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Gefühllos?

von

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Ohne Gefühle

So, hier mal eine Idee, die schon länger in meinem Gedächtnis herumspukt, aber sich bisher immer nicht so richtig greifen lassen wollte, jetzt hab ich sie endlich erwischt^^
 

Wie lang die Story wird, weiß ich noch nicht, aber das nächste Kapitel folgt bald.
 

Achso, nix mir, nur die Idee, ist ja klar^^
 

Ansonsten wünsch ich viel Spaß beim Lesen und hoffe auf den einen oder anderen Kommi bzw. Favos....*keksealsanreizverteil*
 

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Es war ein regnerischer Tag. Schwarze Wolken hingen tief am Himmel und schienen damit zu drohen, sofort auf den Boden zu stürzen und die Welt zu verdunkeln.

Der Wind war, um es gelinde auszudrücken, mehr als unangenehm. Er fegte übers Land und war bereit, alles mit sich zu reißen, was nicht stark genug war, um sich im Erdboden festzubeißen. Die Sonne hatte sich noch kein einziges Mal blicken lassen.
 

Einfach gesagt: Das Wetter war wirklich beschissen.
 

Daher hielten sich auch nicht gerade viele Personen auf dem Hogwartsgelände außerhalb des Schlosses auf, um genau zu sein nur eine.

An einer großen Eiche am See lehnte ein blonder, hochgewachsener, junger Mann.
 

Die, die ihn kennen gelernt hatten, würden ihn wohl als arrogant, unnahbar und überaus gefühlskalt beschreiben. Dabei war es unwichtig, ob sie ihn nur ein einziges Mal gesehen hatten oder jeden Tag Zeit mit ihm verbrachten.

Niemand hätte jemals eine andere Beschreibung abgegeben. Denn genau so war er.
 

Einige meinten, dass er sein wahres Ich nur hinter einer Maske aus Eis verstecken würde, er nur einen Grund bräuchte, seine echten Gefühle zu zeigen. Doch dem war nicht so. Der junge Mann, von dem wir hier sprechen, war genauso, wie man ihn sah.

Na ja, vielleicht nicht genauso, aber eben ohne jegliches Gefühl.
 

Draco Malfoy, Spross einer der reinblütigsten Zaubererfamilien, war nicht mehr in der Lage, irgendeine Empfindung wahrzunehmen. Das mag jetzt etwas verwirrend klingen, aber es entspricht der Wahrheit.
 

Vermutlich bedarf der eine oder andere hier nun einer genaueren Erklärung, denn wer kann sich schon vorstellen, ohne jedes Gefühl zu leben? Empfinden wir doch alle gelegentlich Freude und Trauer, Liebe und Hass, Eifersucht, Hochmut, Einsamkeit und noch so vieles mehr. Doch genau dies fehlte ihm. Die Fähigkeit, Gefühle wie diese zu empfinden. Aber wie kann so etwas sein?
 

Nun, dass Harry Potter ein Opfer unter der Herrschaft Voldemorts war, dadurch, dass er seine Eltern verlor und eine Waise wurde, dürfte allgemein bekannt sein. Doch auch das Leben der Malfoys, die doch eigentlich die Ansichten des dunklen Lords teilten, wurden Opfer seiner Wut und seines unbändigen Zornes. Ihr Neugeborenes, ihren einzigen Sohn streifte ein Fluch. Ein Fluch, den Lily Potter für ihr Kind mit ihrem Leben bezahlte. Ein Fluch, den Narzissa und Lucius aufgrund der Dominanz und Gewalt des Mannes, dem sie ihre Treue geschworen hatten, nicht fähig waren vollständig abzuwehren. Ein Fluch, der zwar nicht in der Lage war, ihren Sohn zu töten, aber einen Teil von ihm mit sich nahm, seine Emotionen lähmte.
 

Die Liebe seiner Eltern konnte er weder spüren noch erwidern, obwohl sie ihn innig liebten, sich wünschten, in der Vergangenheit andere Entscheidungen getroffen zu haben. Mehr als Respekt konnte er nicht aufbringen.
 

Ihn machten keine Beleidigungen zornig oder liebe Worte glücklich. Er konnte keinen Menschen hassen oder lieben, Neutralität war das einzige, was ihn beherrschte.
 

Seine Eltern hatten natürlich über mehrere Spezialisten und Magie versucht, das Fehlen von Gefühlen rückgängig zu machen, dennoch erfolglos. Niemand kannte ein Mittel und kein Zauber wollte wirken. Die Macht des Fluches, die ihn getroffen hatte, war einfach zu stark, ihre Narben würden bleiben.
 

Draco selbst war ein äußerst intelligenter Mensch, schon von Kindesbeinen an. Er begann zeitig laufen zu lernen, genauso wie sprechen und konnte wie von selbst lesen und schreiben. Auch seine magischen Fähigkeiten waren überragend. Ihn beschränkten keine subjektiven Empfindungen, keine Angst oder Scham.
 

Aber es war ihm auch bewusst, dass irgendetwas zu fehlen schien, da er sah, wie seine Eltern miteinander, mit ihm umgingen, und er dennoch nicht wusste, was die Bedeutung dessen war, was sie ihm entgegenbrachten.
 

So begann er zeitig in eine Welt der Bücher, des geschriebenen Wortes abzutauchen, um von unterschiedlichsten Persönlichkeiten Definitionen und Beschreibungen über das zu lesen, was seine Eltern Gefühle nannten. Er studierte sich selbst und hatte dabei den tiefen, inneren Drang, die Überzeugung, dass er nicht aufhören dürfte. Und dieser Eifer, dieses Bewusstsein, dass er nicht vollständig war, es doch aber irgendwie ändern wollte, führte ihm vor Augen, dass jedenfalls nicht jegliches Gefühl für ihn unmöglich war, dass es nur schwerer zu sein schien, es hervorzuholen. Dass er aber vielleicht dazu in der Lage sein würde, fühlen zu lernen.
 

Und er begann, obwohl er die Empfindung selbst nicht spüren konnte, sich ein System anzueignen, womit er sie zumindest imitieren, sie erlernen konnte. Und eventuell würde der Schein des Gefühls es wahrhaftig hervorbringen können, es zu einem echten Gefühl machen.

Er brachte sich bei, was welche Gefühle auslöste. Und obwohl ihm Sehnsucht fremd war, so wusste er doch, dass es etwas in dieser Richtung war, was er verspüren sollte, denn er hätte nach den unzähligen Beschreibungen gern einige dieser Empfindungen wahrnehmen können.
 

Doch da ihm dies nicht wirklich möglich war, lernte er. Er lernte die Bedeutung von Wörtern, Wendungen und Tonlagen, Blicken und Gestiken.
 

Zu Beginn seines ersten Schuljahres hatte er sich einen Plan einer Persönlichkeit, einen Charakter zurechtgelegt, von dem er beschloss, dass er ihn darstellen wollte. Man könnte ihn wohl als Schauspieler bezeichnen, denn mehr als eine Rolle spielte er nicht.
 

Und da ihm negative Gefühle um einiges stärker erschienen, entschied er, sie zu testen. Arroganz, Bösartigkeit und Hass wollte er verkörpern. Und jegliche Reaktionen, die er damit verbunden erhalten hatte, begann er, beinahe mit Eifer zu analysieren.
 

Die meiste Faszination dabei ging für ihn aber von einer einzigen Person aus: Harry Potter. Dieser schien so viele Gefühle zu empfinden: Angst, Hass, Freude, tiefe Traurigkeit, Einsamkeit, Dankbarkeit, Leid, seelischen Schmerz, Liebe, Verwirrung.

Er hatte ihn lange beobachtet und man konnte wohl sagen, dass er einer der wichtigsten Menschen für Draco war, denn durch ihn erfuhr er viel Neues über diese Welt des Empfindens, die ihm so unbekannt war.
 

Und nun saß er hier am See, bei einem Wetter, das unerträglicher beinahe nicht sein könnte, und dachte nach.

Über einen Abschnitt in einem alten Buch und über Harry Potter.
 

Ob er es wagen sollte? Ob es klug wäre, das zu tun, was er im Sinn hatte? Rein rational betrachtet…
 

Er senkte seinen Blick und betrachtete die Lektüre auf seinem Schoss. Leicht fuhr er mit seinen samtenen Fingern über den Einband. Das Kuvert schmückte kein Titel. Er öffnete es und sah nun die handschriftlichen Notizen, die sich ihm offenbarten, die er schon so oft gelesen hatte.
 

Dieses Werk war längst einige hundert Jahre alt und in lateinischer Schrift verfasst worden. Der Autor war ein armer, unbekannter Muggel gewesen.
 

Und dennoch machte dieses einfache, tagebuchähnliche Büchlein seinen kostbarsten Besitz aus. Denn der Verfasser hatte ein ähnliches Problem gehabt wie er, eine Art Empfindungslosigkeit. Kein Gefühl für andere Menschen, für sich selbst.
 

Und dieser Mann hatte ihn auch auf den Unterschied zwischen körperlicher und seelischer Sinneswahrnehmung aufmerksam gemacht. Draco selbst hatte nämlich vorher nie festgestellt, dass er durchaus fühlen konnte, zumindest rein körperlich, dass ihm nur die seelische, emotionale Wahrnehmung überwiegend fremd war.
 

Er hatte sich intensiv mit seinen Sinnen auseinandergesetzt, geschmeckt, gerochen und berührt. Und mit der Zeit hatte er verstanden, dass, wenn etwas gut roch oder schmeckte oder sich anfühlte, dies auch eine Empfindung hervorrief, selbst bei ihm. Es war nur schwach, aber nicht mehr nur pure Neutralität. Eine geringe Ader für Zuneigung und Abneigung entwickelte sich in ihm. Und auch wenn dies nur minimale Errungenschaften waren, so ließen sie ihn doch einen Hauch von dem verspüren, was Freude bedeutete. Und er wusste, dass er mehr davon wollte. Denn wenn er auch nicht viel fühlen konnte, wollen konnte er sehr wohl.
 

Und dieser Muggel hatte auch etwas anderes Wertvolles festgehalten: mögliche Auswege aus der Gefühllosigkeit. Zwar hatte er keinen davon umsetzen können, alles war rein theoretisch festgehalten, aber Draco fand einen Abschnitt, in dem ein Weg beschrieben war, den er als Zauberer vielleicht sogar verwirklichen können würde.
 

Erneut las er die kleine Notiz, die unscheinbar auf den Rand einer Seite gekritzelt war, und fasste einen Entschluss…

Traum-Zauber

So, und hier kommt schon auch das nächste Kapi^^
 

Viel Spaß!
 

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Ein paar Wochen waren ins Land gezogen seit dem einen Tag am See, der alles verändern sollte. Der Tag, an dem er diese Notiz entdeckt und ausgiebig darüber nachgedacht hatte.
 

Er war nämlich schon kurz davor gewesen, das Büchlein, das zwar schöne Träumereien aber keine Realitäten beinhaltete, in den See zu schmeißen. Aber durch die Feuchtigkeit der Luft muss es so etwas wie eine chemische Reaktion gegeben haben, die die leichte Schrift am Rande der gerade aufgeschlagenen Seite zum Vorschein brachte. Es war nur ein einziger Satz gewesen, aber dieser hatte seine volle Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
 

Er schien eine Lösung zu sein. Eine Möglichkeit. Die Entzifferung hatte ihm kaum Zeit geraubt und sein Latein war sehr gut, sodass ihm die Bedeutung sofort klar wurde. Die Übersetzung lautete soviel wie:
 

Könnte ich doch die Empfindungen anderer fühlen!
 

Und genau das war die Lösung gewesen. Wieso war er darauf nur nicht schon eher gekommen? Auch wenn er von sich aus nicht selbstständig Gefühle aufbringen und erlernen konnte, so könnte er aber doch die Gefühle eines anderen übernehmen bzw. sich in dessen Gefühlswelt, na ja, einklinken.
 

Es wären somit nicht seine Gefühle, aber dennoch wären es welche. Dafür musste es doch einen Zauber geben. Er glaubte auch, irgendetwas in dieser Richtung mal gelesen zu haben.
 

So machte er sich auf den Weg mit einer Liste von Bibliotheken, die ihm einfielen. Und tatsächlich fand er ein entsprechendes Buch in Hogwarts, dessen Bibliothek sein erster Anlaufpunkt gewesen war. Es trug den Titel „Feeling like you“, weswegen er vermutlich vorher nie so sehr darauf geachtet hatte.
 

Draco dachte eigentlich, es würde sich dabei um eine Sammlung von Liebeszaubern handeln, doch hatte er sich wohl geirrt. Na gut, wirklich falsch lag er auch nicht, überwiegend bestand dieser Schinken à 500 Seiten aus Ich-will-dass-du-dich-in-mich-verliebst-und-mich-nie-mehr-loslässt-Zaubern, aber zwei waren anders.
 

Diese zwei gehörten Dracos Ansicht nach auch nicht in den Bereich der zugänglichen Literatur, allerdings hatte man sie wahrscheinlich einfach übersehen in diesem Übermaß an Rosaplüsch-Liebeszaubern.
 

Der erste war im Prinzip noch recht harmlos, wenn auch sehr aufwendig in der Vorbereitung. Er bewirkte, dass man sich in die Gefühlswelt eines Menschen begeben konnte. Es war ein Traum-Zauber.
 

Dabei durchlebte man, vorausgesetzt man hatte den Trank korrekt gebraut und eingenommen, das gesamte Leben des ausgewählten Menschen mit allen Emotionen und Empfindungen, egal welcher Natur, in einer Nacht, also während eines Traumes. Der jeweils andere würde das gleiche von seinem Gegenüber empfangen. Das gesamte Leben, vor den Augen ablaufend, und jegliche Gefühle. Es war also so etwas wie ein Tausch.
 

Allerdings würde man dadurch keine Gefühle auf Dauer an sich binden können oder dergleichen. Man hätte sie empfunden und würde sich auch an sie erinnern können, aber sonst würde sich nichts ändern. Aber eine Erinnerung war natürlich ein Anfang…
 

Der zweite Zauber war um einiges stärker. Er verband die Gefühle zweier Menschen. In Dracos Fall würde das bedeuten, dass jemand seine Gefühle mit ihm teilen müsste. Damit bestände dann die Fähigkeit selbst zu fühlen, aber man wäre auch unabänderlich an die Empfindungen eines anderen gebunden, würde spüren, was der andere spürte. Es wäre ein ewiges Band, das beide bis zum Tode aneinanderschweißen würde. Wenn einer starb, bedeutete es auch den Tod des anderen.
 

Aus diesen Gründen ist der erste Zauber ohne Zustimmung des zwangsläufig Beteiligten möglich, der zweite allerdings nicht.
 

Somit hatte er seinen Entschluss gefasst. Er würde den ersten Zauber umsetzen. Es hatte Wochen gedauert den dafür benötigten Trank zu brauen und besonders schwer war es gewesen, die wichtigste Zutat zu bekommen – ein paar Tränen von der Person, dessen Gefühle und Erinnerungen man empfangen möchte.
 

Schon damals am See hatte er sich einen Menschen ausgesucht. Den einzigen, der ihn faszinierte, über den er immer wieder nachdachte, denn seine Gedanken standen selten still, wo sie doch das einzige waren, was ihn so wirklich mit dieser Welt verband.
 

Und so machte er sich seine erdachte Persönlichkeit zunutze und begann eine Schlägerei mit Harry Potter, der so unglaublich viele Gefühle zu haben schien, und jede Menge Temperament. Genau an dieses appellierte er, als er ihn provozierte. Und dass Harry handgreiflich wurde, bedurfte schon einer ganzen Fülle an Bösartigkeiten, von der Beleidigung seiner Freunde bis hin zu seiner Familie und dem erst vor kurzem verlorenen Paten, das hatte er in der ganzen Zeit über gelernt.
 

Aber warum Gewalt, wird sich jetzt der eine oder andere fragen. Draco war schon einige Male aufgefallen, dass Harry, wenn er richtig wütend und verletzt war und sich deshalb mit ihm schlug, währenddessen oft einen Schimmer in den Augen hatte und sich zwischendurch über eben diese wischte. So erschien ihm dies der beste Weg an Tränen zu gelangen, da es ihm vermutlich keiner glauben würde, wenn er zu ihm ginge um ihn zu trösten.
 

Und so begannen sie sich zu schlagen. Draco hatte dafür einen ruhigen Ort ausgewählt, diesmal sehr darauf bedacht, dass kein anderer anwesend war, draußen nahe dem See, den Harry gern aufsuchte, seit er seinen Paten verloren hatte. Er wollte nicht, dass jemand sah, was er Harry da entlocken wollte. Außer Harry selbst natürlich. Aber das machte nichts.
 

Er würde vermutlich nichts mit diesem Umstand anzufangen wissen. Denn Harrys Kenntnisse über Zaubertränke waren leider doch mehr als mangelhaft, wie er zugeben musste. Dennoch bereitete Draco selbst genau dieser Umstand die schönsten Zaubertrankstunden, da Harry dann immer besonders viele Emotionen gleichzeitig in seinen Gesichtszügen zu verstecken versuchte. Aber genug davon, wir schweifen ab.
 

Sie befanden sich schon am Boden unten am See und rollten über die Wiese, wobei jeder immer wieder einen Schlag einstecken musste. Nachdem Draco der Meinung war genug an Schlägerei der ganz normalen Art vorgetäuscht zu haben, setzte er seine durch Training erlangte körperliche Kraft voll ein. Er rollte Harry von sich herunter, der gerade in dominierender Position gewesen war und ausholen wollte. Nun kam Draco auf ihm zum Sitzen und pinnte Harrys gesamten Körper durch seinen eigenen auf den Boden.
 

Er versuchte, wieder ruhiger zu atmen und sah sein gegenüber an. Der Junge unter ihm war ganz außer Atem und seine grünen Augen schimmerten leicht. Allerdings nur von den Tränen, ihren früheren Glanz konnte Draco nicht finden. Und aus irgendeinem Grund, gefiel ihm das nicht. Aus irgendeinem Grund erschien ihm das falsch.
 

Und während er Harry einfach nur in die Augen sah, begann dieser stumm Tränen zu vergießen. In Draco zog sich etwas zusammen. Irgendetwas in ihm reagierte auf den Gefühlsausbruch des anderen Jungen und wollte, dass dieser sich wieder beruhigte.
 

So bewegte sich seine Hand wie von selbst zur tränenbenetzten Wange und strich sanft darüber. Und nachdem sie sich mehrere Momente nur in die Augen gesehen hatten, wobei Harrys erschrocken geweitet waren, kehrte ein Glitzern in die grünen Smaragde zurück.
 

Das brachte Draco wieder in die Realität, denn, für ihn selbst unverständlich, hatte er die letzten Augenblicke keinen klaren Gedanken fassen können, er war in den Augen des anderen versunken. Doch nun kehrte in ihm der Grund für diese Situation zurück. Er zückte seinen Zauberstab, versiegelte die Tränen des jungen Mannes unter ihm darin, erhob sich und ließ einen verwirrten Harry zurück.
 

Doch genau das war er zu diesem Zeitpunkt auch das erste Mal gewesen – verwirrt.
 

Das Ganze war erst gestern passiert und es brachte ihn durcheinander, immer noch. Ihm war nicht klar, was das bedeutete, doch vielleicht würde er es heute Nacht herausfinden. Der Trank war vor kurzem fertig geworden und er hatte ihn soeben zu sich genommen. Er begab sich in sein Bett und kurz bevor er die Augen schloss, sah er noch einmal die funkelnden grünen Smaragde vor sich, und auch wenn man ganz genau hinsehen musste, so war doch ein sanftes Lächeln auf seinen Zügen zu erkennen.
 

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Und? Was sagt ihr?^^

Das Leben des anderen (1)

So ihr Lieben, hier kommt jetzt endlich das dritte Kapitel *hüpfspringfreu*
 

Ich hoffe es gefällt euch und ich wünsch euch viel Spaß damit,
 

würd mich natürlich freuen, wenn ihr mir sagt, wie ihrs so findet^^
 

Aso, nix mir außer der Idee, ist ja klar ;)
 

Und los gehts...*schokokekseverteil*
 

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Überall durchzog Nebel die Umgebung, verhinderte, dass man irgendetwas wahrnehmen konnte. Draco fühlte sich, als würde er mitten in einer Wolke stehen. Um sich herum sah er nur undurchdringbare Nebelschwaden.

Es war völlig still.

Kein Geruch erreichte seine Nase.

Alles glitt ihm durch die Finger.

Er war in Watte gepackt, wie seine Gefühle…
 

Eigentlich war er sich ziemlich sicher, schlafen gegangen zu sein. Dennoch…im Augenblick war er so wach, dass er sich nicht wirklich im Klaren darüber war, ob er seiner Erinnerung trauen konnte. Sein Verstand war noch nicht so recht bereit zu glauben, dass dies hier womöglich ein Traum sein könnte, auch wenn das Szenario durchaus absurd genug dafür war.
 

Unerwartet erfasste ein harter Sog den Nebel und zog Draco ebenfalls einfach mit sich. Er schloss die Augen, um die Windböen, die in seinen Seelenspiegeln brannten, auszuschließen. Erst als Ruhe eingekehrt war, öffnete er sie langsam wieder. Er befand sich mitten in einem Zimmer.

Es war dunkel, nur ein leichter Schein trat durch den Türspalt, der vermutlich zu einem nahegelegenen Flur führte. Ab und an brach das Mondlicht durch die vorbeiziehenden Wolken. Dieser Raum war ihm unbekannt, dennoch schien er ihm unerklärlicherweise vertraut…
 

Nicht weit von ihm entfernt entdeckte er ein Kinderbettchen. Darin konnte er einen kleinen Jungen ausmachen, der lächelnd dort saß und seine winzigen Finger um zwei Gitter geschlungen hatte.
 

Und plötzlich war es einfach da: Geborgenheit, Wärme, Unbeschwertheit. Die Gefühle schienen in seinem tiefsten Inneren zu wachsen und sich über seinen gesamten Körper auszubreiten, wie eine Welle, deren Wogen ihm bis in die Fingerspitzen reichten. Es war unbeschreiblich. Und es erzeugte, ohne dass er es beeinflussen konnte, ein Lächeln auf seinem Gesicht.
 

Aber von einer Minute auf die andere schnürte sich ihm die Kehle zu. Er spürte Angst durch seine Glieder kriechen, die ihm die Luft zu nehmen schien. Eine Frau stürmte durch die Tür in das kleine Zimmer und stellte sich schützend vor das Kinderbettchen. Die Furcht war unsagbar groß, ebenso wie die Verzweiflung, beide erreichten aber nicht das Maß der Liebe, die ihn soeben ergriff. So viel Liebe, die bereit war, alles für einen wertvollen Menschen zu geben. Liebe einer Mutter zu ihrem Kind. Liebe eines Kindes, die die Mutter erblickte.
 

Er stand neben diesem Schauspiel, unbeteiligt, beobachtend, ungesehen, trotzdem spürte er jede Emotion, als wäre er selbst die Mutter und gleichzeitig der kleine Junge. Doch zusehends schob sich ein weiteres Gefühl unter seine Haut. Hass. Unbändiger, grausamer Hass. Jahrelang hatte er allen diese Empfindung vorgespielt, aber erst jetzt erkannte er ihre Bedeutung…
 

Ein großgewachsener, Angst einflößender Mann richtete in diesem Moment seinen Zauberstab auf die liebende Mutter und brachte ihr den Tod. Im nächsten Moment kennzeichnete er das völlig verstörte Baby mit einer Narbe. Blitzförmig zog sie sich über seine Stirn. Nun wusste Draco, wen er da vor sich hatte: Harry Potter. Die Erkenntnis erreichte seinen Verstand…

Und Draco durchströmten die Gefühle. Hass. Liebe. Trauer. Schmerz. Liebe. Verzweiflung. Wut. Liebe…und dann hüllte ihn der Nebel erneut ein und trug ihn fort.
 

Als sich die Schwaden verzogen hatten, befand er sich in einer Kammer und lag auf einem mehr oder weniger improvisierten Bett. Es war eng und stickig und nicht wirklich bequem. Sein Kopf begann zu dröhnen. Bilder zogen ihre Bahnen vor seinem inneren Auge. Gedanken, Erlebnisse, Gefühle. Fremde Erinnerungen flossen auf ihn ein, als wären es seine eigenen. Die Flut an Eindrücken schnürte ihm die Kehle zu.
 

Einen Augenblick später wurde die schmale Tür aufgerissen und Licht brach in die Kammer. Draco versuchte angestrengt die ganzen Empfindungen und Wahrnehmungen in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Ein Junge mit einer Brille, den er nur allzu gut kannte, wurde von einem ziemlich beleibten Mann in die kleine Behausung befördert, während dieser unentwegt schimpfte.

Draco spürte Wut in sich aufkommen, Verachtung, Hass. Gleichzeitig war er traurig, fühlte sich klein, elend, unverstanden und so unsagbar einsam. Tränen stiegen ihm in die Augen. Als die kleine Tür zugeworfen wurde, saß er allein mit Harry Potter in diesem Loch. Es war, als säße er in der Wand, so nah und doch unendlich weit entfernt. Er studierte den Jungen vor sich, dem nun stumme Tränen über die Wangen liefen, und fühlte gleichzeitig den Schmerz des anderen, während er sich die eigene traurige Nässe aus dem Gesicht wischte. Er spürte die schwere, einsame Kindheit Harrys persönlich auf seinen Schultern lasten. Wo erst soviel Liebe geherrscht hatte, war nun nur noch Kummer.

Dracos Finger kribbelten. Er war versucht, sie zu heben und den Jungen, der höchstens acht Jahre alt war, in den Arm zu nehmen. Doch der wiederkehrende Sog zog ihn in ein neues Szenario…
 

In den nächsten Augenblicken wurde er durch unzählige Episoden aus dem Leben Harry Potters gezogen, die ihn in ein Wechselbad der Gefühle warfen.

Da war die Ankunft der Briefe aus Hogwarts, die Freude und Neugierde hervorriefen.

Als nächstes sah er Hagrid, der Harry die Nachricht seiner Herkunft überbrachte und ihn durch die ersten Eindrücke in der Zaubererwelt, um genau zu sein in der Winkelgasse, begleitete. Und er fühlte Wärme, Freude, Überraschung, Dankbarkeit.

Die Begegnung Harrys mit Ron und die daraus entstehende Freundschaft schickten ihm einen Schauer von Vertrauen und Verständnis, Nähe und Geborgenheit. Sie erinnerten ihn an die Gefühle, die er schon zuvor zwischen Mutter und Kind gespürt hatte, dennoch waren sie irgendwie völlig anders. Draco war verwirrt.
 

Dieses Gefühl ließ nicht nach, als er sich selbst bei einem seiner ersten Zusammentreffen mit Harry sah. Er fühlte dessen Wut, Abneigung, Verständnislosigkeit und konnte all das nun auch endlich nachvollziehen. Und er spürte jetzt auch, wie leer er selbst war, wie weh es in diesem Moment tat, die eigene Gefühllosigkeit zu spüren. Keine Gefühle schienen ihm im Augenblick, da er den Vergleich hatte, weit schmerzhafter, als er es vorher je für möglich gehalten hätte.
 

Bevor er sich wieder beruhigen konnte, wurde er auch schon durch einen Schwall weiterer Eindrücke geworfen.

Den Schulbeginn und die ersten schulischen Ereignisse wie Harrys Erfahrungen mit Severus Snape, Zaubertränkeunterricht und Quidditch durchlief er, wobei Harry wieder einmal offenbarte, zu wie vielen unterschiedlichen Gefühlen er fähig war. Und an der Stelle Harrys durchlebte Draco nun dessen Leben noch einmal.
 

So hatte er bereits im ersten Schuljahr Angst um seine neu gewonnenen Freunde und fürchtete sich vor Voldemort auf der Suche nach dem Stein der Weisen.

Er erschrak im Jahr darauf vor sich selbst, als er registrierte, dass er Parsel sprechen und verstehen konnte. Ein Schaudern lief über seine Glieder als er dem jungen Voldemort gegenübertrat, ohne jedoch seinen Willen und seine Wünsche aufzugeben.

Das Kennenlernen seines Paten Sirius schenkte ihm im dritten Jahr ein Gefühl von Familie, das er bis dahin nicht gekannt hatte und gab ihm eine verloren geglaubte Sicherheit.

Zur Zeit des Trimagischen Turniers litt er unter seiner einbrechenden Freundschaft zu Ron, zeigte Mut und Talent und Zielstrebigkeit bei den auszufechtenden Kämpfen, zitterte um sein Leben und trauerte um seinen verlorenen Schulkameraden.

Im darauffolgenden Jahr zerbarst er beinahe an seiner geistigen Verbindung zu Voldemort und dem schweren Training mit dem Zaubertränkemeister, lernte aber auch etwas mehr über die Wärme der Liebe, als er die Schmetterlinge bei seinem ersten Kuss wahrnahm. Der spätere Verlust seines Paten, der alles bedeutete, was er an Familie hatte, ließ ihn völlig in sich zusammenbrechen.
 

Als letztes befand er sich in der Szenerie, die erst vor kurzem stattgefunden hatte. Harry und Draco, wie sie erst mit Worten, dann mit Fäusten kämpften, all der Schmerz, das Leid, der Kummer, die Resignation. Sie rollten über das Grün der Wiese, lagen auf dem Boden, Harry unter Draco begraben. Angst, Einsamkeit, ein Gefühl des Verlorenseins, Mutlosigkeit, verrauschte Willenskraft, ein stummer Hilfeschrei. Harrys tränenverhangene Augen schrien, während ihm die Stimme versagte. Draco spürte seine Verwirrung, als er ihm mit der Hand über die Wange strich. Aber da waren auch dieser tiefe Wunsch nach Nähe, die Bitte gehalten, aufgefangen zu werden, die Suche nach jemandem, der ein Stück der Last verringern konnte.
 

Draco atmete schwer, als er die Augen aufschlug. Er spürte das Licht der Sonne, das sanft durch das Fenster brach und über seine helle Haut strich. Eine stumme Träne bahnte sich ihren Weg seine Wange hinunter und versank schließlich im Stoff des Kissens. Sein Geist war überschwemmt mit Eindrücken, die sein Verstand noch nicht völlig miteinander in Einklang bringen konnte. Draco war sich nach dieser Nacht nur einer Sache bereits sicher: Gefühle waren nicht einfach.
 

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So, ich hoffe es hat euch gefallen.
 

Wenns noch irgendeinen Aspekt aus dem Leben Harrys gibt, von dem ihr der Meinung seid, den hätte ich vergessen und der wäre eigentlich wichtig, dann schreibt mir einfach nen Kommi oder ne ENS und ich schau mal, dass ich den noch ergänze.^^

Das Leben des anderen (2)

Hey meine Lieben,

hier kommt das 4. Kapitel, von dem ich hoffe, dass es euch gefällt.
 

Außerdem möchte ich an der Stelle mal meinen lieben Kommi-Schreibern ReinaDoreen, Glückskeks, Das_Land und meiner allerliebsten Sid_Vicious danken. Eure Meinung hilft mir wirklich sehr.
 

Und natürlich auch ein großes Dankeschön an alle auf meiner Favoritenliste und an jeden anonymen Leser^^.
 

Ich hoffe, ihr habt auch weiterhin Spaß beim Lesen^^.
 

Also dann, los gehts *schokoladehinstell* xD
 

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Harry war totmüde. Den ganzen Tag über hatte er eigentlich nichts anderes gewollt, als in sein Bett zu fallen und sich dem Land der Träume zu ergeben. Trotzdem schaffte er es einfach nicht einzuschlafen. Seit kurz nach dem Abendessen lag er nun schon in diesem Daunenhimmel und starrte mit verschlafenen Augen an die Decke.

Er wusste nicht wieso, aber er konnte einfach nicht einschlafen. Es war, als würde ihn irgendeine Kraft davon abhalten, als dürfte er noch nicht seine Augen schließen, als wäre der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen. Seufzend drehte er sich auf die Seite. Was war nur los mit ihm? War das die Strafe dafür, dass er Sirius hatte sterben lassen?
 

Tränen bildeten sich in den sowieso schon geröteten Augen. Er hatte ihm nicht helfen können. Er war nicht stark genug gewesen. Es war seine Schuld. Er hatte sie alle in Gefahr gebracht.

Leise schluchzend drückte er sein tränennasses Gesicht ins Kissen. Manchmal glaubte er, es gäbe keinen Ausweg mehr aus diesem Schmerz, der ihn zu erdrücken drohte. Seine Leichtigkeit war ihm verlorengegangen seit diesem einen Tag, an dem er das Gefühl hatte, seine Seele wäre zerrissen. Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie sich das Glück angefühlt hatte. Der Kummer lastete zu quälend auf seinen Schultern und übertünchte jeden Versuch zur Hoffnung. Seine Augen schlossen sich und die Tränen nahmen ihren Lauf.

Über all den trübsinnigen Gedanken, die seinen Geist verdunkelten und feuchte Bahnen auf seinen Wangen hinterließen, zog ihn schließlich doch der lang erwartete Schlaf in einen unruhigen Traum…
 

Als Harry das nächste Mal die Augen aufschlug, war er von dichtem Nebel eingehüllt. Verwirrt drehte er sich im Kreis und lies seinen Blick über das weiße Nichts gleiten, das ihn umgab. Seine Hände versuchten nach irgendetwas zu greifen, was ihm eventuell einen Anhaltspunkt dafür geben konnte, wo er sich eigentlich befand. Es kam ihm vor wie ein Traum, dennoch fühlte er sich so unendlich wach, waren seine Sinne bis zum Zerreißen gespannt, dass er sich nicht sicher war. Er konzentrierte sich so stark auf seine Umgebung, dass sein Kopf schmerzte, dennoch war er nicht in der Lage, auch nur einen Funken aus seiner Umgebung wahrzunehmen.

Panik breitete sich in ihm aus. Spielte sein Geist ihm Streiche oder war vielleicht Magie am Werk? Ein Fluch? War das seine Strafe dafür, dass er einfach nicht stark genug war? Dass er die, die er liebte, nicht beschützen konnte? Doch plötzlich lichtete sich der Nebel und zog Harry mit sich…
 

Schwer atmend fand er sich auf dem Boden eines recht großen Saales wieder und blickte sich um. Alles war sehr edel eingerichtet, geradezu prunkvoll, aber irgendwie auch…gemütlich. Obwohl es nicht seinen eigenen Vorstellungen von einem Zuhause entsprach, fühlte er sich dennoch wohl, geborgen, sicher. Ruhe erfüllte seine Glieder. Langsam erhob er sich, als eine schöne blonde Frau die Räumlichkeiten betrat.
 

Harry erschrak, versuchte, einen Ausweg zu finden, einen Platz, wo er sich verstecken konnte, hielt im nächsten Moment aber schon wieder inne. Man schien ihn gar nicht zu bemerken…

Und noch etwas anderes irritierte ihn. Diese Frau, die da eben durch die Tür geschritten war, kam ihm aus unerfindlichen Gründen bekannt vor, als hätte er sie schon einmal irgendwo gesehen.

Nicht in der Lage seine Gedanken zu ordnen, betrachtete er ruhig, was vor seinen Augen geschah. Die schöne Frau begab sich zu einem kleinen Kinderbettchen, das Harry erst in diesem Moment auffiel, und hob ein winziges Baby auf ihre Arme. Weißblondes Haar stand von dem kleinen Köpfchen ab. Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht der jungen Mutter und ließ Harry unglaubliche Wärme spüren.

Von seinem Herzen ausgehend breitete sich ein Strom unbändiger Zuneigung und Liebe in seinem gesamten Körper aus. Ihm war, als hätte er nichts mehr zu fürchten, als wären all der Schmerz und die Vorwürfe und die Sorgen wie weggeblasen, als herrschte nur Glück. Er war erfüllt von der Liebe zwischen Mutter und Kind, auf eine Weise, von der er glaubte, sie vor langer Zeit verloren zu haben.
 

Eine weitere Person gesellte sich zu dem idyllischen Bild und ließ Harry entsetzt die Augen aufreißen. Wenn er sich bisher keinen Reim darauf machen konnte, woher die Frau ihm bekannt vorkam, so erschlug ihn die Erkenntnis nun eben ohne Vorwarnung. Lucius Malfoy hatte seiner Frau, der blonden Schönheit, eine Hand um die Taille gelegt und schenkte dem kleinen Jungen ein liebevolles Lächeln, was so gar nicht zu Harrys bisherigem Bild von diesem Mann passen wollte. Sein Blick wanderte und blieb verstört an dem blonden Schopf des Babys hängen.

Er wusste nun, wer der kleine Junge war. Es gab nur eine Möglichkeit. Verwirrt schüttelte er den Kopf und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Was war nur los? Wohin war er hier nur geraten?

Doch blieb ihm keine Gelegenheit, weiterhin seine Eindrücke zu ordnen, da unerwartet eine ihm nur allzu bekannte Schlange mit ihrem Herrn das Szenario der kleinen, glücklichen Familie störte.
 

In Harry stieg Hass auf, nur war er sich nicht sicher, wie viel davon wirklich von ihm selbst kam. Tief in seinem Inneren spürte er eine Art Hass, von der er der Meinung war, dass er selbst nicht dazu fähig wäre. Ein ungutes Gefühl erfüllte sein Gemüt. Gleich darauf erfasste ihn Angst. Er konnte sie in den Herzen der Eltern fühlen, nahm sie bis in seine Fingerspitzen war. Irgendetwas lief hier absolut falsch. Harry konnte sich nicht erklären, was hier eigentlich geschah. Waren die Malfoys nicht eigentlich überzeugte Anhänger Voldemorts? Warum passte dann aber diese Szenerie so gar nicht in dieses Bild?
 

Er beobachtete, wie die junge Mutter ihren größten Schatz zurück in sein Bettchen legte und mit angsterfüllten Augen aufblickte, als auch schon Voldemort seine Stimme erhob.

„Du enttäuscht mich, Lucius. Ich dachte, wir wären uns einig gewesen, dass es diese Gefahr nicht wert ist. Warum ist der Junge noch am Leben?“
 

Der soeben Angesprochene wandte den Blick ab und ließ sich ergeben auf die Knie sinken.

„My Lord, seine Geburt kollidiert in keiner Weise mit der Prophezeiung, er kam früher als erwartet und kann euch dadurch nicht mehr gefährlich werden. Lebend könnte er euch aber noch von Nutzen sein. Ein weiterer Soldat und ergebener Anhänger…“ Ein Zittern erfüllte seine Worte, das er nicht vermeiden konnte.
 

Der sonst so gefasste Zauberer war nicht in der Lage, die Angst um seinen Sohn völlig unter Kontrolle zu bekommen. Als sein Herr ihm vor wenigen Wochen verkündet hatte, dass jedes im Juli geborene Kind eine zu große Gefahr für seine Herrschaft darstellen würde und daher getötet werden müsste, hatte er zum ersten Mal eine Art des Schreckens verspürt, von der er nicht wusste, dass es sie gab.

Dass seine Frau überhaupt schwanger geworden war, kam bereits einem Wunder gleich, das nicht nur ihn, sondern auch jeden ihrer Ärzte überraschte. Und jetzt wollte man ihm seinen einzigen Erben nehmen? Wegen einer Prophezeiung? Ein bitterer Ausdruck schlich sich auf seine Züge. Er hielt nicht viel von Weissagungen. Und im Moment verspürte er einen Hauch von Reue, weil er sich von dem Machthunger dieses charismatischen Zauberers hatte einwickeln lassen.
 

„Mein lieber Lucius, du müsstest es doch besser wissen, oder nicht? In dieser Angelegenheit werde ich kein Risiko eingehen. Dieses Kind kam zu früh, das mag sein, dennoch war ihm ein anderer Tag vorherbestimmt. Ein Tag, der innerhalb der prophezeiten Spanne liegt…“
 

„Bitte, my Lord, nehmt ihn uns nicht…“ flehte nun auch Narzissa, die junge Mutter, um das Leben ihres einzigen Sohnes. „Er wird euch keinen Kummer bereiten. Er wird ein treuer, zuverlässiger Anhänger werden. Bitte…“

Tränen rannen über ihre Wangen, als sie sich neben ihren Mann auf den Boden sinken ließ.
 

Harrys schnürte sich die Kehle zu, während er sah, wie Voldemort seinen Zauberstab erhob.

„Meine Entscheidung ist gefallen. Ihr werdet euch mir nicht in den Weg stellen.“

Sein Ton war leise und drohend, ließ keinen Widerspruch zu. Die junge Frau warf sich verzweifelt in die Arme ihres Mannes, um etwas Halt zu finden. Dieser hatte resignierend die Augen geschlossen.

Harry konnte nicht fassen, was vor seinen Augen geschah. Eine Prophezeiung? Etwa die, die seinen Eltern den Tod brachte? Sein Herz wurde schwer.
 

Um ihn herum waren soviel Hass, Angst und Verzweiflung, dass er glaubte, daran zugrunde zu gehen. Das Atmen fiel ihm immer schwerer.

„Nein, nicht…“ brach es aus ihm hervor, als Voldemort seinen Zauberstab schwang und einen Todesfluch losschickte. Er selbst empfand Wut über die Genugtuung, die soeben in ihm aufstieg, während Tränen ihren Lauf über seine Wangen suchten. Sein Blick glitt zu dem Kinderbettchen, in dessen Richtung sich der Fluch seinen Weg bahnte. Doch bevor er das kleine Geschöpf völlig erreichen konnte, wurde er durch einen anderen Zauber umhüllt und beide trafen den jungen Draco Malfoy.

Harry atmete schwer. Was war passiert?
 

„My Lord, überdenkt eure Entscheidung. Der Junge kann lebendig von größerem Nutzen sein.“

Eine Harry nur allzu bekannte Stimme hallte durch den Raum. Snape… Das war Snape…

„Du wagst es, Severus, mich so zu hintergehen? Du schützt das Kind mit deiner Magie?“ Der Zorn sprühte förmlich aus den Zügen des dunklen Lords.
 

„My Lord, bedenkt die Prophezeiung. Es wird explizit von einem im Juli geborenen Kind gesprochen, nicht von einem, das auch schon eher geboren werden könnte. Eine übereilte Reaktion könnte den Lauf der Prophezeiung auch negativ beeinflussen. Wir müssen jetzt besonders vorsichtig sein.“

Harry spürte Wut in sich, aber auch Sorge. Waren das etwa Snapes Gefühle? Sorgte er sich um Draco? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen…

Doch Snapes Worte hatten es anscheinend geschafft, Voldemort zu beruhigen. Dessen Blick war immer noch zornig und skeptisch, aber sein Zauberstab sank. Snapes Worte über die Prophezeiung schienen ihn innehalten zu lassen.
 

„Gut. Wo es dir doch so am Herzen liegt, Severus“, zischte der dunkle Lord, „wirst du ein Auge auf das Kind haben, bis ich sicher sein kann, wessen Tod die Prophezeiung verhindert. Sollte ich mir nächsten Monat nicht gänzlich sicher sein, nachdem ich alle Neugeborenen beseitigt habe, wirst du dich persönlich um den jungen Malfoy kümmern. Und dann werde ich keinen Widerspruch mehr dulden...“ Der Klang seiner Worte war unumstößlich, verbindend, endgültig.
 

„Ja, my Lord“, antworte Snape mit fester Stimme. Seine Miene war starr, doch dahinter schien ein Sturm zu wüten. Harry hatte das Gefühl, vor Empfindungen zu platzen. Gute wie schlechte Emotionen häuften sich in ihm. Liebe, Hass, Verachtung, Fürsorge, Dankbarkeit, Sorge, Wut, Mut. Und als Voldemort verschwand, trat Erleichterung hinzu.
 

Eine in Tränen aufgelöste Mutter lief zu ihrem Baby und nahm ihn fürsorglich in die Arme.

Und plötzlich war da nichts mehr. Harry legte seine Hand über sein Herz. Er war leer. Völlig leer. Nichts schien eine Rolle zu spielen. Wie in Watte gepackt. Überall waren Gefühle, doch sein Herz war leer. Seine Augen weiteten sich geschockt, während er das kleine Kind anstarrte. Dann zog ihn ein dichter Nebel davon…
 

Im nächsten Moment stand er neben einem Schreibtisch, an dem eine völlig aufgelöste Narzissa Malfoy, mit ihrem kleinen Baby auf dem Arm, und ein zu Harrys Überraschung niedergeschlagener Severus Snape saßen. Er blickte sich um, konnte aber trotzdem nicht feststellen, wo er sich befand. Harry war völlig verwirrt. Was war hier nur los? Er musste träumen, aber warum erschien ihm dann alles so real? Warum hatte er das Gefühl, dass diese ganzen Geschehnisse, die er sah, nicht nur Produkte seiner Fantasie waren? Und warum schienen all seine Traumsequenzen mit Draco Malfoy zutun zu haben? Eine Antwort suchend verfolgte er interessiert, was sich vor seinen Augen abspielte.
 

„Narzissa, es tut mir leid. Ich kann nichts tun.“ Snape schüttelte entschuldigend den Kopf. „Mein Schutzzauber war zwar in der Lage, den lebensgefährlichen Effekt des Todesfluchs zu verhindern, aber seine Nebenwirkungen waren nicht abzusehen. Der Zauber hat ihn frontal getroffen, Narzissa. Wir haben Glück, dass er ansonsten unversehrt ist…“

„Aber…was bedeutet das nun für ihn, Severus? Wie stellst du dir ein solches Leben vor?“ Die junge Mutter war gänzlich aufgelöst. Die Situation schien sie schier zu überfordern.
 

„Ich…er wird niemals Gefühle entwickeln, Narzissa. Er wird niemanden lieben oder hassen, sich nicht wirklich über etwas freuen können. Seine Entscheidungen werden völlig rational sein. Richtig und falsch werden nichts mit seiner Gefühlslage zu tun haben. Ich werde weiterhin Nachforschungen anstellen, aber ich glaube nicht, dass ich die Wirkung des Fluches umkehren kann. Es tut mir leid…“ Man sah dem talentierten Zaubertränkelehrer an, dass ihn diese Erkenntnis selbst schmerzte.
 

Harry fuhr sich fahrig durch die Haare. Draco Malfoy war wie er selbst vom Todesfluch getroffen worden, nur hatte ihn nicht die Liebe seiner Mutter, sondern ein Zauber von Snape gerettet. Und nun war er nicht mehr in der Lage, Gefühle zu empfinden. Harry war absolut vor den Kopf gestoßen. Die Leere, die er vorher gespürt hatte, war keine Einbildung gewesen, sie kam direkt von dem kleinen Jungen und hatte sein Herz ergriffen. Draco konnte nichts fühlen…

Und mit diesem Gedanken wurde er durch weitere Erinnerungen des jungen Malfoys gezogen…
 

Da war Draco, wie er aufwuchs, behütet von liebevollen Eltern, selbst jedoch nicht fähig dazu, diese Liebe zu erwidern.

Draco, der lernte, zauberte, las.

Draco, der nach Hogwarts kam.

Draco, dem Harry begegnete.

Draco, der all die Jahre nach außen hin eine Maske trug, die keine Maske war.

Und da war diese Leere, die ihn stets erfüllte, die Teil von ihm war, die er nicht ablegen konnte.

Und eben diese Leere, ließ Harrys Herz schwer werden…
 

Als er Draco am See sitzen und in einem kleinen Büchlein nach der Erkenntnis suchen sah und ihm schließlich in der Bibliothek bei der Suche nach diesem gewissen Zauber Gesellschaft leistete, wurde ihm klar, was hier mit ihm geschah.

Er befand sich nicht in einem Traum, sondern in den Erinnerungen eines Jungen, der nur einmal in der Lage sein wollte, Gefühle zu empfinden. Und der ihn, Harry, dazu ausgesucht hatte, Teil davon zu sein.

Und auf einmal sah Harry diesen Streit, den sie vor kurzem geführt hatten, in einem völlig anderen Licht. Der junge Malfoy hatte ihn nicht verletzten, nicht erniedrigen wollen - er wusste ja im Grunde nicht einmal, was das bedeutete. Draco war auf der Suche gewesen nach etwas, von dem Harry soviel hatte, dass er glaubte, daran zu zerbrechen. Doch nun, nachdem er die Leere gespürte hatte, nachdem sein Herz erfüllt worden war mit diesem Nichts, merkte er, dass er für den Schmerz, den er fühlte, ein wenig dankbarer sein sollte. Denn dieses Vakuum an Gefühlen, das sein Inneres eingenommen hatte, ließ ihn eine Einsamkeit erleben, die keine Alternative bot. Und plötzlich waren alle seine Urteile über Draco Malfoy über den Haufen geworfen worden…
 

Schwer atmend erwachte Harry und saß aufrecht in seinem Bett. Gedankenversunken fuhr er sich durch seine wirren Haare. Er hatte den Eindruck, nie wirklich etwas gewusst zu haben. Sie fällten ständig Urteile über einander, über die Menschen, denen sie begegneten, über sich selbst. Wie viel davon entsprach wirklich der Realität? Er wusste es nicht. Nur einer Sache war er sich sicher: Etwas hatte sich verändert. In ihm…

Neue Erkenntnisse

So meine Lieben, hier kommt das nächste Kapitel^^
 

Ich hoffe es macht euch Freude ;)
 

Und: immer noch nix mir, nur die wirre Idee
 

*lebkuchenhinstell*
 

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Seit geraumer Zeit starrte Harry nun schon die Decke seines Himmelbettes an, während seine Gedanken rasten. Dieser Traum, der in Wahrheit keiner zu sein schien, auch wenn er dies noch nicht so recht bereit war zu glauben, hatte ihn völlig aus der Bahn geworden. Es war zwar noch früh am Morgen, was er an dem Dämmerlicht, das durch seine Vorhänge fiel, deutlich ausmachen konnte, aber er fand seit seinem plötzlichen Erwachen einfach keinen Schlaf mehr.

Was war nur passiert? Wie war das denn eigentlich möglich, was da in dieser Nacht mit ihm geschehen war? Und wieso gerade er?
 

Tausende solcher Fragen schwirrten in seinem Kopf umher und auch, wenn an und für sich auf viele in den Bildern dieser Nacht eine Antwort zu finden war, so waren seine Zweifel dennoch größer als vermutet.

Nach dem, was er glaubte zu wissen, besaß Draco Malfoy, den er stets für seinen Widersacher und Gegner gehalten hatte, keine Gefühle. Aufgrund eines Fluches. Aufgrund des gleichen Fluches, der seine Eltern getötet hatte. Aufgrund eines Fluches, der ihn, Harry, selbst gebrandmarkt hatte.
 

Und um das, was ihm fehlte, besser zu verstehen, wandte der blonde Slytherin einen Zauber an, damit er die Gefühle eines anderen spüren konnte. Alle Emotionen, die derjenige jemals kennengelernt hatte…

Und dafür hatte er sich ausgerechnet ihn ausgesucht.

Doch die Magie wirkte nicht nur in eine Richtung, sondern veranlasste einen Tausch: die Gefühle und Erinnerungen des einen für die des anderen.
 

Und innerhalb dieser einen Nacht, die ein ganzes Leben zu dauern schien, wurde Harrys Weltbild völlig auf den Kopf gestellt. Obwohl alles beim Alten war, blieb nichts wie vorher. Es war schier nicht möglich. Auch wenn von außen der Schein gewahrt blieb, so stand doch jede Meinung und Überzeugung in seinem Inneren kurz vor dem Zerbersten, wenn sie nicht schon längst durch den Druck der immer noch so lebendigen Bilder aus einem anderen Leben zerbrochen war.
 

Soviel Wissen staute sich in seinem Geist, dennoch konnte er es einfach nicht glauben. War er wirklich all die Jahre über so blind gewesen? Er hatte diesem vermaledeiten Slytherin immer soviel Aufmerksamkeit geschenkt, ihn beobachtet, all sein Misstrauen zu bestätigen versucht, dass er manchmal der Meinung gewesen war, ihn vermutlich sogar besser zu kennen als seine eigenen Freunde. Jetzt musste er feststellen, dass er nie wirklich hingesehen hatte, nie wirklich versucht hatte, den anderen zu verstehen, sondern nur sein bereits verfestigtes Bild von ihm bestätigen wollte. Er hatte es nicht gesehen. Und auch jetzt klang es noch völlig absurd, aber dennoch…
 

Ein Seufzen rann über Harrys Lippen. Er war ein Narr gewesen. Die ganze Zeit über. Er hatte immer gedacht, dass er so tolerant und aufgeschlossen wäre, weil er doch selbst am eigenen Leib erfahren durfte, was es hieß, nicht akzeptiert zu werden. Doch nun wurde ihm klar, dass er nicht weniger Vorurteile in sich trug als alle anderen, als alle, die ihn verachteten, ihm misstrauten, ihn schlicht nicht mochten, für das, was er war. Denn er selbst hatte ebenso geurteilt, über Menschen, von denen er in Wirklichkeit nichts wusste, bei denen er sich nie die Mühe gemacht hatte, sie kennenzulernen, sie zu verstehen, sie tatsächlich zu sehen.
 

Mit matten Gliedern setzte Harry sich auf und fuhr sich benommen über die Augen. Immer noch tief in den Wirren seiner Gedanken versunken, machte er sich leise auf in Richtung Badezimmer. An Schlaf war sowieso nicht mehr zu denken. Nach einer ausgiebigen Dusche und der morgendlichen Routine im Bad blieb sein Blick an seinem Spiegelbild hängen. Er sah aus wie immer. Unter seinen Augen zeigten sich Ringe der Übernächtigung, die durch die Brille halbwegs verdeckt wurden. Sein Haar stand wirr in alle Richtungen ab und auf seiner Stirn zeichnete sich die blitzförmige Narbe deutlich ab. Nichts war anders. Doch als er sich in die Augen sah, konnte er es nicht mehr leugnen.
 

Etwas hatte sich geändert. Er erkannte es in dem grünen Schimmer, der seine Seele zu spiegeln schien. Und da blickte ihm die Erkenntnis direkt entgegen. Er hatte sich nie die Mühe gemacht, die Menschen wirklich zu verstehen. Auch sich selbst hatte er nicht zu verstehen versucht. Kopfschüttelnd wandte er sich ab, da er seinem eigenen forschenden und gleichzeitig enttäuschten Blick nicht mehr standhalten konnte. In diesem Moment wusste er nicht einmal mehr, wer er eigentlich selbst war. Vielleicht hatte er es auch nie wirklich gewusst. War man denn überhaupt in der Lage, irgendjemanden zu beurteilen, wenn man das eigene Ich nicht erfassen konnte?
 

Trotz allem, was er bereits erlebt hatte, obwohl er all diese Erfahrungen und Eindrücke gewonnen hatte, gute wie schlechte, so fühlte er jetzt, in diesem Augenblick, das erste Mal überhaupt, Leere in sich. Und ihm wurde klar, dass es nur einen Menschen gab, der in der Lage sein würde, diese Leere zu füllen, ihn zu sich selbst zurückzuführen. Der gleiche Mensch, der ihm diese Leere erst gezeigt hatte.

Er musste es wissen. Er musste wissen, ob er wirklich so falsch gelegen, ob er ihn tatsächlich so schlecht eingeschätzt hatte. Ob all das, was er letzte Nacht gesehen und gespürt hatte, auch wahrhaftig stattgefunden hatte.
 

Beinahe hastig zog er sich seine Klamotten über und verließ leise und ohne jemanden zu wecken den Schlafsaal. Er hatte kurz überlegt, Ron seine letzte halbe Stunde Schlaf zu rauben, bevor der Wecker klingelte, ließ es dann aber doch bleiben. Wie sollte er ihm schließlich erklären, was da in seinen Träumen passiert war? Wie sollte er es Ron verständlich machen, wenn er es ja nicht einmal selbst begriff?
 

Seine Schritte führten ihn direkt in die große Halle, wo bereits wenige Frühaufsteher saßen und aßen. Die Frühstückszeit hatte erst vor wenigen Minuten begonnen, weshalb bis jetzt auch noch kein Lehrer auszumachen war. Harry erntete zwar ein paar ungläubige Blicke für sein zeitiges und dazu auch noch alleiniges Auftauchen, sonst blieb aber alles ruhig. Still ließ er sich auf seinem gewohnten Platz nieder und nahm sich langsam etwas Essbares von der reich gedeckten Tafel. Sein Blick glitt zum Tisch gegenüber und ohne, dass er es selbst richtig bemerkt hatte, starrte er den Punkt an, von dem ihn sonst häufig diese unergründlichen grauen Augen musterten. Er musste mit ihm sprechen. Aber wie? Wie sollte er das anstellen? Einfach zu ihm gehen? Ihn darauf ansprechen, was er vermutete zu wissen? Ihn um ein Gespräch bitten? Was, wenn er nun doch geträumt hatte? Wenn es ein böser Zauber gewesen war, der den Zweck hatte ihn zu verwirren, ihn auf eine falsche Fährte zu locken?
 

Müde schloss Harry seine Augen, während er sich fahrig durch die Haare fuhr. Er war sich nicht sicher. Bei nichts, wenn er ehrlich war. Konnte das denn alles eine Lüge sein? Es war so real gewesen, so echt. Als er seine Seelenspiegel erneut öffnete, suchten sie sofort diesen bestimmten Platz auf der anderen Seite des Raumes, von dem er sich eine Antwort erhoffte. Doch eine Veränderung der Gegebenheiten ließ ihn zusammenzucken. Er sah sich nun direkt mit diesen grauen Augen konfrontiert, die durch sein Grün geradewegs in seine Seele zu blicken schienen. Nein, es war kein Traum gewesen. Harry war darüber in all der Unsicherheit plötzlich unumstößlich sicher.
 

Während er weiterhin aus den unergründlichen Tiefen des anderen, der sich nicht abwandte, ja nicht einmal zuckte, eine Lösung herbeisehnte, fand er etwas anderes.

Nämlich nichts. Keine Regung. Keinen Ausdruck. Keinen Glanz. Und eben das war die Antwort, nach der er gesucht hatte. Leere.

Im gleichen Moment wurde ihm auch etwas anderes bewusst: All die Jahre hatte er so viel Hass, so viel Verachtung und Arroganz in diesen Augen ausgemacht. Nun erkannte er, dass er selbst diese Emotionen hatte sehen wollen, dass er sie hervorgerufen hatte. Denn auch, wenn Draco diese Rolle als ein hervorragender Schauspieler gespielt hatte, so war Harry derjenige gewesen, der es zugelassen, es erwartet, es gewünscht hatte. Wenn er sich auch nur einmal die Zeit genommen hätte, richtig hinzusehen, dann wäre ihm die Lüge ins Gesicht gesprungen, wie jetzt, wo sie so offensichtlich erschien.
 

Ein Schlag auf seine Schulter ließ ihn vor Schreck aufspringen und den Blick seinem besorgt dreinschauenden Freund neben sich zuwenden.

„Mensch, Harry, was ist denn mit dir los? Und warum bist du überhaupt schon hier?“ Ron versuchte nicht einmal seine Verwunderung zu verbergen. Auch Hermines musternden Blick konnte er deutlich auf sich spüren. Seufzend ließ er sich wieder nieder, bevor er seinen Freunden antwortete.

„Man, du hast mich vielleicht erschreckt… Ich konnte nicht schlafen, da dachte ich, ich geh schon mal frühstücken. Ich wollte dich nicht wecken…“
 

„Hast du schlecht geträumt, Harry?“, fragte nun auch Hermine vorsichtig. Harry nickte. Sein Blick wanderte zum Slytherintisch, wo er Draco in ein Gespräch vertieft sah. Die nächste Frage seiner Freundin verlagerte seine Aufmerksamkeit wieder zurück in seine eigenen Reihen.

„Ging es um Sirius?“ Ihre Augen zeigten Trauer.

Sirius…

Harry nickte bereits mechanisch. Es war eine Lüge. Es war die erste Nacht nach dem Tod seines Paten gewesen, in der er nicht von ihm geträumt hatte. Von seiner eigenen Schuld. Aber so würden sie ihn in Ruhe lassen und nicht weiter nachhaken, das wusste er. Sie trauten sich nicht. Sie warteten darauf, dass er bereit dazu war, darüber zu sprechen, aber er konnte nicht. Sirius…

Ob er ihn in einer Situation wie dieser verstehen würde? Ob er ihm helfen könnte? Er wusste es nicht. Und er würde es auch nie herausfinden… Er spürte, wie sein Herz begann zu schmerzen.
 

„Kommst du, Harry? Wir haben doch jetzt Zaubertränke, und du weißt ja, wie Snape ist, wenn wir zu spät kommen…“, stöhnte Ron wehleidig.

Die Worte seines Freundes rissen Harry aus seinen trüben Gedanken. Zaubertränke. Mit Snape. Mit den Slytherins. Mit Draco Malfoy. Vielleicht war das die Gelegenheit, die er brauchte. Er stand auf und folgte seinen Freunden in die Kerker.
 

Als sie Platz genommen hatten, rauschte auch schon der Professor in den Raum. Er schien irgendwie verstimmt zu sein, sein Blick war jedenfalls eisiger denn je. Harrys Herz rutschte ihm in tiefere Gegenden. Na toll.

Diese Doppelstunde würde wahrscheinlich ein Horrortrip werden. Zumindest für ihn. Er konnte ein wehmütiges Seufzen nicht unterdrücken. Auch sein rothaariger Freund konnte seine Verzweiflung nicht verbergen. Sie würden das, was auch immer kommen würde, maßlos vergeigen.

„Ich teile sie heute in Zweiergruppen ein, immer ein Schüler aus Griffindor und einer aus Slytherin. Sie werden den Trank, zu dem alle Angaben bereits an der Tafel stehen, innerhalb der nächsten zwei Stunden vollenden. Er wird 25 Prozent ihrer Endnote ausmachen. Die Teams sind folgende…“
 

Harry war schlecht. 25 Prozent. Er war verloren.

„Weasley und Parkinson…“ Der Blick seines Freundes zeigte Entsetzen. Von seinen Lippen glaubte er ein ‚Erschieß mich’ lesen zu können, während Ron sich erhob.

Hibbelig rutschte Harry auf seinem Stuhl hin und her.

„…Granger und Nott“

Er spürte, wie ihm immer übler wurde.

„…und als letztes: Potter und Malfoy. Fangen sie an…“
 

Harry saß da wie erstarrt. Potter und Malfoy. Die Worte hallten immer wieder in seinem Kopf nach und als er ihre Bedeutung endlich begriffen hatte, sprang er regelrecht von seinem Stuhl auf. Seine Augen durchforsteten den Raum und blieben an dem unnatürlich blonden Haarschopf hängen, über den er sich den ganzen Morgen über den Kopf zerbrochen hatte. Er wusste nicht so recht, wie er sich fühlen sollte. Einerseits wollte er mit ihm sprechen, er hatte sogar das Gefühl es unbedingt zu müssen. Andererseits hatte er Angst. Vor Dracos Reaktion. Und auch vor diesem verfluchten Trank. 25 Prozent…

Mit zittrigen Knien machte er sich auf den Weg zum Tisch des anderen und ließ sich auf den freien Platz sinken.
 

Vor sich sah er bereits jede Menge Zutaten, die Draco während seines Zögerns schon beschafft haben musste. Er wollte ihn ansprechen, irgendetwas sagen, aber sein Gesicht war fest auf die Tischplatte gerichtet. Warum war es nur so schwer? Er spürte den Blick des anderen auf sich ruhen. Er wartete. Auf Harrys Erwiderung. Zwischen ihnen herrschte absolute Stille.

Er musste sich jetzt zusammenreißen. Harry atmete tief durch, bevor er seinen Kopf erhob und sich wieder mit den grauen Augen konfrontiert sah, wie beim Frühstück. Sie blickten ihn einfach nur an, ohne Forderung, ohne Drang, ohne Gefühl.
 

„Schreib einfach das Protokoll von der Tafel ab. Dann kannst du den Blauwurz und die Nikawurzeln schneiden, wie ist völlig egal. Das beeinflusst den Trank nicht. Ich kümmere mich ums Timing, was bei diesem Trank etwas schwierig ist. Dann brauchst du dir keine Sorgen machen, dass du das hier völlig versauen könntest.“ Der Klang seiner Stimme war völlig neutral. Doch irgendwas war anders…als sonst. Er versuchte, es ihm einfach zu machen. Er nahm Rücksicht auf Harrys Furcht vor einer schlechten Note und auf seine miserablen Fähigkeiten bezüglich der Herstellung von Zaubertränken. Und aufgrund dieser Erkenntnis platzte es einfach so aus Harry heraus.

„Wir müssen reden!“ Draco blickte ihn immer noch direkt an. Er spürte, wie er rot wurde.

„Warum?“
 

„Ich hab letzte Nacht geträumt…“ Seine Stimme zitterte.

„Ich weiß…aber worüber willst du mit mir reden?“ Harrys Augen weiteten sich verdutzt. Wusste er wirklich nicht, warum sie sich unterhalten sollten?

„Aber…ich…ich meine…sollten wir nicht darüber sprechen? Ich meine…ich hab so viele Fragen. Hast du keine? Ich…“ Harrys Stimme versagte. Er war verwirrt. Und wieder einmal wusste er gar nichts. Es war merkwürdig. Zwischen ihnen war nichts wie vorher, keiner spielte mehr eine Rolle, dennoch war dort eine Mauer, die anscheinend nicht so einfach zu überwinden war.
 

„In Ordnung. Reden wir, wenn du willst. Ein paar Fragen fallen mir ein.“ Nun war Harry überrascht. Bildete er sich diese Mauer nur ein? Aber da war schon eine, nur nicht eine solche, die er im Sinn gehabt hatte, sondern eine, die eben immer vorhanden war, wenn man jemandem zum ersten Mal begegnete. Und zwischen ihnen war es ja so ähnlich. Sie mussten sich erst kennenlernen. Und so absurd es auch in Harrys Ohren klang: Draco hatte tatsächlich einfach nur einen Grund gebraucht. Einen rationalen Grund, keinen emotionalen, der für Harry so offensichtlich schien. Daran würde er sich erst gewöhnen müssen. Dracos Worte ließen ihn wieder in die Realität zurückkehren.
 

„Wir können uns heute Abend nach dem Essen auf dem Astronomieturm treffen, dort ist es ruhig. Dann können wir reden. Jetzt hat der Trank Priorität.“

Harry konnte einfach nicht anders. Dracos Worte waren so geradlinig, dass er lächeln musste. Da er den abwartenden Blick des anderen auf sich spürte, nickte er zur Bestätigung.

„Gut.“ Damit wandte Draco sich wieder der Zubereitung des Tranks zu und Harry tat es ihm nach kurzem Zögern gleich.
 

Sie wechselten während des Arbeitsvorgangs kaum ein Wort miteinander. Draco kümmerte sich konzentriert um alle Arbeitsschritte und band seinen Teampartner, wann immer möglich, mit ein. Ihr Vorgehen war einvernehmlich und friedlich und Harry mehr als dankbar. Als der blonde Slytherin am Stundenende den Trank abfüllte und zu Snape brachte, brach alle Anspannung von den Schultern des jungen Griffindors. 25 Prozent seiner Note waren gerettet. Als er seine Sachen zusammengepackt hatte und sich erhob, war Draco Malfoy bereits nirgends mehr zu sehen. Er war ohne ein weiteres Wort gegangen. Aber das machte nichts.
 

Sie würden reden.

Heute Abend.

Es war einfach zum Verrücktwerden

Hey meine lieben Leser,
 

hier kommt endlich das 6. Kapitel, tut mir leid, dass ihr so lange warten musstet, aber ich hoffe, der Inhalt entschädigt euch^^.
 

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und hoffe, es gefällt.
 

Greetz, bumble^^
 


 

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Harry stocherte lustlos in seinem Abendessen herum. Es war einfach zum Verrücktwerden. Die Aufregung zog sich geradezu wie ein Film über seine Haut. Warum bei Griffindor war er nur so unglaublich nervös? Er traf sich doch nur mit Draco Malfoy. Auf dem Astronomieturm. Allein. Nach dem Essen. Diesem Essen. Verdammt.

Seufzend legte er die Gabel nieder. Er bekam sowieso nicht auch nur einen Bissen herunter. Die Schmetterlinge in seinem Bauch ließen ihn wahnsinnig werden. Aber woher kamen die bloß? Es konnten keine Schmetterlinge sein. Er traf sich doch lediglich mit Draco Malfoy. Im Prinzip könnte man auch sagen, er träfe sich mit einem Fremden. Also waren Schmetterlinge einfach nur unsinnig. Ihm war einfach nur schlecht. Genau. Das Essen musste ihm auf den Magen geschlagen sein. Das einzige Problem an dieser Theorie war, dass er gar nichts zu sich genommen hatte. Seufzend schloss er die Augen. Es war einfach zum Verrücktwerden.
 

„Hey, Harry, ist alles in Ordnung? Du isst ja gar nichts…“ Hermines Worte ließen ihn aufschauen. Seine Freunde. Sie machten sich Sorgen. Die ganze Zeit. Das wusste er. Auch wenn man es Ron gerade nicht ansah, der sich wie immer wild und wahllos die vielen Leckereien auf dem Tisch in den Mund schob. Der Junge konnte essen, dass es ihn immer wieder aufs Neue verblüffte. Wie ein Fass ohne Boden. Ein Lächeln schlich sich auf seine Züge.

„Mir geht es gut, Hermine. Ich habe nur einfach nicht so viel Appetit heute.“ Er hatte darüber nachgedacht, ob er ihnen nicht einfach erzählen sollte, was er da in der letzten Nacht erfahren und erlebt hatte. Genauso schnell hatte er den Gedanken aber auch wieder verworfen. Dafür klang es einfach zu absurd. Und eigentlich wusste er ja selbst auch nichts wirklich sicher. Außerdem hatte er keine Ahnung, ob Draco überhaupt wollte, dass es jemand erfuhr. Es gab einfach noch zu viele offene Fragen.
 

„Harry!“ Der Angesprochene zuckte erschrocken zusammen und blickte in das Gesicht seines rothaarigen Freundes.

„Mann, wo bist du zurzeit nur immer mit deinen Gedanken?“, grinste Ron ihn schief an. „Wir sind fertig mit unserem Essen und wollen zurück in den Gemeinschaftsraum. Kommst du mit?“

„Ich…“ Sein Blick glitt unbewusst zum Slytherintisch gegenüber. „Ich…nein, ich denke, ich werde noch einen Moment…spazieren gehen. Ich brauche ein bisschen frische Luft.“ Als seine grünen Augen von einem undurchdringbaren Grau eingefangen wurden, stellte er fest, dass ein wenig Frischluft gar nicht so verkehrt wäre. Als er seinen Namen erneut hörte, wendete er sich wieder seinen Freunden zu.
 

„Harry, mal im Ernst, du solltest an deiner Aufmerksamkeit arbeiten.“, ermahnte Hermine ihn nun mit einer Mischung aus Sorge und Vorwurf. „Wir wollten nur wissen, ob du vielleicht Gesellschaft bei deinem Spaziergang möchtest. Wir könnten mitkommen.“

„Nein, danke Leute, aber ich wäre lieber ein bisschen allein. Ich muss…nachdenken.“

Einen scheinbar endlosen Augenblick lang bedachte seine Freundin ihn mit einem undeutbaren Blick, dann erhob sie sich.

„In Ordnung, dann bis später, Harry. Komm Ron, wir gehen.“ Damit zog sie einen etwas verwirrten Rotschopf von seinem Platz und beförderte ihn in Richtung Tür. Harry wusste nicht ganz, was er davon halten sollte. Manchmal wurde er aus Hermine einfach nicht schlau.

Aber nicht nur aus ihr… Seine Augen richteten sich erneut auf den Slytherintisch, doch so oft sie die Reihen auch absuchten, sie fanden nicht, wonach die Ausschau hielten. Kein weißblondes Haar. Keine grauen Augen. Er war weg. Aber wann war er denn aufgestanden und gegangen? Harry erhob sich und machte sich auf in Richtung Ausgang. Er seufzte. Hermine hatte recht. Seine Aufmerksamkeit war heute echt erbärmlich.
 

Als die Tür zum großen Saal ins Schloss fiel, atmete Harry erst einmal tief durch, um die immer weiter wachsende Nervosität zurückzudrängen. Allerdings konnte er nicht gerade behaupten, dass es half. Niemand befand sich in der Halle und Stille lag in der Luft. Ob es eine angenehme oder unangenehme Ruhe war, konnte er noch nicht wirklich sagen. Aber er bekam sowieso keinen klaren Gedanken mehr zu fassen. Das Einzige, was in seinem Geist herumschwirrte, war das unmittelbar bevorstehende Treffen mit Draco Malfoy. Sie wollten sich nach dem Essen treffen. Und jetzt war nach dem Essen. Er spürte, wie ihm mulmig wurde. Ob er schon dort war? Sein Blick wanderte zur Treppe, die vor ihm lag, die ihn zum Astronomieturm führen würde, zu Draco.
 

Harry schüttelte den Kopf. Es war einfach zum Verrücktwerden. Er musste aufhören, soviel darüber nachzudenken. Es führte ja doch zu keinem Ergebnis. Langsam lenkten ihn seine Schritte in Richtung Treppe und aus Angst, er könnte sich die Sache am Ende vielleicht noch selbst ausreden, rannte er plötzlich los. Er rannte die Treppen hinauf, über die Flure, durch die Gänge, weitere Treppen nehmend, bis er schließlich atemlos vor dem Eingang zum Astronomieturm zum Stehen kam. Keuchend lehnte er sich an die Wand und versuchte, seine Atmung zu beruhigen. Seine Hand fuhr lautlos über die Oberfläche der Tür. Dahinter würde er sein. Dort würde er auf ihn warten, falls er denn schon da war. Aber dieser Sache war sich Harry merkwürdigerweise sicher, wenn er sich auch sonst nichts so richtig gewiss war. Er lehnte sich frontal gegen die Tür und ließ seinen Kopf dagegen sinken, wobei er die Augen schloss. Gleich würden sie sich gegenüber stehen. Es war einfach zum Verrücktwerden.
 

Plötzlich verlor er ruckartig die Lehnfläche vor sich und versuchte erschrocken, sein Gleichgewicht wiederzufinden, was ihm allerdings nicht gelang. Einen Moment später klammerte er sich an die Schultern seines Gegenüber, der ihn sofort festhielt und vor einem Sturz bewahrte. Und als er erneut mit diesem unergründlichen Grau konfrontiert wurde, waren sie wieder da, als wären sie nie fort gewesen, diese verdammten Schmetterlinge.

Im Moment verstand er sich selbst nicht. Was war nur los mit ihm? Das war nur Draco Malfoy. Niemand besonderes. Niemand, der ihn interessierte. Doch unerträglicherweise war ihm nur allzu klar, dass das nicht stimmte. Draco Malfoy war immer interessant gewesen. Vor allem für Harry. Aber warum, das hatte er sich bisher nicht erklären können. Oder vielleicht hatte er es auch nicht gewollt. Schnell verdrängte er diesen Gedanken. Es war einfach zum Verrücktwerden.
 

Als Harry sich gewahr wurde, in welcher Position er sich immer noch befand, zuckte er zurück und brachte etwas Abstand zwischen sich und den Jungen vor sich. Draco stand regungslos da und blickte ihn an. Nichts hätte Harry im Moment nervöser machen können. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er glauben, dass der andere das mit Absicht machte. Für den alten Draco, den er zu kennen gemeint hatte, wäre das typisch gewesen. Aber diesen Draco Mafloy gab es ja eigentlich nicht, oder? Und während er darüber nachdachte, wurde ihm nur allzu bewusst, dass er es nicht mehr schaffte, sein Gegenüber lediglich beim Nachnamen zu nennen. Nicht einmal in Gedanken.
 

„Kannst du mir sagen, warum du lieber vor der Tür stehst und nicht reinkommst? Es erscheint mir nicht sehr logisch.“, durchbrachen nun Dracos Worte Harrys verworrene Gedankengänge.

„Ähm…nein, ich, klar will ich reinkommen…“ Damit schritt er an dem anderen vorbei in den Raum, während er hörte, wie hinter ihm die Tür ins Schloss fiel. Er stand etwas unschlüssig da, als sich eine Hand auf seinen Rücken legte und ihn sanft Richtung Fenster schob. Mit unerwartet zittrigen Knien schritt er voran und war dankbar, sobald er sich an dem Sims vor sich festhalten konnte. Draco stieß die Fensterläden vor ihnen auf und stützte sich rechts neben ihm auf der Fensterbank ab. Harry sog die angenehme Brise, die ihm entgegenwehte, tief in seine Lungen. Sein Blick glitt über die Landschaft rings um Hogwarts. Die ganze Situation machte ihn immer noch sichtlich nervös. Es war einfach zum Verrücktwerden. Zögerlich wanderte sein Blick nach rechts, erst zu dem weißblonden Haar, dann über das makellose Profil des Gesichtes, die helle Haut, bis hin zu den feingliedrigen Händen. Es war der gleiche Draco Malfoy, den er schon früher so oft beobachtet und studiert hatte, und doch… Wenn er ihn jetzt ansah, hatte er das Gefühl, er hätte ihn nie zuvor gesehen. Und als sich ihm diese tiefen, grauen Augen zuwandten, versuchte er auch nur irgendetwas in ihnen zu lesen. Doch er fand nichts. Als wären sie völlig leer, gar nicht da. Und plötzlich wurde ihm ganz kalt. Dann durchbrach Draco die Stille.
 

„Also, wir sind hier um uns über den Zauber, den ich verwendet habe, und seine Auswirkungen zu unterhalten. Ich habe drei Fragen. Ich würde sie jetzt gleich stellen. Hast du irgendwelche Einwände?“

Seine Worte waren direkt und höflich. Harry spürte die Kälte immer noch. Da er seiner Stimme nicht traute, nickte er lediglich. Dann stellte Draco seine erste Frage.

„Wie ist es, Gefühle zu haben? Denkst du, es ist wichtig?“

Harry brauchte nicht lange darüber nachdenken, was er sagen könnte. Mit dieser Frage hatte er gerechnet. Er räusperte sich.

„Ähm, ja, ich halte Gefühle für wichtig. Sie…sagen irgendwie so viel über einen Menschen aus. Wegen der Emotionen erkennst du, wie jemand ist. Und wie es sich anfühlt, Gefühle zu haben…na ja, gut, glaube ich…“ Harry zögerte. Es war schwerer zu erklären, als er anfangs gedacht hatte. Wie konnte er das so rational wie möglich erläutern, dass es auch für Draco logisch klang?
 

„Weißt du, als ich an…deiner Stelle war in…in diesem Traum, da…diese Leere, das war… Ich denke, ich weiß erst dadurch, dass Gefühle wichtig sind. Ich habe sie vorher immer für so selbstverständlich gehalten. Sie sind eben einfach da. Manchmal brechen sie sogar schlagartig über einen herein, ohne dass man sie aufhalten kann. Ich habe mir oft gewünscht, doch einfach gar nichts fühlen zu können, vor allem keinen Schmerz.“ Harry schloss die Augen und atmete tief durch, um die Tränen zurückzuhalten. „Sirius zu verlieren, tat so weh, dass ich dachte, ich müsste sterben. Dass ich nur weiterleben könnte, wenn ich nichts mehr zu spüren brauchte. Aber eigentlich hatte ich keine Ahnung, was ich mir da wünschte. Jetzt weiß ich es. Den Schmerz zu fühlen, erscheint mir nun wichtig. Außerdem glaube ich, dass die guten Gefühle ohne die schlechten keine Bedeutung hätten, verstehst du?“ Er blickte Draco direkt in die Augen. Dieser nickte.
 

„Beantwortet das deine Frage?“ Er spürte, wie eine Träne über seine Wange glitt, doch es spielte keine Rolle. Er hatte bisher mit niemandem darüber sprechen können, wie er sich seit Sirius Tod fühlte. Er begriff nicht, warum er es gerade hier vor Draco schaffte. Aber es machte ihn freier und sein Herz weniger schwer. Deshalb war es in Ordnung.

Als die Hand des anderen auf einmal näher kam, wagte er es kaum zu atmen. Und als sie sanft die Nässe von seiner Wange wischte, konnte man ihm sein Erstaunen sicherlich problemlos vom Gesicht ablesen. Als Draco nachdenklich auf seine Hand sah, wurde Harry für einen kurzen Moment ganz heiß.

„Tränen…Das heißt, du bist traurig, oder?“ Ihre Blicke trafen sich erneut.

„Ähm…ja und…nein, lässt sich schwer erklären…“ Draco nickte nur, als würde er tatsächlich verstehen, was Harry da eben gesagt hatte. Doch dieser war sich nicht einmal sicher, ob er es selbst verstand.
 

„Ich…du hattest doch noch zwei Fragen, oder?“

„Ja, aber du hast sie bereits beide beantwortet. Meine Fragen sind geklärt. Du bist an der Reihe.“ Welche Fragen das wohl waren? Eigentlich müsste er doch darauf kommen, schließlich hatte er sie anscheinend bereits beantwortet.

„Ich wollte noch wissen, wie sich meine…Leere, wie du sie nennst, angefühlt hat. Außerdem hat mich interessiert, wie du diesen Schmerz, den beim Tod deines Paten, wie du ihn ertragen kannst.“ Mit diesen Worten zauberte sich Draco einen Pullover und setzte sich auf den Boden an die Wand. Wow, Harry war sichtlich verblüfft. Dafür, dass der Slytherin nichts fühlte, konnte er anscheinend Gedanken lesen. Vielleicht konnte er aber auch einfach nur seine Gedanken lesen…
 

Harry ließ sich ebenfalls sinken und nahm neben Draco Platz. Er spürte wieder die Kälte, doch war er sich fast sicher, dass ein Kleidungsstück mehr daran nichts ändern würde. Als er neben sich schaute, begegnete er Dracos fragendem Blick. Dieser bedeutete ihm, dass er nun an der Reihe wäre. Er atmete abermals tief durch. Ihm lagen so viele Fragen auf der Zunge. Aber die, die ihm am wichtigsten erschien, war…

„Warum ich? Ich meine, warum hast du dir mich für diesen Zauber ausgesucht?“ Für eine Weile sah Draco ihm einfach nur in die Augen. Dann setzte er zum Sprechen an.

„Weil du immer so emotional reagierst. Mit so vielen unterschiedlichen Gefühlen. Ich habe mich viel mit Empfindungen beschäftigt, um mich besser anpassen zu können, wenn ich unter Menschen bin. Das meiste habe ich von dir gelernt, indem ich dich beobachtet habe. Außerdem haben wir beide etwas durch den gleichen Fluch verloren. Ich dachte, der Zauber würde mir helfen, besser zu verstehen, ob mir etwas beziehungsweise was mir fehlt. Ob Gefühle was Erstrebenswertes oder eher eine Belastung sind. Ich war der Meinung, dass du mir dabei am ehesten helfen könntest.“
 

„Und? Konnte ich dir helfen?“ Harry versuchte in den Augen des anderen zu lesen. Stattdessen verlor er sich darin. Es war einfach zum Verrücktwerden.

„Ja.“, war alles, was Draco sagte. Doch Harry war das nicht genug.

„Wie? Ich meine, zu welcher Erkenntnis bist du gekommen?“

„Ich weiß jetzt, dass ich Gefühle für etwas Wünschenswertes halte. Selbst rein rational betrachtet, erscheinen sie wichtig. Aber im Endeffekt bringt diese Erkenntnis mehr Probleme als Lösungen. Denn ich kann es nicht ändern.“ Seit dem Beginn dieses Gespräches hatten sie den Blickkontakt nicht abgebrochen. Harry wusste selbst nicht, wie er es bisher geschafft hatte, nicht wegzusehen. Vielleicht weil er nicht verpassen wollte, wenn sich etwas änderte. Wenn er etwas finden würde, das er zu suchen glaubte. Und plötzlich war es da. Auch wenn er nicht erklären könnte, was es eigentlich war. Doch irgendetwas in Dracos Augen hatte sich verändert. Wenn auch nur für einen kurzen Augenblick.
 

„Aber da ist doch dieser andere Zauber, den du gefunden hast. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann könntest du durch den wieder fühlen, oder? Genau habe ich es mir leider nicht gemerkt…“ Er konnte sich nicht mehr wirklich daran erinnern, um was für Magie es sich handelte, aber es hatte wieder irgendetwas mit einem Trank zu tun, darin war er nun wirklich nicht gerade eine Leuchte. Solche Dinge im Gedächtnis zu behalten, gehörte nicht unbedingt zu seinen Stärken.

„Ja, aber dieser andere Zauber kommt nicht in Frage. Er verbindet die Gefühlswelten und damit zusammenhängend auch die Leben zweier Menschen unabänderlich miteinander. Ein ewiges Band. Außerdem erfordert es absolutes Einverständnis auf beiden Seiten.“
 

Wow, Harry hätte nicht gedacht, dass es so problematisch wäre. Demnach würde es bedeuten, dass Draco jetzt zwar wusste, was Gefühle wert sind, sie aber dennoch niemals fühlen können wird. Er schloss einen Moment die Augen, lehnte den Kopf an die Wand hinter sich und atmete tief durch. Aus irgendeinem Grund, den er selbst nicht so recht erfassen konnte, versetzte es seinem Herzen einen Stich. Draco Malfoy würde niemals Gefühle haben. Für nichts. Für niemanden. Auch nicht für… Schnell verwarf er seinen letzten Gedanken wieder. Was dachte er da eigentlich? Es war einfach zum Verrücktwerden.

Konnte er denn wirklich gar nichts fühlen? Harrys Augen suchten wieder die des anderen, um ihn genau das zu fragen. Und die Antwort überraschte ihn.
 

„Also…doch. In gewisser Weise kann ich fühlen. Emotional zwar nur sehr minimalistisch, aber körperlich ist es kein Problem. Meine Sinne können alles ebenso wahrnehmen wie deine.“ Mit diesen Worten nahm Draco Harrys Hand in seine und fuhr sanft mit den Fingerspitzen über den Handrücken. Dabei sah er ihm unverwandt in die Augen.

„Das hier kann ich genauso fühlen wie du. Den Druck, das Kribbeln, die Wärme.“ Draco wandte sich Harry zu und legte dessen Hand auf seine Brust, direkt über sein Herz. Seine eigene platzierte er auf der Brust des anderen.

„Ich fühle die Schläge unter meinen Fingern, nehme die Wärme deiner Hand war. Ich spüre, wie unsere Herzen beginnen im gleichen Takt zu schlagen. Ich habe den Schmerz wahrgenommen, wenn wir uns geprügelt haben. Ich kann ebenfalls sagen, dass ich das eine als positiv und das andere als negativ betrachte. Dennoch ist es nicht das Gleiche.“ Mit dem letzten Klang der Worte verließ die Hand Harrys Brust und sein Gegenüber entfernte sich wieder von ihm.
 

Harry hatte das Gefühl, sein Herz wäre für einen kurzen Augenblick stehengeblieben, nur um jetzt in erhöhter Geschwindigkeit weiterzuschlagen. Dracos Handeln hatte ihn völlig überrascht. Die plötzliche Nähe hatte ihn schlicht überrumpelt. Er schloss die Augen und versuchte, seine Atmung zu beruhigen. Das war nicht normal. So zu reagieren, war einfach nicht normal. Wieso passierte ihm das nur? Und warum hatte er Angst vor der Antwort? Weil er sie bereits kannte? Es war einfach zum Verrücktwerden.

Eine Hand auf seiner Schulter ließ ihn zusammenzucken. Draco… Und als er aufsah, waren sie wieder da, diese verfluchten grauen Seelenspiegel, die nicht einmal ansatzweise eine Seele zu spiegeln schienen.
 

„Was ist los, Harry? Was auch immer du gerade fühlst, ich habe es vorher noch nie bei dir gesehen.“ Harry. Er hatte ihn Harry genannt. Als wäre es völlig selbstverständlich. Als hätte er nie etwas anderes zu ihm gesagt.

„Es…es ist…nichts. Ich bin nur…verwirrt…“ Das war nicht einmal gelogen. Er war wirklich verwirrt. Vermutlich nie mehr als in diesem Moment.

„Warum?“ Dracos Fragen waren wirklich…direkt. Auf den Punkt. Aber Harry hätte im Augenblick wirklich etwas mehr verschnörkeltes Drumherumreden gebrauchen können.

„Ich…kannst du das genauer erklären, inwiefern du…na ja…das eine als positiv und das andere als negativ betrachtest?“ Draco lehnte sich zurück und schien nachzudenken. Gut. Es war nicht Harrys Art eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten, aber eine echte Antwort darauf, warum er verwirrt war, hatte er leider nicht. Und diesen einen Gedanken, der dort in seinem Hinterstübchen immer wieder herumschwirrte, versuchte er, so gut es ging, auszublenden. Das klang einfach zu absurd. Kopfschüttelnd wandte er sich wieder Draco zu, der soeben zum Sprechen ansetzte.
 

„Ich empfinde es als unangenehm, wenn ich mich verletze, ich bin nämlich nicht völlig gefühllos, jedenfalls nicht körperlich, weißt du? Aber es ist eben kein Schmerz der Wut oder Trauer oder Ähnlichem. Und wenn…mir der Geruch des Waldes in die Nase steigt, wenn ich die Süße von Kuchen auf meiner Zunge schmecke, dann fühlt sich das angenehm an. Und körperliche Nähe…deinen Herzschlag zu fühlen…“ Draco schenkte ihm einen intensiven Blick, der Harry die Luft anhalten ließ. „…das war auch angenehm…“ Einen Wimpernschlag später brach Draco den Augenkontakt ab und Harry, der wieder begonnen hatte zu atmen, bemerkte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck auf seiner Miene. „Du siehst aus, als wärst du mit irgendetwas nicht zufrieden. Was ist los?“

„Ich…weißt du, da ist eine Sache, die ich mir logisch nicht erklären kann. Deine Nähe ist irgendwie…anders…“
 

„Wie meinst du das? Wie anders?“ Ob es das gleiche Anders war, was er selbst fühlte?

„Ich habe ganz ehrlich keine Ahnung. Aber…ich würde gern etwas ausprobieren. Ein Experiment sozusagen.“

„Ein Experiment? Und welches?“ Harry spürte, wie ihm heiß wurde.

„Ich habe gelesen, dass ein Kuss eine sehr intime und emotionale Verbindung ist. Ich habe es ein paar Mal probiert, habe es dann aber wieder verworfen, da es nichts bewirkt hat. Ich würde gern wissen, ob es einen Unterschied macht, wenn ich dich küsse.“ Dracos Stimme war sachlich und doch… Was er sagte, löste in Harry einen Sturm aus. Ein Kuss… Draco wollte ihn küssen. Harry spürte, wie sich diese vermaledeiten Schmetterlinge wieder bemerkbar machten. Er wollte das, verdammt noch mal. Er hatte es die ganze Zeit gewollt. Er wollte wissen, wie es ist. Seit er Cho geküsst hatte, war ihm klar gewesen, dass etwas fehlte. Es interessierte ihn ebenso wie Draco, ob es einen Unterschied machen würde. Doch er hatte auch Angst. Vor dem, was passieren beziehungsweise nicht passieren würde. Aber bevor er sich noch weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, hatte er auch schon genickt.
 

Draco wandte sich ihm zu und legte seine Hand an Harrys Wange. Sie blickten einander erneut in die Augen, wobei Harry wieder versuchte, darin zu lesen. Im nächsten Moment überbrückte Draco die letzte Distanz zwischen ihnen. Und dann stand einen Augenblick lang alles still. Seine Gedanken hatten aufgehört zu kreisen. Alles, was er noch vermochte, war zu fühlen. Er fühlte die Lippen des anderen auf seinen. Er fühlte eine warme Zunge, die ihm kleine Schauer schickte. Er fühlte Dracos Atem auf seiner Haut.

Eine kleine Ewigkeit später trennten sie sich voneinander, allerdings nur wenige Zentimeter. Er spürte immer noch die Hand des anderen auf seiner Wange. Und als er in Dracos Augen blickte, sah er zum ersten Mal keinen undurchdringbaren Nebel mehr sondern einen Sturm. Und schon verließ die Frage, die ihm so bedeutungsschwer auf der Zunge lag, seinen Mund, bevor er auch nur richtig darüber nachdenken konnte.
 

„Und? Macht es einen Unterschied?“ Es war nur ein Flüstern. Mehr brachte er nicht zustande. Doch er wusste, dass Draco ihn gehört hatte. Er schien einen Moment zu überlegen, doch dann nickte er. Nichts weiter. Nur ein Nicken. Harry konnte nicht anders und lächelte. Ja. Es war ein verdammt großer Unterschied. Einen Augenblick lang sahen sie einander nur an. Dann ließ Draco seine Lippen erneut auf Harrys sinken und die Welt verschwamm…
 

Es war einfach zum Verrücktwerden.

Erweiterung von Horizonten

So meine lieben Leser,
 

dieses Mal lasse ich euch nicht so lange warten, denn hier ist auch schon das nächste Kapitel.
 

Ich wünsche euch viel Freude beim Lesen und hoffe, es gefällt.
 

*knabberkrambereitstell*
 

greetz, bumble^^
 

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Nervös lief Harry Furchen in den Boden seines Schlafsaals, in dem sich außer ihm niemand aufhielt. In einer halben Stunde war er mit seinen zwei besten Freunden verabredet und bisher hatte er noch keine Ahnung, was genau er ihnen eigentlich erzählen wollte.

Dass Draco Malfoy nicht der war, für den sie ihn all die Jahre gehalten hatten? Ja, auf jeden Fall.

Dass er keine Gefühle spüren konnte wie jeder Mensch sonst? Wahrscheinlich, irgendwie.

Dass sie sich geküsst hatten? Nein, ganz bestimmt nicht.

Dass da Emotionen in ihm waren, die er sich selbst kaum erklären konnte? Auf keinen Fall!
 

Ron würde ihn sicherlich sofort zu Madame Pomfrey oder sogar gleich zu Professor Dumbledore bringen in dem festen Glauben, man hätte ihn verzaubert. Und Hermine… So richtig einschätzen konnte er sie meist nicht. Sie war zwar seine beste Freundin, doch dieses Mädchen hatte etwas Undurchschaubares an sich. Aber er glaubte nicht, dass sie sehr viel anders reagieren würde. Ein Seufzen glitt über seine Lippen. Aufgewühlt griff er sich in die schwarzen Haare und ließ sich auf sein Bett fallen.
 

Es waren etwa zwei Wochen vergangen, seit er sich mit Draco Malfoy auf dem Astronomieturm getroffen und erfahren hatte, dass dieser emotional…na ja…eingeschränkt war, oder wie auch immer man das am besten ausdrücken konnte. Seitdem hatten sie sich mehrmals heimlich verabredet und lange Unterhaltungen geführt über alles und nichts. Draco hatte ihm jegliche Fragen über seine Familie beantwortet.

Er wusste nun, dass die Malfoys nach Voldemorts Verschwinden keine Anhänger des dunklen Lords mehr waren, auch wenn sie das nie öffentlich bekannt gemacht hatten. Jetzt, da er zurück war, blieb ihnen nichts anderes übrig als unterzutauchen. Draco hatten sie nach Hogwarts geschickt, weil es ihnen dort am sichersten erschien. Und bei diesen Informationen hatte Harry wieder einmal festgestellt, dass er nie wirklich wusste, wer Draco Malfoy eigentlich war, dass alles, was er für die Wahrheit hielt, ziemlich weit von eben dieser entfernt lag. Er seufzte abermals.
 

Er vermochte nicht zu sagen, wie es dazu gekommen war, doch in Dracos Nähe hatte er das erste Mal seit langem das Gefühl, er dürfte völlig er selbst sein. Er musste ihm nichts vorspielen, keine fröhliche Miene aufsetzen, da sein Seelenleben durch den durchgeführten Traumzauber dem anderen sowieso gänzlich klar war. Und diese Tatsache befreite ihn. In ihren Gesprächen hatte er so viel von sich preisgegeben, Dinge, die er sich nie zuvor getraut hatte auszusprechen, weil sie ihn verletzlich und angreifbar machten, weil sie schmerzten. Der Tod seines Paten drohte ihn innerlich aufzufressen, doch aus unerfindlichen Gründen schaffte Draco es, seinen Kummer zu lindern. Einfach nur, indem er ihm zuhörte. Weil er auf seine noch ungewohnt rationale Art Harrys Innenleben analysierte, seine Meinung sagte, ehrlich und unverschnörkelt. Es gab kein Mitleid in Dracos Augen. Nur leider auch sonst nichts, jedenfalls nicht viel. Manchmal war er der Meinung, einen Funken darin zu erkennen, bloß einzuordnen vermochte er ihn nicht. Er wusste nur, dass er unbedingt eine Bedeutung darin sehen wollte, dass er sich eine wünschte. Weil er ihren Kuss einfach nicht vergessen konnte…
 

Fahrig fuhr sich Harry über die Augen. Dieser unglaubliche Kuss war nun schon zwei Wochen her und seitdem hatte es keine Annäherung mehr zwischen ihnen gegeben. Doch es fühlte sich so an, als hätten sich ihre Lippen eben erst getrennt. Harry konnte immer noch den Atem des anderen auf seinem Gesicht fühlen. Und im Prinzip wusste er sehr genau, was das bedeutete. Aber er traute sich einfach nicht, diesen Gedanken zu Ende zu führen.
 

Sie küssten sich lange an diesem Abend. Danach saßen sie eine Weile einfach nur schweigend nebeneinander. Eigentlich wollte er so viele Dinge fragen und wissen, doch Dracos nachdenkliches und trotzdem so ausdrucksloses Gesicht hatte ihn davon abgehalten. Der andere konnte keine großen Gefühle haben, nicht hassen und auch nicht wirklich lieben. Erst in diesem Augenblick war Harry wirklich klar geworden, was das bedeutete. Und es tat weh. Denn er selbst war das genaue Gegenteil. Er hatte so viele Emotionen, dass er nicht mehr mit ihnen zurechtkam.
 

Nach einer endlosen Weile war Draco aufgestanden, hatte ihn ebenfalls in die Höhe gezogen ‒ Harrys Hand kribbelte immer noch an der Stelle, an der sich ihre Haut berührte, wenn er daran dachte ‒ und gemeint, er wäre müde und sie sollten schlafen gehen. Der Ausdruck in seinen Augen musste ausgereicht haben, dass Draco ihn fragte, ob sie sich nicht einfach am folgenden Abend ein weiteres Mal treffen wollten, um sich zu unterhalten. Harry hatte nur genickt. Draco Malfoy hatte keine Gefühle. Dennoch schien er seine lesen zu können, als wären sie auf Pergament geschrieben. Ihr nächstes Treffen war anfangs etwas stockend, ausschließlich wegen Harrys Unsicherheit bezüglich der ganzen Situation, doch nach einer kurzen Weile lockerte sich bereits ihre Stimmung.
 

In den weiteren Tagen begannen ihre Gespräche so offen zu werden, als würden sie sich schon ihr ganzes Leben lang kennen. Aber es hatte kaum auch nur eine Berührung mehr zwischen ihnen gegeben. Harry traute sich allerdings nicht, Draco darauf anzusprechen. Er wusste, dass er es könnte, dass der andere nichts dagegen hätte, doch er schaffte es einfach nicht. Vielleicht weil er Angst vor der Antwort hatte. Oder weil er sie im Grunde kannte, aber nicht wahrhaben wollte…
 

Langsam setzte er sich auf und erhob sich schließlich. Es brachte ja doch nichts, darüber nachzudenken. Seit Tagen zerbrach er sich den Kopf über Draco Malfoy, sich selbst und alle möglichen und unmöglichen Gefühle. Er hielt es nicht mehr aus. Er musste mit jemand anderem darüber sprechen, wollte aber nicht gegen Dracos Willen irgendwem davon erzählen. Bei ihrem letzten Treffen vor zwei Tagen hatte er ihn gefragt, ob er seine Freunde einweihen dürfte. Hermine könnte vielleicht helfen und wüsste noch einen weiteren Zauber. Einen Moment lang hatte Draco ihn mit einem so tiefen Blick bedacht, dass er glaubte, davon erdrückt zu werden, dann erntete er ein Nicken.
 

Das war vor zwei Tagen. Doch bisher hatte er einfach noch nicht den nötigen Mut gefunden, es ihnen auch wirklich zu erzählen. Sein Blick fiel auf die Uhr auf seinem Nachtisch und er atmete unruhig aus. Hektisch erhob er sich und ging elendig langsam auf die Tür zu. Der Zeitpunkt, mit seinen Freunden zu sprechen, war gekommen. Bevor er die Klinke herunterdrückte, sog er noch einmal tief Luft in seine Lungen. Dann machte er sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum…
 

Auf zwei Sesseln nahe dem Kamin entdeckte er Ron und Hermine. Letztere war in ein Buch vertieft, was definitiv keine Überraschung war, und sein bester Freund schien gerade über irgendwelchen Hausaufgaben zu verzweifeln. Ein sanftes Lächeln huschte über Harrys Züge. Dieses Bild war ihm wirklich nicht neu. Als er näher kam, sprang Ron auch gleich erleichtert auf und packte seine Sachen schnell in die Tasche neben sich.

„Harry, da bist du ja.“ Hermine bedachte den Rotschopf mit einem Augenrollen und schenkte Harry ein Lächeln.

„Hey, Harry, du wolltest mit uns sprechen?“ Während sie das sagte, zückte sie ihren Zauberstab und bewegte einen weiteren Sessel neben ihren. „Setz dich doch.“

Harry Potter nickte dankbar und nahm in der weichen Sitzgelegenheit Platz. Die Blicke seiner Freunde lagen fragend auf ihm. Wo sollte er nur anfangen? Er seufzte.
 

„Also, ich wollte mit euch sprechen, über…ich weiß ehrlich gesagt nicht so richtig, wie ich das formulieren soll…“ Kaum dass er zum Sprechen angesetzt hatte, wusste er auch schon nicht mehr, wie er sich bloß verständlich machen sollte. Ein schiefes Grinsen lag auf seinen Zügen. Er spürte den forschenden Blick Hermines auf sich. „Worum geht es denn eigentlich, Harry? Ist es wegen Voldemort?“ Der Angesprochene schüttelte den Kopf, nickte dann, nur um wieder mit dem Kopf zu schütteln. Seine Freunde blickten ihn verwirrt an.
 

„Also gut, ich werde euch jetzt was erzählen, aber ihr dürft mich nicht unterbrechen, bevor ich fertig bin. Versprecht es!“ Eine Weile regte sich niemand, Ron schien auf Hermines Reaktion zu warten, ehe er sich selbst äußern wollte. So wirklich klar war ihm nicht, was hier denn das Problem sein sollte. Eigentlich verstand er nur Bahnhof. Was wollte ihnen Harry nur mitteilen? Als er seine Freundin schließlich langsam nicken sah, schloss er sich ihr an.
 

„In Ordnung. Ich habe mich die letzten Tage öfter mit Draco Malfoy getroffen…“ Ron wollte schon die Stimme erheben, als Hermine ihm gegen das Schienbein trat.

„Aua! Das tat weh!“ Ein weiterer Blick von ihr ließ ihn wieder verstummen. „Ich hab ja gar nichts gesagt…“, murmelte er nur noch leise, bevor er Harry leicht zunickte, um ihm zu verstehen zu geben, dass er ihn nicht mehr unterbrechen würde.

„Also, ich habe mich öfter mit Draco getroffen, seit ich eine Nacht…von ihm geträumt habe…“ Seine Freunde sahen ihn skeptisch an, wobei Ron kurz aufstöhnte, als wären das Dinge, die er wirklich keineswegs wissen wollte, doch niemand erhob seine Stimme.
 

„Hermine, kennst du einen Zauber namens Vitasomnia?“ Es war der Spruch, den Draco angewendet hatte. Die Augen seiner Freundin weiteten sich überrascht und sie nickte leicht. Harry lächelte verlegen.

„Ähm, ich will ja wirklich nicht unterbrechen und es ist echt toll, dass Hermine den Zauber kennt, wer hätte das gedacht, aber könntet ihr das für mich mal kurz mit verständlichen Worten zusammenfassen?“, wandte Ron nun etwas kleinlaut ein.
 

„Es ist ein Traumzauber, wobei zwei Menschen in einer Nacht innerhalb eines Traumes das komplette Dasein des anderen durchleben…“, legte das belesene Mädchen beinahe mechanisch dar. Harry nickte.

„Genau. Draco hat diesen Zauber angewendet. Mit mir. Ich habe von seinem Leben geträumt und er von meinem…“

„Warum, Harry?“, fragte Hermine neugierig, nur um sich kurz darauf die Hand auf den Mund zu legen, da sie ihn aus Versehen unterbrochen hatte, und ihn entschuldigend anzusehen. Er lächelte erneut.
 

„Er wollte wissen, wie es ist, Gefühle zu haben…“ Einige Augenblicke herrschte Schweigen. Bis Ron die Stille durchbrach.

„Hä?“, floss es, redegewandt wie er war, über seine Lippen. Dennoch traf er damit wohl den Nagel auf den Kopf. Hermine hätte es wahrscheinlich anders formuliert, doch der Inhalt wäre der Gleiche. Daher beließ sie es dabei, Harry fragend anzublicken. Und er erzählte ihnen, was er wusste.

Dass Draco Malfoy keine Gefühle hatte.

Dass er von dem gleichen Fluch wie Harry getroffen worden war.

Dass er ganz sicher nicht in die Reihe der Todesser gehörte, ebenso wie seine Eltern.

Als er mit seinen Ausführungen fertig war, legte sich absolute Stille über die drei Sessel vorm Kamin. Jeder hing seinen Gedanken nach. Selbst Ron schien es die Sprache verschlagen zu haben, was wirklich eine Seltenheit war.
 

Nach etlichen Minuten durchbrach Hermine die Ruhe. „Das klingt wirklich ziemlich abstrus, Harry, das weißt du schon, oder?“ Ihr Blick sagte, dass sie nicht so recht sicher war, inwiefern sie glaubte, was er da soeben dargelegt hatte.

„Also ich glaube es auch nicht so richtig, falls abstrus das bedeutet…“, klinkte sich nun auch Ron wieder mit ein.

„Kann ich verstehen, Leute. Fiel mir am Anfang auch ziemlich schwer, das zu begreifen…“, seufzte Harry.

„Also es ist nicht so, dass ich es nicht für möglich halte, Harry, aber wenn das stimmen sollte, dann…“ Hermine brachte ihren Satz nicht zu Ende.

„…dann wären wir jahrelang ganz schön blind gewesen, was?“, führte Harry selbst den Gedanken zu Ende. Das Mädchen nickte.

„Ja, das würde einiges ändern…“ Sie lächelte schwach.
 

Ron blickte seine Freunde an, schien aber nicht so richtig in der Lage zu sein, irgendetwas dazu zu sagen. Das waren definitiv zu viele Informationen, mit denen er nichts anfangen konnte. Draco Malfoy soll nicht wirklich der Draco Malfoy sein, den er zu kennen glaubte? Kein verdammtes Frettchen? Verwirrt fuhr er sich durch die Haare.

„Wollt ihr ihn selbst fragen?“, rissen ihn Harrys Worte aus seinen Gedanken.

„Was?“ Immer noch durcheinander blickte er auf.

„Ich wollte mich heute Abend nach dem Essen mit ihm treffen. Ihr könntet mitkommen und es selbst herausfinden…“

„Wäre das denn in Ordnung für ihn?“, fragte Hermine ungläubig.

„Ich habe ihm gesagt, ich würde es euch erzählen, von daher…ich denke schon…“, antwortete Harry schulterzuckend.
 

Eine Weile sagte keiner ein Wort, dann erhob Hermine erneut ihre Stimme.

„Ich würde gern mitkommen. Tut mir leid, Harry, aber ich denke, ich kann es nur glauben, wenn ich den Beweis vor mir sehe…“, entgegnete sie entschuldigend. Harry nickte. Das hatte er sich bereits gedacht. Sein Blick fiel auf seinen besten Freund.

„Und was ist mit dir, Ron?“ Der Angesprochene zuckte kurz zusammen, dann stieß er ein lautes Seufzen aus, bevor er Harry in die Augen blickte.
 

„Ja, sicher, ich komme mit. Aber egal wie das ausgeht, ich werde mich auf keinen Fall für irgendwas bei ihm entschuldigen. Nur damit das klar ist.“ Aufgrund dieser Aussage stahl sich ein Lächeln auf Harrys Gesicht. „Kein Problem. Ich denke, das geht in Ordnung.“

Hermine erhob sich. „Alles klar, dann hätten wir das ja geklärt. Ich muss noch einmal in die Bibliothek. Wir sehen uns dann beim Essen?“ Harry lächelte sie nickend an.

„Äh, Herm, sag mal, ich muss da noch diesen Aufsatz schreiben, kannst du mir deinen nicht doch mal zeigen, nur so zum Vergleich?“ Rons Blick war so flehend, dass Hermine zwar mit den Augen rollte, ihm dann aber doch seufzend zu verstehen gab, dass sie ihm zur Hand gehen würde.

„Bis später, Harry.“, verabschiedete sich sein bester Freund mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Harry lehnte sich zurück und kicherte leicht. So waren sie eben. Dann atmete er tief durch. Bis zum Abendessen waren es noch zwei Stunden. Hoffentlich würde alles gut gehen.
 

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Harrys Hand lag auf der Türklinke zum Astronomieturm, hinter ihm standen seine zwei besten Freunde und er hatte das Gefühl, vor Nervosität gleich tot umzufallen. Aber vielleicht war das auch nur Wunschdenken. Er seufzte, wie sooft heute. Er wusste wirklich nicht, wie der weitere Abend verlaufen würde und dummerweise auch nicht, ob er es überhaupt herausfinden wollte.

„Also, Harry, ich will dich ja nicht drängen, aber sollten wir nicht langsam mal hineingehen, bevor uns noch ein Lehrer entdeckt?“, durchbrach Hermine ruhig seine Gedanken. Ron rechts neben ihm tippelte schon ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Er hatte zwar vorher schon mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er absolut keine Lust hatte, Draco Malfoy zu treffen, trotzdem war Geduld noch nie eine seiner Tugenden gewesen.
 

Es half ja doch nichts. Er konnte es zwar hinauszögern, aber mehr auch nicht. Langsam drückte er die Klinke nach unten und stieß die Tür auf. Ron war der Erste, der in den Raum trat, dann folgten Hermine und er. Draco stand am offenen Fenster und blickte hinaus. Als sie sich alle drei im Zimmer befanden und Harry die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, drehte Draco sich zu ihnen um und kam langsam näher. Eine Weile schwieg restlos jeder von ihnen.

„Äh, ich hab es ihnen erzählt und…sie glauben mir nicht so richtig…“, ergriff Harry als Erster das Wort. Draco nickte.

„Das habe ich bereits vermutet. Da die Klärung etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen wird, scheint es mir sinnvoll, wenn wir uns setzen.“

Er wandte ihnen sogleich den Rücken zu und ließ sind unter dem Fenster nieder, vor dem er sich kurz zuvor noch aufgehalten hatte. Harry tat es ihm gleich. Wenig später folgten auch seine beiden Freunde.
 

„Also dann, was wollt ihr wissen?“, blickte Draco Ron und Hermine fragend an. Die junge Zauberin überlegte einen Augenblick und wollte dann zum Sprechen ansetzen, doch Ron kam ihr zuvor.

„Was für ein Spiel spielst du hier, Malfoy?“, brach es misstrauisch aus ihm heraus. Harry seufzte tief und schüttelte den Kopf. Irgendwie hatte er das kommen sehen.

„Ron!“, herrschte Hermine ihn an.
 

„Was denn? Gab es etwa irgendwelche Regeln, welche Fragen ich stellen darf, oder was?“, wandte der junge Weasley aufgebracht ein. Harry sackte noch ein Stück tiefer an der Wand herab in dem Versuch, sich darin zu verstecken.

„Es ist in Ordnung. Mir scheint diese Frage in Anbetracht der Situation plausibel. Ich werde sie beantworten, wenn ihr es wünscht.“, unterbrach Draco die beiden Streithähne ruhig, die auch augenblicklich verstummten. Ron, weil Draco Malfoy ihm soeben Recht gegeben hatte, und Hermine, da die Wortwahl sie irgendwie aus dem Konzept brachte.
 

„Ich habe die Jahre über jeden Nicht-Reinblüter und dessen Freunde mit Verachtung gestraft und beleidigt. Anscheinend war ich durchaus überzeugend. Daher kann ich euer Misstrauen verstehen. An dieser Stelle würde man sich wahrscheinlich entschuldigen, doch ich halte es für zweckmäßiger, es einfach zu erklären. Denn es wäre lediglich eine Lüge, da es nichts gibt, wofür ich jemals Reue empfunden hätte. Ich kenne dieses Gefühl nicht. Und auch keine anderen Emotionen, jedenfalls nicht wie ihr.“, erläuterte Draco langsam. Da keiner etwas erwiderte, Harry, weil ihn, wie in letzter Zeit ständig, Dracos stoische Haltung faszinierte, Hermine, da sie aufmerksam zuhörte, und Ron lediglich aus Verwirrung, fuhr er fort.
 

„Ich habe seit meiner Kindheit viel mit unterschiedlichen Stimmungen experimentiert. Die negativen darunter waren einfacher zu imitieren, daher habe ich sie gewählt. Dass es euch traf, war nur ein Zufall. Ich hatte mich für Harry entschieden und ihr gehörtet nun einmal zu ihm. Doch ich gebe zu, durch euch habe ich Gefühle kennengelernt, die ich an Harry nicht beobachten konnte.“

Hermine räusperte sich. „Und welche?“, fragte sie beinahe neugierig, was Harry leicht zum Grinsen brachte.

Nun, du, Hermine,…“Als das Mädchen ihren Namen hörte, hoben sich überrascht ihre Brauchen. „…hast die Fähigkeit, deine Intelligenz in deinen Gesichtszügen auszudrücken. Für unterschiedliche Wissensgebiete zeigen sich verschiedene Ausdrücke in deiner Miene.“ Sie lächelte. Man konnte sehen, dass ihr diese Beobachtung durchaus gefiel. Dracos Blick wanderte zu Ron.
 

„Und du, Ron…“ An dieser Stelle machte der junge Malfoy mit besonderer Betonung des Namens absichtlich eine Pause, um die dadurch hervorgerufene Reaktion abzuwarten. Und tatsächlich kippte Ronald Weasley beinahe zur Seite weg, als er das erste Mal überhaupt seinen Vornamen aus dem Mund des anderen hörte. Harry und Hermine konnten sich ein unterdrücktes Kichern bei diesem Anblick nicht verkneifen.

„…du bist einfach so unbeschreiblich schnell reizbar, dass es mich selbst oft überrascht hat, wie abrupt dein Gesicht rot anlaufen konnte.“ Ron, der den ersten Schrecken überwunden hatte, begann, langsam Farbe im Gesicht zu bekommen. „Hey!“

„Ja, genau das meinte ich.“ Erklärte Draco ruhig, ohne den Blick vom anderen zu nehmen. Ron wurde immer röter und kurz darauf brachen seine beiden besten Freunde in schallendes Gelächter aus. Luftschnappend verschränkte der junge Weasley seine Arme vor der Brust.
 

„Na, danke, echt nett von euch.“, brachte er schmollend hervor, wobei sich seine Unterlippe leicht nach vorn schob. Als Harry sich halbwegs beruhigt hatte, versuchte er, seinen Freund zu beschwichtigen.

„Tut mir leid, Ron, aber du hättest dein Gesicht sehen sollen. Und ich glaube nicht, so unglaublich das auch klingen mag, dass er dich provozieren wollte. Er hat nur demonstriert, was er vorhatte zu erklären.“ Ron schmollte unbewegt weiter, während er Draco zornig anblickte. Dieser hielt den Augen des anderen geruhsam stand.
 

„Du hast gefragt, welches Spiel ich spiele. Im Grunde dieses. Ich analysiere bei anderen das, was ich selbst nicht wahrnehmen kann. Ich weiß nicht, ob es für dich Sinn ergibt, doch du bist in vielerlei Hinsicht reicher als ich. Ich besitze Unmengen an materiellen Dingen, doch ich bin mir sicher, dass dein Reichtum größer ist als der meine. Selbst rein rational betrachtet würde ich sofort meine Leere, wie Harry sie nennt, mit deinem aufbrausenden Wesen tauschen.“ Seine Worte waren regelrecht monoton und zeigten weder Trauer noch Bedauern, doch ihr Inhalt versetzte Harry einen Stich. Als er seine Freunde anblickte, sah er, dass selbst Rons Wut verraucht war, da es ihn schlicht verstörte, dass Draco Malfoy ihm soeben eröffnet hatte, er würde gern mit ihm tauschen.
 

Einige Zeit lang herrschte Schweigen, wobei Harry seine Freunde aufmerksam beobachtete, dann ergriff Hermine mit entschlossener Stimme das Wort. „In Ordnung, ich glaube es.“

„Hermine!“, kam die empörte Erwiderung von Ron. „Du kannst doch nicht…“

„Ronald Billius Weasley!“, unterbrach sie ihn unwirsch. „Draco Malfoy hat dir soeben sowohl Recht gegeben als auch mit dir tauschen wollen. Ich weiß ja nicht, wie viele Beweise du noch brauchst, um zu bemerken, dass hier eindeutig etwas anders ist.“

„Aber…das kann doch auch nur gespielt sein!“, wehrte er sich weiterhin verzweifelt.

„Glaubst du das wirklich, Ron?“, mischte sich nun auch Harry ein, wobei er den Blick seines Freundes suchte. Dieser seufzte daraufhin. „Nein, irgendwie nicht. Aber so richtig auf die Reihe bekomme ich das hier noch nicht…“, antwortete er resignierend.
 

„Das ist nur verständlich. Ihr habt keinen Beweis. Harry hingegen hatte mein ganzes Leben vor Augen. Überdenkt es und fragt mich, sollte euch noch etwas einfallen, was ihr wissen wollt.“, brachte Draco ruhig vor.

„Und…das macht dir wirklich nichts aus? Ich meine…“ Hermine brach mitten im Satz ab, was nicht sehr oft geschah. Sie schien tatsächlich nicht gänzlich zu wissen, was sie eigentlich sagen wollte.
 

„Es spielt keine Rolle mehr. Harry hat euch eingeweiht. Das war ein Risiko, dass ich eingegangen bin, als ich den Zauber angewendet habe. Es ist also nun unnötig für mich, mein Schauspiel, wie Ron es nennt, aufrecht zu erhalten.“, legte Draco für alle einleuchtend dar. Hermine erschreckte diese überaus rationale Sichtweise immer mehr. Ron war beim Klang seines Namens erneut heftig zusammengezuckt und schüttelte den Kopf. Daran würde er sich nicht so bald gewöhnen.

„Ich würde es nur vorziehen, wenn ihr es für euch behalten könntet.“, brachte Draco noch ein. Alle nickten, wenn Ron auch durchaus widerwillig. Außerdem dürfte ihnen das wohl sowieso niemand glauben.
 

„Hey Leute, vielleicht sollten wir es für heute dabei belassen…“, mischte sich nun auch Harry wieder in das Gespräch ein. Er erntete lediglich ein weiteres Nicken seiner Freunde. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Das waren wirklich ein paar Informationen zuviel auf einmal gewesen, wie ihm schien. Aber so etwas hörte man ja auch nicht alle Tage. Langsam erhoben sie sich und gingen, jeder seinen Gedanken nachhängend, in Richtung Tür. Aus einem Impuls heraus hielt Harry Draco am Arm zurück, der ihn fragend anblickte.
 

„Ich…“ Ja, was eigentlich? Er wusste selbst nicht so genau, was er im Grunde beabsichtigt hatte.

„Hey, Harry, kommst du?“, rief ihm Hermine entgegen, die mit Ron bereits fast den Zugang zum Astronomieturm durchquert hatte.

„Geht schon vor, ich komme gleich nach…“ Einen kurzen Moment sah sie ihn forschend an, schließlich nickte sie. Einen weiterhin völlig überforderten Ron stieß sie einfach mit beiden Händen nach draußen. Dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
 

„Was ist, Harry?“, holte ihn Draco aus seiner Starre. Harry wandte sich ihm zu und blickte ihm direkt in die Augen. Seine Hand umklammerte immer noch den Arm des anderen. Ja, was war eigentlich los? Er konnte an Dracos Gesichtsausdruck erkennen, dass dieser diesmal wirklich keine Ahnung hatte, was Harry beabsichtigte. Und das lag wohl nur daran, dass Harry es selbst nicht wusste. Doch er hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen. Ja, ein Gefühl…

„Schließ deine Augen…bitte…“ Die Worte verließen ganz leise Harrys Lippen.

„Warum?“

„Ich…kann es dir nicht erklären… Kannst du…es einfach machen?“ Für kurze Zeit schien Draco seine Gedanken zu durchforsten, bis er schließlich nickte und seine Augen schloss.
 

Harry war furchtbar heiß. Was tat er hier eigentlich? Sein Blick glitt über Dracos Gesicht, seine feinen Züge und er stellte fest, dass es ihm egal war, was er hier eigentlich tat, er wollte es nur endlich zu Ende bringen. Leicht zitternd ging er näher an den anderen heran, bis ihre Körper sich beinahe berührten. Er konnte fühlen, wie Draco leicht zuckte als er seine Hand auf dessen Brustkorb direkt über sein Herz legte. Doch sonst tat er nichts. Er wartete nur ab, mit geschlossenen Augen. Dann überbrückte Harry die letzte Distanz zwischen ihnen und legte seine Lippen auf die des anderen.
 

Wie beim ersten Mal war das Gefühl einzigartig, dass ihn dabei durchströmte. Seine anfängliche Berührung war nur leicht, tastend, doch als Draco ihn nicht wegstieß, sondern ihm sogar ein Stück entgegenkam, vergaß er alle Vorsicht und verfiel in einen leidenschaftlichen Kuss. Ihre Zungen fochten einen Kampf, von dem er sich wünschte, er würde nie enden. Seine Finger krallten sich in das weiche blonde Haar, eine Hand hatte er um die Taille des anderen geschlungen. Dracos sanfte Berührungen auf seinem Rücken schickten ihm kleine Schauer. Sein Kopf war völlig leer, doch sein Herz schien jeden Moment zu platzen. Nach unzähligen Minuten lösten sie sich schwer atmend voneinander, ohne wirklich viel Abstand zwischen einander zu bringen.
 

Harry hatte seinen Kopf auf Dracos Schulter abgelegt und die Augen geschlossen. Er war einfach nicht in der Lage, ihm ins Gesicht zu sehen. Die Angst vor dem, was er darin vielleicht sehen könnte, war nicht so groß wie die, dass er eventuell gar nichts darin erkennen würde. Er spürte die Tränen, die sich langsam in seinen Augenwinkeln sammelten. Dass Dracos Finger leicht begannen, durch sein Haar zu streichen, machte es nur noch schlimmer. Es würde nie das bedeuten, was Harry sich wünschte. Er atmete tief durch und wischte die Tränen fort, dann trat er einen Schritt zurück und brachte Distanz zwischen sie.
 

„Es tut mir leid…“ Seine Stimme war leicht brüchig, doch ein kleines, wenn auch trauriges Lächeln lag auf seinen Lippen.

„Muss es nicht…“ Harry nickte leicht.

„Weil es für dich keine Rolle spielt?“ Es war nur ein Flüstern.

„Nein, sondern…weil es sich…gut angefühlt hat…“ Harry nickte erneut. Es hatte sich gut angefühlt, ja… Doch…sie meinten nicht das Gleiche. Er spürte, dass er die Tränen nicht mehr lange würde aufhalten können, die erneut hervorzubrechen drohten.

„Ich gehe jetzt…“, war das Letzte, wozu er in der Lage war, dann stürmte er hinaus, die Treppen hinunter und verschwand in den Gängen des Schlosses.
 

Zurück ließ er einen nachdenklichen Draco Malfoy. Dieser stand immer noch an der gleichen Stelle wie zuvor, während seine Finger sachte über seine Lippen fuhren, auf denen vor wenigen Minuten noch die des anderen gelegen hatten. Ein kaum merkliches Seufzen entglitt ihnen, das niemand jemals hören würde, nur der Raum selbst wurde Zeuge.
 

„Ach Harry…“

Animossenti

Hey liebe Leser,
 

hier kommt auch schon das nächste Kapitel.
 

Ich hoffe, es gefällt euch, und wünsche viel Spaß beim Lesen.;)
 

*knabberzeughinstell* *weineinschenk*
 

greetz, bumble^^
 

___________________________________________
 

Der Himmel war klar und strahlte in einem sanften Azurblau. Kaum eine Wolke zog durch das ruhige Bild, sodass die Sonnenstrahlen ungehindert über das Wasser des Sees streifen konnten, wobei sie zarte, angenehme Lichtreflexe erzeugten. Bäume und Sträucher ließen sich von einer leichten Brise hin und her wiegen. Insgesamt war es ein wundervoller Tag, obwohl bereits der November begonnen hatte. Doch Harry konnte die Schönheit der Landschaft um Hogwarts einfach nicht genießen. Ergeben schloss er seine Augen und lehnte sich zurück. Ein tiefer Seufzer verließ seine Lippen. Er hatte sich auf einen Fenstersims in einem der vielen verlassenen Gänge Hogwarts’ zurückgezogen und hing dort seit geraumer Zeit seinen trübsinnigen Gedanken nach.
 

Es waren bereits zwei Wochen vergangen, seit er seinen Freunden Dracos Schicksal mitgeteilt hatte. Seit er den anderen erneut geküsst hatte. Seit er sicher wusste, dass er verliebt war. Verliebt! Und ausgerechnet in wen? In Draco Malfoy höchstpersönlich!

Harry schüttelte den Kopf.

In jemanden, der seine Gefühle nicht nur nicht erwidern konnte, sondern sogar keinerlei Ahnung davon hatte, was es überhaupt bedeutete, Emotionen zu besitzen. Fahrig fuhr er sich über die Augen und atmete tief. Wieso passierte das nur? Und warum gerade ihm? Es war ja nicht so, dass es nicht bereits genügend Probleme und Herausforderungen in seinem Leben gab. Er schien verfahrene Situationen regelrecht anzuziehen. Und trotzdem konnte er an nichts anderes denken als an ihren letzten Kuss. Dieser hatte sich geradezu in sein Gedächtnis gebrannt.
 

Immer wenn er Draco sah, schoss sofort die Erinnerung vor sein geistiges Auge und ließ alle Gefühle aufwallen, die er in diesem Moment empfunden hatte. Die er weiterhin empfand. Es war einfach zum Verrücktwerden.

Sie hatten auch nach dem Kuss viel Zeit miteinander verbracht, jedoch kein einziges Mal nur zu zweit. Stets waren Hermine oder Ron oder beide anwesend. Und er musste zugeben, dass es ihn beruhigte, weil er Angst davor hatte, allein mit Draco zu sein. Doch das größte Problem für Harry war, dass er mit jedem ihrer Treffen mehr fühlte, mehr wollte. Leider war ihm allerdings schmerzhaft bewusst, dass er nie mehr bekommen würde, als er in eben diesem Moment besaß. Und im Prinzip war das nichts, nur ein Haufen an Gefühlen, für die er kein Ventil fand.
 

Eine Hand auf seiner Schulter ließ ihn zusammenzucken. Er war so tief in seinen Gedanken gefangen, dass er seine Umgebung völlig außer Acht gelassen hatte. Als er sich umwandte, begegnete er dem Blick seiner besten Freundin.

„Hey Harry.“ Ihre Augen waren sanft. Sie lächelte leicht. „Kann ich mich zu dir setzen?“

Der junge Griffindor nickte lediglich. Er wusste, selbst wenn er ihre Frage verneint hätte, wäre sie nicht von seiner Seite gewichen. Ihr Blick zeigte ganz deutlich, dass sie mit ihm sprechen wollte.

Hermine setzte sich ihrem Freund gegenüber auf den Sims und schaute für eine kurze Weile aus dem Fenster. Sie schien nachzudenken. Harry beobachtete sie forschend, bis sie sich ihm erneut zuwandte und ihm direkt in die Augen sah.
 

„Was ist los mit dir?“ Ihre Worte waren ruhig, dennoch beunruhigten sie Harry. Er schüttelte leicht den Kopf.

„Nichts…“, glitt es mit einer gewissen Unsicherheit über seine Lippen.

„Verstehe.“ Für einen Moment beargwöhnte sie ihn so intensiv, dass er den Eindruck hatte, sie könnte ohne Schwierigkeiten jeden seiner Gedanken lesen, dann lächelte sie. „Ich hatte mir bereits gedacht, dass du nicht von selbst darüber sprechen würdest. Daher werde ich die Sache jetzt beim Namen nennen, denn so wie im Augenblick kann es ja nicht weitergehen.“

„W-was meinst du?“ Harry wirkte sichtlich verwirrt. Hatte sie ihn etwa durchschaut? Einfach so?
 

„Du bist in Draco Malfoy verliebt.“ Ihre Stimme war entspannt und hatte nichts Fragendes. Sie sagte es, als wäre es einer der Einträge aus ihren Büchern. Eine Tatsache.

„W-was?“ Die grünen Seelenspiegel weiteten sich erschrocken hinter der Brille.

„Du hast mich schon verstanden…“

„Aber, das stimmt nicht!“, unterbrach Harry sie etwas zu harsch. Doch Hermine hatte weiterhin ein sanftes Lächeln auf den Lippen.

„Doch, ich bin mir sicher. Es bringt nichts, es abzustreiten. Es ist so offensichtlich.“, erklärte sie mit immer noch gleichmäßigem Ton. Einen Moment zögerte Harry.

„Ist es?“, fragte er schließlich beinahe ängstlich.

„Keine Sorge. Ich denke nicht, dass es Ron oder sonst jemand bemerkt hat.“, beruhigte sie ihn mit einem aufmunternden Blick.
 

„Und…woher weißt du es dann?“, wollte er ergeben wissen.

„Du leugnest es also nicht mehr?“, antwortete Hermine mit einer Gegenfrage. Harry schüttelte seufzend den Kopf.

„Na ja, nenn es einfach weibliche Intuition. Frauen merken so etwas eben.“, gab sie ihm grinsend zu verstehen.

„Aha…“, war alles, was über Harrys Lippen glitt. Er war immer noch leicht perplex. Das hatte er nicht erwartet.
 

„Und…du hast nichts dagegen?“ Der Klang seiner Stimme offenbarte seine Unsicherheit. Hermine seufzte.

„Nein, warum sollte ich auch? Ich möchte, dass du glücklich bist, das weißt du doch, oder?“, sagte sie mit einem Lächeln, das Harry schließlich dankbar erwiderte.

Irgendwie fühlte er sich ziemlich erleichtert. Die ganzen in ihm aufgestauten Gefühle musste er nun endlich nicht mehr nur für sich behalten. Er fuhr sich erschöpft durch die Haare und schloss einen Moment die Augen, dann wandte er sich wieder seiner Freundin zu.
 

„Was soll ich denn jetzt machen, Herm?“, fragte er ein wenig verzweifelt. Das Mädchen schüttelte mit dem Kopf.

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, Harry.“, meinte sie fast schon entschuldigend. „Draco, er…er wird nie das Gleiche empfinden können…wie du…“

„Ich weiß…“, nickte Harry sichtlich unglücklich. „Ich wünschte, es gäbe einen Zauber, der es möglich macht. Da ist zwar dieser eine, den Draco gefunden hat, der die Gefühle zweier Menschen komplett aneinander bindet, keine Ahnung, wie der heißt…doch ich bin mir ziemlich sicher, dass er das nicht als Option sieht…“
 

Harry beobachtete Hermine, die nachdenklich an ihrer Unterlippe kaute. Er kannte das bereits. Das tat sie nur, wenn sie etwas wusste, wovon sie nicht sicher war, ob sie darüber sprechen sollte. Hatte sie etwa noch einen anderen Zauber gefunden? Ihm war klar, dass sie sich, seit sie von Dracos Emotionslosigkeit wusste, intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt hatte. Das tat sie schließlich immer. Bei allem.

„Herm, was ist?“ Sie blickte auf und sah ihrem Freund in die Augen.

„Du weißt doch etwas, oder?“, präzisierte der Griffindor seine Frage. Hermine schüttelte daraufhin heftig mit dem Kopf und hob abwehrend die Hände.
 

„Was ist es, Herm, sag schon!“, drängte Harry. Seine beste Freundin war selbstverständlich ziemlich clever und schon immer gut darin gewesen, in anderen Menschen zu lesen, doch sie blieb trotz dessen eine erbärmliche Lügnerin. Deshalb seufzte sie nun auch kapitulierend.

„Hör zu, Harry. Ich habe da einen Trank gefunden, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht so richtig, ob das was bringt. Vielleicht macht es alles nur noch schlimmer.“

„Erzähl es mir trotzdem. Bitte…“, blickte er das Mädchen beinahe flehend an. Sie überlegte einen Moment, nickte dann aber doch.
 

„Also gut. Du könntest den Trank sowieso nie alleine herstellen. Daher kannst du auch nicht unbedacht was Dummes anrichten.“, brachte sie leise hervor. Als Harry einen Moment über diese Worte nachgedacht hatte, stach auch ihm die unterschwellige Anspielung auf seine eher beschränkten Fähigkeiten bei der Herstellung von Zaubertränken ins Bewusstsein.

„Hey!“, empörte er sich auch sogleich. Hermine grinste. Harry wollte noch etwas erwidern, entschied sich dann aber doch dagegen. Sie hatte leider recht. Allein würde er definitiv kein brauchbares Gebräu zustande bekommen. Leicht schmollend verzog er das Gesicht. Dann erhob seine Freundin ihre Stimme.
 

„Also, pass auf, ich erkläre es dir, Harry. Dieser Trank nennt sich Animossenti. Er ist nicht sonderlich bekannt, da er an und für sich keine großartige Wirkung bei gewöhnlich fühlenden Menschen hervorbringt. Er verstärkt sie lediglich. Bezüglich Draco hätte er allerdings gravierendere Effekte, jedenfalls gehe ich davon aus, einen entsprechenden Versuch hat es meines Wissens nie gegeben.“, erläuterte Hermine. Harry nickte.

„Verstehe. Und was würde passieren, wenn er ihn nimmt?“, fragte der junge Griffindor beinahe hoffnungsvoll.

„Ich bin der Meinung, dass Draco dadurch wie jeder andere empfinden können sollte, und was noch wichtiger ist, es wären wirklich seine eigenen Gefühle, von niemandem abhängig. Aber…“ Hermine stockte kurz.
 

„Aber?“, fragte Harry auch sogleich ungeduldig.

„Nun ja, er ist zeitlich begrenzt. Ich schätze, dass er so etwa zwei bis drei Stunden wirkt. Außerdem kann man ihn auch nicht fortwährend einnehmen. Das Resultat ist nur bei der ersten Anwendung ausreichend. Die Wirkung ist schon bei der zweiten Verwendung äußerst schwach. Wie bereits gesagt, es ist kein besonders effektiver Zauber…“, schloss das Mädchen ihre Erklärungen seufzend ab.

„Doch so könnte er doch wenigstens einmal richtig fühlen. Das wäre doch gut, oder?“, ließ Harry seinen Gedanken freien Lauf.
 

„Hm, ich weiß nicht so recht…“, meinte Hermine daraufhin leise. Als sie dem fragenden Blick ihres besten Freundes begegnete, überlegte sie kurz, wie sie ihm wohl am besten verständlich machen könnte, was sie annahm.

„Harry, ich glaube einfach, dass es Draco belasten würde. Ich meine, denk doch mal nach. Wie würdest du dich fühlen, wenn es etwas gäbe, was du unbedingt willst, wovon du dann eine Kostprobe bekommt und im Endeffekt aber weißt, dass du es nie wirst behalten dürfen?“
 

„Schrecklich…“, antwortete Harry Potter nach wenigen Augenblicken bitter. Hermine hatte recht. Er wusste genau, wie es sich anfühlte, wenn man ein Stück vom Himmel probieren durfte, jedoch nicht dort bleiben konnte.

„Harry?“ Die Stimme seiner Freundin ließ ihn aufblicken. Ihre Augen waren weich.

„Ich nehme an, es dir ist sehr wohl bewusst?“, fragte sie einfühlsam. Das war wohl wieder diese ominöse, weibliche Intuition. Der Angesprochene seufzte nur nickend. Hermine betrachtete ihn forschend und fand deutlich die Traurigkeit, die sich in seinen Seelenspiegeln zeigte. Dieser Anblick versetzte ihrem Herzen einen Stich. Daher fasste sie einen Entschluss, auch wenn sie damit ein bisschen gegen ihre eigenen Prinzipien verstieß. Aber irgendwie war ihr im Moment einfach danach, weswegen sie über sich selbst seufzte.
 

„In Ordnung, ich mache dir einen Vorschlag, Harry.“, warf sie anschließend ein.

„Welchen? Was meinst du?“, fragte der junge Griffindor noch immer niedergeschlagen.

„Ich werde dir diesen Trank zubereiten.“

„Was? Warum?“, wollte Harry sogleich überrascht wissen.

„Ich werde ihn dir zubereiten. Die Entscheidung darüber, was du mit ihm anfängst, überlasse ich dir.“, versprach sie mit fester Stimme.

„Du überlässt es wirklich mir?“, fragte ihr bester Freund sogleich verblüfft. Damit hatte er zugegebenermaßen nicht gerechnet. Er war ein wenig verwirrt. „Wer bist du und was hast du mit Hermine gemacht?“
 

„Ja. Hör zu.“, überging das Mädchen schmunzeln seine letzte Bemerkung.

„Ich weiß nicht wirklich, was zwischen euch passiert ist, aber ich sehe deutlich in deinen Augen, dass er dir wichtig ist. Und irgendetwas war da schließlich immer zwischen euch. Das brauchst du jetzt gar nicht versuchen abzustreiten.“, kam sie ihrem besten Freund zuvor, der bereits dabei war, Luft zu holen.

„Außerdem habe ich in diesem Fall absolut keine Ahnung, was nun die beste Entscheidung wäre. Daher überlasse ich es dir. Ich vertraue darauf, dass du nichts machen wirst, womit du ihm schadest.“, erklärte Hermine entschlossen.
 

„Äh, danke…“ Harry lächelte zwar, war jedoch von der Situation noch geringfügig überfordert. Seine Freundin verhielt sich hier gerade ziemlich untypisch, was er einfach nicht gewohnt war. Doch es blieb ihm nicht mehr Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn soeben erhob sich Hermine.

„Ich werde mich jetzt um die Zubereitung kümmern. Ein paar Tage wird das allerdings in Anspruch nehmen. Du solltest dir schon einmal Gedanken darüber machen, was du damit anstellen willst.“ Mit der rechten Hand drückte sie leicht seine Schulter und lächelte ihn sanft an, dann verschwand sie in den Gängen von Hogwarts.
 

Harry sah ihr noch nachdenklich hinterher, als sie bereits um die nächste Ecke gebogen war. Dann ließ er seinen Blick wieder über die Ländereien draußen vor dem Fenster gleiten. Er würde einen Trank zur Verfügung haben, der es Draco ermöglichte, seine ganz eigenen Gefühle zu besitzen, jedenfalls für wenige Stunden. Die Frage war, was er damit anfangen wollte. Zu Draco gehen und ihm davon berichten? Ihm einfach den Trank übergeben, wenn er ihn von Hermine bekam? Oder vielleicht könnte er…
 

Harry seufzte tief.
 

Diese Entscheidung würde ihm noch einiges Kopfzerbrechen bereiten.

Echte Gefühle

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Kommentare zu dieser Fanfic (26)
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Von:  MikaChan88
2016-06-29T17:26:44+00:00 29.06.2016 19:26
Total super ff
Schade das es scheinbar nicht weiter geht....
Würde mich echt interessieren wie es mit den beiden weiter geht.
Naja vl schreibst du irgendwann doch mal weiter.....
Würde mich freuen.
Einfach total super geschrieben ^-^

Cu,
MikaChan
Von:  DasIch
2013-08-30T07:17:01+00:00 30.08.2013 09:17
Oh mein Gott Taschentücher Alarm! Das ist so toll geschrieben Miss Rowling sollte dir die rechte der Figuren überschreiben!!!
Und die Szene als es hin und her geht sollen wir wenn ja ist es einmalig! Hat mich an einen Spruch aus dem Film kalt ist der abendhauch erinnert!

"Manchmal braucht man ein ganzes leben um fünf Minuten glücklich zu sein!"
*schokolade dalass*

Freu mich schon auf das nächste Kapitel

Gag
DasIch
Von:  Kagomee16
2012-07-02T08:02:05+00:00 02.07.2012 10:02
ein wirklich schönes kapi^^
ich finde du hast das echt gut gemacht ^^
es uist geschmakfol geschrieben und nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig, also perfeckt^^
mach schön weiter so^^
freue mich auf mehr^^

lg kagomee16
Von: abgemeldet
2012-06-14T14:06:51+00:00 14.06.2012 16:06

Uhhhh~ Diese Entscheidung ist wirklich äußerst mies. Zunächst einmal Hermines Einwand (absolut berechtigt) und dann vielelicht auch noch das Szenario, dass Draco Harry mit Gefühlen auf einmal dann wirklich nicht ausstehen könnte (diese Angst wäre zumindest berechtigt ... wenn ich auch nicht daran glaube). Ich würde das mit dem Trank nicht machen ... wegen eben dem was Hermine bereits gesagt hat ö.ö
Von:  Sid_Vicious
2012-06-11T17:40:22+00:00 11.06.2012 19:40
Und es wird wieder geseufzt. Ich muss auch seufzen, denn ich will Wein, aber ich habe Keinen. Und weil sie ihn wieder so wunderbar umgibt unseren Harry...die dauerdepressive Aura ;)

Grinsen muss ich, weil Hermine ebenfalls ganz ihr bezauberndes Selbst, wieder einmal alles durchschaut hat. Weil sie einen Plan hat, auf den sonst niemand gekommen wäre und natürlich weil sie Harry so dezent und durch die Blume disst :D

Da versteckte sich auch eine kleine Anspielung, von der ich nicht weiß, ob sie von dir beabsichtigt war. Aber ich dachte, es wäre eine Anspielung auf Sirius. Vielleicht habe aber auch nur ich sie reininterpretiert. Wie dem auch sei, ich fand sie toll. Echt oder eingebildet ;)

Und jetzt schreib weiter, denn ich ahne, wofür Harry den Trank nutzen wird.....
Von: abgemeldet
2012-05-31T18:21:41+00:00 31.05.2012 20:21

Wirklich traurig (der Schluss jetzt) - aber das wird schon :D
Ich finde Hermine und Draco passen super (jetzt als Gesprächspartner) zusammen. Es ist bestimmt (für einen begrenzenten Zeitraum) sehr interessant sich von jemanden ohne Gefühle analysieren zu lassen - auf diese Weise kann das kein noch so guter Psychologe ;)


Von:  LadySnowblood
2012-05-24T20:16:12+00:00 24.05.2012 22:16
ahhhh~ mehr davon ♥.♥
Von:  Sid_Vicious
2012-05-08T15:13:16+00:00 08.05.2012 17:13
Also hier dann auch :D
Beim zweiten Lesen fiel mir auf...dass ich es immer noch titatolli finde.

Besonders Ron. Ron ist der Hit in seiner ganzen Ronigkeit. Niemand kann so schön verstört und aufbrausend in einem sein.

Und dann muss ich doch nochmal sagen, wie wundervoll der Kuss ist und Kagomee16 Recht geben, denn in der Tat ist es traurig, aber ich hoffe doch mal du lässt dir was Nettes einfallen, damit die Beiden glücklich werden. Sonst werd ich böse ;)

Liebz dia

Von:  Kagomee16
2012-05-08T06:34:13+00:00 08.05.2012 08:34
bin ja mal gespannt was du noch so vorhast^^
das ron und hermine nun auch bescheidwissen find ich gut^^
es ist voll traurig was da los ist zwischen draco und harry.
freue mich auf mehr^^

lg kagomee16
Von:  Kagomee16
2012-03-21T11:42:29+00:00 21.03.2012 12:42
wau^^
einfach klasse so süß und irgentwie auch passend^^
freue mich srhe das du weiter machst^^
danke für die ens^^
mach weiter so^^

lg kagomee16


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