Zum Inhalt der Seite

Nailpolish

Heal my broken Heart
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prologue

Wunderschöne Locken und Kupferbraune Haare. Klare blaue Augen. Ein unwiderstehlich niedliches Lächeln. Süß, kokett, putzig: Perfekt, nicht wahr? Mag schon sein. Vielleicht stimmte es sogar, doch dieses Mädchen würde ich nie wieder sein werden. Nicht heute. Nicht Morgen. Niemals Mehr.
 

Von allen Seiten konnte man es hören. Jedes einzelne Gespräch. Es ging von Jungs, die in der Pausenhalle standen bis hin zu Fingerskateboards und dem letzten Vorfall mit der verschimmelten Birne. Jeder war in seinen Gruppen und amüsierte sich. Es war wie jeder Morgen. Mein Tisch war nah am Fenster. Ganz außen. Ich hatte den Tisch ganz für mich allein. Der Rest hatte Gruppentische. Niemand wollte sich zu mir setzen. Ich musste mich damit abfinden. Musik half mir dabei. Wie an jedem Morgen eigentlich.

Doch egal, wie laut ich den Pegel aufdrehte, hatte es keinen Sinn. Das Geschwätz der anderen übertönte meine Musik mit Leichtigkeit. Beim ersten Mal wandte ich meinen Blick genervt zu der Meute, versuchte mich jedoch auf die Musik zu konzentrieren… Meine Konzentration schwank aber und ich drehte mich mit aufgerissenen Augen zu dem Gestrüpp aus Schülern. Sie waren so viele. Und das Klima war grade noch ruhig. Ich seufzte.
 

Man würde sowieso nicht auf mich hören wollen, und zog die Kapuze über meinen Kopf. Vielleicht Dämpfte das den Schall. Ich versuchte es angestrengt. Ich versuchte den Lärm im Hintergrund zu vergessen. Aber es klappte wieder einmal nicht. Dieser Tumult brachte mich zum Brodeln! In meinem Kopf hätte ich meine Stirn schon circa zehn Mal oder häufiger gegen die Tischplatte geschlagen. Ich setzte ihn aber nur auf diese, als ich plötzlich eine Hand auf meinem rechten Schulterblatt spürte. Immer noch von den Gruppen angeekelt drehte ich mich um und schaute, wer mich da noch mehr störte. Ich hätte am besten nicht hinschauen dürfen, denn ehe ich ein Bild fassen konnte erklang schon diese nervige Stimme durch meine Headphones „Hey Tanja, na hörst du wieder dein Screamo Zeugs?“ Es war Annalena. Diejenige, welche mich mit ihrer Gruppe am meisten auf dem Gewissen hatte. Ich rollte mit den Augen und wandte mich wieder meiner Musik zu. Sie wusste doch, dass ich mich nicht auf sie einließ. Es sollte nicht in einer Diskussion enden, in welcher sie unfair gewann. Ich hatte einfach das Pech und war innerhalb der Klasse das fünfte Rad am Wagen. Ich fühlte mich missverstanden…

Doch mit einem Mal wurde es ruhig und meine Musik brach die kurz weilende Ruhe in der Klasse. Der Unterricht begann und der Lehrer kam jeden Moment, weshalb ich meinen MP4 Player ausschaltete. Herr Olik war das schon von mir gewohnt. Die Erste Stunde war Deutsch…
 

Der Schultag verging fast schon schmerzvoll. Meine Klassenkameraden schickten mich runter und stellten mir in der Mittagspause Beinchen, sodass ich in meinen Salat fiel. Das Lachen war groß. Jedoch schmerzte es immer wieder, es zu hören. Ich verließ nun das Schulgebäude und merkte, wie es anfing, zu regnen. Ich sage nur Wetterbericht. Langsam legte ich meinen Kopf in den Nacken und blickte mit halbgeöffneten Augen in den Himmel, und sah, wie jeder einzelne Regentropfen vom Himmel flog. Sie fielen alleine…einzeln, jedoch trafen sie in Pfützen, Bächen, Kanälen und Seen zusammen. Es wiederholt sich…Immer und immer wieder.
 

Bis zu mir nach Hause dauerte es ein bisschen. Bus fahren konnte ich nicht. Zu teuer natürlich. Ich besaß kein Ticket. Laufen gefiel mir so oder so besser. Ich war kein fauler Mensch. Die Headphones waren wieder an den Ohren angebracht. Sie waren weinrot mit jeweils einem herzförmigen Knopf an jedem Polster in türkisblau. Vier Lichter leuchteten grün an ihnen. Schnell schaltete ich die Musik an und konnte zum ersten Mal wirklich entspannen. Kein lautes Quatschen und Tratschen, niemand, der einen um- oder anrempelt. Kein Gelächter. Ich fragte mich, wieso die anderen mich für einen Freak hielten. Weil ich tiefgründige und kraftvolle Musik mit sinntieferem Inhalt hörte? Weil ich mich nicht so kleidete und benahm, wie die anderen? Ich wusste es nicht. Ich war einfach ein Außenseiter. Der Regen hörte nicht auf und ich setzte den ersten Schritt.

Ich hoffte nur, dass ich auf meinem Weg eine Gemeinschaft fand, die mich aufnahm.

Fluch oder Segen?

Regen hinterlässt Wunden. Das ist immer so. An diesem Tag war es mit mir nicht anders. Zu Hause angekommen zog ich erst einmal meine schwarzen Stiefel aus und hängte meine Jacke an den Garderobenhaken. Der Spiegel begrüßte mich sofort. Ich erwiderte meine eigene Geste, in dem ich mit zittriger Hand über die Spiegelfläche fuhr. Es quietschte. Offensichtlich

Dann galt meine Aufmerksamkeit meinem Spiegelbild. Es überraschte mich nicht. Ganz im Gegenteil, ich war es schon Gewohnt: Ein ausdrucksloser und gelangweilter Blick, anstatt eines verspielten Lächelns.

Trostlose Augen anstelle von fröhlichen und neugierigen Blicken, die die Welt erkunden wollten. Mir fiel erst jetzt auf, dass meine Iris dunkler aber auch blasser geworden war. Das kräftige Braun verschwand und ein gräulicher Dunst hatte sich darüber gelegt. Mir entwich das Interesse und ich verabschiedete mich von dem Bild der Neuzeit. Das alte habe ich schon lange hinter mir gelassen.
 

Meine Schultasche, die übrigens viel zu schwer war, fand ihren Platz in der Ecke meines Zimmers. Es war grausam: Rosa und Rosé waren die Hauptfarben der Wände- Alles war süß und flauschig eingerichtet.

Wenigstens war mein Bett Türkis. Es war neu. Die Plüsch-Hello Kitties mochte ich, um ehrlich zu sein.

Ich setzte mich an meinen, übrigens auch quietschig pinken, Schreibtisch und öffnete eines der Tischfächer. Papier und etwas zum Schreiben war da drin. Ich legte es auf die Arbeitsfläche. Es war Weiß, bis auf ein paar Linien als Schreibhilfe. ‚Schlechtes Briefpapier‘ würde meine Oma es nennen. Leider konnte ich es nicht mehr von ihr hören.

Ich nahm mir nun einen Stift und betrachtete den Stapel Blätter, ehe ich ansetzte:

Ich schrieb Lieder gegen meinen Frust. Es half mir, all den Schmerz zu unterdrücken. Jedoch viel mir Nichts ein und das Blatt blieb leer. Ich atmete ein und aus. Den nächsten Atemzug hielt ich an. Meine Augen schloss ich und stellte mir vor, wie es wäre, mal einen Kampf mit meinem Leben zu gewinnen. Vergebens.

Schließlich kam mir eine Idee und ich fing das Schreiben an:
 

‚Take a breath

Hold it in

Start a fight

You won’t win’
 

Es war der Satz, der mich verzweifeln lies. Niemals Irgendetwas gewinnen…Dieser Gedanke hielt mich fest und Kummer breitete sich in mir aus.

Meine Arme überkreuzten sich über der Tischplatte und ich beugte meinen Kopf zu diesen. Dann schloss ich wieder meine Augen und verkrampfte mich.

Wieso musste ich immer gehänselt werden? Wieso war ich nicht wie die anderen? Wieso mussten SIE unbedingt ein schwarzes Schaf suchen? Stolz war ich im Geringsten.
 

Ich stand auf. Ich hatte gelernt, mit solchen Dingen umzugehen. Ich schaute aus meiner Zimmertür und schmunzelte kurz (ja sowas konnte ich auch noch!). Es war bald halb fünf und meine Eltern waren immer noch nicht da. Langsam verließ ich mein Zimmer. Vor einer verschlossenen Tür blieb ich stehen. Dort waren die Instrumente meines Vaters drin. Er wollte nicht, dass ich sie benutzte. Ich tat’s trotzdem.
 

Mit einer Haarklammer, die ich aus meinen Haaren zog, schaffte ich es immer wieder, die Tür aufzuschließen und trat in den riesigen Raum. Ein weißer Flügel mit weinroten Gravierungen, ein E-Bass, eine Akustikgitarre und ein Mischpult füllten das Zimmer neben Schränken, einem Tisch und vielen Notenblättern. Mein Vater liebte das Musizieren, doch wenn ich mir seine ‚Werke‘ anschaute konnte ich selbst sagen, dass er sehr schlecht war. Doch das war nur nebensächlich. Ich schritt ans Fenster, wo die Gitarre ruhte und nahm sie kurzerhand, um auf ihr zu spielen. Ich nahm auf dem Tisch Platz und stimmte erst mal die Gitarre richtig. Mein Vater stimmte sie immer so komisch; selbst wenn er sein Stimmgerät benutzte. Hieß es so? Ich hatte sowas noch nie benutzt. Dafür war mein Gehör zuständig.
 

Nachdem die Gitarre gestimmt war, hielt ich kurz inne. In meinem Kopf war ein Lied, das mir viel bedeutete. Ich hatte es nur ein paar Mal gehört, doch es hatte sich festgesetzt, wie ein Virus. Kurz spielte ich mich ein und begann dann auch schon, das Lied leise vor mich hin zu singen. Es war echt befreiend!

Alle Last, die mich über die Tage gepeinigt hatte. Jede Beleidigung, die mir ans Ohr geworfen wurde. Alles, was ich ertragen musste konnte ich mit der Musik von mir abschütteln und vergessen. Meine Stimme wurde lauter, impulsiver, gefühlvoller, trauriger? Ich wusste, dass ich nicht ewig alles in mich aufnehmen und später raus lassen konnte. Der Gedanke daran machte mich wahrscheinlich so traurig.

Vielleicht sollte ich mich von der Welt entfernen und in einem Bunker leben. Da würde ich niemanden sehen und niemand würde auf mir herumhacken. Allein war ich so oder so schon. Bis auf einige die ich Freunde nennen konnte natürlich.
 

Jedoch wurde ich aus meinem Selbstmittleid und der Melancholie geschliffen, als ich Gebrüll hörte. Es war mein Handy, das Rockmusik abspielte und mit Shoutening untermalt wurde. Wer hatte mich jetzt angerufen? Die Überraschung war nicht wirklich groß, als ich sah, wessen Name auf dem Display stand. Ich nahm ab und wollte Luft holen, um etwas zu sagen, als mich schon die freudige Stimme meiner Freundin empfing. „Haaai, Taja. Wie geht’s dir so? Wir haben lang nicht mehr miteinander gesprochen. Ist bestimmt viel passiert!“
 

Ich verzog amüsiert einen Mundwinkel, ehe ich antwortete.

„Wenn man an die Freunde denkt, rufen sie auch gleich an. Hallo, Anni. Ja, lang her. Was ist so bei dir los?“ fragte ich sie und lehnte die Gitarre an den Tisch, ehe ich meine Beine übereinander legte. Ach ja: Das war Anna Carina -kurz: Anni-. Sie ist eine von wenigen, die mich mag, da sie auch ein Scene war. Okay, um genau zu sein war ich ja keiner. Ich trug nur schwarz lieber, als pink oder andere Farben außer Türkis. Wieder ertönte ihre Stimme aus meinem Handy: „Ja, alles so wie immer, aber sag mal. Hast du mal Lust an diesem Freitag mit mir nach Dortmund zu kommen? Im Stadtgarten treffen sich alle. Es ist Jubiläum, deshalb ist es nicht Samstag…“ Als sie fertig war, stockte ich kurz. Ich? Ich? Ich mit Anni zum Stadtgarten, Scene-Treff? Keine Chance! Ich holte Luft und diesmal kam ich auch zu Wort: „He, wieso soll ich denn mitkommen? Ich werde unter den ganzen doch untergehen oder mich spätestens irgendwo verkriechen. Vielleicht fahr ich auch sofort wieder mit dem Zug nach Bochum. Ich würd dich nur stören, glaub mir!“ Ich hörte mich verlegen, entsetzt und feige an. Ich wollte einfach nicht! „Wieso denn? Ist doch mal was anderes. Und Freitag hast du keine Schule, wegen eurer doofen Konferenz. Weiß ich von Ayumi. Also komm mit! Wenn nicht Freiwillig, dann mit Gewalt!“, grummelte sie schon und ich schluckte. Wenn Anni ‚Gewalt‘ meinte, dann meinte sie rohe, brutale, und mitreißende Gewalt! Ich war wirklich feige, was ich mit einem kapitulierenden Seufzen bestätigte. „Gut…Ich komme mit. Aber nur, weil du’s bist!“ Auf der anderen Leitung hörte ich nur erfreutes Quieken. „Also dann treffen wir uns Freitag um 13:00 am Hauptbahnhof! Es wird dir gefallen, vertrau mir!“, versprach sie mir, worauf ich nickte. Okay ich war doof. Sie konnte es ja nicht sehen. „Okay…“, seufzte ich mit gespielter Freude, „dann bis Freitag…“ säuselte ich nochmal und legte dann auf. Oh mein Gott! Worauf hatte ich mich dabei nur eingelassen? Ich wollte am liebsten absagen, traute mich aber nicht. Das konnte ja was werden am Freitag! Und nun verging mir auch alle Lust am Spielen, weshalb ich die Gitarre dahin verstaute, wo sie herkam und den Raum ohne Spuren verließ.
 

Genau so, wie ich die Tür mit meiner Haarklammer aufschloss, schloss ich sie auch wieder ab. Und genau im richtigen Zeitpunkt kam auch schon meine Mutter in das bescheidene Haus, in dem wir wohnten. Natürlich empfing ich sie freundlich. „Hallo, Mama. Wie war’s auf der Arbeit?“, fragte ich freundlich, als sich plötzlich mein Magen meldete, „Hab wohl Hunger…machen wir Gratin?“ fragte ich dann –wenigstens mal kurz von meinen Sorgen abschweifend-. Und es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis wir in der Küche waren und kochten…
 

Mittlerweile war es fast sieben. Zu spät für ein Mittagessen, doch ich sah es einfach als Abendbrot. Bei jedem Bissen, den ich von meiner Portion des Gratins nahm, versank ich wieder in meine Sorgen.

War es nun Fluch, oder Segen, dass ich zugestimmt hatte? Vielleicht war es ein Segen, da ich möglicherweise Bekanntschaften mit fremden machen konnte und mich somit neu integrieren konnte, doch ich wusste, dass es auch ein Fluch sein konnte. Vielleicht würden mich alle einschüchtern und mir Angst machen, wenn ich in dieser Gruppe war. Ich fühlte mich halt in größeren Gemeinden unterdrückt.
 

Schade nur, dass ich die Antwort auf meine Frage erst in einigen Tagen erfahren würde: Es war erst Dienstagabend; 19:20 oder so...auf früher oder später kam es jetzt noch nicht an.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück