter bewusst; der Schuss hatte mich gestreift und mein Shirt wurde rot von Blut. Schwer atmend versagten meine Beine und ich fiel auf die Knie.

Keiner der Anwesenden war in der Lage sich zu bewegen. Dann hörte ich eine vor Schreck zitternde Stimme hinter mir.

„Sarah?! Was-?! Was tust du hier, hast du den Verstand verloren?! Ich habe dir gesagt du sollst verschwinden!“

„Ich will aber nicht...“

Ich sprach leise unter den Schmerzen und Tränen. Nachdem ich tief einatmete blickte ich Fenrir an und schrie.

„Warum? Er hat es nicht verdient zu sterben! Warum wollt ihr ihn dann umbringen?! Ihr habt mir zwar erzählt, er hätte viele Menschen getötet, aber schaut ihn euch genauer an! Sieht er so aus als wollte er das alles?!“

Meine Stimme fing an zu versagen.

„Bitte, lasst ihn leben...Er leidet doch so schon...“

Heiße Tränen liefen mir ununterbrochen die Wangen hinab.

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Wir warteten alle. Nur der Jäger lachte leise. Amüsierte ihn die Szene? Gefiel es ihm Sarah verletzt zu sehen? Er brach die Stille.

„Kaum zu glauben...Es gibt also jemanden der genauso dumm ist wie ich...“

Ohne etwas weiteres zu sagen, steckte er seine Pistole wieder ein und drehte sich um. Er ging; er tötete mich nicht. Ich war verwirrt, genauso wie Sarah.

„Warum...tötest du mich nicht?“

Er drehte sich nicht um, antwortete aber trotzdem.

„’Warum’ willst du wissen? Ich habe meine Meinung einfach geändert. Du bekommst noch eine Chance.“

Jetzt erst drehte er sich um und lächelte.

„Aber das nächste Treffen bleibt außerhalb meiner Arbeit!“

Und damit gingen beide Jäger und ließen uns allein.
 

Auch heute kann ich mein Glück kaum fassen. Wäre Sarah damals nicht zurückgekommen, könnte ich heute diese Zeilen nicht schreiben.

Doch ich frage mich immer noch, warum dieser Mann einfach gegangen ist, anstatt seine Arbeit zu machen?
 


 

ENDE

Sidestory

Die Jäger
 

Damals war es genauso. Dem Tod in die Augen zu blicken, trotz der eigenen Unschuld. Das Gefühl kannte ich... nur zu gut.
 

Es war kurz nach meiner Prüfung zu einem richtigen Jäger vor fünf Jahren. Ich war so stolz auf mich, wie ein kleines Kind stolz ist, sich ein Bonbon verdient zu haben. Sogar mein Lehrer lobte mich für meine herausragenden Leistungen.

Mein Lehrer war einer der besten: Er vergaß nie seine Pflicht und ihm entkam noch nie ein Vampir. Unter den Jägern war er als Jonathan bekannt. Ich sah zu ihm auf, wie zu einem Vater. Allerdings war er auch sehr streng. Er duldete keine Missachtung der Regeln, keine Disziplinlosigkeit und vor allem keine Schwäche.

Er sagte mir immer und immer wieder:

„Wenn du dein Zielobjekt verfolgst, denke immer daran, dass dein eigenes Leben dabei auf dem Spiel steht. Eine falsche Entscheidung und du bist tot. Es ist tödlich Emotionen mit auf deine Arbeit zu nehmen.“

Als Lehrling hatte ich mit diese Worte am besten eingeprägt und konnte sie im Schlaf aufsagen. Ich nahm sie als gegeben hin und zweifelte nicht an ihnen. Sie kamen immerhin vom Besten.

Doch wie schwer es tatsächlich war sie zu befolgen, fiel mir erst viel später auf.
 

Ich hatte bereits mehrere Missionen erfolgreich abgeschlossen und kannte die Tricks mancher Vampire. Mein Ego wuchs dadurch stetig. Das merkten vor allem die Mädchen in meinem Umfeld. Ich flirtete mit jeder und hatte natürlich Erfolg. Bis mir dieses eine Mädchen über den Weg lief. Im wahrsten Sinne des Wortes.
 

„Au! Passen Sie doch auf!“

„Ah, entschuldigen Sie vielmals, ich –.“

Und das war sie. Eine Schönheit wie ich sie noch nie gesehen hatte. Eine Porzellanpuppe mit eiskalten Augen und Haare schwarz wie die Nacht. Eine Art modernes Schneewittchen, nur mit kurzen Haaren.

„Ich wurde von ihrer Schönheit so geblendet, dass ich meinen Weg nicht mehr sah. Es tut mir wirklich leid. Darf ich Ihnen aufhelfen und Sie als Entschädigung zum Kaffee einladen?“

Jede andere hätte sofort eingewilligt, aber ihre Reaktion überraschte mich.

„Nein danke, aber einen Möchtegern-Casanova brauche ich nicht.“

Und damit ging sie auch wieder. Das war die erste Abfuhr meines Lebens. Von dem ersten Mädchen, in das ich mich wirklich verliebt hatte.
 

Natürlich ließ ich die Sache nicht auf sich beruhen. Ich traf sie öfters und mein Glück verließ mich immer wieder. Irgendwann schaffte ich es dann doch zumindest ihren Namen herauszufinden: Serena.

Von da an ging es bergauf. Es kam ein Date nach dem anderen und irgendwann waren wir auch zusammen.

Doch zu spät bemerkte ich meinen Fehler...

Als Vampirjäger hätte es mir auffallen sollen, doch ich war geblendet von ihr. Von dem ältesten Trick aller Vampire: ihre Anziehungskraft.
 

Ich starrte entgeistert auf das Blatt, dass vor mir lag. Darauf zu sehen war unsere nächste Zielperson: Serena.

„Aber Meister, das ist -!“

„Das ist?“

Ich zögerte zu antworten; ich wusste, dass mein Verhalten gegen seine Lehren ging. Doch auch mein Zögern konnte Jonathan verstehen.

„Kennst du sie etwa?“ Ich bemerkte sofort die Bedrohung, die von ihm ausging.

Mein Verhalten war unerwünscht, das wusste ich. Ich schaute auf den Boden und hoffte, er würde nicht weiter nachhaken, aber ich hoffte erfolglos. Er fuhr in einem aggressiveren Ton fort.

„Fenrir, kennst du dieses Mädchen?!“

Ich nickte stumm.

„Woher?“ Ich zögerte nur kurz, aber schon das provozierte ihn. Er nahm mein Kinn und riss es grob in die Höhe, sodass ich ihn ansehen musste.

„Schau mich an, wenn ich mit dir rede. Woher kennst du sie?!“

Ich schwieg immer noch und fing mir dadurch eine Ohrfeige ein. Er erwartete eine Antwort und ich hatte Angst ihn weiterhin zu reizen.

„Ich habe sie getroffen...vor einigen Monaten...“

Mit einem prüfenden Blick sah er mich an und wusste sofort, was ich meinte. Mit einem abfälligen Ton fuhr er herum und wollte gehen. Gehen um sie zu töten. Gezwungenermaßen ging ich mit.
 

Es war wie jede andere Mission. Nichts war anders, nichts außergewöhnlich. Nur für mich. Ich war dabei meine Liebe umzubringen.

Nun hockte sie da und sah nicht zu mir auf. Aber ich wusste, dass sie mich nicht hasste und das erweckte meine Schuldgefühle. Ich konnte sie nicht sterben lassen...

Jonathan zückte sein Schwert und machte sich bereit sie zu köpfen. Doch ich ließ es nicht zu.

Ohne nachzudenken stellte ich mich schützend vor Serena und das Schwert, das ihr Leben nehmen sollte, traf mich stattdessen. Ob es nun Glück war oder ob Jonathan tatsächlich noch die Richtung ändern konnte weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass sich meine Sicht rot färbte von dem Blut, das aus meinem linken Auge kam und Serena schrie hinter mir erschreckt auf. Schmerz durchfuhr mich und ich fiel auf die Knie, doch ich weigerte mich mein Bewusstsein zu verlieren.

Ich sah wutentbrannt zu Jonathan auf und er sah mich mit Verwunderung an. Diese Verwunderung änderte sich schlagartig in Wut.

„Was sollte das Fenrir?! Hast du vor dich für dieses Monster zu opfern?!“

„Sie ist kein Monster! Und sie wird es nie sein! Es war nicht ihre Schuld, dass sie ein Vampir ist!“

Hinter mir versuchte Serena mich zu beruhigen, doch ich schüttelte sie ab.

„Warum sollten wir sie töten, wenn sie keine Schuld hat?“

„Weil sie ein Vampir ist, du Spatzenhirn! Vampire töten Menschen und wir töten Vampire. Damit beschützen wir die Menschen!“

„Sie war einst ein Mensch! Und sie wollte ganz bestimmt nie ein Vampir werden! Warum sollten wir sie also bestrafen für etwas, was sie sowieso nie wollte?!“

Ich konnte nicht weitersprechen, denn meine Wut und meine Wunde raubten mir jegliche Kraft. Schwer atmend hockte ich auf dem Boden und wartete auf eine Antwort meines ehemaligen Lehrers. Doch es kam nichts. Ich befürchtete schon er würde mich zusammen mit Serena töten. Aber stattdessen steckte er sein Schwert zurück und drehte sich um. Kurz bevor ich dann doch ohnmächtig wurde hörte ich ihn noch:

„Und deswegen sollte man keine Emotionen bei der Arbeit zeigen.“
 

Wenig später wachte ich auf und mein Kopf ruhte auf Serenas Schoß. Sie hatte meine Wunde versorgt, doch mein Auge blieb blind und auch die Narbe würde die verschwinden. Doch das war mir egal, denn ich hatte mein Ziel erreicht. Sie lebte.

Seitdem haben wir uns versprochen Vampire gerecht zu verurteilen. Denn auch sie waren einmal Menschen.
 

Ende



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  kitty-Sakura
2012-06-28T18:42:08+00:00 28.06.2012 20:42
ich find deine ff echt gut gelungen
^^
richtig süß, das ende
Von:  Black-Rose-Mii
2010-01-30T11:49:06+00:00 30.01.2010 12:49
Leider hatte ich nicht vorgesehen genau zu sagen wann er zum Vampir wurde. Ich dachte mir man könnte es errechnen. Da er erst 2 Jahre lang ein Vampir ist und das der einzige Unfall ist, der beschrieben wurde. ^^° Trotzdem, danke für dein Kommi^^
Von:  Diana
2010-01-30T11:42:18+00:00 30.01.2010 12:42
Hey,
deine Story gefällt mir bisher ganz gut.
Ich frage mich, wie Florian wohl zum Vampir geworden ist?
Bei dem Unfall war er ja vermutlich schon einer und war der Unfall vielleicht geplant. Bremsen funktionieren ja meist nicht einfach so nicht. Wurde das Auto manipuliert?

Deine Charaktere gefallen mir gut. Lustig finde ich es, dass deine weibliche Hauptperson genauso heißt, wie ich xD
Vielleicht könntest du zwischendurch noch ein wenig auf die Umgebung eingehen und ein paar mehr Beschreibungen machen. Zum Beispiel auf dem Friedhof könnte man die Athmosphäre mit einigen Adjektiven wie düster etc beschreiben.

Zum Prolog. Ich finde ihn ganz gut. Recht dramatisch und kurz gehalten. Er wirft genug Fragen auf um Spannung zu erzeugen.

Ansonsten bin ich schon mal gespannt, wie es zwischen Sarah und Florian weitergeht.

lg
Diana


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