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Seven Days

VanVen
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Mit diesem Tag hat wahrscheinlich niemand mehr gerechnet - ich ehrlich gesagt auch kaum!
Nach fast drei Jahren Sendepause findet Seven Days heute endlich sein verdientes Ende.
Viel Spaß beim lesen. :) Komplett anzeigen

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I

Hey ho!

Meine erste AU-FF...und dann auch noch in der Er-Perspektive geschrieben. Darin bin ich ein ziemlicher Anfänger, aber ich hoffe, das merkt man nicht zu sehr ._.

Ist für den Wettbewerb "Schlüsselschwertträger in Leidenschaft" und wird sieben Kapitel beinhalten - eventuell mit Epilog.

Mir gehört nichts außer der Idee und der Umsetzung der FF.

Nur so vorweg, wer's nicht gesehen hat. Dies ist eine Shônen-Ai FF, wenn auch noch nicht in diesem Kapitel.
 

Nu ja, ich laber wieder zu viel vorweg; viel Spaß mit dem ersten Kapitel.
 

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Tag I - Ankunft.
 

Er hatte gewusst, dass es eine extrem schlechte Idee war. Sogar schon, als er um Zusage gebeten worden war. Dennoch hatte er nicht verneint. Warum? Weil er das seinem Bruder nicht hatte antun können. „Ven?“, er erschrak und schüttelte den Kopf, um ihn frei zu bekommen. Dann wandte er den Blick nach links und blickte seinen Zwilling an, der dort saß und fragend schaute. Ven fiel nichts ein, was er dazu sagen sollte, schließlich war er sicher nur angesprochen worden, weil er so abgedriftet gewesen war.

Er blickte nach vorne und durch die Windschutzscheibe des Wagens, in dem sie beide mit ihren Eltern saßen. Er unterdrückte verzweifelt den Drang „Stopp!“ zu rufen und sie dazu zu bringen, wieder zurückzufahren, schließlich hatte er es versprochen. Welchen Grund gab es denn auch schon, so nervös zu sein? Denn es war ja nicht so, als würden sie der Hölle entgegen fahren.

Nein, es war nur ein Besuch bei Freunden. Nun, eher ein Besuch bei den Freunden seines Bruders…bis dahin ja kein Problem. Eher ungünstig fand er jedoch die Beschreibung des Bruders des angeblich ach so tollen Freundes seines eigenen Bruders. „So schlimm ist er gar nicht…nur nicht so menschenfreundlich und gesprächig…lass ihn besser einfach in Ruhe“. Was sicher gut möglich war, wenn Roxas sich nur mit dem anderen beschäftigen würde.

Ven seufzte hörbar und blickte zu seinem Bruder herüber. „Hey, Roxas…“, dann jedoch brach er den Satz ab, da er gar nicht so genau wusste, was er überhaupt sagen sollte. Am besten würde er schweigen. Das wäre dann eine gute Vorbereitung auf das Bevorstehende. Schweigen und niemandem auf die Nerven gehen; tolle Devise, um eine Woche zu überstehen.

Eine Woche…Ven ließ die Schultern hängen. „Ventus…“, er blinzelte mehrmals und sah dann auf, blickte seine Mutter an, die vor ihm auf dem Beifahrersitz saß und sich zu ihm umgedreht hatte. „Was ist denn los?“, fragte sie ihn mit einem Lächeln, das vermutlich aufmunternd wirken sollte; was – am Rande erwähnt – nicht funktionierte. „Nichts…“, erwiderte Ven, klang jedoch nicht sehr ehrlich dabei.

Er riss sich zusammen und setzte sich gerade auf. „Nein, wirklich nichts. Ich war nur in Gedanken“, erklärte er mit gefestigter Stimme, auch wenn es nicht ganz stimmte. Er blickte aus dem Fenster und erkannte – da es schwer zu übersehen war –, dass sie bereits nicht mehr auf dem Land, sondern schon in der Innenstadt waren. Dann würden sie wohl bald am Ziel sein.

Er schluckte; unsicher, was ihn erwarten würde. Sicherlich bildete er sich nur was ein und alles würde normal werden…ganz bestimmt. Trotz den Vorsätzen, sich zu beruhigen und einfach die ganze Woche zu schweigen, verließ ihn das Verlangen, den Wagen zu verlassen, augenblicklich, als eben dieser anhielt. Natürlich könnte Roxas auch alleine hier bleiben, aber das wollte der eben nicht. Also stieg Ven schweren Herzens doch aus und starrte erstmal auf das Haus seiner neuen ’Gastfamilie’.

Er atmete einmal tief ein und aus und ging dann zum Kofferraum, um Roxas’ und seine Sachen herauszunehmen. Er schmiss beide Taschen auf den Bürgersteig und trat auf seine Eltern zu, die nun auch ausgestiegen waren. Er hörte gar nicht richtig zu, als Roxas und er betüddelt und bequatscht wurden, denn es war ja eh das Übliche.

Anrufen, wenn etwas war, nicht zu spät alleine rumlaufen, auf den jeweils anderen aufpassen, zumindest ein oder zwei Mal anrufen…so was halt. Die Eltern des Freundes von Roxas und der Ausgeburt der Hölle – so hatte Ven den Bruder schon getauft – traten hinaus, begrüßten die Familie und wandten sich erstmal an Vens Eltern, um ein Paar Dinge zu besprechen. Währenddessen unterdrückte Ven es, die Türe des Autos aufzureißen und sich wieder ins Wageninnere zu verkriechen.

Erst, als seine Eltern wieder losgefahren und um eine Ecke gebogen waren, ließ er seine Blockade fallen und starrte seine neuen Gasteltern an. Zwar sahen sie nett aus, aber dennoch glaubte er nicht, dass sie den Aufenthalt besser machen würden. Er folgte, mit seiner eigenen Tasche bepackt, Roxas und den Eltern und während sein Bruder sich mit den beiden unterhielt, starrte er – im Inneren des Hauses angekommen – demonstrativ auf die nun geschlossene Haustüre, als habe er Angst, sie würde sich von selbst verriegeln.

//Du wirst verrückt. Ruhig bleiben, sicher ist es gar nicht sooo schlimm, wie du denkst//, dachte er zu sich selbst und wollte schon fast daran glauben. „Ven? Kommst du jetzt?“, er verfluchte Roxas kurz innerlich, folgte ihm dann jedoch mit einem letzten Blick zu den Eltern die Treppen hinauf. Gut, dass Roxas schon öfters hier gewesen war…Ven verstand deswegen eh umso weniger, wieso er nicht hatte alleine fahren wollen. Sicher nur, um ihn zu ärgern.

Von oben her hörte er bereits eine Stimme, die wohl mit jemand anders diskutierte, jedoch konnte er den Inhalt erst verstehen, als Roxas und er oben angekommen waren. Links von ihnen war ein Fenster, aus welchem man zur Straße herunter sehen konnte. Rechts war eine Türe, die vielleicht zur Toilette führte. Weiter hinten gab es rechts eine Tür und eine ihm sozusagen direkt gegenüber, vor welcher ein Junge mit braunen, stacheligen Haaren stand. Das würde dann wohl dieser Sora sein, der tolle Kumpel seines Bruders, auch wenn die Art, wie er redete, nicht wirklich zu dem passte, was Roxas Ventus über ihn erzählt hatte.

„Mach sofort die Türe wieder auf oder ich trete sie ein!“ Anscheinend war der Junge extrem wütend, was Ven keine Hoffnung machte. Wenn das der nette und liebe von den beiden war, wie zur Hölle tickte denn dann bitte der andere?! Erst jetzt schien der Junge Roxas und Ven bemerkt zu haben, denn er drehte sich um und blickte erschrocken. „Oh, tut mir leid!“, entschuldigte er sich und trat auf sie zu. „Hey, alles klar, Roxas?“ Die beiden schlugen – auf eine, wie Ven fand, extrem dämliche Art und Weise – dem jeweils anderen als Begrüßung auf die Schulter und grinsten beide. Er selbst hatte die Mundwinkel wohl etwa am Boden hängen.

„Oh, du bist dann Ven? Ich bin Sora. Erstaunlich, ihr seht ja echt genau gleich aus“. Ven war viel zu erstaunt, um irgendetwas dazu zu sagen, deswegen schwieg er und nahm nur die Hand an, die ihm gereicht wurde, um sie zu schütteln. Augenscheinlich wurde sein perplexer Blick bemerkt. „Oh, das von gerade…tut mir Leid. Der Idiot hat mich ausgesperrt, weil er es wohl nicht so toll fand, dass in meinem Zimmer kein Platz für drei Betten ist…“.

In genau diesem Moment setzte Vens Hirn einen Moment aus. Er versuchte, klare Schlüsse zu ziehen. Kein Platz für drei Betten. Eine Diskussion darüber mit der Ausgeburt der Hölle. Dies konnte nur zur Folge haben, dass einer der Dreien wohl bei dem ‚Idioten’ schlafen musste. Und wie Ven sein Glück kannte, würde er das sein. Wär ja auch langweilig, wenn zumindest sein Plan, die Ausgeburt zu ignorieren, gelingen würde.

„Ähm…und was bedeutet das?“, fragte er deshalb vorsichtig, da er den Teufel nicht an die Wand malen wollte. „Na ja, ich denk Mal, dass ich ihn trotzdem dazu zwingen kann, mit ein bisschen…physischer Kommunikation, wenn das von Nöten ist“. Ven wusste nicht, wieso, aber irgendwie hielt er das für eine extrem schlechte Idee.

„Wie wär’s, wenn ich einfach auf dem Flur übernachte und ihr zwei habt genug Platz“, schlug er vorsichtig vor, wusste jedoch, dass das nicht gut gehen würde. „Nein, nein. Auf keinen Fall. Wir werden das schon regeln. Ihr könnt’s euch ja bei mir im Zimmer gemütlich machen; ich red derweil mit meinem Bruder.“ Gesagt, getan. Ven und Roxas gingen also in Soras Zimmer und machten es sich auf der – sehr bequemen, wie Ven fand – Schlafcouch gemütlich.

Von dort aus konnten sie, da sie die Tür nicht geschlossen hatten, sogar sehen, wie Sora verzweifelt an der anderen Türe stand und versuchte, mit seinem Bruder zu diskutieren. Anscheinend hatte er Erfolg, denn die Türe wurde aufgerissen und heraus trat…-

Ven starrte erstmal eine Minute lang. Niemand sagte etwas. Das sollte der Schrecken der Schrecken sein? Die Ausgeburt der Hölle, die man ja nicht reizen oder stören sollte? …Der sah ja genauso aus wie sein Bruder – wenn man mal die schwarzen Haare und die orangenen Augen, die sich von den braunen Haaren und blauen Augen des anderen unterschieden, absah. Zwillinge, Herrgott. Ven schüttelte innerlich den Kopf und dachte über Roxas und sich selbst nach. Auf andere wirkten sie fast gleich, also würde es bei den anderen beiden doch sicher auch so sein. Alle Sorgen vollkommen umson-

„Keiner von denen da wird in meinem Zimmer schlafen. Ende“. Und mit den Worten war der schwarzhaarige Typ wieder in sein Zimmer verschwunden und hatte die Türe zugeknallt. Ven nahm alles zurück, was er gerade gedacht hatte. Alles. Kurz überlegte er, seine Eltern doch zu bitten, eine Kehrtwende zu machen. Sicher hatten die ein Handy dabei.

Dann jedoch fiel ihm die Sache mit dem zusammenreißen ein und er beschloss, die Idee sofort wieder zu verwerfen. Vielleicht würde es ja gar nicht so schlimm werden. Haha…er begann, wieso auch immer, laut loszulachen bei dem Gedanken. Roxas und Sora starrten ihn an, selbst die Tür öffnete sich wieder, als würde der Bruder des Letzteren es nicht glauben, aber Ven war das alles egal.

Lachen…immerzu lachen. Dann würde schon alles gut werden. „Hast du ihm zu oft auf den Kopf geschlagen?“, fragte die Ausgeburt der Hölle an Roxas gerichtet, der jedoch verneinte nur monoton. „Ven, alles in Ordnung?“ Der Angesprochene beruhigte sich ein bisschen und nickte. Im Nachhinein kam ihm seine eigene Aktion ein bisschen dämlich vor, aber das war ihm egal.

„Okay. Es geht. Und, wie regeln wir das jetzt?“, fragte er ganz lässig in die Runde; er wusste selbst nicht, wieso. Irgendwie hatte er das Gefühl, es wäre das Beste, sich anzupassen und einfach gute Laune zu verbreiten. Sora drehte sich zu seinem Bruder und starrte ihn eindringlich an. „Du könntest ja ein bisschen entgegenkommend sein, Vani“. Irgendwie schien es, als würde sich der Angesprochene nicht über die Betitelung freuen.

„Nenn mich nicht Vani. Und nein, ich kann nicht entgegenkommend sein. Ich schlafe nicht mit denen in einem Zimmer“ – „Dann schläfst du halt im Flur“ – „Hast du noch alle Latten am Zaun? Ich schlafe sicher nicht auf dem Flur!“ – „Dann sei nicht so stur“ – „Geht dich nen Dreck an“.

Ven und Roxas warfen sich Blicke zu und beschlossen beide, sich ganz dezent rauszuhalten. Irgendwie würde es schon zu einer Lösung kommen.

„Es ist nur für eine Woche“ – „Nur. Schlaf du doch auf dem Flur“ – „Wieso sollte ich? Ich teile mein Zimmer zumindest“ – „Es sind ja auch deine Gäste!“. Die beiden stritten noch eine Weile fröhlich vor sich hin, während Ven und Roxas sich Blicke zuwarfen, die man nicht genau deuten konnte. „Ich kann auch wieder nach Hause gehen!“, brüllte Ven dann urplötzlich und die Streithähne schwiegen. Von ’Vani’s Seite kam ein genervtes Augenrollen. „Ihr plant das alle, oder?“, und er wandte sich an seinen Bruder. „Wenn wer auch immer mir auf die Nerven geht, fliegt er“, daraufhin war er wieder in seinem Zimmer verschwunden.

Von Ven und Roxas kam ein synchrones „Hä?“, woraufhin Sora lachte. „Er will nur nicht, dass ich seine Gäste rausschmeiße – wenn er denn überhaupt mal welche hat…“, Letzteres sagte er eher leise. Er trat ebenfalls in sein Zimmer und schloss die Türe hinter sich. Ven war jedoch immer noch nicht zufrieden.

Dass er das Zimmer mit diesem Vani-wie-auch-immer-er-wirklich-hieß teilen musste, hatte er in seinem imaginären Tagebuch bereits verewigt, das stand nahezu fest. Allerdings war er nicht ganz sicher, wie so einer schlecht gelaunt ticken würde und ob es nicht doch besser wäre, die Nächte auf dem Flur zu verbringen.

„Mach dich locker. Er wird dich schon nicht umbringen“, meinte Sora breit grinsend, als könne er seine Gedanken lesen. Der hatte gut lachen. Ven jedoch stand der blanke Horror ins Gesicht geschrieben.

„Weißte was? Wir räumen jetzt erstmal eure Sachen irgendwohin, wo Platz ist, und dann sehen wir weiter“. Zuerst hielt Ven das auch noch für ne extrem gute Idee, aber dann wiederum wurde ihm klar, dass seine Sachen wohl kaum im Flur verstaut werden würden. „Also…nichts für Ungut, aber dein Bruder da wird wohl kaum einen Millimeter mehr mit mir teilen, als den Platz, den mein Schlafsack einnehmen wird“, obwohl er das todernst meinte, lachten Sora und auch Roxas laut auf.

„Also erstmal wirst du sicher nicht in nem Schlafsack schlafen und zweitens werd ich ihm schon einprügeln, wie viel Platz er anzugeben hat“, und bei diesen Worten klang der Brünette so zuckersüß, dass Ven es beängstigend fand. Er beschloss also, zu schweigen und einfach die anderen alles für sich regeln zu lassen – würde schon schief gehen!

Die Drei machten sich also erstmal daran, irgendwo in der letzten Ecke des Kleiderschrankes von Sora die Sachen von Roxas erstmal unterzubringen. Ven meckerte das eine oder andere Mal darüber, wie eitel sein Bruder doch war und machte sich lustig darüber, dass es anscheinend nichts brachte – schließlich sahen sie gleich aus.

Doch alles relativ Gute hatte ein Ende und als Roxas’ nun leere Tasche schließlich auf den Schrank geschmissen worden war, schien dieser Moment gekommen zu sein. Für Ventus war es der Gleich-werde-ich-sterben-Moment. Dennoch beschloss er, sich zusammenzureißen und Sora, mit seiner eigenen Tasche bepackt, zu folgen und einen Sicherheitsabstand zu ’Vani’ einzuhalten.

Er blieb im Flur stehen, während Sora die Tür zum Zimmer seines Bruders ungefragt öffnete und Sekunden später auch schon ein Kissen an den Kopf geworfen bekam. „Schon mal was von Klopfen gehört?“, wurde er unfreundlich gefragt, was Ven sogar ausnahmsweise verstehen konnte; er hasste es auch, wenn man einfach bei ihm reinplatzte.

„Nee, was ist das? Spaß beiseite, mach’ mal Platz in deinem Kleiderschrank“, erwiderte der Brünette fröhlich und trat ungefragt auf eben genannten Schrank seines Bruders zu. Das Merkwürdige daran war, dass ’Vani’ nicht mal versuchte, ihn daran zu hindern.

Der Grund wurde Ven und auch Sora selbst bewusst, als Letzterer der Schranktüre öffnete und ihm ein riesiges Kleidungsknäul entgegen fiel. Er schien so schockiert, dass er es nicht mehr schaffte, sich auf den Beinen zu halten, weswegen er darunter begraben wurde. Man konnte es nur vermuten, aber es klang, als würde er etwas wie „Vanitas, du Penner! Das hast du mit Absicht gemacht!“ von sich geben, während er verzweifelt versuchte, sich zu befreien.

Angesprochener lachte auf und für Ven klang es nach einer extrem bösartigen Lache. Dennoch war er froh, dass der Kerl überhaupt Gefühlsregungen – abgesehen von Hass und Abneigung – besaß. Sora hatte inzwischen den Wäscheberg von sich geworfen und sich aufgesetzt. „Irgendwie war es klar, dass so was passieren würde…“, murmelte er zu sich selbst.

„Na ja, ist ja auch egal, wenigstens haben wir jetzt Platz, Ven“, fügte er lässig hinzu und hörte gar nicht auf die Widerworte seines Bruders. Ven selbst jedoch tat das und blieb demonstrativ auf der Türschwelle stehen, klammerte sich an seine Tasche und schüttelte robotisch seinen Kopf, vor lauter Angst, sich Streit einzuhandeln.

„Im Gegensatz zu dir haben deine Freunde wenigstens noch Manieren“, hörte Ven Vanitas sagen und fühlte sich um etwa einen Prozent weniger unerwünscht als zuvor. Eine Weile herrschte betretenes Schweigen, bis der Schwarzhaarige doch nachgab. „Wenn ihr dann aufhört, blöd rumzustehen…“, meinte er und es klang wie eine Rechtfertigung für den beinahe einladend wirkenden Wink, den er beiden daraufhin gab.

Ven lockerte sich etwas und trottete zu Sora zu, ließ seine Tasche auf den Boden sinken und sich selbst auch.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass das Zimmer unnatürlich abgedunkelt war. Irgendwie erschien es ihm jedoch passend, wenn auch nicht sonderlich einladend. Hoffentlich musste er wirklich nur hier schlafen. Ven beobachtete Sora, welcher in seiner Tasche kramte und die Sachen in den Schrank räumte.

Selbst als er damit fertig war, blieb Ven ruhig sitzen, im Glauben, der Brünette würde sicher aus Höflichkeit die Sachen seines Bruders auch wieder einräumen, als Dank, dass er überhaupt Platz abgegeben hatte. Überrascht war er jedoch, als Sora Vens Tasche zusammenrollte, auf seine Sachen warf, die Schranktür beinahe schon zuknallte und sich auf den Weg machte, den Raum zu verlassen.

„Worauf wartest du?“, fragte Sora und blieb stehen, um Ventus anzusehen, welcher immer noch dasaß und dem Brünetten nachgesehen hatte. „Ich…dachte…“, er deutete auf die Kleidung von Vanitas und auf den Schrank und wirkte dabei unvorstellbar unbehagen. „Ach, das kann der schön selbst wieder einräumen“, kam die Antwort, welche extrem unfreundlich kam, da ’der’ ebenfalls anwesend war. „Was soll das denn heißen? Du räumst das jetzt gefälligst wieder ein“, kam es dann auch schon von der Seite des Schwarzhaarigen, wobei er nicht allzu freundlich klang, aber dennoch viel zu ruhig.

Sora jedoch hatte den Raum seelenruhig schon wieder verlassen und Ventus schluckte, als ihm klar wurde, dass er angestarrt wurde – und zwar nicht allzu nett. Er überlegte einen Moment lang, was das Günstigste wäre, was er tun könnte, doch wollte ihm nichts Gutes einfallen. Vielleicht sollte er einfach blöd weiter dort sitzen und sich taubstumm stellen; vielleicht auch noch blind. Käme sicher sehr authentisch.

Er schüttelte den Kopf über seine eigene Dämlichkeit und fühlte sich so Fehl am Platze wie nie zuvor. Dennoch wagte er es, in die Augen des Schwarzhaarigen zu blicken und bereute es augenblicklich, den Blick wieder abwendend. //Ganz schlecht, Ven, ganz schlecht. Am besten stellst du dich tot…im Sitzen…atmend…am besten noch mit den Fingern auf dem Boden rumtrommelnd, damit es glaubwürdiger ist//, dachte er sich und unterdrückte es, aufgrund des dämlichen Sarkasmus’ wieder den Kopf zu schütteln.

„VENTUS!“, hörte er dann die errettende Stimme seines Bruders rufen, was ihn dazu brachte, aufzuspringen und den Raum so schnell wie möglich zu verlassen. Er ignorierte, dass er sich wahrscheinlich jetzt schon den Hass und Zorn von seinem neuen Zimmermitbewohner eingefangen hatte und versuchte, positiv zu denken – leider war dies extrem schwierig.

Er stürmte ins Nachbarzimmer, schloss die Tür hinter sich und unterdrückte den Drang, sie sicherheitshalber abzuschließen, denn das wäre vollkommen übergeschnappt und paranoid. Als er sich dann von der Türe wegdrehte, wurde er skeptisch von zwei Seiten betrachtet. Ihm war das jedoch reichlich egal und er ließ sich auf Soras Bett fallen, schloss die Augen und hoffte, einfach einzuschlafen.

Leider schien ihm das nicht gegönnt, denn einige Sekunden später wurde er schon von seinem Bruder angesprochen. „Hey, Ven, alles klar? Siehst ein bisschen blass aus, finde ich…“. Er hielt sich zurück und unterdrückte es, etwas Schnippiges zu erwidern, schwieg stattdessen einfach und vergrub den Kopf in seinen Händen.

„Ähm…wollt ihr was essen? Ihr seid sicher hungrig“, kam es dann – wohlgemerkt unbehagen – von Sora, woraufhin Ventus begeistert aufsprang. „Au ja!“, rief er, nun wieder voller Elan, und grinste die beiden an, vollkommen vergessend, wieso er so niedergeschlagen gewesen war. Die beiden sahen ihn ungläubig an, erhoben sich aber ebenfalls und folgten Ventus, der sich schon auf den Weg machte, um das Zimmer zu verlassen.

Eigentlich hätte er es ja ahnen müssen. Er griff zur Klinke und in dem Moment wurde die Türe mit voller Wucht aufgestoßen, sodass er sie mitten auf die Zwölf gerammt bekam. Er wich zurück, kniff die Augen vor Schmerz zusammen und versuchte, einen aggressiven Aufschrei zu unterdrücken. Langsam wieder aufblickend erkannte er, dass die Ausgeburt der Hölle Schuld an der Situation war.

„Was zur Hölle sollte das jetzt?“, fauchte Ventus sein Gegenüber an und ignorierte, dass Sora und Roxas hinter ihm standen und ihn ungläubig anstarrten. „Bist du eigentlich vollkommen dämlich? Ich klatsch dir nächstes Mal was anderes wo anders hin!“, meckerte er lautstark und war sowohl auf 180 als auch voller Adrenalin. Dass der Schwarzhaarige ein gehässiges Lachen unterdrückte – was man sehr deutlich sehen konnte –, machte die Situation auch nicht übermäßig besser.

„Gehst du jetzt da weg, man?!“, brüllte Ven weiter und regte sich erst ab, als Vanitas das dann auch endlich tat, das Lachen nun wohlgemerkt nicht mehr zurückhaltend. Erst jetzt wurde Ventus bewusst, was er gerade getan hatte. Diese psychopathische Lache…und er würde mit dem Kerl in einem Zimmer schlafen müssen…eine Woche lang…

//Flur ist cool. Besser erfrieren als gemeuchelt zu werden//, dachte er sich, was nicht gerade aufmunternd war. Er beschloss erstmal, den Abend Abend sein zu lassen und den Rest des Tages zu genießen, solange es ging. Eventuell würde sich seine Laune mit vollem Magen bessern. Er blieb im Gang stehen, um nicht als Erster runtergehen zu müssen, schließlich war er Gast und nicht Gastgeber.

Er wartete also, bis Roxas und Sora vorbeigegangen waren und folgte den beiden dann die Treppe hinunter und bis in die Essküche. Diese war nicht nur riesig, sondern in Vens Augen auch ziemlich cool gestaltet. Was das Bild störte, war die Ausgeburt der Hölle, die zuerst genervt guckte, dann aber wieder unheilvoll grinste. Ven gefiel das ganz und gar und als er dann auch noch bemerkte, dass neben Vanitas der einzige Platz frei war, überlegte er, das Essen ganz ausfallen zu lassen.

Er zwang sich, die Tatsache zu ignorieren und setzte sich stocksteif hin, unauffällig so weit wie möglich wegrückend. Er konzentrierte sich gar nicht darauf, was er aß, da er beschäftigt war, seine Umgebung auszublenden. „Ven…Ven?“, das war’s dann mit dem Ausblenden. Die Stimme seines Bruders riss ihn aus den Gedanken.

Vier der fünf neben ihm Anwesenden starrten ihn an, mit Ausnahme von Vanitas natürlich, welcher ganz lässig und gemütlich weiteraß, als wäre nichts. Ven blickte nicht zu ihm rüber, sondern fixierte seinen Bruder, der besorgt wirkte. „Alles in Ordnung bei dir?“ Er nickte, robotisch wirkend, ohne etwas zu sagen, denn etwas Intelligentes wäre es sicher nicht.

Natürlich glaubte ihm keiner und die Blicke blieben skeptisch, da er sich nun wirklich etwas merkwürdig benahm. Seiner eigenen Auffassung nach hatte er dazu allerdings einen sehr guten Grund. Ven wagte einen Blick zu seinem Sitznachbarn und bereute ihn sofort, da eben der ihn auch gerade ansah. Augenblicklich fixierte Ven wieder seinen eigenen Teller und beschloss, die Position beizubehalten, bis alle fertig gegessen hätten.

Die anderen beließen es dabei und widmeten sich nun auch wieder ihrem Essen. Ven machte beinahe schon Freudensprünge, als der Tisch dann endlich abgeräumt werden konnte und er Sora und Roxas nach endlos scheinendem „Gute Nacht“-Wünschen die Treppen wieder hinauf folgen konnte. Mit einem Blick auf das Fenster im Flur erkannte er, dass es langsam dunkel wurde.

„NEEEEEEEEEIN!“; Roxas und Sora fuhren herum und starrten Ven perplex an, Vens Blick jedoch klebte nur an der Tür zur Hölle, während er stehen blieb. Er überlegte, wo im Flur er es sich am gemütlichsten machen könnte, ohne das jemand auf ihn trat, doch da der Flur recht eng war, fiel diese Möglichkeit wohl flach.

In diesem Moment trat auch Vanitas die Treppe herauf, die Blicke der Umstehenden vollkommen ignorierend, während er auf sein Zimmer zuging und es betrat. Ven überlegte kurz. Würde er erstmal ins Badezimmer gehen, hätte er knapp eine Viertelstunde Ruhe; vorher müsste er jedoch seine Schlafsachen holen und das würde ihn wiederum zwanzig Sekunden im Zimmer der Ausgeburt der Hölle kosten.

Was dachte er da eigentlich? Er schlug sich innerlich vor den Kopf und beschloss, keine Memme mehr zu sein und das jetzt einfach durchzustehen. Als würde ihn so ein Dorftrottel aus der Reserve bringen, also echt!

Er trat einige Schritte auf die Türe zu und blieb neben Sora und Roxas stehen, um ihnen mit aufgesetzt entspanntem Blick eine gute Nacht zu wünschen und über die Türschwelle von Vanitas Zimmer zu treten. „Wieso ist’s hier eigentlich immer so dunkel?“, fragte Ven ohne nachzudenken und bereute es, als er mit einem bösen Blick von Vanitas, der auf seinem Bett saß, gestraft wurde.

Bevor Ven sich bewegen konnte, flog eine Fernbedienung in seine Richtung, ’verfehlte’ ihn, es klickte, das Licht ging an und die Fernbedienung fiel auf den Boden. Vens Herz raste von einem Augenblick zum anderen, doch er ließ sich nichts anmerken.

„Kannst du jetzt die Tür zumachen? Es zieht“, wurde er angemeckert und folgte der Anweisung. Erst jetzt untersuchte er das Zimmer genauer und er fragte sicherheitshalber nicht nach, wer das durchaus gemütlich aussehende Matratzenbett wann ’aufgebaut’ hatte, sondern ließ sich einfach darauf fallen und starrte die Zimmerdecke an.

„Hättest mir zumindest die Fernbedienung wiedergeben können“, mokierte sich sein Zimmergenosse und stand selbst auf, um sie sich zu holen und schließlich den Fernseher damit einzuschalten. Ven setzte sich auf und beobachtete, wie der Schwarzhaarige sich wieder auf sein Bett schmiss und durch die Kanäle zappte, jedoch nichts zu finden schien.

Ven schüttelte den Kopf, um sich loszureißen und warf nun einen Blick auf dem Schrank, in dem seine Sachen waren. Er überlegte nicht lange und stand auf, trat darauf zu und öffnete ihn, um Schlafsachen herauszunehmen. Er bemerkte noch, dass ihm ein Wäscheberg entgegenflog und in dem Moment, als er umgerissen wurde, hatte er ein unglaubliches Déjà-Vu vom Nachmittag. Er wollte gerade einen bissigen Kommentar loslassen, als Vanitas plötzlich laut losbrüllte vor lachen. Diesmal klang es nicht mal so unheilvoll wie zuvor.

Ven kämpfte sich durch die Sachen und setzte sich auf, mit einem hasserfüllten Blick, den jedoch der Schrank abbekam, da Vanitas ja hinter ihm saß und Ven zu faul war, sich auch nur umzudrehen. Na das würde ja ne schöne Zeit werden. „Läuft das jeden Tag so?“, fragte er und grinste bei dem Gedanken, dass Vanitas die Sachen sonst selbst abbekam.

„Nö. Sonst räum ich die Wäsche gar nicht erst zurück“. Auch ne Variante. Ven schüttelte ungläubig den Kopf und stand auf, um sich von seinen akkurat eingeräumten Sachen etwas zum Schlafen rauszusuchen. Er fischte ein schlabbriges T-Shirt und eine zu große Hose sowie Dinge wie Zahnbürste und -pasta heraus und wandte sich ab, um ins Badezimmer zu gehen.

Dort angekommen schloss er triumphierend die Türe hinter sich und betrachtete sich vor dem Waschbecken erstmal im Spiegel. Er war ein bisschen blass, aber wahrscheinlich war es am Nachmittag schlimmer gewesen. Er versuchte zwar mit allen Möglichkeiten, wie zum Beispiel drei Mal länger als nötig die Zähne zu putzen – die Zeit herauszuzögern, doch es gelang nicht wirklich.

Er bekam einen mittleren Herzinfarkt, als die Tür sich öffnete und sein liebster Zimmergenosse eintrat. „Willst du mich jetzt verarschen?“, meinte Ven tonlos, zu schockiert, um erzürnt zu klingen. Der Andere zuckte jedoch nur mit den Schultern. „Hättest ja abschließen können. Kannst also nichts sonderlich Spannendes gemacht haben“.

Ven schüttelte den Kopf über diese dämliche Aussage, aber das mit dem Abschließen stimmte wohl. „Wenn du meinst“, erwiderte er deswegen nur, schnappte sich die Sachen, die er zuvor ausgezogen hatte und verließ das Badezimmer schneller als nötig, auch wenn er damit in Vanitas’ Zimmer zurückkehren musste.

Er schmiss die Sachen an sein Matratzenende und warf sich auf sein Bett, rückte sein Kissen zurecht, drehte sich zur Wand und wickelte sich in die Decke ein, sodass nur noch sein Kopf hinausragte. Er versuchte, schnell einzuschlafen, doch klappte das nicht und er war auch noch wach, als Vanitas zurückkehrte.

„Kann ich das jetzt ausmachen?“, wurde Ven gefragt und bejahte, wissend, dass das Licht gemeint war. Die eintretende Dunkelheit brachte ihm aber auch nicht viel, denn die Geräusche des Fernsehers hielten ihn weiterhin wach. Nach 200 Schäfchen, die er mit geschlossenen Augen gezählt hatte, gab er es auf und setzte sich hin, auf den Fernseher starrend. Es dauerte, bis er etwas erkannte, aber als es soweit war, staunte er nicht schlecht. War das ne Schnulze, was da lief?

„Nein, das ist keine Schnulze, bevor du fragst. Gleich frisst er sie, ich wette es.“ Sekunden später geschah mit dem ’romantischen Liebespärchen’ genau das; er biss ihr Ohr ab und nach einigen schmerzerfüllten Schreien wurde die Szene ausgeblendet. Den Schluss sollte man sich dann wohl selbst denken.

Während Ven schockiert auf den Bildschirm starrte, meckerte Vanitas rum. „Das war jetzt echt so was von schlecht, vorhersehbar und langweilig. Und das Blut war eindeutig Tomatenketchup. Mit extra viel Tomate.“ Ven dagegen würde jetzt wohl gar nicht mehr schlafen können und er überlegte sich das mit dem Flur noch einmal genau.

„Ist was? Du glotzt so blöd. Wehe, du schaffst es nicht bis ins Bad, wenn dir schlecht wird“. Ven versuchte, einfach nicht daran zu denken, was er gesehen hatte und legte sich wieder mit dem Gesicht zur Wand zurück, die Decke nun auch über den Kopf ziehend.

Er zählte und zählte, und nach weiteren 429 Schäfchen schaffte er es tatsächlich, einzuschlafen…
 

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Ja, das Kapitel war recht lang. Weiß noch nicht, ob es mit den anderen genau so sein wird. Werd auf jeden Fall versuchen, mich zu beeilen.
 

Grüßelchen,

Valenfield

II

Halloooooo. Ich hab's endlich geschafft, dieses Kapitel fertigzustellen :3 Leider muss ich auch sagen, dass es beinahe 6000 Wörter hat xD Wobei ich echt keine Ahnung habe, wie die zusamengekommen sind...Na ja...hoffentlich liest es dennoch jemand :)

Ein RIESIGER Dank geht übrigens an Fascination, die mir mit einigen sehr guten Ideen für dieses Kapitel zur Seite gestanden hat :3
 

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Tag II - Eislaufen und andere Schwierigkeiten
 

Der nächste Morgen sollte kein schöner werden, denn Ven erwachte mit fürchterlichen Kopfschmerzen. Er gab ein extrem unzufriedenes Geräusch von sich und drehte und wandte sich, bis er es schaffte, sich aufzusetzen. Sein Kopf dröhnte und er griff sich mit den Händen an die Schläfen, blinzelte mehrfach, um etwas erkennen zu können.

Er blickte auf seine Matratze und sah, dass Steine auf ihr lagen…Steine? Er wandte seinen Blick rasch zu seiner Linken und erkannte Vanitas, der auf seinem Bett saß und ein Kieselsteinchen in der Hand hielt, gerade in Abwurfposition. „Hast du eigentlich nen totalen Schaden?“, fragte Ven viel zu ruhig und erhielt als Antwort ein Schulterzucken, was ihn umso mehr ärgerte.

„Zumindest biste jetzt wach, oder?“ Ven empfand dies zwar als eine recht dämliche Antwort auf seine Frage, beließ es aber dabei, denn er hatte definitiv zu starke Kopfschmerzen, als dass er bereit wäre, zu streiten.

„Wie spät isses überhaupt?“, fragte er genervt und hatte schon vergessen, dass er doch eigentlich jede mögliche Minute außerhalb dieses Zimmers verbringen wollte – was musste es auch so gemütlich und schön warm sein?

„Recht spät schon. Halb neun, mein ich. Bin extra um den Block gelaufen, um ein Paar Steine zu sammeln“. Ven dachte einen Moment lang nach und ließ dann ein unliebsames Geräusch verlauten. „Halb…neun…HAST DU DEN KNALL NOCH NICHT GEHÖRT?!“ Bei seinem Glück war jetzt die gesamte Nachbarschaft wach.

Vanitas grinste ihn nur an – Vens Meinung nach ein gehässiges Grinsen –, schien sich aber dennoch keiner Schuld bewusst. „Ich weiß nicht, was du damit meinst“, war die knappe Antwort und Ven wurde immer wütender. Er unterdrückte die Wut jedoch so gut es ging und versuchte, sich zu beruhigen.

Sein Magen knurrte und augenblicklich sank seine Laune noch ein Stück. Er beschloss, es zu ignorieren und machte es sich wieder gemütlich. Halb neun, also wirklich.

„Dir ist aber schon klar, dass ich noch mehr Steine gesammelt habe, oder?“. Ven erwiderte nichts darauf und zog einfach die Decke über den Kopf. So würde es schon nicht sonderlich wehtun. „Als wär ne Decke ein Hindernis.“ Und das war der Moment, in dem das Fass überlief. Ven saß von einem Moment zum anderen aufrecht, stand mehr oder weniger elegant auf und stemmte die Hände in die Hüfte.

„Du willst ernsthaft Streit, oder?“. Wenn es so früh war und Ven gleichzeitig Hunger hatte, war nicht mit ihm zu spaßen. Dennoch schien Vanitas das alles für extrem lustig zu halten. „Och, ich hab sowieso selten jemanden zum streiten – also warum nicht?“, dabei wich das Grinsen nicht von seinem Gesicht. Ven beschloss, sich das nicht länger bieten zu lassen und drehte sich zur Tür, um das Zimmer zu verlassen.

„Ach, nun komm schon. Du bist echt richtig langweilig. Jetzt sei doch nicht – HEY!“ Vanitas schien gar nicht begeistert, als Ven einfach den Raum verlassen und die Tür lautstark hinter sich zugezogen hatte. Anscheinend mochte er es nicht, wenn man ihn ignorierte.

Ven war das jedoch vollkommen egal und er stolzierte – wohlgemerkt jedoch leise – die Treppenstufen hinunter und wunderte sich nur in Maßen darüber, dass er Roxas und Sora am Küchentisch sitzen sah. Ersterem fielen bei Vens Anblick beinahe die Augen aus. „Du, wach? Jetzt? Wirst du krank?!“, obwohl es ernst gemeint klang, antwortete Ven mit einem verärgerten Blick. „Ja, und mit der Krankheit muss ich ein Zimmer teilen“, erwiderte er schroff und extrem genervt, ließ sich dann ebenfalls am Tisch nieder und stoppte seinen Kopf, der Richtung Tischplatte raste, nicht im Geringsten.

Der laute Aufprall störte ihn nicht; Kopfschmerzen hatte er sowieso vorher schon gehabt. Ven ignorierte die Tatsache, dass er wenige Sekunden später einen Sitznachbarn hatte, und nahm sich vor, den ganzen Tag so liegen zu bleiben. Das wurde jedoch vereitelt, da ihm, gerade als er fast eingenickt war, ein Mal kräftig auf den Hinterkopf geschlagen wurde.

Er wartete einige Sekunden, um die Situation zu realisieren und riss dann seinen Kopf nach oben. „Hast du irgendwie eine Macke?“, wollte er entnervt wissen, doch Vanitas schien sich keinerlei Schuld bewusst, was Ventus umso wütender machte. Er wollte es dabei belassen und es sich wieder gemütlich machen, als er doch eine Antwort erhielt.

„Am Essenstisch schläft man nicht“. Er glaubte, falsch zu hören. Meinte der das jetzt ernst? Anscheinend ja, und es gefiel Ven nicht, ganz besonders, als sich auch noch sein Bruder einmischte. „Nun, da muss ich ihm Recht geben. Außerdem solltest du frühstücken, finde ich“. Ven rollte mit den Augen, schmierte sich dann jedoch ein Marmeladenbrot und biss hinein; zugegebenermaßen schmeckte es nicht schlecht, dennoch besserte dies seine Laune nur mäßig.

„Und, was machen wir heute so?“, kam es dann von Seiten Soras und dass er dabei nicht nur zu Roxas blickte, sondern in die gesamte Runde, Vanitas also angeschlossen, passte Ven weniger als gar nicht. Niemand antwortete, also übernahm Ventus das. „Ich werd definitiv noch ne Weile schlafen müssen, sonst fall ich in drei Stunden um“, meckerte er, sein Plan wurde jedoch vereitelt.

„Wo denn? In meinem Zimmer sicher nicht“ – „Dann schlaf ich halt im Flur“ – „Dann tret ich absichtlich auf dein Gesicht“ – „Dann schlaf ich halt…vor der Haustüre“ – „Da mach ich das Gleiche“ – „Dann fahr ich halt verdammt noch Mal wieder nach Hause, wo ich meine Ruhe habe!“

Einen Moment Schweigen, dann ein Duell zwischen Sora und Vanitas. „Könntest du aufhören, meine Gäste zu vergraulen?“ – „Würde dein Gast nicht in meinem Zimmer schlafen, gäbe es das Problem gar nicht“ – „Du könntest auch ab und zu Mal nett sein, dann würde dich vielleicht auch mal jemand leiden können“.

Schweigen. Ven überlegte. Zuerst, ob das nun gesessen hatte, und dann, ob er jetzt wohl wirklich auf der Straße schlafen müsste. „Nö, kann ich nicht“ – „Schön“ – „Schön“.

Und damit schien die Diskussion wohl beendet. „Ich hätte nicht mitkommen sollen“, murmelte er sich selbst zu. „Dann könnte ich jetzt noch geschätzte vier Stunden in meinem gemütlichen, warmen, eigenen Bett liegen und hätte meine Ruhe“.

Die Stimmung war alles andere als gut und frühstücken tat schon lange keiner der Anwesenden mehr. Sora und Vanitas warfen sich hin und wieder immer noch unzufriedene, beinahe streitsüchtig wirkende Blicke zu, sagten jedoch beide kein Wort. Nach einiger Zeit wurde Ven das dann doch zu bunt.

„Okay, jetzt ernsthaft. Ich werde jetzt meine Sachen packen und gehen. Ich hab echt keinen Bock mehr und dass ihr euch meinetwegen so schief anguckt, vor allen Dingen, während ich dabeisitze, geht mir ebenfalls tierisch auf die Nerven“; mit diesen Worten erhob er sich, zog eine mehr als nur unglückliche Schnute und machte sich auf den Weg zur Treppe.

Wieso hatte er noch mal eingewilligt? Ach ja – Bruderliebe. Er machte ein unzufriedenes Geräusch, stampfte die Treppe hinauf, ignorierend, dass er nicht bei sich zuhause war, trat in Vanitas Zimmer, platzierte sich vor dem Schrank und wollte gerade die Türe öffnen, als er ein Geräusch hörte, sich umdrehte und eine Viertelsekunde später an den Schrank gedrückt wurde.

„Um das mal klarzustellen. Du wirst dieses Haus mit deinen Sachen bis in fünf Tagen abends nicht verlassen. Dafür sorge ich, und wenn es das Letzte ist, was ich tue“. Ven wurde erst jetzt bewusst, dass Vanitas’ und sein eigenes Gesicht nur wenige Zentimeter voneinander getrennt waren und er durch das Flüstern dennoch nur gerade so verstand, was sein Gegenüber sagte.

„Sei nicht albern und lass mich los“, beklagte er sich mit gefestigter Stimme, war jedoch innerlich weniger mutig als er klang; genau genommen nämlich gar nicht. Vanitas dachte jedoch nicht daran, dem Folge zu leisten. „Das kannst du vergessen, und zwar gewaltig. Du wirst verdammt noch Mal weder im Flur, noch auf der Straße, noch bei dir zuhause schlafen, bis diese gottverdammte Woche vorbei ist, denn sonst kassiere ich den Ärger mit meinem Bruder, deinem Bruder, meinen Eltern und deinen Eltern und falls du die unsinnige Vermutung hegst, dass ich darauf Lust habe, verrate ich dir sehr gerne, dass dem keineswegs so ist und dass ich notfalls mit Hammer und Nägeln die Zimmertüre und die Fenster verriegle, bis die Woche vorbei ist“.

Ven unterdrückte den Drang, zu schlucken, jedoch stand nun pure Panik auf seinem Gesicht geschrieben. Er war schon froh, dass er nicht zitterte oder zusammenzuckte, bei jedem Wort, das Vanitas sprach.

„Und jetzt starr mich verdammt noch mal nicht so an, sonst überlege ich mir noch mal, ob ich dich nicht doch aus dem Fenster schmeißen soll“, mit diesen Worten wurde er losgelassen und Vanitas ließ sich auf sein Bett fallen und wirkte, als sei nichts geschehen. Ven blieb vor dem Schrank stehen, starrte Löcher in die Luft und überlegte, was genau gerade passiert war.

Er ließ sich auf sein provisorisches Bett fallen. „Ich hab aber keinen Bock mehr auf dich“, erwiderte er schlussendlich doch. Das hätte er vielleicht besser nicht sagen sollen.

„Was bitte?“ – „Ich sagte, dass ich keinen Bock mehr auf dich habe“. Schweigen. Nun hatte Vanitas wohl realisiert, dass Ven das ernst gemeint und auch überhaupt tatsächlich wirklich gesagt hatte. Er stand auf und ging zu dem Blonden rüber. Ven hatte sich jedoch abgewandt und merkte dies nicht. Ihm wurde erst bewusst, welch einen Fehler er mit dieser Aussage gemacht hatte, als er an den Schultern gepackt wurde und er Vanitas’ Stimme viel zu nah an seinem eigenen Ohr hörte.

„Das interessiert mich überhaupt nicht. Du wirst nichts Dummes anstellen und damit ist die Diskussion beendet“. Ven reagierte nicht und nach einigen unglaublich stressigen Sekunden wurde er endlich losgelassen. Statt jedoch wieder zu seinem eigenen Bett zu gehen, machte Vanitas es sich im Schneidersitz auf der nebenliegenden Matratze gemütlich. Ven gefiel das überhaupt nicht, doch er bewegte sich gar nicht erst und versuchte, es zu ignorieren.

„Jetzt mach irgendwas!“, wurde er dann angemeckert, verstand die Aufforderung aber nicht ganz. „Bitte?“ – „Ich sagte, du sollst was machen!“ – „Und was?“ – „Das interessiert mich nicht. Irgendwas Spannendes halt.“ Ven richtete sich auf und blickte Vanitas einige Sekunden schweigend an. „Willst du mich jetzt auf den Arm nehmen?“ Ein Augenrollen reichte ihm als Verneinung.

„Ich bin doch nicht dein Entertainer; und ne Puppe ganz sicher auch nicht. Ich lass mich nicht von dir rumschubsen und handel dann nach deinem Belieben“; dabei schmollte er ungewollt und wandte den Blick ab. „Abgesehen davon hab ich überhaupt keine Ahnung, was ich machen könnte.“

Er merkte erneut nicht, dass Vanitas’ Gesicht zu nah an seinem Ohr hing, bis etwas hineingeflüstert wurde: „Also ich hätte da eine Idee“. Ven fuhr zusammen, ließ einen sehr mädchenhaften Schrei los und wollte schon das Zimmer verlassen, bemerkte aber mit einem Griff zur Klinke, dass die Tür abgeschlossen war und der Schlüssel nicht steckte.

//Beruhig dich, Ven. Das ist alles nur ein schlechter Witz. Er ärgert dich nur-//. Die Vorsätze von Beruhigen gingen jedoch flöten, als er eine Hand an seiner Schulter spürte, zur Seite sprang und erneut schrie. „Pack mich nicht an, man!“; normalerweise hätte er über diesen durchaus dämlichen Reim gelacht, aber jetzt gerade war ihm dazu gar nicht zumute.

„Mach diese Tür auf und lass mich raus!“, beschwerte er sich lautstark und mit viel zu hoher Stimme, machte bei jedem Schritt, den Vanitas auf ihn zukam, selbst einen nach hinten, und merkte zu spät, dass er dabei irgendwann stolpern und rücklings auf das Bett seines Zimmermitbewohners fallen sollte.

Bevor er reagieren konnte, wurde er von oben breit angegrinst und beim Versuch, schnell aufzustehen, schaffte er es gerade so, auszurutschen und sich auf die Nase zu legen. Es war ihm in dem Moment auch ziemlich egal, wie dämlich das aussah; alles, was er wollte, war, diesen Raum zu verlassen, und zwar jetzt!

„Reg dich ab, man. Du siehst echt dämlich aus, wenn du so von einer Stelle zur nächsten fällst“. Ven baute sich vor Vanitas auf und fing an, loszumeckern. „Ach ja! Ich geb dir gleich dämlich! Lass mich verdammt noch mal raus, du, du, du…“, er überlegte einen Moment, „…Ekelpaket“. Eigentlich hatte er Perversling sagen wollen, aber dann hätte er sicherlich Streit kassiert.

„Nö.“

Ven glaubte, nicht richtig zu hören. „Bitte was?“ – „Nö“. Das wurde ihm jetzt zu blöd. Er trat auf die Türe zu und bevor Vanitas realisierte, was geschah, brüllte Ven los: „HILFE! ICH WERDE GEFANGENGEHALTEN!“; dabei schlug er mehrmals gegen die Türe und machte ein Paar ungut klingende Ausrufe. Sekunden später hörte er polternde Schritte, die die Treppe raufstürmten, und er wurde angeschrieen.

„Hast du nen Dachschaden?! Mach doch nicht aus einer Mücke einen Elefanten!“ – „Eine MÜCKE?! Das hier ist Freiheitsberaubung!“ Die beiden wollten gerade weitermeckern und –diskutieren, als sie unterbrochen wurden. „VANITAS! VENTUS! Macht gefälligst sofort die Türe auf und hört auf mit dem Mist!“

Ven wollte sich beschweren, dass das doch alles gar nicht seine Schuld war, doch Vanitas war schon auf die Türe zugetreten, hatte sie geöffnet und Ven spürte eine Sekunde später den Schlüssel gegen seine Stirn fliegen. Eigentlich hätte er etwas erwidert, aber die Tür flog auf und Sora lief geradewegs in ihn hinein.

Ven stolperte zurück und wurde auch schon angemeckert. „Was veranstaltet ihr hier eigentlich?“ – „Wir veranstalten gar nichts!“, beklagte Ven sich nun lautstark. „Ich werde hier gefangen gehalten!“ Das mit der Belästigung ließ er lieber weg. „Aha…ihr könntet aufhören zu streiten und euch fertig machen“. Ven gefiel das nicht.

„Fertig machen…wofür genau?“, fragte er deswegen vorsichtshalber noch einmal nach und klang dabei nicht sehr begeistert. „Für’s Eislaufen. In ner halben Stunde anständig angezogen unten sein; und keine Widerrede.“ Damit verließ er den Raum und zog Roxas hinter sich her, schloss die Türe und urplötzlich herrschte Totenstille.

Eislaufen? Hatte er das richtig verstanden, ja? Eislaufen? Ven gefiel das nicht. „Na dann lauft ihr mal schön Eis“, meinte Vanitas gelassen, doch als hätte er es geschrieen, kam eine Antwort von außerhalb des Zimmers. „Und du kommst mit, Vanitas! Sonst erzähl ich Mum und Dad, dass du meine Gäste belästigst!“. Ven empfand dies als keine sonderlich harte Drohung, doch Vanitas schien das zu tun, denn prompt blickte er drein, als habe man ihn verprügelt.

„Ich hasse Eislaufen“, beschwerte er sich. Ven selbst hatte es noch nie gemacht, also sollte Vanitas seiner Meinung nach mal ganz den Mund halten. Ven blieb in der Mitte des Zimmers stehen, bis er – wieder mal – angemeckert wurde. „Sag mal, hast du für die Sommerferien eingepackt oder was?“, er fuhr herum und sah, dass Vanitas in Klamotten rumwühlte. Ven merkte, dass es seine waren.

„Weg von meinen Sachen!“ – „Stell dich nicht so an“. Der Schwarzhaarige richtete sich auf und kramte in seinen eigenen Sachen, obwohl er sich augenscheinlich schon etwas parat gelegt hatte. „Also…ist nicht böse gemeint oder so, aber du hast dir da schon was hingelegt“ – „Das weiß ich, aber wenn ich schon mitgehen muss, werde ich dich Trottel mit ins Verderben reißen. Und ohne angemessene Sachen wird mein Bruder dich niemals mitnehmen.“

Ven schwieg. Was sollte er auch schon groß erwidern. Er reagierte lediglich, als ihm einigen Kleidungsstücke zugeworfen wurden, die er auffing und genauer betrachtete. Irgendwie passte es zu Vanitas, dass sein Kleiderschrank aus schwarzen und roten Klamotten bestand. Das Problem war, dass Ven lieber Farben wie blau, gelb oder grün trug. Er wollte allerdings nicht wählerisch sein, schnappte sich neben den geliehenen Sachen – bestehend aus Schal, Pullover und Handschuhen – noch eigene Kleidungsstücke dazu, um sein Outfit zu vollenden, und verließ damit den Raum, um ins Badezimmer zu gehen.

„Hey, hey! Vergiss es, ICH gehe jetzt ins Badezimmer“, wurde er angemeckert, als er schon drinnen war und die Kleidung auf ein Schränkchen neben dem Waschbecken hatte fallen lassen. Er ignorierte den Ausruf, zuckte jedoch zusammen, als Vanitas eiskalt trotzdem den Raum betrat. „Ähm…raus?“, beschwerte Ven sich, erhielt jedoch keine Antwort.

Sie schwiegen und starrten sich an, wartend, dass einer nachgab. Natürlich war es Ven, der im Endeffekt mit den Augen rollte und den Raum verließ, nur um sich neben der Tür niederzulassen und dort zu warten. So würde es schneller gehen. Er wartete und wartete, und nachdem es ihm doch zu lange dauerte, meckerte er lautstark rum, was für eine Diva Vanitas doch sei.

Daraufhin dauert es nur noch fünf Minuten, bis Vanitas – dick in warme Sachen eingepackt – aus der Tür trat und – Ven demonstrativ ignorierend – die Treppe hinunter ging. Ven rollte erneut mit den Augen und betrat das Badezimmer, um sich selbst anzuziehen. Im Gegensatz zu seinem Zimmernachbarn brauchte er nur knappe zehn Minuten, bis er das Bad wieder verließ und den Weg die Treppe hinunter antreten konnte. Unten wurde natürlich schon auf ihn gewartet.

„Na endlich, da bist du…Moment Mal. Hey, Vanitas, ist das nicht dein Pullover?“; Sora beäugte Ven beinahe wie einen Schwerverbrecher. „Wär schon möglich, warum?“, und die Antwort klang so schneidend, dass Ven es für besser gehalten hätte, hätte Sora geschwiegen. „Normalsterbliche dürfen den doch nicht mal anfassen – und er darf ihn anziehen? Wer bist du, und wo ist mein Bruder hin verschwunden?“ – „Ach, lass mich in Ruhe. Ich nutze nur die Gelegenheit, zuzusehen, wie drei statt zwei dauerhaft auf ihrem Gesicht landen, beim verzweifelten Versuch, anständig Eiszulaufen“.

Ven hielt dies für eine schlechte Ausrede, allerdings war ihm klar, dass sie teilweise stimmte. Er würde sicherlich eine Million Mal hinfallen, und das gefiel ihm gar nicht. Er zog sich seine Schuhe und seine Jacke an, betete, dass alles gut enden würde, und verließ als Erster das Haus. Die anderen folgten und nach einigen Metern ging Ven langsamer, um ganz hinten gehen zu können.

Er hatte da keine Lust drauf. Gar keine Lust. Wer war eigentlich auf diese dämlich Idee gekommen…und warum? Er sagte jedoch nichts und betrachtete während ihres Fußmarsches die nähere Umgebung. Vor sich hörte er zwei Schnattertanten, die anscheinend kein Problem mit der Situation hatten, und wo Vanitas war, wollte er nicht wissen; wahrscheinlich irgendwo neben ihm oder so.

Selbstverständlich rannte er erstmal in seinen Bruder hinein, als sie dann doch endlich an der Eislaufhalle ankamen, und das ärgerte ihn so sehr, dass er augenblicklich noch weniger Lust aufs Eislaufen hatte. Er sagte jedoch nichts und die einzigen Worte, die er bis kurz vor der Eislauffläche verlauten ließ, waren die, mit denen er seine Schuhe ausleihen musste. Während sich alle die Schuhe anzogen, wurde Ven etwas bewusst: Er hatte keine Lust darauf.

Er zwang sich jedoch zu schweigen und stolperte als Letzter auf die Eisfläche, ließ jedoch nicht vom Rand ab, an dem er sich festhalten konnte. Er beobachtete Sora und Roxas, die zwar beide ein bisschen stolperten, sich aber aneinander festhielten und anscheinend eine Menge Spaß hatten. „Und dafür musste ich jetzt mitkommen?“, hörte Ven, drehte sich vorsichtig und blickte nach unten, um zu Vanitas zu schauen, der es sich auf der Eisfläche im Schneidersitz gemütlich gemacht hatte.

„Du wirst dir eine Blasenentzündung zuziehen“; ein Augenrollen war die Antwort. „Danke für die Fürsorge, Mutter, aber ich kann auf mich aufpassen“ – „Hattest du schon mal ne Blasenentzündung? Ich schon. Tut weh wie sonst was und du musst alle halbe Stunde aufs Klo. Vor allen Dingen im Kino voll uncool.“

Vanitas stand daraufhin auf, wohl nicht wegen der Blasenentzündung, sondern seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen eher, damit Ven den Mund hielt. Der hielt sich immer noch am Rand fest und merkte zu seiner Verwunderung, dass Vanitas dasselbe tat. Ven hätte zu gern über den beinahe ängstlichen Gesichtsausdruck des Schwarzhaarigen gelacht, aber er riskierte nicht, dann Streit zu bekommen.

„Kannst es wohl auch nicht sonderlich gut“, meinte er deswegen nur leicht höhnisch und grinste breit. Die Antwort war ein strafender Blick. „Halt dich geschlossen, man. Ich kann das tausend Mal besser als du“. Die Aussage wurde jedoch von Vanitas’ merkwürdigem Gestrampel widerlegt, als er versuchte, zu stehen, ohne sich festzuhalten.

„Ja, das sieht man“, erwiderte Ven monoton und unterdrückte es mit aller Macht, zu lachen, was man anscheinend merkte, denn er wurde böse angeguckt. „Ich kann das!“, wurde er angefaucht und damit ließ Vanitas den Rand mit einer halben Drehung vollkommen los, strampelte wie blöd rum, fand kurz halt, grinste überlegen, rutschte vorwärts und kippte mit einem sehr mädchenhaften, lauten Schrei – wohlgemerkt immer noch wie bescheuert strampelnd und die Arme hin und her werfend – vornüber.

Ven guckte einen Moment wie ein Auto – nur nicht so schnell – und lachte dann lauthals los. Vanitas versuchte, sich wieder aufzurappeln, jedoch ohne Erfolg. Ven musste unterdessen umso mehr lachen, da Vanitas aussah wie ein Fisch auf dem Trockenen, nur nicht ganz so zappelig. „Hör auf zu lachen und hilf mir, verdammt!“

Ven hörte zwar nicht auf zu lachen, ließ aber von der Mauer ab, schlitterte ein bisschen, schaffte es aber, nicht zu fallen, und reichte Vanitas eine Hand. In dem Moment, als der Schwarzhaarige zugriff, wurde Ven klar, dass das nicht gut gehen würde, doch es war zu spät, zu reagieren, da er fast schon von selbst zog.

Zuerst sah es aus, als würde alles gut gehen – dann schlitterten sie beide, klammerten sich aneinander und fielen demnach auch beide hin, Ven natürlich zuerst. Das einzige Gute war seiner Meinung nach, dass sie beide neben- und nicht aufeinander fielen, und dass sie sich nicht verletzt hatten – bis auf ein oder zwei blaue Flecke vielleicht.

Sie starrten sich an, ließen einander nach einigen Sekunden perplex los, setzten sich beide auf und waren sich einig: „Ich hasse Eislaufen“. Sie schwiegen und blieben einige Zeit so sitzen. „So viel zum Thema, eine Blasenentzündung wäre so schrecklich“, meinte Vanitas dann plötzlich, um vom Thema abzulenken, und tatsächlich stand Ven prompt auf.

Der Schwarzhaarige rollte mit den Augen, richtete sich aber nach einigen Anfangsschwierigkeiten auch auf und beschloss, sich wieder am Rand festzuhalten. „Ich hasse Eislaufen…über alles“, meckerte er lautstark und zog eine beleidigte Schnute. „Du hast es ja gar nicht wirklich versucht. Ein bisschen geprotzt, ja, aber dem Sport hast du keine Chance gegeben“, meinte Ven gelassen, ignorierend, dass er selbst ebenso seinen Hass gegenüber dem Eislaufen bereits kundgetan hatte.

„Halt den Mund und mach es besser“, war die Erwiderung und damit lehnte Vanitas sich gegen den Feldrand und beobachtete Sora und Roxas mit verächtlichem Blick – Ven persönlich hätte ihn eher als neidischen Blick bezeichnet, aber das sagte er lieber nicht laut.

Er hampelte ein bisschen rum, schaffte es aber, auf der Fläche Halt zu finden und einige Meter vorwärts zu tun, ohne hinzufliegen. Er war zwar nicht ganz sicher auf den Beinen, aber es ging noch. Er machte ein Paar Schritte nach vorn und dann wieder Richtung Rand und gerade, als er dachte, er könnte es, stellte Vanitas ihm ein Beinchen und lachte schon, bevor Ven hingefallen war – was allerdings eine Sekunde später doch geschah.

„So kennt man dich, Vanitas. Immer drauf, hm?“ Ven vernahm eine ihm unbekannte Stimme und richtete sich so schnell es ging wieder auf. Ihn starrten zwei Typen an, die beide mindestens anderthalb Köpfe größer waren als er selbst. „Oh, du musst dann Roxas sein? Ich bin Terra“, meinte der Brünette grinsend und hielt Ven seine Hand hin.

„Nee, nee, Roxas macht sich gerade da hinten nen schönen Tag mit meinem verdammten Bruder“, Vanitas schien immer noch extrem unfroh darüber, dass er hatte mitkommen müssen, „das da ist Ventus, falls es dich interessiert“. Terra legte den Kopf schief, guckte kurz perplex, grinste dann aber wieder. „Na gut, dann halt Ventus. Trotzdem hallo“.

Ven schüttelte also die Hand des Brünetten und auch die seines Begleiters, welcher allerdings eher weniger gesprächig schien. „Oh, das ist Riku. Er ist immer noch sauer, weil ich ihn hierhergeschleppt habe – und das, obwohl er grandios im Eislaufen ist. Aber du kennst das ja; Winterzeit, Dates, und dann muss man halt neuerdings wohl auch Eislaufen können! Und es alleine zu lernen macht keinen Spaß, findest du nicht?“

Ven gefiel es nicht, dass das Grinsen förmlich auf Terras Gesicht klebte. Nein, fand er nicht. Er hatte nämlich keine Ahnung, was dieser ‚Dates’-Wink heißen sollte. Er fragte allerdings lieber nicht nach, denn dann könnte er sich sicher eine Rede über Dates und Mädchen anhören, die ihn sowieso nicht interessieren würde – bringen würde es ihm nämlich sowieso nichts. Abgesehen davon schmerzten nun seine Knie und sein Gesicht, da er auf Ersteren aufgekommen war und auf Letzterem den Sturz abgebremst hatte.

„Hey, was ist los? Siehst irgendwie nicht allzu fröhlich aus. Und deine Nase leuchtet so“, spottete nun Vanitas und da reichte es Ven. Er sprang beinahe den einen Meter zu Vanitas rüber und wollte ihn gerade würgen, als er von diesem Riku zurückgehalten wurde. „Das war ne weise Entscheidung“, kam es daraufhin nur monoton und Ven blickte nur böse drein.

Er hatte jetzt endgültig genug und das machte er auch klar. „Ich hab keinen Bock mehr. Ich gehe jetzt“. Leider wurde sein Plan vereitelt. „Was, gehen? Ven! Du gehst nirgendwohin!“ Ach, hatte sein Bruder auch den Rückweg von der Eisfläche gefunden. „Du lernst jetzt Eislaufen!“; bevor Ven reagieren konnte, wurde er an seinem Arm auf die Fläche gezogen, schlitterte, wurde jedoch gehalten und fiel deshalb nicht.

„Bist du wahnsinnig?! Mir tut sowieso schon alles weh!“, brüllte er unterdessen und versuchte, sich loszuwinden. Nach einer mindestens zweiminütigen Himmelfahrt endeten sie wieder am allseitsbeliebten Rand, wo anscheinend die vier anderen Anwesenden gerade eine Menge zu lachen hatten. Ven hatte es jedoch nur auf einen abgesehen.

„Haha, Vanitas, du hast was zu lachen. Nach einem Meter hinfliegen aber lachen, wenn ich ein bisschen hin und her schlittere! Das sind die Richtigen! Mach es doch besser!“ Angesprochener blickte zwar böse, erwiderte aber nichts.

„Ihr könnt das echt alle nicht?“, kam es plötzlich von Seiten Rikus, der nun den Kopf schiefgelegt hatte. „Sagt mal…warum seid ihr eigentlich hier, wenn ihr überhaupt keine Lust dazu habt?“; dabei blickte er Ven und Vanitas an. Die warfen sich einen Blick zu und schwiegen schulterzuckend. Riku und Terra schienen das für besonders lustig zu halten, Sora und Roxas verstanden den Witz nicht und Ventus und Vanitas blickten beide ziemlich beleidigt und unzufrieden aus der Wäsche.

„Das frag ich mich auch“, antwortete Letzterer dann. „Aber wenn ihr es doch schon so draufhabt, dass ihr hier lacht, dann könnt ihr ja auch mal was präsentieren“, und damit ließ er sich wieder auf den Boden sinken und machte eine einladende Handbewegung. „Du willst ja nur abschauen, damit du nächstes Mal nicht wieder sofort hinfliegst!“, murmelte Ventus, doch Vanitas hatte es gehört.

„Erstens: NEIN. Zweitens: Es wird kein zweites Mal geben. Drittens: Du hast hier erstmal gar nichts zu melden.“ Und damit hatte eine weitere Diskussion begonnen. „Ach nein? Ich finde, ich habe weitaus mehr Autorität als du!“ Die Antwort darauf war ein gehässiges Lachen. „Ja, total. Und meine Oma ist der Weihnachtsmann.“

Den beiden fiel gar nicht auf, dass die anderen vier Anwesenden sich langsam aber sicher wieder auf das Eis verzogen. In Soras und Roxas’ Fall ein bisschen unbeholfen, in Terras Fall ein wenig ungeschickt und in Rikus Fall, als hätte er nie in seinem Leben etwas anderes gemacht.

„Ach ja? Dann sag ihr mal, sie soll sich ein bisschen anstrengen, damit ich nächstes Mal das Richtige geschenkt bekomme!“ Diese Aussage war nach Vanitas’ Auffassung so dämlich, dass er erstmal sprachlos war. „Da hab ich’s dir aber gegeben.“ Ven grinste triumphierend, allerdings nur, bis er merkte, dass er inzwischen gar nicht mehr beachtet wurde.

Er drehte sich um und sein Blick fiel auf den Talentiertesten unter ihnen allen. Ven ließ sich auf den Boden sinken und, er wusste nicht wieso, aber es war so, ihm passte es nicht, dass er und Vanitas – welcher für ihn nicht als vollwertige Person zählte – zu dumm zum Eislaufen waren.

„Ich hasse Angeber“, hörte er von seiner rechten Seite aus und wandte seinen Blick zu Vanitas. „Du wolltest, dass er präsentiert…“ – „Hab ich jemals was davon gesagt, dass er das länger als zehn Sekunden zu machen braucht?“ Nun, das war wohl ein Argument.

„Am besten stell ich ihm ein Beinchen, wenn er vorbeikommt“, murmelte Vanitas und Ven unterdrückte den Drang, zuzustimmen; das wäre gemein. „Gib’s zu, du hast einen Moment auch drüber nachgedacht“; Ven schwieg. Nein, er würde nicht zustimmen.

„Du bist ja nur neidisch, weil du es am schlechtesten kannst“, stichelte er deswegen. „Bitte? Du bist ja wohl sehr viel schlechter als ich, also wirklich“ – „Nein, eigentlich eher weniger. Du bist nach zwanzig Zentimetern hingeflogen – und das auch noch voll unelegant“ – „Na und, dann bist du halt leer unelegant gefallen“ – „…“ – „…“ – „Hä?“

Vanitas schlug sich eine Hand vor die Stirn. „Wenn ich voll unelegant hingefallen bin, bist du es eben leer unelegant“. Ven schwieg einen Moment. „…das war voll…unlustig“ – „Nein, es war leer unlustig“ – „Halt dich geschlossen jetzt!“ Und schon schwiegen sie wieder, ihre Brüder und Kumpanen beobachtend.

„Ich kann’s trotzdem viel besser als du“; diesmal stichelte Vanitas. „Kannst du nicht“ – „Oh doch“ – „Eher nicht“ – „Eher wohl“. Ven hatte keine Lust mehr. „Beweis es“, meinte er deswegen gelassen. „Was?“ – „Beweis es“ – „Eigentlich ist es unnötig, Offensichtliches zu beweisen, aber egal; wie?“ Ven überlegte einen Moment.

„Wir starten an jeweils gegenüberliegenden Seiten und wer zuerst am elegantesten in der Mitte ankommt, hat gewonnen. Ohne hinfallen, natürlich!“ – „Klingt fair.“ – „Gut, aber da es ohne eine Wette langweilig wäre, suchen wir beide etwas aus, für den Falle, dass wir gewinnen“. Beide schwiegen kurz, sich etwas aussuchend. „Okay“ – „Okay“ – „Und?“ – „Wenn ich gewinne, bist du für den Rest der Woche mein persönlicher Sklave – Na, nennen wir es Butler. Wobei, ein Nettes „Ja, Master?“ zur rechten Zeit ist nie verkehrt.“ Ven zog unelegant eine Augenbraue hoch und hielt das für einen schlechten Witz. „Und das meine ich ernst“.

Ven schluckte und überlegte. Theoretisch hatte er nichts zu verlieren, so schlecht, wie Vanitas war. „Na gut…wenn ich gewinne…dann lässt du mich den Rest der Woche so lang schlafen wie ich will – und dass auch wann ich will! Ohne kurz Mal aufwecken oder ähnliches! Und auch am Küchentisch!“ Vanitas schien zu zögern, doch dann wurde ihm klar, dass dies scheinen würde, als hätte er Angst, zu verlieren. „Na gut, wieso nicht. Du wirst eh verlieren“.

Sie pfiffen ihre ’Freunde’ zu sich herüber und erklärten den Plan. Zuerst wurden sie skeptisch beäugt, dann jedoch gaben sich die neuen Schiedsrichter zufrieden und nickten nur. Vanitas und Ventus hatten zwar schon Probleme damit, sich auf die jeweils gegenüberliegende Seite des Eislauffeldes zu begeben, doch war das für keinen der beiden ein Grund, auch nur nahezu aufzugeben.

Sie machten sich an ihren Startpositionen etwas locker – wenn man das bei ihnen so nennen konnte – während die ’Schiedsrichter’ die Mittellinie markierten, indem sich Roxas und Sora auf genau dieser gegenüber stellten. Sie hielten es zwar immer noch für eine dumme Idee, aber was wollte man machen.

Vanitas und Ventus fixierten sich mit einem bösen Blick, der Bände sprach, und ’stürmten’ los, als das Startsignal gegeben wurde – was konnten sie froh sein, dass außer ihnen allen gerade niemand da war! Es dauerte zwar etwas, aber nach ein Paar Metern wurden sie beide sicherer und ihre Geschwindigkeit nahm zu. Was ihnen jedoch zu spät auffiel: Sie waren wirklich genau gegenüber voneinander gestartet und rasten damit geradewegs aufeinander zu.

Sie versuchten beide gleichzeitig zu bremsen, sahen dabei unglaublich blöd aus – Riku und Terra brüllten schon los vor lachen – und krachten doch ineinander – und zwar genau auf der Mittellinie. Sie schlitterten ein wenig, versuchten dabei, sich gegenseitig wegzudrücken, und fielen schließlich aufeinander – Vanitas als Erster.

Sowohl ihr Tumult als auch das Gelächter verebbten abrupt und die beiden starrten sich schweigend an. Keiner sagte etwas und in Ventus stieg ein merkwürdiges Gefühl auf. „Kannst du jetzt mal aufstehen?“; er sprang beinahe auf und suchte Halt, schaffte es, sich zu fangen, und schüttelte seinen Kopf, um ihn freizubekommen. Das war…merkwürdig gewesen…sehr merkwürdig.

Vanitas hatte sich inzwischen auch aufgerichtet und hatte auch seinen Sarkasmus sofort wiedergefunden. „Also, so doof, wie du guckst, gestehst du dir gerade selbst ein, dass ich gewonnen habe; gib’s zu!“ Ven schien jedoch nicht an einer Diskussion interessiert, schwieg, und machte sich auf den Weg, das Feld zu verlassen. „Sind wir jetzt beleidigt? Ach komm schon, du hättest doch ahnen müssen, dass-“ – „Nein, ich bin nicht beleidigt. Und gewonnen hast du nicht mal wenn man dir aus Sympathie – wer auch immer die haben würde – Sonderpunkte gäbe. Vergiss es.“ Alle starrten Ven an, der drehte sich aber dennoch nicht um und verließ schließlich doch das Eislauffeld.

Das war…sehr merkwürdig gewesen. Er zog sich die Schuhe aus, gab sie zurück und verließ die Halle schnellen Schrittes. Nach kurzem Überlegen beschloss er, hier draußen zu warten, auch wenn es kalt war; er war ja relativ dick angezogen. Einer seiner drei Begleiter – sein Bruder höchstpersönlich – trat früher zu ihm als erwartet – nämlich nach nur knapp einer Minute.

„Alles klar? Hast du dir wehgetan oder warum bist du so plötzlich abgehauen?“; Ven schwieg auf diese Frage, da er keine Antwort darauf wusste. Warum war er gegangen? Vielleicht wollte er Ruhe, vielleicht wollte er auch einfach nur raus. So langsam trudelten auch Sora und Vanitas ein, wobei Letzterer Ventus vehement ignorierte, was diesem jedoch nur Recht war. Roxas und Sora warfen sich skeptische Blicke zu, hielten es jedoch für besser, nichts zu sagen.

Die vier schwiegen den gesamten Heimweg über, wodurch es wie Stunden schien, bis sie endlich ankamen. Ven stürmte ohne ein weiteres Wort die Treppe hinauf, was zwei verwunderte und eine genervte Person zurückließ, was ihm jedoch egal war. Er betrat das Badezimmer, fand sich innerhalb von einer Sekunde vor dem Waschbecken wieder und betrachtete unzufrieden sein Spiegelbild.

„Du bist…ein Trottel, Ven“, murmelte er sich selbst zu. „Ein riesiger Volltrottel. Deine Dummheit sollte schon wehtun, echt…“ Zwar motivierte es ihn nicht, sich selbst runterzumachen, aber zumindest hatte er etwas zu tun und konnte sich – wenn auch nur kurzzeitig – von der Situation ablenken.

Auf Dauer würde ihn das aber auch nicht weit bringen, weswegen er beschloss, seine Selbstmitleidsmine erstmal abzulegen und sich umzuziehen; hier drinnen war es mit den doch recht dicken Klamotten definitiv zu warm. Er betrat also Vanitas’ Zimmer, welches zum Glück momentan frei von ’Mitbewohnern’ war, und kramte in seinem Teil des Schranks herum, nachdem er ihn vorsichtig geöffnet hatte und sicher sein konnte, dass ihm nicht wieder Unmengen von Wäsche entgegen fallen würden.

Er kramte sich einige etwas kühlere Kleidungsstücke aus dem Schrank, mit denen er wahrscheinlich auch schlafen würde, und trat wieder den Weg ins Badezimmer an. Dort angekommen wagte er es erst gar nicht, einen Blick in den Spiegel zu werfen, sonst würde er wahrscheinlich wieder in Selbsthasstiraden verfallen, und das wollte er vermeiden. Er beeilte sich also damit, sich umzuziehen, nahm seine abgelegte Kleidung und verließ den Raum, nicht jedoch, ohne beinahe in Vanitas reinzulaufen.

Eben jener sah aus, als wolle er meckern, als er Vens Gesicht sah, schien er seine Meinung jedoch zu ändern. „Alles okay bei dir?“; Ven wäre im Normalfalle bei dieser Frage – aus Vanitas Mund in fast besorgter Tonlage! – aus allen Wolken gefallen, aber jetzt konnte er nichts anderes tun als gleichzeitig zu nicken und den Kopf zu schütteln, was eine sehr kreisende Kopfbewegung erzeugte. „Ja oder nein, sprich dich aus! Du bist irgendwie so weiß im Gesicht…aber mit so einem ungesunden Grünschimmer“.

Vanitas’ Art, Leute aufzumuntern, gefiel Ventus ganz und gar nicht; wirklich nicht. „Mir…geht’s gut“, murmelte er nur, wandte den Blick ab, ging an Vanitas vorbei und betrat ihr momentan geteiltes Schlafzimmer. Natürlich würde sein Mitbewohner nicht allzu schnell nachgeben, aber als Ven die getragene Wäsche genauso wie die vorige zusammengeknüllt an sein ’Bett’-Ende fallen ließ, war ihm das reichlich egal.

„Ich meins ernst…du siehst echt ungesund aus…wenn du umkippst, kriege ich den Ärger!“; Ven ließ sich auf die Matratze fallen, zog die Decke an sein Kinn, schloss die Augen und murmelte: „Ist mir egal jetzt…lass mich schlafen!“ Dabei ignorierte er die Tatsache, dass es eigentlich viel, viel zu früh zum schlafen war, gekonnt. „Hey, es ist erst…hey! Hörst du mir zu?!“

Erneut hatte Ven keine Lust zu antworten; er wollte einfach etwas Ruhe zum nachdenken. Dass er jedoch nach einigen Sekunden einschlief, war nicht geplant gewesen…
 

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Mwahaha...Applaus erstmal, wer bis hierhin gekommen ist.

Dass das Kapitel so "plötzlich" endet hat zwei Gründe. Der Erste ist, dass es sonst einfach zu lang geworden wäre, der Zweite wird im nächsten Kapitel gelüftet ;3
 

Grüße,

Valenfield

III

I did it? I DID IT!

Ich hab's endlich geschafft! Heute mal keine langen Vorreden, da das Kapitel schon lange fertig sein müsste und ich froh bin, es heute noch geschafft zu haben.

Nur ein Paar Sachen vorweg:

Es ist noch was länger als die anderen.

Die Story hat endlich mal irgendwie eine Wende in Richtung VaniVen.

Es wechselt von "Dramaaaa" zu "Fuuun".

Das Ende wirkt eventuell etwas abgehackt, aber es war eh schon übertrieben lang und ich hatte keine Zeit mehr, noch mehr Story einzubringen (Gomen!)

Und: Ich hoffe, es gefällt euch ;D
 

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Tag III - Vollmondnacht (Und andere Probleme)
 

Ven erwachte zum zweiten Mal in dieser Woche mit Kopfschmerzen, konnte jedoch diesmal keinen Unruhestifter ausmachen, da es komplett dunkel war, als er sich aufrichtete. Es musste wohl ziemlich spät in der Nacht sein, aber bei seinen Kopfschmerzen könnte Ven es wohl vergessen, noch einmal einzuschlafen. Er setze sich etwas um, sodass er sich an die Wand lehnen konnte, und seufzte lautlos.

„Sag mir nicht, dass du jetzt wachgeworden bist“; Ven zuckte zusammen, sprach jedoch mit gefestigter Stimme. „Es scheint so…wie spät ist’s denn?“, fragte er locker heraus. „Viertel nach drei. Nachts.“ Das gefiel Ven ehrlich gesagt so gar nicht. Jetzt schien ihm der Schlaf irgendwie in noch weitere Ferne gerückt. „Und wieso schläfst du um viertel nach drei nachts noch nicht?“, fragte er gelassen; es interessierte ihn wirklich.

„Geht dich nichts an, würde ich mal behaupten“; das war ja wieder klar. „Na ja, du könntest es mir ja trotzdem sagen“, erwiderte der Blonde dann und klang dabei irgendwie fast schon eingeschnappt. „Muss ich aber nicht“; Ven rollte genervt mit den Augen. „Dann werde ich mir da wohl leider selbst etwas zusammenreimen müssen“ – „Mhm“; zwar sollte es desinteressiert klingen, doch Ven hörte die Skepsis, die in dem Laut steckte.

Er summte etwas vor sich hin, bis ihm das aber dann auch zu blöd wurde und er stattdessen mit den Fingern an der Wand trommelte. „Hör auf damit“ – „Du schläfst ja eh nicht“ – „Na und? Es stört!“; also hörte er auch damit auf. Nun war ihm allerdings langweilig und an Schlaf war in seinen Augen sowieso schon lange nicht mehr zu denken.
 

Er stand auf, mit dem Entschluss, ein wenig frische Luft schnappen zu gehen. „Wo willst du hin?“ – „Geht dich nichts an, würde ich mal behaupten.“ Er verließ den Raum sofort ohne weitere Worte, da er auf eine Diskussion jetzt sowieso keine Lust hatte, und schlich die Treppe runter. Unten angekommen zog er sich Schuhe und Jacke an und trat auf die Türe zu, um sie zu öffnen und in die Kälte hinauszutreten.

Intelligenterweise blieb er auf der Schwelle stehen und hielt die Türe ein Stück weit geöffnet, damit sie nicht hinter ihm zufiel. Er hatte sowieso nur vor, den Kopf ein bisschen freizukriegen und dann wieder reinzugehen.

„Bist du irgendwie beschränkt oder so?“ Die Türe wurde aufgezogen und er beiseite geschubst. Eigentlich hätte er gemeckert, aber gerade war er dazu eher weniger in der Laune. Er ließ sich auf die Stufen vor der Türe sinken und wartete einige Zeit, bevor er antwortete. „…na, das fragt mich ja der Richtige. Und nein; ich bin einfach nur hellwach“ – „Ebenso…“

Ven richtete seinen Blick auf den Schwarzhaarigen und musste skeptisch aussehen, denn Sekunden später zeigte sein Zimmergenosse zum Mond, und nach ein Paar Sekunden merkte Ven, dass Vollmond war. „Oh…“; mehr wusste er dazu auch nicht zu sagen. Vielleicht konnte auch er deswegen nicht mehr schlafen? Auch wenn die Variante, dass er einfach zu früh schlafen gegangen war, auch nicht wirklich falsch klang.

„Und du musst jetzt aus genau welchem Grunde hier draußen sitzen?“ – „Das hab ich dir doch gerade gesagt“ – „Es ist kalt“ – „Na danke für die Fürsorge“. Schweigen. „Abgesehen davon stehst du auch in der Kälte, nur zu deiner Information“ – „Mag schon sein“. …Ven brauchte einige Sekunden, bis er merkte, dass das wohl alles war, was er darauf als Antwort erhalten würde.

„O…Okay“; sie schwiegen für eine Weile und Ven versuchte, so gut es ging, sein Zittern zu unterdrücken. „Du solltest vielleicht rein gehen, wenn dir kalt ist“ – „Ja, Mama. Gleich“ – „Hmph.“ Anscheinend gefiel Vanitas seine Antwort nicht besonders, da dieser ihn eine Sekunde später am Arm hochzog und ihm den Mund zuhielt, damit Ven auch ja nicht meckern oder schreien konnte.

„Ein falscher Ton, durch den jemand aufwacht, und du kriegst gewaltig Streit mit mir“; sicherheitshalber wurde er trotz der Warnung nicht losgelassen und ins Haus zurückgezogen. Die Türe schmiss Vanitas so laut zu, dass Ven sich fragte, warum er denn keinen Mucks machen sollte, aber nachfragen konnte er schlecht, da Vanitas ihm weiterhin den Mund zuhielt, bis sie in ihrem geteilten Zimmer ankamen und die Zimmertüre zugefallen war.

„Krass…du spinnst ja…Brutalo“, gab Ven genervt von sich und zog ein Paar blöd aussehende Grimassen, um seine Mundwinkel zu lockern; so fest hätte er andere auch nicht zudrücken müssen. Er beschloss, sich einfach auf sein provisorisches ‚Bett’ fallen zu lassen und zu versuchen, einzuschlafen, aber das war ihm auch nicht gegönnt. „Ich schwör dir eins…wenn du jetzt einschläfst, prügel ich dich wieder wach“ – „Als wäre es meine Schuld, dass es Vollmond ist“ – „Na…wessen denn sonst?!“; Ven schüttelte ungläubig den Kopf über die Dämlichkeit dieser ‚Frage’ und schlug sich eine Hand vor die Stirn. Das konnte doch wirklich nicht Vanitas’ Ernst sein.

„Soll ich mal hinfliegen und sagen, er soll weg gehen?“ – „Wär ne Möglichkeit“ – „…du spinnst doch echt“; Schweigen. Es war mitten in der Nacht, sie konnten nicht schlafen und hatten kein Gesprächsthema. Erstklassige Kombination. Vens Laune besserte sich nicht dadurch, dass seine Füße, seine Knie und sein Gesicht schmerzten; er würde nie wieder Eislaufen…nie wieder.

Er massierte sich seine Beine und Füße, von der Situation sichtlich unbegeistert. „Stell dich bloß nicht so an“, wurde er angemeckert, was ihn aufblicken ließ. Die Antwort seinerseits war ein genervtes Brummen. „Sind wir uns zu fein, darauf etwas zu erwidern?“ – „Nerv mich nicht“; er hatte Schmerzen, wollte schlafen und war zu allem Überfluss auch noch hungrig – eine Situation, in der mit ihm nicht gut Kirschen essen war.

„Ach, dann sind wir wohl heute ganz besonders mutig“; Ven musste sich stark zusammenreißen. „Wir sind hier erstmal gar nichts. Ich habe Hunger und dein Generve macht es schlimmer!“ Er wartete darauf keine Antwort, wurde aber überrascht. „Vielleicht solltest du dann etwas essen. Soll ja laut Studien gegen Hunger helfen“ – „Laut Studien? Bist dir wohl nicht sicher?“ – „Nein. Ich ernähre mich nur von menschlichem Blut, weißt du?“

Ven fixierte Vanitas und blickte drein, als sei er im Zwiespalt. //Meint er das jetzt ernst? Ach, Quatsch, Ventus, du spinnst doch…oder?// Er wusste nicht so ganz, was er davon halten sollte, da er Vanitas leider Gottes beinahe alles zutraute. Dessen todernster Blick half Ventus bei seiner Wahrheitsfindung zu allem Überfluss auch nicht wirklich.

„Ist was? Du wirkst ’n kleines Bisschen blässlich“, meinte Vanitas und grinste nun, was Ven noch weniger gefiel. „Nichts…das Problem ist nur, dass ich die das leider zutraue“; als Antwort erhielt er – selbstverständlich – ein Lachen. „Ich würde aufpassen…in Vollmondnächten ist es besonders schlimm“ – „Hör auf jetzt!“ Ven zwang sich, die Gedanken von sich zu schieben und sich das nicht bildhaft vorzustellen, denn dann würde er den Rest der Woche entweder Albträume haben oder gar nicht mehr schlafen können.

Sie verfielen wieder in ein längeres Schweigen, was nicht wirklich zu Vens Belieben war; leider wusste er aber auch nichts, um zumindest ein Gespräch anzufangen. „Mach irgendwas…“, forderte er beinahe schon und blickte genervt zur Zimmertüre, als würde sie irgendwas Spannendes machen, wenn er das tat. „Und was bitte soll ich deiner Meinung nach machen?“ – „Das ist mir echt so was von egal, das glaubst du gar nicht…“; er ließ sich nach hinten fallen und seufzte genervt, da es sicherlich nicht später als Viertel vor Vier war und die Nacht demnach noch recht jung.
 

Er erhielt keine Antwort und schloss die Augen, auch wenn er nicht mal mehr im Entferntesten müde war. Er versuchte, sich ein Stück weit innerlich zu isolieren, aber das wurde ihm vermiest, als etwas vergleichsweise Schweres auf ihn fiel. Etwas Menschliches. Er öffnete seine Augen wieder und schrie beinahe auf, als er Vanitas’ Gesicht direkt vor seinem eigenen sah, konnte sich aber zurückhalten.

„Ähm…aus genau welchem Grunde liegst du auf mir?“, fragte er und wirkte ein wenig genervt, aber fast schon gelassen, da er sowieso nicht sicher war, ob er eine Antwort bekommen würde – und noch weniger, ob er sie wissen wollte. „Na du wolltest, dass ich irgendwas mache. Hättest ja gleich sagen können, dass das nicht dazuzählt“ – „Hä?“; er hatte das Gefühl, auf dem Schlauch zu stehen und etwas verpasst zu haben, was von Vanitas’ merkwürdigem Grinsen noch untermalt wurde.

„Oh Gott…du bist so ein unfassbares Mauerblümchen, das tut ja fast schon weh“ – „Bitte wie meinen?!“ – „Hast mich schon ganz klar verstanden“; Vanitas stützte sich mit den Händen neben Vens Kopf ab und blickte skeptisch auf den Kleineren hinab. „Du bist so ein Hoffnungsloser Fall“ – „Stimmt gar nicht! Was willst du überhaupt von mir?!“; Ven hielt sich damit zurück, sich zu mokieren, dass Vanitas Knie sich beinahe schon in seinen Oberschenkel bohrte, und der tat aufgrund der Geschehnisse des Vortages immer noch weh wie die Hölle, da er dann erst Recht keine Antwort kriegen würde.

Aber auch so brachte es ihm nicht viel, da Vanitas erst mal eine Zeit lang lachte, bis er sich dazu herabließ, Ven zu antworten. „Siehst du? Genau das ist das Problem. Kannst du nicht eins und eins zusammenzählen?“ – „…du bist widerlich“; nur ein Lachen als Antwort. „Ach, und warum?“; Ven überlegte, einfach zu schweigen; vielleicht würde er ihn in Ruhe lassen. Dann jedoch wurde ihm wieder bewusst, dass das Vanitas war. Der würde nicht aufgeben.

„Weil du’s halt bist. Zuerst schubst du mich rum und bedrohst mich, und jetzt das? Das ist…widerlich halt“ – „Mach was dagegen“; jetzt reichte es ihm aber. Er ließ sich ja viel herumschubsen. Auch schaffte Vanitas es, ihn wieder und wieder runterzumachen, aber genug war genug.

„Soll ich echt?“ – „Sicher, kannst es ja versuchen.“ Vanitas schien sich seiner Sache sicher, aber nur, bis sich nun auch auf Vens Gesicht ein kleines Grinsen schlich. Dem Schwarzhaarigen wurde eine halbe Sekunde zu spät klar, was Ven vorhatte. Nämlich, sein Bein mit voller Wucht anzuwinkeln und sein Knie genau zwischen Vanitas’ Beine zu rammen.

Sofort klatschte der Blonde dem auf ihm Liegenden eine Hand vor den Mund, kurz bevor dieser aufschrie, und schmiss ihn dann von sich, um aufzustehen und einige Meter Abstand zwischen sie zu bringen, und zwar in Richtung Tür. Es dauerte etwas, bis Vanitas seine zusammengekniffenen Augen wieder öffnete und Ven meinte, eine Schmerzensträne in deren Winkel zu sehen, sagte aber nichts. Ihm wurde klar, wie blöd diese Idee gewesen war.

„Du…du kleiner…“ – „Kleiner was?! Du hast gesagt, ich soll was dagegen machen“ – „Scheiße, Ventus! Das war kein Grund, direkt so brutal zu werden. Ich schwöre dir, das kriegst du so was von zurück“; er richtete sich auf und Vens Augen wurden von Sekunde zu Sekunde größer. Er sah zwar jetzt seine Bestätigung, dass Vanitas vor Schmerz beinahe angefangen hatte zu heulen, aber irgendwie wollte ihm das keine Genugtuung verleihen.

„Das…das bist du selber Schuld! Ich konnte ja nicht wissen, was du im nächsten Moment gemacht hättest“ – „Und du glaubst, das wäre schlimmer gewesen als meine Rache, die jetzt auf dich zukommt?“; darauf erwiderte der Blonde lieber nichts. Er schluckte nur und wich bis zur Tür zurück, als Vanitas ihm immer näher kam. Hätte er es doch wenigstens fünf Tage lang geschafft, bis das passieren würde. Aber zweieinhalb? Das war wirklich schwach, musste er zugeben.

Er hatte die Türe schneller im Rücken als erhofft und bereute es, nicht hindurchgehen zu können, wie ein Geist zum Beispiel. Er sprach stumm ein kleines Gebet vor sich hin, auch wenn er sowieso keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, als der Schwarzhaarige ihm schließlich gegenüber stand. Am liebsten wäre es Ven gewesen, wenn er einfach nur eine kleine Abreibung kassiert und dann den ganzen nächsten und übernächsten Tag blaue Flecke im Gesicht gehabt hätte, aber leider war das Leben eben kein Ponyhof.

Ven bewegte sich kein Stück, während Vanitas – wieso auch immer – sein Gesicht einige Zeit lang abtatschte, war aber für den klitzekleinen Moment ganz beruhigt. Das sollte jedoch nicht so bleiben, als der Schwarzhaarige ihm mit dem Gesicht immer näher kam und unerwartet mit voller Wucht in Vens Lippe biss. Der Blonde hätte am liebsten aufgeschrieen, aber aufgrund der Tatsache, dass sich Vanitas’ Zähne beinahe in seiner Unterlippe verankert hatten, war das eher schwierig, weswegen er nur die Augen zusammenkniff und so still hielt wie möglich – alles andere würde nur noch mehr wehtun.

Er schmeckte das Blut, was bereits an und in seinem Mund war, und erst da wurde ihm klar, wie fest sein Gegenüber wirklich zugebissen hatte. Vanitas ließ kurz locker und Ven wollte schon erleichtert sein, als ihm jedoch ein Strich durch die Rechnung gemacht wurde und der andere noch einmal zubiss – und das genau auf dieselbe Stelle, die nun sowieso schon schmerzte wie die Hölle.

Ven kreischte mehr oder minder auf und hätte sich im nächsten Moment am liebsten dafür geohrfeigt, aber er konnte nicht. Stattdessen hingen seine Hände bereits an seinen Augen, um jeglichen Anflug von Tränen sofort zu unterbinden.

„Das bist du selber Schuld…“, waren die einzigen Worte, nachdem Vanitas – nun hoffentlich endgültig – von Vens Lippe abgelassen hatte. Doch wieder wurde er enttäuscht, als der andere es anscheinend auch noch als seine Aufgabe sah, das Blut, was nun schon Vens Kinn hinablieb, abzulecken, was, aufgrund der Tatsache, dass nun auch noch fremder Speichel in die Wunde geriet, nicht gerade produktiv war, da es nun auch noch brannte wie die Hölle.

Nun schien der liebe Gott im Himmel – falls es ihn denn gab – aber doch ein wenig Mitleid mit Ven zu haben, als der Schwarzhaarige ihn endlich losließ, sich von ihm abwandte und es sich wieder auf seinem Bett bequem machte.

Ven jedoch blieb wie angewurzelt stehen und hätte auf Außenstehende aufgrund seines leeren Blickes wahrscheinlich fast schon psychopathisch gewirkt, konnte aber einfach keinen klaren Gedanken mehr fassen und wusste nicht, was er tun sollte. Wie von selbst ließ er sich zu Boden sinken und winkelte die Beine an. Er hätte selbst nicht sagen können, wieso ihn das so betroffen machte, aber irgendwas an dieser Situation hatte ihm solch riesige Angst eingejagt, dass er nicht nur total verloren dreinblickte, sondern auch noch zitterte wie Espenlaub.

Es dauerte einige Zeit, bis Vanitas auffiel, dass der Blonde immer noch da saß und sich nicht regen wollte. „Ventus?“; er erhielt keine Antwort und einen Moment lang schien es, als wolle er es dabei belassen, aber Sekunden später schien er doch tatsächlich von ein Paar kleinen Gewissensbissen geplagt zu werden. „Ventus? Hey?“; er stand auf und trat auf den Kleineren zu, unsicher, was er tun sollte. Normalerweise hätte die Person die ganze Nacht so dortsitzen können, aber in diesem Falle war es irgendwie anders.

Er wusste selbst nicht, wieso er es tat, aber er zog Ven, alle Proteste ignorierend, auf die Beine und mehr oder minder bereitwillig in seine Arme. Er wusste zwar, dass er sich später dafür selbst verfluchen würde, aber es schien ihm das Beste, was er machen konnte. Die Situation besserte sich nicht durch die Tatsache, dass der Blonde nun endgültig in Tränen ausbrach und versuchte, sich von Vanitas wegzudrücken.

„Ventus…hör auf jetzt…Ventus!“; tatsächlich wurde die Gegenwehr geringer, der Heulkrampf jedoch verschlimmerte sich nur noch mehr. Vanitas unterdrückte den Drang, mit den Augen zu rollen, auch wenn Ventus es wahrscheinlich sowieso nicht gesehen hätte. Er spürte etwas Nasses an seinem Oberteil und wusste, dass es eine Mischung aus Speichel, Tränen und Blut sein musste. Er wusste auch, dass es seine Schuld war. All das wäre ihm aber egal gewesen, wäre da nicht die Tatsache, dass es ihm tatsächlich teilweise leidtat. Das wurmte ihn total und innerlich verfluchte er Ventus, auch wenn er gar nichts dafür konnte.

„Könntest du zumindest aufhören zu heulen?“; anscheinend war diese Aussage nicht wirklich motivierend oder beruhigend, denn es wurde, wenn überhaupt, nur noch schlimmer als vorher. „Ventus…hör auf jetzt…bitte, hör auf jetzt“; er würde sich dafür ohrfeigen oder gar richtig verprügeln müssen, mit dieser Wortwahl zu sprechen – und dann auch noch so sentimental klingend!

Es schien jedoch ein klein wenig zu helfen, denn der Heulkrampf schien tatsächlich schwächer zu werden und einige verschwiegene Minuten später schaffte Ven es tatsächlich, sich zu beruhigen. „Besser jetzt?“, wurde er gefragt, erwiderte aber nichts darauf, sondern versuchte zuerst Mal, wieder ruhig zu atmen. Es dauerte, aber er festigte sich wieder und wischte sich die Tränen vom Gesicht.

„Gott…wie peinlich…“, war das Erste, was er dann von sich gab, auch wenn er noch immer etwas labil wirkte, als könne ihn ein falsches Wort zusammenbrechen lassen. Er blickte auf und starrte Vanitas an, bis dieser den Blick abwandte, irgendwie merkwürdig bedrückt wirkte. „Das…“; es schien, als wolle der Schwarzhaarige etwa sagen, aber anscheinend konnte er es nicht in Worte fassen.

Ven wandte den Blick ab und schob seine Lippe hervor, um sie begutachten zu können, ihm gefiel aber nicht, was er sah; eine Menge Blut nämlich. „Das…ich…ach Scheiße, das tut mir Leid!“; Ven blickte perplex auf, doch nach Vanitas’ Blick zu urteilen war der genauso überrascht davon, was er gerade gesagt hatte. „Was?“ – „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich das jetzt noch mal sage. Ähm…das sieht sehr ungesund aus, vielleicht solltest du vorbeugen, damit es sich nicht entzündet“; Ven nickte, machte jedoch keine Anstalten, sich zu bewegen, weswegen die einige Sekunden lang nur dastanden und sich unsicher anblickten.

Der Schmerz schien wieder schlimmer zu werden, denn Ventus entschied sich nun endgültig, den Raum Richtung Badezimmer zu verlassen, um dort die beiden Übel – sich selbst und seine Lippe – zu begutachten. Sein Blick fiel sofort auf den Spiegel und es fiel ihm schwer, nicht sofort wieder angeekelt wegzublicken. Seine Unterlippe war jetzt schon blau angelaufen, überall war Blut; um seinen Mund, an seiner Kleidung, an seinen Händen…

Ein Schauer lief ihm über den Rücken und er machte sich daran, so gut es ging seinen Mund auszuspülen, auch wenn es nicht sehr angenehm war. In ihm kamen wieder die Gedanken hoch, was genau passiert war und warum, und er wurde das Gefühl nicht los, dass er die Zeit lieber um einiges zurückdrehen würde.

Er hielt den Aufenthalt im Badezimmer so kurz wie möglich und vermied es, ein letztes Mal vor dem herausgehen in den Spiegel zu blicken, damit ihm nicht doch übel wurde. Bei seiner Rückkehr ins geteilte Zimmer fiel sein Blick sofort auf Vanitas, der auf seinem Bett saß und irgendwie nachdenklich, ja fast schon unzufrieden aussah. Er blickte auf, als Ven eingetreten war und wirkte nun wieder eher perplex. Es war für sie beide eine sehr, sehr ungewöhnliche Situation, die sie – zumindest Vens Meinung nach – kein weiteres Mal erleben müssten.

Er blieb unsicher auf der Türschwelle stehen, bis Vanitas ihn zu sich rüberwinkte und sogar ein Stück Platz machte, sodass der Blonde sich ebenfalls auf das Bett setzen konnte. Sie saßen etwa einen halben Meter auseinander und starrten Minutenlang beide auf einen x-beliebigen Punkt an der gegenüberliegenden Wand. Ven war der Erste, der wieder sprach. „Tut mir Leid…“ – „Was?“ – „Das von eben…“ – „Hmph…“ – „Was denn?“ Es dauerte seine Zeit, bis er eine Antwort bekam.

„Ich weiß selber nicht so genau…mir gefällt das alles nicht…dieser…ganze Kram hier. Am liebsten würde ich aufwachen und wäre froh, dass das alles gar nicht real gewesen wäre…“ – „Das Leben ist aber leider kein Ponyhof. Man kann schließlich nicht alles von sich wegschieben“ – „Spar dir die Predigt, ich hab eh schon schlechte Laune“.

Ein unangenehmes Schweigen trat ein, irgendwie wussten beide nichts mit sich anzufangen und es lag eine Art Unbehagen in der Luft. „Wir…sollten jetzt wirklich schlafen gehen“; Ven nickte schweigend, machte aber keine Anstalten aufzustehen. „Hm? Du wirst sicherlich nicht in meinem…“; Vanitas schien zu überlegen. Auf der einen Seite wollte er nicht noch verweichlichter werden, aber auf der anderen Seite hatte er die Panik, dass es irgendwie keine gute Idee wäre, würde er den Blonden von seinem Bett schmeißen. Der verzweifelte Blick, mit dem dieser Vanitas anblickte, verbesserte das Ganze nicht wirklich.

„Pff…aber wehe, du trittst schon wieder nach mir aus, dann schmeiß ich dich so was von vom Bett“; damit war das Ganze auch schon geklärt und mehr oder minder schweigsam richteten sie zusammen das Bett so her, dass sie beide darin schlafen könnten. Beide achteten darauf, nicht wirklich daran zu denken, was sie taten, denn sie würden es im Nachhinein eh bereuen.

Es dauerte etwas, aber am Ende hatten sie es sich doch beide gemütlich gemacht und starrten beide die Decke an, als würde das irgendwas bringen. „Mir ist kalt…“ – „Dann zieh die Decker höher“ – „Is schon ganz oben“. Sie sahen sich kurz an und Vanitas rollte noch mit den Augen, aber Ven hatte sich schon zu ihm gedreht, um näher heranzurücken. Sie würden sich beide für das Geschehene verprügeln, eventuell sogar gegenseitig, aber in genau diesem Moment war das vollkommen egal.

„…Tut mir Leid wegen eben…“ – „Jaja…mir auch“; und plötzlich schien es gar nicht mehr so schwierig, in einer Vollmondnacht einzuschlafen…
 

Das Erwachen verlief erstaunlicherweise recht ruhig. Zwar hatte Ventus Kopfschmerzen bis zum geht nicht mehr, aber er versuchte, das zu ignorieren, als er sich aufrichtete, verwundert darüber, dass Vanitas noch schlief. Hätte er jetzt Kieselsteine zur Hand, hätte er wahrscheinlich Rache genommen, aber irgendwie war es vielleicht auch gut, dass er keine da hatte.

Er kletterte ziemlich unelegant aus dem Bett, aber zumindest so, dass er Vanitas nicht weckte, und trat den Weg ins Badezimmer ein. Ihm fiel auf, dass das Sonnenlicht etwas gedämmt schien, fast, als wäre sie schon kurz vorm Untergehen. Er dachte noch einmal genau darüber nach und es schien ihm ehrlich gesagt schon gar nicht mehr so abwegig, wenn er daran dachte, wann er eingeschlafen war.

Er massierte sich den Nacken und trat auf den Spiegel zu, um sich das Übel – diesmal nur sich selbst – vor Augen zu führen. Sein Blick wanderte jedoch sofort skeptisch zum Hals seines Spiegelbildes, der an einer Stelle aussah, als habe man entweder drauf eingeprügelt, oder Lippenstift hingeschmiert, oder…

Ihn überkam ein Gefühl von kompletter Idiotie. Als sei er der größte Trottel auf Erden. Dennoch weigerte er sich, das zu sehen, was ihm geboten wurde. War das denn wirklich…?

„Morgen“ – „AAAAAHHH!“; er schrie laut auf und unterdrückte es gerade so, das Stück Seife, dass er sich genommen hatte, um den Fleck eventuell wegzuwaschen, wenn es denn ging, nach der Person zu schmeißen, die gerade eingetreten war – natürlich sein Zimmergenosse höchstpersönlich. Ihm wurde klar, dass so nicht nur er sehen könnte, was er da hatte – woher immer es auch kam – weswegen er sich so schnell es ging abwandte. „Du hast echt noch nie was von klopfen gehört, nicht wahr? Oder zumindest davon, höflich wieder rauszugehen, statt einfach ganz reinzukommen…“

Er erwartete keine Antwort und erhielt auch keine, stattdessen hörte er, dass Vanitas auf ihn zutrat, was ihm nicht gefiel. „Was ist denn? Hast du irgendwas zu verbergen?“; es wirkte sowieso schon ironisch, dass er wieder so mit ihm redete, als sei nichts, aber aufgrund der Tatsache, dass er dieses ‚Ding’ an seinem Hals hatte, wurde es nur noch schlimmer.

„Sollte ich?“ – „Nee, sieht aber so aus“; er machte sich klar, dass er eh keine andere Wahl hatte und drehte sich um, auf seinen Hals deutend. „Was ist das?!“; natürlich wusste er was es war, aber die Frage galt stellvertretend für ‚wo kommt es her und warum?’. Jetzt schien Vanitas gar nicht mehr so begeistert davon, dass er einfach reingekommen war. „Ich…“ – „Spar dir das! Es war außer uns niemand da. Entweder lag ich doch richtig mit ‚widerlich’ oder du bist notgeil, ohne es zu wissen…Oh Gott…“

Er schüttelte ungläubig den Kopf und betrachtete sich erneut im Spiegel. „Das kannst du doch einfach nicht ernst meinen…wie soll ich das denn jetzt erklären?“ – „Du brauchst es ja nicht…“ – „Witzig! Du glaubst aber auch echt, ich renn jetzt Tag und Nacht mit Rollkragenpullover rum. Aber sonst sitzen alle Schrauben richtig da oben, oder?“; er war auf Hundertachtzig und hatte alles vergessen, was am Vorabend oder eher mitten in der Nacht passiert war.

„Zieh halt einen Schal an“ – ganz schlechte Wortwahl. Ven grummelte böse und sah aus, als würde er Vanitas jeden Moment würgen, aber er schaffte es gerade so, sich zurückzuhalten. „Ich glaub’s nicht. Ich glaub’s einfach nicht.“ Wie verstört verließ er das Bad und trat wieder in ihr gemeinsames Zimmer, um sich etwas Verdeckendes zum Anziehen zu suchen. Wütend starrte er auf den Schrank, und in dem Moment, als er ihn öffnete – also eine Sekunde zu spät – hörte er von der Tür her eine Warnung: „Nicht aufmachen!“

Selbstverständlich; ihm fiel erneut ein Wäscheberg der Spitzenklasse entgegen, diesmal ließ er sich davon aber nicht umreißen, sondern fing auf, was er kriegen konnte, und warf es mit voller Wucht in Vanitas’ Richtung. Zur Untermalung seiner Wut hob er einige der Kleidungsstücke noch auf und warf sie wütend hinterher. „Räum gefälligst deine verdammte Wäsche ordentlich ein, man!“

Normalerweise hätte er jetzt eine bissige Antwort bekommen, aber im Gegensatz zu ihm selbst hatte Vanitas noch nicht vergessen, was am Vortag passiert war, und hatte auch nicht vor, es allzu bald zu einer Wiederholung kommen zu lassen.

Ven war unterdessen weiterhin damit beschäftigt, sich etwas aus seiner Kleidung herauszusuchen, was nicht allzu auffällig wirkte. Der Herbst hatte sich gerade erst dem Ende geneigt, der Winter eventuell schon gerade so begonnen., also konnte er noch nicht mit dickem Rolli herumlaufen, das wäre auffälliger als alles andere. Er fand aber auch nichts anderes, was authentisch gewirkt hätte, was seine Wut gegenüber Vanitas nur noch verschlimmerte.
 

Er verließ das Zimmer und platzte ungefragt in das von Sora und Roxas rein, wohl darauf bedacht, sich vorher ganz lässig ein T-Shirt über die linke Schulter zu werfen, als wolle er es anziehen, sodass sowohl sein Hals verdeckt war als auch der direkte Blick auf sein Gesicht nicht ermöglicht wurde.

Die beiden saßen am Boden vorm Fernseher und spielten wohl irgendein dämliches Spiel, welches Ven nicht kannte, hatten aber nun aufgeblickt, da er ohne zu klopfen hereingeplatzt war. „Ven? Alles okay? Was ist denn?“; er antwortete nicht und war schon auf den Schrank zugetreten. Vielleicht hatte sein Bruder ja irgendetwas, was er unauffälligerweise ausgerechnet heute anziehen könnte, weil es ja ach so schön wäre. Musste ja keiner den richtigen Grund kennen.

„Was…machst du da?“, die Frage klang ein bisschen skeptisch, als würde sein Bruder befürchten, Ven habe sich den Kopf gestoßen oder ähnliches. Er wühlte ein bisschen in den Sachen seines Bruders, bis er ein Polohemd fand – etwas, was er normalerweise nicht freiwillig tragen würde.

Triumphierend zog er es heraus und verließ den Raum ohne weitere Worte, den Ausruf seines Bruders – „Seit wann trägst du bitte Polohemden?!“ – gekonnt ignorierend. Ihm war klar, dass er sich in gewissem Sinne benahm wie ein kleines Kind, aber das kümmerte ihn nun wirklich nicht die Bohne. Er betrat das Badezimmer, warf das T-Shirt, was er über der Schulter hängen hatte, auf den Boden und zog das, was er anhatte, aus, um es dazuzuschmeißen. Zwar war er nicht begeistert von der Idee mit dem Polohemd, aber was sollte er schon machen?

Mehr oder minder freiwillig zog er es also an und tat das Letzte, das man mit einem Polohemd machen sollte – er stellte den Kragen auf. Einen Blick in den Spiegel wagte er gar nicht erst; das würde er bereuen und sich dann umentscheiden. Er beließ es deshalb dabei und verließ den Raum mit seinen beiden T-Shirts, um wieder durch das ‚Tor zur Hölle’ zu treten.
 

Kaum eingetreten wurde er schief angesehen und es war leicht zu erkennen, dass Vanitas es nur gerade so schaffte, einen Lachanfall zu unterdrücken, was Vens Laune nun wirklich nicht sehr verbesserte. „Ein falsches Wort und du kriegst so Streit von mir, das schwöre ich“; es klang nicht wirklich wie ein Scherz, und auch wenn Vanitas den Blonden nicht wirklich Angst einflößend fand, schaffte er es, sich zu beruhigen.

„Na ja, aber du musst zugeben, dass es dämlich aussieht“ – „Du siehst dämlich aus!“ Mit voller Wucht warf Ven sich auf sein ‚Bett’ und schmollte mit verschränkten Armen. Das einzig Gute war seiner Meinung nach, dass der Tag ja eigentlich nicht mehr schlimmer werden konnte; erst recht, wenn man mal die Uhrzeit beachtete.

„Ich weiß gar nicht, wieso du dich so aufregst…ich hab’s ja nicht mit Absicht gemacht…“ – „Na umso schlimmer! Und morgen liege ich ‚ganz aus Versehen’ gemeuchelt in einer Ecke! Na schönen Dank auch“; er war immer noch stinksauer, wenn nicht sogar noch mehr als zuvor. Wieso musste auch jede Situation zwischen ihnen so verdammt dämlich enden?

Ven stellte sich die ernsthafte Frage, wie noch aushalten sollte, schließlich hatte er noch nicht Mal die Hälfte der Zeit überbrückt. Er hatte das Gefühl, dass es jeden Tag schlimmer und extremer wurde, und so langsam auf eine Situation hinauslief, die er lieber vermeiden wollte. „Wieso bin ich eigentlich hier…?“, fragte er sich selbst und erwartete demnach keine Antwort, erhielt aber eine. „Das…frag ich mich ehrlich gesagt auch. Also, ich meine…“, eine Minute lang schweigen, bis Vanitas merkte, dass Ven zwar nicht nachfragte, aber ihn anstarrte und somit das Ende des Satzes hören wollte.

„Also…sonst war dein komischer Bruder da“ – „Nenn ihn nicht komisch“ – „Jaja, von mir aus…jedenfalls war er bisher auch immer alleine hier und alles war super. Alle hatten ihre Ruhe, waren zufrieden und es gab keine Streitereien. Ich frag mich, was daran ihm nicht gefallen hat, dass er dich mitgebracht hat“ – „Vielleicht hatte er Mitleid mit dir und mir und dachte, wir würden beste Freunde werden.“ Das wirklich Schlimme daran war in Vens Augen, dass er das seinem Bruder doch tatsächlich irgendwie zutraute.

„Scheint wohl ein bisschen nach hinten losgegangen zu sein…“ – „Na bei der netten Begrüßung, die ich bekommen hab, ist das kein Wunder“ – „Ach, jetzt ist es meine Schuld?“ – „Nicht jetzt, sondern schon von vornherein“.

Es war wieder eines dieser unnötigen Gesprächsthemen, aber Ven merkte, dass es ihm egal war, solange die Stimmung nicht ganz so gedrückt war. Ein Klopfen an der Tür ließ ihn zusammenzucken und eine Sekunde später saß er kerzengerade da. „Kommt ihr zum Essen?“; sie antworteten nicht, sondern sahen sich einfach nur einige Sekunden blöd an.
 

Anscheinend wurde aber auch keine Ahnung erwartet, denn wenige Sekunden darauf hörten sie schon Schritte, die sich von der Tür entfernten. „Ich kann so nicht runtergehen…“, murmelte Ven und klang beinahe verzweifelt. „Ist aber blöd sonst. Wenn ich alleine gehe und sage, die ginge es ganz schlecht, kommen sie doch erst recht an und wollen wissen, was ist“; Ven musste lachen. Planten sie gerade tatsächlich, wie sie das kleine ‚Geheimnis’ bewahren konnten? Er empfand das als ziemlich dämlich, fasste sich aber schnell wieder.

„Ja aber…ich will nicht runter…aber ich will was essen“, er konzentrierte sich darauf, besonders wehleidig und bemitleidenswert zu klingen; anscheinend klappte es tatsächlich! „Oh…ach…von mir aus! Aber dafür hab ich was gut bei dir!“ Ohne weitere Worte verließ Vanitas den Raum und Ven war bedacht darauf, erst zu lachen, als die Schritte des anderen verebbt waren. Na das hatte er ja geschickt eingefädelt. Jetzt steckte nämlich Vanitas in Erklärungsnot, nicht er selbst.

Allerdings staunte er nicht schlecht, als der andere nur wenige Minuten später wieder nach oben kam und – warum auch immer – die Tür verriegelte. Er hielt Ven einen Teller mit Essen und eine Gabel hin, was Ven beides annahm, aber einen verdutzten Blick aufsetzte.

„Wirst du schon merken“, war die lockere Antwort, und obwohl das Ven so eigentlich nicht genügte, gab er sich fürs Erste damit zufrieden und machte sich daran, sein Essen zu verspeisen. Die Ruhe hielt aber nicht lange an, als nach einigen Minuten die Tür von außen geöffnet werden wollte, was aber natürlich nicht gelang. „Vanitas, man! Mach die Tür auf! Ven, alles in Ordnung bei dir?“; Ven blickte mit hochgezogener Augenbraue zu Vanitas, der jedoch wandte ganz unschuldig den Kopf ab, erwiderte nichts.

„Ja, klar, alles okay bei mir!“ Er verstellte seine Stimme ein wenig, sodass er sich etwas kränklich anwirkte. „Der Penner bedroht dich doch nicht, oder? Sonst muss ich leider die Türe mit einem Stuhl einrammen!“ – „Was? Nein, alles okay, keine Sorge!“ Schweigen. Er merkte, dass die Antwort wohl nicht zufrieden stellend war, hatte aber nicht gewusst, wie er anders hätte antworten können.

Er hörte Schritte und eine Türe knallte zu. „…Ernsthaft, was hast du ihnen erzählt?“ – „Guck mich nicht so an! Ich hab gesagt, dass es dir nicht so gut geht und als Antwort kam: „Als würde dich das sonst kümmern! Was hast du mit ihm gemacht!“ und ich sagte natürlich: „Überhaupt nichts, Trottel“ und bin nach oben gegangen“.

Ven unterdrückte es, sich eine Hand vor die Stirn zu knallen. „Tolle Aussage…“ Aber zumindest hatte es geklappt, das war ja auch schon mal etwas. Ven fiel mit einem Blick aus dem Fenster – er hatte erst jetzt gemerkt, dass es hier eines gab – auf, dass die Tage irgendwie merkwürdig vergingen. Entweder stritten sie, oder sie schliefen, oder langweilten sich. Die Vorstellung, dass das die restlichen Tage so weitergehen würde, gefiel ihm ganz und gar nicht.

„Gibt’s denn hier eigentlich nichts Spannendes, was man machen kann?“, mokierte er sich also sofort, nachdem er fertig gegessen und den Teller neben sich gestellte hatte. Es dauerte, bis er eine Antwort erhielt. „Weiß nicht. Ich geh selten raus und mach was“ – „Wieso denn nicht?“ – „Mit wem denn bitte?“; darauf wusste Ven wohl auch nichts zu sagen.

„Ich will aber morgen mal was Spannendes machen! Wir sitzen nur doof rum oder gehen ‚Eislaufen’“, er betonte das Wort spöttisch und rollte unnötigerweise mit den Augen. „Dann geh raus und mach was“; ein weiteres Augenrollen. Er hielt das für eine doofe Idee, da er sich dann verlaufen würde, aber er nahm sich vor, es trotzdem zu tun; auf die beiden ‚Turteltäubchen’ von nebenan, die anscheinend komplett in ihre eigene Welt versunken waren und ihn nahezu vergessen hatten, war er nämlich genau aufgrund der Tatsache, dass sie sich schöne Tage machten und er mit Vanitas rumsitzen musste, leicht sauer. Demnach würde er wohl einfach alleine rausgehen müssen. Es konnte nicht mehr als schief gehen.

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du gerade etwas unglaublich Blödes ausheckst.“ Mit einem unschuldigen Blick auf dem Gesicht zog Ven es vor, darauf lieber nicht zu antworten. Stattdessen machte er es sich wieder gemütlich und starrte die Zimmerdecke an, darüber spekulierend, was er denn am nächsten Tag genau machen würde. Ihm war zwar klar, dass alleine der Plan, alleine rauszugehen, blöd war, aber er würde sich einfach bedeckt halten.

„Ich bin immer noch müde…“, murmelte er schließlich und legte sich auf die Seite, in der Hoffnung, vielleicht sogar einschlafen zu können. „Kommt davon, wenn man zu so unmöglichen Zeiten einschläft, zu noch unmöglicheren Zeiten aufwacht und dann beschließt, sich doch ein bisschen in die Kälte zu setzen, als wäre es nichts.“

Er sagte nichts dazu, da er Vanitas sonst zustimmen müsste, und irgendwie war er dazu nicht in der Laune. Zudem begann seine Unterlippe wieder zu schmerzen; etwas, was er die ganze Zeit nicht gemerkt hatte, so sehr war er darauf fixiert gewesen, ‚das Ding’ loszuwerden oder verstecken zu können. Er fummelte ein wenig daran rum und versuchte mehr oder minder erfolgreich, einen anständigen Blick zu erhaschen.

„Hör auf damit, du machst es nur noch schlimmer“; Ven blickte auf und warf Vanitas einen unzufriedenen Blick zu, schien aber urplötzlich wieder etwas unbehaglich, da die Erinnerungen der Nacht zurückkamen. Er drehte sich weg und hatte auf einmal wieder schlechte Laune bis zum geht nicht mehr. War aber auch wieder Mal eine dieser dämlichen Situationen, die er überhaupt nicht mochte.

„Hey, hör mal zu. Wir fangen jetzt nicht schon wieder damit an, ja? Ich bin froh, dass wir das geklärt hatten!“; er drehte sich wieder zurück und schwieg einige Minuten lang, bis er seine Stimme wieder fand und sich aufsetzte. „Warum ist es so?“ – „Was ist wie?“ – „Na…das alles hier“; er deutete auf Vanitas, dann auf sich selbst, machte dann eine ausladende Handbewegung und blickte verzweifelt drein.

„Es ist so…merkwürdig und…unnatürlich und…ich mag das so nicht“. Er wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte, aber es gefiel ihm einfach nicht, wie das Ganze ablief und er hatte nicht vor, die nächsten Tage auch alle so ablaufen zu lassen. „Und was soll ich deiner Meinung nach dagegen tun?“ – „Was weiß ich…sei was netter zu mir, das würde mir fürs Erste reichen“; es klang zwar irgendwie merkwürdig, aber er meinte es ernst. „Pff…und wie soll ich das deiner Meinung nach anstellen?“

Ven überlegte einen Moment. Gerne hätte er Vanitas vor den Kopf gehauen, dass es doch nicht so schwierig sei, nett zu sein, aber irgendwie hatte er das Gefühl, das würde auch nicht viel bringen, weswegen er das unterdrückte. „Hm…du könntest zum Beispiel so nett sein, mich morgen nicht allein ins Verderben rennen zu lassen“ – „Soll heißen, ich soll dir den Ort zeigen, nur damit du Beschäftigung hast?“ – „Wäre ein Anfang, ja“.

Er bekam keine Antwort, aber ein verzweifeltes Seufzen, was ihm als Bestätigung reichte. „Na also, dann stünde das ja schon mal fest.“ Er stand auf, nahm seinen Teller vom Boden und reicht ihn Vanitas. „Danke für mitnehmen. Leider kann ich ja deinetwegen nicht runtergehen, wie schade aber auch“; er grinste und verließ den Raum und hörte noch, wie eine der Gabeln gegen die Türe flog. Es war wohl besser, den Schritt zu beschleunigen, weswegen er ins Badezimmer trat, um sich bettfertig zu machen; es war schon spät und morgen würden sie schließlich zeitig aufstehen müssen. Gerne hätte Ven Vanitas damit geärgert, aber er wusste, dass er selbst es wäre, der nur zwanghaft aufwachen würde.

Er war heilfroh, als er in seinem Bett lag und noch heilfroher darüber, dass Vanitas noch nicht zurückgekehrt war – warum auch immer. Ihm war klar, dass sein Plan, nur mit Vanitas rauszugehen, extrem dämlich war, und dass es wahrscheinlich nicht gut gehen würde, aber er wusste nichts anderes mit sich anzufangen und die Streitereien gingen ihm auf den Senkel, das würde er nicht noch vier Tage aushalten.

Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn sie nur einen Ticken netter zueinander wären und sich nicht wegen jedem Dreck beinahe an die Gurgel springen würden. In seiner Vorstellung war das schon mal gar nicht so schlecht, vielleicht würden sie das sogar hinkriegen? Wäre ja einen Versuch wert.

Entfernt vernahm er noch Worte, die ihm zugerufen wurden, aber er schaffte es nicht mehr, sie wirklich zu verstehen, da er wenige Sekunden später – auf einen besseren Tag hoffend – endlich mal wieder zu einer anständigen Uhrzeit einschlief…
 

Ich hoffe, es hat einigen gefallen (erstmal hoff ich, dass es überhaupt jemand gelesen hat :D).

Das nächste Kapitel kommt dann hoffentlich früher.
 

Ganz liebe Grüzlis und bis zum nächsten Mal,

Valenfield

IV

Endlich x.x

Es hat lange gedauert, aber endlich ist das neue Kapitel da :) Es gefällt mir leider nicht so gut wie die anderen, aber ich finde es auch nicht wirklich schlecht.

Ja, ich weiß, Vanitas ist am Ende irgendwie Out of Character, aber es ließ sich leider nicht vermeiden. Wie gesagt, bin auch nicht hundertprozentig zufrieden.

Ach egal; beurteilt ihr einfach, wie es ist.

Hoffe, es gefällt jemandem :)
 

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(Gedanken-)Chaos
 

Zum ersten Mal seit einigen Tagen durfte Ven es genießen, ohne Kopfschmerzen zu erwachen. Eine Erfahrung, der er eigentlich am liebsten nicht mehr missen würde. Er reckte und streckte sich, rieb sich über die Augen und setzte sich auf. Die Sonne schien ihm nahezu genau ins Gesicht, weswegen es dauerte, bis er etwas sehen konnte. Trotzdem war er mehr als froh, nicht wieder durch Steine an seinem Kopf erwacht zu sein.

Er drehte sich so, dass er aufstehen könnte, gäbe es da nicht einen kleinen Zwischenfall. Er sah gerade noch so einen Lappen auf sich zufliegen, der natürlich mitten in seinem Gesicht landete, klitschnass und kalt war und selbstverständlich kleben blieb. Seine Reaktion kam spät, aber zumindest kam sie; er schrie wie ein Mädchen und riss sich den Lappen vom Gesicht. Natürlich vernahm er ein gehässiges Lachen von Vanitas, der sich in dieser Sekunde zu ihm hockte und sein Lachen zu einem bösen Grinsen werden ließ.

„Du hast auch nichts Besseres zu tun, Idiot“; Vens Laune sank automatisch ein großes Stück, was man ihm wahrscheinlich leider auch ansah. „Dein Blick ist es allemal wert“; nicht gerade die Antwort, die er sich erhofft hatte, aber womit rechnete er denn überhaupt? „Was ist jetzt mit heute?“; Ven brauchte einige Sekunden, bis es Klick machte und er die Frage verstand. „Steht noch“, bestätigte er und nickte sich selbst zu.

Sein Magen knurrte, woraus er schlussfolgerte, dass er hungrig war – das gefiel ihm nicht. Böse murrend stand er auf und trat auf die Türe zu, mit den Ambitionen, frühstücken zu gehen, wurde jedoch aufgehalten. „Willst du echt so runtergehen?“ Für ihn klang diese Frage echt dämlich, was man wahrscheinlich an seiner Tonlage merken konnte. „Hast du ein Problem damit? Natürlich geh ich so runter.“

Zur Bestätigung richtete er ein wenig seine Haare und faltete die Kragen seines Polohemdes, von dem er nicht mal mehr wusste, wieso er es denn trug, nur um dann das Zimmer zu verlassen und schnellen Schrittes Richtung Küche die Treppe hinunterzugehen. Ihn begrüßten verschiedene Gerüche morgendlicher Gaumenschmäuse, die er nicht verpassen wollte, und nach einer knappen Begrüßung zu Sora und Roxas, die – natürlich – schon am Tisch saßen, setzte er sich den beiden ‚Turteltäubchen’ gegenüber.

Die grüßten kurz zurück und wollten sich gerade wieder ihrer Konversation zuwenden, als Roxas im Augenwinkel etwas erkannte, was ihm an seinem Bruder wohl nicht gefiel. Er starrte einige Sekunden lang, bis es Ven doch zu sehr nervte. „Hab ich was im Gesicht oder wieso guckst du so?“ – „Na ja…Gesicht würde ich nicht so sagen…“; er deutete in Richtung von Vens Hals und erneut machte es nach einigen Sekunden ‚Klick’.

„VERDAMMT!“ Vens Schrei erschütterte den ganzen Tisch und seine Gegenüber wichen mit ihren Stühlen beide gut einen halben Meter nach hinten, doch Ven hatte sich wieder mehr oder minder beruhigt. „Ich hab’s dir doch gesagt“, hörte er eine Stimme von der Türe her. „Etwas mehr Präzision wäre nett gewesen“; zur Untermalung legte er eine Hand an seinen Hals, als würde das etwas bringen.

Vanitas jedoch ließ sich dadurch nicht seine gute Laune verderben, die man an seinem zufrieden-gehässigen Grinsen mehr als nur erkennen konnte, als er sich zu den Dreien setzte. „Das heißt jetzt…ihr…“, sie blickten beide ihre Gegenüber an, dann den jeweils anderen und nach einigen Sekunden des unsicheren Schweigens brachen sie beide gleichzeitig in Gelächter aus, als wäre das die dümmste Frage, auf die man in genau diesem Moment kommen könnte.

„Ahaha…das kann ja nicht euer ernst sein“, murmelte Ven, nachdem er sich beruhigt hatte und sich die Lachtränen aus dem Gesicht wischte. Die beiden ihnen gegenüber Sitzenden schienen das Ganze für eher weniger lustig zu halten. Zum einen konnte man in ihren Augen auf nichts anderes schließen als auf das, was sie hatten fragen wollen, und zum anderen gefiel es ihnen nicht, dass Vanitas und Ventus sich in etwas einige waren – das erinnerte an die Apokalypse! Oder zumindest an das achte Weltwunder.

„Mal ernsthaft“, setzte Ven dann an, nachdem er sich beruhigt hatte, „das war…sagen wir…ein Versehen. Ja, so könnte man das gut ausdrücken“; er warf dabei einen Blick zu Vanitas, selbst immer noch unsicher, ob er das denn wirklich glauben konnte; nun gut, welche andere Wahl hatte er schon? Die Antwort war ein ungläubiges Nicken seitens Roxas, bevor er und Sora sich wieder ihrer Konversation zuwandten.

Glücklicherweise verlief der restliche Teil der Frühstückszeit soweit ruhig und ohne irgendwelche unnötigen Kommentare. Das hätte auch gerade noch gefehlt. Ven war dennoch froh, als er die vermeintliche Höhle des Löwen hinter sich lassen konnte, um sich nun endlich anständig anzuziehen und seine morgendliche Routine zu vollziehen.

Er war sich nicht ganz sicher, ob er dem kommenden Tag mit einem guten oder eher schlechten Gefühl entgegentreten sollte. Egal, was war, in den letzten Tagen war immer irgendetwas passiert, was ihm die Laune vermiest hatte. Natürlich wäre er gerne optimistisch, aber das war auch wieder nicht ganz so einfach.

Von seinen eigenen Gedanken entnervt, schüttelte er seufzend den Kopf. Er würde einfach das Beste draus machen – welche großartige Wahl hatte er schon?

Es war zwar zu erwarten gewesen, dennoch staunte er nicht schlecht, als er in Vanitas’ Zimmer zurückkehrte und eben der schon fertig da saß. Wann zur Hölle hat der sich fertig gemacht? Und wo? Ven beschloss, nicht zu fragen – Selbstschutz.

„Bist du dann auch mal fertig, Knirps?“. Der Schwarzhaarige schien jetzt schon schlechte Laune zu haben, aber Ven ließ sich davon einfach mal nicht beeindrucken. „Das sagt der, der gemütlich da rumsitzt, während ich hier warte“, und damit drehte er sich um, den – in seinen Augen dummen – Kommentar, der ihm hinterher gerufen wurde, ignorierend.

Vielleicht würde es ja doch nicht so schlimm werden. Einen Tag, ohne dass sie streiten oder in unnötige Situationen geraten würden. So schwierig konnte das doch nun wirklich nicht sein. Er ignorierte dabei die Tatsache, dass er schon an den vorangegangenen Tagen versucht hatte, sich das einzureden. Diesmal würde es schon klappen.

Nach wenigen Worten des Abschiedes – die eigentlich ausschließlich von Ventus ausgingen – machten sie sich schließlich auf den Weg. Wohin sie gingen, war Ven schleierhaft; bei Vanitas’ Blick traute er sich aber auch nicht wirklich, nachzufragen, schließlich hing er doch ein wenig an seinem Leben. Nach einer gefühlten halben Stunde wurde es ihm dann aber doch irgendwie zu blöd.

„Wo gehen wir denn überhaupt hin?“ – keine Antwort, wie erwartet. Er blieb stehen, was Vanitas erst nach einigen Sekunden zu bemerken schien, da er sich erst nach einigen weiteren Schritten umdrehte und ein genervtes Augenrollen wohl nicht vermeiden konnte. „Das wirst du früh genug sehen, oder?“ Ven schüttelte den Kopf. „Wäre ich doch direkt alleine losgegangen, ernsthaft“; er ging an Vanitas vorbei. „Warum habe ich überhaupt gefragt? Ach richtig, weil ich dachte, die Dauergenervt-Tour könntest du zumindest für einen Tag ablegen. Mein Fehler, wie dumm von mir.“

Er setzte den Weg fort, auch wenn er keinen blassen Schimmer hatte, wohin er überhaupt ging. Ehrlich gesagt war es ihm aber reichlich egal, all seine Hoffnungen waren erneut zerstört worden und so langsam reichte es ihm wirklich. //Als wäre es eine Heldentat, einfach mal ein wenig netter zu sein. Pff, das merke ich mir!//

Wütend blieb er stehen und stellte fest, dass er schnell gegangen war – und weit. Genau gesagt hatte er keine Ahnung, wo er denn war, und sein Stolz verbat es ihm einfach, jemanden zu fragen – hätte ihm wahrscheinlich auch nicht viel gebracht, da er tatsächlich nicht mal die Adresse wusste, an der er momentan wohnte. Er ärgerte sich über sich selbst und drehte um, in der Hoffnung, den Rückweg noch zu finden.

Er wusste nicht genau, wie lange er ging. Allerdings fragte er sich nach einiger Zeit schon selbst, ob er vielleicht nicht mehr ganz dicht war. Frustriert blieb er stehen und blickte sich nach irgendeinem Ort um, an dem er rasten konnte. Ausnahmsweise hatte er Glück: Ein Park, nicht weit entfernt. Erleichtert ging er darauf zu und ließ sich, als er angekommen war, auf die erstbeste Bank sinken. Ein leises Seufzen entwich ihm und er schloss für einen Moment die Augen. Wo war er hier nur reingeraten? Er nahm sich vor, sich nie wieder Hoffnungen zu machen, was Vanitas anging.

Er zweifelte, ob er dieses Tages noch den Rückweg finden würde. Alleine wahrscheinlich überhaupt nicht, und wer sollte ihm schon helfen. Er wusste ja nicht mal, wo er denn wohnte! //Peinlich, Ventus. Hoffentlich wachst du gleich auf und alles war ein Traum//
 

Hoffnungsvoll schloss er ein weiteres Mal die Augen und schickte eine Art Stoßgebet, man möge ihm doch bitte die Erleuchtung schicken. Als er die Augen wieder öffnete, fand er eher die Verfinsterung. Er war tatsächlich eingeschlafen. Genervt blickte er gen Himmel und konnte den Mond als riesige runde Kugel erkennen. Klar, erst am Vortag war Vollmond gewesen, so dachte er jedenfalls.

Seine Motivation, einen Rückweg zu finden, war vollends verschwunden, allerdings hatte er noch weniger Lust, die Nacht hier zu verbringen. Warum musste er auch so unglaublich stur sein? Das würde er sich abgewöhnen, definitiv.

Frustriert stand er auf und streckte sich ein wenig. Parkbänke waren eben nicht mal halb so gemütlich wie Matratzen. Erst recht nicht, wenn man saß. Nun noch mieser gelaunt, machte er sich auf den Weg, in irgendeine Richtung. Er dachte zwar, seine Laune könnte nicht mehr schlimmer werden, doch wieder einmal lag er falsch.

Sie waren zu dritt. Sie waren groß. Sie sahen gefährlich aus. So weit, so gut. Vens Problem war nur: Sie kamen geradewegs auf ihn zu. Einen Moment lang dachte er nach, was er jetzt tun sollte. //Rennen? Ausgezeichnete Idee, weil du ja ein solch athletisches Ass bist, Ventus. Mich ihnen entgegenstellen? Hahaha, der war gut. Verdammt…//

Vielleicht konnte er ihnen einfach ausweichen, indem er lässig vorbeiging. Also versuchte er das. Anscheinend würde es nicht klappen, denn sie kamen weiterhin auf ihn zu, riefen nun nach ihm. //Alles klar, Ventus. Du hast keine Wertsachen dabei, was wollen sie dir schon klauen? Und an einer gebrochenen Nase ist noch niemand gestorben…oder?//

„Hey, du!“; zögerlich drehte er sich um und starrte vor die Brust eines Gorillas – dachte er zumindest, bis er merkte, dass der Kerl ihm gegenüber einfach nur riesig war und extrem breite Schultern hatte.

„Solltest du um diese Zeit nicht im Bett liegen? Könnte gefährlich sein, nachts rumzuwandern. Erst recht im Park. Bist wohl ein wenig lebensmüde heute, oder?“; Ven wurde am Kragen gepackt und auf Augenhöhe gezogen – wohlgemerkt mindestens dreißig Zentimeter hoch. „Ich rate dir, dich einfach ruhig zu verhalten und uns alles zu geben, was du dabei hast, oder soll ich deutlicher werden?“ – „Oh ja, und ich rate dir, deine schmutzigen Hände bei dir zu behalten und ihn in Frieden zu lassen, bevor ich deutlicher werde.“

Ven wusste gar nicht, was er denken sollte. Jedenfalls wurde er losgelassen und viel eher unsanft auf seinen Hintern. Er machte keinen Mucks, starrte stattdessen lieber zu seinem ’Retter’ hinüber. Sollte er sich freuen? Wahrscheinlich, aber irgendwie fiel ihm das schwer. In Vens Augen war der Kerl ein absoluter Trottel. Ließ ihn zuerst abdampfen und ins Verderben rennen und kam dann irgendwann hinterher, statt ihn direkt davon abzuhalten. Die Logik würde der Blonde wohl nie verstehen.

„Haha! Noch so ein Zwerg! Glaubst du, von dir lass ich mich unterbut-“; Ven staunte nicht schlecht, als der große Gorilla auf einmal an der Erde lag. //Muss der gleich zuschlagen? Jetzt haben wir noch mehr Ärger!//

Er ignorierte den Gedanken und richtete sich langsam auf. Eine Ader an Vanitas’ Stirn pochte bedrohlich. „Hast du was gesagt?“, fragte er überflüssigerweise, erhielt jedoch keine Antwort. Ven schüttelte verzweifelt den Kopf und wandte sich verzweifelt ab. Eigentlich sollte er sich wahrscheinlich freuen, allerdings viel ihm das in Anbetracht der momentanen Situation eher schwer.

Das war Tag Nummer Vier, den sie soweit alles andere als produktiv genutzt hatten – in Vens Augen war das beinahe schon Oscarreif. Es dauerte einige Sekunden, bis er merkte, dass er am Arm weggezogen wurde, allerdings hatte er nicht wirklich ein Problem damit. Zu seinem eigenen Schutz sagte er lieber erst mal gar nichts, sonst würde der Haussegen zwischen ihnen wahrscheinlich wieder mal fürs Erste schief hängen; zugegebenermaßen viel es ihm dennoch nicht gerade leicht, sich einen Kommentar zu verkneifen.

Er schaffte es gerade so, da er momentan keine Lust auf Streit hatte. Ein kurzes Grummeln ließ er dennoch verlauten, als er um eine Ecke gezerrt wurde. Konnte der Kerl nicht loslassen? Nun gut, so schlimm war es dann auch nicht…So konnte der Blonde sich wenigstens nicht verlaufen.

Der Weg kam Ven endlos vor; selbst nach einer gefühlten Ewigkeit hatte er nicht das Gefühl, dass sie irgendwo vorbeigingen, wo er schon mal gewesen war. „Du bist doch wirklich nicht mehr ganz dicht“, hörte er plötzlich und blieb abrupt stehen. Er hätte sich ja wirklich zusammengerissen und geschwiegen – unter anderem, da Vanitas nicht so ganz unrecht hatte – aber genug war dann doch genug.

„Und das sagst mir ausgerechnet du?!“; er klang ungläubig und hielt es tatsächlich für eine Art Witz. Es war ja schließlich nicht nur seine Schuld, dass sie nun hier in der – wie er fand – Botanik saßen. Die Antwort bestand aus einem bösen Blick und einem Grummeln, das nicht mal mehr annähernd ruhig klang. Und dann tat er das, was er wohl besser gelassen hätte – er äffte den Schwarzhaarigen nach; ein Fehler. Innerhalb von zwei Sekunden spürte er einen Mauer in seinem Rücken, bewahrte aber zumindest seinen unbeeindruckten Blick.

„Schmier dir den arroganten Blick aus dem Gesicht, der zieht zum einen sowieso nicht, und zum anderen ist die Verlockung, ihn rauszuschlagen, dann noch größer“; Ven würde es nicht zeigen, aber es fiel ihm immer schwerer, die Fassade aufrecht zu erhalten. Als arrogant würde er seinen Blick zwar dennoch nicht bezeichnen, aber darüber fing er erst gar keine Diskussion an.

Sie starrten sich minutenlang schweigend an, was Ven wirklich überhaupt nicht gefiel. Er war beinahe froh, als plötzlich ein Geraschel von einem nahegelegenen Busch kam und sie beide zusammenzuckten; als wäre er nicht schon genug vom Pech verfolgt: Eine schwarze Katze. Eigentlich glaubte er nicht an solche Mythen, aber das war dann doch irgendwie sehr suspekt.

Zu seinem Glück wurde er losgelassen und sie setzen schweigend den Weg fort; anscheinend hatte Vanitas auch eher weniger Lust, jetzt einen Streit zu beginnen, auch wenn die Spannung zwischen ihnen nur mäßig gemildert war. Ven warf hin und wieder einen Blick nach hinten und meinte, einen Schatten zu sehen – eventuell bildete er sich das aber auch ein, was er insgeheim hoffte.

Er war im Zwiespalt mit sich selbst, als sie durch einen Park abkürzten. Zum einen würden sie so zwar früher zuhause sein, zum anderen war es hier kaum beleuchtet. Aber gut, was sollte schon passieren? „Pass auf, irgendwo hier vorne ist ein Teich“; die Warnung kam eine geschätzte Viertelsekunde zu spät. Ven hörte noch seinen eigenen Schrei, bevor er einen unsanften Bauchklatscher hinlegte.

Wütend richtete er sich auf und wurde – selbstverständlich – augenblicklich ausgelacht. „Das hast du mit voller Absicht gemacht!“, mokierte er sich lautstark, erhielt allerdings keine Antwort, was ihm als Geständnis reichte. Er schmollte beleidigt, kletterte aus dem Teich und schwor sich Rache. Als Vanitas immer noch nicht aufhörte zu lachen, tat Ven das Erste, was ihm in den Sinn kam – er trat ihm mit voller Wucht gegen das rechte Schienbein, so fest, dass sein eigener Fuß danach schmerzte.

Der ‚Adrenalinkick’ verflog und urplötzlich fror Ven wie schon seit Wochen nicht mehr. Sein Körper bebte und die kalte, nasse Kleidung machte es nicht zwangsläufig besser. „Ich hasse dich“, murmelte er böse, stotterte aber dabei, wodurch er statt angsteinflößend wohl eher bemitleidenswert klang. Eine Antwort blieb ihm verwehrt. Stattdessen schwiegen sie sich an, bis Ven das doch zu blöd wurde – schließlich war er derjenige, der sich hier die Erkältung holen würde.

Er setzte also den Weg fort und achtete darauf, auf den Boden zu starren und auf dem Steinweg zu bleiben, um nicht schon wieder in eine solch missliche Lage zu geraten. Sein Zittern und Jammern wurde selbstverständlich alles andere als gut aufgepasst. „Stell dich nicht so an, Knirps.“

//Okay, jetzt reicht’s. Genug ist einfach genug.// Er blieb stehen und holte erstmal tief Luft, um nicht gleich auszuticken. „ICH soll mich nicht so anstellen? Ist das denn jetzt wirklich dein Ernst? Zuerst startest du den Tag mit einer Motivation, bei der man nun mal einfach nur noch wegrennen kann. Dann hältst du es nicht mal für nötig, mich davon abzuhalten, in die Botanik zu flüchten; jetzt steh ich deinetwegen vollkommen durchnässt hier und friere mich zu Tode, nur damit du was zu lachen hast, aber ich soll mich nicht so anstellen?! Bei dir stimmt da oben doch irgendwas nicht!“

Als Antwort bekam er genau das, was er jetzt als Letztes wollte – ein genervtes Augenrollen. „Das kannst du dir gleich sparen!“, meckerte er weiter, während er seine Jacke auszog. Ohne war es einfach angenehmer und weniger kalt. „Sonst was, hm?“; anscheinend reichte es dem Schwarzhaarigen immer noch nicht. Nun gut, wenn er so wollte, Ven war es recht. Er schmiss seinem Gegenüber also mit voller Wucht die durchnässte Jacke ins Gesicht – und nasser Stoff konnte bekanntlich ziemlich schmerzhaft sein, wenn er auf nackte Haut traf.

Der mädchenhafte Schrei, der daraufhin zu hören war, ließ ihn beinahe auflachen, allerdings war er immer noch auf Hundertachtzig, weswegen er sich zusammenreißen konnte. Seine Jacke landete natürlich im Dreck, er dachte jedoch gerade gar nicht daran, sie aufzuheben. Anscheinend hatte er es nun doch geschafft, Vanitas ein wenig zur Weißglut zu bringen, allerdings hatte er damit kein wirkliches Problem.

„Du legst es heute wirklich drauf an, muss ich schon sagen. Ich bin mir lediglich noch nicht ganz sicher, ob ich das als mutig auffassen soll…oder eher als dumm.“ Die Selbstüberzeugung stand ihm förmlich auf der Stirn, der Blonde wollte sich davon aber nicht beeindrucken lassen. Er würde sich das einfach nicht mehr bieten lassen.

„Interessiert mich nicht im Geringsten, wie du das auffasst. Ich hab die Schnauze voll von dir! Ich würde dir jetzt ins Gesicht spucken, aber das ist echt unter meinem Niveau. Irgendwann reicht’s einfach.“ Er hob seine Jacke auf und setzte seinen Weg fort, auch wenn er nicht wusste, wohin er ging. Ihm war selbst nicht ganz klar, woher dieser Wutausbruch kam, aber er war müde, hatte Gelenkschmerzen und fror wie lange nicht mehr; vielleicht hatte das geringe Einflüsse auf seine Laune.

Schweigend ignorierte er die Tatsache, dass ihm nachgerufen wurde; so leicht würde er sicher nicht nachgeben. Zwar würde er sich so schon wieder verlaufen, doch war ihm das in diesem Moment ziemlich egal. Eigentlich war es ja schon nicht leicht, ihn wirklich auf die Palme zu bringen, doch augenscheinlich war es möglich.
 

Er stampfte den Weg entlang, ohne es zu merken, bis er an den Schultern gepackt und festgehalten wurde. Genervt blieb er also stehen, drehte sich aber nicht um; ein wenig mehr Standhaftigkeit besaß er doch.

„Du brauchst nicht immer abzudampfen, wenn dir irgendwas nicht passt, Knirps…Nein, warte!“; Ven wollte sich gerade losreißen und weitergehen, als er mit diesen Worten davon abgehalten wurde. „Ich meine…das war nicht so gemeint…. Tut mir Leid, es überkommt mich immer wieder, da kann ich nichts-“ – „Sehr tröstend, vielen Dank auch.“ Sie seufzten synchron; eigentlich wäre es lustig gewesen, jedoch war die Situation zu paradox um zu lachen.

„Warum bist du auch so unglaublich reizbar?“; es klang nicht mal wie ein Angriff, Ven fasste es aber als einen auf. „Ich, ich, immer bin ich alles Schuld“; er riss sich aus dem Griff des Schwarzhaarigen. „Wieso bin ich eigentlich immer alles Schuld? Ziemlich egoistisches Denken, oder? Und genau das verursacht bei mir Brechreiz. Deine ewige Egozentrik. Schrecklich.“ Zwar war Ven erzürnt, seine Worte klangen allerdings eher enttäuscht, als hätte er irgendetwas anderes erwartet; genau genommen hatte er das ja auch eigentlich.

„Ich dachte, es wäre vielleicht in Ordnung, zu erwarten, dass du dein ‚Ich’-Denken zumindest kurzzeitig ablegen kannst. Anscheinend lag ich falsch. Kommt nicht wieder vor, tut mir wirklich Leid“; seine pessimistische Wortwahl frustrierte ihn umso mehr, was ihn inzwischen aber auch nicht mehr kümmerte. Seine Laune war sowieso am Boden und er wollte nur noch nach Hause – und zwar wirklich nach Hause.

„Ich wollte nie hierher kommen. Nicht einen Moment lang. Zuerst habe ich mich gefragt, wieso. Vielen Dank, die Frage hast du mir bestens beantwortet“. Das Gespräch war inzwischen zu einem Monolog geworden, weswegen der Blonde es nun vorzog, zu schweigen und endgültig weiterzugehen.

Gerade dachte er, gewonnen zu haben, als er am Arm gepackt und in eine andere Richtung gezerrt wurde, in Richtung eines anderen Ausgangs aus dem Park. „Lass mich los! Du sollst mich verdammt noch mal…!“ – „Nein!“ – „Was heißt denn hier ‚Nein!’? Das war keine Bitte, das war eine Aufforderung; lass los jetzt, das fällt unter Freiheitsberaubung und Misshandlung, du tust mir nämlich weh. Lass los jetzt!“

Dass inzwischen wohl die halbe Stadt wach war, kümmerte Ven wenig. Dass er allerdings keine Antwort erhielt und immer noch weitergezogen wurde, gefiel ihm überhaupt nicht. Nach einiger Zeit – genau genommen dann, als er merkte, dass es sowieso nichts brachte – gab er seinen Widerstand auf. Zumindest verringerte dies schon mal die Schmerzen an seinem Handgelenk. Losgelassen wurde er zwar dennoch nicht, aber irgendwie war damit auch zu rechnen gewesen.

„Wieso tust du das?“, fragte er schließlich und klang mehr als nur mürrisch. Keine Antwort. „Hey, ich rede mit dir“; immer noch keine Antwort. „Okay, es reicht. Was denkst du, bezweckst du hiermit? Glaubst du, es wird besser, wenn du mich ignorierst, wenn ich mit dir rede? Ziemlich naives Denken, meinst du nicht?“ – „Es interessiert mich nicht, wie du das findest.“

//Schön. Großartig. Genau das wollte ich hören…nicht.// „Wenn du dich sowieso nicht für mich interessierst, dann kannst du mich auch getrost loslassen, meinst du nicht?“ – „Das habe ich nie gesagt, und jetzt sei endlich still!“ – „Oh, dann leidet der Herr inzwischen also auch unter Amnesie? Natürlich hast du das gesagt, gerade vor zwanzig Sekunden!“

Ven erschrak, als Vanitas urplötzlich stehenblieb und ihn wütend anstarrte. „Du raffst es nicht, oder? Es geht einfach nicht in dein Hirn, wann es reicht. Du brauchst jetzt gar nicht rumzumeckern; es ist so. Kannst du nicht einfach für fünf Minuten den Mund halten? Fünf Minuten? Das kann doch nicht zu viel verlangt sein. Junge, du regst mich auf“; Vens Antwort darauf bestand aus einem eher weniger intelligent wirkenden Blick. Er selbst hatte ja schon öfters etwas ungehalten reagiert. Irgendwie hatte er aber nicht erwartet, ausgerechnet jetzt eine so patzige Antwort zu bekommen.

Er suchte nach einer Antwort, ihm fiel aber nichts ein. Genau das nutzte der Schwarzhaarige, um ihren Weg fortzusetzen; es war sowieso nicht mehr weit. Gerade in dem Moment, als sie ankamen, fiel Ven etwas ein, was er sagen konnte und wollte. „Du tickst nicht mehr ganz sauber, glaube ich. Aber keine Sorge, das ist kein persönlicher Angriff. Ich glaube nämlich, dass wir da was gemeinsam haben.“

Ihm war selbst nicht ganz klar, wieso er sich als dumm bezeichnete, aber irgendetwas stimmte bei ihnen beiden doch nicht. „Ich meine…das ist doch nicht normal…wenn du mal so drüber nachdenkst…wir benehmen uns wie kleine Kinder, die sich darum streiten, wer von den Erwachsenen mehr Aufmerksamkeit bekommt. Wer etwas Besseres ist. Wer überlegen ist. Ach, was weiß ich.“

Er war genervt von seiner eigenen Argumentation und Gegenargumentation. Inzwischen beleidigte er sich schon selbst, und das hieß schon was. „Können wir jetzt reingehen? Ich will ins Bett“; er wandte bei diesen Worten den Blick ab, um zu zeigen, dass er darüber gar nicht diskutieren wollte.
 

Mehr als nur erleichtert trat er ein, als die Türe endlich geöffnet worden war, und ging geradewegs auf die Treppe zu. Das reichte ihm. Für diesen Tag, und für alle Tage. Er wollte lediglich Ruhe, weiter nichts.

Ohne Umschweife trat er auf ihr Zimmer zu, sollte aber natürlich kein Glück haben. Die danebenliegende Türe wurde aufgerissen und Ven von zwei geschockten Gestalten angestarrt. „Wo warst du? Und wieso zur Hölle bist du so...durchnässt?!“; Roxas’ Begeisterung hielt sich hör- und sichtbar in Grenzen, als er auf Ven zutrat und in an den Schultern packte. „Hast du denn überhaupt eine Ahnung, was für Sorgen ich mir gemacht habe? Dir hätte sonst was passierst sein können!“

Ven schwieg. Er wollte sich keinen Vortrag anhören. Sein Gegenüber setzte gerade dazu an, weiterzumachen, hielt dann aber inne. „Ist alles in Ordnung? Du siehst so…niedergeschlagen aus“; genau das hatte ihm gerade noch gefehlt. Ven wusste ja, dass er schrecklich aussehen musste, aber…war es denn wirklich nötig, ihm das noch mal so deutlich vor Augen zu führen?

„Nein…ich meine…ja. Alles in Ordnung. War ein langer Tag…ich will eigentlich nur noch ins Bett…“, er wandte den Blick ab und senkte die Stimme. „Ich will nach Hause…“; es hätte ihm klar sein müssen, dass er darauf keine zufriedenstellende Antwort bekommen würde. „So schlimm…? Es…sind doch nur ein Paar Tage. Hey, Ven, was ist denn so schlimm hier? Was ist das Problem?“

Der Angesprochene wandte sich halb um und sah, wie Vanitas auf sie zukam; wieder mit seinem kühlen, desinteressierten Blick. Zu gerne hätte Ven zugeschlagen, aber irgendwie hatte er das Gefühl, das wäre keine gute Idee. Er wandte den Blick wieder zu Roxas. „Der ist mein Problem“, stellte er dann klar; es kümmerte ihn in dem Falle nicht im Geringsten, dass der Gemeinte anwesend war. Schließlich war er es zu großen Teilen auch selbst Schuld.

„Redet man denn so über Leute, die anwesend sind?“, hörte er auf einmal eine Stimme neben sich, blickte aber nicht mal in die Richtung. Die verbitterte Tonlage verwunderte ihn zwar etwas, aber ihm war nicht danach, irgendwelche Anzeichen von Interesse zu zeigen.

„Würdest du auch mal nur eine Sekunde nicht nur an dich selbst denken, wäre dir schon längst aufgefallen, dass du schon seit Tagen genau dasselbe tust. Ich dachte, so schlimm könne es ja nicht werden. Aber, ganz ehrlich, wenn ich dein Gesicht sehe, könnte ich…vergiss es einfach.“

„Ven…könntet ihr euch nicht einfach…-“ – „Nein, wir können uns nicht einfach vertragen und auf Friede, Freude, Eierkuchen tun! Es funktioniert einfach nicht! Ich weiß nicht wieso, aber es klappt nicht! Irgendwas ist da ständig, weswegen wir uns gegenseitig umbringen könnten. Wie kannst du da noch so was von mir verlangen?! Ich hab mir das Ganze jetzt vier volle Tage angetan, wie lange denn noch, bis wir endlich wieder nach Hause können? Mir reicht’s. Ich habs von Anfang an gewusst; ich hätte zuhause bleiben sollen.“

Er merkte, dass er sich in die Situation hineinsteigerte, weswegen er abrupt schwieg, die Augen schloss und den Blick senkte, um sich zu beruhigen. Das war allerdings leichter gesagt als getan.

„Vanitas!“; Ven zuckte zusammen und blickte nun doch zu Angesprochenem, der gerade in sein Zimmer eintreten wollte, daran aber lautstark von seinem Bruder, der sich nun auch einmischte, abgehalten wurde. „Was?“ – „Geht bei dir denn noch irgendwas richtig? Du könntest dich zumindest entschuldigen“; und genau dadurch brach eine weitere Diskussion aus.

„Ach, jetzt ist es natürlich wieder alles meine Schuld?“ – „Na, es scheint ja wohl so! Es klingt jedenfalls nicht so, als wärst du sonderlich unschuldig!“ – „Oh ja, selbstverständlich. Kaum heult der Zwerg hier ein wenig theatralisch rum und beschwert sich, wie schrecklich ich doch bin, und schon wird mir wieder alles in die Schuhe geschoben. Genau deswegen hasse ich deine Freunde. Sobald es irgendetwas gibt, was ihnen hier nicht passt, bin ich dran Schuld. Wie wär’s mit ein bisschen Dankbarkeit, dass ich ihn nicht irgendwo im Nirgendwo habe verkommen lassen? Aber das ist ja anscheinend wieder zu viel verlangt. Ihr geht mir echt alle dermaßen auf den Zeiger. Genau aus dem Grund, dass so was jedes Mal passiert – wenn auch nicht so extrem ausartend – sage ich dir jedes Mal, dass du mich mit deinem Kram in Ruhe lassen sollst. Schmort doch alle in der Hölle.“

Bevor eine Antwort kommen konnte, verschwand Vanitas in seinem Zimmer und knallte die Türe so fest zu, dass die drei im Flur stehenden heftig zusammenzuckten. Stünde er noch da, wo er vor wenigen Sekunden gestanden hatte, wären ihm jetzt einige mehr als nur schockierte Blicke sicher. Es dauerte mehrere Minuten, bis sie sich gefasst hatten.

„Seht ihr? Genau das ist das Problem. Irgendwas läuft immer schief. Ab sofort höre ich auf mein Bauchgefühl. Und schlafen darf ich jetzt wohl sowieso auf dem Flur; tolle Aussichten.“ Wäre seine Laune nicht bereits am Nullpunkt gewesen, so wäre sie es definitiv spätestens jetzt. „Nein…du schläfst überhaupt nicht auf dem Flur.“ Inzwischen schien auch Roxas ein wenig angesäuert. „Entweder regelt ihr das und sprecht euch darüber aus, was euer verdammtes Problem mit dem jeweils anderen ist, oder ich tue es. Und glaub mir, in dem Falle wird sich keiner von euch freuen, das verspreche ich im Voraus.“

Ven lachte trocken. „Und du stellst dir das genau wie vor? Ich bin doch nicht lebensmüde, und ein gewisses Maß an Stolz habe ich…-“ – „Dein Stolz interessiert mich jetzt gerade so was von gar nicht! Das Einzige, wonach ihr momentan handelt, ist euer dämlicher Stolz. Was ist denn so unglaublich schlimm daran, einfach mal nachzugeben?!

Ich kann nachvollziehen, dass du nach Hause willst; ist ja auch vollkommen in Ordnung. Aber dieser Kinderquatsch hier regt mich so dermaßen auf, langsam reicht’s auch mal. Ihr benehmt euch wirklich wie Fünfjährige, die sich gegenüber irgendwem beweisen wollen. Nur werden aus Streitereien zwischen Fünfjährigen irgendwann Schlägereien, und, ernsthaft, dafür habe ich überhaupt keinen Nerv. Wir sind nicht hier, damit ihr euch gegenseitig die Köpfe einschlagt und euren Mitmenschen das Leben zur Hölle macht. Wie gesagt; entweder klärt ihr das, oder ich tue es. Jetzt. Oh, und zieh dir endlich was Trockenes an, du holst dir noch den Tod. Gute Nacht, Ventus.“

Und genau das waren die Worte, mit denen er stehengelassen wurde. Einen entschuldigenden Blick seitens Sora gab es zwar noch, leider half ihm das auch nicht wirklich weiter. Wieso hatte er nicht bereits damit gerechnet, dass das passieren würde? Es war eigentlich offensichtlich gewesen. Und jetzt war er derjenige, der im Flur übernachten durfte, nur weil alle irgendwie stinkig waren und ausgerechnet er den unausstehlichen Zimmernachbarn hatte. //Wie unglaublich fair das Leben doch ist. Zum kotzen//

Er ließ sich auf den Boden sinken und starrte auf die nun geschlossene Türe. Würde er halt die Nacht hier verbringen, damit konnte er leben. Gleich am Morgen würde er seine Eltern anrufen und sie ganz lieb bitten, ihn doch bitte aus dieser Hölle zu erretten. Irgendwann war Schluss. Warum musste auch immer er das Pech haben, am Ende blöd rumzusitzen, während die anderen gemütlich in ihren Betten lagen und schliefen? Wieso? Es war einfach nicht fair.

Zitternd versuchte er, an etwas anderes zu denken. Wie hoch war wohl die Wahrscheinlichkeit, dass er bis am Morgen nicht erkältet sein würde, wenn er mit der nassen Kleidung hier sitzenbliebe? //Gott, ich erfriere ja jetzt schon//

Er dachte einen Moment nach. Vielleicht wäre es doch besser, über seinen Schatten zu springen und einfach nachzugeben…andererseits wollte er nicht derjenige sein, der das tun musste. Er wollte einfach nicht. Nicht nur sein Stolz verbot es ihm; vielleicht wollte er wissen, ob Vanitas ihn wirklich die ganze Nacht hier sitzen lassen würde, oder ob er doch ein wenig Höflichkeit besaß.

Andererseits stimmte es schon, was der Schwarzhaarige zuvor gesagt hatte; er hätte ihn wirklich in der Einöde verkommen lassen können, hatte ihm aber dennoch geholfen.

Ven schüttelte frustriert den Kopf. Jetzt versuchte er schon, sich selbst einzureden, dass er Unrecht hatte. Nun gut, zu sich selbst konnte er ja ehrlich sein. Was konnte schon groß schief laufen, wenn er nachgab? Er würde am folgenden Morgen sowieso von hier verschwinden, was kümmerte es ihn also?

Demnach fasste er den Entschluss, also zumindest der Klügere zu sein und seinen Stolz beiseite zu schieben. Zitternd richtete er sich auf, trat auf die Türe zu, atmete noch kurz tief durch und reichte gerade nach der Türklinke, als sich die Türe von innen öffnete.
 

Sie wussten beide nicht, wie lange; jedenfalls schwiegen sie sich einige Zeit lang an. „Okay, nicht schon wieder. Ernsthaft, du siehst aus wie eine Wasserleiche. Zieh dir endlich was anderes an. Eine heiße Dusche könnte auch nicht schaden“ – „Entschuldige, dass ich meine Sachen nicht im Flur gebunkert habe“ – „Ventus…“ – „…ist ja gut.“

Das Bett sah unglaublich verlockend aus, und genau deswegen beeilte Ven sich, Klamotten aus seinem oder ihrem Schrank zu fischen, ins Badezimmer zu verschwinden, zu duschen – was wohlgemerkt sogar noch angenehmer war, als er vermutet hatte – und wieder zurückzukehren.

Vanitas saß unterdessen auf seinem Bett und starrte ins Leere. Schweigend verfrachtete Ven sich auf sein ‚Bett’ und schloss die Augen. Er hatte keinerlei Lust, noch irgendwelche unnötigen Diskussionen zu führen. Morgen würde das eh alles ein Ende haben; wen kümmerte es also, ob sie sich aussprachen oder nicht? Abgesehen von Roxas, aber was wollte der schon groß tun?

„Tut mir Leid wegen eben…“; Ven meinte kurz, nicht richtig gehört zu haben. „Bitte was?“ – „Soweit kommt’s jetzt, dass ich das noch mal sage…Na ja, jedenfalls…ist irgendwie blöd gelaufen…“ – „Blöd gelaufen kannst du laut sagen. Irgendwie läuft alles zwischen uns beiden blöd, habe ich das Gefühl. Und ich komm einfach nicht dahinter, wieso“ – „Ich sowieso nicht…“

//Super. Jetzt komm ich hier ja doch nicht ohne eine Diskussion raus// Gerne hätte er sich darüber geärgert, aber irgendwie bescherte ihm der Gedanke daran, das Ganze so stehen zu lassen, wie er zugeben musste, kein gutes Gefühl. Es wäre einfach nicht richtig.

„Weißt du, was das Schlimme daran ist?“; Ven richtete sich nun auf und schüttelte den Kopf. Zwar wurde er nicht angesehen, aber anscheinend war es offensichtlich, dass er die Frage verneinen würde, weswegen Vanitas fortfuhr.

„Ich weiß, dass du mich hasst. Ich glaube, ich weiß auch, wieso; schließlich provoziere ich es ja schon irgendwie, aber…eigentlich will ich das gar nicht, auch wenn es so rüberkommt. Das klingt so…dumm.“ Er schwieg und der Blonde hatte einen Moment, um nachzudenken. So dumm klang es in seinen Augen oder besser Ohren nicht, aber er wusste nicht, wie er in Worte fassen sollte, was er dachte.

Noch vor wenigen Minuten hätte er Vanitas gern angeschrien, wie sehr er ihn verabscheute, dass er ihn nicht leiden konnte und jede Sekunde ohne ihn mehr als nur Genoss, aber wenn er so darüber nachdachte, traf es das doch nicht so genau. Eigentlich war es ja nicht so schlimm hier. Lediglich ihre Streitereien und Diskussionen machten ihn fertig.

„Irgendetwas ist da zwischen uns, was nicht stimmt, oder? Irgendwas, was nicht sein sollte. Wenn man doch nur wüsste, was es ist.“ Ven antwortete nicht; ihm fehlten irgendwie immer noch die Worte.

„Schweig mich nicht so desinteressiert an“ – „Was?“ – „Du sollst mich nicht anschweigen, als wärst du von meinem Gelaber längst eingeschlafen“ – „…Ich sitze aufrecht und meine Augen sind geöffnet, ich atme unregelmäßig und blinzle ab und an“ – „Das beweist überhaupt nichts…argh, genau das meine ich!“; wütend schlug der Schwarzhaarige gegen die Wand neben seinem Bett. So fest, dass Ven ein Knacken hörte.

„Was meinst du?“ – „Na genau das! Eigentlich könnten wir miteinander reden wie ganz normale Menschen, aber auf der anderen Seite könnten wir uns gegenseitig erwürgen. Ich versteh’s einfach nicht, Ven. Wirklich nicht.“

Angesprochener schüttelte den Kopf. „Ich auch nicht, das kannst du mir glauben. Wir könnten uns aber vielleicht darauf einigen, uns nicht gegenseitig umzubringen und zu versuchen, die Tage zu überleben, ohne irre zu werden. Ist zwar nicht gerade das Ideal, aber…-“ – „Nichts aber! Wo liegt denn da der Sinn? Ich will wissen, was das Problem ist, und dann soll das Problem sich gefälligst wegscheren. So einfach ist das. Ich schauspielere überaus ungern, und das hat auch so seinen Grund. Die Wahrheit mit einer Lüge zu übertünchen, macht doch alles noch schlimmer. Und am Ende bringen wir uns doch um“; es klang zwar etwas übertrieben, dennoch fand Ven das nicht zum Lachen.

„Gut, dann behandeln wir uns eben ab sofort wie die besten Freunde. Keine Sticheleien, keine Streitereien, keine-“ – „Wieso das denn?“ – „Hä?“ – „Wieso sollten wir uns für die besten Freunde halten?“ – „…wieso nicht?“ – „Weil wir uns gegenseitig behandeln wie ein Stück Dreck?“ – „Ja, Schlaukopf, Sinn und Zweck der Sache ist es, dass wir das dadurch nicht mehr tun“ – „Aber wie denn? Wenn das so einfach wäre, hätten wir das Problem nicht“ – „Oh, sei doch einfach ruhig jetzt! Geh schlafen und tu morgen einfach so, als hätten wir noch nie in unserem Leben gestritten. Tu es doch bitte einfach! Ich hab jetzt keine Lust, mich damit auseinanderzusetzen. Der Tag war lang genug.“

Und damit wandte Ven sich ab. Er wusste genauso wenig eine Antwort, aber dennoch wieder ein wenig Hoffnung, noch eine finden zu können. Manchmal muss man sich eben ein bisschen in die Wolle kriegen und hier und da streiten, um des Rätsels Lösung zu finden.

Vielleicht war es doch keine schlechte Idee, die letzten drei Tage noch zu überstehen. Er wollte eine Antwort, und er würde sie bekommen. Es war ihm egal, ob er dafür irgendwelche Ratgeber durchforsten müsste; er wollte diese ganze Sache lediglich klären.

Aber das hatte Zeit. Denn erst einmal schlief er seelenruhig ein, wenn auch weiterhin mit dem Ziel vor Augen, am kommenden Morgen alles zu klären, was es eben zu klären gab.
 

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Irgendwie krieg ich keine Cliffhanger hin. Egal, macht man nichts dran.

Ich hoffe, dass das nächste Kapitel schneller fertig sein wird. Momentan stehen noch ein Paar Klausuren an, aber ab übernächster Woche sollte ich genug Zeit haben, die FF bald zu beenden (oh Gott...nur noch drei Kapitel...mehr als die Hälfte ist schon vorbei o_o).

Allerdings ist auf Anregung von Fascination eine Art "Special" geplant, in der es - wenn ich wirklich dazu komme, sie hochzuladen - um ein Paar lustige kleine Szenen gehen soll, die wir uns zusammengesponnen haben, während wir überlegten, was in den jeweiligen Kapiteln grob passieren soll.

Natürlich geht deswegen auch wieder ein Dank an sie ;) Ohne ihre doch echt witzigen Ideen wäre es nur halb so lustig :)
 

So, das war's dann auch.
 

Liebe Grüße,

Valenfield

V

HAAAALLO <3 Ich lebe noch, ich bin ZURÜCK! Ja, mit einem neuen Kapitel. Leider ist es über 11.000 Wörter lang...es tut mir wirklich leid, aber ich konnte mich in dem Falle einfach nicht kürzer fassen, und dabei habe ich noch den halben Tag weggelassen >< Wirklich, auch sorry, dass es so lange gedauert hat, das nächste kommt mit Sicherheit schneller!

Die Formatierungen (Kursivschrift) sind noch nicht ganz perfekt, das bessere ich noch aus, wenn ich Zeit und Lust habe, ansonsten will ich eigentlich nur noch viel Spaß wünschen und hoffe, dass sich jemand diese Unmenge an Wörtern überhaupt antut. Ich muss übrigens sagen, dass mir das Kapitel stellenweise echt gut gefällt :> Ist natürlich keine Bestechung...nicht im Geringsten.
 

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Tag V - Warm und Kalt

Als Ven die Augen öffnete, wurde ihm bewusst, der Tag würde ihm nicht gefallen. Es war wie eine Vision, eine Vorahnung, Intuition. Er wusste allerdings, dass man ihn ohnehin nicht mehr allzu lange schlafen lassen würde; eigentlich sollte er sich wundern, diesmal nicht brutal geweckt worden zu sein.

Er setzte sich behutsam auf und machte sich bereit, eine Hand vor sein Gesicht zu halten, hatte jedoch keinen Grund dazu. Durch das Fenster gelangte spärlich Licht in das Zimmer, weswegen er erkannte, dass außer ihm selbst niemand im Raum war. Im Normalfalle bedeutete es nichts Gutes, wenn Vanitas nicht anwesend, beziehungsweise zwar irgendwo in der Nähe aber nicht zu sehen, war; irgendwas heckte der doch ohnehin wieder aus…

Müde stand Ven schließlich auf und suchte sich etwas Anständiges zum Anziehen aus seinen Sachen heraus, um damit ins Badezimmer zu schlurfen und alles anzusehen, nur nicht sein Spiegelbild. Kaum hatte er den Raum betreten und sich umgezogen, trat er auch schon den Rückweg an und fand das vor, was er nicht sehen wollte – genau, Vanitas.

Nachdem seine Schlafsachen den Weg neben sein ‚Bett’ gefunden hatten, wandte Ven sich ohne ein Wort ab, um das Zimmer zu verlassen. Er war schlecht gelaunt und unter dieser Voraussetzung war es sehr gefährlich, mit ihm einen morgendlichen Smalltalk zu führen. Umso schlechter war deswegen auch die Tatsache, dass ein Kissen gegen seinen Kopf flog, bevor er das Zimmer verlassen konnte.

Vielleicht wäre er besser weitergegangen, stattdessen drehte er sich jedoch um, hob das Kissen auf und war kurz davor, es zurückzuschmeißen, als er merkte, dass Vanitas schon vor ihm stand. „Dürfte man fragen wofür das jetzt war?“, fragte Ven genervt und warf das Kissen auf das Bett seines Gegenübers.

„Warum so bösartig? Ist es noch zu viel verlangt, dass du zumindest irgendetwas sagst?“ – „Was soll ich denn bitte sagen? ‚Wunderschönen guten Morgen, ist das Leben nicht schön?’ oder warte, ich weiß was Besseres: ‚Na, wie geht’s dir heute so, mein bester Freund?’? Beides scheint mir in Anbetracht unserer Situation überaus dämlich, wenn ich das so sagen darf.“

Natürlich war die Antwort ein Augenrollen. „Ein simples ‚Morgen’ hätte mir auch gereicht“; Ven schüttelte den Kopf, schloss für einen Moment die Augen und wischte sich über sein Gesicht, als würde das gegen seine miese Laune helfen. Seufzend wandte er sich ab, drehte den Kopf noch einmal zurück, murmelte ein kurzes „Morgen“ und verließ das Zimmer dann schnellen Schrittes. Ihm fehlten die Nerven für irgendwelche Gespräche, er hatte Hunger und Schmerzen und Besserung war nicht in Sicht.

Mit unzufriedenem Blick betrat er die Küche und setzte sich seinen zwei Lieblingsturteltauben gegenüber, wiederholte seine vorangegangene ‚Begrüßung’ und griff sich etwas von den Unmengen an Essen, die bereits auf dem Tisch ausgebreitet worden waren. Augenscheinlich hatte keiner von ihnen die vorangegangene Nacht vergessen und dementsprechend schweigsam hielten sie ihr Frühstück ab. Nach einiger Zeit betrat auch der ‚Star des Hauses’ – beinahe hätte Ven darüber gelacht, dass er diese Bezeichnung gerade im Kopf gehabt hatte, wirklich beinahe! – die Essküche und ließ sich neben Ven auf seinem üblichen Platz fallen.

„Hat es einen besonderen Grund, dass ihr mich anstarrt?“, fragte er schließlich vollkommen berechtigt, da tatsächlich alle Blicke auf ihm lagen. Roxas und Sora wandten sich wieder ihrem Frühstück zu, während Ven weiter glotzte, ohne es wirklich zu merken. Erst als Vanitas ihm einen Vogel zeigte, wurde ihm bewusst, was er da tat, weswegen er schneller als nötig sein Essen fixierte, jedoch nichts sagte.

Stattdessen wunderte er sich darüber, dass Sora und Roxas plötzlich unnötigerweise loslachten, und irgendwie war er in der Stimmung, diese Tatsache zu kommentieren. „Was denn, plant ihr den heutigen Tagesverlauf oder was ist so lustig?“; die beiden erwiderten nichts, grinsten stattdessen nur.

„Lasst mich raten, heute geht’s in den Streichelzoo?“, bohrte Ven weiter nach, diesmal jedoch mehr als nur genervt. „Oh, tolle Idee, Ven! Das machen wir morgen!“, kam dann tatsächlich die Antwort von Sora, die so ernst gemeint klang, dass der Angesprochene sein Messer fallen ließ. Daran, es wieder aufzuheben, dachte er nicht einmal für eine halbe Sekunde. Das musste…

„Das war ein Scherz“, es war weniger eine Frage als mehr eine Anordnung und er hoffte, dass ihm einfach niemand widersprechen würde. „Wieso denn nicht? Magst du keine Streichelzoos? Na ja, egal, vielmehr hatten wir heute an etwas Entspannendes gedacht“ – „Pff, ich seh es kommen. Freibad“ – „Du bist gut, leider aber nicht perfekt. Fürs Freibad ist es schließlich zu kalt. Aber Halle tut’s ja auch!“.

Ven schüttelte ungläubig den Kopf. „Na dann viel Spaß, aber leider ohne mich“ – „Und ohne mich“, fügte sein Sitznachbar hinzu, der von der Idee alles andere als begeistert war. „Jetzt seid mal nicht solche Stubenhocker. Davon mal ganz abgesehen, macht doch einen besseren Vorschlag“, mischte sich nun Roxas ein, der triumphierend grinste und dazu auch sein gutes Recht hatte – weder Ventus noch Vanitas hatten nämlich eine bessere Idee und somit keine großartige andere Wahl, als einfach zuzustimmen.

Natürlich war ihnen klar, dass das eine dumme Idee war, aber sie hatten beide keine Lust, hier rumzusitzen und sich gegenseitig Löcher ins Gesicht zu starren – was nämlich wahrscheinlich passieren würde, blieben sie zurück. Dass auch so irgendetwas mehr als Unvorteilhaftes passieren würde, war allerdings auch sonnenklar.

„Aber trotzdem; diese Tatsache an sich erklärt für mich immer noch nicht, warum ihr hier wie doof durch die Küche lacht“, murmelte Ven schließlich, obwohl er den Grund genau genommen gar nicht so wirklich wissen wollte. „Ach, die Macht der Gewohnheit.“ Er erwiderte nichts, da er die Aussage nicht verstand und befürchtete, sich zum Affen zu machen.

Stattdessen frühstückte er lieber weiter. Vielleicht, wenn er genug Essen in sich stopfte, hätte er eine gute Ausrede, leider nichts ins Wasser zu gehen – natürlich würde er vor Ort noch mehr essen müssen, aber das würde er schon schaffen.

„Gut, dann würde ich sagen…gehen wir in einer Stunde los?“ Unzufrieden nickte der Blonde und konnte nur vermuten, dass sein liebster Sitznachbar das gleiche tat. Eigentlich würde es ihm nicht viel ausmachen, bliebe der Mal zuhause, aber er käme sich sehr unfreundlich vor, würde er das laut sagen, weswegen er es lieber ließ.

Nachdem sie – endlich, wie Ven fand – den Tisch abgeräumt hatten, gingen – oder, in seinem Fall, schlurften – sie allesamt die Treppe hinauf und in ‚ihre’ Zimmer. Ehrlich gesagt quälte es Ventus gar nicht mehr so sehr, das Tor zur Hölle zu überschreiten, auch wenn er immer noch etwas genervt war, wieder mal die A-Karte gezogen zu haben; das tat er, was Roxas und ihn anging, sowieso eigentlich immer.

Dass er die Tür nicht zutrat, lag lediglich an der Tatsache, dass er keine Lust auf eine Schlägerei hatte und ihm klar war, dass er damit sicherlich eine anzetteln würde; mal davon abgesehen, dass er gegen Vanitas – der, wie Ven nie vergessen würde, den großen Gorilla im Park zu Fall gebracht hatte – ohnehin nicht den Hauch einer Chance hätte, tat ihm sowieso schon alles weh und er befürchtete bereits, sich beim Fall in den Teich irgendetwas angeknackst zu haben. Es wunderte ihn eigentlich etwas, dass er bisher kaum Anzeichen einer Erkältung bemerkte.

Er ließ sich auf sein provisorisches Bett fallen und wäre am liebsten eingeschlafen. Zwar war er nicht müde, dafür aber einfach körperlich nicht in Bestform. Es hieß zwar, Wasser würde dabei am besten helfen, trotzdem gefiel ihm die Tagesplanung immer noch nicht.

„Hey, Dummkopf.“ Am liebsten hätte er sich dafür geschlagen, aufzublicken und den Spitznamen damit theoretisch anzunehmen, aber andererseits konnte ja auch schlecht jemand anders gemeint sein.

„Was willst du?“, murmelte er als nicht gerade glückliche Antwort und blickte zu seinem Zimmernachbarn und fast besten Freund hinüber, der im Schneidersitz auf seinem Bett saß und einen Blick aufgesetzt hatte, der Ventus überhaupt nicht gefiel. Hämisch? Boshaft? Gehässig? Hinterhältig? Spöttisch? Vielleicht gar ein wenig sadistisch? Jede dieser Beschreibungen passte irgendwie und der Blonde konnte sich nicht entscheiden, welche er am ehesten gewählt hätte, hätte man ihn gefragt.

Was ihn an der Sache allerdings wirklich verwunderte, war, dass zu diesem…Gesichtsausdruck auch noch ein bedrohliches Stillschweigen hinzukam. Ja, genau, bedrohlich, das war das richtige Wort!

„Ähm…“; er wollte etwas sagen, wusste aber nicht, was, und mochte nicht riskieren, sich Ärger oder Streit einzuhandeln. Jedoch dämmerte ihm so langsam, was Sache war. Natürlich, eigentlich war es offensichtlich. Was wäre auch näherliegend als die Vermutung, dass dieser Blick sagen sollte, wie man sich auf seine Kosten belustigen würde.

Das passte mal wieder ohnegleichen. Am liebsten wäre Ventus aufgestanden, zu Vanitas rübergegangen und hätte ihm seine geballte Faust ins Gesicht gedonnert, so oft und so lange, bis der einen anderen Blick aufsetzte. Dann aber erinnerte er sich an die letzte Situation, in der er den Schwarzhaarigen…verletzt hatte. Schlagartig sank seine Laune um einiges und mit einem Schmollen ließ er sich nach hinten fallen.

Es war Tag fünf und noch immer hatten sie nicht sonderlich viele nette Worte miteinander gewechselt. Zwischendurch hatte Ven sich bereits gedacht, dass das überhaupt nicht möglich war, aber eigentlich empfand er diese Möglichkeit als eher sinnlos. Sie kannten sich doch gar nicht gut genug, um sich wirklich von vorn bis hinten ‚hassen’ zu können.

Dann allerdings hatte Vanitas wirklich genug negative Eigenschaften, die es mehr als schwierig machten, ihn zu mögen, wobei es Ventus stellenweise auch so vorkam, als stelle der Schwarzhaarige sich so…gemein und unerträglich. Fast, als wolle er nicht, dass man Sympathie zu ihm aufbaute. Das wiederum war für den Blonden aber auch etwas unverständlich…vielleicht sollte er den anderen beizeiten mal fragen, aber nicht jetzt.

„Irgendwie werd ich das Gefühl nicht los, dass du gerade wieder irgendwas extrem Beknacktes denkst. Richtig oder richtig?“ – „Hab ich nach deiner Meinung gefragt? Ich denke nicht“ – „Oh, da wird aber jemand frech“ – „Ruhe“ – „Sonst?“ – „Das willst du gar nicht so genau wissen“ – „Doch, ich brenn drauf. Los, zeig mir, was ne Harke ist“.

Es kostete Ventus eine ganze Menge Beherrschung, nicht auszurasten, aber glücklicherweise musste er nicht antworten, da ein Pochen an der Türe ihre ‚Konversation’ unterbrach.

„Könnt ihr nicht mal fünf Minuten Ruhe geben?! Ihr benehmt euch wie kleine Kinder. Streiten macht Falten, und wenn ihr so weiter macht, seht ihr mit 20 aus, als wärt ihr schon 200!“ Ven hätte etwas erwidert, aber er musste ein Lachen unterdrücken, als er Vanitas anblickte, der die Worte stumm nachäffte, mit den Armen rumfuchtelte und dann die Augen verdrehte. Etwas, was zu ihm eigentlich überhaupt nicht passte und deswegen extrem dämlich aussah.

Unsicher, ob er noch irgendwas sagen sollte, machte er es sich ein wenig gemütlicher und ließ seinen Blick wieder einmal durch das Zimmer schweifen. Anfangs war es ziemlich düster gewesen, inzwischen ging es sogar. Durch das Fenster schien Sonne in den Raum und alles wirkte etwas freundlicher, auch wenn die dunkel gestrichenen Wände das Zimmer klein wirken ließen.

„Kann ich dich mal was fragen?“, begann Ventus beinahe schüchtern, da er keine Lust hatte, wieder einen wunden Punkt zu treffen und angeschrien zu werden. „Hast du doch jetzt schon. Aber ich bin so nett und erlaube dir eine weitere Frage, weil du’s bist“; Ven ging auf diese Wortwahl lieber nicht ein, da es im Streit geendet hätte.

„Na gut, ähm, also…kann es sein, dass du dich absichtlich so unfreundlich und unerträglich stellst? Und wenn ja, wieso?“ In der Sekunde, als er zu Ende gesprochen hatte, bereute er es schon ein kleines bisschen. Vanitas hob fragend eine Augenbraue und legte den Kopf etwas schief. „Was soll das denn bitte bedeuten? Unfreundlich? Unerträglich? Ich könnte nicht bestätigen, dass diese Eigenschaften auf mich zutreffen“, erwiderte er gelassen und klang dabei so ernst, dass Ven sich einen Moment fragte, wo die Pointe dabei war.

„Ähm…das ist ein Scherz.“ Ventus wusste selbst nicht genau, ob er das fragte oder feststellte, da er mehr als nur verwirrt war. „Ein Scherz? Wieso denn das? Ich denke, ich bin eine ziemlich zugängliche, extrovertiert-freundliche Person, die jeder Art von Kontakt nicht abgeneigt ist und in allem immer das Positive sieht.“

Ven hätte etwas gesagt, hätte man nicht urplötzlich von vor der Türe schallendes Gelächter vernehmen können. Seinem Zimmermitbewohner schien dies alles andere als gut zu gefallen, aber er setzte ein desinteressiertes Gesicht auf, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und machte es sich gemütlich.

Urplötzlich stellte sich Ven die Frage, ob Sora und Roxas sie beide wohl stalkten. Sie waren immer anwesend, wenn einer von ihnen etwas Dummes tat – okay, nicht immer, aber oft – und trotzdem so unscheinbar, dass sie nur auffielen, wenn sie mit der Tür ins Haus krachten.

//Die kleinen Hirnis haben bestimmt auch Kameras aufgestellt, ganz bestimmt sogar//, dachte Ven und wusste, wie dämlich dieser Gedanke war. Wäre dies der Fall, hätte man sich nie so über den Unfall an seinem Hals gewundert, dann wäre wohl inmitten einer Nacht, über die er nicht gern nachdachte, jemand ins Zimmer gestürmt, um Vanitas davon abzuhalten, einen Mord anzudeuten.

Keine Kameras, sicherlich nicht. Aber faul war an der ganzen Sache schon irgendwie was. Ven beschloss, nicht daran zu denken und ging gedanklich den Tagesablauf durch. Sie würden das Haus verlassen, der Albtraum würde beginnen. Das Bad betreten würde Ven sich auf dem Weg zu den Umkleiden erstmal gepflegt auf die Nase legen, natürlich nicht ohne zutun seines besten Freundes – bei der Vorstellung hatte er urplötzlich den Klang einer diabolischen Lache im Kopf, weswegen er den Kopf schüttelte und weiterdachte.

Dann, umgezogen…

Und wieder kam er sich einen Moment vor wie ein kompletter Vollidiot, bevor er begann, dümmlich zu grinsen. Natürlich hatte das auch seinen Grund, welchen er jedoch für’s Erste für sich behielt, trotz Vanitas’ fragendem Blick und der Feststellung, dass Ventus angeblich ‚übertrieben dämlich’ grinse. Es war ihm egal, so was von egal.

Zu seinem unglaublichen Bedauern hatte er nämlich leider vergessen, sich für diesen äußerst angenehmen Umstand des Besuches eines Hallenbades komfortabel passende Kleidung einzupacken. Man konnte förmlich sehen, dass er sich freute wie ein kleiner Schneekönig, und sein leises Lachen, was beinahe diabolisch klang, war für seinen Zimmernachbarn unüberhörbar.

„Was heckst du aus, Knirps?“, wurde er – zurecht! – gefragt und blinzelte, Vanitas anblickend. „Ich weiß gar nicht, wovon du redest“, erwiderte Ven monoton und versuchte nicht mal, das Grinsen loszuwerden. Allerdings wurde ihm schlagartig klar, dass Roxas eine derartige Situation zu neunundneunzig Komma neun Prozent eingeplant hatte, es war irgendwie so…vorstellbar.

Innerhalb einer Viertelsekunde verschwand sein Lächeln und er seufzte genervt. „Versuch doch gar nicht, einen Weg daran vorbei zu finden. Du wirst ebenso scheitern wie ich auch, nur kläglicher. Denk dir lieber aus, wie wir das den Trotteln heimzahlen können, statt über etwas zu philosophieren, was eh nicht klappen wird.“ Dass Ven in dieser Situation unterschwellig als zu blöd bezeichnet wurde, war ihm relativ egal. Die Idee war ausnahmsweise gut…sie waren sich in etwas einig. Nein, ganz böse, das würde keine guten Folgen haben.

Auf der anderen Seite jedoch würde ein klein wenig Rache sicherlich nicht schaden…doch, aber das war ihm gerade egal. Leider gab es so gut wie gar nichts, womit man Roxas auch nur im Geringsten nerven konnte – also wirklich kaum etwas. Auf Anhieb würde Ven nichts einfallen. Auch Sora schien in dieses Schema zu passen, denn anscheinend brachte ihn nichts wirklich aus der Ruhe. Schwierig, die ganze Situation. Eigentlich hatte er auch gar keine Lust, sich einen Racheplan auszudenken, denn währenddessen dachte Vanitas wahrscheinlich darüber nach, wie er nicht die beiden Trottel, sondern Ventus eins auswischen konnte.

Ja, das würde passen. Als hätte man gerufen, stand Trottel-Blond in der Tür und warf eine Tasche in den Raum, bevor er direkt wieder rausging. //Na vielen Dank auch//, dachte Ven sich und glotzte in die Tasche rein. Also er hatte die nicht mitgenommen, und das Zeug darin gehörte ihm erst Recht nicht. Man war wirklich nur in der Beziehung nett zu ihm, in der er es gar nicht wollte. Warum konnte man ihn nicht leider hier lassen müssen? Warum?! Es war so unfair.

Es war beinahe peinlich, wie genau Roxas wusste, welche Sachen sein liebster Bruder zu hundert Prozent vergessen hatte. Denn mit einem Blick in seine eigenen Sachen, von denen er sich wunderte dass sie immer noch im Schrank waren, stellte er fest, dass er tatsächlich weder eine Badehose noch ein Badehandtuch mitgenommen hatte. Gruselig, wirklich gruselig. So langsam wurde das mit den Kameras immer wahrscheinlicher, wobei es immer noch Schwachsinn war.

Aber mal ganz ehrlich, wer wollte schon im Winter schwimmen gehen? Abgesehen von Trottel-Blond und Trottel-Brünett. Ja, das waren gute, mehr als nur passende Spitznamen. Wie gerne würde er den beiden eins auswischen, aber wie er sein Glück nun mal kannte, würde das im Endeffekt ohnehin nach hinten losgehen.

Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass sein Lieblingszimmernachbar tatsächlich Sachen aus seinem Schrank suchte. Eine Niederlage? Zugegeben, Widerstand wäre ohnehin zwecklos. So langsam aber sicher wurde Ventus allerdings auch das Gefühl nicht los, dass Vanitas diesen Kram freiwillig machte; nur, um ihn zu ärgern!

Nun gut, ändern konnte er es nicht, vielleicht sollte er sich auch mal aufraffen, es gab ja keinen Weg dran vorbei. Er könnte zuhause sein, in seinem Bett liegen…stattdessen saß er auf seinem mehr schlecht als recht organisieren Schlafparadies, gemeinsam in einem Zimmer mit der Ausgeburt der Hölle, geweckt in aller Herrgottsfrühe und dazu verdammt, mit diesen Trotteln schwimmen zu gehen. Wie viel unnötiger könnte ein Ausflug denn noch sein?
 

„Bist du gleich mal fertig?“ – „Nee.“ Er war genervt, mehr als das, und wollte eigentlich nur seine Ruhe. „Seid ihr bald mal fertig?“; Trottel-Brünett in der Tür – wenn Blicke töten könnten. „Ach, auf Ventus könnten wir eh noch lange warten“, damit platzte auch Trottel-Blond ungefragt ins Zimmer und machte sich ebenso ungefragt daran, für seinen Bruder die Sachen zu packen.

Die schienen es wirklich ernst zu meinen! „Hab ich um deine Hilfe gebeten?“ – „Als ob du das noch heute alleine hinbekommen hättest“ – „Als ob ich das gewollt hätte“. Schweigen? Schweigen! Er hatte es wirklich, wahrhaftig geschafft! Dass nicht nur er alles andere als begeistert über den plötzlichen Besuch war, erkannte er sofort an Vanitas’ Blick. Na toll, und wer würde es am Ende ausbaden dürfen…?

„Fertig, los geht’s!“; wuhu? Zugegeben, eigentlich war schwimmen gar nicht so schlimm, besonders im Vergleich zum Eislaufen…aber mit diesen Monstern hier an seiner Seite?! Alle drei nervten ihn und die Ausgeburt der Hölle war ihm – er mochte es gar nicht denken – beinahe noch am liebsten.

Er verzog das Gesicht bei dem Gedanken. Zwar wurde er gepiesackt, seiner Freiheit beraubt und körperlich sowie seelisch verletzt, trotzdem war er vom Trottel-Duo mehr genervt als von Vanitas. Vielleicht, weil er gerade von dem nichts Besseres erwartet hatte. Er hatte sofort das Bild eines bösen, ignoranten, selbstgefälligen Schlägers vor Augen gehabt. Das musste es sein. Da sich das nur bestätigt hatte, störte ihn das nicht so sehr, weil es absehbar gewesen war.

Wie viel besser konnte es noch werden? Roxas schmiss Ventus die gepackte Tasche vor die Füße, während der darüber nachdachte, wie er wohl dafür sorgen konnte, hundertprozentig so schnell wie möglich zu ertrinken. Er könnte Burger in sich stopfen, schön fettig, oder Pizza, oder viel trinken.

Und damit würde er Vanitas…aber. Nein, er würde Vanitas damit eine Freunde machen…er wollte ihm aber gar keine Freude machen. Nun gut, dann wohl doch keine Burger, keine Pizza, jedenfalls noch nicht! Was ihn nicht umbrachte, machte ihn ohnehin stärker…fragte sich nur, wenn er dann tot sein würde…allzu lange konnte das wirklich nicht mehr dauern!

„Und jetzt beeilt euch ein bisschen“ – „Das denk ich mir auch so, wenn ihr gerade dabei seid, mein Zimmer zu verlassen“; zugegeben, ein kleines Schmunzeln musste Ventus doch unterdrücken. Wenigstens war nicht nur er so genervt, das war ein klitzekleiner Trost. Als wäre Vanitas irgendeine höhere Gottheit, verließen die Trottel tatsächlich Sekunden später den Raum. Magie.

Na gut…dann musste Ventus sich wohl aufraffen und anziehen, so wenig es ihm auch passte. Natürlich schloss er sich grundlos eine Weile im Bad ein, zufrieden grinsend, als er merkte, dass es Vanitas nicht zu freuen schien, dass man ihn aussperrte. Kleiner Sieg für Ventus, aber nicht lange, denn irgendwann musste er raus. Vielleicht konnte er es schnell hinter sich bringen, wenn sie früh da waren…

Kaum zehn Minuten darauf waren sie allesamt unten versammelt und – mehr oder weniger – bereit für die Abreise. Dass sie zu Fuß gingen war umso besser, auch wenn Ventus darauf bedacht war, nicht mal im Ansatz vorzugehen – sogar jetzt schon versuchte Vanitas, ihm Beinchen zu stellen oder ihn zu schubsen.
 

Wie schrecklich die Idee von vornherein gewesen war, wurde ihm allerdings erst bewusst, als sie angekommen waren. Das Ganze hatte ein gute und eine schlechte Seite, musste er zugeben. Die Gute war, dass das Gebäude riesig schien; es gäbe also viel Platz, den Dreien so gut wie möglich auszuweichen – und nein, dabei würde er sich nicht mal dumm oder einsam vorkommen, denn die brauchte er ganz bestimmt nicht als Begleitung! Die wiederum schlechte Sache…Vanitas…er würde ihn verfolgen, einfach gnadenlos, es war so unglaublich vorhersehbar…

Ob es wohl kleine Nischen gab, in denen man Leute foltern konnte? Ventus lief ein Schauer über den Rücken und nur im Unterbewusstsein nahm er die Karte, die sein Bruder ihm reichte, und betrat den Vorraum zu den Umkleidekabinen…oh Gott.

Er mochte gar nicht darüber nachdenken und tat das Erste, was ihm einfiel – er zog sich in Lichtgeschwindigkeit um, raste mit seiner Tasche quer durch die Halle zu den Schließfächern, fluchte, da er jetzt noch ein Geldstück raussuchen musste, hatte aber Erfolg und rannte schon weiter, bevor er das Bändchen befestigt hatte.

Dass er dabei aussah wie ein wild gewordener Brüllaffe im Elefantenkäfig – was unter anderem daran lag, dass er mehrmals beinahe den Boden küsste – war ihm so dermaßen egal; er merkte es nicht mal richtig. Er war schon ziemlich stolz auf sich und blieb dann eine Sekunde vor einem Becken stehen, unsicher, ob er einfach reinspringen sollte, obwohl es ziemlich kalt sein würde.

Er brauchte keine Entscheidung zu treffen; die fiel nämlich schon durch ein gehässiges, gar böses Lachen, kombiniert mit einer gewissen Kraft, die merkwürdigerweise seinen Rücken traf und ihn beinahe einen Bauchklatscher hinlegen ließ. Er hörte sich selbst noch irgendwelche Beleidigungen schreien, bevor er unterging und für einen Moment zu wütend war, um wieder aufzutauchen.

Warum? WARUM?! Womit in Gottes Namen hatte er das überhaupt auch nur ansatzweise verdient?! Was hatte er der Welt getan, dass man ihn so behandelte, ihn mit so einer Person, so einem Wesen konfrontierte, und das für eine ganze Woche? Das würde Rache setzen, so viel Rache, er mochte es gar nicht denken.

Er tauchte wieder auf, atmete einmal tief ein und aus und ignorierte die Kälte, die ihn gepackt hatte. So…kalt. Sein Blick suchte den Schuldigen, der jedoch stand schon an der anderen Seite vom Becken, grinste blöd und winkte Ventus zu. Oh ja, noch grinste er. Fragte sich in dem Falle nur, wie lange denn noch.

Das Problem war, dass Ventus sich nicht in der Lage fühlte, etwas auszuhecken. Er könnte Vanitas wieder mal verletzen, aber irgendwie war er sich beinahe sicher, dass das auch dieses Mal nicht sonderlich gut verlaufen würde. Aber zumindest ärgern könnte er ihn. Irgendwie…er brauchte nur eine Strategie.
 

Unsicher aber trotzdem mit einem Ziel vor Augen stieg er wieder aus dem Wasser, ignorierte sein Zittern, rieb sich das Wasser von den Augen und ging in genau die Richtung, in der Vanitas nicht war. Es gab genug Becken, er würde schon eins finden, wo man ihm nichts tun würde. Vielleicht dieses kleine runde Whirlpool-Becken…ja, das würde er jetzt probieren.

Als wäre heute sein Glückstag – haha – war gerade nicht einmal jemand dort und er konnte sich breit machen – insofern das auf der Fläche, die für mehr als sechs Personen ohnehin gar nicht geeignet wäre, möglich war – jedoch nicht allzu lange.

„Wieso verfolgst du mich? Kannst du nicht hingehen und irgendwelche kleinen Kinder verprügeln?“ – „Ich kann auch dich verprügeln, wenn’s dir nichts ausmacht“. Er war kurz davor, wirklich so kurz davor, auf zynische Weise darauf einzugehen, bevor ihm gerade noch rechtzeitig bewusst wurde, dass Vanitas das als Einladung sehen und auch in die Tat umsetzen würde.

Und als wäre es nicht schlimm genug, versuchte der Kerl auch noch, ebenfalls in das Wasser zu gelangen. //Nee, nee, nee, ganz bestimmt nicht//, dachte Ventus und trat nach dem Schwarzhaarigen, wobei er sich zwar dumm vorkam, aber zumindest etwas versuchte. „Willst du mich verarschen, verzieh dich“, meckerte der auf einmal, trat zurück und machte sich dann auch breit.

Sollte der Blonde jetzt wieder weglaufen? Vielleicht konnte er…ja.

Er sprang auf und sprintete in Höchstgeschwindigkeit zur Rutsche. Die Treppe war gerammelt voll und in seiner Verzweiflung drängelte er sich an ein Paar Kindern vorbei, die auch gerade hochgehen wollten. Ein Paar Leute folgten noch, wodurch er Vanitas, der eher gelangweilt als euphorisch hinterher gegangen war, für den Moment kurz abgehängt hatte. Natürlich würde das nicht lange währen, aber irgendwie war Ventus froh über jede Sekunde, die er allein sein konnte.

Zumindest empfand er nicht mehr dieses Gefühl von Verzweiflung, beim Gedanken daran, dass sie sehr bald wieder aufeinandertreffen würden. Anfangs war es wirklich schlimm gewesen, inzwischen war er ein wenig abgehärtet und hatte sich damit abgefunden; es waren ja ohnehin nur noch zwei Tage. Mit etwas Glück würden sie schon morgens abgeholt werden, dann wären es nur noch eineinhalb. Schöne Vorstellung…sehr schön.

In Gedanken versunken hatte er ein wenig vergessen, weiterzugehen, und merkte nur, dass sich Leute an ihm vorbeidrängelten, statt ihn freundlich darauf hinzuweisen. Na danke auch. Er drängelte mit, bis er – mithilfe von ein wenig Gemecker – wieder an seinem ursprünglichen Platz war. Warum sollte er Kinder vorlassen, weil sie Kinder waren? Das Schwimmbad hatte noch Stunden geöffnet, die würden oft genug rutschen können.

Okay, seit wann war er eigentlich so gemein? Er konnte sich gar nicht erinnern, früher schon so drauf gewesen zu sein…er lebte unter extrem schlechtem Einfluss, konnte die Kinder jedoch nicht wieder vorlassen, da er gerade nach unten blickte und dort auf der Treppe eben jenen ‚schlechten Einfluss’ entdeckte – siegessicher grinsend! Nein, er musste bleiben, wo er war, und zum Glück war er fast oben angekommen. Ein Wunder, dass Vanitas nicht auf die geistreiche Idee gekommen war, unten zu warten und im richtigen Moment die Rutsche mit Steinen zuzumauern…Die Fantasie…

Vielleicht sollte Ven einfach nicht so viel nachdenken…anscheinend tat es ihm jedenfalls nicht sonderlich gut. Zudem war er oben angekommen, einzig und allein, um wieder runterzurutschen. Eigentlich fand er das ziemlich langweilig, aber es war ja auch nur ein Mittel zum Zweck. Er dachte gar nicht daran, dass er die Leute hinter sich damit ärgern würde, rutschte aber aus irgendeinem Grund recht langsam. Als würde er am liebsten hier verweilen, am besten für immer.

Er wollte sich glücklich schätzen – ja wirklich! – als er bereits fast unten angekommen war. Jede Hoffnung, jedes Glück, jede Erleichterung verschwand urplötzlich, als er dieses abartige Geräusch vernahm, dieses Hyänen-artige Lachen, nur irgendwie etwas tiefer. Und er wusste, dass das nicht gut enden würde. Natürlich, natürlich behielt er Recht! Die Sekunden später eintretenden Schmerzen in seinem Rücken inklusive Ekelgefühl, da er die Form von Füßen ausmachen konnte, versprachen ihm schon, dass es noch ein toller Tag werden würde.

Einfach sitzen bleiben. Ja, ihm würde noch jemand in den Rücken rasen, wenn er das tat, aber machte es einen Unterschied? Sein bester Freund schien sich bereits aufgerichtet zu haben und endlich zu entfernen, anscheinend hatte er sein Ziel erreicht. Okay, so nicht, aber ganz sicher nicht!

Ventus wartete einen Moment, stand dann auf und preschte auf Vanitas zu, der gerade an einem der Becken vorbeilief. Warum auch immer es so war, er schien nichts zu merken; denn gerade in der Sekunde, als er sich umdrehen wollte – wohl durch Ventus Fluchen alarmiert – hatte sich der Blonde schon mit voller Wucht gegen seinen Rücken geschmissen und ihn somit im Wasser versenkt. Triumph, Sieg!

Beinahe hätte er gelacht, aber irgendwie musste ja ein Haken an der Sache zu sein. Daran, rechtzeitig vom Beckenrand wegzugehen, wie es ein normaler Mensch tun würde, dachte er nämlich nicht, stattdessen hörte er sich selbst nur Beleidigungen durch die Gegend rufen, bevor er schließlich ebenfalls alles andere als angenehm im Wasser landete.

Wie zur Hölle hatte der Kerl überhaupt nach seinem Arm greifen können?! War der ein Delfin oder was? Nee, ganz bestimmt nicht. Auf jeden Fall schien der sich nun wieder köstlich zu amüsieren, während Ventus sich über das Wasser ärgerte, dass in diesen tiefen Becken einfach immer viel kälter war.

„Dir ist bewusst, dass du ein richtig dummer Trottel bist, oder?“, hörte er Vanitas sagen, wollte es eigentlich ignorieren, erwiderte stattdessen aber nur: „Dir ist bewusst, dass ich das deiner unverzichtbaren Gesellschaft zu verdanken habe, oder? Idiot“.

Ein kleines Bisschen benahmen sie sich doch wie kleine Kinder, auch wenn es keiner von beiden zugeben würde. „Ich möchte dich daran erinnern, dass du in mein gewohntes Gebiet eingedrungen bist, nicht umgekehrt“ – „Touché, insofern man missachtet, dass ich mir das ganz bestimmt nicht so ausgesucht habe!“ – „Aber natürlich. Du kannst es ruhig zugeben, du kannst dir nichts Schöneres vorstellen als meine Gesellschaft“ – „…dein Ernst?“

Ventus war ein bisschen verwirrt und Vanitas’ Gelächter machte es in keinem Sinne besser. War aber auch eigentlich egal, wieso gab er sich mit dem Kerl ab? „Ist auch unwichtig.“

Er kletterte wieder aus dem Becken heraus und trat alles andere als freundlich nach der Hand, die ihn wieder zurückziehen wollte. „Wag es, ich warne dich, du wirst es bereuen.“ Natürlich war er nicht gerade Angst einflößend, war auch nicht sein Ziel gewesen, aber auslachen musste man ihn deswegen nicht! „Gut, wenn du nicht zurückkommst, muss ich dir wohl nachlaufen“ – „WAS?!“

Selbstverständlich wusste er, dass Vanitas ihn verfolgte. Es war ihm bewusst, wirklich. Aber musste der Troll es auch noch zugeben?! Das war ja krank. Er mochte sich gar nicht vorstellen, ob er wohl nachts von diesem Monster beobachtet wurde. Hätte er nicht wegen dem ständigen Temperaturwechsel ohnehin schon eine Gänsehaut, dann hätte er sie spätestens jetzt bekommen. Und wieder wurde ihm klar, dass er weniger nachdenken sollte.
 

Zu allem Überfluss erblickte er auf der Flucht vor seinem besten Freund auch noch sein allerliebstes Trottel-Duett und ehrlich gesagt war er sich nicht ganz sicher, was schlimmer war, weswegen er einfach stehenblieb; auch im Nachhinein betrachtet wollte er nicht ansatzweise wissen, wie dicht hinter ihm Vanitas gelaufen war, denn kaum eine Viertelsekunde später spürte er, dass dieser in ihn reingelaufen war. Unzufrieden, um es noch milde auszudrücken, wandte er sich um, und machte so ruhig wie möglich sein Unwohlsein klar.

„Alter! Wenn du mich schon verfolgst, dann halt zumindest einen Mindestabstand von einem dreiviertel Meter! Du gehst mir so unglaublich auf die Nerven, GEH DOCH EINFACH WEG MAN!“

Dass ihm die Blicke der Umgebung sicher waren, interessierte ihn nicht mal. Den Großteil seines je dagewesenen Schamgefühls hatte er ohnehin längst verloren, außerdem würde er diese ganzen Menschen nie wieder sehen, außer Roxas, und der zählte seit geraumer Zeit ohnehin nicht mehr als vollwertig ernstzunehmende Person.

Und als wäre das Ganze nicht schlimm genug, schien Vanitas sich wieder an Ventus’ Wut zu erfreuen. Ja, der hatte ja ohnehin immer was zu lachen, außer wenn man ihm in empfindliche Stellen trat, eine Sache, die Ventus vielleicht zum Abschied tun sollte, nur um danach ins Auto zu flüchten und nie zurückzukehren.

Aber bis zu diesem Moment musste er erstmal überleben, und das würde gar nicht so einfach werden. Und wenn dieser Idiot noch lange so schauen würde, käme er höchstwahrscheinlich eher in eine Gummizelle als nach Hause!

„Was guckst du so blöd?! Bist du mir nicht schon genug…“ – „Du bist schon eigenartig. Willst, dass ich dich in Ruhe lasse, aber textest mich zu. Merkwürdig“ – „…“ Er würde nichts erwidern, nichts, einfach überhaupt gar nichts. Es würde ihm im Endeffekt nur Ärger einbringen oder für Gelächter sorgen. Stattdessen wandte er sich wieder ab und ging in die Richtung, die sein eigentliches Ziel gewesen war, wo die Trottelinos sich schon wieder wie kleine Schulmädchen benahmen und Ventus wieder darüber nachdachte, sie eher als Turteltäubchen zu bezeichnen. Das war so…kindlich…weiblich…er durfte gar nicht darüber nachdenken.

„Zieh nicht so ein Gesicht“; okay, wieso wollte sich eigentlich jeder mit ihm anlegen?! Sie hatten ihn zwar noch nicht wütend erlebt, aber lange würde es nicht mehr dauern, bis sein Geduldsfaden riss – ihm war ohnehin schleierhaft, wie der über vier Tage überlebt hatte. War er einfach zu nett? Wahrscheinlich.

Und überhaupt, wieso spielten diese Trottel im Kinderbecken? Daran konnte man ja fast schon sitzen, und auf der Treppe sowieso.

So widerlich Ventus Kinderbecken auch fand, war die Idee, sich auf die ohnehin viel zu breite Treppe zu setzen und dort zu verweilen viel zu groß, als dass er hätte widerstehen können. Ergo machte er das auch, bereute es allerdings, als sich Vanitas neben ihn schmiss und ernsthaft dabei war, einen Arm um seine Schulter zu legen.

„Du machst Witze, oder? Ich bilde mir lediglich ein, dass du gerade versuchst, dich kumpelhaft an mich heranzudrängen als wären wir auch nur ansatzweise so was wie Freunde. Es ist eine Illusion, die niemals in Kraft treten wird und meiner viel zu großen Fantasie zuzuschreiben ist“ – „Ich weiß gar nicht, was du meinst. Nun gut, zugegeben, du bist ziemlich unausstehlich und tust alles, um deine Menschen zu vergraulen, aber meine unendliche Sympathie und Nettigkeit hält mich davon ab, dir das übelzunehmen.“

Nein, er schlug sich nicht die Hand vor die Stirn. Er musste ruhig bleiben und die Sachlage genau analysieren.

Möglichkeit eins: Trottel-Duett starrte sie beide an, Vanitas wollte nicht wieder zu irgendwelchen dummen Aktionen gezwungen werden und tat deswegen so, als würden sie sich super verstehen. Relativ unwahrscheinlich allerdings. Selbst wenn der soweit denken konnte, würde er doch alles ertragen, solange Ventus mit hineingezogen würde.

Möglichkeit zwei: Vanitas meinte das Ganze tatsächlich…nein, ganz bestimmt würde er das nicht zu Ende denken.

Möglichkeit drei: Vanitas hatte sich das Ziel gesetzt, Ventus noch heute zum Explodieren zu bringen, und das, ohne ihn großartig zu beleidigen. Bisher die wahrscheinlichste Möglichkeit, die dem Blonden einfallen würde. Aber vielleicht steckte sogar noch mehr dahinter; er wollte das gar nicht genauer wissen.

„Lässt du mich jetzt los?“, fragte er, bemerkend, dass Vanitas den Arm nicht zurückgezogen hatte. Es musste für Außenstehende ziemlich ulkig wirken; Ventus, der sich so weit wie möglich gegen die Steinwand des Beckens lehnte, um von dem Monster wegzukommen, und dann jenes Monster, mit diesem Blick, den kein Sterblicher deuten konnte, versuchend, sich als ganz normaler Kumpel aufzuspielen.

Ja, für Außenstehende. Falls Ventus’ Meinung in diesem Falle etwas wert war – und das war anscheinend nicht gerade oft so – für ihn war das nicht ulkig, nicht mal im Ansatz.

„Ich wüsste nicht, welchen Grund es dazu gäbe“ – „Du weißt, wie es endet, wenn du meine Privatsphäre ignorierst“; Ventus mochte nicht daran zurückdenken, auch wenn er im Endeffekt ‚gewonnen’ hatte. Ein großartiger Triumph war es ja nicht, mit dem Troll in einem Bett schlafen zu müssen. „Oh ja, dessen bin ich mir bewusst.“

…Wieso grinste der jetzt wieder? Wollte Ventus wissen, was in diesem abartigen Kerl vor sich ging? Er ließ das Geschehene noch mal Revue passieren, die peinliche Passage, in der er selbst wie ein Mädchen geflennt hatte, mal auslassend. Wie war das noch mal ausgegangen? Seine Hand wanderte zu seinem Nacken, während er nachdachte, und urplötzlich hielt er mitten in der Bewegung inne. Seine Augen weiteten sich bei dem Gedanken an die peinliche Situation mit dem Polohemd und er sprang auf, einen mädchenhaften Schrei gerade so verhindernd.

„WUSSTE ICH DOCH, DASS DU EIN PERVERSLING BIST!“, hörte er sich selbst nur noch schreien, bevor er schon wütend aus dem Becken stampfte. Das war’s, aber endgültig. Er wünschte, er hätte einen Notfallplan für eine derartige Situation, aber leider konnte er ja nicht viel machen. Wie viel wohl ein Taxi nach Hause kosten würde? …Nun, jedenfalls mehr, als sein Sparschwein hergeben würde, und sowohl Roxas’ als auch ihrer beider Eltern würden ihn dafür einen Kopf kürzer machen. Warum kümmerte er sich so sehr um die Meinung anderer? Er könnte das ignorieren und einfach nach Hause gehen.

Über das zu Fuß laufen hatte er natürlich auch nachgedacht, aber dass wiederum erinnert ihn an seine schmerzliche Begegnung mit der Parkbank und dem Gorilla, den Vanitas dann – wie auch immer der Zwerg das geschafft hatte, ernsthaft! – hatte niederstrecken müssen.

Egal, worüber er nachdachte, es gab immer eine schlechte Erfahrung in Verbindung mit Vanitas, die dazu ausgezeichnet passte; das konnte inzwischen kein Zufall mehr sein.

Auch wenn er sich dabei ein wenig blöd vorkam, würde Ventus sich jetzt gnadenlos für Stunden in einer Kabine einsperren, da würde ihn nichts von abhalten. Konnte ihm doch egal sein, ob man ihn vermissen würde, wobei er nicht mal glaubte, dass das passieren würde. Seine Tasche ließ er erstmal gepflegt in seinem Schließfach, er hatte keine Lust, die mit sich zu schleppen, auch wenn ihm zugegebenermaßen ein wenig kalt war. Schnurstracks ging er auf die erstbeste Kabine in Sicht zu, atmete einmal tief durch, als er drinnen angekommen war und wollte dann diese Bank umlegen, wodurch automatisch die Tür geschlossen werden würde. Irgendwie schien das aber nicht so recht zu funktionieren, denn die Bank war augenscheinlich bereits unten gewesen, bevor er die Kabine betreten hatte…und wie würde er jetzt die Türe verschließen? Ach genau, er würde einfach eine andere Kabine betreten, das wäre wohl das Beste.

Seufzend drehte er sich also wieder um und hätte nur noch seinen eigenen Schrei gehört, hätte man ihm nicht eine Hand vor den Mund gepresst und ihn gegen die wirklich nicht gerade gemütlich-warme Türe gedrückt. Er schlug nach dem Übeltäter, verlor jedoch, indem seine Hände gepackt wurden. Das konnte und durfte nicht die Möglichkeit sein. Wenigstens hatte er jetzt keine Finger mehr im Gesicht.

„Ernsthaft! Willst du mich vergewaltigen oder was soll das hier?!“ – „Vielleicht.“

//Vielleicht…VIELLEICHT?!// Er schüttelte den Kopf und versuchte nun, seine Beine zur Hilfe zu nutzen, wusste jedoch, dass das nicht besonders viel bringen würde. Wenigstens hatte das schwarzhaarige Monster nun wieder dieses abartige Grinsen aufgesetzt, welches Ventus versicherte, dass das hier alles kein Traum war. Ob das nun gut oder schlecht war, lag natürlich im Auge des Betrachters…

„…Lässt du mich los, wenn ich dich freundlich darum bitte?“ – „Hm, lass mich darüber nachdenken…wenn du schon so fragst…nein, wahrscheinlich nicht“. Okay, das war nun mit Abstand die merkwürdigste Situation, die er in der gesamten bisherigen Woche hatte erleben ’dürfen’.

„Na gut…dann möchtest du mir aber sicherlich zumindest deine Intentionen nennen, die dich dazu bringen, mich unhöflicherweise gegen diese wohlgemerkt eiskalte Schwimmbadkabinentüre zu drücken, habe ich Recht?“ – „Eventuell könnte ich das tun, allerdings würde das deine ohnehin wahrscheinlich schon sehr strapazierten, zeitweise extrem weiblichen Stimmbänder wohl überlasten.“

Nicht gut. Überhaupt nicht gut. Nahezu schrecklich. Auf einer Skala von eins bis zehn, daran gemessen, wie schlimm diese Situation wohl enden würde, wäre dieser Moment wohl bei etwa neun einzuordnen, also quasi kurz vor der Apokalypse. Ventus wollte überhaupt nicht mehr wissen, was der Grund war, er wollte lediglich nicht daran Teil haben.

Schon mal war so was Ähnliches passiert, und da hatte er schon zu einem wirklich schmerzhaften Mittel greifen müssen, dass am Ende ihm selbst zum Verhängnis geworden war. Alles, was er tat, ging also quasi nach hinten los.

„Was glotzt du so? Bist ein bisschen blass, finde ich. Vielleicht tut dir die Kälte nicht gut.“ Wäre diese Sache nicht so unangenehm, hätte sich Ventus – insofern man ihn gelassen hätte! – eine Hand vor die Stirn geschlagen. Ach nee? Zudem empfand er es eigentlich als selbstverständlich, dass er nicht den Atem fremder Leute in seinem Gesicht spüren wollte, aber zu allem Überfluss schien Vanitas das auch sonderlich egal zu sein.

„Dir ist aber bewusst, dass du exorbitant widerlich bist, oder?“, fragte der Blonde vorsichtshalber noch mal nach, und das Nicken, was er als Antwort erhielt, in Verbindung mit dem widerlichsten Grinsen überhaupt, machte das Ganze nicht besser.

„Und dir sollte bewusst sein, dass du dich echt nicht so anstellen musst“ – „Mich anstellen?! Ich halte lediglich reichlich wenig davon, wenn man mich ungefragt begrapscht und gegen Wände drückt“ – „Ach, soll ich dann nachfragen und dann ist das okay? Wäre theoretisch mit meinen Zielen zu vereinbaren, wenn’s sonst nichts ist“.

Musste er antworten? War es denn nicht eigentlich eindeutig, dass es keinen Unterschied machen würde? Konnte Vanitas das Ernst meinen? Inzwischen versuchte Ventus gar nicht mehr, das alles als einen miesen Spaß abzutun, und eine wirkliche Antwort auf seine ganzen Fragen zu finden, blieb ihm auch erspart, als sich warme Lippen auf seine kalte Wange legten, beinahe zaghaft, insofern diese Eigenschaft eben bei Vanitas anwendbar war, und er für einen Moment nicht einmal mehr daran denken konnte, sich dagegen zu wehren. Stattdessen starrte er ein Loch in die Luft vor sich, wo gerade noch Vanitas’ Kopf gewesen war, der nun aber irgendwo neben seinem Eigenen verweilte.

„Was…ist los mit dir?“, fragte Ventus ruhig und wirklich interessiert, ein wenig verwundert über die Antwort, verbunden mit einem Lachen, dass er so noch nie von Vanitas vernommen hatte. „Ich würde es dir nicht mal sagen, wenn ich es selbst wüsste.“ Und nur wenigste Sekunden später fand der Blonde sich allein in der Kabine vor, die Türen wieder geöffnet und seine Verwirrung deutlich erkennbar.
 

Als hätte er sich nicht bereits vorher gefragt, was hier abging, war er nun vollkommen verzweifelt, hätte sich am liebsten jedes Haar einzeln ausgerissen. Was zur Hölle? Inzwischen kam er wirklich überhaupt nicht mehr mit, er wollte sein Gehirn ausschalten und einfach nur noch alles um sich herum ignorieren. Und dieses eigenartige Gefühl in seiner Magengegend machte das Ganze irgendwie nicht besser.

Er schloss die Türe wieder und ließ sich auf die Bank fallen, bereute es allerdings Sekunden später, da sie auch nicht gemütlicher war als die Türe…nun gut, damit hätte er theoretisch auch rechnen können, hatte jedoch gar keinen Gedanken daran verschwendet.

Und auch wenn er dafür eigentlich viel zu groß war, schaffte er es, sich irgendwie auf der Bank hinzulegen und breitzumachen, wobei seine Beine und Füße beinahe schon im rechten Winkel zu seinem Körper nach oben hingen. Wäre er nicht so gedankenverloren, hätte er das eventuell sogar lustig gefunden, aber daran konnte er genauso wenig denken.

„Was soll das alles…?“, hörte er sich selbst leise murmeln; er erwartete natürlich keine Antwort, aber irgendwie hatte er die Frage dennoch loswerden müssen. Dass sie so stehenbleiben würde, und das wahrscheinlich dauerhaft, war ihm ebenso bewusst wie, zumindest gerade, egal.

Er schloss die Augen, darauf bedacht, nicht wieder in Selbstmitleid zu verfallen und nicht über irgendein ‚Was-wäre-wenn’ nachzudenken, da ihn das auch nicht wirklich weitergebracht hätte und eigentlich nur ermüdete. So langsam wäre diese Sache mit der Pizza und den Burgern echt wieder eine Überlegung wert, aber das war auch nicht gerade was Anderes als Selbstmitleid, wobei er auch nicht so ganz sicher war, ob er nicht so langsam mal das Recht dazu hatte, in seinem Frust zu versinken.

Denn jedes Mal, wenn er sich eigentlich dachte, dass es sowieso nicht schlimmer werden könnte und es alles gut wäre, würde er den Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen…genau dann passierte so was! Ihm war auch innerhalb dieser fünf Tage noch nicht klar geworden, mit welcher Schandtat er ein derartiges Schicksal verdient hatte, und so langsam war er sich sicher, es auch nicht mehr herauszufinden, jedenfalls nicht in diesem Leben.

Allerdings würde es auch nichts bringen, hier auf ewig liegen zu bleiben; im Normalfalle hatte er das getan, sonderlich weit gekommen war er dadurch bisher kein einziges Mal, und so langsam wurde es selbst ihm ein wenig langweilig, obwohl er nicht gerade ein Mensch war, der ständig Bewegung und Entertainment brauchte.

Genau deswegen rang er sich dazu durch, aufzustehen und die Kabine ebenfalls zu verlassen. Vielleicht sollte er etwas essen...er griff nach seinem Handgelenk und bemerkte, dass sein Schlüssel gar nicht da war. Oh…hatte er ihn überhaupt befestigt gehabt? Ein wenig verzweifelt kratzte er sich am Hinterkopf und blickte sich um, sah dann ein Band auf dem Boden liegen. Wäre ein lustiger Zufall, aber er würde es versuchen.

Also suchte er nach dem Schließfach mit der aufgedruckten Nummer und war sich ziemlich sicher, dass genau dort auch sein Eigenes gewesen war. Nein, das war definitiv kein Zufall. Im Normalfalle hätte er vermutet, dass Vanitas dahintersteckte, aber sicherlich war der doch gerade gar nicht in der Stimmung, irgendwie an Ventus’ Sachen rumzufummeln…oder?

Ein Blick in das Schließfach machte ihm Hoffnung, es schien nichts zu fehlen, auch seine Geldbörse war noch da, das Problem zeigte sich jedoch schnell. Wo in drei Teufels Namen war sein Geld hin? Es fehlte nicht alles, aber ein Teil, er wusste genau, wie viel Geld er wann dabeihatte. Vanitas…dieser kleine, niederträchtige…

Ventus würde ihn erwürgen. Während er selbst verzweifelt nach einer Antwort suchte, klaute dieser großkotzige Idiot sein Geld und machte sich ein schönes Mittagessen?! So nicht, ganz bestimmt nicht! Wütend und immer noch mit der Geldbörse in der Hand knallte er die Türe wieder zu, band diesmal den Schlüssel fest um sein Handgelenk und machte sich wütend auf in Richtung Kantine – oder was auch immer es hier gab. Das würde er sich nicht bieten lassen.

Und, oh Himmel, er behielt Recht. Ganz hinten in einer Ecke sah er, wen er nicht sehen wollte, aber musste. Ohne auch nur daran zu denken, irgendetwas Essbares zu kaufen, ging er zu Trottel-Schwarzkopf – ja, der musste jetzt auch so einen Namen bekommen! – herüber, schmiss sich auf den Stuhl ihm gegenüber, griff ohne darüber nachzudenken nach dem Sandwich auf dem Tisch und drückte es seinem Opfer, bevor dieses überhaupt Zeit hatte, zu reagieren, wutentbrannt ins Gesicht.

Die Antwort darauf waren Tritte in seine Richtung, was ihn nicht mal im Ansatz kümmerte, sowie der Versuch, seine Hand wegzudrücken. Nachdem er sicher war, die Mahlzeit gut verteilt zu haben, ließ er los und verschränkte die Arme. „Hoffentlich hat das Essen von meinem Geld geschmeckt, Schwachkopf.“

Er erhielt keine Antwort, stattdessen wischte sich Vanitas mit einer Serviette das Gesicht hat. Erst im allerletzten Moment bemerkte Ventus, dass diese daraufhin in seine Richtung flog, und warf sich zur Seite, auf dem Boden landend, aber sauber.

„Brauchst jetzt nicht mit schlechten Bewegungen Matrix nachzuspielen, es ist ohnehin allgemein bekannt, dass du in etwa so sportlich bist wie Schimmel im Badezimmer.“ Ventus verstand die Beleidigung nicht ganz; wahrscheinlich war Vanitas zu wütend, um sich etwas Anderes einfallen lassen, und der Blonde war ausnahmsweise froh, dass sie sich in einer öffentlichen Einrichtung befanden, da er nicht gemeuchelt werden würde…jedenfalls hoffte er das.

Er setzte sich wieder auf den Stuhl und blickte ein wenig arrogant, vollkommen überzeugt von seinem Standpunkt. „Hättest du Besseres zu tun, als mir grundlos mein Geld zu klauen, während ich gerade nicht auf dich achte, wäre das gar nicht passiert“ – „Würdest du dich nicht immer so anstellen, gäbe es weder das eine, noch das andere Problem“.

Nun gut, Problem Nummer Eins, das Essen, verstand Ven ja noch, aber was war das zweite Problem? Vielleicht wollte er es gar nicht wissen, wer konnte das schon so genau sagen? Meistens kam eh etwas dabei raus, was ihn nur den Kopf schütteln ließ und lediglich dumm war, deswegen fragte er auch nicht nach.

„Freut mich, dass es dir keinerlei Probleme bereitet, mir die Schuld zu geben, trotzdem kannst du mir jetzt mein restliches Geld zurückgeben“ – „Da hast du Recht. Ich kann.“

Ventus wartete, jedoch passierte nichts… Oh. Vanitas hatte nicht vor, es zu tun. Der Blonde spürte, dass eine Ader an seiner Schläfe zu pochen begann, er schloss die Augen, atmete tief durch und beruhigte sich. „Gut, von mir aus, mir auch egal, solange du es nicht wagst, mich noch mal zu beklauen. Sonst wirst du es bitter bereuen“; er würde es nicht ‚Verunsicherung’ nennen, aber das Lachen, was er als Antwort erhielt, konnte und wollte ihm irgendwie nicht gefallen.

„Na, dann kann ich mich ja auf etwas freuen. Wir sehen uns dann sicher später, ich sehe vor, nun den Heimweg anzutreten.“ Heimweg? Ach ja, genau. Vanitas hatte logischerweise auch einen Schlüssel für sein eigenes Haus. „Ich werde dich zwar mit Gewalt davon abhalten müssen, mich auszusperren, sehe aber dennoch davon ab, hierzubleiben“ – „Was? Nein, du kannst schön noch was Zeit hier verbringen, bin froh, wenn ich dich los bin“ – „Gut, dass es mich nicht kümmert, was dich froh macht“.

Er konnte ein Grinsen einfach nicht unterdrücken, als er den alles andere als begeisterten Blick sah, wusste aber, dass es kein leichter Kampf werden würde. „Wir sehen uns dann draußen“, meinte er, immer noch grinsend, und richtete sich auf, Ziel: Umkleiden, wieder Mal. Dass Vanitas jetzt doch hierbleiben und Ventus dumm dastehen lassen könnte, hatte er selbstverständlich bedacht, jedoch war ihm ebenso bewusst, dass es dem Schwarzkopf hier zu blöd war und er sich das nicht weiter antun würde, weswegen Ventus quasi gewonnen hatte. Jedenfalls für diesen Moment.

Jetzt gerade schien es ihm jedenfalls am intelligentesten, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, bevor er noch komplett durchdrehen konnte. Deswegen beeilte er sich ungewöhnlich, in die Dusche zu gelangen und sich umzuziehen, nur um dann im Endeffekt wieder in der Umkleidekabine sitzen zu bleiben und Löcher in die Luft zu starren.

Ein Klopfen an der Türe rüttelte ihn wach und ließ ihn zusammenzucken. „Wenn du mir schon nachrennen musst, dann beweg deinen Hintern. Ich werd dich nicht schon wieder irgendwo aufsammeln“; hörte er Vanitas unfreundlich sagen und machte ein unzufriedenes Geräusch, nahm dann aber dennoch seine Sachen und verließ die Kabine. Zumindest hatte man auf ihn gewartet, allerdings nur, um sich jetzt augenrollend abzuwenden und vorzulaufen.

Sehr freundlich, also wie immer eigentlich. Ventus dachte aber nicht daran, sich zu beschweren, da er wirklich nicht wieder zurückgelassen werden wollte, das würde wieder in einer Katastrophe enden; stattdessen folgte er schweigend, auch wenn es ihm schwerfiel, sich nicht über Vanitas’ Gang zu beschweren; gab es einen Grund, dass er doppelt so schnell lief wie eigentlich nötig? Wahrscheinlich nicht, und nachzufragen würde auch nur eine unnötige Diskussion anzetteln.

Schweigend überlegte der Blonde und dachte ein Paar Tage zurück. Hatten sie nicht vorgehabt, netter zueinander zu sein und miteinander zu reden? So was halt…dazu gekommen war es nicht wirklich und eine Erklärung dafür hatte Ventus auch nicht. Vielleicht harmonierten sie einfach nicht…gab es so was? Menschen, die so unterschiedlich waren, dass sie sich nur hassen konnten? Nein, sicher nicht…Er konnte aber auch nicht sagen, sich selbst als menschenfeindlich zu sehen, lag es also an Vanitas? Wäre jedenfalls noch am wahrscheinlichsten.

Ventus war schon außer Atem, als sie endlich ihr Ziel erreichten, würde das aber nicht zugeben, und versuchte, so normal wie möglich zu atmen. „Kommst du dann bald, Knirps? Sonst bleibst du draußen“, hörte er Vanitas sagen, ärgerte sich, folgte aber schweigend in das Haus, froh, das hinter sich zu haben. Leider war es noch nicht allzu spät – sie waren ja auch nicht lange dort gewesen – und erst jetzt wurde ihm nach und nach klar, dass es vielleicht keine so tolle Idee gewesen war, Vanitas zu folgen.

Ungefragt ging er einfach nach oben, um sich in der Höhle des Löwen auf seinem ‚Bett’ breitzumachen, auch wenn er sein Schlafparadies immer noch nicht als solches bezeichnen wollte – nicht, dass letzte Betitelung das Ganze besser gemacht hätte. Das schwarzhaarige Monster war ihm gefolgt und hatte es sich ebenfalls gemütlich gemacht, allerdings auf einem richtigen Bett.

„Eine Frage stellt sich mir, Knirps“ – „Was?“ – „Du bist schon so ein kleines Weichei…wieso bist du nie vor Angst rausgelaufen und hast dich einfach zu meinem trotteligen Bruder und deinem trotteligen Bruder ins Zimmer geschmissen?“ – „Nun, vielleicht gebe ich dir eine Antwort, wenn du mir sagst, warum du mich nicht dorthin geschmissen hast.“

Das war eine Lüge; Ventus hatte gar keine Antwort auf die Frage, aber er wollte nicht so dumm dastehen, deswegen tat er wenigstens so, als wüsste er darauf etwas zu erwidern. Dass es nicht so war, würde Vanitas zum Glück nicht erfahren, da er sich wortlos abwandte und die Wand begutachtete. Ventus war nicht ganz sicher, ob es eine nachdenkliche Pose war, oder ob der Schwarzhaarige etwas ausheckte. Letzteres wäre wahrscheinlicher, schließlich war das dessen Hauptziel.

Unerwartet sprang er dann auf und wanderte dann zum Fernseher rüber, augenscheinlich, um eine DVD einzuwerfen. „Was genau willst du da jetzt gucken…?“ – „Ach, lass dich überraschen“. Schlecht. Um nicht zu sagen: Grauenvoll. Dabei konnte nichts Gutes rauskommen, da war Ventus sicher.

Er behielt Recht. Er blickte schon weg, als der erste Tropfen Blut vor den Bildschirm knallte – was nicht länger als zehn Sekunden dauerte. „Du bist wirklich ein erbärmlicher Angsthase, Ventus. Schade, dass du nicht länger bleibst, wäre ein perfekter Streich, wenn du gerade nicht drauf vorbereitet bist…ansonsten natürlich super, dich bald los zu sein.“

Fragte sich, auf wessen Seite hierbei das Glück lag; Ventus sah nämlich sich selbst als den Glückspilz an, erwiderte aber nichts. Er konnte Blut nicht ausstehen und diese Situation gehörte zu den wenigen, in denen er nicht den Großen markieren würde. Nein, er wandte sich ab, legte sich mit dem Blick zur Wand hin, drückte sein rechtes Ohr in sein Kissen und hielt sich das Linke mit der Hand zu, auch wenn das nicht gerade viel brachte.

Gemurmel konnte er noch vernehmen, auch wenn er nicht sagen konnte, ob es von Vanitas oder dem Film kam, und ehrlich gesagt war es ihm auch egal, jedenfalls nur, bis er irgendwas spürte, das für den Bruchteil einer halben Sekunde seinen Rücken streifte. Nur ein Schauer, weil er sich ekelte. Keine ekelhaften Monster…alles war gut.

All seine Hoffnungen wurden binnen einer Sekunde zerstört; etwas griff nach seinem Handgelenk und machte ein unliebsames Geräusch, wodurch Ven das Erste tat, was ihm in den Sinn kam; schreien und zuschlagen. Dass das auf keine positive Reaktion hinausführte, war ihm egal, eher weniger egal war es ihm, zur Seite gerissen zu werden und auf etwas irgendwie weniger Weichem zu landen; natürlich, Vanitas. Wer und was auch sonst. Als hätte er es nicht bereits erwartet.
 

Was genau war jetzt der Sinn dieser besonders beeindruckenden Aktion gewesen? Nein, das würde er nicht fragen, Vanitas’ diabolische Lache reichte ihm so schon, er brauchte keine weiteren Antworten, es reichte.

„Du bist so herrlich dumm, Ventus. Es macht richtig Spaß, dich zu ärgern!“ – „Anscheinend macht es dir generell viel Spaß, mich ungefragt anzufassen, auch wenn mir persönlich das eher weniger zusagt“; Vanitas hörte auf zu lachen, grinste nur noch, wobei es das nicht besser machte. „Kannst ruhig zugeben, dass es dir gefällt“ – „Aber natürlich. Und wovon träumst du nachts?“ – „Sicher, dass du darauf eine Antwort wissen möchtest?“

Nein. Wollte er nicht. Ausnahmsweise hatte Vanitas Recht, auch wenn es wirklich selten vorkam. „Erspar mir die Antwort, ich wollte noch schlafen“ – „Du hast nachgefragt“ – „Ich hab’s mir anders überlegt, okay?!“ – „Hehe. Ich merk’s mir für später vor, wie ist das?“ – „…Lässt du mich jetzt los, damit ich runter kann?“ – „…nein?“

Nein also. Wie genau er diese Antwort eigentlich interpretieren sollte, war Ventus schleierhaft, aber als er tatsächlich nicht losgelassen wurde, griff er zu der einzigen und gleichzeitig dümmsten Möglichkeit, die ihm – wieder mal – in den Sinn kam; der Tritt in die Weichteile.

Vanitas mädchenhafter Schrei brachte den Blonden für eine Sekunde zum lachen, bevor er sich überlegte, aufzustehen und wegzurennen. Beinahe in Lichtgeschwindigkeit stürmte er aus dem Raum, ins Badezimmer und schloss sich ein, bevor Vanitas ihm hatte folgen können. Natürlich ließ eben dies nicht lange auf sich warten. „Ventus. Mach die Türe auf.“

Uh, gar nicht gut, Vanitas klang viel zu ruhig. Ventus beschloss, sich dafür nicht zu interessieren und sich an die Tür zu setzen, zuckte jedoch zusammen, als von der anderen Seite mehr als fest dagegen geschlagen wurde. „Wieso tust du das jedes Mal, du mieser, kleiner…“ – „Ja? Vielleicht solltest du dir diese Frage mal selbst stellen! Wenn du mich nicht ständig sexuell belästigen würdest, käme es gar nicht…“ – „Sexuell belästigen?! Du bist aber auch wirklich…Mauerblümchen passt schon gar nicht mehr, Mauerunkraut bist du eher, wieso stellst du dich eigentlich so an“ – „Geh einfach“.

Ventus wusste selbst nicht, woher seine Arroganz auf einmal kam, aber für den Moment, in dem die Türe geschlossen war, fühlte er sich überlegen. „Warte nur, bis du da wieder rauskommen musst“ – „Ich muss gar nichts, nur sterben. Du glaubst gar nicht, wie lange ich es alleine in einem Raum aushalten kann“ – „Schön“.

Nach den Geräuschen zu urteilen machte Vanitas es sich auf der anderen Seite der Türe gemütlich. Für den Moment war Ventus das egal, ihm sollte aber noch bewusst werden, was er sich da eingebrockt hatte, als er von einem Moment auf den anderen Geräusche vernehmen konnte…als würde jemand mit den Fingern an der Tür tippeln…immer regelmäßiger und lauter.

Nein. Bitte nicht. Derartigen Lärm würde er nicht ertragen, er hasste so was. Alle derartigen stetigen Geräusche, die sich immer wiederholten, er konnte sie einfach nicht aushalten. Er konnte Vanitas aber nicht bitten, aufzuhören, dann würde er ja nur weitermachen, stattdessen versuchte er es eher andersrum.

„Glaubst du, das hilft dir? Weit gefehlt. Lass dir was Besseres einfallen, wenn dir schon langweilig ist. Geh mit Freunden raus oder so – ach stimmt, du hast ja keine.“ Ihm war selbst nicht klar, wieso er so auf Sticheleien aus war, aber es war nicht gut. „Worauf willst du hinaus? Im Gegensatz zu dir habe ich wenigstens einen eigenen Verstand, sonst wärst du ja nicht hier, obwohl du es nicht willst. Beinahe wie ein kleiner Sklave. Lässt du dich auch ans Bett fesseln, wenn man dich dazu zwingt?“ – „Von dir schon mal nicht, mach dir keine Hoffnungen.“

Schweigen? Triumph? Nein. Lachen. Leise und hämisch, langsam lauter werdend, aber immer noch relativ ruhig. „Sei dir da mal nicht so sicher“ – „Nur in deinen Träumen, Idiot“ – „Ha. Noch“ – „…es fällt mir schwer, mich über derartige Worte zu freuen, obwohl sie einen kleinen Sieg für mich beinhalten“ – „Pah, nur, weil du ein kleines Weichei bist und dich vor dir selbst verstecken musst“ – „Worauf willst du hinaus?“ – „Auf deine nicht vorhandene Intelligenz, Schwachkopf“ – „Wenigstens eine Sache, die ich mir von dir abgeschaut habe, wobei das nicht unbedingt was Gutes bedeutet“.

Warum beleidigten sie sich überhaupt schon wieder? Die ganzen guten Vorsätze, sich freundlicher zu behandeln, einfach zu versuchen, nett zu sein, alles umsonst. Dabei fühlte Ventus sich gar nicht…schlecht oder gedemütigt, beleidigt oder verletzt. Viel mehr war es befreiend, dem Idioten Sachen an den Kopf zu werfen, auch wenn er ebenso etwas zu kassieren hatte. Das war egal, solange er nur seinen Frust rauslassen konnte.

„Kommst du jetzt da raus? Das Badezimmer gehört dir nicht“ – „Ich hänge an meinem Leben, aber nettes Angebot“ – „Denkst du, ich riskiere eine unnötige Auseinandersetzung mit Familienmitgliedern, nachdem ich dich aus dem Fenster geschmissen habe? Nein, so weit ist es noch nicht“ – „Ich traue dir trotzdem nicht“ – „Würde ich an deiner Stelle auch nicht, komm trotzdem raus“ – „Nein“ – „Nein?“ – „Gut nachgesagt“.

Das machte es auch nicht wieder besser. So würden sie auf keinen gemeinsamen Nenner kommen.

„Ich werde dich schon nicht meucheln“ – „Sicher?“ – „Ziemlich sicher“. Zugegeben, der Boden war nicht sehr gemütlich, lieber würde er sich wieder auf sein Bett legen und ein wenig vor sich hin vegetieren…oder etwas essen, dazu war er ja gar nicht gekommen. Deswegen stand Ventus dann doch auf und schloss die Tür auf, hatte jedoch nicht mal mehr die Chance, zu reagieren, bevor diese aufgeschlagen wurde und sein Gesicht alles andere als charmant traf.
 

„Du verdammter…“, setzte er an, unterbrach sich aber selbst, rümpfte die Nase und wollte schon aus dem Badezimmer gehen, als er zurückgehalten und wieder reingeschubst wurde. Die Tür wurde erneut geschlossen und irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass er sich auf nichts Gutes eingelassen hatte.

„Gut, dass ich nur davon ausgegangen bin, dich nicht zu meucheln“, hörte er Vanitas murmeln, während der das Schloss verriegelte und den Schlüssel einsteckte, wieder mit diesem Grinsen, das bei Ventus immer wieder eine Gänsehaut verursachte. Bitte, bitte nicht schon wieder! Hatte ein Tritt in die Weichteile pro Tag nicht gereicht? Er wollte das nicht noch mal tun müssen, wobei er sich diesmal…Nein.

Vanitas hatte sicherlich den Schlüssel zu seinem Zimmer weggenommen, hoffend, dass Ventus die gleiche Aktion erneut ausführen würde…denn dann würde er sich selbst ein Ei legen, schließlich könnte er sich nirgendwo einsperren.

„Was…willst du jetzt wieder von mir?“ – „Das Gleiche wie immer“; beinahe hätte der Blonde sich für die präzise Antwort bedankt, er sah jedoch davon ab, da die Situation ernst war, und er wusste, dass er nicht sonderlich weit nach hinten weichen konnte, da dort nur die kalte Wand auf ihn wartete – und kalt war ihm sowieso schon.

„Du wirst es sicher nicht wagen, mich anzufassen“ – „Bist du da sicher?“ – „Mehr oder weniger“; nein, war er nicht, erst Recht nicht, als der Schwarzhaarige ihm immer näher kam und sich nicht davor scheute, ihn mit einer Hand gegen die Wand zu drücken. Nein, nicht gut. Er konnte nicht mal reagieren, lediglich seine Augen weiteten sich ein wenig, und er musste ziemlich naiv aussehen, was ihm aber egal war. Er wollte lediglich nicht angefasst werden, war das denn wirklich so viel verlangt?

„Lass mich los, du bist widerlich“ – „Das hast du schon ein Paar mal gesagt, jedoch muss ich sagen, dass es auf der einen Seite nicht ganz ehrlich klingt und mich auf der anderen nicht interessiert, wieso versuchst du es also immer wieder?“ Ventus fühlte sich wie ein Vergewaltigungsopfer, eine Gänsehaut bahnte sich den Weg über seine Arme und am liebsten hätte er sich geschüttelt, aber er musste ruhig bleiben.

„Also, was tust du jetzt? Du wirst davon absehen, den gleichen Trick wie vorhin zu versuchen, es wird nicht schon wieder funktionieren, das verspreche ich dir“ – „Wenn du nicht so eklig wärst, hätte ich sicher bereits einen Einfall, aber deine negative Vergewaltigungsaura erschwert mir das Denken“ – „Stelle ich mir auch schwierig vor, ohne Gehirn zu denken“ – „Als würdest du dich da nicht blendend auskennen“ – „Willst, dass ich dich in Ruhe lasse, kannst dich aber nicht zurückhalten, hm?“ – „Hätte ja sein können, dass dich die Beleidigungen verletzen und dazu bringen, mich nicht weiter zu belästigen“ – „Weit gefehlt“ - „Ich merke es bereits.“

Warum auch immer er jetzt an- oder eben ausgelacht wurde, war ihm ebenso schleierhaft wie eigentlich egal. Was ihm nicht egal war, war allerdings die Tatsache, dass ihm dieser Widerling von Viertelsekunde zu Viertelsekunde näher zu kommen schien, was wohlgemerkt wieder dieses unangenehme Gefühl in seinem Magen verschlimmerte, und Ventus wusste, dass seine Aktion von eben diesmal nicht wirklich anschlagen würde, deswegen griff er zum nächstbesten Mittel.

…nun gut, im Nachhinein kam er sich eher blöd vor, als er seine eigenen Zähne in Vanitas Gesichtshaut verankert spürte, er musste jedoch zugeben, dass diese relativ schmackhaft war, auch wenn er davon absah, das auszusprechen. Warum hatte er das gemacht? Ach ja, um den anderen vor jeglichen Misstaten abzuhalten.

„Okay, um das klarzustellen…wenn hier irgendjemand die Erlaubnis hat, Leute ungefragt zu beißen, treten, schlagen oder anderweitig zu belästigen, bin ich das, ist dir das eigentlich immer noch nicht bewusst?“ – „Nun, ähm…weißt du…da du es gerade Belästigung nennst, musst du zugeben, mir keine Schuld zuschieben zu können, schließlich wirkst du nicht gerade, als würde dich meine Anwesenheit belästigen“ – „…Punkt für dich. Was denkst du, hat dir diese Aktion gebracht?“

Darauf wusste Ventus allerdings auch keine Antwort. Er hatte Vanitas aufhalten wollen, aber ob ihn das sonderlich weitergebracht hatte, wusste er nicht genau. Und dann dieses Gefühl, als würde irgendetwas von innen seinen Magen auffressen…war es der Hunger? Ja, ganz bestimmt, der Hunger musste es sein, es gab gar keine andere Erklärung. Wobei ihm dieses Gefühl im Bezug auf Hunger eher unbekannt war, aber hey, irgendwann musste immer das erste Mal sein, und in diesem Falle war es wohl heute so.

Nein…das konnte er sich nicht vormachen. „…Lässt du mich jetzt los?“, fragte er, diesmal ruhig und wirklich bittend, da er sich nicht noch weiter in die ganze Sache reinreiten wollte, blickte in Vanitas’ Augen und wischte seine eigene Spucke von dessen Gesicht, musste gegenüber sich selbst jedoch zugeben, das nur zu tun, um über dessen Wange streichen zu können.

So konnte, wollte und durfte er eigentlich gar nicht denken, weswegen er versuchte, seinen Kopf freizubekommen, aber irgendwie war es nicht so ganz einfach. „Kommt darauf an, was ich dafür als Entlohnung erhalte, wenn du verstehst, was ich meine“; ja, inzwischen verstand er die eindeutig mehrdeutige Wortwahl des Schwarzhaarigen, wollte sich jedoch gar nichts darunter vorstellen, das hätte ohnehin nur in einem weiteren Desaster geendet.

Ven tat tatsächlich einfach das, was ihm als einzig logische Lösung erschien. Er riss sich zusammen, schloss für einen Moment die Augen, öffnete sie wieder, wagte es, vorsichtig seine eigenen Lippen auf die von Vanitas zu legen, allerdings nur für eine kurze Sekunde, nutzte dann dessen Verblüffung aus, um, wie auch immer er das hinbekam, den Schlüssel aus seiner Hosentasche zu klauen und ihn von sich zu drücken, und verließ schweigend aber zügig den Raum. Er war sich mehr als sicher, für den Moment seine Ruhe zu haben, auch wenn er nicht wusste, wie froh er darüber sein sollte.

Zum ersten Mal sah er davon ab, in das Zimmer zu gehen, welches sie teilten; stattdessen war er einfach so dreist, Soras Zimmer zu betreten und sich da auf die Schlafcouch-Hälfte zu schmeißen, auf der wohl Roxas schlief – jedenfalls sah die Bettwäsche danach aus. Unzufrieden drückte er seinen Kopf in das Kissen und irgendwie erinnerte ihn das an frühere Zeiten, wenn sie gemeinsam in einem Bett gelegen hatten, sich vor irgendwelchen Monstern unter dem Bett fürchtend. Er grinste bei dem Gedanken. Wieso kam er ihm gerade jetzt?

Egal, es war eine willkommene Abwechslung, und auch wenn er nicht müde war, schloss er dennoch seine Augen, sich zurückerinnernd und alle momentanen Dinge von sich abprallen lassend. Er hatte keine Lust, darüber weiter nachzudenken, und für den Moment wollte er einfach seine Ruhe. Zwar sollte er sich am besten schon mal mental auf die Rückkehr seines Lieblings-Duos vorbereiten, jedoch hatte er sich bereits fest vorgenommen, die Nacht nicht hier zu verbringen; was auch immer kommen mochte, keine zehn Elefanten würden ihn hier wegbekommen, dieses eine Mal würde er einfach nicht nachgeben.

Und vielleicht, ganz eventuell, wenn er viel hoffte und betete, würden sich einige der Probleme, wie zum Beispiel das Zerfressen seiner Eingeweide, dass er sich zwar erklären könnte, aber definitiv nicht wollte, einfach von selbst auflösen. Er mochte zwar kaum daran glauben, jedoch starb die Hoffnung schließlich zuletzt, und er hatte nicht vor, diesen Moment schon jetzt auf sich zukommen zu lassen. Er hatte jetzt fast fünf Tage überstanden – wie viel schlimmer könnte es prozentual denn noch werden?

Und obwohl das Ganze überhaupt nicht lustig war, besonders für ihn selbst nicht, grinste er bei dem Gedanken, wie oft ihn die Antwort auf diese Frage in den letzten Tagen bereits verblüfft hatte. Für den Moment würde er einfach alles auf sich zukommen lassen und seine neu gewonnene Freiheit genießen, ziemlich zufrieden mit dem Wissen, nicht der Einzige zu sein, der mehr als nur verwirrt war.
 

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Wer es bis hierher geschafft hat, hat sich wirklich eine ganze Menge Kekse verdient, die ich jetzt aber leider nicht vorrätig habe; gibt es dann nächstes Mal! Haha, ich merke, meine Worte wirken total verhetzt, und ja, das bin ich irgendwie auch xD Hoffe, es hat irgendwem gefallen.

VI

[Da ich zu faul bin, mir eine neue "Einleitung" auszudenken, kopier ich das Ganze einfach mal ganz dreist von Fanfiktion.de, wo ich das Kapitel auch gerade schon hochgeladen habe.]

Es ist vollbracht. <3

Und ich muss ganz ehrlich zugeben, ich mag dieses Kapitel. :3 Es ist wieder etwas länger geworden, aber in der Mitte findet irgendwann ein imaginärer Schnitt statt. Wer nicht alles auf einmal lesen will - dort wäre das Pausieren, schätze ich, am besten!

Eigentlich gibt's nicht viel zu sagen, bald findet das "große Finale" statt. Wer sich jetzt freut, dass diese Fanfiction fast vorbei ist, hat sich leider zu früh gefreut - es wurden schon einige amüsante Ideen für die definitiv kommende Fortsetzung gesammelt und geplant. =D Oh, und für das Special, das ich, glaube ich, mal erwähnt hatte.

Aber genug der Vorreden - viel Spaß beim lesen. :3
 

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Tag VI - Süße Bitterniss

Zugegebenermaßen hätte Ventus natürlich damit rechnen sollen, dass die Reaktion darauf, dass er sich ungebeten breitgemacht hatte und überhaupt einfach abgehauen war, nicht allzu gut ausfallen würde. Nicht, dass ihn das in diesem Moment auch nur im allerkleinsten Maße tangierte. Im Gegenteil.

Nach einer Weile war es ihm nämlich zu langweilig geworden, nur blöd auf dem Bett zu liegen und sich nach Hause zu wünschen, weswegen er es sich erlaubt hatte, in Roxas’ Sachen herumzufummeln. Natürlich war ihm klar gewesen, wie unhöflich das war – auch wenn sie theoretisch so ziemlich alles von- und übereinander wussten. Aber irgendwie hatte ihn das genauso wenig interessiert.

Das Ausmaß seiner Handlungen war ihm erst bewusst geworden, als das Trottel-Duo reingeplatzt war und ihn zusammengemeckert hatte. „Was fällt dir ein, einfach abzuhauen?! Ich hab mir Sorgen gemacht, Ventus! Und wieso wühlst du in meinen Sachen rum?!“ – „Ich wurde gezwungen…“

Es war eine Lüge gewesen, und es hatte ihn nicht gestört. Wobei es doch verwunderlich gewesen war, dass Roxas das sogar geglaubt hatte. Sora hatte sich wohl ohnehin mit Vanitas gestritten, weswegen die beiden davon schon mal nichts mitbekamen. Jedenfalls war aller Zorn augenblicklich vergessen gewesen und auf die Bitte hin, das Thema ruhen zu lassen, hatte Roxas das sogar getan. Einfach nur liebevolle Naivität oder doch mangelnde Einschätzungskraft? Egal.

Daraufhin war der restliche Tag relativ langweilig verlaufen. Ventus hatte sich geweigert, den Raum zu verlassen – außer für das Abendessen, natürlich, wobei er nicht mal einen Blick Vanitas geschenkt hatte – und sich auf Roxas Bettseite absolut breit gemacht. Die Begeisterung war eher weniger groß gewesen, nachgegeben hatte er trotzdem nicht. Fragen hatte er gekonnt ignoriert oder sich demonstrativ die Ohren zugehalten.

Kindisch hin oder her, am Ende hatte sich Roxas wirklich zu Ventus dazugequetscht, und auch wenn es unglaublich ungemütlich hätte sein müssen, war es doch irgendwie…angenehm gewesen. Es war schließlich sein Bruder und jeglicher freundschaftlicher und familiärer Bezug hatte ihm bis dato gefehlt.
 

Das Ende vom Lied war, dass Ventus mit Schmerzen erwachte, da Roxas sich breitgemacht hatte und Sora irgendwie auch mehr als seine Betthälfte gebraucht zu haben schien. Ergo war Ventus am Boden, und zwar wortwörtlich. Seine Begeisterung, als er erwachte – wohlgemerkt dadurch, dass sich beinahe jemand auf ihn draufgestellt hatte – hielt sich, wie vielleicht zu erwarten sein könnte, in einem relativ kleinen Rahmen, was nicht zuletzt an den absolut verstörenden Träumen lag, die er gehabt hatte, wobei – zu seinem Glück, wie er fand – die einzigen Erinnerungen, die er am Ende noch hatte, waren, dass es mit Vanitas und merkwürdigerweise mit dem Badezimmer zu tun gehabt hatte. Sehr, sehr merkwürdig.

Für den heutigen Tag war also Ruhe vorprogrammiert. Nein, er würde nicht rausgehen. Erst Recht nicht in den Streichelzoo – er war im Übrigen noch immer nicht sicher, ob diese Aussage ein Scherz gewesen war. Er konnte sich das Trottel-Duo so herrlich gut im Zoo vorstellen, wie sie die Tiere betüddelten und Hand in Hand über die Wege hüpften. Oh…Gott…

„Tut mir Leid, Ventus. Drei Leute passen eben nicht so gut“; er kommentierte diese Aussage lieber nicht, sonst hätte es in einer Diskussion geendet, und er hatte kein Interesse, sich mit noch mehr Leuten zu zerstreiten, mit denen er seine Zeit verbringen musste. Warum war er eigentlich hierhergekommen und hatte sich geweigert, in seinem ‚Bett’ zu schlafen? Es war ihm entfallen, vielleicht war der Grund am Ende doch eher trivial?

Es sollte ihm erst wieder bewusst werden, als sie zum Frühstücken nach unten gingen und wenige Minuten darauf ‚das Problem’eintrat. Vanitas. Ach genau, da war ja was. Wo war der eigentlich gewesen, als Ventus sich etwas zum Anziehen geholt hatte? Oh, er wollte es gar nicht wissen.

Der Versuch, das Ekel mit keinem Blick zu würdigen, sollte dem Anschein nach gelingen, jedoch fühlte Ventus sich leicht beobachtet und musste im Endeffekt doch den Blick zur Seite richten. Angestarrt wurde er übrigens, wie bereits erwartet; na vielen Dank.

„Hab ich etwas im Gesicht oder gibt es ein anderes Problem?“, fragte er so kalt wie möglich, wartete aber nicht auf eine Antwort, sondern wandte sich wieder seinem irgendwie total interessanten Frühstück zu. Wow, war die Wurst schon immer so perfekt rund gewesen? Gar nicht übel. Und der Käse, ebenso perfekt, nur eben quadratisch.

Er lachte. Wie ein Irrer brüllte er los und fragte sich gedanklich, ob er sich gerade wirklich mit der Form seiner Nahrungsmittel beschäftigt hatte. Eigentlich war es nicht lustig, aber er kam sich so dumm dabei vor, dass er ein Lachen einfach nicht hätte zurückhalten können. Selbstverständlich war ihm bewusst, dass alle Blicke – alles andere als überzeugt von seiner merkwürdigen Tat – auf ihn gerichtet waren. Natürlich kümmerte ihn das nur peripher, schließlich nahm er die Figuren um sich herum seit einigen Tagen kaum bis gar nicht mehr für voll. Ergo schämte er sich auch nicht vor ihnen.

Tief durchatmend überlegte er, wie lange er das noch ertragen müsste. Schlagartig sollte ihm bewusst werden, dass es nur noch zwei Tage waren, genau genommen sogar nur noch einer, und die belustigte Miene auf seinem Gesicht verschwand augenblicklich. Er hatte wieder dieses merkwürdige Gefühl vom Vortag in der Magengegend, nur diesmal sehr viel unangenehmer. Diesmal konnte er es wirklich nicht richtig zuordnen.

Sein Blick ging durch die Runde und blieb an Vanitas hängen, der ihn immer noch anstarrte – genauso wie die anderen beiden. Vens Gesicht verzog sich ein wenig, er wandte den Blick wieder ab und fokussierte die Wand hinter Sora und Roxas. Hatte ihn nicht bisher größte Freude aufgesucht, immer wenn er daran dachte, dass die Zeit der Abreise immer näher rückte? Gerade jetzt empfand er diese Freude jedenfalls irgendwie nicht. War er schon verrückt geworden, bei seiner merkwürdigen Gesellschaft?

Nein. Er war nicht naiv genug, das zu denken, auch wenn es die ganze Sache etwas vereinfacht hätte. Natürlich war ihm bewusst, dass weitaus mehr dahintersteckte, etwas ganz Anderes. Bereits am Vortag hatte er darüber nachdenken müssen, eigentlich hatte er sich jedoch vorgenommen, das Thema in Zukunft zu ignorieren – hatte ja bisher ziemlich gut funktioniert.

„Ventus? Alles in Ordnung?“; blinzelnd verzog er das Gesicht und nickte dann seinem nicht gerade überzeugten Bruder zu. Wahrscheinlich sah er auch nicht so aus als ob alles in Ordnung sei; er hätte sich das wohl selbst auch nicht geglaubt.

„Bist du dir sicher?“; er nickte erneut und stand auf, um den Raum zu verlassen. Irgendwie wollte er nicht mehr frühstücken. „Komm schon, du hast nicht mal anständig gefrühstückt und deine Stimmungsschwankungen sind alles andere als beruhigend. Was ist dein Problem?“, waren die Worte, die ihn zurückhalten sollten, aber keinen besonders großen Erfolg zu zeigen schienen, da er sie ignorierte und die Küche stumm verließ. Stimmungsschwankungen hatte er tatsächlich, und so langsam wurde ihm zumindest teilweise klar, woher diese rührten. Mal ganz davon abgesehen, dass man sich doch sowieso so gut wie gar nicht für ihn interessierte.

Ohne wirklich darüber nachzudenken überschritt er das Tor zur Hölle und fand das Zimmer genauso langweilig wie sonst immer vor. Allerdings hatte Vanitas sich wieder Mal nicht die Mühe gemacht, die Rollläden hoch zu machen. Statt Strom zu verschwenden, klatsche Ven die Tür zur und ließ sich im Dunkeln auf seine improvisierte Schlafstätte fallen. Sein Kopf streifte dabei die Wand, was alles andere als angenehm war.

„Au…“, meckerte er und spürte Sekunden später einen erstaunlich leichten Tritt in die Seite, der aber trotzdem wehtat. „Wie blöd bist du denn überhaupt?“ – „Weißt du, wie viel du für die Umwelt tun würdest, wenn du mal das Sonnenlicht nutzen würdest?“ – „Du lässt es da stehen, als würde ich das Sonnenlicht nicht verwenden. Soll ich meine Rollläden von außen etwa mit einem Flammenwerfer warm halten? Du bist echt so dumm, ne“.

Ohne darüber nachzudenken lachte Ven auf, gluckste ein wenig, vergaß das Grummeln in seinem Bauch einen Moment, beruhigte sich aber schnell wieder. „Hast du dich dann abgeregt, Knirps? Deine Freunde“ – augenscheinlich betonte der Schwarzhaarige das extra, um deutlich zu machen, dass er nicht mal mit seinem eigenen Bruder in Verbindung stehen wollte – „beschuldigen mich erneut mehrfacher Morddrohungen und Gewalttaten. Ich könnte Gefallen an einer Richtigstellung der Fakten finden“ – „Na ja, wenn du mal so darüber nachdenkst…“, hörte Ven sich selbst in sein Kissen nuscheln, „kannst du die Wahrheit in derartigen Aussagen doch nicht von Grund auf leugnen.“

Schweigen trat ein, und Ventus fragte sich kurz, wieso sie eigentlich so geschwollen redeten. Anscheinend ging es seinem besten Freund da auch nicht gerade besser. „Die Fakten interessieren mich nicht. Sag ihnen einfach, dass ich dir nichts getan habe“ – „Das wäre gelogen“ – „Interessiert mich das? – „Ich könnte um Hilfe schreien“ – „Würdest du aber nicht wagen“ – „Probier’s halt aus“ – „Wag es nicht“ – „Sonst was?“ – „Ich bring dich um“ – „Hilfe, oh zu Hilfe-!“ Ein weiterer Tritt in die Seite, diesmal weitaus fester, ließ ihn verstummen, sich zur Seite rollen und blöd gucken.

„Dir ist bewusst, dass das nicht gerade dazu beiträgt, dir zu helfen?“ – „Helfen? Ich seh’ dich noch nicht abfahren“. Ventus schmollte unkontrolliert und richtete seinen Blick auf die geschlossene Türe. „Ich kann auch länger bleiben“, murmelte er, wissend, wie schlecht dieser Vorschlag war. Vanitas’ Begeisterung hielt sich sichtbar in Grenzen, dennoch blieb er ruhig und setzte sich neben Ventus auf die Matratze. Der Blonde richtete sich auf und drehte sich zur Seite, sodass er in Vanitas’ Gesicht sehen konnte.
 

Für eine Weile starrten sie sich wortlos an, wobei Ventus immer wieder versucht war, den Blick abzuwenden. Natürlich konnte er das nicht machen, schließlich hätte er damit ja Unterlegenheit gezeigt. Einen Moment lang wollte ihm das egal sein, er fing sich jedoch und schüttelte nachdenklich den Kopf. Wieso sollte er sich geistig unterwerfen, wenn nicht gar körperlich-?

//MOMENT MAL, WAS!// Wie wild schmiss er seinen Kopf hin und her, richtete sich auf und verspürte urplötzlich – auch, da Vanitas ihn beinahe wissend anstarrte – ein unglaubliches Verlangen, das Badezimmer aufzusuchen. Deswegen verließ er den Raum, ohne überhaupt in der Lage zu sein, sich kindisch vorzukommen. Was für einen Schwachsinn hatte sich sein Kopf denn jetzt schon wieder zusammengereimt? Die Tatsache, dass er Derartiges wirklich zu denken vermochte, ekelte ihn leicht an und auch wenn er das Badezimmer als Zufluchtsort gewählt hatte, empfand er nicht das geringste Interesse, in den Spiegel zu blicken.

Zur Hölle, wo war dieser abstoßende Gedanke hergekommen? So sehr ihm auch nicht entfallen war, auf welche Art und Weise er es am Vortag vermocht hatte, sich aus Vanitas’ Klauen zu befreien – und weiß Gott hatte er ebenso wenig vergessen, dass es sich nicht so negativ angefühlt hatte wie es ihm lieb gewesen wäre – war das ganz sicher keinen Grund, zu derart widerlichen Vorstellungen überzugehen. Nein, ganz definitiv nicht. Weder hatte er Interesse daran, sich irgendwem auf irgendeine mögliche Weise zu unterwerfen, noch hegte er Ambitionen, sich das auch noch eingestehen zu müssen. Eingestehen?

Er konnte nicht rechtzeitig bremsen. Mit voller Wucht knallte seine Stirn gegen die verschlossene Badezimmertüre, kurz bevor der Henkel heruntergedrückt wurde, was Ventus ausnahmsweise begrüßte, da er sofort vom Schmerz abgelenkt war.

„Was ist denn jetzt wieder dein verdammtes Problem?“; woher er die Kraft nahm, die Tür zuzuschieben und rechtzeitig zu verriegeln, mochte er nicht mal gedanklich hinterfragen; er war lediglich froh, erfolgreich gewesen zu sein. Jegliches weiteres Wort von Vanitas ignorierte er geflissentlich, nun doch einen vorsichtigen Blick in den Spiegel wagend.

Schlagartig wurde ihm bewusst, weswegen er gerade diese Handlung bis zu diesem Punkt vermieden hatte; er konnte sich nicht einmal selbst ansehen, ohne rot zu werden; ohne darüber nachzudenken, was am Vortag passiert war und wie er darüber dachte. Je mehr er darüber nachdachte, desto abstoßender fand er es, dass er sich nicht so richtig davor ekeln konnte.

Das war verwirrend, er verstand sich selbst nicht mehr. So langsam aber sicher vernahm er wieder Worte von außerhalb des Badezimmers. „…bescheuert im Kopf, nachher ist es wieder meine Schuld, obwohl ich überhaupt nichts gemacht habe“; das konnte man jetzt so und so sehen, und auch dieser Gedanke war nichts, was Ven unbedingt denken wollte.

Er öffnete die Tür, nicht gewillt, mit Vanitas zu kommunizieren, wurde jedoch von jeglichen Fluchtversuchen abgehalten, indem er gegen die Tür gedrückt wurde…wieder mal. Mit der Veränderung, dass sie beide diesmal nicht halbnackt und nass waren, und die Fläche um sie herum auch nicht etwa einen Quadratmeter betrug. Ob ihm jetzt warm oder kalt wurde, hätte Ven nicht genau sagen können, er kam aber auch nicht so wirklich dazu, darüber nachzudenken.

„Hast du dich jetzt beruhigt, Idiot? …Idiot? Ventus?!“ Er schreckte hoch und schüttelte den Kopf, nur um dann zu nicken und schließlich Stirn runzelnd zu Boden zu blicken.  „Sehr hilfreich“ – „Was willst du von mir?“ – „Du hast die Sprache wiedergefunden? Nicht übel“ – „Ich wiederhole: Was willst du von mir?“ – „Wissen, was dein Problem ist?“ – „Und das interessiert dich weil?“ – „…“

Kopfschüttelnd versuchte Ven, Vanitas von sich zu schieben, natürlich mit wenig Erfolg. „Ja, genau, so einfach mach ich es dir. Wag es nicht, mir irgendwo hinzutreten, diesmal bekommst du ein Rückfeuer, das sich gewaschen hat“. Erneut traf Ven eine Erinnerung, die ungewollt irgendwie interessant war, die Sache mit seiner Lippe. Halb in Trance rieb er sich mit einem Finger darüber, ohne aufzublicken, und überlegte, ob er damals auch schon so merkwürdig darüber gedacht hatte; nein, zumindest nicht wissentlich.

„…ich weiß es nicht“ – „Was?“ – „…was mein Problem ist“ – „Du stellst dich doch nur dumm“ – „…“ Ja, das stimmte. Ven verschloss die Augen vor dem Offensichtlichen, wusste dies und mochte es sich trotzdem nicht eingestehen. „Geh weg von mir…“, hörte er sich murmeln und bemerkte erst jetzt, da er aufblickte, dass ihre Gesichter wieder beinahe aufeinander klebten…nur beinahe.

Wie vom Tier gebissen schüttelte er den Kopf, ganz zu Vanitas’ Verwirrung, und versuchte, sich mehr Richtung Tür zu drücken, was nicht so richtig gelang, schließlich war er bereits dagegen gedrückt worden und Holz war nicht dafür bekannt, sonderlich stark nachzugeben. „Sicher, dass bei dir da oben alles okay ist?“ – „Nein, eigentlich nicht, aber loslassen darfst du mich trotzdem“ – „Gütig“; natürlich tat er es nicht. Stattdessen hielt er Ven erneut davon ab, zu fliehen, obwohl es wahrscheinlich in dem Moment das Beste gewesen wäre. Denn irgendwie hatte Ventus das Gefühl, dass sie näher aneinander rückten. Mit den Gesichtern. Obwohl sie ohnehin nur wenige Zentimeter trennten.

Das Ausmaß dieses Geschehens wurde ihm erst bewusst, als ihre Lippen für einen kurzen Moment aufeinandertrafen, nur den Bruchteil einer Sekunde lang, bevor sie sich beide gleichzeitig voneinander wegschoben und wegblickten.

„Was zur Hölle sollte das denn werden?“ – „…ich weiß nicht“ – „Na ich weiß es ganz sicher nicht!“ – „…tut mir leid“; es war nur ein Nuscheln, leise und leicht beschämt, bevor der Blonde Richtung Treppe stürzte und kaum zehn Sekunden später die Haustüre hinter sich zuknallen hörte. Alleine durch die Straßen der unbekannten Stadt zu laufen hatte ihn einmal in Schwierigkeiten gebracht, und er hatte nicht die Hoffnung, dass es dieses Mal anders sein würde. Vielleicht liefe er jemandem über den Weg, der ihn schmerzlos umbringen würde, das wäre einfacher als den Rückweg zu suchen und sich eine Erklärung zu überlegen.

Gab es überhaupt eine Erklärung, eine Rechtfertigung? Und wenn ja, würde Vanitas sie akzeptieren, statt Ventus umzubringen? Fragen über Fragen, die er sich nicht würde beantworten können…er war schon wieder weggelaufen, langsam wurde es peinlich. Er kam an einem Ort vorbei, der ihm merkwürdig bekannt vorkam. Dieser Teich…

Ach ja, Vanitas hatte ihn in dieser einen Nacht davor ‚gewarnt’, so war das. Wenn er weiterging, würde Ven dann wohl irgendwann wieder an dem Park ankommen, in welchem er von dem Gorilla blöd angemacht worden war. Bis heute verstand Ventus nicht, wieso Vanitas ihn nicht einfach seinem Schicksal überlassen hatte; das wäre so viel einfacher gewesen. Aber nein, nie konnte er etwas richtig machen!

Wie erwartet kam Ventus tatsächlich wieder an dem Park an, auch wenn es eine gefühlte Ewigkeit dauerte. Statt sich zu setzen, ging er jedoch durch und blickte sich dabei um. Da gegenüber war ein ziemlich schickes Kino, daneben eine Eisdiele, die aber natürlich geschlossen hatte, und an der Ecke ein Kiosk. Warum interessierte ihn das überhaupt?

„Du verarschst mich, oder?“; beinahe zu Tode erschrocken fuhr der Blonde herum, stolperte, wollte aber nicht in die Richtung des Schuldigen fallen, verlagerte sein Gewicht deswegen nach hinten und landete lautstark auf seinem Allerwertesten. „Das denk ich mir auch gerade! Wenn du mich umbringen willst, dann bitte nicht SO!“, fauchte der Blonde und wollte sich aufrichten, als Vanitas schon nach seinem Arm gegriffen und ihn auf die Beine gezogen hatte.

„Willst du mich blamieren? Schrei nicht so“ – „Dich blamieren? Ach ja, ich vergaß deine unendliche Menge an Verfolgern, durch die dein Ruf so sagenhaft gut ist“ – „Dein schlechtes Gedächtnis kennen wir ja bereits“ – „Du bist immer noch so dumm wie am ersten Tag“ – „Sicher hast du nichts Anderes erwartet“ – „…“

Sie schwiegen, bevor Ventus einfiel, dass er sich aufregen wollte. „Wieso verfolgst du mich schon wieder? Ich komme gut allein zurecht“ – „Du denkst aber nicht, dass ich deinetwegen hier bin?“ – „…als würdest du sonst freiwillig das Haus verlassen“ – „Ich merke, du bist auf Streit aus, jedoch war ich gerade auf dem Weg dort hin und habe keine Zeit für solche Sperenzien“; er zeigte auf eine Pizzeria in der Nähe.

„Du weißt aber, dass du den Park auf dem Weg dorthin nicht hättest betreten müssen, oder?“ – „Ich dachte mir, wenn du schon mal da bist…kann ich dich genauso gut auch noch ein wenig piesacken. Jedenfalls muss ich jetzt los, tschüss.“ – „Hey, warte Mal. Hast du schon wieder mein Geld- Vanitas! Komm sofort zurück!“; daran dachte der aber gar nicht. Hämisch lachend entfernte er sich so schnell wie möglich, Ventus folgte. Er war nicht so sportlich, deswegen wäre er zurückgefallen, aber es waren gerade mal fünfzig Meter, da standen sie auch schon beide vor der Türe.

„Willst du mich auf den Arm nehmen! Du mieser, dreckiger Dieb, gib mir mein-“ – „Ah, so was kannst du nicht sagen, das verletzt meine Gefühle, weißt du?“ – „Tut mir leid, dass mein Geld wichtiger ist als deine Gefühle, Idiot!“; und mit Schmackes riss Ventus seine Geldbörse an sich, ohne Umschweife nachzählend. Bis auf das, was Vanitas am Vortag geklaut hatte, war alles da; zumindest etwas.

„Hey, wo willst du hin?“ – „Zurück? Wohin sonst?“ – „Als ob du den Weg findest“; unsicher hielt der Blonde inne. Zugegeben, er wusste wieder nicht, wie genau er hierher gelangt war. „Als Entschädigung wirst du mir den Weg sicher sagen“ – „Sicher, als Entschädigung für eine Pizza in Familiengröße mit Extrabelag könnte ich in Erwägung ziehen, dir eine grobe Wegbeschreibung zur Verfügung zu stellen“ – „Machst du dich über mich lustig?“ – „Wo denkst du hin? Also, Pizza?“

Ohne zu warten betrat Vanitas die Pizzeria und in dem Moment als Ventus merkte, dass einer der Mitarbeiter sie gesehen und ihnen freundlich gewunken hatte, wurde ihm klar, dass er kaum eine Wahl hatte. Vanitas würde sich – mit oder ohne Geld – eine Pizza in Familiengröße mit Extrabelag – oder auch mehreren – bestellen, diese essen und wegrennen. Bei seinem Glück würde der Mitarbeiter hinterher stürmen und zufällig nicht Vanitas, sondern Ventus wiedererkennen. Es war so vorhersehbar.

Um eine derart peinliche Situation zu vermeiden, folgte er dem schwarzhaarigen Ungeheuer einfach. Konnte der Kerl nicht einfach rausgeschmissen werden? Suspekt genug sah er in Vens Augen ja schon aus.

„…ja, der blonde Junge da zahlt“, hörte er nur und blieb ungläubig stehen. Dieses Biest. Erwartungsvoll wurde er jetzt natürlich angestarrt, hielt sich eine Hand an die Stirn und erfragte, was Vanitas sich da überhaupt ausgesucht hatte, bevor er nur noch die Wut in sich kochen spürte. Das konnte…durfte nicht wahr sein.

„Eine Pizza in Familiengröße mit sechs zusätzlichen Dingern?!“, hörte er sich selbst alles andere als begeistert fragen, bevor er – wohlgemerkt am Rande eines Nervenzusammenbruchs – das Geld zusammenzählte und tatsächlich zahlte. War er dumm oder einfach paranoid? Wie auch immer, er sollte keine Ruhe kriegen, denn als er gerade zu Vanitas rüber gehen und ihn umbringen wollte, merkte er, dass der – natürlich – noch einen draufgesetzt und irgendwas zu trinken aus diesem Automaten gefischt hatte.

Ernsthaft, war dieser Kerl noch ganz bei Trost? Am liebsten hätte Ven ihm mit der Glasflasche den Schädel zertrümmert, aber in der Öffentlichkeit wäre das wohl nicht unbedingt angebracht. Mit äußerster Kontrolle aber vor Wut zitternden Händen kramte Ventus noch mehr Kleingeld heraus und war ausnahmsweise dankbar, so sparsam zu sein – nur, um jetzt so ausgenommen zu werden.

Schnellen Schrittes ließ er sich gegenüber von Vanitas fallen, riss ihm das Getränk – Cola mit irgendeinem Sondergeschmack, der Ventus aber egal war – aus den Händen und brachte es aus dessen Reichweite.

„Hey, was soll das, das ist meine-“ – „Deine was?! Du bist ein richtig mieser Mistkerl, ich sollte dich eigenhändig steinigen“ – „Ja, aber mein Charme hält sich davon ab, gib’s zu“ – „Du hast sie wirklich nicht mehr alle an der Waffel, mit dir rede ich schon gar nicht mehr.“ – „Ach ja?“ – „…“ – „…“ – „…“ – „…ach, komm schon, du brauchst dich nicht so anzustellen“ – „…“

Tatsächlich hielt Ventus der ‚Probe’ – es war verdammt schwierig, sich nicht von Vanitas’ nerviger Art provozieren zu lassen – stand, bis die kaum auf den Tisch passende Pizza dann auch schon gebracht wurde. Hätte Ventus ein einziges, wirklich nur ein Wort auswählen dürfen, um die Pizza zu beschreiben, wäre ihm wahrscheinlich nur eines eingefallen: exorbitant.

Dass der Teller auf den Tisch passte…nein, dass Teller in dieser Größe überhaupt erst hergestellt wurden, das grenzte ja schon an ein Ding der Unmöglichkeit. Hätte der Blonde Appetit gehabt, wäre ihm der nun vergangen, allerdings schien sein Gegenüber das extrem anders zu sehen. Das schwarzhaarige Monster ließ sich die – wohlgemerkt gen Himmel nach sämtlichen Gewürzen der Welt stinkende – Pizza schmecken und zeigte das auch.

„Weißt du, Ventus“, murmelte er zwischen zwei Bissen, aß einen weiteren und fuhr fort. „Anfangs dachte ich, du wärst ein nichtsnutziger Idiot, den man am besten sofort wieder rausgeschmissen hätte, allerdings“; er schob sich die Kruste seines ersten Pizzastückes in den Mund und begann schon, ein neues abzumachen.

„Allerdings ist mir bewusst geworden, dass ich mich da leicht geirrt habe.“ Ventus hielt stand, er erwiderte nichts, blickte aber skeptisch und teilweise doch interessiert drein. Irgendwie konnte diese Aussage nicht gut enden, und eigentlich wollte er die Antwort nicht wissen, schließlich würde sie ihm ohnehin nur wieder schaden.

„…Na ja, weißt du, mir ist bewusst geworden, dass du doch ziemlich praktisch ist, wenn es darum geht, so zu tun, als hätte man absolut kein Geld in der Tasche.“

Es ging nicht. Gerade wollte Ventus sich ermahnen, dass man mit Essen respektvoll umzugehen hatte, schließlich hatte nicht jeder den Luxus, welches genießen zu dürfen, jedoch war in dem Moment schon ein Stück der Pizza – mit wohlgemerkt immer noch extrem heißem geschmolzenem Käse – in Vanitas’ Gesicht gelandet. Dabei war Ventus so unglaublich ruhig, dass es ihn beinahe selbst überraschte.

Vanitas schien nicht so ganz begeistert. Erst Recht nicht über die Käsefetzen, die in seinem Gesicht hängen blieben, auch nachdem das Pizzastück selbst schon wieder auf dem Teller gelandet war. Allerdings hatte Ven wohl schon schmerzhaftere Dinge getan, weswegen kein Schmerzensschrei durch die Bude schoss.

„Das hast du dir so was von verdient“, bemerkte der Blonde monoton und lugte durch die Öffnung der eben ergatterten Cola-Flasche. Er mochte nicht gerne an Sachen trinken, an denen andere ihren Mund hatten, allerdings machte es bei Vanitas auch irgendwie keinen Unterschied mehr…er sollte nicht darüber nachdenken.

Er leerte die Flasche in einem Zug, was Vanitas nicht zu begeistern schien. „Hey, hey, hey! Jetzt warte Mal. Ventus! Oh…“; welch triumphaler Sieg, Ven war beinahe richtig stolz auf sich selbst.

Für eine gefühlte Ewigkeit schwiegen sie, während sich die Stimmung zwischen ihnen mehr und mehr zu laden schien. Beide verspürten den Drang, das eigene Gegenüber irgendwie zu provozieren, ohne sich die geringste Blöße von Wut zu geben. Irgendwie schien das zu Beginn aber nicht ganz zu gelingen, was sie nicht davon abhielt, sich minutenlang über die erkaltende Pizza hinweg mit Blicken zu durchlöchern, woraufhin ausgerechnet Vanitas seine Geduld verlor.

„Was glotzt du so blöd?“; Ventus ignorierte die Frage geflissentlich, starrte weiter und schaffte es nur mit Müh und Not, sein breites Grinsen zu einem leichten Schmunzeln zu wandeln. Wann hatten sie denn die Rollen getauscht? Und – was noch sehr viel wichtiger war – wieso? Ventus war heute zugegebenermaßen etwas streitsüchtig, wohingegen Vanitas ausgerechnet zur gleichen Zeit seine bösen Intentionen für einen Moment vergessen zu haben schien. Merkwürdig, ungewohnt.

„Ich hab dir ne Frage gestellt, du Algenhirn“; der Blonde nickte, antwortete aber nicht. Angriff war die beste Verteidigung? Vielleicht stimmte die verdrehte Form ja auch, er würde es ausprobieren. Momentan funktionierte es, aber momentan verlief auch nichts normal.

„Du willst mich echt provozieren, oder?“, zur Untermalung seiner Wut trat Vanitas unter dem Tisch zusätzlich gegen Vens Schienbein, woraufhin der nun doch einen unzufriedenen Laut von sich gab und sein Blick augenblicklich von amüsiert zu verärgert wechselte. Und schon hatte sich das Spiel wieder gewendet, denn augenblicklich trat ein Grinsen auf Vanitas’ Gesicht.

Da wurde Ventus etwas klar. Zumindest hatte er eine Vermutung:

Sie konnten sich lediglich am Leid des jeweils anderen erfreuen! War das denn möglich? Ventus runzelte die Stirn und überlegte. Theoretisch war das gar nicht so abwegig, auch wenn das irgendwie seinen momentan sehr merkwürdigen Gefühlen widersprach, über die er eigentlich nicht nachdenken wollte, aber gerade beinahe dazu gezwungen war. Mit merkwürdigem Empfinden erinnerte er sich an das Geschehen vom Vortag und ihm wurde schmerzlich wieder einmal diese bescheuerte, unnötige Situation im Badezimmer vor Augen gerufen. Verzweifelt schüttelte er den Kopf, wandte den Blick von seinem Gegenüber ab und hoffte, dass nicht zu erkennen war, wie sich seine Wangen röteten.

Warum musste ausgerechnet ihm das passieren? Hatte er nicht genug Probleme mit diesem schwarzhaarigen Monster? Nein, jetzt musste auch noch…nein, er mochte es überhaupt nicht denken. Nein, er war ganz sicher nicht auf dem besten Wege, sich in diesen sturen, ignoranten, egozentrischen Vollidioten zu verlieben.

„Oh mein Gott!“, hörte er sich selbst schockiert rufen, bevor er aufstand und schleunigst den Weg zur Toilette suchte. Weglaufaktion die Vierte. An diesem Tag. Schritt eins: Abstand. Ganz, ganz viel Abstand. Schritt zwei: Jegliche ekelhaften Gedankengänge geflissentlich und für immer ignorieren. Schritt drei: Die verdammte Hitze aus dem Gesicht verbannen, mitsamt der Röte. Schritt vier: So tun, als sei nichts gewesen.

„Was hat dich denn gebissen?“, mit einem weiblichen Schrei fuhr Ven herum, fasste sich ans Herz und war kurz davor, Vanitas ins Gesicht zu springen, um ihm dieses gnadenlos zu zerkratzen, bevor er wieder an die Sache mit dem Abstand denken musste. Ganz, ganz viel Abstand. Verfolgungsaktion die Vierte. An diesem Tag.

Er blieb also, wo er war, was jedoch keine gute Idee sein sollte, da Vanitas – mit skeptischem, aber, natürlich, köstlich amüsiertem Blick – die Distanz zwischen ihnen verringerte. Das hatte Ventus irgendwie bei seinem Plan nicht einkalkuliert, und natürlich hielt sein bester Freund weiter nichts von Privatsphäre und Abstand.

„Was willst du von mir, man?“, fragte Ventus ein wenig verzweifelt und konnte nicht verhindern, wieder einmal zurückzuweichen. „Bist du dir sicher, dass du die Antwort darauf diesmal hören willst?“; argh, nein, nein, nein! Ventus schüttelte den Kopf, war sich aber eigentlich gar nicht so sicher…zugegeben, was konnte es jetzt noch groß schaden?

„Jetzt, da du fragst…wieso eigentlich nicht?“ Mit der Antwort schien Vanitas nicht gerechnet zu haben, er hielt nämlich inne, zögerte einen Moment und lachte dann boshaft auf. „Ich weiß nicht, ob du mutig oder einfach dumm bist, wirklich nicht. Eigentlich ist es mir aber auch egal.“ War das so was wie ne Mordandrohung? Ven bereute seine Aussage. Nicht, dass er Angst vor Vanitas hätte – zumindest nicht mehr – aber vertrauen tat er ihm deswegen noch lange nicht.

Ein kalter Schauer lief über Vens Körper, was sich nicht besserte, als er sich wenige Sekunden später wieder einmal mit dem Rücken zur Wand vorfand. Sein Herz begann zu rasen und er wurde das Gefühl nicht los, dass die Temperatur in diesem eigentlich gut klimatisierten Räumchen sich zu verdoppeln schien. Vanitas’ selbstüberzeugtes Grinsen machte das nicht wirklich besser. Minuten, die schienen wie eine Ewigkeit, vergingen, in denen sie sich beide nicht rührten. Ventus, da er keine großartige andere Wahl hatte, schließlich wurde er gegen die Wand gedrückt, und das nicht gerade sanft. Vanitas, zumindest könnte man sein Grinsen so deuten, weil ihm die Mimik seines Gegenübers zu gefallen schien.

Dennoch wich dieses Grinsen und auch der Griff, mit der er Ventus von einer etwaigen Flucht abzuhalten schien, lockerte sich ein wenig. Nicht, dass er losließ, aber zumindest war es dem Blonden wieder möglich, frei zu atmen.

„Es macht nicht so viel Spaß, wenn du dich nicht wehrst.“

Eine ewige Zeit lang lag dieser Satz in der Luft, augenscheinlich wusste nicht mal Vanitas selbst, warum er das gerade gesagt hatte. Spaß?

„Spaß? Soll ich dich wieder treten? Wenn du darauf stehst, bitte.“ Woher Ventus den Mut nahm, das so locker zu sagen, wusste er um ehrlich zu sein selbst nicht. Er musste sich mit allen Mitteln von diesem Gefühl ablenken, dass ihn auf angenehme Weise von innen aufzufressen schien und, was er sich nicht eingestehen wollte, von Vanitas ausgelöst wurde. Er schien sich in dessen golden leuchtenden Augen zu verlieren; genau das, was er zu vermeiden versuchte. Waren sie schon immer so schön gewesen…?

„Das habe ich nie gesagt“ – „Ich hab mich nie anderweitig gewehrt“ – „Du könntest verängstigt schauen und mich bitten, aufzuhören“ – „Habe ich dir eigentlich schon mal gesagt…dass du ein Perversling-“

Ventus konnte den Satz nicht beenden, da sich ihre Lippen trafen. Er wollte sich dagegen wehren, Vanitas von sich schieben, angeekelt den Kopf zur Seite drehen, verschwinden, aber es war zu gut. Seine Augen schlossen sich gegen seinen Willen und er lehnte sich ein Stück in den Kuss statt in die andere Richtung. In seinem Kopf hörte er eine Stimme schreien, dass er mit dem Blödsinn aufhören sollte, aber er konnte einfach nicht darauf hören. Zaghaft, beinahe vorsichtig fand seine Hand den Weg zu Vanitas’ Gesicht und strich wie von selbst rhythmisch über dessen Wange. So weich, so angenehm…

Minuten vergingen, bis Ventus den Kuss doch unterbrach und die Augen öffnete. Lasziv grinsend wurde er angesehen und fragte sich, ob Vanitas ihn auch ‚währenddessen’ angestarrt hatte. Bei dem Gedanken lief dem Blonden ein kalter Schauer über den Rücken.

„Anscheinend bist du doch zu Irgendwas gut“ – „Sei leise…“

Seine Hand hatte sich nicht wegbewegt, war aber zum Stillstand gekommen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sich seine andere am Oberteil seines Gegenübers festgekrallt hatte, während er selbst an der Schulter fixiert und am Kragen festgehalten wurde. Abgesehen davon, dass ihre Gesichter sich Millimeter voneinander entfernt hatten, befanden sie sich in der gleichen Position, was nach einigen Momenten peinlich wurde und Ventus’ Wangen rot anlaufen ließ.

Hatte er gerade wirklich…? Er wusste die Antwort, er wusste sie schon länger, eigentlich war es genau das gewesen, was er schon am Vortag am liebsten gemacht hätte. Aber dass es jetzt Realität geworden war, konnte und wollte er irgendwie nicht ganz wahrhaben. Nicht, dass es unangenehm gewesen war, ganz im Gegenteil, es war besser als erwartet, aber schlagartig sollte ihm dann doch etwas bewusst werden.

Ein Tag.

Ein Tag noch, dann würde er wieder heim gehen. Nicht mal vierundzwanzig Stunden. Wie hatte er sich auf diese Sache einlassen können, wissend, dass sie etliche Kilometer trennen würden, sie sich vielleicht nie wieder sehen würden? Abgesehen davon, dass ihm langsam aber sicher wieder klarer wurde, dass Vanitas wohl ohnehin nur mit ihm spielen würde, so lange es Spaß machte. Für ihn war das wahrscheinlich eher Standard, so mit einer Person umzugehen und sie dann wieder zu vergessen.

„Willst du mich beleidigen, oder warum schaust du so, als müsstest du brechen? So schlimm kann es ja nun auch-“ – „Sei leise! Warum hast du das gemacht?!“ Dass er selbst mindestens genauso schuldig war, wusste Ventus, wollte es aber nicht zugeben.

„Ich? Ich darf doch wohl bitten, du hast dich nicht gerade gewehrt, wenn ich das nicht missverstanden habe.“ Darauf konnte der Blonde auch nichts mehr sagen. Natürlich stimmte das. Hätte er besser auf seinen Kopf gehört und dem Ganzen ein Ende gesetzt, bevor es überhaupt begonnen hatte. Aber nein, er hörte lieber auf sein Herz, welches ihm jetzt gebrochen werden würde. War er so dumm oder hatte er sich irgendwelche Hoffnungen gemacht? Er konnte das selbst nicht so genau sagen.

„Entschuldige dich gefälligst“, presste er dann wütend hervor. Wütend auf Vanitas oder auf sich selbst, das hätte er nicht zu sagen vermocht. „Bitte? Wofür soll ich mich denn entschuldigen? Das klänge, als würde es mir leid tun“ – „Sollte es auch!“ – „Tut’s aber nicht, schade für dich. Oder für mich? Wenn du das bereust, dann…ja, dann sollte ich mich vielleicht entschuldigen.“

Der Schwarzhaarige hatte sich von Ventus gelöst und sich abgewandt, um den Raum zu verlassen. War das in seiner Stimme tatsächlich Verbitterung gewesen? Sicherlich nicht. Ventus war verwirrt, konnte nicht mehr richtig denken und wusste auch nicht, was er sagen wollte.

„Das…das hab ich nicht gesagt.“ Nur ein Winken war die Antwort, bevor er sich selbst überlassen wurde und Vanitas ging. Daran, dass Ventus nie den Weg nach Hause finden würde, konnte er gar nicht wirklich denken, er war verzweifelt und wünschte sich aus dieser Situation heraus. Hatten sie sich nicht gehasst? Sich gegenseitig gepiesackt und beleidigt? Er glaubte nicht an Hassliebe, beides gleichzeitig war einfach nicht möglich, wenn er sich jedoch für eines von beiden entscheiden würde, war es definitiv nicht Hass.

Irgendeiner der Gäste kam in den Raum, anscheinend, um sich die Hände zu waschen. Ventus huschte durch die noch geöffnete Schwingtüre und hielt Ausschau nach Vanitas, der aber nicht zu ihrem Tisch zurückgekehrt war. Sehr ungewöhnlich. Sonst ging er mit solchen Situationen ganz locker um, aber jetzt?

Mit einer höflichen Verabschiedung verließ der Blondschopf die Pizzeria und nahm sich vor, Heim zu gehen. Einfach durch den Park…und dann durch den anderen Park. Es war schon etwas dunkel. Im Winter war das echt abartig. Kaum kam die Sonne hervor, verschwand sie auch schon wieder.
 

Ein Seufzen entwich seinen Lippen. Er hatte keine Zeit, über solche Lappalien nachzudenken, er wollte raus aus der Kälte, die sich langsam um ihn legte. In seiner Aufregung vor einigen Stunden hatte er vergessen, eine Jacke mitzunehmen, was er jetzt bitter bereuen durfte. Keine Menschenseele, er würde den Weg also alleine finden müssen.

Mehr als frustriert betrat er den Park, folgte dem Weg und blickte sich um. Zwei Abzweigungen, aber aus welcher Richtung war er gekommen? Sicherlich die, die geradeaus ging. Er hatte keine große Wahl, als es zu versuchen, hatte seinen Weg schon eingeschlagen, wurde dann aber  doch noch aufgehalten.

„Falsch.“

Er zuckte zusammen, fuhr herum und hielt Ausschau nach Vanitas, dem diese Stimme definitiv gehörte, konnte ihn aber nirgends sehen. Paranoia? Hörte er jetzt Stimmen?

„Hier oben, Idiot“, diesmal war es deutlicher zu hören, die Stimme ertönte tatsächlich von oben, genauer von einem Baum. Dort saß der Schwarzhaarige gemütlich auf einem der Äste, schien aber nicht wirklich zufrieden, wie es sonst bei ihm der Fall war. Kopfschüttelnd stieß er sich relativ elegant von dem Baum ab und landete neben Ventus am Boden.

„Deine Orientierung lässt zu wünschen übrig“ – „Tut mir leid…“

Sie wussten beide, dass Ventus sich nicht für seinen Orientierungssinn entschuldigte, weswegen sich eine eisige Stille um sie legte, keiner hatte etwas zu sagen, niemand konnte und wollte den ersten Schritt machen. Es wurde kälter und der Blonde zitterte mehr, was ihm einen fast schon mitleidig wirkenden Blick einbrachte.

„Wieso läufst du ohne Jacke rum, Idiot?“ – „Ich hatte nicht wirklich Zeit, darüber nachzudenken, eine mitzunehmen…“, begann er, sich zu erklären, wurde jedoch unterbrochen, indem eine Jacke in seine Richtung gehalten wurde. „Aber…“ – „Mir ist nicht kalt. Nimm sie einfach und frag nicht.“ Normalerweise hätte er gemeckert, aber es war zu kalt, also nahm er das Angebot kleinlaut dankend an und wickelte sich in die Jacke ein.

Erneut breitete sich eine unangenehme Stille zwischen ihnen aus, bis es ihm zu viel wurde und er nach Vanitas’ Schultern griff, um sich an ihn zu drücken und seinen Emotionen in Form von Tränen Luft zu machen. Zwar hatte er schon damit gerechnet, weggeschoben und ignoriert zu werden, aber stattdessen spürte er, auch wenn es dauerte und Vanitas Überwindung zu kosten schien, wie sich zaghaft Arme um seine Hüfte legten.

Nicht, dass es dadurch besser wurde. Vens Verzweiflung und Unentschlossenheit, was er nun tun sollte, steigerten sich ins Unermessliche. Wie waren sie in diese Situation gelangt? Es war einfacher gewesen, als sie sich nicht hatten leiden können.

„Es tut mir leid. Diese ganze Woche ist das reinste Chaos, und das nur meinetwegen. Ich wollte das nicht…es tut mir leid…“ Er schien sich zu wiederholen wie eine zerkratzte Schallplatte. Tatsächlich sah er es inzwischen als seine Schuld, dass es so weit gekommen war. Hätte er sich geweigert, mitzukommen, wäre das alles nie passiert.

„Ich…hätte nie herkommen dürfen“ – „Ich will nicht, dass du gehst.“

In seinem Schock erstarrt, vergaß Ventus sogar, zu weinen. Das hatte er sich eingebildet, oder? Er wollte sich lösen, um in das Gesicht seines Gegenübers blicken zu können, wurde jedoch durch den stärker werdenden Griff davon abgehalten.

„…M-meinst du das wirklich ernst?“, hörte er sich selbst leise und ungläubig fragen. Erst nach endlosen Minuten spürte er ein Nicken an seiner Schulter und musste sich fragen, seit wann Vanitas so sentimental war. Hatte er es die ganze Zeit unterdrückt? Sich nur so gefühlskalt gegeben? Wenn ja, dann war er ein verdammt guter Schauspieler.

Sie verharrten eine gefühlte Ewigkeit in dieser Position. Es war nicht mehr unangenehm, sondern tröstend. Für einen Moment war es möglich, die kalte Außenwelt um sich herum zu vergessen und sich in der Umarmung zu verlieren. Ja, beinahe ein schönes Gefühl, wäre da nicht gleichzeitig die bittere Erkenntnis, dass es nicht mehr lange anhalten würde. Sie hatten quasi nur noch bis zum nächsten Morgen, vielleicht Mittag, Zeit und würden sich danach vielleicht nie wieder sehen. Ventus wusste nicht, wie schnell Vanitas damit würde umgehen können, er selbst jedenfalls würde lange daran zu nagen haben.

„Du wirst krank, wir sollten heim gehen.“ Ihm war zwar nicht mehr so kalt, dennoch nickte Ventus und schließlich lösten sie sich doch voneinander. Ein Blick auf Vanitas’ Gesicht blieb dem Blonden aber verwehrt, da der Schwarzhaarige sich sofort abgewandt hatte. Weinte er? Nein, sicher nicht.

Er drehte sich zur Hälfte zurück und schien nicht begeistert, angestarrt zu werden. „Ich weine nicht, okay! Komm jetzt!“, meckerte er lautstark, was Ventus die Vermutung, dass er es eben doch getan hatte, näher brachte. Wobei…Vanitas und Tränen? Nicht gerade leicht, sich das vorzustellen.

Der Schwarzhaarige war schon vorgegangen, wahrscheinlich, um seine Emotionen nicht zu stark zu zeigen, weswegen Ventus etwas schneller ging, um zu folgen und nach der Hand des anderen zu greifen, was den stehenbleiben ließ.

„Was denn? Darf ich nicht?“, fragte der Blonde ein wenig unsicher und wollte schon wieder loslassen, als sich der Griff um seine Hand dann doch festigte, was ihm ein Lächeln auf die Lippen zauberte und sie beide dazu brachte, weiterzugehen.

Sie schwiegen beide auf dem Rückweg; nicht, weil sie sich auf unangenehme Weise nichts zu sagen hatten, sondern, weil die sie umgebende Stille mehr sagte als tausend Worte es je vermocht hätten. Obwohl sie darum wussten, bald wieder loslassen zu müssen, waren sie in diesem Moment, da es dunkler um sie wurde und sie ganz für sich waren, doch glücklich – beide.

Sie durchquerten den Park, ungehetzt und eigentlich auch ohne ein wirkliches Ziel. Wollten sie wirklich heim? Ventus eigentlich nicht. Er würde sich Fragen stellen müssen, sowohl seitens Sora und Roxas als auch seinen eigenen.

Da er gerade an die beiden dachte. Wieso eigentlich hatte er sich von ihnen so schlecht behandeln lassen? Sicherlich meinten sie es nicht böse, aber konnten sie denn so naiv sein, geglaubt zu haben, dass Ventus und Vanitas die Streitereien vorgetäuscht hatten? Sie hatten sich wirklich nicht verstanden und eigentlich hätte Ventus darauf bestehen können, einen anderen Schlafplatz zu bekommen oder heimzugehen. Schließlich war es eigentlich schon ziemlich dreist, dass er, der ohnehin unfreiwillige Gast, das Zimmer hatte teilen müssen mit jemandem, der schien, als wolle er ihn umbringen.

Doch jetzt, da er im Nachhinein so darüber nachdachte, war es gar nicht mehr so schlimm. Hätten er und Vanitas nicht gestritten, wäre alles anders geplant gewesen? Möglich. Aber sicherlich würden sie dann auch jetzt nicht Hand in Hand die Straßen der Stadt überqueren. Der Gedanke brachte den Blonden zum Lächeln, wofür er ein leichtes Stupsen mit dem Ellenbogen an seiner Seite spürte.

„Was beschäftigt dich?“ – „Ach…ich musste darüber nachdenken, was wohl passiert wäre, hätte dein rücksichtsloser Bruder mich nicht in dein Zimmer gesteckt. Ob wir überhaupt miteinander reden würden?“ – „Wahrscheinlich nicht. Mit deinem Bruder hab ich schließlich bisher auch nur die nötigsten Worte gewechselt.“ Ja, genau das hatte Ventus sich auch so gedacht. Aneinandergeraten wären sie vielleicht trotzdem mal, aber wohl nie so extrem, wie es jetzt der Fall gewesen war.

Sollte er dankbar sein? Zuerst war er unglaublich wütend, enttäuscht und verzweifelt gewesen, als man ihn mit Vanitas in einen Raum gesteckt hatte, aber inzwischen bereute er das ja gar nicht mehr. Nun gut, dankbar sollte man es vielleicht nicht nennen, aber vielleicht…nicht mehr ganz so sauer. Ja, das konnte er mit sich vereinbaren.

Eigentlich relativ amüsant. Zwar hatten die beiden ständig gestritten, waren Sturköpfe wie eh und je, und trotzdem hatte keiner von beiden daran gedacht, Sora und Roxas vielleicht mal die Köpfe einzuschlagen. Zugegeben, normalerweise war Ventus generell nicht so mutig, was das anpampen anderer Leute anging, erst Recht Fremde. Allerdings war er eigentlich auch nicht viel mutiger, was Liebeleien anging. Händchen halten? Vielleicht die seiner Mutter, vor zehn Jahren, aber sonst?

Er konzentrierte sich wieder ein wenig auf die Straße, nachdem er gestolpert war und dafür von Vanitas nur belächelt wurde. In dem Moment sprang eine Katze in sein Blickfeld, was ihn zusammenzucken ließ. Dieselbe schwarze Katze wie vor ein Paar Tagen. Er hatte sie gruselig gefunden, aber eigentlich war sie ganz süß. Er trat auf sie zu, wurde aber zurückgehalten.

„Fass sie nicht an. Was, wenn sie krank ist?“ – „Was, sorgst du dich um mich? Sie hat doch ein Halsband!“ Der Blonde grinste, ging in die Hocke und sah die Katze auf sich zuwandern. Sie war noch jung, aber nicht gerade scheu. Sanft streichelte er ihren Hinterkopf, hörte sie schnurren und kicherte. Ihr Anblick…die Augen, die Ohren, woran erinnerte ihn das…? Er blickte zu Vanitas auf und musste urplötzlich lachen.

„Sie sieht aus wie du, nur zahm!“, meinte er dann und richtete sich wieder auf, woraufhin das Tier verschwand. Irgendwie lustig. Hatte er auch Vanitas in dem Tier gesehen, als er sich vor Tagen vor ihr ‚gefürchtet’ hatte? Wahrscheinlich.

„Bist du dann fertig?“ Er blickte zu dem Schwarzhaarigen, dem langsam aber sicher auch kalt zu werden schien – kein Wunder, er trug ja nur ein dünnes T-Shirt! „W-wenn dir kalt ist, kannst du deine Jacke-“ – „Nein. Du wirst doch sogar mit der Jacke schneller krank als ich.“ Das stimmte. Trotzdem fühlte der Blonde sich schlecht, wurde aber schon weitergezogen. „Es ist eh nicht mehr weit.“

Das schien auch zu stimmen, denn nach nicht allzu langer Zeit hatten sie auch den zweiten Park durchquert. Von hier aus hätte sogar er selbst möglicherweise den Rückweg gefunden, wobei er nicht vorhatte, es zu riskieren. Sie kamen an ihrem Ziel an, und erst als sie ihre Hände voneinander lösten, schien Ventus wieder von dieser unglaublichen Kälte gepackt, die er die ganze Zeit über hatte ignorieren können. Er hörte seine Zähne klappern und fragte sich, ob er das wirklich nicht gemerkt hatte.

„O-okay, vielleicht hast du R-recht…mir ist etwas kalt“ – „Etwas? Tze, wenn du dein Gesicht sehen würdest. Deine Abwehrkräfte lassen auch zu wünschen übrig.“

Sie traten in das Haus ein, zogen ihre Schuhe aus und statteten der Küche einen Besuch ab. Die ganze Familie saß dort versammelt und blickte selbstverständlich auf. Vanitas wollte sich schon wieder abwenden, als das Wort seitens Sora jedoch an ihn gerichtet wurde…mehr oder weniger.

„Schicke Jacke, Ventus. Ich werd das Gefühl nicht los, dass Vanitas mal die Gleiche hatte.“ Das klang so offensichtlich sarkastisch, dass der Schwarzhaarige doch etwas dazu sagen musste. „Und ich werd das Gefühl nicht los, dass du heute noch Streit suchst“ – „Vielleicht tu ich das.“

Ihre Eltern belächelten den ‚Streit’ nur, während Ventus vorsichtig zum Tisch trat und sich setzte.

„Sollst du haben, aber lieber später, jetzt hab ich Hunger“ – „Du warst nicht eingeplant“ – „Habt ihr’s dann bald?“

Beide Köpfe drehten sich zu Roxas, Sora nickte entschuldigend, während Vanitas kurz davor war, den Blondschopf auch noch anzupflaumen, aber davon abgehalten wurde, indem Ventus ihn am Arm anstupste.

„Pff“, war die einzige Antwort, bevor sich der Schwarzhaarige doch niederließ. Er schien wieder ganz der Alte zu sein. Unzugänglich, gemein, unfreundlich. Es verblüffte Ventus nur in Maßen.

Sie aßen beide nichts – Vanitas war der Appetit wohl doch vergangen – wofür sie schon komisch beäugt wurden, und verließen auch frühzeitig den Raum, da Vanitas aufgestanden war und Ventus mit einer seichten Kopfbewegung angedeutet hatte, ihm zu folgen. Der Blonde überlegte einen Moment, entschuldigte sich dann aber und folgte doch. Sie landeten in ihrem eigentlich geteilten Zimmer, dass Ventus nun aber seit dem Morgen des Vortages nicht mehr betreten hatte – doch, ganz kurz, als er sich Kleidung geholt hatte, aber das zählte nicht wirklich.

Er schloss die Tür hinter sich, schaltete das Licht ein und beobachtete seinen ‚Mitbewohner’. „Was gibt’s?“, fragte er schließlich neugierig, wurde aber ignoriert. Dafür war er jetzt so unhöflich gewesen, einfach die Küche zu verlassen? Nicht mal eines Blickes wurde er gewürdigt! Er blieb ruhig, wartete ab, vielleicht käme da doch noch was? Nach minutenlangem Schweigen wurde es ihm aber dann doch zu dumm.

„Was ist denn los jetzt?! Was hab ich dir jetzt wieder getan?“, er wollte in seiner Wut einen Schritt auf Vanitas zugehen, hielt jedoch inne, als der sich umdrehte und sie sich anstarrten. Für Ventus fühlte es sich an, als würde man ihn festhalten, ihn zwingen, bloß keine falsche Bewegung zu machen. Vanitas’ Blick verbesserte das auch nicht wirklich.

„Was…was passiert jetzt?“, die Aussage war alles andere als präzise, dennoch wussten sie beide, worauf der Blonde hinaus wollte. „Hmph, was soll schon passieren?“ Und irgendwie klang diese Aussage so kaltherzig, dass Ventus urplötzlich nicht mehr die Lust verspürte, in diesem Raum zu bleiben.

„Schön. Vergiss es einfach“, murmelte er, spürte, wie sich schon wieder Tränen in seinen Augen bildeten, ignorierte Vanitas’ fast schon reuevoll wirkenden Blick und verließ das Zimmer, die Tür nicht gerade sanft hinter sich zuziehend. Als hätte es nicht mehr schlimmer kommen können, wurde er von etwas oder eher jemandem aufgehalten, in den er reingelaufen war – Roxas.

„Pass doch-…Hey, was ist los? Wieso weinst du? Ventus? Was ist passiert-?“ – „Ich weine nicht! Lasst mich alle in Ruhe!“, war die einzige, ziemlich lautstarke Antwort, bevor Ventus an sowohl Roxas als auch Sora vorbei ins Badezimmer trat, die Tür verriegelte und sich an ihr zu Boden gleiten ließ. Wie er bemerkte, als er die Beine angezogen und das Gesicht in seine Hände gebettet hatte, weinte er doch. Ziemlich erbärmlich musste er aussehen, und irgendwie war ihm das Ganze auch peinlich, da er den ganzen Tag schon vor allem weglief, das ihm nicht in den Kram passte, aber was sollte er denn sonst tun?

Nach einiger Zeit hörte er ein leises Klopfen an der Tür. Der Einzige, der so dreist sein konnte, ihn jetzt wirklich noch ansprechen zu wollen, war wahrscheinlich Vanitas. Was jetzt? Ventus wollte nicht mit ihm reden, was sollte er auch sagen? Es klopfte erneut, er würde also nicht drum herum kommen, irgendetwas von sich zu geben.

„Was willst du? Lass mich zufrieden, ich hab dir nichts mehr zu sagen“ – „Was? Hey, ich bin’s, Roxas! Komm schon, Ventus, was ist los?“ – „Was…nein. Nichts…“ – „Ach, wenn es nichts ist, kannst du mich ja auch reinlassen.“

Gutes Argument, nicht, dass Ventus der Aufforderung nachkam. Er war froh, dass die Tränen lautlos ihren Weg fanden, er brauchte nicht auch noch zusätzliches Mitleid, das alles verschlimmern würde. „Jetzt komm schon…was ist denn los? Wir konnten doch immer über alles reden, oder nicht?“ Das hatten sie tatsächlich gekonnt, ja.

Ventus sah sich gezwungen, nachzugeben, stand also auf und öffnete, was ihn dennoch Einiges an Überwindung kostete, die Tür. „Gott, was ist denn los?!“, er wollte nicht, wollte nicht in den Arm genommen oder getröstet werden, aber irgendwie schien es nicht so, als würde sein Bruder Widerworte akzeptieren.

„N-nichts, ich…ich schätze, ich will einfach nur noch nach Hause…“ – „Aber das willst du schon die ganze Zeit, das kann es doch nicht sein…hör auf mich abzuwimmeln. Setz dich da hin und sag mir, was los ist!“, damit deutete er auf die Badewanne. Schön, wenn es denn sein musste. Auf ein Brudergespräch hatte Ventus zwar keine Lust, aber irgendwie wollte er doch seinen Frust und seine Wut rauslassen.

„Also, rede“ – „Es gibt gar nichts zu reden! Dieser Mistkerl meint, er kann mit mir umgehen, wie er mag, als wäre ich eine Puppe!“ – „Wieso ignorierst du ihn nicht einfach? Ich hab dir doch gesagt, er ist etwas schwierig, geh ihm doch einfach aus dem Weg.“

Ach genau, da war auch schon das Problem. Er konnte ganz und gar nicht erzählen, warum er Vanitas nicht ignorierte. Es war ihm nicht nur unangenehm und peinlich, es machte das Ganze obendrein nur noch schlimmer. Ganz abgesehen davon, dass er sich nicht ausgesucht hatte, mit ihm ein Zimmer zu teilen.

„Ich weiß, es ist nur…“, er biss sich auf die Lippe und spürte, wie sein Gesicht zu glühen begann, was ihn jetzt wahrscheinlich ohnehin verraten würde. „Was ist denn? … Moment mal…du meinst aber nicht…Ventus? Du hast dich nicht…verliebt oder so?“ – „…“

Sie schwiegen sich für eine gefühlte Ewigkeit an. Ventus wollte nichts dazu sagen und Roxas schien nach den richtigen Worten zu suchen, auch wenn Ventus nicht ganz verstand, wieso der deswegen so nervös wirkte.

„Ich…es tut mir leid, Ventus!“ Angesprochener schien nicht mit einer derart verzweifelten Entschuldigung oder generell einer Entschuldigung gerechnet zu haben, weswegen er seinen Bruder anstarrte und verwirrt eine Augenbraue hochzog. „Was tut dir leid? Es ist doch nicht deine Schuld, dass…“ – „Ich…ich wollt’s dir eigentlich nicht sagen. Weißt du, ich hab dich gebeten, mitzukommen, weil ich dachte, ihr würdet vielleicht gut miteinander auskommen. Er ist zwar manchmal unausstehlich, aber irgendwie dachte ich, das wäre nicht so-“ – „Moment mal, Moment mal, was?! Du hast das alles geplant? Wieso?!“ – „Ich…ich weiß nicht. Es tut mir leid!“ – „Das sollte es auch! Hätte dir nicht klar sein können, dass das nicht gut geht?! Gott, ihr habt das alles geplant…“

Ventus’ Trauer hatte sich in Luft aufgelöst, er konnte es einfach nicht fassen. Als wäre der Tag nicht erlebnisreich genug gewesen. „Ich…ich glaub das nicht.“ Zugegeben, eigentlich schien es ja geklappt zu haben, aber Vanitas war nun mal ein kaltherziger Bastard, dabei würde Ventus bleiben, er hatte es gerade eben wieder mal bewiesen.

„Ich weiß, du wirst mir das die nächste Zeit mehr als übel nehmen, aber…damit verstehe ich immer noch nicht, worüber ihr jetzt wieder gestritten habt?“ – „Wir haben nicht gestritten! Zuerst ist er nett zu mir, dann wieder unhöflich, dann ignoriert er mich. Was soll ich davon halten?! Sagt, er will nicht, dass ich gehe, behandelt mich aber alles andere als so!“

Das schlechte Gewissen, dieses doch eher intime Geständnis, zumindest für jemanden wie Vanitas, einfach weitergegeben zu haben, würde vielleicht später kommen, aber jetzt gerade war er zu enttäuscht – von allen Parteien! – und mehr als wütend.

„…Gerade ich sollte jetzt vielleicht keine schlauen Ratschläge von mir geben, aber meinst du nicht, dass er genauso überfordert ist, wie du? Widersprich mir nicht, ich seh’s dir doch an! Er ist ja nicht gerade der kontaktfreudigste, gib ihm eine Chance, darüber nachzudenken“ – „Nicht so, als würde dafür viel Zeit bleiben“ – „Ja, schon…redet miteinander, sonst bereut ihr es nachher“ – „Hätte dir auch helfen können, nicht?“ – „Es tut mir wirklich leid…“

Sie schwiegen, es war ziemlich unangenehm. Sie stritten normalerweise nicht, und das hier war nicht mal ein richtiger Streit. Keiner von beiden wusste, wie sie damit am besten umgehen sollten, aber irgendwie suchte Ventus ohnehin momentan viel körperliche Nähe, weswegen von ihm aus nach schier endlosen Minuten eine Umarmung stattfand, die gleichzeitig so etwas wie eine sofortige Versöhnung war. Sie waren, egal, was passierte, immer noch Brüder. Und es war nicht so, als hätte der eine dem anderen etwas Böses gewollt.

„Ich…werde den Ratschlag wohl in die Tat umsetzen, oder es versuchen“, meinte Ventus dann, als er sich löste und aufstand. Er erhielt ein mehr oder weniger zufriedenes Grinsen als Antwort und wandte sich damit ab, trat aus dem Badezimmer, holte tief Luft, beseitigte alle Spuren dafür, dass er wieder geheult hatte, ließ sich noch viel Glück wünschen und betrat die Höhle des Löwen, schloss die Tür aber auch gleich hinter sich wieder.

Dass er ignoriert, ja nicht mal angesehen wurde, wunderte ihn nicht wirklich. Diesmal würde er allerdings anders damit umgehen. „Vanitas…-“ – „Was ist? Willst du deine Ruhe beim schlafen oder verkriechst du dich gleich wieder aus Angst ins Nebenzimmer?“, wie kalt und gemein diese Worte waren, fiel Ventus zwar auf, viel mehr bemerkte er aber, dass Vanitas ihm diese Fluchtaktion irgendwie übel zu nehmen schien.

„Es klingt, als hätte dich das gestört. Das klang die letzten Tage aber noch anders“ – „Die letzten Tage“, der Schwarzhaarige betonte die Worte absichtlich spöttisch, „hast du mich noch als kranken Perversling bezeichnet, wann immer ich dich auch nur im Ansatz berührt habe. Keine Sorge, ich nehm’s dir nicht übel, vielleicht bin ich das ja. Klang heute aber auch anders.“ Das würde nicht gut enden, sie würden wieder streiten, und das wollte Ventus gerade am wenigsten.

„Hör zu, ich bin nicht hergekommen, um mit dir zu streiten. Ich frage mich nur, wieso du jetzt wieder so gemein zu mir bist. Was hab ich dir getan?“ – „Was hast du mir nicht getan? Wie soll ich mit so was umgehen?“ Vanitas stand von seinem Bett auf und trat auf den Blonden zu, nur um ihn wieder gegen die geschlossene Tür zu drücken.

„Was soll das heißen? Mit ‚so was’?“ – „Na, was schon? Versteh mich bloß nicht falsch, ich bin nicht mehr zehn Jahre alt. Ich weiß, wie es ist, Menschen körperlich attraktiv zu finden, aber das hier…das ist einfach eklig“ – „Eklig? Danke“ – „Ich meine nicht dich, ich meine…das hier eben! Wenn ich was sage, was dir nicht passt, bist du sauer und rennst weg. Warum interessiert mich das? Warum ist mir das nicht egal, wie es mir schon immer egal war?“

Ventus konnte nicht antworten, da er nicht wusste, wie. Die Antwort war natürlich eindeutig, aber eigentlich sollte Vanitas sie selbst kennen. Wahrscheinlich tat er das auch, verstand aber nicht, warum. Für eine Weile starrten sie sich an, nicht wirklich sauer oder zerstritten, es war nicht unangenehm, aber irgendwie trotzdem merkwürdig.

„Keine Antwort? Sonst hast du doch immer eine“ – „Tut mir leid…“ – „Hör auf, dich für jeden Mist zu entschuldigen“ – „Tut mir wirk-“ – „Ich warne dich, beende diesen Satz.“

Sie seufzten im Einklang, was Ventus zum Lächeln brachte. Vielleicht sollte er wirklich einfach ein bisschen verständnisvoller sein, auch wenn das schwerfiel. Sein knurrender Magen unterbrach die merkwürdige Situation.

„Hast du heut überhaupt was gegessen? Beim Frühstück hast du nur die Wurst begafft und die Pizza ist durch deine Hand auch nur in mein Gesicht geflogen“; er dachte nach. Nein, er hatte nichts gegessen. Also schüttelte er zaghaft den Kopf. „Dann wird’s Zeit. Da ich deinetwegen ja nicht mal die Pizza fertig essen konnte, hab ich nämlich auch Hunger“; zudem musste das jetzt schon Stunden her sein.

Sie verließen also beide das Zimmer, zwar immer noch nicht ganz versöhnt, aber auch nicht mehr verfeindet, und gingen nach unten in die Küche, um doch noch etwas zum Essen zu suchen. Anscheinend hatte man ihnen was übrig gelassen, was besonders Ventus sehr begrüßte, da er keine Lust gehabt hätte, sich selbst noch körperlich zu betätigen. Erst als sie saßen fiel ihm auf, dass er immer noch Vanitas’ Jacke trug. Vielleicht war ihm deswegen gerade so warm.

„Tut mir leid…“, murmelte er und zog sie aus, um sie zurückzugeben. „Du willst mich provozieren, oder?“ – „Was, wieso?“ – „Wann hab ich dir noch gleich gesagt, du sollst dich nicht für jeden Mist entschuldigen?“

Ventus war kurz davor, es aufgrund seiner Vergesslichkeit noch mal zu tun, biss sich aber im letzten Moment leicht auf die Zunge, schüttelte zu sich selbst den Kopf, nickte und aß weiter.

Sie saßen kaum eine halbe Stunde in der Küche, bevor sie gemeinsam aufräumten und gemeinsam wieder nach oben gingen. Die Luft zwischen ihnen war irgendwie immer noch geladen, da sie sich nicht wirklich vertragen hatten, aber Ventus wusste nicht ganz, was er dagegen denn tun sollte. Sie kamen in ihrem gemeinsamen Zimmer an, und während Vanitas sich auf sein Bett schmiss und zum Fernseher rüberreichte, da er wohl wieder mal einen Film schauen wollte, blieb Ventus an der Tür stehen und dachte nach.

„Willst du da noch lange stehenbleiben oder rüberkommen? Oh, und mach das Licht aus.“ Jetzt, da du so lieb gefragt hast, mache ich das natürlich für dich, wollte er schon sagen, ließ es dann aber bleiben, schaltete das Licht aus und überlegte, ob das Angebot mit dem ‚Rüberkommen’ ernstgemeint war.

Er rührte sich keinen Millimeter, starrte stattdessen gebannt auf Vanitas’ Füße, die in der Luft baumelten. Irgendwie amüsant, da es so gar nicht zu ihm passte, diese Pose…

„Was ist denn jetzt? Du kannst gerne von da aus gucken, aber glaub nicht, dass ich das Angebot ein zweites Mal mache“; nun gut, vielleicht sollte er die Situation doch nutzen. Er ging also zu dem Bett rüber, dass sie schon mal geteilt hatten – wobei die Erinnerung ein wenig peinlich war und er an die Sache mit dem Polohemd zurückdenken musste – vielleicht war Roxas deswegen so schnell darauf gekommen? Sicher dachte er, das wäre doch kein Versehen gewesen!

„Was ist?“, Ven schreckte hoch, blinzelte mehrfach und schüttelte dann den Kopf. „Oh, oh…nichts. Ich hab nur…nachgedacht“ – „Klingt ja spannend.“

Sie starrten sich an, im Hinterkopf hörte Ventus die Einleitungsmusik von dem Film, den Vanitas angeschmissen hatte, konnte sich aber nicht wirklich darauf konzentrieren. Er lief rot an, schon wieder, er merkte das.

Sie verweilten in der Position, nun beide im Schneidersitz, sich anstarrend. Keiner wollte den ersten Schritt machen, egal, in welche Richtung der gehen würde. Es war nicht direkt peinlich oder unangenehm, aber wie eine kleine Herausforderung. Wer der Gewinner sein würde – der, der den ersten Schritt machte, oder der, der es nicht tat – wussten sie beide nicht, aber es war auch egal. Ein breites, beinahe gieriges Grinsen legte sich auf Vanitas’ Gesicht, was den Rotschimmer auf Vens Gesicht nur noch weiter verschlimmerte.

Er wollte das Blickduell schon aufgeben, konnte die Niederlage dann aber doch nicht akzeptieren und lehnte sich deswegen vor, um seinem Gegenüber doch noch einen weiteren Kuss zu stehlen. Es fühlte sich noch besser an als beim ersten Mal, intensiver, da sie irgendwie beide mehr darauf vorbereitet waren und sich danach gesehnt hatten. Was nicht hieß, dass nicht immer noch ein gewisses Maß an Trauer mitspielte.

Ventus spürte eine Hand auf seiner Wange, die eine Träne wegwischte, welche er selbst gar nicht bemerkt hatte, die ihn aber auch nicht wirklich interessierte. Er wusste, dass das hier nicht lange anhalten würde, aber es war ihm gerade zu egal, als dass er die Trauer seinen Verstand ergreifen lassen würde.

Erst als sie sich nach einigen Momenten langsam wieder voneinander lösten und einander erneut in die Augen starrten, wurde ihm erneut bewusst, wie naiv er eigentlich war. Wieso fachte er die ganze Sache noch weiter an, wenn er wusste, dass sie morgen enden würde?

„Bitte, hör für einen Moment auf, nachzudenken. Am besten bis morgen.“

Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als sich ihre Lippen erneut trafen. Das war wohl das Beste. Sie beide wussten, dass es nicht lange halten würde, dass es schmerzen würde, aber jetzt gerade, da schien es unendlich, unendlich schön und überhaupt nicht schmerzhaft.

Ja, jetzt gerade schien es fast schon zu einfach, nicht mehr nachzudenken. Der Abend war noch lang, und es wäre sicherlich Verschwendung, ihn nicht ausgiebig zu nutzen.
 

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Awwww, ist das nicht süß?

Dieses kleine Drama am Ende musste ich noch einbauen - es wäre irgendwie merkwürdig gewesen, hätte das auf Anhieb so gut geklappt.

Dass Roxas und Sora die Sache schon geplant hatten, sollte eigentlich erst im letzten Kapitel rauskommen, aber hier passte es dann doch besser. Das ist auch der Hauptgrund dafür, warum die sich beinahe von den anderen beiden abschotten. >:D
 

Joa...das letzte Kapitel wird wohl noch innerhalb meiner Sommerferien kommen, also innerhalb der nächsten vier Wochen. :3

Es lohnt sich, dranzubleiben! (Eigenlob stinkt...)
 

Liebe Grüße,

Valenfield. :3

VII

Unter den unzähligen Möglichkeiten, wach zu werden – beispielsweise liebevoll von der Person, mit der man das Bett teilte, sanft durch hereindringende Sonnenstrahlen oder auch durch den Geruch deftigen Frühstücks – erwischte Ventus grundsätzlich die Schlechteste. Heute wachte er auf dem Boden auf. Interessanterweise störte ihn das gar nicht sonderlich, da er mit nichts Anderem gerechnet hatte.

„Auch schon wach, Schnarchkommando?“, wurde er herzlichst begrüßt, rieb sich die Augen und zog dann ein böses Gesicht in Richtung des Sprechenden, welcher darüber gluckste und ein schadenfrohes Grinsen aufgesetzt hatte.

„Lass mich raten, du hast mich mit Absicht aus dem Bett getreten...“, schlussfolgerte Ven und knetete sich mit einer Hand den Nacken, während er sich aufrichtete. Irgendwie war er noch müde, was daran liegen konnte, dass sie sehr spät schlafen gegangen waren. Vor allen Dingen hatte er aber tierischen Hunger.

„Nein, auch wenn ich stolz wäre, es getan zu haben. Du hast dich vor ein paar Minuten mit den Worten „ich will Schinken“ rausgerollt.“

Darauf lachte der Blonde lautstark und meinte, sich zu erinnern, tatsächlich von Schinken geträumt zu haben. Und Lust darauf hatte er ohnehin. Während er sich selbst wie gerädert fühlte, wirkte Vanitas schon ziemlich wach, als beobachte er ihn schon länger.

„Ich sehe zwar umwerfend aus, aber musst du deswegen so starren?“

Augenrollend bewarf Ven ihn mit einem Kissen und zog sich etwas an, bevor er das Zimmer wortlos Richtung Küche verließ. Erstaunlicherweise saß hier die gesamte Mannschaft versammelt und spielte irgendein Gesellschaftsspiel. Kurz fragte er sich, ob man sie eingeladen und Vanitas abgelehnt hatte, bemerkte aber, dass es ihm egal war – er hätte sowieso keine Lust gehabt.

„Guten Morgen“, grüßte er mit einem halben Lächeln, gähnte und setzte sich auf seinen üblichen Platz, um zuzusehen. Wenige Sekunden später fand Vanitas sich neben ihm ein, schien aber weitaus weniger am Spiel interessiert.

„Guten Morgen. Möchtet ihr mitspielen? Wir haben gerade erst angefangen“, wurden sie eingeladen, sahen sich kurz an, schüttelten dann synchron den Kopf und Ven musste grinsen.

„Nein, danke, ich denke, wir frühstücken lieber erstmal.“

Zu seinem Glück gab es tatsächlich Schinken, der vorzüglich schmeckte, und genüsslich kauend beobachtete er das Spiel. Es handelte sich wohl um Tabu, ein Ratespiel, bei dem ein Spieler einen Begriff beschreiben, ein anderer ihn erraten musste. Während Ven überaus belustig darüber war, wie begriffsstutzig sich insbesondere Sora manchmal bei Roxas' merkwürdigen Erklärungen verhielt, schien Vanitas kurz davor, die richtige Antwort in den Raum zu werfen, weil er die, wie er es nannte, geballte Dummheit, nicht mehr aushielt.

„Denk dran, wenn er es nicht errät, kriegen sie keine Punkte und verlieren“, flüsterte Ven ihm zu, was den Schwarzhaarigen tatsächlich zufriedenzustellen schien.

Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis die Runde vorbei war und alle die Karten zusammensammelten, wohl um noch mal zu spielen. Ven überlegte, was er stattdessen gern tun würde, ihm war immer noch nicht ganz nach mitspielen, so wohl auch Vanitas.

„Ach kommt schon, ich würde zu gern sehen, wie Vanitas sich blamiert“, stichelte Sora mit einem Grinsen zu seinem Bruder. Dieser schien dadurch angespornt, sich eben nicht zu blamieren und beschloss für Ven mit, dass sie eine Runde spielen würden. Der Blonde seufzte, allerdings war es keine große Überraschung für ihn, dass er mal wieder nicht mit entscheiden durfte.

Das Spiel stellte sich jedoch als weitaus angenehmer heraus, als er befürchtet hatte. Auch wenn er von Vanitas hier und da einen Seitenhieb verpasst bekam, wie dumm er sich doch anstellte und wie dämlich man sein musste, manche Begriffe nicht zu erraten, wusste er, dass es nicht so gemeint war und sich manche Gewohnheiten wohl nicht ablegen lassen würden.

Schlussendlich triumphierten sie. Damit würde Vanitas Sora sicher ewig aufziehen. Wegen eines Gesellschaftsspiels. Ventus fing einen verstehenden Blick seines Bruders auf, sie grinsten sich an und waren wohl beide froh, dass sie sich nicht ständig ansticheln und anmotzen mussten.

„So, genug jetzt, vertragt euch! Wir sind noch zu Kaffee und Kuchen eingeladen, aber ihr könnt ja jetzt wieder zu viert spielen“, meinte Soras und Vanitas' Mutter lieb und beide Elternteile richteten sich damit auf, um das Feld zu räumen. Nun hatte Ven aber wirklich keine Lust auf eine weitere Runde, glücklicherweise waren die anderen da seiner Meinung, allerdings hatten sie auch keine andere Idee.

„Da fällt mir ein, wir wollten doch noch in den Streichelzoo!“, rief Sora plötzlich enthusiastisch und sprang auf. Während Roxas zustimmend nickte, kam von den anderen beiden im Einklang ein genervtes Seufzen. Nicht, dass Ventus etwas gegen Streichelzoos hätte. Er fühlte sich nur zu alt, um ohne ein Kind von unter zehn Jahren hinzugehen.

„Ich schätze, ein wenig frische Luft wäre gar nicht so schlecht“, lenkte er schließlich ein und bekam dafür einen angeekelten Blick von Vanitas, der sich damit auch aufrichtete.

„Dann wünsche ich euch mal viel Spaß. Hatte hier ohnehin schon viel zu lange nicht meine Ruhe.“

Er verließ den Raum und Ven rollte die Augen. Eigentlich hätte er meckern sollen, zumal es ihr letzter Tag zusammen war, aber Vanitas war eben so und er fand sich damit ab. Es wäre sicher auch nett, mal was mit den anderen beiden zu unternehmen, und ewig würden sie wohl auch nicht weg bleiben.

„Worauf wartest du?“, wurde er interessiert gefragt und blickte fragend zu seinem Bruder.

„Mal ehrlich, Ventus. Was denkst du, wer von uns Dreien die größten Chancen hat, ihn vom Gegenteil zu überzeugen?“

„Und wie soll ich das bitte machen?“

„Setz einen Hundeblick auf. Oder drück ihn stürmisch aufs Bett und küss ihn bis zur Besinnungslosigkeit. Mensch, was weiß ich, du bist der von uns beiden, der logischer denken kann.“

Genervt und ohne ein weiteres Wort stand er auf, um Vanitas zu folgen. Den Vorschlag würde er zwar sicherlich nicht in die Tat umsetzen – und er lief bei dem Gedanken auch leicht rot an – aber sich weiterhin dem Trottel-Duo aussetzen...nein, darauf hatte er ebenfalls keine Lust.

Wie erwartet fand er Vanitas in dessen Zimmer vor, jedoch nicht auf dem Bett, sondern vor dem Schrank.

„Was tust du da?“

„Ich packe deine Sachen.“

„Weil?“

Schweigend packte Vanitas weiter und sah nach einigen Sekunden zu ihm hoch, als sei das eine vollkommen unberechtigte Frage und die Antwort offensichtlich.

„Hier hast du was zum Anziehen, ihr wolltet doch weg.“

Ven fragte nicht nach, wieso Vanitas ihm Kleidung rausgesucht hatte, nahm es einfach hin und nickte. Für einen kurzen Moment hatte er den Ausflug sogar schon wieder vergessen, seufzte nun bei der Erkenntnis, dass er es doch nicht allein mit Sora und Roxas aushalten wollte und sah Vanitas beinahe flehend an.

Der packte jedoch unbeirrt weiter und Ven beschloss, ins Badezimmer zu gehen, um sich fertig zu machen. Wie wollte er Vanitas zum Mitkommen zwingen? Er war nun wirklich nicht der Typ für Streichelzoos, zumindest konnte Ven sich ihn nicht beim Streicheln der Kaninchen vorstellen, mit denen man meist im Gehege spielen durfte.

Vielleicht sollte er zu erpresserischen Mitteln greifen. Manchmal half eben nichts Anderes. Er ging zurück ins Schlafzimmer und beobachtete den Schwarzhaarigen dabei, wie er etwas in die Tasche packte.

„Das ist nicht-“

„Das ist mein Lieblingshemd. Mach es schmutzig und du bezahlst mit deiner Seele. Oder deinem Körper, was dir lieber ist“, erklärte Vanitas diabolisch grinsend und wollte damit wohl vom Thema ablenken.

„Wieso packst du mir das ein?“

„Nimm es hin und geh jetzt.“

„Nein, weißt du, wir haben beschlossen, dass du mitgehst. Bevor du widersprichst: Du könntest versuchen, Sora ins Bärengehege zu werfen. Ist das nicht verlockend?“

Er bekam ein leichtes Glucksen als Antwort, Vanitas sah aber nicht allzu überzeugt aus.

„Nett, wie du versuchst, mich mit Angeboten zu überreden. Nein, ich wüsste was Anderes, was ich im Gegenzug gern hätte.“ Das Grinsen hatte sich wieder auf sein Gesicht geschlichen und er richtete sich auf, um zu Ven rüberzugehen. Der ahnte nichts Gutes und bereitete sich darauf vor, zu flüchten, wurde aber schneller gegen die Tür gedrückt, als er wirklich gucken konnte.

Vanitas durchbohrte ihn mit undeutbarem Blick, aber breit grinsend, als erwarte er etwas, und strich ihm beinahe liebevoll über die Wange und durch die Haare.

„Sicher, dass du das nicht als Ausrede nimmst, und sowieso mitgekommen wärst, weil dir ohne mich langweilig ist?“

„Wer weiß?“

Alles andere als sanft presste der Schwarzhaarige seine Lippen auf Vens und starrte ihn, wie Letzterer bemerkte, als er kurz die Augen öffnete, wieder mal dabei an, er ignorierte es jedoch, schloss die Augen wieder und beugte sich leicht vor.

„Kommt ihr dann bald?!“, wurden sie lautstark von draußen unterbrochen, Vanitas seufzte genervt und wandte sich ab, Ven kicherte ein wenig kindlich, antwortete dann aber.

„Ja, ich denke schon!“, und dann leiser: „Ich geh schon mal vor.“

Damit verließ er das Zimmer und wurde schon erwartet. Hin und wieder fragte er sich wirklich, ob diese beiden die ganze Nacht vor der Türe darauf warteten, dass sich drinnen irgendetwas regte, und war sich nicht sicher, ob er ihnen andere Hobbies vorschlagen sollte.

„Was genau tut ihr hier?“

„Äh...warten.“

„Warten? Ihr habt auch echt überhaupt nichts Besseres zu tun, oder?“

Treudoof schüttelten beide grinsend ihre Köpfe, sahen sich dann an, kicherten und wandten sich ab, um vorzugehen. Seufzend folgte Ven ihnen, ahnend, dass es erneut ein anstrengender Tag werden würde. Wenigstens war es ein wenig sonniger als an den vorherigen Tagen, sodass er mit seinem Pullover ohne Jacke hoffentlich nicht frieren würde.

„Starrst du Löcher in die Wand?“, fragte ihn Vanitas, der an ihm vorbei ins Badezimmer ging und ihn dabei in die Seite knuffte.

„Nein, ich warte, dass die Diva sich ein bisschen beeilt“, erwiderte er fröhlich lächelnd, als die Tür ins Schloss fiel.

„Ich zeig dir gleich, wer eine Diva ist. Wart's nur ab.“

Irgendwie klang es aber inzwischen nicht mehr sehr angsteinflößend, wenn Vanitas ihm drohte, was den Vorteil hatte, dass Ven nicht mehr so schreckhaft in seiner Nähe war. Einer der Nachteile jedoch war, dass er nie wusste, wann er wirklich flüchten sollte und Vanitas ernsthaft beleidigt war.

„Wir warten dann unten, Prinzessin.“

Er wartete keine Sekunde länger und lief zügig die Treppe runter, da er befürchtete, sonst noch für diese Worte bestraft zu werden. Zu seinem unglaublichen Glück fand er unten zwei Tratschtanten, die sich irgendwas auf Roxas' Handy ansahen und wirkten wie zwei amüsierte Dreijährige. Nicht, dass sie geistig normalerweise weit davon weg waren.

„Weiht ihr mich ein oder bin ich dafür nicht cool genug?“, fragte er nur mäßig interessiert und ließ sich zum Warten auf der Treppe nieder.

„Es ist so lustig!“

„Das musst du dir ansehen!“

Er bekam das Handy gereicht und durfte sich ein Video ansehen, bei dem irgendwelche Menschen hinfielen und dabei anscheinend lustig aussahen. Allerdings hatte er eher Mitleid, wissend, dass ihm so was auch ständig passierte.

„Ihr seid ja noch gemeiner als der Kerl da oben“, mokierte er sich, als er das Mobiltelefon zurückgab und spürte einen nicht besonders festen Schlag auf seinen Kopf. Immerhin musste er jetzt nicht mehr warten.

„Niemand ist gemeiner als ich, merk dir das.“

Das Trottel-Duo gluckste im Einklang und Ven richtete sich augenrollend auf. Ja, das würde lustig werden. Warum hatte er noch mal zugestimmt? Ihm kam urplötzlich wieder das merkwürdige Bedürfnis, sich oben einzusperren und den Tag vorbeiziehen zu lassen, aber er riss sich zusammen und sie machten sich alle gemeinsam auf den Weg.

Dass sie wirklich in den Streichelzoo gingen, hatte er nie bezweifelt. Dann aber wirklich davor zu stehen, vier Teenager, ohne ein Kind, kam ihm aus irgendeinem Grund einfach merkwürdig vor.

„Ich frag mich ja, wie dieses Zeug schmeckt“, hörte er plötzlich von Seiten Soras und beherrschte sich, nicht eine Hand vor seine eigene Stirn zu schlagen. Natürlich hatten die beiden Trottel für jeden dieses Futter gekauft, mit dem man bestimmte Tiere füttern durfte, und nun lief jeder von ihnen mit einem – beziehungsweise Ven mit zwei, da Vanitas sich strikt geweigert hatte, das anzufassen – Beutel Futter in der Hand durch die Gegend und sahen sich Tiere an.

Ventus begutachtete die zugegebenermaßen überaus niedlichen Meerschweinchen in ihren recht groß gehaltenen Käfigen, die aber ziemlich gelangweilt wirkten, und warf dann einen Blick zu Vanitas, der sich mit verschränkten Armen wohl ein Blickduell mit einer Eule lieferte.

Der Anblick war zu herrlich, um nicht zu lachen, und er überbrückte die wenigen Meter zwischen ihnen, um den Schwarzhaarigen leicht zu tacklen.

„Du duellierst dich wirklich mit einer Eule?“

„Von der kann ich weitaus mehr erwarten als von euch.“

Erneut lachend wandte er sich wieder ab und stellte erstaunt fest, dass Sora und Roxas es tatsächlich bereits geschafft hatten, ihr Futter fallenzulassen und den Boden damit neu zu dekorieren.

„Genau das meine ich“, hörte er Vanitas sagen, drehte sich zu ihm und sah, dass dieser sich entfernte, um bloß mit keinem von ihnen in Verbindung gebracht zu werden. Eigentlich war es fast drollig, denn nun starrte er wenige Meter entfernt einen Papagei an, der zurückstarrte und dabei den Kopf von einer Seite zur anderen wippte.

Vanitas wirkte wahrlich nicht wie ein besonders tierlieber Mensch, aber er schien sich mit ihnen weitaus besser zu verstehen als mit seiner eigenen Familie. Ven warf einen Blick zu Sora und Roxas und musste allerdings zugeben, dass ihm ihre peinlich kindliche Art auch ein wenig unangenehm war. Sie hatten wirklich ein außerordentliches Talent dafür, sich selbst und auch ihre Mitmenschen zu blamieren.

Entschlossen ging nun auch Ven weiter und stupste beim Vorübergehen Vanitas in den Rücken, rechnete allerdings nicht mit einer Reaktion und war umso geschockter, als der Schwarzhaarige plötzlich neben ihm herging und scheinbar unschuldig einen Arm um seine Schulter legte. Nein, das würde nicht gut enden, das konnte Ven aus dem süffisanten Lächeln ablesen. Für den Moment geschah aber nichts Schlimmes, weswegen er es geschehen ließ und sie zusammen ein Stück weiter trotteten, um bei den Affen anzuhalten.

„Ich glaube, ich denke noch mal über deine Idee mit Sora und den Käfigen nach, jetzt, da ich seine richtige Familie gefunden habe“, erklärte Vanitas staubtrocken und zeigte auf einen Schimpansen, der sich erst unter einem Arm kratzte und schließlich die Hand in den Mund steckte.

Aus irgendeinem Grund musste Ventus über die Aussage, so offensichtlich sie auch gewesen war, herzhaft lachen. Er würde nicht unbedingt zustimmen, aber es klang wirklich lustig und die Vorstellung, Sora würde mit im Käfig rumhüpfen, kam ihm merkwürdigerweise gar nicht ganz so abwegig vor, wie man eigentlich glauben würde. Manchmal war der Brünette wirklich auf der Ebene eines Dreijährigen, der die Welt noch nicht so ganz verstand.

Amüsiert beobachtete Ven einen Baby-Schimpansen, der sich ziemlich vorsichtig umherbewegte, aber unglaublich viel Spaß zu haben schien. Es war wirklich unfassbar süß, auch wenn Vanitas das, wie er mit einem Blick zur Seite feststellte, anders zu sehen schien.

„Okay, dann lass uns weitergehen!“, schlug er vor und grinste dabei. Nein, Vanitas schien wirklich kein besonders tierlieber Mensch zu sein, aber augenscheinlich bemühte er sich. Der Arm wurde von Vens Schulter gehoben und er wollte sich schon freuen, dass nichts Schlimmes passiert war, als Vanitas weiterging, es dann aber nicht versäumte, Ven lautstark und fest auf den Hintern zu schlagen.

Sein Grinsen wich einem beinahe neutralen, schwer deutbaren Blick. Seine Augenlider senkten sich und er atmete einen Moment tief durch. Es fühlte sich bescheuert an, eine solche Geste zu erfahren und das schien genau das Ziel gewesen zu sein, weswegen er entschlossen hinter Vanitas herstürmte mit dem Willen, ihn umzureißen.

Dieser Plan ging jedoch mehr als nur nach hinten los, denn er hatte nicht Bedacht, dass Vanitas ziemlich standhaft war und sich – so fühlte es sich jedenfalls an – in einen Stein verwandeln konnte, wenn es von Nöten war. So ergab es sich, dass Ven in den Rücken des Monsters hineinlief, ohne irgendwelche Schäden zu hinterlassen. Stattdessen drehte sich sein geliebter Freund um und zog verwirrt eine Augenbraue hoch.

„Was genau sollte das werden?“

„Ist doch egal. Idiot.“

Schmollend ging Ven weiter und verschränkte die Arme vor der Brust. Irgendwann würde er diesen Kerl in einem vollkommen unerwarteten Moment erwischen und es ihm richtig heimzahlen, einfach alles, was er je gemacht hatte, oder ihn ordentlich blamieren. Nur ein einziges Mal, mehr verlangte er wirklich nicht.

„Mal eine ernstgemeinte Frage an dich: Was genau tun wir hier eigentlich?“, wurde er plötzlich gefragt und hielt inne. Im ersten Moment klang die Frage blöd, schließlich war es ziemlich offensichtlich, was man wohl in einem Streichelzoo tat, aber bei genauerer Überlegung konnte er keine richtige Antwort geben.

„Worauf willst du hinaus?“, konterte er deswegen nur, weil er wusste, dass diese Worte nicht von ungefähr kommen konnten. Was hatte Vanitas dieses Mal vor? Es konnte auf jeden Fall nichts Gutes sein.

„Siehst du dann. Schenk das Futter den beiden Kindern dort drüben, die haben keins mehr“, befahl Vanitas beinahe und zeigte auf ein Geschwisterpärchen wenige Meter von ihnen. Das sollte wohl heißen, dass sie den Zoo jetzt verlassen würden? Eigentlich war Ven damit sogar mehr als einverstanden, weswegen er nickte und tat, wie geheißen.

Die Kinder freuten sich über das zusätzliche Futter und die Eltern darüber, dass sie fürs Erste keins nachkaufen mussten. Die strahlenden Gesichter der Kleinen entlockten Ven ein Lächeln, bevor er sich abwandte und Vanitas hinterherging, der auf den Ausgang zusteuerte.

„Du könntest mir wenigstens verraten, wo wir hingehen.“

„Können und wollen sind zwei verschiedene Dinge. Wart's einfach ab.“

Augenrollend akzeptierte Ven für den Moment, keine Informationen zu bekommen, und folgte einfach. Dass sie sich nicht bei Sora und Roxas verabschieden würden, war ihm egal – die hatten sie wahrscheinlich ohnehin vergessen und schon den gesamten Boden neu eingerichtet.

Jetzt, da sie in die Freiheit getreten waren, schenkte er zum ersten Mal ihrer Umgebung Aufmerksamkeit. Der Zoo lag mitten in einem kleinen Wäldchen und heute war ein wirklich sonniger Tag, wodurch die Atmosphäre ziemlich nett war. Normale Paare hätten so etwas wohl für einen schönen Spaziergang benutzt. Ven jedoch war auf irgendeine Art froh, dass Vanitas sich überhaupt mit ihm sehen ließ und dachte gar nicht daran, sich so was bei ihnen vorzustellen.

„Kommst du jetzt?“, wurde er gefragt und schreckte auf. Er hatte gar nicht gemerkt, stehengeblieben zu sein, und holte zügig die paar Meter auf, die Vanitas vorgegangen war. Auch wenn er sich unglaublich umgänglich verhielt, war Ven immer noch misstrauisch und konnte absolut nicht einschätzen, wo sie denn nun hingehen würden.

Eine gute Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, Vanitas wirkte zielstrebig, Ven hingegen genoss die hübsche Umgebung und belächelte ein paar Tiere, die er hier und dort entdeckte.

Irgendwann, es musste eine gute halbe Stunde vergangen sein, wollte ihn die Neugierde aber doch bald auffressen, weswegen er quengelig an Vanitas' Hand zog, um zu zeigen, dass er eine Antwort erwartete. Er wurde nüchtern angesehen, seine Hand dann gepackt und schließlich weitergezogen. Glucksend dachte er sich, dass das wohl das Nächste war, was für sie beide tagsüber an ein liebevolles Händehalten herankommen würde.

Sie betraten einen eigentlich ziemlich öde ausschauenden Park. Er war nicht besonders hübsch gemacht, eher ein wenig vernachlässigt, und irgendwie wunderte es Ven so gar nicht, dass sie an einen solchen Ort gehen würden. Doch er sollte überrascht werden, gleich nachdem er gezwungen wurde, einen überaus steilen Weg zurückzulegen, der sie auf eine Art Berg brachte.

Erst schnaubte er leicht außer Atem, dann stockte ihm dieser kurz ganz. Das war...Er blickte sich um und fand keine Worte. Er war sich sicher, dass sie sich immer noch im Winter befanden – ihm war nämlich nicht sonderlich warm – und dennoch blühten hier schon die ersten Frühjahrsblumen, primär Krokusse, und ließen die Wiese wirken, als seien sie mitten im Frühling.

„Is' nich wahr!“, hörte er sich selbst staunen und war wirklich absolut baff. Seine Hand wurde losgelassen und Vanitas ging ein paar Schritte vor, um sich dort gemütlich ins Gras sinken zu lassen. Absolut niemand war weit und breit zu sehen, auch wenn das in Anbetracht dessen, was hier zu sehen war, absolut unglaublich klang.

„Woher kennst du so einen Ort?“, fragte er, immer noch mehr als hin und weg, und trat zu Vanitas rüber, um sich neben ihn zu setzen. Der Angesprochene ließ sich Zeit, um zu antworten, und hatte die Augen geschlossen, als sei er vollkommen entspannt, setzte dann aber an.

„Zufällig entdeckt. Hier ist so gut wie nie jemand und ich hab noch nie jemandem davon erzählt. Es ist quasi...mein Platz“, erklärte er langsam, als könne er dabei etwas Falsches sagen, aber für Ven fühlte es sich genau andersrum an.

Vanitas teilte seinen persönlichen Lieblingsort mit ihm und das war ein tolles Gefühl, dass er mit Worten nicht unbedingt hätte beschreiben können. Freude? Begeisterung? Ja, das traf es ziemlich gut.

Zufrieden seufzend ließ er sich komplett fallen und drückte seinen Kopf in die etwas kühle Wiese. Er konnte sich kaum vorstellen, wie schön dieser Ort erst im Frühling oder Sommer sein würde. Etwas geknickt stellte er fest, dass er das wohl nicht erleben würde.

„Was verstimmt dich?“, wurde er gefragt und dachte kurz nach.

„Hab mich gefragt, wie's hier wohl im Sommer aussieht. Aber das werde ich ja kaum zu Gesicht bekommen.“ Er schloss die Augen, war aber nach einer Weile ein wenig verwundert, dass darauf nichts mehr folgte und öffnete sie deshalb wieder. Anscheinend war er die ganze Zeit skeptisch angeschaut worden, weshalb er jetzt den Kopf schieflegte.

„Was denn?“

„Ich verlange, dass du darauf bestehst, mich in jeder deiner möglichen freien Minuten sehen zu dürfen.“

Kurz reagierte Ven nicht auf diese Worte, dann musste er jedoch glucksen. Das klang wirklich sehr ulkig und obwohl er sicher war, dass Vanitas das ernst meinte, konnte er es für einen kurzen Moment kaum glauben. War das seine Art, ihm zu sagen, dass er ihn um sich haben wollte?

„Ich befürchte, die Fahrt dauert etwas lange, als dass es sich lohnen würde, jedes Wochenende vorbeizuschauen.“

„Dann eben jedes Zweite.“

„Vanitas...“

Nun ließ der Schwarzhaarige ein belustigtes Geräusch hören, aber er schien die Sache dennoch ziemlich ernst zu nehmen. Ventus hatte geglaubt, er wäre eher der lockere Typ, der seinen Freiraum brauchte, aber inzwischen wirkte er fast anhänglich. Nur eben auf die Art, dass er es nicht selbst zeigen wollte, sondern Ven die Rolle aufdrängte, sich darum zu kümmern, dass sie sich so oft wie eben möglich sehen konnten.

„Ich mein's ernst, Ven. Du solltest darauf brennen, mich bei dir haben zu können. Und wehe, du ersetzt mich einfach.“

Das hatte er zwar ohnehin niemals vorgehabt – und er glaubte auch nicht, dass er das ohne Weiteres könnte, selbst wenn das sein Ziel wäre – aber es war mehr als niedlich, diese Worte zu hören. Es waren diese Dinge, die niemand außer ihm zu hören bekam, die ihm am besten gefielen; die ihm zeigten, dass er etwas Besonderes für diesen scheinbar unausstehlichen Kerl war – und er liebte es!

„Du möchtest mir also sagen, dass du mich bei dir haben willst, aber drückst es so aus, als hätte das gar nichts mit deinen eigenen Wünschen zu tun, hm?“, neckte er ein wenig und richtete sich damit auf, damit sie auf Augenhöhe des jeweils anderen waren.

Für einige Zeit blickten sie sich an und schwiegen. Ven mit einem zufriedenen, breiten Lächeln, Vanitas mit einem beinahe hochnäsigen, leichten Grinsen. Normalerweise mochte Ven es überhaupt nicht, jemanden über einen längeren Zeitraum anzustarren, geschweigedenn, lange angesehen zu werden, aber jetzt fühlte es sich absolut richtig und gut an. Als sei es einfach so vorbestimmt.

Und trotzdem wurde ihm langsam aber sicher kalt. Er hatte wieder einmal vergessen, dass es Winter war und somit früh dunkel und auch kühler werden würde. Nun bereute er es, keine Jacke angezogen zu haben, aber zu seinem Glück hatte er jemanden neben sich sitzen, der nicht wirkte, als sei ihm ansatzweise so kalt wie ihm selbst.

Genau deswegen löste er den Blickkontakt, um näherzurücken und sich anzulehnen in der Hoffnung, dass ihm das genügend Wärme spenden würde. Es war tatsächlich angenehm – und das in vielerlei Hinsicht – aber kalt war ihm trotzdem noch.

„Ob du je daran denken wirst, dich ausreichend warm anzuziehen?“

„Wer weiß? Vielleicht will ich nur, dass du mich warm halten musst.“

Nun, eigentlich er an so etwas gar nicht gedacht, aber es war trotzdem sehr nett, einfach hier zu sitzen und die Zeit zu genießen, die sie eben noch zusammen verbringen konnten. Gerade deswegen rückte er noch etwas näher heran, als wolle er in den Körper neben sich hereinkriechen, und schloss zufrieden murrend die Augen. Ja, es fühlte sich gut an, auch wenn er das vor einigen Tagen für irrsinnig gehalten hätte.

Zusätzlich bekam er die Reaktion, die er sich gewünscht hatte – ein Arm, der sich um seinen Körper legte und ihm zusätzliche Geborgenheit wie auch Wärme schenkte. Könnte es besser werden?

„Bring mich nicht auf falsche Gedanken“, wurde seine beinahe aufdringliche Geste des Herankuschelns kommentiert, wenn auch vollkommen kritiklos, was ihn aus irgendeinem Grund wieder zum Grinsen brachte.

„Was für Gedanken denn?“, fragte er mit neugierigem Unterton und blickte dabei in Vanitas' beinahe gierig schauende Augen. Schneller, als es ihm lieb war, wurde er am Brustkorb zurück in eine liegende Position gedrückt und drängend sowie gleichzeitig sanft geküsst. Sein Herz schlug ein wenig schneller als üblich und sein Magen zog sich ein bisschen zusammen. Es war zwar nicht ihr erster Kuss, aber – wie er feststellte, als er es kurz wagte, ein Auge zu öffnen – der Erste, bei dem Vanitas tatsächlich seine Augen geschlossen hatte.

Aus irgendeinem Grund gab Ven diese Tatsache ein triumphartiges Gefühl, als hätte er etwas Besonderes erreicht, und entlockte ihm ein Lächeln, bevor er sich ziemlich gedankenlos weiter in den Kuss lehnte. Ihm hätten die Worte gefehlt, es zu beschreiben, und er vergaß für einen Moment sogar, zu atmen.

Er bekam jedoch die Gelegenheit, tief Luft zu holen, als sich ihre Lippen voneinander lösten, hielt seine Augen aber geschlossen, als würde er sonst etwas verpassen, und gab ein zufriedenes Geräusch von sich, als seine Wange gestreichelt wurde. Für mehrere Minuten verharrten sie stumm in dieser Position und gerade, als er seine Augen öffnen wollte, wurde er aufgehalten, indem nun seine andere Wange mit Küssen bedeckt wurde, die bis zu seinem Nacken wanderten.

Ein leichtes Zucken durchfuhr seinen Körper und er bekam eine mehr als angenehme Gänsehaut, war jedoch insgeheim ein wenig panisch, hier doch von irgendwem gesehen zu werden, und daher froh, dass Vanitas sich lediglich ausgiebig an seinem Hals zu schaffen machte. Das würde wahrscheinlich wieder einen deutlich sichtbaren Knutschfleck geben, auch wenn es ihn dieses Mal überhaupt nicht störte.

Er kicherte, als irgendeine Bewegung an seinem Hals ihn kitzelte, und wurde daraufhin erstmal losgelassen und konnte sich aufrichten.

„Ist dir jetzt wärmer?“

Etwas peinlich berührt nickte er. Ihm war sogar viel wärmer, seine Wangen fühlten sich ziemlich heiß an und er fühlte sich einfach nur großartig. Wenn er daran dachte, dass er das eigentlich mehr als nur einen Tag hätte genießen können, kam er sich ein bisschen dumm vor, aber es war nicht mehr zu ändern.

„Das gefällt mir so noch nicht“, hörte er Vanitas sagen und kam nicht dazu, ihn fragend anzusehen, bevor sein Kopf gepackt und leicht zur Seite gelegt wurde, um seinen Hals freizulegen. Der Knutschfleck? Ven lachte auf und hatte ein bisschen das Gefühl, dass Vanitas sich Mühe geben würde, einen zu machen, der möglichst lange hielt.

„Halbfertig gibt es bei dir nicht, hm?“

„Absolut nicht.“

Aber er kam nicht dazu, weiterzumachen, da ein Handy – Vens – zu klingeln begann und beide genervt aufstöhnen ließ. Typisch. Im Normalfalle verzichtete das Trottel-Duett dankend auf sie beide, aber natürlich mussten sie genau jetzt nerven.

Ein wenig unzufrieden hob er ab und ließ sich einen Kurzvortrag darüber halten, wie gemein es doch sei, einfach abzuhauen, schließlich hätte auch etwas passiert seinen können. Skeptisch hob er eine Augenbraue.

„Und was sollte bitte passiert sein?“

Es hätte jemand ins Bärengehege gefallen sein können!“

„Ist das nicht eher euer Spezialgebiet?“

Wo seid ihr denn jetzt?!“

„Sag ich nicht. Bis später.“

Damit legte er auf und las nicht mal mehr die vollkommen entrüstete SMS, die er daraufhin erhielt, bevor er das Handy abschaltete und in seine Tasche steckte. Absolut oscarreif, sich ausgerechnet jetzt zu melden.

„Du kannst ja ganz schön zickig sein, wenn man dir auf die Nerven geht.“

„Aber das wusstest du schon, nicht wahr?“

Er grinste ein wenig keck, auch wenn diese Erinnerungen vielleicht nicht die Nettesten waren. Sein schlechtes Gewissen hielt sich zwar, gelinde gesagt, in Grenzen, aber er würde alsbald nicht vergessen, wie gruselig ein wütender Vanitas sein konnte, wenn er wollte.

Ein wenig verwunderte blinzelte er und erwachte aus seiner nachdenklichen Trance, als ihm vor die Stirn geschnipst wurde.

„Hey!“

„Wir gehen jetzt nach Hause. Du zitterst.“

Das stimmte sogar, auch wenn es ihm selbst wahrscheinlich nicht aufgefallen wäre. Ihm war sogar ziemlich kalt, aber eigentlich war ihm noch nicht danach, diesen Ort zu verlassen.

„Müssen wir?“

Er bekam keine Antwort, stattdessen wurde er auf die Beine gezogen, was ihm ein Schmollen entlockte, und wurde dazu gezwungen, mitzugehen. Na gut, dachte er sich. Aber irgendwann wollte er diesen Ort wiedersehen.

Für einen kurzen Moment hielt er an, als sie an dem steilen Weg nach unten ankamen und drehte sich ein letztes Mal um. Der Gedanke, der einzige Mensch zu sein, mit dem Vanitas diesen Ort wohl teilen würde, entlockte ihm ein kindliches Lachen und ein breites Lächeln, bevor sie sich schließlich auf den Weg machten.

Sie trafen auf ungewöhnlich wenige Menschen – und Ven war sich sicher, dass das seinen Grund hatte – und kamen weitaus schneller an ihrem Ziel an, als es ihm lieb gewesen wäre.

Dennoch würde er nicht bestreiten, sich zu freuen, ins Warme zu kommen. Es war wirklich sehr kalt gewesen, auch wenn er versucht hatte, es zu verdrängen.

Zielstrebig wurde er an der Hand die Treppe herauf gezogen, ohne die Gelegenheit zu bekommen, das zu hinterfragen.

„Hey, hey! Was denn?“

„Du hast mir noch nichts von dir gegeben, was dich davon abhält, mich abzuschreiben.“

Vanitas klang toternst, was Ven glucksen ließ. Die Sache mit dem Hemd – welches ihm höchstwahrscheinlich nicht mal besonders gut stehen würde – hatte er schon fast wieder vergessen, dachte dann aber nach.

Wahrscheinlich sollte es also etwas sein, was er nicht so gern entbehren würde. Davon hatte er mehrere Teile. Sein Lieblingsshirt, seinen Lieblingspullover...

Er entschied sich für das Shirt, da er den Pulli wohl brauchen würde, schließlich war es immer noch sehr kalt und er hatte nicht so viele. Zu seinem Glück befand sich beides noch im Schrank und war nicht bereits gepackt.

„Grün steht mir nicht“, erklärte Vanitas mit leicht pikiertem Blick, als Ven ihm das Objekt der Begierde hinhielt, was den Blonden die Augen rollen ließ.

„Damit hätte ich irgendwie rechnen sollen, oder?“

Er blieb jedoch dabei; dieses Oberteil war für ihn persönlich ein Opfer, dass er gar nicht gern erbrachte, also sollte dieser Kerl es gefälligst annehmen!

„Damit musst du wohl leben, denn ich werde mich nicht umentscheiden“, erklärte er, streckte seine Zunge aus, legte das Oberteil wieder in den Schrank und machte sich dann daran, den Rest zu packen.

Ihm kamen Erinnerungen an den dämlichen Aufenthalt in der Skihalle, während welchem sie sich beidermaßen alles andere als elegant angestellt hatten; an den Schwimmbadbesuch, der ihn ziemlich verwirrt zurückgelassen hatte; an den Abend, an dem er sich geweigert hatte, in ihr gemeinsames Zimmer zurückzukehren.

Nun, da er darüber nachdachte, war das meiste wahrscheinlich unfassbar kindisch wie unnötig gewesen, andererseits glaubte er auch nicht, dass sie sich einander ohne die Streitigkeiten angenähert hätten, also war es wohl in Ordnung.

„Erwachst du heute noch mal aus dem Delirium?“

Er schreckte hoch, schüttelte kurz verwirrt den Kopf und lachte dann mit entschuldigender Tonlage.

„Ich musste an die letzten Tage denken.“

„Sicher ist dir bewusst geworden, wie schrecklich unumgänglich du dich verhalten hast.“

Damit ließ der Sprechende sich grinsend auf sein Bett fallen, wahrscheinlich noch vollkommen überzeugt von dieser Aussage. Nein, da war Ventus definitiv anderer Meinung, aber es würde wohl nichts bringen, darüber zu diskutieren.

„Hoffentlich war das an dich selbst gerichtet.“

„Ich bin doch nun wirklich menschenfreundlich.“

„Nee, ist klar.“

„Ven!“

Sein Blick huschte zur Tür und sein Blick verfinsterte sich. Nun blieb wirklich nicht mehr viel Zeit, die man nutzen könnte, und irgendwie fühlte er sich wieder einmal unangenehm beobachtet.

Kurz überlegte er, gar nicht erst zu antworten, ging dann aber doch zur Tür rüber. Nun, da er darüber nachdachte, hatte er wohl noch einen Vortrag vor sich, wie unhöflich es doch sei, einfach aufzulegen und das Handy abzuschalten. Dennoch öffnete er die Tür.

„Oh, ihr seid also doch da! Ich hab mir schon Sorgen gemacht...jedenfalls fahren wir bald, du kannst deine Sachen schon mal runterbringen!“

Er nickte und schloss seinem Bruder die Tür wieder vor der Nase. Wenn er sich im Laufe der Woche eins von Vanitas abgeschaut hatte, dann absolute Dreistigkeit und Unhöflichkeit.

Seufzend stellte er fest, dass das vielleicht eine der harmlosesten Charaktereigenschaften war, die er sich hatte abschauen können, und war demnach doch recht froh darüber.

„Willst du über belanglose Dinge grübeln oder die Zeit nutzen?“, wurde er gefragt und wandte sich zum Sprechenden, der skeptisch aussah, als sei es vollkommen irrational, in so einem Moment in Gedanken versunken zu sein.

Grinsend überbrückte Ven die paar Schritte zwischen Tür und Bett, ließ sich auf Letzteres sinken und starrte in ein paar goldene Augen, das ihn prüfend musterte.

„So belanglos ist das gar nicht, weißt-“

Er wurde unterbrochen, indem man ihn in die weiche Matraze drückte und begutachtete. Wollte er wissen, was das nun sollte?

Verwirrt zog er also eine Augenbraue hoch und zuckte zusammen, als er eine Hand an seinem Hals spürte. Damit hatten er wohl unwiderruflich gezeigt, dort mehr als kitzlig zu sein, und es war wohl überflüssig, zu erwähnen, dass dies nicht unbemerkt blieb und sofort ausgenutzt wurde.

„Nein, bitte nicht!“, rief er unter Lachen und versuchte, sich zu wehren, war jedoch am Bett festgepinnt und körperlich weitaus weniger kräftig, konnte es also nur über sich ergehen lassen.

„Du weißt...was...ich mache!“, presste er angestrengt hervor, aber anscheinend wurde ihm nicht geglaubt. Sollte er es wagen? Eigentlich wäre es verdient, schließlich war kitzeln auch nicht besonders nett, er kam jedoch nicht dazu, da von ihm abgelassen wurde.

„Nächstes Mal solltest du mich besser anflehen, dich zu verschonen. Bereite dich schon mal drauf vor.“

Dafür würde er zwar erstmal genügend Zeit haben, er glaubte allerdings nicht, dass man sich auf so etwas vorbereiten konnte.

Schwer atmend stand er auf, richtete seine verwühlte Kleidung und rieb sich die Augen. Es wurde schon spät, dunkel war es ohnehin schon vollständig, und er hatte auch eine Menge Schlaf nachzuholen.

„Geht's los?“

Er nickte und versuchte, Vanitas' recht ungreifbaren Blick zu deuten. Zu einem direkten Schluss kam er nicht, meinte aber, eine Spur Bitterkeit zu erkennen, was ihn schmunzeln ließ. So ging es ihm gleichermaßen.

Mit einem hoffentlich halbwegs aufmunternden Lächeln drückte Ven ihm einen kurzen Kuss auf, nahm dann seine Tasche und verließ das Zimmer.

Einen letzten Blick wagte er, dachte noch einmal an die Woche zurück, nickte dann zufrieden und machte sich auf den Weg.

„Da seid ihr ja endlich! Ihr lasst einen aber auch wirklich warten.“

„Hi Mama. Hi Papa.“ Geflissentlich ignorierte Ven die Worte seines Bruders, wissend, dass nichts Gutes dabei herauskommen würde, darauf einzugehen. Es würde wahrscheinlich nur einen peinlichen Spruch auf seine kosten provozieren.

Ihre Eltern lächelten zufrieden, offenbar glücklich darüber, dass alle in einem Stück waren und sich anscheinend gut verstanden hatten. Was im Detail dahintersteckte, mussten sie in Vens Augen noch nicht unbedingt wissen, aber da er ohnehin ein eindeutiges Mal am Hals hatte, würden sie irgendwann schon von selbst fragen.

Gemeinsam brachten sie ihre Taschen zum Auto, verstauten alles und machten sich dann bereit zum Aufbruch.

Seufzend, wenn auch nicht direkt unzufrieden, ließ Ven sich neben Roxas nieder und warf ihm ein kurzes Lächeln zu, bevor er sich an seine Fensterscheibe wandte, an die geklopft wurde, um sie ein Stück weit zu öffnen.

„Nun hätte ich beinahe vergessen, dir etwas Wichtiges zu sagen!“

Das Grinsen auf Vanitas' Gesicht war mehr als nur diabolisch und verärgert über sich selbst kam Ven der Gedanke, dass es auch naiv wäre, zu glauben, er käme ohne einen letzten peinlichen Moment nach Hause.

„Ach, was denn?“, fragte er und versuchte locker zu klingen, war aber doch ein wenig beunruhigt und hätte das Fenster am liebsten wieder hochgefahren, um sich nicht blamieren lassen zu müssen.

„Oh, die Sache mit dem ersten Knutschfleck...“ Sein Grinsen weitete sich noch, falls das möglich war, und Ven meinte, von neben sich ein unterdrücktes Glucksen zu hören, für welches er sich später noch rächen würde. Nun aber galt seine Aufmerksamkeit aber Vanitas, der dazu ansetzte, seinen Satz zu beenden.

„Der war volle Absicht!“

Lachend wandte er sich ab, um zum Haus zurückzukehren, und Ven blieb nichts, als ihm mit vor Schock weit offen stehendem Mund nachzublicken.

Dieser Mistkerl! Diese fiese Ausgeburt der Hölle, dieses Monster! Das würde er ihm so heimzahlen!

Mit dem Ziel vor Augen, die gesamte Fahrt über mit niemandem zu reden, und aus Selbstschutzgründen nicht mal einen Blick zu seinem Bruder zu wagen, starrte er im Fenster sein tiefrot angelaufenes Spiegelbild an.

Aber eigentlich, wenn er so darüber nachdachte, war es wohl ganz besonders diese überaus dreiste, gar unverschämte Art, die er an Vanitas ganz besonders mochte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das wars! Ende Gelände, auf Wiedersehn, Seven Days. ;_;
An dieser Stelle mag ich noch mal jedem danken, der die FF gelesen, favorisiert, kommentiert, empfohlen, [...] hat! Die Geschichte hat mich sehr lange begleitet und erst wirklich zu einem Hardcore-VanVen-Fan gemacht, der ich bis heute bin, und auch wenn es wirklich tierisch lange gedauert hat, sie zu beenden, möchte ich keine der Erinnerungen und Erfahrungen missen, die ich durch diese FF machen durfte.
Danke, danke, danke und ganz viel Liebe an alle Leser. <3
Bis zum nächsten Mal,
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Kommentare zu dieser Fanfic (26)
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Von: abgemeldet
2014-07-05T22:28:58+00:00 06.07.2014 00:28
Ohhhh bitte bitte bitte bitttteeeee lade so schnell wie möglich das nächste Kapitel hoch *Q*
Von: LittleRoxas
2012-10-15T17:24:54+00:00 15.10.2012 19:24
*das eben nochmal durchlesen musste*
Hach ja... das Kapitel finde ich immer noch voll awesome~ <3
Von:  Hide-Behind
2012-07-26T08:09:12+00:00 26.07.2012 10:09
XD och wie süß
man das vanidchen so sentimental werden kann ist auch selten
aber trotzdem behält er seine kalte art interesant .
naja wenn ich ventus wäre und die situation nur ein bisschen anders hätte ich roxas den papierkorb im bad *falls einer vorhanden ist* aufgesetzt
oder ihn reingestopft XD rache ist süß.
naja aber wieder zum kapi XD ich fands einfach klasse und ich liebe Drama *-*
ja welche szene ich noch besonders cool fand XD die mit der pizza und die mit der schwarzen katze XD
und als vani sagt er würde nicht heulen XD
ok also was ich im endeffekt noch sagen will
freue mich schon aufs nächste kapi^^

lg helmche
Von:  BattleUsagi
2012-07-22T20:02:58+00:00 22.07.2012 22:02
Okay, ich bin Baff
ich mag deine Art zu schreiben und es macht mir immer wieder Freude, dies zu lesen.

Vanitas gefällt mir sehr, super umgesetzt besonders gut fand ich die Szene im Pizzalokal.
Ich finde es generell doch schwierig die beiden zusammen zu bringen, aber du hast das damit gut hin bekommen.
Gratulation^^ ich freue mich schon auf das nächste Kapi

liebe grüße
Ventus_Sentiment
Von: LittleRoxas
2012-07-22T16:47:01+00:00 22.07.2012 18:47
Awww.... omg....
Dieses Kapitel is so awesome.... ;____;
Vanitas is so verdammt süss...
Obwohl das Wörtchen süss gar nich mal zu ihm passt...
Aber awwwww....
Schade dass es bald schon zu Ende is.
Das is meine momentan liebste FF von dem Pair. Q^Q
Von:  Apollon
2012-07-22T16:42:05+00:00 22.07.2012 18:42
I like <3
Ein wirklich schönes Kapi.
Und ich mag wie Van sich verhält *A*
*Liebt dieses Unnahbare*
Und wie ich mich schon auf das letzte Kappi freue *A*
Von:  Hide-Behind
2012-07-04T00:05:00+00:00 04.07.2012 02:05
XD somit merkt man das ventus gefühle für unseren allseits geliebten vanitas hegt XD
Ich freue mich schon furchtbar auf das nächste Kapitel^^
XD man ich kann mir gut vorstellen wir nervig die scenen im schwimmbad für ven waren XD
und das mit dem kuss als abwechslung damit er sich den schlüssel krallen kann XD das war so geil
ich hoffe das noch mehr kommt vielleicht noch ne fortsetzung nach den 7 tagen oder das die ff an sich noch ein bisschen länger dauert als die sieben tage ^^

XD man bin ich vernarrt in diese ff
lg helmche
Von:  ZucChini
2012-04-01T00:17:59+00:00 01.04.2012 02:17
@LittleRoxas
er hat ihm den Schlüssel doch eben geklaut, nicht? o,o

wuhaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa das Kapitel ist toll & du baust immer neue Dinge ein, mit denen man nicht rechnet!
Das Geilste war ya: "Mauerunkraut"!!!! XD hab mich scheckig gelacht~
schön, dass du nach langer Zeit weiter geschrieben hast ^w^ freut mich echt!
Von:  BattleUsagi
2012-03-31T18:44:45+00:00 31.03.2012 20:44
Ich liebe deine Geschichten, auch das neue Kapi habe ich mit freuden gelesen.
Ich muss sagen, das ein Waffenstillstand bei den beiden, ja irgendwie nie funktionieren kann *hust* na ja in den meisten fällen.

Okay also ich freu mich schon auf das nächste Kapitel, besonders wie es Ven schafft zu erklären das er da die letzte Nacht nicht mehr hin will X3

Gruß, Ventus_Sentiment
Von: LittleRoxas
2012-03-30T18:35:41+00:00 30.03.2012 20:35
Hui... Fertig gelesen.
Und ich liebe deses Kapitel! XD
Besonders die Titel: Trottel-Blond, Trottel-Brünett und Trottel-Schwarzkopf. XDDDD

Aber... bei der letzte nSzene im Bad...
Wie is Ventus ohne den Schlüssel rausgekommen, wenn Vanitas ihn doch eingesteckt hatte? XD


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