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Cocoon

von

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1. Kapitel

Hektisch rannte ich ihm Zimmer auf und ab. Das ging schon seit mindestens 2 Stunden so und ich hatte immer noch nicht alle Sachen im Koffer.

Laut hatte ich meine Anlange angestellt, die mich unentwegt mit den neusten Songs von Tokio Hotel beschallte.
 

Ich liebte diese Musik, aber besonders liebte ich den Gitarristen der Band, Tom. Mein sehnsüchtiger Blick flog im Vorbeigehen auf das überdimensionale Poster des Hip Hoppers an meiner Wand.

Ein Traumtyp schlechthin. Aber meine persönlichen Traumtypen waren immer stock hetero und dieser zusätzlich auch noch ein Megastar.
 

Ich würde ihn eh nie treffen, und wenn was sollte ich schon groß sagen, es würde eh kein Wort über meine Lippen kommen.

Seufzend wand ich mich meinem Kleiderschrank zu, das war jetzt eindeutig wichtiger als meine Schwärmerei.
 

„Wo ist denn noch mal... ah da...“ stand ich nuschelnd vor meinem Kleiderschrank. Endlich hielt ich die gewünschte Jeans in den Händen, um sie gleich in den Koffer zu stopfen.

Ich war eigen, wenn es darum ging was ich anzuziehen hatte. Und besonders, wenn ich diese Sachen für einen Kurztrip in den Koffer packen sollte.

Eigentlich nahm ich eh immer zu viel mit. Aber besser ich hatte alles dabei, als das mir dann doch was fehlte.
 

Mein Koffer quoll mit der Zeit allmählich über. Mit roher Gewalt und meinem Hintern auf dem Koffer bekam ich ihn anschließend doch zu.

Geschafft lies ich mich auf den Boden sinken. Dass packen aber auch immer so anstrengend sein musste.
 

Ein kurzer Blick zur Uhr lies mir fast das Blut in den Adern gefrieren. 13 Uhr und um 15 Uhr sollte der Zug gehen.

Jetzt wurde ich noch panischer. Immerhin wartete meine beste Freundin am Bahnhof auf mich.

Auch wenn sie wusste, dass ich ein notorischer Zuspätkommer war, diesmal wollte ich es wirklich pünktlich schaffen.
 

Ein letzter Blick in den Spiegel verriet mir, dass alles perfekt saß. Es war egal wo ich hin ging, ich wollte stets umwerfend aussehen.

Bei meiner Figur und meinem natürlichen Aussehen war das eh kein großes Problem. Dennoch, ohne schwarz geschminkte Augen, knalleng anliegende Klamotten und meinen gestylten Iro hätte ich nie das Haus verlassen.
 

Schnell steckte ich mir noch den ganzen Kleinkram in eine meiner übergroßen Handtaschen, bevor ich in meine Stiefel und eine meiner unzähligen Lederjacken schlüpfte, um nur kurz darauf mit dem Koffer im Schlepptau meine kleine Studentenbude zu verlassen.
 

Mehr als abgehetzt kam ich genau eine halbe Stunde später am Hauptbahnhof in Stuttgart an. Ich hasste Bahnhöfe zutiefst.

Lauter Menschen die im Stress ihre Umwelt vergaßen und mich mehr als nur einmal anrempelten. Ich liebte die Ruhe und Gemütlichkeit.

Großen Tumult hielt ich lieber von mir fern, außer wenn ich abends ausgiebig Party machen ging. Dann konnte ich nicht genug Menschen um mich herum haben.
 

Dann war es an mir bewundert zu werden, wenn ich meinen Arsch auf der Tanzfläche hin und her schwang und den einen oder anderen Flirt nicht ausließ.

Ja, in dieser Beziehung konnte ich zur kleinen Schlampe mutieren. Was aber nicht hieß, dass ich jeden an meinen umwerfenden Body ließ.

Nur Ausgewählte durften mich anfassen und vor allem auch küssen. Auf die anderen, mit ihren abgelutschten Anmachsprüchen konnte ich getrost verzichten.
 

Aber auf einen Menschen konnte ich gar nicht verzichten: Auf meine beste Freundin Kathy.

Wir kannten uns schon seit dem Kindergarten. Waren seit dieser Zeit durch alle Phasen unseres Lebens gemeinsam gegangen.

Besonders durch meine persönlich schwerste Phase, als ich mich selbst finden musste, als ich mir selbst lange nicht eingestehen wollte, dass ich auf Kerle stand.
 

Das war für uns beide nicht einfach gewesen. Ich war ihr unendlich dankbar, dass sie immer noch bei mir war, auch wenn ich sie damals behandelt hatte wie man höchstens mit seinem Erzfeind umging.
 

Kathy stand bereits mit ihrem kleinen, im Vergleich zu meinem auf jeden Fall, Koffer auf dem Bahngleis im Raucherbereich.

Ihr Blick flog durch die Gegend und als sie mich entdeckte zeichnete sich auf ihrem Gesicht ein breites Lächeln ab. Immerhin hatten wir uns schon seit einer Woche nicht gesehen.

Diese Woche kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Normalerweise sahen wir uns mal zwei Tage nicht und das war schon Horror.
 

Wie von der Tarantel gestochen ließ ich meinen Koffer mitten im Weg stehen, als auch ich Kathy zwischen den ganzen Menschen ausmachte und rannte auf meine beste Freundin zu.

Nach tausend Küsschen und festen Umarmungen eilte ich zurück zu meinem Koffer, der mittlerweile schon ziemlich an den Abgrund der Gleise gedrängt worden war.

Nicht auszudenken, wenn dieser den Abflug auf die Gleise gemacht hätte. Den Urlaub hätten wir getrost abblasen können.
 

„Oh man Kathy, ich bin so aufgeregt.“ Immer wieder zappelte ich auf seinem zweite Klasse Sitz herum.

„Bill du nervst, wir fahren noch 4 Stunden und du bist jetzt schon unerträglich.“ Augenrollend wand sie sich von mir ab, um die vorbeiziehende Landschaft zu genießen.
 

Ich hatte so starkes Verlangen nach einer Zigarette. Ich hätte eindeutig doch eine rauchen sollen, als wir noch am Bahnhof waren.

Vor lauter Hektik, hatte ich aber auch das vergessen. Ich war wirklich unerträglich, wenn ich nervös war.

Dann machte ich nicht nur mich selbst sondern auch meine ganze Umwelt verrückt. Ich musste mich dringend beruhigen, tief durchatmen und die Augen schließen, das half immer.

Das half dann allerdings so stark, dass ich innerhalb weniger Minuten in einen, wenn auch leichten, Schlaf fiel.
 

Jeder Halt des Zuges ließ mich aufschrecken. Ich wollte es nicht riskieren, dass wir unsere Umsteigemöglichkeit verpassten.

Kathy neben mir war mittlerweile nämlich auch nicht mehr unter den Wachen. Außerdem kenne ich mich, wenn ich einmal fest schlafe, dann könnte die Welt um mich herum untergehen, ich würde sicherlich nichts mitbekommen.
 

Interessiert schweifte mein Blick durch den Wagon. Wenn schon nichts mit Kathy anzufangen war, vielleicht wollte sich ja jemand anders um meine Aufmerksamkeit bemühen.

Man könnte jetzt meinen ich wäre arrogant, bin er aber nicht, ich weiß nur wie ich auf meine Außenwelt wirke.
 

Etwa die Menschen lieben mich oder sie hassen mich und ich kann nicht behaupten, dass es wenige Menschen sind die mich lieben.

Zufrieden grinsend lehnte ich mich zurück, auch wenn hier eindeutig keiner meinem Geschmack entsprach. Alles nur Businessleute auf der Durchreise oder Familien mit anstrengenden Kindern.
 

Kathy lehnte sich an meine Schulter und seufzte zufrieden. Behutsam strich ich ihr über ihre langen blonden Haare.

Würde ich auf Frauen stehen, wäre ich längst mit ihr zusammen, sie war nun mal eine Traumfrau, das musste sogar ich mir eingestehen.
 

Bisher waren jedoch alle ihre Beziehungen in die Brüche gegangen, was nicht weniger an mir lag. Ich war eben die Nummer 1, da hatte sich jeder Partner mit abzufinden.

Grinsend über diese Tatsache schloss auch ich wieder die Augen. Nur um sie 2 Sekunden später wieder aufzureißen, als ich die Durchsage hörte.
 

„Kathy… Kathy verdammt.“ Schüttelnd wollte ich meine Freundin wecken.

Erst nach einigen Minuten schlug sie die Augen auf. Ich zerrte derweil schon panisch an meinem Koffer.

Der Zug würde jeden Moment zum Stehen kommen und ich kämpfte immer noch mit diesem Monstrum. Warum musste ich aber auch immer so viel mitnehmen?

In solchen Momenten konnte ich mich darüber grün und blau ärgern.
 

Wenig später standen wir dann doch auf dem Hauptbahnhof von Hannover. Zufrieden zog ich an meiner langersehnten Zigarette.

„Herr Gott Kathy, wenn du länger gebraucht hättest.“ Ich wirkte immer noch mehr als aufgeregt.

Kathy war erst im letzten Moment aus dem Zug gehüpft. So schnell zu handeln war ihrem noch schlafenden Gehirn anscheinend nicht möglich gewesen.
 

„Schrei nicht so Bill, ich bin nicht taub.“ Sie war gereizt, mehr als gereizt.

Eingeschnappt drehte ich mich weg und beobachtete die Menschen die sich hier tummelten.

Gab es denn nur noch schlecht aussehende Männer? Nicht einen der wenigstens etwas akzeptabel war hatte ich heute gesehen.
 

Stark hoffte ich, dass das in Hamburg nicht auch der Fall war. Ein bisschen Spaß wollte ich dort doch schon haben. Auch ohne Kathy, wenn diese weiter so rumzicken würde.

Wir hatten uns noch nie richtig gestritten, auf das wollte ich auch nicht hinaus, aber ich würde nicht ihre schlechte Laune ertragen.

Schon allein, weil ich mich so lange auf diesen Kurztrip gefreut hatte. „Weiber“, nuschelte ich vor mich hin.
 

Die nächste Stunde sprachen wir beide nicht mehr viel miteinander. Auch im Zug herrschte eisernes Schweigen. Keiner von uns beiden wollte nachgeben.

Wenn es darum ging stur zu sein waren wir beide wie eineiige Zwillinge und wir beherrschten es perfekt.
 

Bei der Ansage, dass Hamburg die nächste Stadion sein sollte sprang ich auf und lief sofort zum Ausgang ohne auch nur auf Kathy zu warten.

Ich wusste wo es hingehen würde, immerhin hatte ich das Hotel rausgesucht und auch sonst den ganzen Rest organisiert.

Sie war also auf mich angewiesen, nicht ich auf sie und das konnte ich sie eiskalt spüren lassen.
 

Zufrieden registrierte ich, dass Kathy mir folgte. Was anderes blieb ihr auch wohl oder übel nicht übrig, auch wenn sie wahrscheinlich am liebsten sofort die Heimreise wieder angetreten hätte, das wusste ich.

So kalt war die Stimmung zwischen uns schon lange nicht mehr gewesen. Und wenn ich ehrlich war, ich wusste noch nicht mal genau warum.

2. Kapitel

Laut schlug ich die Tür in meinem Rücken zu. So was hatte ich wirklich nicht nötig, so würde Kathy nicht mit mir umspringen.

„Du kannst mich mal,“ schrie ich ihr noch durch die geschlossene Hotelzimmertür entgegen. Was bildete sich Kathy auch bitte ein?

Mir vorzuwerfen ich hätte sie doch eh nie gefragt, bevor ich den Urlaub geplant hatte. Sie war nicht zufrieden mit der Lage des Hotels, nicht zufrieden wie das Zimmer ausgestattet war, ihr war einfach gar nichts recht.

Und genau das alles hatte sie gerade an mir ausgelassen.
 

Wütend stapfte ich in Richtung Fahrstuhl. „Ich glaub du hast was vergessen.“ Mit einem lauten Knall pfefferte Kathy meine Lederjacke und Handtasche zu Boden.

Sie warf mich allen ernstes raus, aus dem Zimmer, dass ich ausgesucht hatte und ihr nicht passte.

Immer noch mehr als wütend schnappte ich meine Sachen vom Boden und verlies endgültig das Hotel. Sofort wehte mir ein frischer Wind entgegen, der mich leicht frösteln lies.
 

Die doch relativ dünne Lederjacke konnte auch gegen die frische Brise hier im hohen Norden nichts ausrichten. Ich hatte nicht wirklich eine Ahnung wo ich jetzt hin sollte.

Das war mein erstes Mal in Hamburg und bis auf die Touristenpunkte kannte ich gar nichts.

Aber ich würde auf keinen Fall vor der Tür betteln, dass sie mich wieder rein ließ, nie. Das hatte ein Bill Trümper nicht nötig, niemals.
 

Auf gut Glück ging ich in Richtung U-Bahn. Ich wollte jetzt am liebsten ans Wasser, an die Elbe und vor allem wollte ich allein sein.

Ich hasste es mich mit Kathy zu streiten. Nur diesmal hatte ich zudem noch das Gefühl, dass hinter unserem Streit nicht nur ihre Unzufriedenheit steckte.
 

Wir konnten doch sonst auch über alles miteinander sprechen, ohne dass es gleich im größten Zoff ausartete. Je mehr ich drüber nachdachte, umso stärker wurde der Druck auf meiner Brust.

Dennoch hielt ich die Tränen zurück, ich wollte keine Schwäche zeigen. Nicht hier, mit lauter fremden Menschen um mich herum.
 

Nur einige Minuten später saß ich in der U-Bahn in Richtung Hafen. Verloren blickte ich nach draußen und starrte auf die vorbeiziehende Schwärze.

Egal wie sehr ich auch darüber nachdachte, ich verstand Kathys Reaktion nicht. Der Urlaub war die reinste Katastrophe, das hatte doch schon gestern am Bahnhof angefangen.

Gestern Abend hatten wir schon nicht viel miteinander gesprochen, aber da hatte ich es auf die Anreise und die Müdigkeit geschoben.
 

Und jetzt? Was wenn sie mich heute Abend nicht ins Zimmer lassen würde? Wo sollte ich schon hin?

Und genug Geld für eine neue Unterkunft zu zahlen hatte ich auch nicht. Jedoch würde ich mich nicht entschuldigen, ich hatte keine Schuld, diesmal wirklich nicht.
 

Jetzt war es doch um mich geschehen, eine Träne nach der anderen bahnte sich den Weg über meine Wange. Ich hasste es zu weinen, dann verlief meine Schminke und ich wirkte sofort wie ein Häufchen Elend.

Genau so fühlte ich mich auch, scheiße, komplett scheiße.
 

„Station Landungsbrücke, Ausstieg in Fahrtrichtung rechts!“ Ich schreckte auf, hier wollte ich raus.

Mit den Armen fest um meinen zierlichen Körper geschlungen nahm ich die vielen Stufen von der Brücke hinunter in den Hafen. Kurz kramte ich noch meine Sonnenbrille aus der Handtasche, mit den verheulten Augen sollte mich keiner sehen.

Ein großes Schiff tönte wie zu meiner Begrüßung und ließ mich eher höhnisch schmunzeln. Das Bild, das sich mir bot war wirklich beeindruckend, genau so hatte ich mir das immer vorgestellt.
 

Dieses Erlebnis wollte ich doch mit Kathy teilen, aber jetzt schlenderte ich alleine auf das Geländer zu. Meine Arme fanden den Weg über das Geländer und ich sank mit dem Oberkörper leicht nach unten.

Ich konnte das hier nicht genießen, dafür fühlte ich mich viel zu sehr im Stich gelassen.
 

„Was soll nur diese verdammte Scheiße? Ich versteh es nicht“, murmelte ich leise vor sich hin. Die Stille um mich herum machte mich gerade komplett wirr, da war es mir nur recht, wenn ich wenigstens meine eigene Stimme hörte.

Je länger ich am Ufer stand und auf die Elbe hinaus blickte, desto mehr schwamm meine Selbstbeherrschung fort. So als würde das Wasser sie einfach mit sich nehmen.
 

Meine Knie begannen mit einem Mal zu zittern, ein lautes Schluchzen verließ meine Kehle und ich krallte mich fest ins Geländer. Ohne Kathy war ich nicht der Selbe, dann blieb nicht viel von der Arroganz die ich manchmal ausstrahlte.

Meine Gefühle überfielen mich, ich konnte mich absolut gar nicht dagegen wehren. Mit einem Mal fand ich mich auf dem Boden wieder, das Gesicht in den Händen vergraben und fast lautlos weinen.
 

Nur am schnellen Heben und Senken meines Brustkorbs und dem ständigen Beben meines restlichen Körpers war zu erkennen was überhaupt mit mir los war.

Ich machte mich so klein wie möglich, am besten es sah mich so niemand. Wenn ich könnte wäre ich auf der Stelle unsichtbar geworden.
 

„Kann ich dir helfen? Ist alles okay?“ Sachte wurde ich an der Schulter berührt.

Es war mir peinlich, dass mich jetzt auch noch jemand auf meine Situation ansprach. Konnten mich nicht alle in Ruhe lassen? Ich wollte doch nur alleine sein.

Mein Versuch die Person neben mir abzuschütteln wurde gekonnt ignoriert. „Du holst dir noch den Tod, wenn du hier sitzen bleibst. Ich bring dich nach Hause.“ Nach Hause war gut, ich hatte hier kein zu Hause.
 

Zurück ins Hotel würde ich vor heute Abend nicht gehen und wenn es wirklich sein musste würde ich auch die ganze Nacht auf der Reeperbahn verbringen. Ich würdigte den Hilfeversuchen keine weitere Beachtung, irgendwann würde der Kerl neben mir schon aufgeben.

Das war das Einzige was ich an der Stimme erkannt hatte, die Person neben mir war ein Mann und einer mit einer verdammt sympathischen und mir dazu noch so bekannt vorkommenden Stimme.
 

„Ich brauch keine Hilfe...“ Ein herzzerreißendes Schluchzen verließ meinen Mund. Ich sollte eindeutig nicht reden, wenn ich heule. Besonders wenn ich nicht mal im Geringsten die Lust verspürte mich mit seinem Nebenmann überhaupt zu beschäftigen.

„Ich lass dich bestimmt hier nicht so sitzen, also stell dich nicht so an.“ So langsam wurde der Kerl neben mir ungeduldig. Was ihn dazu verleitete mir überhaupt zu helfen wusste ich nicht mal, ich spürte nur diesen unglaublichen Drang, dass er mir unbedingt helfen wollte.
 

Sachte wurde ich unter den Armen gepackt und in eine aufrechte Position gestellt. Ich wehrte mich nicht mal dagegen, auch wenn ich doch viel lieber wieder sitzen wollte.

Nur ein Murmeln war immer wieder von mir zu vernehmen. „Geh weg... kümmere dich um deinen eigenen Kram.... lass mich...“
 

Ein Lufthauch wehte um uns beide herum und ich sog den Duft meines Gegenübers tief ein. Dieser roch unwahrscheinlich gut, männlich aber es mischte sich doch eine süße Note unter den herben Geruch.

Irgendwie benebelte mich dieser Duft sofort, denn ich hörte schlagartig auf zu weinen und genoss nur noch diesen Geruch um mich herum.
 

„Alles okay mit dir? Was ist denn überhaupt los?“ Die starken Arme hielten mich noch immer fest und ich hatte nicht vor mich in nächster Zeit von diesen zu befreien.

Wenn dieser Typ schon so gut roch, wie umwerfend würde er dann erst aussehen? Nur langsam richtete ich meinen Kopf auf. Ich konnte nicht leugnen nervös zu sein den Typ anzusehen.
 

Doch als meine Augen auf das Gesicht meines Gegenübers trafen hatte ich das Gefühl mir würde der Boden unter den Füßen erneut weg gezogen werden. Wie von allein knickte ich ein, wurde aber gleich wieder nach oben gezogen.

„Ich glaub ich bring dich ins Krankenhaus, du kippst mir hier gleich wieder weg.“ Die Panik in der Stimme war nicht zu überhören. „Nein, ich brauch keinen Arzt, bestimmt nicht.“
 

Fassungslos traf mein Blick wieder auf die braunen Augen, die mich so sorgenvoll musterten. Ich hätte so gerne irgendetwas gesagt, aber mir fehlten jegliche Worte.

Da stand doch echt mein Traumtyp vor mir, genau der den ich erst gestern Morgen noch auf dem Poster an meiner Wand angehimmelt hatte.

Das musste ein Traum sein und ich würde jeden Moment aufwachen und immer noch auf dem kalten Boden sitzen.
 

„Aber du musst ins Warme. Wo kann ich dich hin bringen?“ Toms Stimme riss mich aus seinen Gedanken, brachte mich zurück in die Realität. Diese war nun mal, dass Tom mich wirklich hielt und sich um mich sorgte.

„Ich weiß nicht, ich bin nicht von hier.“ Oh Gott mir war das alles so peinlich. Warum musste auch gerade Tom mich hier so finden?

Ich bekam gar nicht richtig mit, dass Tom mittlerweile neben mir lief und mich sachte an der Hüfte führte.
 

„Dann nehme ich dich mit zu mir, auch wenn ich so was eigentlich nicht mache.“ Tom führte mich geradewegs zu seinem Auto. Von Weitem wurde die Zentralverrieglung geöffnet.

Wenig später befand ich mich auch schon auf dem Beifahrersitz von Toms Audi R8. Wie oft ich mir gewünscht hatte, einmal mit diesem Auto mitfahren zu dürfen.
 

Egal mit oder ohne Tom. Aber, dass dieser jetzt sich noch neben mich setzte und den Motor startete, lies mich nur verwirrt den Kopf schütteln.

Mein Herz schien in jeder Faser meines Körpers zu pochen und ich hätte schwören können knallrot zu sein. Zumindest fühlten sich meine Backen furchtbar warm an.
 

„Danke.“ Es war nur sehr leise, aber ich bin mir sicher, Tom konnte es trotzdem hören. „Kein Problem. Ach ja, ich bin übrigens Tom.“

Dieses unverschämte Lächeln, das mir daraufhin entgegen strahlte brachte mein Herz noch schneller zum Schlagen. Fast hätte ich ihm gesagt, dass ich ganz genau wusste wer er war, aber ich biss mir erfolgreich auf die Zunge bevor ein Wort meinen Mund verlassen konnte.

Meinen Namen wollte ich Tom dann aber doch nicht vorenthalten. „Ich bin Bill.“

3. Kapitel

Die gesamte Fahrt über herrschte Schweigen zwischen uns beiden. Mir war es immer noch unangenehm neben Tom zu sitzen, neben Tom Kaulitz von dem ich schon so oft geträumt hatte.

Meine Gedanken an Kathy waren wie weg geblasen. Zum ersten Mal an diesem Tag war ich ihr sogar dankbar, dass wir uns gestritten hatten, auch wenn es mir lieber gewesen wäre ich könnte das hier haben ohne diesen Streit.
 

Angespannt lehnte ich mich im Sitz zurück und genoss die Geschwindigkeit die die 510 PS starke Maschine unter mir erzeugte. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen.

Meine Gefühle rissen mich hin und her, der Streit mit Kathy setzte mir immer noch ganz schön zu, aber auch das Kribbeln in meinem Körper aufgrund Toms Anwesenheit ließ mich nicht in Ruhe.
 

Tom bog in eine etwas ruhigere Wohngegend ein. Ich kannte diese Straßen von Bildern und Videos von anderen Fans, die sich hier öfter herumtrieben.

Ich konnte es nicht glauben, dass Tom mich wirklich schnurstracks mit ins Studio nahm.

„Wir sind gleich da, noch ein paar Straßen.“ Das waren die ersten Worte die Tom sprach seit wir los gefahren waren. Ich konnte nicht einschätzen was in Tom vorging, warum er mich mitnahm ohne mich überhaupt zu kennen.
 

„Dann bekommst du erstmal einen Kaffee. Du trinkst doch Kaffee, oder?“ Ich seufzte. Tom roch und sah nicht nur gut aus, er war auch noch verdammt nett.

„Ja, ich liebe Kaffee. Am besten ganz schwarz.“ Bei dem Gedanken zeichnete sich ein Lächeln auf meinen Lippen ab.

Mit Kaffee war ich immer zu bekommen, ich war richtig süchtig nach diesem Zeug.
 

Wir fuhren einen kleinen Kiesweg vor das Studio. „Äh ja, da wären wir also. Wunder dich nicht wenn du rein gehst, das ist keine normale Wohnung.“

Zum ersten Mal war Unsicherheit in Toms Stimme zu erkennen. Vielleicht war es doch an der Zeit, dass ich sagte, dass ich genau wusste wo wir hier waren.
 

Langsam drehte ich meinen Kopf in Toms Richtung, der mittlerweile schon den Motor ausgeschaltet hatte und gerade die Handbremse zog.

„Ich weiß Tom, also ich weiß wo ich bin. Ich kenn dich und die Anderen natürlich, mehr als du denkst.“ Ich konnte Tom nicht ansehen während ich sprach, es war mir unangenehm.

Würde Tom mich nun nicht mehr mit nehmen? Mich wieder zurück fahren?
 

Doch Tom begann nur zu lachen, ein ehrliches Lachen. „Erzähl mir nicht, dass du Fan von uns bist und ich den wohl fast einzigen männlichen Fan gefunden hab.“

Tom bekam sich gar nicht mehr ein. Ich hatte keine Ahnung wie ich darauf reagieren sollte, ich fühlte mich komplett überfordert.
 

Erst als die Tür neben mir geöffnet wurde realisierte ich, dass Tom bereits ausgestiegen war und mich nun zum Selbigen aufforderte. Mit wackligen Beinen stieg ich aus dem Auto.

Ich war mir immer noch sicher jeden Moment aus einem wunderschönen Traum aufzuwachen.
 

Tom legte sachte seinen Arm um meine Schulter, als wir gemeinsam zum Eingang des Studios liefen. Anscheinend war ihm die Gefahr noch immer zu groß, dass ich ihm hier gleich wieder zusammen klappte. Das Risiko wollte er wohl nicht eingehen.

„So und wenn wir erstmal drin sind erzählst du mir alles, okay?“ Ich konnte nur nicken, das war ich Tom immerhin schuldig.

Am liebsten hätte ich mich noch viel mehr an ihn gedrückt, aber das wäre wohl mehr als unpassend gewesen.
 

Wenig später fand ich mich auch schon auf der Couch in einem großen Zimmer wieder. Tom hatte sich kurz verabschiedet und war wie ich vermutete in die Küche gegangen.

Nervös knetete ich meine Hände, ich fühlte mich unsicher aber keineswegs unwohl. So wirklich hatte ich eh noch nicht realisiert wo ich war und besonders wer bei mir war. Aufgeregt flog mein Blick im Raum hin und her.
 

Überall standen dunkle Möbel und an den Wänden hingen ein paar goldene Schallplatten die die Band bekommen hatte. Ich konnte nicht länger sitzen bleiben und sah mir die Auszeichnungen von Nahem an.

Andächtig fuhr ich mit dem Finger über das Glas und las die verschiedenen Beschriftungen.
 

Lautes Stimmengewirr drang an meine Ohren, was mich dazu veranlasste einen Blick in den langen Flur zu werfen. Ich traute meinen Augen kaum, dort standen tatsächlich Georg, Gustav und Sven.

„Hey, ich hab doch gesagt du sollst lieber sitzen bleiben.“ Ich wirbelte herum. Tom stand grinsend vor mir und hatte ein Tablett mit zwei Tassen Kaffee und ein paar Knabbersachen in der Hand.
 

Mit einem entschuldigten Blick setzte ich mich zurück auf die Couch. Tom fand seinen Platz neben mir und reichte mir die Tasse Kaffee. Mir tat es unwahrscheinlich gut etwas Wärme von innen zu bekommen.

Aber es war nicht wirklich die Wärme des Kaffees die ich so intensiv spürte, sondern Toms Nähe.
 

Sachte berührten sich unsere Schultern und Toms Hand lag ziemlich nahe an meinem Bein.

Interessiert musterte ich meine Tasse, mir fehlten die passenden Worte um irgendetwas zu sagen. Da erschien mir der Kaffee doch wesentlich interessanter wie er so in der Tasse hin und her schwappte.
 

Zum Glück war es Tom, der das Schweigen unterbrach. „Möchtest du mir sagen warum du so verzweifelt am Hafen gesessen hast? Oder mir irgendetwas anders über dich erzählen? Ich kenne bis jetzt ja nur deinen Namen.“

Ich wusste nicht wo ich anfangen sollte und ob ich, wenn ich denn endlich einen Anfang fand auch wieder ein Ende nehmen konnte. Ich wollte Tom nicht gleich tot quatschen.

Das war wirklich eine lästige Angewohnheit die ich an den Tag legte, vor allem wenn ich mich wohl fühlte.
 

Lieber nahm ich noch mal einen großen Schluck Kaffee zu mir. Tom sah mich immer noch so auffordernd an, seine braunen Augen bohrten sich förmlich in meine Seite.

„Herrje Tom, das ist alles nicht so einfach.“ Eine kurze Pause entstand bevor ich mich traute weiter zu sprechen.

„Also eigentlich komm ich aus Stuttgart…“ Und ab diesem Satz war ich in meinem Element.
 

Meine Nervosität schwand von Wort zu Wort und ich redete mich in einen richtigen Rausch.

Es machte mir sichtlich Spaß zu sehen, wie Tom sich ehrlich für mich interessierte.

Ein Schmunzeln lag auf Toms Lippen, als er jedes Wort von mir in sich aufsaugte.

Ab und zu durchbrach ein Lachen von beiden Seiten meinen starken Redefluss.
 

Es war nicht zu leugnen, dass wir uns sehr gut verstanden, auch wenn ich überwiegend sprach. Wir saßen nun jetzt schon über eine halbe Stunde zusammen.

Die Tassen waren schon vor langer Zeit leer getrunken worden aber keiner von und beiden machte Anstalten unser Beisammensein auflösen zu wollen. Als ich auch die Geschichte mit Kathy erzählt hatte wurde mir schlagartig wieder bewusst warum ich überhaupt hier war.
 

Meine Augen sanken zu Boden und mein Gesicht nahm wieder diesen traurigen Ausdruck an. Mein eben noch so strahlendes Lächeln verwandelte sich zu einem unechten Schmunzeln und ich hätte am liebsten wieder angefangen zu weinen.
 

Tom legte sachte seine Hand auf meine Schulter, streichelte sanft hin und her. „Denkst du nicht ihr solltet einfach mal richtig drüber reden. Es hat sich nicht so angehört, als hättet ihr das.“

Tom hatte Recht mit dem was er sagte, das wusste auch ich. Aber mein verdammter Sturkopf würde mich niemals dazu bringen bei ihr angekrochen zu kommen.

„Nein Tom, nein. Ich will nicht, dann heul ich mir lieber die Augen aus dem Kopf.“
 

Tom verstand meine Reaktion nicht, das war nicht zu übersehen. Die Angst die mich kurz beschlich, dass Tom nun vor mir zurück weichen würde, blieb unbegründet.

Anstatt mich abweisend zu behandeln legte er seinen Arm noch weiter um mich und zog mich mehr zu sich.
 

Fast schon Schutz suchend lehnte ich mich an Tom. Eigentlich hatte ich schon vergessen wer Tom überhaupt war, es war einfach nur schön in seiner Nähe zu sein.

Einzelne Tränen kullerten doch über meine geröteten Wangen und wurden von Toms großem Shirt aufgefangen. „Hey… shhhh… beruhig dich, ich bin ja da.“

Genau diese Tatsache tat verdammt gut. Ich wollte auch gar nicht, dass Tom so schnell wegging.
 

Viel zu schön war dieses Gefühl, dass ich in seiner Nähe empfand. Dieses aufgeregte aber zugleich beruhigende Herzklopfen und das leichte Kribbeln in meinem Bauch.

„Tom?“ Fragend sah ich zu ihm herauf. Das was ich ihn jetzt fragen wollte, war mir doch unangenehm, aber einen Versuch auf jeden Fall wert.

„Darf ich heute hier bleiben? Bei dir?“

4. Kapitel

Ich rutschte ein Stück weg von Tom. Gerade war Nachdenken vor dem Sprechen wohl nicht meine Stärke gewesen.

Eine Antwort wollte ich gar nicht, ich wusste eh, dass ich knallhart eine Abfuhr kassieren würde. Tom saß immer noch mit dem gleichen Grinsen und in der selben Position auf der Couch.

„Klar!“ Dieses eine Wort ließ meinen Körper schaudern.

Hatte Tom wirklich gerade ja zu meiner mehr als aufdringlichen Frage gesagt? Nein, ich musste mich bestimmt verhört haben.
 

Ganz sicher, dass ich doch richtig verstanden hatte war ich erst, als sich Toms Griff um meine Schulter wieder verfestigte. Perfekt passte sich mein zierlicher Körper Toms Seite an. Keiner von uns beiden sprach ein Wort, das war auch nicht nötig.

Die Stille die uns umfing war angenehm, zeigte, dass auf wundersame Weise schon nach wenigen Stunden, die wir uns kannten, Sympathie füreinander entstanden war. Bei mir sogar etwas mehr.
 

„Tom, ich wollte fragen ob…“ Georg stand mit offenem Mund in der Wohnzimmertür, unfähig seine Frage zu Ende zu stellen.

Irritiert betrachtete er das Bild, das sich ihm bot, wohl nicht in der Lage es einzuordnen. Tom hingegen verdrehte leicht genervt die Augen.

„Was Georg? Halt dich kurz, ich will meine Ruhe.“ Nichts von seiner sanften und ruhigen Stimme gegenüber mir war mehr übrig. Irgendwie war zu spüren, dass Tom sich bei irgendetwas ertappt fühlte.
 

Auch mir war das nicht entgangen, denn ich versuchte unseren Kontakt zu lösen. Jeder noch so kleine Versuch mehr Abstand zwischen uns zu bringen wurde mit einem noch festeren Griff erwidert. Deshalb gab ich mich schließlich geschlagen.

„Ähm ja. Wir wollten später noch in einen Club, aber wie ich sehe hast du ja schon was vor.“ Die Zweideutigkeit in Georgs Stimme war nicht zu überhören, fast schon aufdringlich.
 

Es dauerte keine zwei Minuten, da war Georg auch schon wieder verschwunden. „Was der jetzt denkt?“ Kam es ganz leise über meine Lippen, die ich kurz zuvor mit meiner Zunge befeuchtet hatte.

„Mir relativ egal. Dieser Trottel sollte eigentlich wissen, dass ich nicht schwul bin.“ Boom, das hatte gewaltig gesessen.

Was hatte ich denn auch erwartet? In welcher Traumwelt lebte ich eigentlich? „Ja klar… sicher…“
 

Nur stotternd war es mir möglich mich überhaupt auszudrücken. Diese Aussage setzte mir mehr zu, als ich mir selbst eingestehen wollte.

Mir war doch schon lange klar, dass so ein Kerl wie Tom nie was mit einem Mann anfangen würde. Aber seine liebevolle Art mir gegenüber hatte mich das komplett vergessen lassen.
 

„Vielleicht sollte ich doch nach Hause bzw. ins Hotel zurück. Ich meine, wenn ihr losziehen wollt. Du musst wegen mir…“ Mein Redefluss wurde von Toms Finger, der sich sanft auf meine Lippen legte, gestoppt.

Diese Geste reichte aus um zu zeigen, dass ich Müll labberte. Tom würde mich heute um keinen Preis in der Welt gehen lassen, dass konnte ich tief in mir spüren.
 

Eins wusste ich sicher, ich wollte mehr über Tom erfahren, Teil seines Lebens werden. Ein Freund von ihm werden, wenn sich jetzt schon die Chance dazu bot.

Ich rappelte mich auf und löste somit die Umarmung von Tom. Meine Gefühle spielten mit mir, fuhren Achterbahn ohne Zwischenstopp. Dieses Kribbeln überall und das starke Herzklopfen machten mir selbst ab und an etwas Angst.
 

Tom war nun mal mein Traumtyp, jetzt da ich ihn kannte noch mehr als zuvor. Gerade fühlte ich mich wirklich schlimmer als jeder Groupie, der nur auf das Eine aus war, auch wenn es mir darum ja gar nicht ging. Mein Blick studierte Toms perfektes Gesicht.

Die vollen Lippen mit dem glitzernden Metallring luden eindeutig zum Küssen ein.

Die treuen, braunen, wunderschönen Augen zum darin versinken.

Die kleine Stupsnase rundete das perfekte Bild ab.

Ja perfekt, dass war Tom eindeutig für mich.
 

„Na dann zeig ich dir mal mein Reich hier. Komm mit!“ Mir war gar nicht aufgefallen, dass Tom mittlerweile vor mir stand und mir auffordernd die Hand entgegen streckte.

Wieder viel schüchterner als noch die ganze Zeit zuvor, legte ich meine Hand in Toms.
 

Es war wie ein Blitz, nein ein ganzes Gewitter, das diese Berührung in mir auslöste.

Vergebens versuchte ich mir einzureden, dass diese Gefühle sinnlos waren, dass ich mich nur ins Unglück stürzte. Doch es half nichts, mein Körper besiegte meinen Verstand mit deutlichem Abstand.
 

Nur langsam erhob ich mich von der Couch. Irgendwie war mir nicht wohl bei dem Gedanken gleich in Toms Zimmer zu stehen.

Meinem Empfinden nach war ein Zimmer das Privateste was ein Mensch haben konnte, zumindest war meines das für mich. Hier drückte ich mich aus, zeigte was ich liebte und was mich bewegte.
 

„Na komm schon. Ich hab keine gefährlichen Tiere oder so was.“ Toms Lachen erfüllte den Raum was mich sofort schmunzeln lies. Was war auch schon dabei?

Ich würde einen kurzen Blick hinein werfen, einen klitzekleinen, mir etwas zum Anziehen für die Nacht geben lassen und dann die Couch beziehen.
 

Langsam schritten wir zusammen die lange Treppe nach oben in die erste Etage. Mit jedem weiteren Schritt begann mein Herz fester und lauter zu pochen.

Immer wieder befürchtete ich in jedem Moment aus einem Traum aufzuwachen und dann doch noch weinend und allein an der Elbe zu sitzen.

„Da wären wir.“ Die Tür wurde aufgemacht und ich hatte freie Sicht in Toms Reich.
 

Wie eine Katze schlich ich mich Schritt für Schritt weiter ins Zimmer. Tom hingegen blieb entspannt im Türrahmen stehen und beobachtete mich, sein Blick brannte sich fast in meinen Rücken.

Ich fühlte mich dadurch nicht mal beobachtet, eher streichelte mich Toms Blick was mir eine Gänsehaut bescherte.
 

„Tom? Hast du das selbst gemacht?“ Mit meinem Ringfinger deutete ich auf ein großes Graffiti direkt am Kopfende von Toms Bett.

„Das ist echt gut. Ich meine du hast Talent, wirklich. Weißt du ich studiere doch Design und als Nebenfach Kunst, ich sehe so was schon.“ Meine Hände fuhren die Konturen der Buchstaben nach.

Das Graffiti war wirklich mehr als sauber gesprüht worden, ich konnte keinerlei, nicht mal geringe Fehler, entdecken.
 

„How can I connect to you!“ Natürlich war es einfach diesen Satz zuzuordnen, doch genau das brachte mich ins Grübeln.

Jede andere Zeile aus diesem Song hätte ich erwartet aber gerade die nachdenklichste und wohl auch gefühlvollste nicht.

„Ach das ist kein Meisterwerk. Aber es hat schon eine große Bedeutung für mich.“ Tom hatte nun auch das Zimmer betreten und stand direkt neben mir.
 

Ich drehte meinen Kopf etwas mehr um Tom anzusehen. In diesen Augen lag gerade etwas Verletzliches, sogar ein Schimmer von Traurigkeit.

Ich lächelte Tom trotzdem an, ich wollte ihn nicht so sehen, es tat mir weh. Es passte nicht so ganz in das Bild, das von Tom immer in den Medien vermittelt wurde.
 

Aber dieses Image hatte ich eh schon in den Müll geschmissen, als ich zum ersten Mal in Toms warme, braune Augen geblickt hatte. Tom war anders, das spürte ich und dieses Anders war noch schöner, als ich es mir hätte vorstellen können.

So in Gedanken versunken merkte ich nicht einmal, dass ich schon wieder dabei war Tom einfach nur anzusehen.
 

„Hörst du mir zu?“ Verwirrt schüttelte ich mein schwarzes Haupt. Wie peinlich.

„Oh äh sorry, ich war gerade na ja...“ „Wo anders.“ Tom sprach für mich meinen zusammen gestotterten Satz zu Ende, da hatte ja auch nichts anderes jetzt kommen können.

„Ich hab vorgeschlagen, dass wir es uns hier jetzt gemütlich machen. Ich schiebe unten eine Pizza in den Ofen und du suchst dir eine gute DVD aus.“
 

Tom war keine Sekunde später aus dem Zimmer verschwunden. Ich fühlte mich unwohl alleine. Suchend sah ich mich im Raum um.

Wo hatte Tom noch mal hingezeigt wegen den DVD's? So unverschämt sein und alle Schränke durchsuchen wollte ich auch nicht.

Dann fiel mir ein großes, schwarzes Regal neben dem Fenster auf. Mit dem Zeigefinger fuhr ich über einige Hüllen. The fast and the furious, Jumper, alle Staffeln von King of Queens.
 

Tom musste echt ein Sammler sein, so viele Filme wie sich hier stapelten. „Lust, Liebe und mehr!“ Laut las ich einen der vielen anzüglichen Titel vor, woraufhin ich in schallendes Gelächter ausbrach.

Tom tat nicht nur so, der besaß die Dinger auch noch wirklich. Prüfend nahm ich einen der Filme aus dem Regal.
 

Wirklich anziehend fand ich die Abbildung auf dem Cover nicht. Was natürlich auch daran gelegen haben könnte, dass ich generell auf Männer stand. Klar, ich hatte auch schon den ein oder anderen der Streifen gesehen, aber meistens mit 2 knackigen Kerlen in den Hauptrollen.

Den weiteren Beweis, dass Tom also zu 100% nicht schwul war und auch nicht bi, hielt ich nun in meinen Händen. „Schade, schade.“
 

„Was ist schade?“ Ich zuckte augenblicklich zusammen. Wann war Tom bitte wieder zurück gekommen?

Wild fuchtelnd versuchte ich die DVD wieder an ihren ursprünglichen Platz zu bekommen. Allerdings landete sie nicht im Regal sondern mit einem Scheppern auf dem Boden.
 

Mit knallrotem Kopf fiel ich gleich auf die Knie um die DVD wieder in die Hülle und dann ins Regal zu stellen. Wenig später saß Tom allerdings schon neben mir, um mir zu helfen.

Am liebsten wäre ich sofort im Erdboden versunken, als Tom die DVD an sich nahm und mit weit aufgerissenen Augen auf das Cover starrte.

„Ah ja... ähm... hast du die also auch entdeckt. Aber zusammen... also ich... gucken tun wir das nicht.“
 

Ein etwas schüchternes Grinsen lag auf Toms Lippen. Auch ihm schien die Situation peinlich zu sein.

Schnell wie der Blitz war ich aufgestanden und auf dem Weg raus aus dem Zimmer zur Tür. Weg, weg, weg, das war alles was ich wollte.

„Bleib hier!“ Tom hatte nach meinem Arm geschnappt und hielt mich nun fest. „Du gehst heute nirgends mehr hin.“

5. Kapitel

Mit leichten Tränen in den Augen schnellte mein Kopf in Toms Richtung. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, ich hasste solche Momente.

Solche Momente in denen man seinen Gegenüber nur ansieht, eine gewisse Spannung fühlt, aber unfähig ist etwas zu tun. Und genau so ein Moment war das gerade zwischen uns beiden.

Tom fing als Erster seine Fassung wieder, löste sich von mir und widmete sich dem DVD Regal.
 

„Da du dich anscheinend nicht entscheiden kannst gucken wir 2012. Den hab ich, aber pssst, frisch aus dem Netz gezogen.“ Tom war genauso wie vor dem Vorfall eben und auch sein Checkergrinsen war auf sein Gesicht zurück gekehrt.

Seufzend setzte ich mich auf die Bettkante und sah Tom dabei zu wie er den Fernseher zum Laufen brachte. Meine Gedanken polterten wie wild.
 

Was war das eben gewesen? Es war wie wenn ich hätte in Tom hinein sehen, seine Seele fühlen, können. Das war mir mehr als unheimlich, weil ich solche intensiven Gefühle nicht kannte.

„Ich bin noch mal weg die Pizzen holen. Mach's dir gemütlich, wie zu Hause.“ Ich allerdings rührte mich keinen Millimeter, auch nicht als Tom wieder nach unten verschwunden war.
 

Erneut fragte ich mich warum er überhaupt noch hier war. Ich wollte und konnte nicht verstehen was hier abging, warum sich Tom mir gegenüber so verhielt.

Völlig weggetreten starrte ich vor mich hin, wobei mein Oberkörper leicht vor und zurück wippte. Das war eindeutig alles zu viel für mich heute.

Der Streit mit Kathy, dann Tom der aus heiterem Himmel auftaucht und mir hilft, und zu guter Letzt auch noch diese undefinierbaren Gefühle.
 

„Pizzaservice! Ich denk mal du magst Salami?“ Tom war wieder, mit 2 Tellern auf den Händen balancierend, zurück gekommen.

Von mir konnte er keine Antwort erwarten, viel zu sehr war ich mit mir sich selbst beschäftigt. Erst als Tom mir meinen Teller auf den Schoss stellte und dieser herunter zu rutschen drohte, schreckte ich auf.
 

„Hhhmm lecker Salami, danke.“ Meine Stimme war beim Sprechen sehr piepsig und es war nicht zu überhören, dass ich nur körperlich anwesend war.

Tom platzierte sich dicht neben mir auf dem Bett. Vor uns flackerten die ersten Bilder des Films auf und komischerweise entspannte ich mich genau in diesem Moment.

Ich kickte meine Schuhe von den Füßen, schob mich nach hinten ans Bettende und begann genüsslich die Pizza zu essen. Tom tat es mir nach wenigen Augenblicken gleich.
 

Nur der Fernseher und ab und zu das Klappern eines Tellers war zu hören. Ich war voll und ganz in den Film vertieft.

Wenn etwas explodierte zuckte ich zusammen und beugte mich mit, wenn die Hauptfiguren dabei waren vor der Katastrophe zu flüchten. „Oh Gott ey!“

Meine Augen weiteten sich panisch, als der Tsunami auf die Menschenmasse zuraste. Ich konnte nicht hinsehen, die Angst selbst von diesen Wassermassen getötet zu werden stieg in mir auf.
 

Suchend, nach etwas an dem ich mich festhalten konnte, huschte meine Hand übers Bettlaken. Nicht wissend, dass es Toms Bein war, das ich fand, bohrte ich meine Nägel in den Jeansstoff und zum Teil auch in die darunter liegende Haut.

Zischend wich Tom ein Stück zurück. „Scheiße man. Was hast du denn für Krallen?“ Sofort löste sich meine Hand mit den gefährlichen Nägeln von dem in Mitleidenschaft gezogenem Bein.
 

„Sorry.“ Mehr bekam ich in diesem Moment nicht heraus. Dass ich mich aber auch immer so anstellen musste. Tom dachte bestimmt ich wäre ein echtes Weichei, den Eindruck hatte ich ja wohl zu Genüge vermittelt.
 

Tom hingegen nahm meine Hand in seine und betrachtete interessiert die schwarzen langen Nägel. Fast schon zärtlich liebkosten Toms Finger meine Hand mit seinen Fingerspitzen.

Ich stierte schon regelrecht zum Fernseher, das starke Pochen meines Herzens komplett ignorierend.

Hier lief irgendetwas nicht mit rechten Dingen zu, gleich würde jemand aus dem Schrank hüpfen und mir sagen, dass ich Opfer der versteckten Kamera geworden war.
 

In Gedanken zählte ich bis drei, aber auch dann bleib der lange Kleiderschrank vor mir verschlossen und meine Hand weiterhin in Toms Besitz.

Als dann auch noch Toms Arm den Weg um meine Schulter fand, drohte ich innerlich zu explodieren. Mein ganzer Körper wurde von einer Gänsehautattacke nach der anderen heimgesucht.
 

„Ist dir kalt? Soll ich dir noch einen Hoodie von mir geben?“ Tom sorgte sich wirklich. So stark hatte ich auch noch nie gezittert, vor allem nicht wenn mich jemand so liebvoll festhielt.

Reflexartig zog er mich noch näher an sich und verstärke seinen Griff um meinen schmalen Körper.
 

Mir blieb doch gar nichts anderes übrig als es zu genießen. Sich dagegen zu wehren wäre das Letzte was ich getan hätte. Ergeben sank mein Kopf auf Toms Schulter und mein Zittern legte sich, wenn auch nur sehr langsam.

Toms Geruch strömte tief in meine Nase, bei jedem Atemzug wollte ich mehr von diesem unwiderstehlichen Gemisch aus Deo und Tom pur haben.
 

So konnte ich es auch nicht vermeiden, dass mir die Augen zufielen und ich mich voll und ganz fallen lies. Auch für Tom schien dieses enge Zusammensein keineswegs unangenehm zu sein.

Im Gegenteil, er gab mir Halt und war, auch wenn es ihm vielleicht nicht wirklich bewusst war, voll und ganz für mich da. Auch Tom schloss seine Augen und schien diesen Moment voll und ganz auskosten.
 

Das brachte mich noch mehr durcheinander, jedoch fühlte dieses Durcheinander sich gut an und ich wollte auch nicht, dass es aufhörte. Toms Finger glitten über die Haut an meinem Arm, stets im gleichen zärtlichen Rhythmus.

Keiner von uns beiden achtete mehr auf den Film, weshalb uns auch nicht auffiel, dass schon längst der Abspann begonnen hatte zu laufen.
 

Auch als der Bildschirm seit einigen Minuten nur ein schwarzes Bild zeigte, regte sich niemand von uns. Ich drohte in diesem wundervollen Gefühl zu ertrinken, was sich in Form von akuter Müdigkeit bemerkbar machte.

„Hhhmmm Tom.“ Nur leise war mein Nuscheln im Raum zu hören. Da aber sonst keinerlei Geräusche zu uns drangen, blieb wohl auch Tom dieser Ausdruck von Wohlgefallen nicht verborgen.
 

Ein zufriedenes Grinsen schlich sich auf seine Lippen, welches ich trotz des schwachen Lichtes erkennen konnte. Den Ausdruck den seine Augen in diesem Moment annahmen konnte ich nicht deuten, aber ich spürte, dass er mit seinen Gedanken wohl sehr zufrieden zu sein musste.

„Bill, du pennst mir hier gleich weg. Komm, lass uns was Gemütliches anziehen und dann hinlegen, ja?“
 

Innerlich sträubte ich mich gegen seine gerade ausgesprochenen Worte. Aber wenn wir es jetzt nicht taten, würde das für uns beide keine bequeme Nacht werden. Widerwillig löste ich mich aus Toms Umarmung und rieb mir leicht über die Augen.
 

Nur langsam kam ich in die Realität zurück. Tom war schon aufgesprungen und halb in seinem Kleiderschrank verschwunden.

Kurze Zeit später flog ein Shirt in meine Richtung und ein grinsender Tom tauchte vor mir auf, als ich das Shirt von meinem Kopf nahm.
 

„Bad ist gegenüber. Du kannst alles benutzen was du willst und brauchst. Ich denke das Shirt ist okay und dann in Boxer, wie normal halt auch.“ Ich nickte um klar zu machen, dass ich alles verstanden hatte.

Dass ich zu Hause lieber nackt schlief, das wollte ich Tom dann doch nicht auf die Nase binden. Schneller als der Blitz war ich dann auch schon im Bad verschwunden.

Umso schneller ich mit allem fertig war, desto schneller würde ich mich hoffentlich wieder in Toms Armen befinden.
 

Ich legte einen Affenzahn im Bad hin wie ich noch nie getan hatte. Egal ob morgens oder abends, unter einer halben Stunde war ich nicht vor dem Waschbecken weg zu bekommen.

Umso erstaunlicher, dass ich nur 15 Minuten später leicht schüchtern wieder Toms Zimmer betrat. Auch mir hing das Shirt bis in den Knien.

Mein Iro war zurück gekämmten Haaren gewichen und auch meine Schminke hatte den Weg von meinem Gesicht gefunden.
 

Jetzt war ich Bill pur, unmöglichen auch nur den kleinsten Fehler zu verstecken. Zwei, dreimal atmete ich tief durch.

Es war ein seltsames Gefühl mich Tom nun so zu präsentieren, sahen mich so doch nur die wenigsten Menschen. Tom lag inzwischen auch umgezogen im Bett und schien irgendwie mehr als nur auf mich gewartet zu haben.

Meine Gedanken erschreckten mich, die ganze Situation ließ mich doch leicht innerlich panisch werden.
 

„Hast du vielleicht noch eine Decke für mich? Ich mein so ganz ohne ist's ein bisschen kalt auf der Couch.“ Das war ein kläglicher Versuch gewesen mich von den Gedanken abzulenken, wie ich meinem starken Herzklopfen nach zu urteilen merkte.

Je schneller ich hier weg kam, umso besser für meine Gefühlsachterbahn, redete ich mir ein. Die Couch schien mir da plötzlich der Rettungsanker ganz in meiner Nähe, ich musste nur endlich zugreifen.
 

Tom schien auf meine Frage hin jedoch gar nicht zu reagieren. „Oh okay, dann wird’s auch so gehen.“ „Nein nein, also ja... ich meine...“

Ich hielt in meinen Bewegungen zur Couch inne. Was wollte mir Tom mit diesem Gestotter sagen? Gott, ich musste echt aufpassen, dass mir bei diesem Anblick, wie lasziv Tom in meinem Augen auf dem Bett lag, nicht noch etwas Unangenehmes passierte.

„Also ich meine, du schläfst nicht auf der Couch. Das Bett ist tausend Mal gemütlicher und vor allem groß genug für uns beide. Also hopp.“

Ich musste mir ein freudiges Strahlen schwer unterdrücken, hatte Tom mir doch gerade meinen einzigen Wunsch, welchen ich bis zu seinen Worten erfolgreich aus meinen Gedanken verdrängt hatte, für heute erfüllt.
 

Wenig später lagen wir beide nebeneinander, bis zur Nase zugedeckt in Toms großem Bett. Zufrieden schloss ich die Augen und öffnete sie nur ein paar Sekunden später wieder.

Toms Arm hatte sich klammheimlich auf meine Seite des Bettes geschlichen und umarmte mich nun zaghaft an der Hüfte.

„Komm doch ein bisschen näher, nur ein bisschen.“ Toms Stimme klang rau und nervös, so als wollte er mich auf keinen Fall verschrecken.
 

Doch mein zierlicher Körper kam ihm von ganz alleine entgegen. Sein Arm schloss sich noch fester um mich, unsere Knie berührten sich ganz sachte und mein Kopf schmiegte sich automatisch an seine Brust.

Ich wollte nicht wahr haben was hier geschah, ich war mir sicher am nächsten Morgen aus einem wundervollen Traum aufzuwachen.

„Gute Nacht Bill.“ „Gute Nacht Tom und noch mal danke für alles.“

6. Kapitel

Der nächste Morgen kam früher als erwartet für mich. Ich war der Erste der seine Augen mühevoll gegen die eindringende Sonne öffnete.

Verwirrt blickte ich mich um, irgendwie war mir abhanden gekommen wo ich mich momentan befand. Erst als mein Blick auf Toms zufriedenes Gesicht stieß kamen die Erinnerungen wieder zurück.

Ein breites Grinsen schlich sich auf meine Lippen, während ich mich noch näher an Tom kuschelte. Solange dieser noch schlief konnte ich die Situation für mich ausnutzen.
 

Jeden Millimeter von Toms Gesicht scannte ich mit meinen glitzernden Augen ab, wobei mir immer wieder wunderschön durch den Kopf schoss. Nichts von Toms cooler Masche war mehr übrig, er wirkte fast schon etwas kindlich, wenn er schlief.

Nur ganz sachte berührten meine Fingerspitzen Toms Wangenknochen und fuhren die Konturen nach. Wie sehr ich mir in diesem Moment wünschte diesen Mann neben mir meinen Freund nennen zu dürfen.
 

Es war nicht nur Toms Aussehen, dem ich schon viel zu lange verfallen war, sondern auch dessen Art. Die Seite, die er gestern von sich gezeigt hatte, von der ich schon fast befürchtet hatte, dass er sie gar nicht besitzen würde.

Wie sehr Medien doch ein falsches Bild von einem Menschen vermitteln konnten.
 

Auch Tom zeigte jetzt erste Regungen, was mich dazu veranlasste schnellstmöglich meine Finger wieder zu mir zu nehmen. Ich wollte gar nicht wissen, wie Tom reagieren würde, wenn er mitbekam wie ich ihn doch insgeheim anhimmelte.

„Hey, guten Morgen.“ Toms Stimme war eher ein Rascheln, als dass er wirklich sprach.
 

Richtig wach war er auch noch nicht, seine Augen klebten förmlich zusammen und er weigerte sich diese auch nur einen Millimeter zu öffnen.

„Morgen Tom. Gut geschlafen?“ Ich hörte mich schon um einiges vitaler an, was natürlich auch daran gelegen haben könnte, dass ich schon etwas länger wach war.

Statt einer Antwort bekam ich nur ein Brummen zu hören, welches ich jetzt verstehen konnte wie ich wollte.
 

Dass Tom wohl gut geschlafen hatte wurde mir bewusst, als dieser mich mit einem Ruck plötzlich auf sich zog und mit den Beinen meine umklammerte. „Hey was...“ Protest war eindeutig zwecklos.

Tom hatte nämlich genau in diesem Moment die Augen geöffnet und sah mich so verträumt an, dass ich sofort verstummte.
 

Wir waren uns beide so unglaublich nah, jeder konnte den Atem des anderen auf dem Gesicht spüren. Mein Kehlkopf hüpfte aufgeregt auf und ab.

Ich hatte absolut keine Ahnung wie ich diese Lage einschätzen sollte. Tom tat so viel mit dem ich nicht rechnete und doch freute ich mich innerlich jedes Mal wie ein kleines Kind darüber.
 

„Tom...“ „Psst nichts sagen, genießen.“ Daraufhin spürte ich Toms Lippen auf meiner Stirn. Nur für einen kurzen Moment, aber lange genug um alles um mich herum vergessen zu lassen.

Noch mehr solche Aktionen und ich würde endgültig meine Beherrschung und wohl auch den Verstand verlieren.
 

Ein ziemlich energisches Klopfen an Toms Zimmertür riss uns beide aus unserer Zweisamkeit. Ich war schnell wieder von Tom gerutscht und versteckte mich nun verschüchtert unter der Bettdecke.

Wenn jetzt jemand von Toms Bandkollegen ins Zimmer platzte war das an Peinlichkeit nicht mehr zu übertreffen.
 

Tom und ein anderer Kerl gemeinsam im Bett, das wirkte wirklich mehr als seltsam.

„Tom? Bist du wach?“ Georg hämmerte erneut wie ein verrückter gegen die hölzerne Tür. „Nerv nicht Alder und verpiss dich. Ich bin beschäftigt.“
 

„Dann hör auf dir einen runterzuholen oder mach's schneller. Der Kerl von gestern hat seine Handtasche vergessen und jetzt klingelt seit Stunden dem sein Handy alle 2 Minuten. Kümmere du dich drum, war immerhin dein Besuch.“

Meine Augen weiteten sich bei Georgs Worten. War das etwa normal, dass die so miteinander sprachen?
 

Als mir dann aber nach dem Schreck eingefallen war um was es wirklich ging, konnte mich niemand mehr im Bett halten.

Ich riss die Tür auf, hinter der lauschend immer noch Georg stand, und stürmte die Treppen nach unten ins Wohnzimmer. Georg hatte alle Mühe sich auf den Beinen zu halten, als ich so an ihm durch rannte.

Das wissende Grinsen von ihm konnte ich regelrecht in meinem Rücken spüren.
 

Hektisch kramte ich in meiner Tasche. Ganze 34 Anrufe in Abwesenheit zeigte mir mein Handydisplay an. Alle von Kathy.

Die hatte ich in meiner momentanen Welt komplett vergessen, einzig und allein Tom erschien mir wichtig. Mit zitternden Fingern nahm ich den neuen ankommenden Anruf an.

„Ja?“ „Man Bill. Wo steckst du um Himmelswillen? Ich hätte schon einen Polizeitrupp nach dir suchen lassen können. Beweg deinen Arsch ganz schnell hier her, du Idiot.“
 

Kathy schrie mir ungehalten ins Ohr, weshalb ich das Handy erstmal um einiges weiter von meinem Ohr entfernt hielt. Natürlich hatte ich unseren Streit nicht vergessen auch wenn sie sich jetzt Sorgen um mich machte.

„Mir geht’s gut, das reicht oder nicht? Ich hatte heute Nacht die schönste Zeit meines Lebens. Und mit wem, wo und was ich gemacht habe geht dich schon mal gar nichts an.“
 

Natürlich brannte es mir unter den Nägeln Kathy zu erzählen wo ich war und wen ich kennen gelernt hatte. Aber ich hatte mir gestern geschworen nicht klein bei zu geben und das zog ich auch knallhart durch.

„Du und dein Sturkopf.“ Ich meinte sogar ein Lachen an der anderen Seite der Leitung auszumachen. „Es tut mir leid. Verdammt Bill, ich vermiss dich. Also pack deinen Kram und komm her, bitte.“
 

Ich konnte nicht anders als zu seufzen, wenn sich Kathy schon entschuldigte brach auch bei mir das Eis.

„Ich kann nicht so einfach weg wo ich bin und ich will es auch nicht, aber ich komme bald versprochen.“ Damit war für mich das Gespräch beendet und ein kleiner Druck auf den roten Hörer unterstrich dies.
 

Immer noch kniete ich nach 5 Minuten auf dem Boden des Wohnzimmers. Ich wollte eigentlich nichts mehr als wieder zu Tom aber irgendetwas hinderte mich gewaltig daran.

Wir kannten uns nur so eine kurze Zeit und trotzdem fühlte ich mich so zu ihm hingezogen. Noch nie war mir etwas Vergleichbares passiert, auch wenn ich mir so ein Liebe auf den ersten Blick Gefühl immer gewünscht hatte.
 

Erschrocken lies ich mein Handy fallen. Hatte ich tatsächlich in meinen Gedanken gerade das Wort Liebe ausgesprochen? Ich musste eindeutig verrückt sein.

„Hey du... äh Bill, ne?“ Mein Kopf fuhr herum. Sven stand im Türrahmen und betrachtete mich von oben bis unten.

„Steht dir Toms Shirt.“ Verwirrt blickte ich an mir herab. Stimmt, ich trug ja immer noch nur die Boxer und das Schlafshirt von Tom.

Zudem lag auch kein Haar da wo es hin sollte und ein bisschen Restschminke hatte sich um meine Augen verteilt. Einen noch peinlicheren Auftritt konnte ich nun wirklich nicht hinlegen.
 

„Lass ihn Sven.“ Tom tauchte hinter ihm auf, drängte Sven zur Seite. Auch er war noch im vollen Bettoutfit.

„Alles klar Bill? War's Kathy?“ Die Fragerei war mir gerade zu viel und ich wäre am liebsten getürmt.

Ich spürte wie mich die vier Augen musterten und empfand es als mehr als unangenehm. Schützend schlang ich beide Arme um meinen zierlichen Körper und stand langsam auf.

„Ich möchte ins Bad mich fertig machen.“ Mehr war ich nicht in der Lage zu sagen. „Klar, komm!“ Tom legte sachte seinen Arm um meine Schulter, während er mich mit nach oben führte.
 

Ich sagte auf dem Weg nach oben erneut kein Wort. Konnte denn niemand verstehen, dass ich meine Ruhe haben wollte? Auch wenn ich Tom furchtbar gern in meiner Nähe hatte, gerade war mir das auch zu viel.

„Wo das Bad ist weißt du ja mittlerweile. Mit Schminke und so kann ich nicht dienen aber sonst ist alles da.“ Nickend nahm ich Toms Worte zur Kenntnis, bevor ich durch die Badezimmertür verschwand. Mein Weg führte mich direkt zum Klodeckel, auf welchen ich mich seufzend niederließ.
 

Ich wollte nicht zu Kathy zurück. Am liebsten würde ich einfach für immer mit Tom zusammen leben, egal wo. Genau diese Gedanken machten mir schreckliche Angst und wirbelten so viele Fragen in mir auf.

Wie stand Tom zu der ganzen Sache? Warum hatte er diese Nähe zu mir aufgebaut und gesucht? Was war das überhaupt zwischen uns?

Das waren zu viele Fragen auf einmal für mich, mit denen ich mich nicht auseinander setzen wollte.
 

Kurz klopfte es an, dann betrat Tom das Bad mit einem großen Handtuch über dem Arm. Ich spritzte vom Klodeckel auf und sprintete ans Waschbecken.

„Sorry war in Gedanken.“ Ich hatte das Gefühl mich für mein Tun rechtfertigen zu müssen.

„Du kannst dir so viel Zeit lassen wie du willst. Dich stört es doch nicht, wenn ich kurz duschen gehe?“ Tom wartete schon gar nicht mehr meine Antwort ab. Seine Klamotten flogen neben ihm auf den Boden, nur seine Boxer behielt er an.
 

Ich traute meinen Augen kaum, Tom zog sich tatsächlich vor mir aus. Ich war nicht in der Lage meinen Blick von Toms Körper zu wenden, viel zu sehr gefiel mir was ich zu sehen bekam.

Meine Backen mussten unnatürlich rot sein, nicht umsonst war mir mit einem Schlag so furchtbar heiß.
 

„Äh... ja... also... ähm... kein Problem.“ Diese gestammelte Antwort war mehr als überflüssig gewesen. Tom würde sich bestimmt nicht mehr anziehen nur weil ich ihm sagte, dass ich nicht wollte, dass er duscht.

Was sowieso nicht der Wahrheit entsprochen hätte. Krampfhaft wendete ich meinen Blick zum Spiegel, wobei mir der Anblick auf Toms Körper weiterhin erhalten blieb.

Tom wickelte sich ein Handtuch um die Hüfte und sah mit einem Schmunzeln über die Schulter zu mir in den Spiegel.
 

Mir blieb nicht verborgen, dass er unter dem Handtuch die Boxer auszog und dann doch, als er schon halb in der Dusche stand das Handtuch fallen lies.

Fast schon panisch drückte ich die Augen zu. Eigentlich hätte ich zu gerne gesehen was sich in der Dusche abspielte, dennoch traute ich mich im ersten Moment nicht.

Die Gefahr, dass Tom bemerkte wie ich ihn musterte und anhimmelte war mir einfach zu groß. Nur langsam öffnete ich mit der Zeit ein Auge nach dem anderen.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, in jeder Faser meines Körpers konnte ich es pochen fühlen.
 

Konzentriert versuchte ich mich dann schließlich doch fertig zu machen. Natürlich blieb es dabei nicht aus, dass mein Blick doch ab und an zu Tom wanderte.

So gut hatte ich mich dann doch nicht unter Kontrolle um es völlig zu unterlassen.

Warum musste Tom auch so verdammt gut aussehen? Vor allem Toms Hintern war besonders sexy. Ach was alles an ihm war furchtbar geil, das war nun wirklich nicht zu leugnen.
 

„Bill? Gibst du mir mal das Handtuch?“ Tom sah erneut über seine Schulter zu mir und grinste.

Seufzend wand ich mich Tom nun ganz zu und trat näher an die Dusche heran. Zwanghaft versuchte ich überall hinzusehen nur nicht direkt auf Tom. So schnell ich konnte hob ich das Handtuch auf und drückte es Tom in die Hand.

„Danke!“ Zum Glück kam Tom nicht noch auf die Idee sich weiter zu mir herum zu drehen.

Dann wäre meine Selbstbeherrschung wohl komplett flöten gegangen.
 

Schon allein der Gedanke daran, ließ mein Blut nicht mehr in meinen Kopf sondern in tiefere Regionen fließen.

Tom machte mich mit seinem bloßen Anblick schon total an und ich wünschte mir gerade nicht mehr als ihm nahe sein zu dürfen. Am liebsten so wie letzte Nacht oder wenn es nach mir ginge noch viel näher.
 

Als ich endlich aus meinen Gedanken geflohen war stellte ich fest, dass Tom schon aus dem Bad verschwunden war. Nur der Geruch von Duschgel und die Wärme des heißen Wassers lag noch in der Luft.

Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich echt komplett durch den Wind war. Nicht nur innerlich sondern auch äußerlich war das mehr als gut zu erkennen.

Wenn Tom nichts von meinem Verhalten mitbekommen hatte grenzte das fast schon an ein Wunder.
 

Ich zog mir noch einen zarten Kajalstrich, für den Notfall hatte ich immer Kajal und Wimperntusche in meiner Handtasche dabei, brachte meine Wimpern in Form und streifte meine Klamotten von gestern über.

Irgendwie wollte ich den Abschied von Tom hinauszögern, auch wenn ich wusste, dass das absoluter Quatsch war. Also ich riss ich mich schließlich doch zusammen und verließ das Bad Richtung Toms Zimmer.
 

Als ich die Tür öffnete trat direkt Tom, nur in einer Boxer bekleidet, in mein Blickfeld. Seine Haut schimmerte leicht und es roch verdammt gut nach Bodylotion.

„Also ich... na ja...“ Warum brachte ich es jetzt nicht mehr zu Stande einen normalen Satz zu sprechen?
 

Vielleicht sollte ich einfach doch schnellstmöglich von hier verschwinden um alles Geschehene endlich mit etwas mehr Abstand betrachten zu können.

Tom kam ganz langsam auf mich zu. Den Ausdruck in seinen Augen dabei konnte ich nicht deuten. Irgendetwas schien er mir wohl sagen zu wollen, behielt es aber doch für sich.

Stattdessen zog er mich in eine liebevolle Umarmung, in die ich mich nur zu gerne fallen ließ.
 

„Dann gehst du jetzt wohl, oder?“ Es war eindeutig keine Frage, sondern eher eine Feststellung von Tom. Deshalb blieb ich ihm auch keine Antwort schuldig, welche ich ihm mit der starken Erwiderung der Umarmung trotzdem gab.

„Ich will, dass du weißt, dass ich will... also...“ Jetzt begann auch schon Tom zu stottern und wirre Sätze zu sprechen. Tom holte tief Luft, bevor er schließlich doch weiter sprach.

„Verdammt noch mal, du sollst einfach wissen, dass ich dich wieder sehen will. Frag mich nicht was daran jetzt so schwer war das zu sagen.“
 

Tom schob mich etwas von sich wobei ich ihn wohl ziemlich erstaunt angesehen haben muss.

„Hey, schau nicht so. War doch klar, oder? Ich mein, wir verstehen uns doch echt gut und müssen außerdem unbedingt mal zusammen feiern gehen.“

Das waren zu viele schöne Neuigkeiten für mich. Mein Gehirn bekam schon kaum mein rasendes Herz in den Griff, da konnte es erst Recht Toms Worte nicht richtig verarbeiten.
 

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen und bevor ich realisiert hatte was ich tat, umarmte ich Tom diesmal von ganz alleine. Meine Freunde darüber, dass wir uns wieder sehen würden konnte und wollte ich nicht mehr verstecken, dafür fühlte es sich viel zu gut an.
 

Nach einigen Minuten riss ich mich dann doch von Tom los. „So jetzt sollte ich aber wirklich.“

Ich ging zu Toms Schreibtisch, kritzelte meine Handynummer auf einen Zettel, welchen ich Tom noch in die Hand drückte. „Melde dich. Ich warte drauf.“
 

Bevor ich noch sentimentaler werden konnte, schnappte ich meine Tasche und machte mich auf dem schnellsten Weg auf nach draußen. „Bill warte ich kann dich...“

Mehr konnte ich nicht mehr hören, weil ich eifrig hatte zuerst die Zimmer und dann auch die Haustüre ins Schloss fallen lassen. Irgendwie würde ich schon zurück ans Hotel kommen, obwohl mein Orientierungssinn doch zu wünschen übrig ließ.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  funeral
2011-11-04T17:57:15+00:00 04.11.2011 18:57
was ? noch keine komments ? änder ich jetz .also :D da ich TH so i-wie mag mag ich auch die story so i-wie ..nein spaß ich finde die ff voll geil :D würde gerne mehr lesen
lg braunschi


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