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Tempora Nova

von

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Mein Herr, das Erwachen

Es ist sicherlich nicht sonderlich angenehm, direkt nach seinem Erwachen zu spüren, wie man von einer vertrauten Person ermordet wird, selbst wenn man in diesem Fall dabei nicht stirbt.

Hannah Annafellos hatte meinen jungen Herrn zu einem Dämon gemacht – die Gründe ihrer Handlung konnte ich nicht verstehen. Wahrscheinlich war es der letzte Wunsch von Jim Macken gewesen, mir Ciels Seele zu verweigern, und so war ich nun gegen meinen Willen an meinen Herrn gefesselt…und zwar für den Rest meines Lebens.

Zu Beginn war es mein einziges Ziel gewesen, mir Ciel Phantomhives Seele einzuverleiben, und dann wieder weiterzuziehen, doch ich musste feststellen, dass diese ein ganz besonderer Leckerbissen war und mit einigem an Bearbeitung noch schmackhafter werden konnte, doch anscheinend hatte sich dies sehr schnell herumgesprochen, und die zu Grunde liegende Situation war nun der Preis für mein Verlangen. Nun würde ich Ciel für immer dienen müssen.

Noch immer befanden wir uns unter Wasser, doch dieser Zustand störte nun nicht mehr. Für einen Dämonen war es nebensächlich zu atmen, schließlich waren wir kein Teil dieser Welt mehr und somit nicht auf irdische Lappalien angewiesen.

Ich sah dabei zu, wie mein junger Herr langsam seine Augen öffnete und mich überlegen ansah. Er hatte gesiegt und das war ihm bewusst. Ich hatte somit in jeglicher Hinsicht versagt.

Dennoch…irgendetwas in seinem Blick verriet, dass all dies niemals seine Absicht gewesen war, denn Mitleid schwang in ihm.

Ich packte seinen schmalen Körper und schwamm in Richtung Oberfläche.

Den ganzen Weg nach Oben klammerte sich der junge Herr nervös an meinen Hals und ich verstärkte meinen Griff um seinen Rücken, um ihm die Nervosität ein wenig zu nehmen – wahrscheinlich weil ich mich in den drei Jahren, die ich nun bei ihm war, einfach zu sehr an ihn gewöhnt hatte. Ich setzte ihn am Ufer ab und ich bemerkte, dass es ihn Mühe kostete, seinen verkrampften Griff zu lockern und so zog er mich ein Stück mit nach unten. Er war zweifelsohne stärker geworden, was bei den Umständen auch nicht weiter verwunderlich war.

Nun saß er mir also gegenüber, blickte hinunter auf sein zerrissenes Hemd und fuhr mit seinen Fingern über die inzwischen fast verheilte Wunde auf seiner Brust, die ich ihm zugefügt hatte, um ihn zu töten. Es schien nicht, als hätte er noch Schmerzen.

„Keine besonders freundliche Art, mich zu begrüßen….“, meinte er schließlich mit seiner gewohnt monotonen Stimme.

„Eigentlich sollte ich dich dafür bestrafen.“

War ja mal wieder klar. Da rettet man ihn gerade aus den Tiefen, und er denkt schon wieder nur an die begangenen Fehler, statt sich zunächst einmal zu bedanken. Aber so war er schon immer gewesen – es fiel ihm schwer, Anerkennung zu schenken. Dennoch lächelte er plötzlich, und mich überlief ein Schauder. Es war schon fast gruselig, Ciel lächeln zu sehen. Das kam bis jetzt höchstens ein oder zwei Mal vor, das erste Mal kurz nach meinem Sieg über Ash, als mein junger Herr von der Brücke stürzte. Damals war es ein glückliches Lächeln gewesen, dieses Mal wirkte es eher verunsichert.

Mit reuevollem Ausdruck verbeugte ich mich vor meinem Herrn.

„Verzeiht mir, junger Herr, aber ich denke, ihr hättet dasselbe versucht. Niemand möchte einem anderen auf Ewig ohne Entlohnung dienen.“

Wobei dies so ja nicht stimmte. Es gab Menschen, die sich ihrem Herrn vollkommen hingeben konnten, ohne etwas dafür zu verlangen, doch diese Hingabe gegenüber meinem Herrn fehlte mir. Immerhin hatte ich nur seine Seele gewollt…

Ich bemerkte, wie sich Ciel verlegen auf den Trümmern der Insel umsah, die in vollkommener Zerstörung dalag, nachdem ich sie während des Kampfes gegen Claude Faustus zerstört hatte. Selbstverständlich ließ es der Stolz meines jungen Herrn nicht zu, dass er sein Unbehagen mir gegenüber offenbarte, dennoch spürte ich, dass er folgende Worte tief bereute.

„Wir haben einen Vertrag, Sebastian! Du gehörst mir. Du bist mein Eigentum!“

„Yes…My Lord.“

Allein die Tatsache, dass ich sein Bedauern spürte, ließ mich die ganze Sache ein wenig leichter sehen. Außerdem war ich mir fast sicher, dass er es mir von nun an nicht mehr so schwer machen würde wie früher. Nach außen hin zeigte er diese Gefühle jedoch nicht, also würde ich mein Wissen auch nicht entblößen.

Die ganze Zeit über hatte ich ihn mit vorwurfsvollem Blick angesehen ohne auch nur mit der Wimper zu zucken oder irgendetwas nach Außen durchscheinen zu lassen, und wie es schien, ließ dies meinen Herrn nicht kalt, immerhin schaffte er es nicht mehr, mir in die Augen zu sehen.

Ohne weiter Worte hob ich meinen Herrn hoch und krallte ihm mit Absicht ein wenig zu fest in die Seite um ihn zu ärgern, weil ich wusste, dass er dort sehr empfindlich war, doch außer ein kurzes Zucken zeigte er keine weitere Reaktion. Schade.

Noch immer veränderte ich keine Miene, nur um meiner eigenen Genugtuung willen, und um seinen Stolz zu brechen und möglicherweise um eine Gefühlsregung oder nett gemeinte Worte aus Ciels Mund zu hören, doch er sagte nichts.

Schließlich war es nach einiger Zeit doch ich, der das Schweigen brach, auch wenn ich es schon wieder tief bedauerte.

„Herr…Möchtet ihr eigentlich noch einmal zu eurer Villa zurück, oder sollen wir direkt hinunter?“

Das „Hinunter“ beinhaltet in diesem Fall die Hölle, doch ich war mir sicher, mein Herr würde positiv überrascht sein, wenn wir erst einmal dort waren. Es war im Prinzip ein sehr schöner Ort, nicht viel anderes als der Himmel, mit dem Unterschied, dass es dort recht dunkel war. Meistens herrschte die Dämmerung und der Himmel wies eine wunderschöne rötliche Färbung auf.

Im Grunde waren die meisten Dämonen recht froh darüber, als solche geboren oder wiedergeboren zu werden, denn dort unten konnte man seine Art wenigstens frei ausleben, wohingegen man im Himmel an Regeln gebunden war, und um sich diesen Platz im Paradies dann auch zu sichern, musste man allen Besitz abschwören und die vollkommene Keuschheit antreten. Das war sicherlich kein Leben für mich.

Immer noch wartete ich auf eine Antwort, doch der junge Herr zögerte. Ich bemerkte, wie sich sein Griff um meinen Nacken leicht verstärkte, sein Blick jedoch blieb starr zu Boden gerichtet.

„Ich…möchte noch einmal zurück nach Hause. Es gibt noch Dinge, die geregelt werden müssen.“

Jaja, so war mein Herr. Immer nach außen hin kühl und distanziert gegenüber jeglicher Art von Dingen, so schlimm die Situation auch sein mochte.

Und zum ersten Mal an diesem seltsamen Tag musste ich lächeln, auch wenn die Dinge bei weitem nicht so liefen, wie ich sie geplant hatte…

Mein Butler, Heimkehr

Selbstverständlich gab es noch einiges zu regeln, immerhin war ich nun offiziell tot, doch es ging mir ehrlich gesagt nicht nur allein darum.

Die, die mich nun die letzten drei Jahre begleitet hatten, verdienten meinen Respekt, also gehörte es sich, dass ich mich von ihnen noch verabschiedete, auch wenn sie mich die meiste Zeit genervt hatten. Doch, wenigstens von Lizzy musste ich mich einfach richtig verabschieden, immerhin war sie ja meine Verlobte – auch wenn ich für sie nie als solche empfunden hatte – sie war immerhin eine der wichtigsten Menschen in meinem Leben.

Während ich Sebastian sagte, dass ich nach Hause wollte, konnte ich ihm nicht ins Gesicht sehen, aus Angst, er könnte meine Schwäche in meinen Augen entdecken, auch wenn dies im Prinzip nun keine Rolle mehr spielte. Auch wenn ich ihn nicht ansah, hatte ich doch das Gefühl, dass er für einen Moment gelächelt hatte, auch wenn dies vielleicht nur mein Wunschdenken war.

Als wie bei dem Boot ankamen, das uns von der Insel bringen sollte, setzte mich Sebastian recht unsanft ab und stellte sich mir gegenüber, löste die Leinen und wir begaben uns auf den Heimweg. Ein seltsames Gefühl breitet sich in mir aus. Wie würde es wohl sein, wenn ich nun nach all der Zeit wieder nach Hause kommen würde? Immerhin war ich eine Ewigkeit weg, und es würde sicherlich nicht leicht werden, uns eine Ausrede für die Bediensteten und Lady Elizabeth eine einfallen zu lassen.

Verstohlen warf ich einen Blick auf Sebastian. Der Ausdruck, der auf dem Gesicht meines Dieners lag, war noch immer derselbe wie zuvor – enttäuscht, trauernd... vielleicht lag auch ein wenig Wut in seinem Blick. Es bedrückte mich ein wenig, ihn so zu sehen, denn die ganze Zeit über, in der er nun an meiner Seite ausharrte, da hatte ich ihn irgendwie… Nun ja, er war mir auf eine gewisse Art und Weise wichtiger geworden.

Einen Großteil des Weges schwieg er. Auch ich selbst sagte nichts, sondern starrte wie gebannt auf das klare Wasser des Sees, in dem sich die Bilder meiner Vergangenheit spiegelten. Ich kannte die cinematographischen Aufzeichnung, auch auf der Hinfahrt hatte ich sie im Wasser sehen können, jedoch waren sie dort klarer zu erkennen gewesen. Immer wieder versuchte ich, die Bilder, die meine Vergangenheit zeigten, anzutippen, um sie erneut sehen zu können, doch je mehr ich mich bemühte, bei jedem weiteren Versuch, sie zu berühren, verblassten sie mehr und mehr, formten einen undurchdringbaren Nebel und schotteten sich ab.

Ich hatte Angst, meine Erinnerungen erneut zu verlieren und zu vergessen, wer ich war. Sebastian schien mein Unbehagen zu spüren.

„Mein Herr, Ihr könnt euch eure cinematographischen Aufzeichnungen nicht mehr ansehen, da Ihr nun kein Teil der sterblichen Welt mehr seid. Aber keine Sorge, sie gehen deshalb nicht verloren.“ Für einen kurzen Moment schien es, als huschte ein Lächeln über Sebastians Gesicht, doch im nächsten Moment war es wieder verschwunden, und an dessen Stelle trat wieder dieser vorwurfsvolle Ausdruck.

Ich brummte nur leise Zustimmung, etwas Besseres fiel mir nicht ein.

Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich ein wirklich schlechtes Gewissen, und das, obwohl ich für die Umstände im Allgemeinen nicht verantwortlich war, dennoch… Ich bin es, der Sebastian sein Leben geraubt und ihn für den Rest seines Daseins an meine Seite gefesselt hatte. Irgendwie konnte ich es nachvollziehen, dass er für mich nur noch tiefen Hass empfinden konnte.

Plötzlich bemerkte ich etwas. Vorsichtig nahm ich den blauen Ring aus meiner Tasche, den ich trotz allem die ganze Zeit über bei mir getragen hatte, und achtete peinlichst genau darauf, dass Sebastian ihn nicht sah. Irgendetwas in mir wollte die Hand meines Dieners ergreifen und ihm den Ring, in dem noch immer ein Teil meiner Seele eingeschlossen war, einfach geben, doch ein anderer Teil von mir konnte es nicht verantworten, solche Emotionen zuzulassen. Außerdem war das ganze absolut kitschig, und ich war mir sicher, dass Sebastian mich auslachen würde.

Unsere Ankunft unterbrach meine Gedanken. Ruckartig hielt das Boot am Ufer an, Sebastian beugte sich zu mir hinunter und hob mich wie gewohnt nach oben.

„Junger Herr, seid Ihr sicher, dass Ihr noch einmal zurück zur Villa wollt? Ich könnte den anderen auch einfach berichten, dass ihr bereits verstorben seid.“ Es waren nicht seine Worte selbst, die mich traurig stimmten, es war die Art, wie er es sagte. So wie in seinem Blick lag auch in seinen Worten kein Funken Emotion oder wenigstens ein Hauch von Mitgefühl und er sah mich nicht an, obwohl er mich in seinen Armen hielt. Er starrte einfach nur geradeaus.

Meine Trauer überspielte ich einfach, so wie ich es immer tat, denn Trauer war eine menschliche Schwäche, und so etwas konnte ich mir nun beim besten Willen nicht mehr leisten.

„Natürlich muss ich noch einmal zurück. Auch wenn du mein vollstes Vertrauen genießt, so möchte ich doch selbst entscheiden, wer die Rechte meiner Firma und mein Vermögen erhalten soll.“

Für einen Moment hatte ich das Gefühl, ich hatte einen Schlag seines Herzens gespürt, doch dies war nur ein kurzer Augenblick und ich konnte nicht einschätzen, ob es Realität oder Einbildung gewesen war. Ich achtete einen Moment darauf, ob ich mein eigenes Herz spüren konnte, jedoch schien es nicht mehr zu schlagen. Es interessierte mich irgendwie, ob man nun als Dämon noch an menschliche Geringfügigkeiten wie Herzschlag, Essen oder Schlafen gebunden war, doch das konnte ich ja im Moment schlecht erfragen.

Es gab noch einiges, was ich in Erfahrung bringen musste…

Mein Herr, die Ankunft

Nach wie vor verzog ich keine Miene.

Den Rest des Weges, den ich meinen jungen Herrn zurück zur Villa trug, schwiegen wir, auch wenn das schlechte Gewissen an mir zu nagen begann. Konnte ich meinen Herrn wirklich weiterhin so behandeln? Er trug keine Schuld an dem, was geschehen war, dennoch hätte ich es gut geheißen, wenn er wenigstens versucht hätte, mir einzureden, er würde für meine Freiheit und mein Leben sterben, denn was er nicht wusste war, das mein Leben bald ein Ende finden würde, wenn er nicht starb oder mir wenigstens erlaubte, die Seele eines anderen zu verspeisen. Irrtümlicherweise glaubten die meisten Menschen nämlich, dass sich Dämonen nur aus reinem Genuss die Seelen der Menschen einverleiben, doch dahinter war ein tieferer Sinn verborgen. Kein normaler Dämon würde freiwillig ein ruhiges Leben in der Hölle für Hetzjagten und Sklaventreiberei in der Menschenwelt aufgeben, wäre nicht der Sinn dahinter, zu überleben. Essen wir keine Seelen, sterben wir.

Selbstverständlich waren wir nicht daran gebunden, zu warte, bis uns ein Vertragspartner ruft, nein, wir konnten uns auch einfach so die Seelen von Verstorbenen schnappen, doch hatten wir einmal einen Partner, so waren wir an ihn gebunden, bis dessen Wunsch erfüllt war.

Und in meinem Fall hatte ich wohl einfach Pech gehabt, denn wenn ich nun meinen Hunger stillen wollte, war ich darauf angewiesen, dass Ciel Phantomhive einen Vertrag zu einem Menschen eingeht und mir diesen dann gnädiger weise überlässt. Doch trotz meines Hungers war ich viel zu Stolz, ihm das zu gestehen. Irgendwann würde er es schon bemerken, spätestens dann, wenn er meine Kräfte für irgendeinen Kampf benötigte, denn im Moment hatte ich nicht mal das Gefühl, diesen nichtsnutzigen Shinigami Grell Sutcliff schlagen zu können.

Hinter den Baumwipfeln tauchten nun langsam die ersten Teile der Villa auf. Ohne meinen Herrn anzuschauen, wagte ich zu sprechen.

„Mein Herr, wir sind fast angekommen.“, unterbrach ich unser Schweigen. „Wie soll ich eure Bediensteten und Lady Elizabeth von eurer Abwesenheit unterrichten? Was wünscht ihr, das ich sage?“

Meinem Herrn schien diese Frage sehr unwohl zu sein, denn statt sofort zu antworten, blickte er nur zu Boden und wich meiner Frage aus.

„Lass mich runter, Sebastian.“

„Sehr wohl.“ Ohne große Vorsicht lockerte ich meinen Griff und ließ Ciel hinunter gleiten. Erst nachdem wir einige Schritte gegangen waren, kam er nochmal auf meine eigentliche Frage zurück.

„Du wirst ihnen gar nichts sagen. Wie werden sie heute das letzte Mal sehen, danach wirst du sie alle in dem Glauben lassen, ich sei gestorben.“

Nun, das war sicher nicht der freundlichste Weg, sich zu verabschieden, aber es war mit Abstand der leichteste. Man konnte es ihm auch nicht verübeln, dass er diesen Weg wählte – in seiner Situation hätte sicherlich jeder so gehandelt, immerhin konnte er ihnen wohl kaum die Wahrheit erklären, zumal sie diese mit großer Wahrscheinlichkeit nicht einmal geglaubt hätten.

„Nun gut, mein junger Herr. Dann werde ich eurem Befehl ohne zu zögern folgen.“

Einige Schritte hinter Ciel gehend, folgte ich ihm den unebenen Weg zur Villa entlang. Für einen Butler gehörte es sich immerhin nicht, direkt neben seinem Herrn zu laufen, und auch wenn ich zu gerne seinen Gesichtsausdruck gesehen hätte, so war mir dies doch nicht erlaubt.

Stattdessen beobachtete ich einfach die Umgebung, die mir dank der letzten drei Jahre so unglaublich vertraut geworden ist. Es war schon ein seltsames Gefühl, nach so langer Zeit zu wissen, dass man diesen Ort bald nie wieder sehen würde…

Während ich darüber nachdachte, hätte ich fast nicht bemerkt, wie mein Herr bei den Rosenbüschen im Garten der Villa stehengeblieben war, und diese betrachtete. Ich war ihm bis auf wenige Schritte nachgelaufen und konnte gerade noch so anhalten, ohne Ciel über den Haufen zu rennen. Meine Güte, so etwas wäre mir früher auch nie passiert. Ich musste inzwischen wirklich furchtbar hungrig sein…

Glücklicherweise bemerkte der junge Herr mein Missgeschick nicht, und so stellte ich mich hinter ihn und wartete. Die Rosenbüsche waren wirklich gepflegt, fast so, als wäre ich niemals weg gewesen. Maylene, Bard und Finny mussten wirklich gute Arbeit geleistet haben, auch wenn ich mir das nur schwer vorstellen konnte.

Für einen Moment sah ich, wie der junge Herr lächelte. Weiße Rosen waren immerhin seine Lieblingsblumen.

Unten hatten wir nur schwarze Rosen, was eigentlich sehr schade war, da ich selbst ohnehin Lilien bevorzugte, aber immerhin war das besser, als gar keine Pflanzen zu haben. Vielleicht sollte ich versuchen, ein paar von den weißen Rosen mitzunehmen, da dies meinen jungen Herrn sicher erfreuen würde, allerdings konnte ich nicht garantieren, dass das auch funktionieren würde. Einen Versuch wäre es dennoch sicherlich Wert.

Nach einiger Zeit hörte ich, wie Ciel ein leises Seufzen von sich gab und sich dann mit schnellen und bestimmten Schritten wieder gen Villa wand. Ich konnte seine Nervosität spüren und hatte unglaubliche Lust, irgendetwas Fieses darauf zu sagen, doch ich schluckte jegliche Bemerkung hinunter. Immerhin war der junge Herr nun mir denselben Fähigkeiten wie ich gesegnet, und so würden die Konsequenzen für mein Fehlverhalten wohl eine wenig härter ausfallen, als zuvor, wenn ich es wagte, ihn zu demütigen.

Ich trat vor meinen Herrn und öffnete ihm die Tür.

Kaum waren wie eingetreten, wurden wir auch schon von einer Salve Schüsse begrüßt, die einen normalen Menschen sicherlich schon zwei Mal getötet hätten. Und selbstverständlich war mein Anzug wieder einmal ruiniert, aber da ich ihn heute wahrscheinlich zum letzten Mal trug, kümmerte mich das nicht mehr wirklich.

Was daraufhin geschah, beeindruckte mich allerdings schwer, auch wenn ich mir dies nicht anmerken ließ. Statt mich damit zu beauftragen, sprang mein Herr aus eigener Kraft hoch auf das Geländer und packte die Schützin, die auf uns geschossen hatte. Zwar wusste ich, dass mein Herr nun diese Fähigkeiten besaß, dennoch hatte ich nicht erwartet, dass er so schnell lernen würde, sie einzusetzen.

Die Schützin war natürlich keine andere, als Maylene, dennoch zeigte mein Herr vorerst keine Gnade. Obwohl sie eine Frau war, drückte er sie mir aller Kraft an die Wand und hielt sie an ihrem Hals.

„Ist das denn die feien Art, seinen Herrn zu begrüßen, wenn er nach Hause kommt?“

„Junger Herr!!“, krächzte sie, und versuchte, die Hände Ciels von ihrem Hals zu bekommen. Als er nach kurzer Zeit endlich losließ, schlang sie ihre Arme um ihn und drückte ihn fest an sich.

„Herr, wir hatten schon die Hoffnung aufgegeben, Euch jemals wieder zu sehen! Wo wart ihr denn so lange? Wir müssen sofort Lady Elizabeth benachrichtigen! Und die anderen, Bard und Finny!“

Jäh unterbrach er ihren Redeschwall und drückte sie von sich weg.

„Das hat dich nichts anzugehen. Lad Lizzy von mir aus für heute Nachmittag ein, aber nur bis am Abend, hast du verstanden?“

Ohne weitere Worte wandte er sich wieder an mich. „Und du kommst mit, Sebastian. Wir haben noch einiges zu besprechen.“

Selbstverständlich folgte ich seinem Befehl, auch wenn ich nicht verstand, wie er nach alledem immer noch so kaltherzig zu anderen Menschen sein konnte…

Es war so lange her, dass er sie alle gesehen hatte, da hatte ich schon erwartet, dass er sich wenigstens ein bisschen freute...aber nunja.

Mal sehen, was mich nun erwartete.

Mein Butler, Trauerspiel

Nach wie vor leicht genervt von Maylenes aufdringlichem Verhalten machte ich mich auf den Weg in mein Arbeitszimmer. Es gab noch einige Dinge, die ich mit Sebastian besprechen musste, bevor Lady Elizabeth hier auftauchte.

Wie gewöhnlich ging der Dämon einige Schritte hinter mir her, jedoch ungewohnt war immer noch die Stille, die zwischen uns herrschte, seit ich zu einem Dämon gemacht worden war… Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich seine Stimme einmal vermissen könnte, jedoch war nun genau dies der Fall.

Früher war es so gewesen, dass er mir wenigstens den kompletten Tag lang meine Termine vorgehalten hatte, und selbst wenn wir einmal eine Auseinandersetzung hatten, war er stets normal geblieben, abgesehen von einigen Sticheleien, die ich weitgehend ignorieren konnte, doch sein Schweigen wurde mit der Zeit unerträglich, und sein kalter, vorwurfsvoller Blick machte die Sache nicht gerade besser.

Ein Teil in mir wollte ihn fragen, was sein Verhalten auf sich hatte, doch ich verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Wo kämen wir denn hin, wenn der Herr schon nach dem Befinden seines Butlers fragen musste? Wenn er etwas zu sagen hatte, dann sollte er dies gefälligst tun.

Ich konnte nicht sagen, wo diese Wut in mir auf einmal herkam, doch sie war da und ich wusste, dass Sebastian sie spüren konnte. Es schien ihn zu befriedigen, mich so zu sehen.

Für mich war es mehr als nur grauenhaft, zu wissen, das man als Dämon die Gefühle und Gedanken anderer Wesen erspüren konnte, denn da ich diese Fähigkeit besaß, bedeutete es, Sebastian konnte es auch. Er hatte es die ganze Zeit gekonnt!

So kalt ich nach außen hin auch war, er hatte immer gewusst, was ich wirklich dachte… Und dieser Gedanke trieb meine Wut noch weiter in die Höhe.

Ich nahm alle meine Konzentration zusammen und verschloss meine Gedanken vor seinem Geist, und umso länger ich es versuchte, umso besser funktionierte es. Nun konnte er nicht einmal mehr erahnen, was ich fühlte oder dachte, und das war auch gut so. Einen Butler gingen nur die Angelegenheiten seines Herrn, in denen er behilflich sein konnte oder musste etwas an, den Rest zu erfahren, stand ihm nicht zu.

Als wir bei der Tür zu meinem Arbeitszimmer angekommen waren, blieb ich kurz stehen, und wartete darauf, dass Sebastian die Tür öffnete. Der Dämon schien eine Weile zu zögern, doch dann erfüllte er seine Pflicht.

Ich trat durch die Tür, dicht gefolgt von Sebastian. Ich wusste nicht, woran es lag, dass er so viel näher hinter mir lief, als gewöhnlich, doch irgendwie bekam ich eine Gänsehaut und meine Beine schienen für einen Moment die Kraft verloren zu haben, doch das legte sich sofort wieder.

Ich sah mich einen kurzen Moment in dem Zimmer um, und bemühte mich nun nicht mehr, meinen Geist vor dem Dämon zu verschließen, sondern ließ mich von etwas überwältigen, dass ich schon so lange nicht mehr gespürt hatte.

Ich war zu Hause…daheim.

„Sebastian…wir sind zu Hause!“

Ich wusste nicht warum, aber ich musste es laut aussprechen. Sofort bemerkte ich, was ich da gerade gesagt hatte, doch die Situation ließ sich jetzt ohnehin nicht mehr retten, also akzeptierte ich es einfach.

„Ja, my Lord. Ihr seid hier zu Hause. Für mich war das nur eine Unterkunft.“

Was sollte das heißen? Warum sagte er das? Ich hatte bis jetzt immer gedacht, dass ich ihm hier ein insgesamt sehr angenehmes Leben bereitet hatte, doch in diesem Fall hatte ich mich darin getäuscht. Erst jetzt erkannte ich, wie undankbar er war, denn jetzt, wo es nicht mehr darauf ankam, meine Seele so zu formen, wie er sie brauchte, schien er mich so zu behandeln, wie er mich wirklich sah. Seid dem Vorfall auf der Insel war er immer unerträglicher geworden… Und eigentlich wollte ich es nicht wahrhaben, aber sein Verhalten verletzte mich. Mehr als ich mir zugedacht hatte.

Ich drehte mich um und sah ihn wütend an. Ich schaffte es nicht mehr, mein Gefühle unter Kontrolle zu bringen, doch um zu verhindern, mich komplett zu entblößen, ließ ich nur die Wut nach draußen durchdringen.

„Wenn du dich hier nicht zu Hause fühlst, warum warst du dann so lange bei mir!? Warum hast du nicht einfach meine Seele genommen und dich zurück in dein Loch verkrochen, wo du herkommst!? Du bist undankbar und fies, Sebastian! Ich hab mich grundlegend in deiner Art getäuscht!“, ich machte eine kurze Pause, um auf eine Reaktion meines Butlers zu warten, doch er schien noch mit sich zu kämpfen, also setzte ich noch einen drauf, auch wenn das gelogen war und ich sogleich tief bereute.

„Weißt du, Sebastian, als mir der Engel die Möglichkeit gegeben hatte, meine Vergangenheit wieder herzustellen, hätte ich es besser angenommen, dann wären wir beide niemals hierhin gelangt!“

Damit schien ich ihn getroffen zu haben. Er sah mich mit geschocktem Blick an und Tränen stiegen in seine Augen. Das war wirklich das letzte, was ich gewollt hatte.

Statt die Tränen wegzuwischen, ließ er sie einfach über seine Wangen rollen, einige Lichtstrahlen in dem schwach beleuchteten Zimmer trafen auf sie und brachten sie zum funkeln. Sebastian versuchte etwas zu sagen, doch er bekam keinen Ton mehr heraus. So aufgelöst hatte ich ihn noch nie gesehen.

Ich nahm alle meine Kraft zusammen, und tat etwas, das ich unter normalen Umständen nie getan hätte, doch wenn ich nun nichts unternahm würde ich ihn sicher verlieren.

„Sebastian…“, begann ich mit zitternder Stimme und gesenktem Blick. „Ich meine das nicht so. Das entspricht nicht der Wahrheit. Es…“

Ich musste es tun. Es ging nicht anders. Ich sah vom Boden auf und direkt in die nassen, mir so vertrauten Augen des Dämons. „Es tut mir Leid, Sebastian.“

Jetzt hatte ich ihn vermutlich endgültig aus der Fassung gebracht, denn er schaffte es nicht mehr, sich noch auf den Beinen zu halten, sondern sank auf dem Boden zusammen und begann zu schluchzen. Es war ein erbärmlicher Anblick, doch er tat mir so furchtbar Leid. War ich ein so schrecklicher Mensch, dass ich es sogar schaffte, einen Dämon zum Weinen zu bringen?

Ich musste mich von ihm abwenden, denn ich konnte seinen Anblick keine Sekunde länger ertragen. Er war zu meiner Schwäche geworden, seine Gefühle bedeuteten mir etwas, und das, was er über mein Verhalten dachte, war maßgebend für mich geworden.

Ich sah hinaus aus dem Fenster in den so wunderbar gepflegten Garten, betrachtete die Rosen für einen kurzen Moment und dachte nach. Warum war er mir so wichtig geworden? Ich konnte darauf keine Antwort finden.

Plötzlich erklang die Stimme von Angela und Ash in meinem Kopf. Was unrein, vernichte. Was ungewollt, vernichte. Es war furchtbar. Es war so furchtbar!

Ich versuchte die Stimmen aus meinem Kopf zu verbannen, doch im Raum war nur Sebastians Schluchzen zu hören. Es war zwar schon weniger geworden, aber dennoch…

Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle und ich sah keinen Ausweg mehr.

„Sebastian, töte mich. Ich möchte sterben.“, sagte ich mit kalter, emotionsloser Stimme zu ihm, und mit einem Mal verklang das Schluchzen.

Mein Herr, Horrortripp

Warum hatten mich seine Worte so aus der Fassung gebracht? Warum hatte ich wegen dieser Banalität zu weinen begonnen?

Eigentlich war ich es doch gewöhnt, solche Gemeinheiten an den Kopf geworfen zu bekommen, denn mein Herr hatte so etwas schon oft genug getan, aber dennoch…

Obwohl ich ihn die ganze Zeit über bedient hatte, sein Essen und seine Wäsche gemacht, seine Termine für ihn eingehalten habe, trotz alledem sagte er so etwas. Natürlich konnte ich seine Wut über meine Worte nachvollziehen, aber das war noch lange kein Grund, sich unseren Totfeinden anschließen zu wollen, allein schon der Tatsache wegen, dass diese die ganze Zeit über versucht hatten, meinen jungen Herrn zu töten. Ihn zu beschützen war nicht immer leicht gewesen, aber ich hatte ihn stets vor dem Tode bewahrt, egal wie schlimm es um ihn stand.

Eine Entschuldigung aus seinem Mund zu hören war demnach das Letzte, was ich erwartet hatte, und so war es genau das, was mich dergestalten aus der Fassung brachte. Endlich hatte ich das zu hören bekommen, was ich unbedingt hören wollte, dennoch konnte ich damit nicht umgehen, weil es nicht mein junger Herr war. So etwas würde er denken, doch niemals aussprechen.

Ich war wirklich am Ende, ausgehungert und kraftlos… Wenn das so weiter ging, dann würde ich wirklich kein Jahr mehr durchhalten. Mehr und mehr spürte ich, wie mich meine Lebensgeister verließen, meine Energie schwand und meine Sinne abschwächten.

Ich saß einfach nur schluchzend auf dem Boden, und es beruhigte mich nicht, dass mein Herr sich sorgte, im Gegenteil. Es lag eine Schwere im Raum, die uns beide in einen undurchsichtigen, grauen Nebel hüllte.

Doch was er nun sagte, nahm mir die restliche Kraft, die ich noch hatte, denn dieses Verhalten hatte ich noch kein einziges Mal bei Ciel gespürt, geschweige denn hätte er so etwas auch nur in Erwägung gezogen.

„Sebastian, töte mich. Ich möchte sterben.“, sagte er mit kalter, monotoner Stimme zu mir.

Mein Schluchzen verstummte, dafür sackte ich noch weiter auf dem Boden zusammen. Warum? Warum wollte er auf einmal sterben? Dieses Verhalten sah meinem jungen Herrn überhaupt nicht mehr ähnlich. Ciel hätte niemals sein Leben aufgegeben. Der junge Herr, den ich kannte, lief selbst mit einer Schusswunde stets weiter, bis er den letzten Funken seines Lebens qualvoll ausgehaucht hatte. Nein, das war sicherlich nicht das, was mein junger Herr dachte.

Ich trocknete meine Tränen und meine Trauer wurde durch reine Wut ersetzt. Was bildete sich dieser drittklassige Dämon eigentlich ein, so einen Schwachsinn von sich zu geben? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mein Verhalten schuld daran war, dass er sich so verhielt, also nahm ich an, dass er all dies nur tat, um mich zu provozieren. War ich ihm denn wirklich so wenig Wert, dass es in seinen Augen nicht Demütigung genug für mich war, dass ich mich so vor ihm zeigen musste? Was wollte er sehen? Sollte ich blutend und um mein Leben winselnd vor ihm auf dem Boden liegen? Nein, so etwas würde ich niemals tun!

Ich versuchte nun, mir das letzte bisschen Würde, das ich noch hatte, zu bewahren und stand auf.

„Nun gut, mein junger Herr. Wenn Ihr sterben wollt, dann nur zu, nehmt Euch euer erbärmliches Leben doch. Aber durch meine Hand wird das sicherlich nicht geschehen. Was auch immer Ihr mit eurem Verhalten bezweckt, ich lasse mich nicht noch einmal von Euch demütigen!“

Ich war gewillt, noch einen drauf zu setzten, doch schließlich hatte ich mir damals geschworen, ein perfekter Butler zu sein, und so etwas hätte ich schon gar nicht tun dürfen. Mein Verhalten war im Moment ohnehin alles andere als angemessen. Außerdem würde es für ihn viel schlimmer sein, wenn ich einfach nichts weiter dazu sagte, und die Unterhaltung an dieser Stelle einfach beendete.

„Dann werde ich jetzt gehen und alles für das Eintreffen von Lady Elizabeth vorbereiten. Wünscht ihr noch etwas oder darf ich mich dann empfehlen?“

Ciel drehte sich nicht zu mir um, dennoch bemerkte ich sein stetig wachsendes Unwohlsein… Er ballte die Hände zu Fäusten und begann, heftig zu zittern. Plötzlich überfluteten seine Gedanken und Gefühle den Raum, Wut, Trauer, Einsamkeit, Verlangen…

Doch an erster Stelle war seine Angst zu spüren, sie war zum Greifen nah, verfestigte sich wie Materie im Raum und schloss uns in ein immer enger werdendes Netz, aus dem es kein Entrinnen gab. Auch ich bekam Angst,

Was unrein, vernichte! WAS UNGEWOLLT, VERNICHTE!!

ich konnte die Stimmen hören, die nach mir, nein, die nach ihm riefen und mich, nein ihn nach oben ziehen…

Oben? Nach oben…

Ich musste hier raus, sonst verlor ich den Verstand! Ohne zu zögern lief ich zur Tür hinaus und schloss sie hinter mir.

Nun verstand ich endlich, was hier vor sich ging, und was mein junger Herr die ganze Zeit über durchmachen musste… Ich hätte es keine Minute länger in diesem Raum ausgehalten, zumindest nicht in meinem derzeitigen Zustand. Er war ohne Zweifel wirklich stark.

Doch viel wichtiger war, dass ich jetzt wusste, warum er sich so verhalten hatte. Es war ein Gesandter Gottes, der versuchte, Ciel um den Verstand zu bringen, um ihn für sich zu bekommen, und das selbst nachdem ich Angela und Ash getötet hatte. Das schlimmste an der Sache war jedoch, dass ich auch noch dabei geholfen hatte, ihn so weit in Ciels Geist vordringen zu lassen, in dem ich ihn mit meinem unreifen Verhalten belastet hatte und uns beide somit noch weiter voneinander entfernt hatte, als wir uns ohnehin schon standen. Wir waren unsere gegenseitige Schwäche geworden.

Erst jetzt wurde mir wirklich bewusst, was ich da eigentlich getan hatte…Ich hatte ihn mit diesem Etwas, welches von ihm Besitz ergreifen wollte, alleine im Raum gelassen, und das nur, weil ich zu schwach war, es zu ertragen. Und ich hatte ihn dazu ermutigt, sich das Leben zu nehmen, was weitaus schlimmer war…

Manchmal würde ich mich gerne für mein Verhalten bestrafen. Wie konnte ich den einzigen Menschen, den ich liebte nur so schlecht behandeln?

Den ich liebte?

Nein, ich leugne es nicht mehr. Ich liebte meinen Herrn, aber ich würde es ihm niemals sagen!

Sofort lief ich zurück in den Raum, in dem mein Herr immer noch an Ort und Stelle stand, nur sein Zittern war stärker geworden, und er winselte, fast wie ein Hund, den man auf die schlimmste Weise folterte und misshandelte. Alle seine Gefühle waren in dem Raum nach wie vor zu spüren und es war unerträglich…

„Se…Sebastian…“, es machte mir Angst, seine Stimme so zu hören. Von dem sonst so sicheren Tonfall war kaum mehr als ein Hauchen übrig, und es klang, als bekäme er keine Luft beim Sprechen.

„Sebastian…mach, dass es aufhört! Töte mich…bitte…! Ich halte das nicht aus…“

Seine Angst war immer noch so deutlich zu spüren, als wäre es meine eigene, doch ich wollte ihn von diesen Qualen erlösen, und das trieb mich weiter. So schnell es mein geschundener, ausgelaugter Körper zuließ ging ich auf ihn zu, kniete mich zu ihm und schloss die Arme um seinen Rücken. Der Moment in dem ich ihn berührte, war purer Horror. In diesem Moment überflutete mich alles, meine Gefühle, die ich für ihn hatte, seine Ängste, seine Wut, alles pochte in meinem Kopf zum stetigen Klang der Stimmen…

Was unrein, vernichte, was ungewollt, vernichte! Ciel Phantomhive, du verdienst es nicht zu Leben! Woher nimmst du das Recht, deine Existenz aufrecht zu erhalten?!

Ja… woher nahm ich das Recht zu leben? Mein Existenz war unrecht, ich musste vernichtet….Nein! Mit letzter Kraft öffnete ich den Mund und flüsterte, denn zu mehr war ich nicht mehr fähig.

„Ciel…Ciel Ihr seid nicht unrein! Ihr habt das Recht zu leben, so wie alles andere auch! Verschließt euren Geist vor dieser Kreatur.“ Das war wohl das erste Mal, dass ich ihn wirklich mit seinem Vornamen ansprach, und es schien Wirkung zu zeigen. Sein Zittern und Wimmern ließen nach und es schien, als hätte er langsam seine Fassung wiedererlangt.

„Ciel, verzeiht mir mein Verhalten. Ich wusste nicht, was mit Euch los war… Verschließt euren Geist und lasst ihn verschlossen. Lasst nicht zu diese widerwärtige Gestalt Gottes Euch beeinflusst.“

Es dauerte einige Zeit, bis er sich vollkommen beruhigt hatte. Als er sein Zittern weit genug unter Kontrolle hatte legte auch er seine Arme um meinen Rücken und zog mich fest an sich, und auch ich verstärkte meinen Griff noch. Ein Schauder überlief mich, als ich bemerkte, wie er sanft mit den Fingern über meinen Rücken fuhr. Ich hatte noch nie so heftig auf die Berührung eines anderen reagiert, wobei ich zugeben musste, dass ich schon lange keine wirkliche Nähe mehr gespürt hatte.

Einen Moment lang standen wir einfach nur so da, ich hatte es gewagt, meinen Kopf auf seiner Schulter zu betten, während er vorsichtig seine Wange an meine Brust schmiegte.

Plötzlich schien er zu bemerken, was wir da taten und er stieß mich mit einem Mal von sich weg und sah mich mit geschocktem Blick an. Auch mir wurde klar, was ich da gewagt hatte und so sah ich beschämt zu Boden. Ich war nur sein Diener, wie konnte ich denken, dass er so etwas jemals in normalem Zustand zulassen würde? Wirklich, ich sollte mir aufhören, Hoffnung zu machen.

Nach einigen Sekunden hatte Ciel seinen Schock überwunden, die Schamröte war jedoch noch genau in seinem Gesicht zu erkennen, und das brachte mich zum Grinsen.

Anscheinend versuchte er, einfach nicht mehr über diesen Vorfall zu sprechen, sondern wechselte Schlagartig wieder zurück zum Ursprünglichen Thema.

„Sie sind zurück, nicht wahr? Sie versuchen immer noch, mich zu töten…“

„Ja, das sind sie. Nur diesmal hat Gott selbst weitaus mächtigere Engel geschickt…“

So gerne ich ihn auch beruhigt hätte, so gerne ich auch gelogen hätte, es war nun mal eine Tatsache. Ich konnte nicht leugnen, dass ich selber bangte, besonders in meinem momentanen Zustand, doch das musste er nicht wissen. Es würde ihn mehr in Sicherheit wiegen, wenn er dachte, dass ich ihn auch weiterhin noch so beschützen konnte, wie früher, und das war auch gut so. Meinen Hunger musste ich bis zu einem anderen Zeitpunkt verbergen.

Schließlich war ich immer noch ein höllisch guter Butler.

Der Unreine, mein Auftrag

Ja, sie hatten mich bemerkt, wenn auch reichlich spät.

Dennoch, ich glaubte nicht, dass sie wussten, wie nah ich war. Mit meinen Gedanken drang ich in den Geist des jungen Earls ein, wollte Ciel seinen Lebenswillen nehmen, wollte dafür sorgen, dass er sein wertloses Leben auch selbst beendete, doch da hatte ich mir ein wenig zu viel erhofft. Auch göttliche Mächte hatten nicht gerade ein leichtes Spiel gegen Dämonen, so einfach sollte es mir also nicht gegönnt sein. Aber auch das war nur eine weitere Prüfung meines Herrn und Meisters, der alle Fäden auf der Welt zog. Zumindest die auf der irdischen Welt.

Hätte er sich einfach umgebracht, oder wäre er ermordet worden, so wäre seine Seele, oder zumindest das, was von ihr übrig war, direkt in meinen Zuständigkeitsbereich gefallen. Doch so leicht wagte ein Dämon nicht zu sterben, sollte dies jedoch einmal geschehen, so blühte dieser bemitleidenswerten Seele ein Schicksal, das nur eines Dämons würdig war, unvorstellbar grauenhaft und kaum auszuhalten.

Zunächst unterzogen wir diesen Abschaum einer kompletten Reinigung, die Einzelheiten sollte ich an dieser Stelle besser nicht preisgeben. Selbst ich, der schon Jahrhunderte in den Diensten des Herrn tätig war, konnte nicht dabei zusehen, wie dies geschah, nicht aus Mitleid, sondern aus Ekel. Es war eine widerwärtige Prozedur, die in ihren Einzelheiten nur den Erzengeln bekannt war, die diese auch durchführten. Es war mit Abstand der schmutzigste Job, den ein Engel zu erledigen hatte, doch es musste geschehen, sonst konnte es auf der Erde keinen Frieden geben.

Nach alledem stellten wir das, was von ihnen übrig war, als unsere Sklaven ein, ein Schicksal, aus dem sie nicht entrinnen konnten, denn das Stadium des endgültigen Todes hatten sie somit erreicht.

Normalerweise gab unser Herr und Meister nicht den Auftrag, solchen Abschaum zu töten, sobald sie einmal zu Dämonen geworden waren, doch bei Ciel Phantomhive war es anders, als bei den bisherigen Aufträgen. Er hatte sich unserer Macht entzogen und war zu einem Dämon geworden, bevor wir seine Seele reinigen und ihm ein angemessenes Schicksal bescheren konnten.

Ich wusste nicht, warum mein Herr es immer noch auf diese Seele abgesehen hatte, aber eins wurde mir gesagt. Es war der letzte Wunsch der Königin gewesen, als diese noch zu den Reinen unter uns zählte, und somit war es ihr vergönnt, diesen Wunsch erfüllt zu bekommen.

Ciel sollte genau wie seine Eltern in den Himmel aufsteigen, zwar würde er dort nicht wie die meisten anderen, ein angenehmes Leben haben, aber die Hauptsache war, dass wir ihn unter Kontrolle hatten, bevor er uns gefährlich wurde.

Dieser Junge war trotz seines geringen Alters sehr mächtig, und nun war er zu einem Dämonen gemacht worden, was die ganze Sache nicht gerade einfacher machte. Und dann war da noch sein Beschützer, Sebastian Michaelis. Auch wenn Ciel es vielleicht nicht wusste, mit ihm hatte er einen der mächtigsten Dämonen der ganzen Unterweilt an seiner Seite und so wie es schien, empfand dieser auch noch einiges für den Jungen.

Seine Berührung allein hatte Ciel genug Kraft gegeben, mich aus seinem Kopf zu verbannen. Mich, einen Engel! Ich musste etwas unternehmen, bevor die ganze Sache aus dem Ruder geriet. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich wollte nicht so elendig versagen, wie Ash und Angela es getan hatten.

Und ich hatte auch schon einen Plan, wie ich ihn am besten für meine Zwecke gewinnen konnte. Auch wenn er Lady Elizabeth vielleicht nicht liebte, so war sie doch schon immer eine gute Freundin für ihn gewesen, und ihre Meinung fiel durchaus ins Gewicht, wenn er Entscheidungen traf. Und genau diese Tatsache würde ich mir zu Nutzen machen.

Unser Spiel konnte nun endlich beginnen.

Mein Butler, kurzer Abschied

Je mehr ich mich von den fremden Gedanken in meinem Kopf befreien konnte, desto klarer erkannte ich meine eigenen Gedankenstränge daraus wieder.

Was genau war das für ein Wesen, das eine solche Macht besaß, mich so zu beeinflussen. Ich konnte und wollte das alles nicht glauben!

Ich bemerkte zunächst nicht, dass ich in Sebastians Armen lag, zu tief saßen noch die Erinnerungen an diese fremde Macht, die mich beinahe in den Selbstmord getrieben hatten. Es gab also immer noch jemanden, der mich loshaben wollte, trotz dem Tode von Ash und Angela. Gerade fragte ich mich, ob es mir vergönnt sein würde, jemals ein normales Leben zu führen, da spürte ich, wie Sebastian seinen Griff um meinen Rücken verstärkte und mich fest an sich zog, und für einen Moment war ich wie benommen. Ich bemerkte, wie mein Herz begann, schneller zu schlagen, ein Schauder durchfuhr mich und Hitze kam in mir auf. Nicht mehr in der Lage mich noch zu bewegen, ließ ich es geschehen, und ich…genoss es auf eine Art und Weise. Sebastian übte eine Art Macht auf mich aus, der ich mich nicht entziehen konnte, und so wagte ich es, meine Arme ebenfalls um seinen Rücken zu legen, schmiegte meinen Kopf sanft an seine Brust und atmete seinen Duft tief ein.

Bis zu diesem Moment war mir nicht wirklich bewusst, was ich da tat, doch dann…

Was tu ich da eigentlich?

Ich stieß Sebastian von mir weg und sah ihn einen Moment mit geschocktem Blick an. Was war nur in mich gefahren, dass ich mich so hatte gehen lassen? Zu ändern war das jetzt ohnehin nicht mehr, also versuchte ich einfach, vom Thema abzulenken.

„Sie sind zurück, nicht wahr? Und sie versuchen immer noch, mich zu töten…“

„Ja sind sie. Nur diesmal hat Gott selbst weitaus mächtigere Engel geschickt…“

Seine Antwort auf meine Frage beunruhigte mich sehr. Bei dem letzten Kampf gegen einen Engel hatte Sebastian seinen linken Arm eingebüßt. Dieser war zwar wieder nachgewachsen aber dennoch… Wenn unsere Gegner diesmal noch mächtiger waren, dann würde es sehr schwer werden, diesen Kampf zu überleben.

Langsam senkte ich den Kopf und sag zu Boden. Brachte es überhaupt noch etwas, weiterzukämpfen? Genau…Es lohnt sich nicht…gib dich der Versuchung hin zu sterben…

„Raus auf meinem Kopf!!“ Ich legte die Hände an meine Schläfen massierte diese leicht, um den pochenden Schmerz aus meinem Kopf zu vertreiben Ich spürte Sebastians besorgten Blick auf mir ruhen.

„Junger Herr…lasst ihn nicht eindringen. Ihr müsst stark bleiben, sonst verfallt ihr ihm wieder.“ Auch in seiner Stimme schwang Besorgnis und ich bemühte mich deshalb umso mehr, meinen Geist vor diesem Wesen verschlossen zu halten. Das war wirklich eine unschöne Sache. Dennoch durfte ich nicht aufgeben, immerhin war ich Ciel Phantomhive!

Noch einmal schaffte ich es gerade so, meine Tränen zurück zu halten, blickte wieder vom Boden auf und direkt in Sebastians glühend rote Augen, die mich besorgt musterten. Da war noch etwas, dass in seinem Blick lag, aber ich konnte beim besten Willen nicht einordnen, was es war. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich behauptet, dass eine gewisse Begierde in ihnen lag…

Auch konnte ich seine Reue und sein schlechtes Gewissen in seinem Ausdruck erkennen, und mit einem Mal waren all mein Hass und meine Wut auf ihn verschwunden. Eigentlich war ich ihm nie wirklich böse gewesen, hatte ich nun das Gefühl – und für einen Moment standen wir einander so nah, wie noch nie zuvor. Ich wusste genau, was er fühlte und dachte, und genauso schien es auch ihm zu gehen.

Er lächelte mir einen Moment lang zu, dann stand er plötzlich auf.

„Wohin gehst du?“

Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, zu fragen, doch das, was ich die ganze Zeit über erlebt hatte, nagte nun an mir und ich wollte nicht mehr alleine sein. Meine Angst, dass dieses Wesen wieder von mir Besitz ergriff war zu groß.

Selbstverständlich hatte ich nicht vor zuzugeben, dass ich Angst hatte, und so gab es auch nichts, was Sebastian dazu überreden konnte, an meiner Seite zu weilen. Warum sollte er das auch tun? Schließlich waren wir nach wie vor nur Herr und Butler, und egal wie sehr ich an meinen Wünschen auch festhielt, es würde sich sicherlich niemals etwas daran ändern.

„Ich bin nicht lange weg, junger Herr. Sorgt euch bitte nicht. Aber…“ Er machte eine kurze Pause bevor er weitersprach, und ich spürte, wie unangenehm ihm das Ganze war, ließ es mir aber nicht anmerken.

„Wisst Ihr, ich bin furchtbar hungrig…Und ich möchte Euch allen Schutz bieten, den ich aufbringen kann, aber in dem Zustand, in dem ich mich im Moment befinde, wird das leider nicht möglich sein.“

War das also der Grund, warum er so unerträglich war? Er hatte einfach nur hunger? Volltrottel.

„Sicher, dann geh.“

Ich hatte nicht vorgehabt, so barsch zu sein, aber ich war nur noch erledigt und wäre am liebsten sofort eingeschlafen, doch das ging natürlich nicht. Auch jetzt wo ich ein Dämon war, gab es noch Dinge, die geregelt werden mussten, und ich konnte sie schließlich nicht einfach verschieben. Außerdem stand der Besuch meiner nervigen Verlobten kurz bevor, und auch das musste ich noch irgendwie überstehen.

Mit einem letzten Lächeln öffnete Sebastian die Tür und trat einige Schritte hinaus.

„Keine Sorge, ich bin bald zurück.“ Und dann fiel die Tür ins Schloss und ich war zum ersten Mal seit einiger Zeit wieder alleine.

Vollkommen erledigt begab ich mich zu meinem Sessel und setzte mich, lehnte mich für einen Moment zurück und genoss die Stille um mich herum, bis…

Was unrein, vernichte….Was…

Ich schrie auf vor Wut und schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch. War ein bisschen Ruhe denn zu viel verlangt? Mir reichte es wirklich, und zum ersten Mal in meinem Leben begab ich mich zu dem kleinen Schrank in meinem Arbeitszimmer und holte meine Geige aus dem kleinen Kasten in der untersten Schublade.

Ich spielte nicht besonders gerne, genauso wenig konnte ich es auch, aber es würde sicherlich einiges an Ablenkung bringen. Ich hatte nicht vor, sie zu stimmen, denn ich konnte es ohnehin nicht – ich begann einfach zu spielen, der erste Satz eines Stückes namens ‚Teufelstriller’, welches mir Sebastian vor einiger Zeit beigebracht hatte.

Ich erinnerte mich daran, wie er vor mir stand, und mir jedes Mal, wenn ich mich weigerte zu spielen, neckisch seinen Bogen unter mein Kinn hielt und es ein wenig anhob. Ich wusste nicht warum, aber ich musste für einen Moment grinsen.

Es war höchst ungewöhnlich. Warum dachte ich in der letzten Zeit nur so viel an ihn? Was war anders, dass ich mir so viel daraus machte, was er von mir dachte, oder wie er sich verhielt.

Ich seufzte und setzte die Geige an

Du bist verliebt…

Ich redete mir ein, dass dies wieder die Stimme des Engels war, die mich in den Wahnsinn treiben wollte, doch ich hörte es mit dem Klang meiner eigenen Worte.

„Ach, hör doch auf…“, sagte ich zu mir selbst und begann zu spielen.

Ich war noch genauso schlecht wie am Anfang…

Mein Herr, kurze Abwesenheit

Kurz nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, lief ich los.

Ich wollte mir ein Opfer suchen, dessen Seele ich so schnell wie möglich verschlingen konnte. Einen Vertrag benötigte ich dazu nicht, solche Strapazen nimmt ein Dämon schließlich nur auf sich, wenn er eine Seele als besonderen Leckerbissen wahrnahm, so wie es damals bei Ciel Phantomhive gewesen war. Die Dämonen hatten sich förmlich darum gerissen, seine Seele in ihre Finger zu bekommen, doch mir war es damals gelungen, sein Vertrauen mit betörenden Worten für mich zu gewinnen, und so auch seinen innigsten Wunsch zu erfüllen. Eigentlich stand mir seine Seele nach wie vor zu, doch da er nun ein Dämon war, konnte ich sie ihm nicht mehr nehmen.

Ich begab mich also in das Londoner East End um nach einer gebrochenen Seele zu suchen, die ohnehin nicht mehr lange zu leben hatte. Das Problem dabei war nicht, eine solche zu finden – man musste sie nur finden, bevor einem die Shinigami dazwischen funkten und sie zu früh ins Jenseits zogen. Das, was einen dann erwartete, war zwar weitaus angenehmer, als von einem Dämon gefressen zu werden, doch ich wollte meinen Hunger endlich stillen.

Ich wollte diese Sache so schnell wie möglich hinter mich bringen, schließlich hatte ich meinen jungen Herrn dafür alleine gelassen, und dieser Zustand sollte nach Möglichkeit nicht all zulange andauern, denn mit jedem Moment meiner Abwesenheit stiegen die Chancen des Engels, den jungen Herrn an sich zu reißen. Ciel war zwar stark genug, diesem Drang vorerst zu wiederstehen, doch hatte der Engel es erst einmal geschafft, wieder komplett in dessen Geist einzudringen, würde ich für nichts mehr garantieren können.

Mit bedachten aber schnellen Schritten lief ich nun durch das East End, betrachtete die vor sich hin krepierenden Gestalten, die an den Wänden der Häuser lehnten, und ließ mich von ihren hilflos flehenden Blicken verfolgen. Es mag grausam klingen, aber allein der Genuss ihrer Hilflosigkeit und Verzweiflung, die fast greifbar in den Gassen schien, gab mir einiges meiner verloren geglaubten Kraft zurück. Auf eine gewisse Art und Weise verspürte ich durchaus ein wenig Mitleid, aber an erster Stelle stand meine Gier, diese Menschen zu fressen und ihre Seelen an mich zu nehmen. Jede einzelne von ihnen würde schmackhaft sein…

Gerade hatte ich mich dazu entschlossen, ein Blutbad in diesem Elendsviertel anzurichten, als die Stimme einer jungen Frau mich noch einmal zögern ließ. Eine schmutzige, kleine und viel zu dünne Gestalt kam aus einer dunklen Gasse heraus auf mich zugeschlendert, den Blick starr zu Boden gerichtet. Kurz vor mir blieb sie stehen, sah dennoch nicht vom Boden auf.

„Junger Edelmann…kann ich Ihnen meine Dienste anbieten?“, flüsterte sie mit leiser, fast heiserer Stimme. Falls sie versucht gewesen war, das ganze verführerisch klingen zu lassen, war ihr das gänzlich misslungen.

„Sie müssen sich auch nicht sorgen…ich habe keine Krankheiten, die Ihnen schaden könnten…“ Zwar sagte sie dies, doch ich konnte deutlich spüren, dass ihre körperliche Verfassung mehr als zu wünschen übrig ließ. Doch gelogen hatte sie damit sicherlich nicht, denn mir würden diese Krankheiten sicherlich nicht schaden, bei anderen Menschen war diese Behauptung jedoch in Frage zu stellen.

Sicherlich war sie keine besonders tiefgründige Persönlichkeit. Ein Schicksal, das viele indische Frauen zu der Zeit trugen, lastete auch auf ihren Schultern. Mit der Hoffnung hier ein besseres Leben führen zu können war sie nach London gekommen, und kurz nach ihrer Ankunft war all ihre Hoffnung zu Nichte gemacht worden.

Diese Gestalt war einfach nur armselig, gezwungen ihren Körper in einem solch jungen Alter zu verkaufen. Trotzdem lächelte ich sie freundlich an.

„Ihre Dienste, junge Frau? Nun, einen Dienst gibt es, den Sie mir gewiss erweisen könnten. Aber damit Sie es wissen, ich bin kein Edelmann, ich bin lediglich ein einfacher Butler. Wollen Sie mir nach wie vor dienen?“

Ich beugte mich zu ihr hinunter, bis ihr Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt war, blickte sie starr an und wartete.

„Ein…Butler…?“, fragte sie unsicher.

„Ich nehme an, dass Sie Geld haben…Also…wenn Sie nicht abgeneigt sind…“ Ich spürte nur zu deutlich ihre Unsicherheit und ihre Angst, und ich bewunderte es, wie weit sie zu gehen vermochte, nur um ihre armselige Existenz zu wahren.

„Nun gut.“, meinte ich in überzeugtem Tonfall zu ihr, dann entschied ich mich dazu, meinen Arm um ihre Schulter zu legen und sie zu führen, falls sie geplante hatte, es sich noch einmal anders zu überlegen. Bei meinen Nachforschungen im Fall Meena hatte ich damals in einer abgelegenen Seitenstraße ein leerstehendes Apartment gefunden, und genau da hatte ich vor, sie hinzubringen. Selbstverständlich hatte ich nicht vor, ihre Dienste wirklich anzunehmen, denn ihr Körper regte keinerlei Gelüste in mir – eher war ich abgeneigt, gegenüber ihrer verwahrlosten Erscheinungsform.

Aber ihre Seele schien schmackhaft, all die Verzweiflung, all diese Sehnsüchte…

Meine Augen glühten einen Moment rot auf, dann zwang ich mich wieder ruhig zu bleiben, auch wenn ich meinen hunger nur noch schwer zurückhalten konnte. Es war wohl besser nur diese Frau zu töten, als hier ein ganzes Blutbad anzurichten.

Bei der verlassenen Wohnung angekommen öffnete ich ihr die Tür und ließ sie eintreten. Der Raum war dunkel und stickig, Staub hatte sich auf dem kläglichen Mobiliar niedergelassen und ein Duft nach Verwesung war hier deutlich wahrzunehmen.

Einige Zentimeter hinter der jungen Frau blieb ich stehen und legte meine Arme um sie. Ihr Atem ging flach und panisch und ihr Herzschlag war wie ein Ticken in dem Raum zu hören. Langsam nahm ich meine dämonische Gestalt an, breitete meine schwarzen Flügel aus und legte sie sanft um unsere Körper.

„Es tut mir wirklich sehr leid, aber Ihr werdet an diesem Ort sterben…“, flüsterte ich ihr mit tiefer, rauer Stimme zu. Ihr Atem ging noch schneller und sie wandte sich in meinem Griff, doch sie konnte meinen starken Armen nicht mehr entkommen.

In Panik begann sie instinktiv zu schreien, obwohl sie genau wusste, dass es hier niemanden gab, der Ihren Hilfeschreien Folge leisten würde. Wir waren nun ganz alleine in dem Raum…

„Bitte! Bitte lass mich leben!“, schrie sie mich an, ihre Stimme überschlug sich fast vor Angst.

„Bitte!! Ich will noch nicht sterben! Mein Kind…!!“

Ich kannte es nicht von mir, aber ein wenig Mitleid kam in mir auf, nicht ihretwegen, sondern wegen ihrem Sohn. Auch Ciel hatte seine Eltern verloren, und sein Schicksal war schrecklich gewesen – so etwas sollte niemand erleben müssen.

„Schon gut…“, beruhigte ich sie.

„Ich werde dafür sorgen, dass Ihr Kind in gute Hände gerät. Und ich werde dafür sorgen, dass Sie keine Schmerzen haben…“

Ich ließ ihr in meinen Armen gerade genug Platz, dass sie sich umdrehen konnte und mir nun ins Gesicht sehen konnte. Im ersten Moment schien sie noch erschrockener, als zuvor. Mit panischem Blick musterte sie meine rotglühenden Augen, die spitzen Zähne, die wenige Zentimeter über meine Lippen ragten, und die kleinen, spitzen Hörner, die oben aus meinem Kopf ragten.

„Ein…Dämon….“, sagte sie mit fast schon ungläubigem Ton.

„Ja, ganz Recht. Ich werde Ihre Seele nehmen, um wieder zu Kräften zu kommen, den Rest lasse ich unversehrt. Man wird Sie sicherlich bald finden und sie angemessen bestatten.“

Eigentlich war es unfair, was ich da tat, aber so konnte ich die junge Frau vor ihrem Tod wenigstens in trügerischer Sicherheit wiegen.

„Es wird nicht wehtun…“

Mit diesen Worten legte ich meine Lippen sanft auf ihre, und statt ihre Seele direkt auszusaugen, schob ich zunächst meine Zunge zwischen ihre Lippen. Gedanken überkamen mich, Gedanken, die ich von mir selbst nicht erwartet hatte.

War es das? Würden sich die Lippen meines jungen Herrn auch so anfühlen? Oder waren sie weicher? Ciel…

Nein…nein das war nicht mein junger Herr…warum küsste ich diese widerliche Person?

Mit einem festen Schlag durchstieß ich ihre Brust, hörte ihren Aufschrei kurz in unserem Kuss verklingen und saugte ihr gierig die Seele aus dem Leib. Mehr war es nicht gewesen.

Ich wischte mir den restlichen Speichel von den Lippen und ließ den leblosen Körper achtlos zu Boden sinken. Kurz betrachtete ich sie, dann wandte ich mich ab. Was konnte ich noch für sie tun, außer mein Versprechen einzuhalten? Ich nahm meine menschliche Gestalt wieder an und machte mich auf den Weg, ihr Kind zu suchen. Kurz vor ihrem Tod hatte sie noch einmal an das kleine Mädchen gedacht, und so würde es mir nicht schwer fallen, dieses Kind zu finden.

Ich schloss die Tür des Apartments, in dem ich die Leiche der Frau zurückgelassen hatte und machte mich auf den Weg zurück in das Zentrum des Elendsviertels.

Nach kurzem Suchen fand ich das Mädchen schließlich zusammengekauert in einer dunklen Ecke, die Kleidung schmutzig und zerrissen, das Gesicht beschmutzt. Ich seufzte. Warum gab es sowas wie das hier, wenn die Engel und Gott selbst damit rühmten, eine heile Welt zu erschaffen und keine Menschenseele jemals aus den Augen zu lassen? Nein, so war es nicht, und so wird es nie sein. Diese Welt ist verdorben und verkommen, und es gibt für die meisten nichts als ein kleiner Funke Hoffnung, der sie antreibt, weiterzuleben.

Vorsichtig lief ich zu dem Mädchen hin, bedacht sie nicht zu erschrecken. Sie hob ihren Blick und sah mich mit funkelnden Augen an.

„Wer sind Sie?“

„Ich bringe dich von hier fort. Es war der Wunsch deiner Mutter, dass du in Sicherheit bist…“

Ohne große Worte hob ich sie hoch und trug sie davon. Sie wehrte sich zunächst, doch dann ließ sie mich einfach gewähren. Schließlich war sie in meinen Armen eingeschlafen.

Es dauerte einige Zeit, bis wir ankamen. Ich hatte sie zu einem Kloster gebracht. Die Leute dort waren freundlich und sie würden sich bestimmt gut um sie kümmern. Ich legte das kleine Mädchen vor das große Tor des Klosters und klopfte an.

Als eine freundlich dreinblickende Ordensschwester das Tor öffnete, war ich bereits wieder verschwunden.

Ich musste nun endlich zurück zu meinem Herrn!

Ich hatte ihn wirklich lang genug allein gelassen, und ich wusste nicht, was mich erwartete, wenn ich zur Villa zurückkehrte. So schnell ich konnte rannte ich, bis ich das Anwesen der Phantomhives erreicht hatte, doch ich hatte mich umsonst gesorgt.

An seinem Arbeitszimmer angekommen, erwartete mich der Klang einer schrecklich verstimmten Violine…

Mein Verlobter, sein Ende

Als meine Dienerin Paula in mein Zimmer gestürmt kam, konnte ich sehen, wie aufgeregt sie war.

Ich war gerade dabei, einige Dokumente zu lesen, die mein Vater mir auf den Tisch gelegt hatte. Doch das meiste davon war sterbenslangweilig, sodass es mir schwer viel, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Eigentlich kam es mir gerade recht, dass Paula so unerwartet ins Zimmer gestürmt kam.

„Junge Herrin! Junge Herrin!“, begann sie vollkommen außer Atem

„Stellt Euch vor, wir erhielten soeben einen Anruf aus der Villa Phantomhive! Der junge Earl ist zurückgekehrt und er wünscht Euch zu sehen!“ Sie schäumte gerade zu über vor Glück, doch ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, was sie mir da gerade erzählt hatte…

Mein geliebter Ciel war also doch noch zurück gekehrt! Ich hatte schon beinahe die Hoffnung aufgegeben, doch nun… Ach es war so wundervoll!!

Mehr als nur freudig sprang ich von meinem Stuhl auf und umarmte Paula ohne jegliche Vorwarnung. Zwar wirkte sie ein wenig verwirrt, doch ich ließ ihr kaum Zeit etwas zu sagen, oder darauf zu reagieren.

„Schnell, hilf mir mein schönstes Ballkleid anzuziehen und sorge dafür, dass die Kutsche angespannt wird! Wenn Ciel mich sehen möchte, dann werde ich ihn, als seine Verlobte keinen Moment warten lassen und mich sofort auf den Weg machen.“

Voller Vorfreude sprang und tanzte ich in meinem Zimmer umher, nachdem Paula die Tür geschlossen hatte um alles vorzubereiten. Seit Ciels Verschwinden hatte ich an beinahe nichts mehr Freude gehabt, und so war das Gefühl von Freude in mir, mir fast fremd. Die ersten Tage hatte ich ununterbrochen im Eingangsbereich nahe des Telefons gewartet, hatte gehofft, dass endlich ein Anruf käme und man mir sagte, dass alles in bester Ordnung sei, doch ich hatte stets vergebens gewartet…

Ich konnte meine Vorfreude kaum zügeln, und so entschloss ich mich, selbst in den Ankleideraum zu gehen um mein Kleid schon einmal auszusuchen. So schnell ich konnte lief ich den langen Gang entlang, der mich zu einem großen Raum führte, der über und über mit den schönsten Kleidern ausgestattet war. Einige davon hatte ich schon zu vielen Anlässen getragen, andere hingegen hatte ich noch nie an – und um Ciel besonders zu überraschen wollte ich ein Kleid tragen, dass ihm den Atem rauben würde, jawohl! Es musste etwas ganz besonderes sein, das meine Augenfarbe vielleicht ein wenig hervorhob…

Ich schlenderte an dem Regal entlang und besah jedes Kleid einzeln, doch ich konnte mich einfach nicht entscheiden, denn sie waren alle so wunderbar!

Ich hörte nur, wie die Tür geöffnet wurde, und da niemand angeklopft hatte, vermutete ich, dass es Paula war. Sie vergaß das nämlich ständig.

„Hab ich dir nicht immer gesagt, dass du anklopfen sollst? Stell dir nur mal vor, ich wäre gerade schon dabei, mich umzuziehen… So was schickt sich einfach nicht…“ Normalerweise entschuldigte sie sich sofort bei mir, wenn ich sie zurecht wies, doch diesmal vernahm ich keinen einzigen Laut. Ich drehte mich zu ihr um, und wollte sie gerade erneut darauf hinweisen, dass sie sich nicht angemessen verhielt, als mir auffiel, dass es nicht Paula war, die da im Raum stand, sondern ein fremder, großgewachsener Mann mit tiefblauen Augen und blondem Haar. Wie kam dieser Kerl nur in unsere Villa? Es war selbst für angekündigte Besucher nicht leicht, einfach so an unseren Wachen vorbeizukommen…

Gerade wollte ich um Hilfe schreien, da kam der fremde Mann auf mich zu und presste seine Hand fest auf meinen Mund. Ich begann heftig zu zittern und Angst stieg in mir auf. Was hatte er nur vor?

Mich windend versuchte ich seinem Griff zu entkommen, doch ich scheiterte kläglich.

„Keine Sorge….“, begann er mit betörender Stimme und mit einem Mal wurde ich viel ruhiger. Ich hatte nun nicht mehr das Gefühl, dass er mir etwas tun wollte und so lauschte ich dem fast schon singenden Tonfall des Herrn. Er war wunderschön, wie er mich hielt, in seinen weißen Kleidern…

„Junges Fräulein, Ihr wurdet vom Herrn selbst auserwählt, seine Marionette zu sein und einen wichtigen Auftrag für ihn zu erledigen.“

Selbstverständlich... Es war meine Pflicht, dem Herrn zu dienen. Egal, was er von mir wollte, es war das Richtige – das, was ich tun musste. Wie konnte man dieser Stimme auch nicht vertrauen? Sie hatte mich vollkommen in ihren Bann gezogen, spielte mit meinen Gedanken und Gefühlen und beeinflusste diese. Ich war diesem Mann komplett verfallen, dieser so sanften Stimme. Er musste ein Engel sein…

„Alles…“, gab ich leise zurück.

„Gut, dann verhalte dich weiterhin ganz normal, sprich mit niemandem darüber, dass du mich getroffen hast und darüber, was ich dir auftragen werde, dann wird der Herr dir wohlgesonnen sein und dann wird dir und deiner Familie ein Platz im Paradies sicher sein...“

Natürlich, ich glaubte ihm sofort jedes Wort. Er war rein und konnte gar nicht lügen…nicht so wie Ciel. Der junge Graf hatte mir nie vertraut, und keine meiner Bemühungen gewürdigt. Warum wurde mir jetzt erst klar, dass er nicht der war, den ich heiraten wollte? Warum musste mich erst der Engel darauf bringen, war ich denn wirklich…

Einen Moment lang zweifelte ich an den Worten des Blonden…

Aber du liebst Ciel doch…du hast ihn doch schon immer geliebt…Warum sollte sich das jetzt auf einmal ändern?

Nein, ich liebte Ciel, daran bestand kein Zweifel! Egal, wie fies er auch sein konnte, er war für mich da gewesen, wenn es wirklich darauf ankam…

„Aber junges Fräulein, was denkt Ihr denn da? Er ist unrein und muss vernichtet werden! Ihr habt zwar ein großes Herz, aber spart es Euch für diejenigen auf, die eure Liebe verdient haben.“

Natürlich, was dachte ich denn da? Dafür sollte ich mich reinigen…

„Gut mein Herr...Ich werde den Unreinen beseitigen.“

„So ist es brav. Sei meine ergebene Marionette und dir und deiner Familie wird nichts geschehen.“

Mit diesen Worten verabschiedete er sich von mir, doch seine Präsenz blieb weiterhin im Raum eingeschlossen. Egal wo hin ich nun ging, er würde bei mir sein und mich schützen.

Ich verstand nicht mehr, wie ich es bisher nur mit diesem zwielichtigen Grafen ausgehalten hatte. Wie konnten meine Eltern nur zulassen, dass ich mit so etwas verlobt worden war? Niemals würde ich einen Unreinen heiraten! Nie!

Ich würde meinen Auftrag ausführen und bder Engel würde bei mir sein, so wie er es mir versprochen hatte, denn er würde mich sicherlich nicht belügen. Nicht so wie dieser Phantomhive...

Es klopfte zwei Mal an der Tür und ich wurde aus meinen Gedanken gerissen.

„Junge Herrin, kann ich herein kommen?“ Ah, Paula… Auch eine Unreine. Sie war nur eine Dienerin, die es nicht wert war, gut behandelt zu werden – doch ich musste es tun. Der Engel hat mir befohlen, mich zu verhalten, wie ich es immer tat.

„Sicher komm herein!“, gab ich mit gewohnt schriller Stimme zurück. Wie konnte ich nur so gewesen sein? Meine Art war ja schrecklich gewesen. Gott sei Dank hatte der Engel mir die Augen geöffnet! Nun konnte ich mich verhalten, wie es sich für eine reine Frau gebührte.

Meine Dienerin trat ein und musterte mich einen Augenblick, bevor sie sprach.

„Habt Ihr euch schon für eines der Kleider entschieden?“

„Ja, das habe ich. Es muss das Weiße sein!“

Selbstverständlich musste es weiß sein, so wie die Kleidung des Engels gewesen war. Weiß und rein. Alles musste bereinigt werden…

Mein Butler, Vorbereitungen

Ich unterbrach mein Geigenspiel, als ich hörte, wie jemand leicht an die Tür klopfte. Ich wusste, dass es Sebastian war, also bat ich ihn herein – trotzdem war ich ein wenig verwundert. Er war nur eine knappe Stunde weg gewesen, also konnte ich immerhin davon ausgehen, dass er kein komplettes Blutbad angerichtet hatte. Es wäre nicht von Vorteil, wenn uns jetzt noch einer der Shinigami dazwischenfunken würde, weil sie eine ihrer Seelen vermissen, jetzt wo wir ohnehin schon genug Probleme hatten.

Langsam öffnete mein Butler die Tür und trat ein. Ein paar Blutspritzer zierten das Gesicht des Dämons und glitzerten ein wenig in der Sonne, doch er selbst schien sie nicht zu bemerken. Ich fragte mich, wie es wohl sein würde, wenn ich mir meine erste Seele einverleibte, und im Gegensatz zu Sebastian war ich sogar nach wie vor in der Lage, einen Vertrag zu schließen, was bedeutete, dass ich sie besonders formen konnte, bis sie schmackhaft genug war. Wie würden der Schmerz und die Verzweiflung eines Menschen wohl schmecken?

Aus irgendeinem Grund erregten mich diese Gedanken und eine angenehme Hitze stieg in mir auf. Wie hatte Sebastian nur so lange warten können, warum hat er mich nicht einfach mit Haut und Haaren gefressen, obwohl meine eigene Seele so…

An was dachte ich denn da?

„Konntest du deinen Hunger stillen, Sebastian?“ Ich versuchte, so teilnahmslos wie möglich zu klingen, starrte kurz auf meine Geige und legte sie dann mit samt dem Bogen auf meinen Schreibtisch. Den Rücken zu meinem Butler gekehrt blieb ich stehen. Warum wurde ich nur so unruhig bei diesem Thema? Ich wollte wissen, wie es war, wie es sich anfühlte, wer die Person war, wie sie roch, der Geschmack…

Wie nahm man überhaupt eine Seele? Sebastian hatte mir erklärt, dass es wehtun würde, also nahm ich an, dass man die Person zuvor töten musste…

„Ja konnte ich…“, unterbrach er meine Gedanken. Ich drehte mich zu ihm um und sah, dass seine Augen nach wie vor rot glühten. Er lächelte mich seltsam an, fast lüstern, hob dann eine seiner Hände und leckte ein wenig von dem Blut ab, das noch an ihnen klebte. Unwillkürlich presste ich meine Lippen zusammen und fuhr mit meiner Zunge darüber, was leider nicht unbemerkt blieb. Sebastians Grinsen wurde noch breiter, bevor er seine Finger aus dem Mund nahm und sie mir entgegenstreckte.

„Wollt Ihr kosten, my Lord?“

Ja…ja will ich

„Was fällt dir eigentlich ein, so einen Blödsinn von dir zu geben!? Hast du auf dem Weg hierher noch bei Lau in seiner Opiumhöhle vorbeigeschaut oder bist du einfach so verrückt geworden?“ Ich konnte ja wohl kaum zugeben, dass ich das Blut sehr gerne abgeschleckt hätte, also überspielte ich es mit meinem gewohnten Sarkasmus.

Trotz allem schoss mir die Röte in die Wangen und ich war gezwungen, mich erneut abzuwenden, trotzdem konnte ich sein belustigtes Lächeln in meinem Nacken spüren… Was für eine Blöße!

„Es gibt noch einiges zu tun, bevor Lady Elizabeth hier eintrifft. Mach dich erstmal sauber, dann suchst du mir die passende Kleidung für ihren Besuch heraus, irgendwas praktisches, in dem ich zur Not auch tanzen kann. Und es sollte etwas schwarzes sein. Danach bereitest du ein Dinner für sie vor…“ Das ich einmal mit meiner Kleidung so wählerisch sein konnte, hätte ich zuvor nicht erwartet, aber dies war immerhin das letzte Mal, dass ich sie sah, also sollte es auch einem Abscheid entsprechend sein… Seit ich mich erinnern konnte, war Lizzy an meiner Seite gewesen, und auch wenn ich sie wirklich nie geliebt hatte, waren wir immer gute Freunde gewesen.

Das ist doch albern! Warum dachte ich so etwas? War ich noch sentimentaler geworden, seit man mich zu einem Dämonen gemacht hatte?

„Yes, my Lord…“ Ich schreckte schon fast auf, bei seinen plötzlichen Worten, ließ mir dennoch nichts anmerken. Ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel – nun war ich wieder alleine. Kurz dachte ich daran, was Sebastian jetzt wohl tat, wie er im Bad stand und sich seiner Kleidung entledigte, und dann vollkommen nackt…

Jetzt reicht es! Hör auf…!! Wieso dachte ich an solche Dinge? Eine ganze Weile schon stellte ich mir des Öfteren solche Situationen vor, immer wieder kamen mir diese Gedanken in den Sinn und schwächten meine Konzentration. Sicherlich wusste ich, dass Sebastian schon immer gut bei den Damen der Abendgesellschaften angekommen war, auch wenn er sich dort ebenfalls nur als einfacher Butler gab, doch warum hatte er diese Wirkung nun auch auf mich?

Ich seufzte laut und setzte mich auf meinen Schreibtischstuhl. Im Moment hatte ich wirklich keine Lust, über so etwas nachzudenken, oder zumindest versuchte ich, mir das einzureden. Jetzt waren andere Dinge wichtiger.

Genervt stütze ich meinen Kopf auf meinen Händen ab. Unter anderem war da die Sache mit Lizzy. Sollte ich ihr sagen, was geschehen war? Immerhin war sie meine Verlobte und hatte ein Recht darauf, es zu erfahren, aber würde sie mir überhaupt glauben? Ich wollte sie auf keinen Fall unglücklich machen, aber wenn ich vorgab, tot zu sein, wäre sie genauso traurig, wie wenn ich die Verlobung auflösen und dann davonlaufen würde. Gab es denn nicht noch einen anderen Weg? Immerhin wollte ich auch nicht, dass Lizzy als alte Jungfer starb, nur weil sie nie nach einem anderen Mann gesucht hat.

Alte Jungfer…eigentlich ist es seltsam. Der nächste Geburtstag würde mein 16. sein, dennoch hatte ich mir noch nie vorgestellt, mit ihr zu schlafen. Ich wusste, dass so etwas eigentlich vollkommen normal war, aber ich fand nichts Erregendes an ihr. Wahrscheinlich war es einfach nur, weil ich sie nicht wirklich liebte, anders konnte es nicht sein. Dennoch hatte ich auch nie wirklich an andere Frauen gedacht, wenn ich abends im Bett lag und mich einsam fühlte… Aber an was hatte ich gedacht?

Das Sebastian in diesem Moment an die Tür klopfte, verbesserte meine Laune nicht gerade weitgehend, aber ich wollte mir so wenig wie möglich anmerken lassen, dass ich über so ein Thema auch nur nachgedacht hatte.

„Ja, komm rein…“, gab ich patziger zurück als ich geplant hatte. Sebastian war komplett neu eingekleidet, er hatte seinen braunen Mantel angezogen und nur ein Band statt einer Krawatte umgebunden, außerdem hatte er sich eine Brille aufgesetzt. Ich fand, dass ihm das ganz ausgezeichnet stand, aber ich würde mich hüten, auch nur ein Wort dazu zu sagen.

„Junger Herr, ich habe Euch ein Bad eingelassen. Den Rest habe ich bereits vorbereitet. Würdet Ihr mir bitte folgen?“

Ein Bad würde mir jetzt sicherlich gut tun, vor allem nach dem Schock, den ich zuvor erlitten hatte, dennoch zögerte ich ein wenig. Sebastian würde mich ausziehen, so wie er es immer getan hatte… Was war da schon dabei? Ich benahm mich wirklich wie ein kleines Kind…

„In Ordnung. Hast du meine Kleidung auch schon zu recht gelegt?“ Ich stand auf und lief ohne ihn anzusehen auf die Tür zu, die er mir sofort öffnete.

„Selbstverständlich mein Herr, es liegt alles im Bad bereit.“ Sebastian folgte mir mit einigen Schritten Abstand, und ich spürte seinen stetigen Blick im Nacken, oder zumindest hatte ich das Gefühl…

Um mich abzulenken sah ich mir die Bilder an, die man an den Wänden im Gang zur Zierde platziert hatte. Einige davon hätten sicherlich eine Menge Geld eingebracht, wenn ich sie verkauft hätte, doch da die Villa nach dem Tod meiner Eltern erst wieder in diesen Zustand zurückversetzt werden musste, wollte ich alles so lassen, um die Erinnerung zu wahren.

„Mein Herr, gibt es etwas, das Euch bedrückt? Ihr wirkt abwesend.“ Trotz seinen Worten blieb ich erst vor der Tür zum Bad stehen, blickte kurz zu ihm auf und konnte mir ein Seufzen nicht verkneifen. Es würde nicht schaden, wenn ich ihm ein Teil meiner Sorge anvertraute.

„Die Sache mit Lady Elizabeth, Sebastian…Und dieser Engel. Irgendwie macht es mir mehr zu schaffen, als ich erwartet hätte.“ Mehr wollte ich ihm nicht sagen, und der Rest ging ihn auch nichts an, selbst wenn es ihn mit betraf.

Weiterhin sah ich zu Boden, bis der Butler endlich die Tür öffnete und ich eintreten konnte. Wie gewohnt ließ ich mich auf einem kleinen Stuhl nieder, Sebastian kniete sich vor mich und begann, mein nach wie vor zerrissenes Hemd aufzuknöpfen. Obwohl ich diese Situation schon so oft erlebt hatte, war sie dennoch anders als zuvor… Seine Berührungen waren irgendwie sanfter, bedachter…

Ich konnte nicht umhin zu lächeln, nicht weil es mich amüsierte, sondern weil ich es genoss, wie er es tat.

„Keine Sorge, junger Herr.“, begann er in seinem gewohnt ruhigen Tonfall.

„Wir werden das schon alles irgendwie hinbekommen. Sobald wir die Identität des Engels herausgefunden haben, wird es uns ein leichtes, ihn zu besiegen.“

Ich konnte nicht genau einschätzen, ob er dies nur sagte, um mich zu beruhigen, oder ob er es wirklich ernst meinte. Es irritiert mich nur, dass er von ‚wir‘ sprach, denn das hatte er zuvor noch nie getan.

„Gehst du in dem Fall davon aus, dass ich mit dir kämpfen werde?“ Es klang ungläubig und so war es auch gemeint. Ich konnte mir nicht vorstellen, mir selbst die Hände schmutzig zu machen, wenn ich doch einen Diener hatte, der diese Dinge für mich erledigte. Daran würde ich mich erst gewöhnen müssen, wenn das in Zukunft so sein sollte.

Erst jetzt sah Sebastian wieder zu mir auf – zuvor hatte er nur meine Haut und meinen Körper betrachtet, während er mich meiner Kleidung vollkommen entledigt hatte. Nun saß ich nackt vor ihm, doch ich fühlte keine Scham, es war mehr ein Verlangen…

Der Dämon legte mehr oder weniger unabsichtlich seine Hand auf meine und sah mir eindringlich in die Augen.

„Ja davon ging ich aus, vorausgesetzt Ihr wollt nicht dabei zusehen, wie ich sterbe.“ Er grinste mich an, doch hinter diesem Lächeln war auch ein wenig Angst zu erkennen, was für mich absolut ungewohnt war.

„Ich…“

Reiß dich zusammen! Wehe du wirst jetzt auch noch sentimental…

„Nun gut, wenn es nicht anders geht, dann werde ich dir dabei helfen, statt wie gewohnt von den besten Plätzen aus zuzusehen…Aber dann muss es eine ganz besondere Vorstellung werden!“ Auch ich lächelte ihn an, um meine aufkommende Angst zu überspielen – es würde garantiert eine Vorstellung werden, bei der es sich lohnen würde, von den besten Plätzen aus zuzusehen.

Mein Herr, unschuldige Spiele

Ich war ein bisschen verwirrt darüber, dass Ciel tatsächlich eingewilligt hatte, an meiner Seite zu kämpfen.

Natürlich hatte ich ihm gesagt, dass ich alleine im Kampfe gegen dieses Wesen sicherlich mein Leben lassen müsste, doch das dieses Argument genügte, um meinen jungen Herrn umzustimmen hätte ich nicht erwartet. Es interessierte mich natürlich außerordentlich, welche Einflüsse seiner Entscheidung zugrunde lagen, doch als einfacher Butler stand es mir nicht zu, ihn danach zu fragen und so konnte ich nur spekulieren.

Vielleicht wollte er nur einmal spüren, wie es sich anfühlte, um sein Leben zu kämpfen, auch wenn dieser Gedanke für mich nur schwer nachzuvollziehen war. Eher hoffte ich jedoch, dass er dies nur tat, aus Angst, mich an den Tod zu verlieren, doch von so etwas konnte ich nur träumen. Eigentlich war es sogar absurd, so etwas auch nur ansatzweise in Erwägung zu ziehen, ein nichtiges Wunschdenken meinerseits…

Dennoch wünschte ich es mir mehr als ich jemals für irgendetwas anderes verlangt hatte. Schon eine ganze Weile zuvor hatte ich jede seiner Handlungen und Reaktionen auf die Goldwaage gelegt, wenn es um seine Gefühle für mich ging, doch wirklich erkennen konnte ich nicht viel darin. Zwar konnte ich seine Stimmung spüren und ergründen, wie er sich fühlte, doch seine Gedanken blieben mir verwehrt. Ich konnte nicht leugnen, dass ich mich in ihn verliebt hatte…

Und dass er in solch einen Moment, wo ich über all diese Dinge nachdachte, nackt vor mir saß, verbesserte die ganze Sache nicht gerade. Ich musst mich förmlich zügeln, keine überstürzte Handlung zu begehen und meiner Lust nicht freien Lauf zu gewähren…

Immer noch hatte ich meine Hand auf der seinen liegen und sah ihn unverfroren an. Seine porzellanweiße Haut schimmerte im dämmrigen Licht des Raumes verführerisch, weiß und rein – nur seine Wangen hatten einen leichten rosenfarbenen Schimmer und seine roten Augen erwiderten meinen Blick mit leicht provokantem Ausdruck.

„Was soll das, Sebastian? Hör auf mich so anzustarren und steh endlich auf, damit ich ins Wasser kann!“

Ertappt. Wie konnte ich nur so tief sinken? Ich war wirklich eine Schande für jeden Dämon. Nun gut, aber was passiert ist, kann ich nicht mehr rückgängig machen, abgesehen davon war ich schon längst nicht mehr der perfekte Butler, der ich zu Beginn gewesen war.

„Natürlich mein Herr. Ich war in Gedanken, verzeiht mir bitte.“ Ich erhob mich und half meinem Herrn ins Wasser. Es war in der Zwischenzeit sicherlich nur noch lauwarm, jedoch schien sich Ciel nicht daran zu stören.

Eine Weile lang saß er einfach nur im Wasser ohne ein Wort zu verlieren, hatte die Augen geschlossen und den Kopf in den Nacken gelegt. Vielleicht sollte ich ihn noch ein wenig so sitzen lassen, bevor ich begann, ihn zu waschen, schließlich konnte ein wenig Ruhe auch einem Dämon nicht schaden.

Ich hütete mich, ihn noch einmal so anzusehen wie zuvor, schloss die Augen und versuchte ebenfalls, einige Gedanken in meinem Kopf zu sortieren. Oberste Priorität hatte nun erst einmal dieser Engel. Wie sollten wir es schaffen, ihn ausfindig zu machen? Das letzte Mal war es nicht allzu schwer gewesen, da Ash der Diener der Majestät war und wir praktisch nicht einmal nach ihm suchen mussten, doch dieses Mal…

Dämonen waren wirklich zu einigem Fähig, doch die Anwesenheit eines Engels konnte sie nur in unmittelbarer Nähe spüren, während es einem Engel vergönnt war, Dämonen auf einige Kilometer Entfernung noch wahrzunehmen. Soweit ich mich entsinnen konnte lag das an der einfachen und genauso albernen Tatsache, dass Unreinheit die Reinheit überlagerte, aber was spielt das schon für eine Rolle?

Fakt war nun mal, dass ich dieses geflügelte Ungeziefer so nicht ausfindig machen konnte. Ich seufzte hörbar auf und öffnete meine Augen wieder.

„Junger Herr, soll ich Euch nun waschen?“

Ciel drehte sich zu mir um und sah mich wütend an. Was war denn jetzt mit ihm los?

„Wenn du es so lästig findest, mich zu waschen, dann kannst du mir das auch einfach sagen, dann mach ich es selbst…“, gab er mit grimmigem Tonfall zurück. Da hatte er wohl etwas in den falschen Hals bekommen.

„Nein junger Herr, ich finde es keineswegs lästig. Mein Seufzen galt der Situation, in der wir uns befinden, nicht meiner Arbeit.“ Ich sah wie ihm die Schamesröte ins Gesicht stieg und er sich abwandte. Irgendwie musste ich darüber Schmunzeln und nutzte die Gelegenheit voll aus.

„Aber wenn Ihr es als unangenehm empfindet, dann müsst Ihr es mir nur sagen, dann lasse ich es Euch selbst versuchen.“ Eigentlich war es fies, was ich da tat, aber es amüsierte mich mehr, als das ich mich hätte zurückhalten können. Vielleicht war es auch einfach nur die Rache, dafür dass er mich zuvor genauso bloßgestellt hatte.

Ich konnte die Hitze schon fast spüren, die vor Scham in ihm aufstieg und musste mein Kichern unterdrücken. Im Prinzip verstand ich nicht, was daran so schlimm war, eine einfache Entschuldigung aufgrund eines Missverständnisses von sich zu geben, doch mein Herr schien nach wie vor sichtlich Probleme damit zu haben.

„Halt den Mund, Sebastian! Mach einfach deine Arbeit, so wie es sich für einen einfachen Butler gehört! Deine Kommentare können einem wirklich auf den Geist gehen!“

Uh, er schien wirklich wütend zu sein… Nun ja, daran konnte ich jetzt auch nichts mehr ändern. Ich nahm einen Schwamm zur Hand und begann damit, vorsichtig seinen Rücken zu waschen. So sanft wie möglich fuhr ich immer wieder auf und ab, denn ich wusste, wie empfindlich Ciel sein konnte, wenn es um so etwas ging. Von seinen Schultern aus führ ich nun langsam seine Arme entlang hinunter, fuhr dann über seine Brust und seinen Bauch…

Ich bemerkte, dass Ciel die Augen geschlossen hatte und den Mund leicht offen hielt. Ließ es ihn doch nicht so kalt, wenn ich ihn berührte, wie ich zu Anfang vermutet hatte? So sehr ich mich auch darüber schämte, ich wollte eine Bestätigung…

Langsam fuhr ich seinen Bauch hinunter, bis ich langsam zu seinem Unterleib gelangte. Normalerweise hätte ich ihn dort niemals so berührt, wie ich es nun tat, doch vielleicht würde es ihm gar nicht so sehr auffallen. Anstatt den Schwamm zu nehmen fuhr ich mit meinen Fingern vorsichtig über sein Glied, nur für einen kurzen Moment, danach nahm ich wieder den Schwamm zur Hand und wusch seine Beine…

Seine Reaktion hatte ich nicht ganz deuten können. Er hatte die Augen kurz fest zusammengekniffen, mehr jedoch nicht – kein Aufstöhnen und auch sonst nichts. Ein wenig enttäuscht wollte ich meine Arbeit zu Ende bringen, als ich plötzlich einen Schlag in meinem Gesicht spürte. Ich brauchte einen Moment um zu realisieren, dass Ciel mich geschlagen hatte.

„Hast du sie noch alle?! Was sollte das jetzt schon wieder?!“ Ahhh, das war doch eher die Reaktion, die ich erwartet hatte. Selbstverständlich tat ich unschuldig um keinen Verdacht zu erwecken. Wenn ich nun auch nur grinste, würde er genau wissen, dass es beabsichtigt war. Ich sah ihn also erst einmal nur mit gespielter Verwirrung an.

„Habe ich etwas falsch gemacht, junger Herr? Wenn ich Euch wehgetan haben sollte, bitte ich vielmals um Entschuldigung, das war nicht meine Absicht.“

Einen Moment lang sah er mich keuchend und mit offenstehendem Mund an, dann jedoch wendete er sich ab. Es hätte nicht viel besser laufen können.

„Bring mir ein Handtuch, Sebastian. Mir ist kalt.“

„Sehr wohl.“ Ich tat wie mir geheißen war und hing ihm ein Handtuch über die Schulter, in das er sich sofort komplett einhüllte. Ungeschickt trappelte er auf den kleinen Hocker zu und setzte sich – ich hatte ihn damit wohl vollkommen aus der Fassung gebracht.

Ich brachte ihm die Kleidung, die ich zuvor auf einem Stuhl zu Recht gelegt hatte und kniete mich wieder vor ihn, allerdings machte er keine Anstalten, das Handtuch wieder abzulegen.

„Junger Herr, so kann ich Euch nicht ankleiden. Wärt Ihr so freundlich, das Handtuch abzulegen?“ Widerwillig ließ er das Handtuch fallen, und was er mir zu sehen gab, amüsierte mich prächtig. Ohne jedoch ein Wort darüber zu verlieren, zog ich ihn an und half ihm vom dem Hocker auf.

„Junger Herr ich mache mich dann an die Vorbereitungen. Lady Elizabeth wird sicherlich bald hier eintreffen.“ Daraufhin nickte Ciel nur und verließ den Raum.

Vielleicht war es doch noch nicht nötig, mit dem Spielen aufzuhören…

Mein Butler, eine Blamage!

Ich konnte es nicht glauben.

Warum hatte Sebastian das getan? Und warum hatte mein Körper, der mir doch eigentlich vertraut sein sollte, so auf dieses…Spiel reagiert? Ich dachte nach und starrte unvermittelt in den noch vom warmen Wasser beschlagenen Spiegel, der mir gegenüber an der Wand angebracht war und versuchte, das stetig rhythmische Pochen in meinem Unterleib einfach zu ignorieren.

Diese Peinlichkeit war mir ja nicht zum ersten Mal passiert, aber warum musste es nun gerade vor Sebastian sein? Wenn ich diesen Mistkerl in die Finger bekam, dann würde er sich wünschen, niemals in meine Dienste getreten zu sein! Das hatte er doch mit Absicht gemacht!!

Andererseits konnte ich ihn dafür nicht einfach ausschimpfen… Wenn ich etwas zu diesem Thema sagte, dann würde er wissen, dass es wirklich er war, der mich so erregt hatte, und das wäre mit Abstand das Schlimmste, was heute noch passieren konnte. Immerhin hatte er es zuvor, als er mich angezogen hatte, einfach ignoriert. Vielleicht war es doch nicht seine Absicht gewesen?

Allerdings war das – so sehr ich es mir auch einredete – nur schwer vorstellbar. Er selbst prahlte doch immer damit, dass er ein höllisch guter Butler sei, und solche ‚Fehler‘ würden ihm da wohl eher nicht unterlaufen.

Doch all meine Gedanken halfen nichts, so konnte ich das Bad nicht verlassen. Ich warf einen prüfenden Blick zur Tür, um festzustellen, dass diese auch wirklich geschlossen war. Eine Blamage am Tag genügte mir vollkommen…

Ich seufzte kurz, öffnete den obersten Knopf meiner Hose und zog sie ein Stück nach unten. Natürlich tat ich das nicht zum ersten Mal. Zwar machte ich mir jedes Mal Gedanken darüber, dass es auf keinen Fall gut sein konnte, wenn ich so etwas tat, doch ändern konnte ich es auch nicht.

Ein wenig unsanft umschloss ich mein steifes Glied mit einer Hand, während ich mich mit der anderen an der Unterseite des Hockers festhielt, auf dem ich noch immer saß, und begann zu reiben. Eigentlich verabscheute ich es, so etwas tun zu müssen, doch dieses Mal fühlte es sich irgendwie besser an als sonst. Es tat nicht mehr so sehr weh wie beim ersten Mal und es kribbelte schon fast angenehm. Ich konnte und wollte jetzt nicht mehr aufhören, auch wenn ich mich nicht mehr richtig unter Kontrolle hatte. Immer wieder stöhnte ich laut auf, während ich noch ein wenig stärker rieb.

Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn Sebastian es genauso bei mir tun würde? Er war sicher gut, immerhin würde er geübt sein und…

Langsam musste ich aufpassen, dass ich nicht zu laut würde, versuchte mein aufkommendes Stöhnen zu unterdrücken, doch es wollte mir nicht recht gelingen. Es würde sicherlich nicht mehr lange dauern bis...

Während ich immer weiter machte, nahm ich alles andere um mich herum schon gar nicht mehr wahr, dachte nur noch daran, wie es wohl sei, wenn mich Sebastian so berührte, wenn er mich streicheln und küssen würde und...

Wieder entfuhr mir ein lautes Stöhnen und ich war gezwungen, meinen Oberkörper ein wenig nach unten zu beugen, krallte meine andere Hand förmlich in das Holz und krümmte meine Zehen. Ein letztes Mal rieb ich fest und kam schließlich.

Keuchend sank ich zusammen und brauchte eine Weile, bis ich mich ein wenig beruhigt hatte. Ich hob vorsichtig die Hand und betrachtete die weißlich-durchsichtige Flüssigkeit, die diese nun zierte. Auf meinen schwarzen Nägeln glänzte sie ein wenig im Licht.

Was hatte ich da gerade getan?

Benommen stand ich auf und lief zum Waschbecken, säuberte meine Hände und reinigte auch den Rest meines Körpers von den Spuren meiner Lust, dann knöpfte meine Hose wieder zu. Ich hoffte wirklich inständig, dass mich niemand gehört hatte…

Langsam hob ich meinen Blick und sah in den immer noch beschlagenen Spiegel. Ich hob eine Hand und wischte einmal darüber, sodass sich die Wassertropfen lichteten. Mein Spiegelbild funkelte mich mit dämonisch rot-glühenden Augen an und ein rosafarbener Schimmer zierte meine Wangen.

Ja, ich war ein Dämon, aber ein Dämon der sich zu solch einer Schande herabließ. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Sebastian so etwas jemals tun würde…

Sebastian? Warum hatte ich die ganze Zeit an ihn gedacht, während ich gerade dabei war…

„Das ist doch albern!“, sagte ich gewollt unfreundlich zu meinem Spiegelbild und wand mich ab. Was war schon dabei, wenn man ein wenig fantasierte, während man seine Lust befriedigte? Es lag sicher einfach nur daran, dass ich nun ein Dämon war! Vielleicht hatte man da solche Gelüste?

Ich versuchte mir einzureden, dass das alles ganz normal war, und das ich immerhin verlobt war, und zwar mich einer Frau…

…einer Frau die ich noch niemals wirklich geliebt hatte…

Wieder seufzte ich und beschloss, dass es langsam Zeit wurde, das Bad endlich zu verlassen. Ich trat aus der Tür hinaus und schloss sie hinter mir, so als würden dann alle meine Gedanken zu der Sache, die ich dort drin getan hatte auch dort eingeschlossen bleiben. Natürlich war dem nicht so, sie verfolgten mich weiter, kreisten in meinem Kopf und wirbelten meine Gefühle durcheinander…

Halt, jetzt reichte es. Warum Gefühle? So etwas Menschliches war unnötig! Ich brauchte keine Gefühle, außer meinen Hass, der mich so lange angetrieben hatte! Dieser Hass war mein ständiger Begleiter gewesen, und jetzt wo ich ihn mir endlich wieder ins Gedächtnis rief, viel mir auf, dass erschreckend wenig von ihm übrig geblieben war…

Gedankenverloren öffnete ich die Tür zu meinem Arbeitszimmer und setzte mich wie gewohnt in meinen Sessel. Was war eigentlich los mit mir? Ich war schon gar nicht mehr ich selbst.

Ich bettete meine Kopf in meinen Armen auf meinem Schreibtisch und atmete tief ein und aus. Lizzy würde bald hier eintreffen, und bis dahin musste ich es geschafft haben, wenigstens ein bisschen so zu tun, als sei ich noch genau wie früher.

Im Prinzip war es vollkommener Schwachsinn. Es hatte sich alles verändert, die Situation, meine Ziele und mein Leben. Ich war nun ein Dämon, meine Peiniger waren tot, und eine neue Gefahr erwartete mich bereits mit ihren weißen Schwingen.

In diesem Moment klopfte es an der Tür.

„Was willst du?“, fragte ich in genervtem Tonfall.

„Ich bringe Euch einen Earl Grey und ein Stück Kuchen, junger Herr“, Sebastians Stimme klang wie immer, doch ich war mir fast sicher, dass er vor der Tür stand und grinste wie ein kleines Kind, das gerade einen Bonbon von seinen Eltern bekommen hatte.

„Dann komm rein…“

Wie ich ihm aufgetragen hatte trat er mit einem Servierwagen in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Er grinste tatsächlich und ich musste mich wirklich zurück halten, um nicht aufzuspringen und ihm eine in die Magengrube zu verpassen…

Gekonnt stellte er den Teller vor mich hin, reichte mir Besteck und schenkte den Tee ein. Der Duft, den der Tee ausströmte füllte schnell den Raum und ich beruhigte mich ein wenig. Ich nahm ihm die Tasse ab und trank sofort einen Schluck davon. Es war herrlich, nach dieser langen Zeit endlich wieder Tee genießen zu können.

„Wenn ich mir die Frage erlauben dürfte…“, begann Sebastian zögernd und riss mich aus meinem Genuss.

„Hat sich euer ‚Gemüt‘ wieder beruhigt?“ Nun grinste er mich noch breiter an als zuvor und ich ließ vor lauter Schock die Tasse fallen, deren Inhalt sich sofort über den kompletten Schreibtisch ausbreitete.

Wie ich diesen hinterhältigen Dämon doch hasste!

„WAS ERLAUBST DU DIR EIGENTLICH?!“ Mit einem Satz sprang ich über meinen Schreibtisch und holte mit der flachen Hand aus, doch kurz vor Sebastians Gesicht hielt ich an und nahm meine Hand wieder herunter. Ich konnte es nicht…

„Du bist diese Anstrengung nicht einmal Wert! Widerlicher Spanner!“, fauchte ich ihn an und drehte mich um, doch bevor ich mich wieder zurück in meinen Sessel setzen konnte spürte ich, wie sich zwei Hände um meine Taille legten und mich fest an einen starken Körper zogen. Ich wusste nicht, wie mir geschah, und Hitze stieg in mir auf.

„Verzeiht mir, junger Herr… Ich wollte Euch nicht so bloßstellen.“ Sebastians Stimme klang reuevoll und ich wusste, dass er es ernst meinte. Er würde sich sonst niemals dazu herablassen, mich einer Entschuldigung wegen zu berühren. Vorsichtig nahm ich seine Hände in meine und löste sie von meinem Körper.

„Lass gut sein… Ich möchte nicht weiter darüber sprechen.“, meinte ich bestimmt und lief zum Fenster um nach draußen sehen zu können. Die Kutsche müsste schon längst hier eingetroffen sein…

Ich drehte mich wieder zu Sebastian um und sah seinem Blick herausfordernd entgegen. Ich mochte diese Spielchen, auch wenn ich es niemals zugeben würde.

„Ich hoffe doch, dass alles in tadellosem Zustand ist!“, sagte ich in fast schon arrogantem Ton zu ihm, doch er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Selbstverständlich, junger Herr. Als Butler der Familie Phantomhive…“

„…solltest du so etwas schon können, ich weiß.“, beendete ich.

„Und wenn nicht kannst du dich darauf gefasst machen, dass ich dich diesmal wirklich bestrafen werde. Immerhin ist das ein Abschied, der in Erinnerung bleiben wird, also darfst du dir keinen Fehler erlauben.“

Sebastian verneigte sich vor mir und ging dann in Richtung Tür.

Kurz bevor er den Raum verließ bleib er noch einmal stehen, drehte sich aber nicht mehr um.

„Ich hoffe doch, dass die Strafe auch hart sein würde, sollte ich versagen…“, flüsterte er und verließ den Raum nun endgültig.

Was zur Hölle war das denn gewesen???

Mein Verlobter, letzte Gedanken

Mein Dienstmädchen hatte alles so weit vorbereitet.

Ich fragte mich noch, wie jemand in meinem Haus so eine unfähige Magd einstellen konnte, doch dies war sicherlich nicht der richtige Zeitpunkt, um so etwas in Frage zu stellen, immerhin hatte ich einen viel wichtigeren Auftrag bekommen.

Mit genervtem Blick stieg ich in die Kutsche und wartete darauf, dass unsere Fahrt endlich begann. Es war ja so lästig. Wieso sollte ich, als Auserwählte weiterhin mit der Kutsche reisen? Mir standen Flügel zu, das war doch das mindeste! Aber nun gut, ich musste mich eben gedulden, man würde mich ja schließlich sicherlich anständig dafür belohnen, wenn ich meinen Auftrag sauber ausgeführt hatte.

Die Zeit über, die wir in der Kutsche saßen, schwieg ich. Es hab auch wirklich keinen Grund, mit meiner Zofe zu reden, was wusste sie schon? Sei war nichts weiter, als eine Unreine, und wenn ich in ihre Vergangenheit sah, wurde mir schlecht – sie wurde nicht einmal getauft, verstoßen von ihren Eltern und auf der Straße aufgewachsen, nicht einmal einen richtigen Namen hatte sie. Den, den sie jetzt trug, wurde ihr von der Marquise gegeben. Paula. Ein einfacher Name.

Die Marquise von Middelford, meine Mutter, sie war zu gütig und zu nachsichtig gewesen. Vor vielen Jahren hatte sie Paula von der Straße geholt und mir zugeteilt, nach dem sie ihre Ausbildung beendet hatte, und seit dem hing sie an mir.

Oder besser gesagt, sie hing an der alten Elizabeth…

Die alte Elizabeth. Ich war doch immer gut zu ihr gewesen, und sie war ebenfalls gut zu mir. Wenn meine Eltern keine Zeit gehabt hatten, war sie es, die mit mir gespielt hatte, die mich unterhalten hatte und für mich da gewesen war und…

Aber Elizabeth…Sei nicht albern. Denk daran, dass du weitaus mehr bist, du bist meine Verbündete, du stehst auf meiner Seite. Ich war es, der dich beschützt hat und beschützten wird, dich und deine Familie…

Ja, natürlich. Mein altes Ich funkte mir immer wieder dazwischen, doch ich würde sie sicherlich nicht gewinnen lassen. Mein altes Ich war naiv und unreif, unzumutbar könnte man schon fast behaupten!

Ich seufzte einmal kurz genervt auf und sah dann wieder aus dem Fenster.

Paula saß mir gegenüber und starrte mich unverfroren an, doch ich versuchte, sie nicht weiter zu beachten. Was brachte es schon, wenn ich jemandem wie ihr noch versuchte, Manieren beizubringen? Außerdem musste ich mich wenigstens ein bisschen so verhalten, wie früher, sonst würde noch jemand Verdacht schöpfen.

Das sie meinte, mich nun auch noch ansprechen zu müssen, raubte mir fast den letzten Nerv, doch ich blieb ruhig, so wie es sich für eine wahre Lady gehörte.

„Ähm, entschuldigen Sie, Miss…. Bedrückt Sie irgendetwas? Heute wirken Sie gar nicht, wie sie selbst.“

Nein, was sollte mich denn auch bedrücken? Also wirklich, warum fragte sie mich so etwas auch? Das war doch vollkommen unnötig.

„Nein Paula, es ist nichts…“, erwiderte ich mit engelsgleicher Stimme und legte mein weißes Seidenkleid wieder ein wenig zurecht.

„Sorge dich lieber um andere Dinge.“, fügte ich nun weniger freundlich hinzu. Ich nahm an, dass sie meinen genervten Unterton bemerkt hatte, denn mit einem Mal war sie sehr still, so wie es sich für eine Zofe ziemte.

Ich konzentrierte mich wieder auf die wesentlichen Dinge. Wie sollte ich Ciel am besten auslöschen? Er war ein Dämon, das hatte mir der Engel gesagt, aber wie sollte ich nur einen Dämonen töten? Gab es denn keine Möglichkeit, diese Sache etwas einfacher zu gestalten? Auch wusste ich, dass es spezielle Waffen gab, doch besaß ich davon keine…

Ciel…

Jetzt wo ich wieder über ihn nachdachte, kamen alle Gefühle in mir auf. Ich liebte ihn doch! Wie konnte ich ihn dann nur töten wollen, selbst wenn er ein Dämon war?! Er war mein Verlobter, er war bei mir gewesen, seit ich mich erinnern kann, da konnte ich doch nicht so einfach…

Lizzy…bleib bei Verstand! Er verdient den Tod!

Nein! Das war nicht wahr! Er verdiente den Tod nicht! Ciel war aufrichtig und ehrlich, und ich liebte ihn! Ich wollte diesen Engel nicht gewinnen lassen!

„Paula! Sag dem Kutscher, er soll umdrehen! Ciel darf nicht sterben!“

Ich hatte mich endlich wieder im Griff, und solange dies der Fall war, würde ich alles tun, um Ciels Leben zu beschützen! Dank dem Engel wusste ich nun, dass er ein Dämon war, genau wie Sebastian auch, aber das war mir egal. Es änderte nichts an der Tatsache, dass Ciel immer noch der Mann war, den ich liebte!

„A…Aber my Lady!!“, stammelte Paula nur. Es half nichts. Ich hatte nur noch eine Möglichkeit zu entkommen, bevor der Engel wieder Besitz von meinem Geist ergriff. Während des Fahrens öffnete ich die Wagentür und sprang hinaus.

Mein Bewusstsein verlor ich nicht, als ich auf dem kalten Waldboden aufschlug, aber kaum war ich aus der Kutsche draußen, durchfuhr ein brennender Schmerz meinen Kopf.

Du! Du hast versagt! Du hast meinen Worten nicht so Folge geleistet, wie ich es von dir erwartet hätte. Ich bin enttäuscht, junge Lady...

„Aufhören!“, schrie ich, so laut ich konnte, und die Stimme in meinem Kopf verstummte mit einem Schlag. Erst jetzt kam der Schmerz in mir hoch, meine Beine und mein Oberkörper fühlten sich schwer an, pochten vor Schmerz und raubten mir den Atem.

Würde ich sterben? War das mein…mein Ende?

„Ciel…“, flüsterte ich leise, während ich Schritte hörte, die langsam immer näher kamen. War es Paula? Die Kutsche musste sicherlich schon angehalten haben, gleich würden sie kommen und mir helfen und dann…

„Du warst unartig…“ Ein bösartiges Kichern erklang über mir und ich versuchte, den Blick nach oben zu wenden. Der Engel stand vor mir, seine weißen Schwingen ausgebreitet schien er im blassen Sonnenlicht fast zu glänzen.

Ich spürte, wie eine kalte Hand nach mir griff und mich an den Haaren nach oben zog, doch ich hatte keine Kraft mehr, auch nur einen Laut von mir zu geben, auch wenn es mich schmerzte.

„Warum hast du nicht auf mich gehört? Ich bin wirklich enttäuscht von dir…“ Nun blickte ich in seine kalten Augen, in denen kein Funken Liebe oder auch nur Mitleid lag.

„Ich…hasse…dich…“ Ich presste die Worte zwischen meinen Lippen hervor, auch wenn es mich die letzte Kraft kostete, die ich noch hatte. Vielleicht wäre das hier mein Ende, aber wenigstens hatte ich getan was ich konnte, um meinen geliebten Ciel zu schützen.

Ich spürte noch, wie ich zurück auf die Erde fiel, dann wurde ich umschlungen von tiefer, undurchdringbarer Dunkelheit…

Der Unreine, neue Pläne

Lady Elizabeth war nicht tot. Noch nicht.

Ich hatte ihren Körper, in dem trotz der Verletzungen noch so viel Energie steckte, mit dem meinen fusioniert, sodass ich sie nun steuern konnte, ohne, dass sich ihr Geist oder ihr Gewissen in meine Pläne einmischte.

Sie war zweifelsohne stärker gewesen, als ich zu Beginn gedacht hatte. Fälschlicherweise hatte ich erwartet, dass es ein leichtes sein würde, sie von Beginn an zu steuern, dachte, dass sie nur ein schwächliches, kleines Mädchen sei, kindisch und unreif, doch in ihr steckte weitaus mehr. Ihre Liebe zu diesem Unreinen war von einer unglaublichen Macht, die sie stärkte und ihr die Kraft gab, durchzuhalten. Und genau dieser Kraft konnte ich mich nun ungehindert bedienen.

Ich spürte, wie sie durch unseren fusionierten Körper floss, wie sie jeden Winkel ausfüllte und mich zu einem noch stärkeren Wesen machte, als ich ohnehin schon war. Dieser Plan war weitaus besser, als mein vorheriger.

Mit einem boshaft zufriedenen Grinsen stand ich auf und raffte mein Kleid, dass dank im Schimmer meiner gebündelten Energie nun weißlich glänzte und strich mir die blonden, langen Haare aus dem Gesicht. Die Zöpfe hatten sich gelöst, doch das machte nichts. Für einen Engel war es nicht ungewöhnlich, seine hellen Haare offen auf den Schultern liegen zu haben.

Ich kicherte in mich hinein. Trotz einiger Rückschläge war es nun fast unmöglich, mich zu besiegen. Ich wusste zwar, dass dieser Sebastian nicht zu unterschätzen war, doch ich war mit Sicherheit weitaus stärker als er. Was konnte die Macht eines Dämons schon gegen die eines Gottes ausrichten?

Kurz sah ich in die Richtung der Kutsche, die angehalten hatte, um mich, oder besser gesagt meinen Körper zurückzuholen. Ich musste mich als beeilen und mich aus dem Staub machen, bevor diese unnütze Paula mich noch fand.

Ich breitete meine weißen Schwingen aus und flog über die Bäume hinweg. Niemand kam jemals auf die Idee, den Himmel nach einem ‚Menschen‘ abzusuchen. Menschen können nämlich nicht fliegen, weil all ihre Sünden sie an die Erde fesseln, das war es, was mein Herr und Meister immer sagte, und ich glaubte ihm selbstverständlich jedes Wort. Der Meister irrte sich niemals, immerhin war er allmächtig und herrschte über jedes Wesen, dass auf der Erde kriecht und siecht, sogar über die, die vor sich hin krepieren…

Nur nicht über die Dämonen.

Man konnte, sagen, dass sie das Gegenteil der Reinheit waren, unnütz und unvollkommen. Ja, so war es. Wer wollte schon zu einem Dämon werden und in die Hölle hinabsteigen, wo er doch im Himmel das Paradies erlangen konnte? Das würde ich niemals verstehen…

Ich setzte meinen Flug mit einem Kopfschütteln fort und machte mich auf den Weg zu der Villa, in dem dieser Abschaum hauste. Mein Hass wurde mit jeder Sekunde, die ich diesem Gebäude näher kam größer und ich musste mich im Zaum halten, um nicht denselben Fehler zu begehen, und alles niederzubrennen.

Das war der Grund, warum Ciel Phantomhive damals in die Hölle kam, statt direkt zu den Engeln, so wie es der Wunsch der Königin gewesen war. Es war Sebastian Michaelis gewesen, der die Feuer zurückgehalten hatte und somit Ciels Leben verschont. Doch ich war mir sicher, dass er nicht damit gerechnet hatte, dass die Heiligen des Klosters ihn zuerst finden würden. Am Ende war auch dieser Versuch vergebens gewesen, jedes Ritual, dass wir an dem damals zehnjährigen Jungen vollzogen hatten, war fehlgeschlagen. Seine Seele wurde in die Tiefen der Hölle hinab gezogen, wo Sebastian sie schon für sich reserviert hatte.

Doch was wollte dieser Dämon bloß von dem Jungen? Wusste er von unserem Vorhaben und wollte uns nur ein Strich durch die Rechnung machen, oder begehrte er ihn wirklich so sehr, dass er alles tat, um ihn für sich zu haben?

Nun gut, was interessierte mich diese Frage überhaupt? Ob er ihn nun liebte, oder nur seine Seele wollte, beides war nichts, was ich nachvollziehen konnte. Liebe und Begierde, beides war unvollkommen und musste vernichtet werden!

Ja, ich würde sie vernichten, ich würde alles Unreine und Unvollkommene auslöschen, würde dabei zusehen, wie sie in der noch heißen Asche verglühten, bis sie selbst zu solcher geworden sind! Und es würde mir eine Freude sein, in das sterbende Licht, dass sich in den noch lebenden Augen der Menschen befindet zu sehen, und zu warten, bis dieses für immer erloschen war…

Mit schallendem Gelächter flog ich direkt auf die Villa zu und setzte mich auf das Dach, welches sich direkt über Ciels Gemächern befand. Genau an diesem Punkt hatte ich die ganze Zeit über gesessen, während ich in seine Gedanken eingedrungen war und ihn gequält hatte. Doch dieser Spaß war mir nun verwehrt. Er hatte es geschafft, seinen Geist vor mir zu verschließen, doch es gab immerhin noch genug andere Wege, ihn in den Wahnsinn zu treiben, bevor ich die Gnade hatte, und ihn umbrachte.

Mein Herr, feige Berührungen

Sorry Leute, mit dem Kapitel hab ich mir jetzt echt Zeit gelassen, aber ich hoffe doch, dass es euch allen trotzdem gut gefällt ;D
 

__________
 

Nach einiger Zeit kehrte ich in die Gemächer meines Herrn zurück, um den verschütteten Tee aufzuwischen, den er meiner unüberlegten Worte wegen verschüttet hatte.

Die braune Flüssigkeit hatte sich über den kompletten Schreibtisch ausgebreitet, zum Teil hatten die Dokumente meines Herrn diese aufgesogen, der Rest war achtlos auf den Boden getropft. Ich unterdrückte ein aufkommendes Seufzen und begann damit, zunächst die Dokumente und Papiere, die man noch retten konnte, auf die Seite zu legen. Die meisten davon waren so durchnässt, dass es mehr als menschliche Kraft benötigte, diese noch einmal zu retten. Das war mir doch alles zu unnötig…

Ich fuhr einmal mit der flachen Hand über den Schreibtisch, und das komplette Chaos war verschwunden. So war es doch wesentlich angenehmer. Um die Flecken in dem Teppich würde ich mich dann später kümmern, immerhin war es nicht angemessen, vor seinem Herrn auf dem Boden zu kriechen.

Zwar wusste ich, dass ich mit meinem Verhalten vorhin einfach zu weit gegangen war, dennoch konnte ich einfach nicht leugnen, dass es mir wirklich Freude bereitet hatte, meinen Herrn auf diese Art und Weise zu verunsichern. Es weckte vor allem meine dämonischen Gelüste, ihn so hilflos zu sehen – abgesehen davon war er ohnehin fast so niedlich, wie ein kleines Kätzchen. Unwillkürlich musste ich grinsen, da mir ein nicht ganz zureichendes Bild in den Kopf schoss…

Gerade musste ich mich wirklich beherrschen, um meine perfekte Haltung weiterhin aufrecht zu erhalten. Meine Augen glühten für einen Moment rot auf, bis ich mich wieder einigermaßen beherrschen konnte.

Ciel stand nach wie vor am Fenster, so wie er es immer tat, wenn er über etwas nachdachte. Seit ich den Vertrag mit ihm geschlossen hatte, tat er es genauso… Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass es wirklich schon fast sechs Jahre her ist, dass ich ihn aus den Tiefen der Hölle geholt hatte. An jenen Anblick erinnerte ich mich noch, als sei es gerade erst passiert. Sein geschundener Körper vollkommen reglos auf dem Boden, blutüberströmt und… Es war kein schöner Anblick gewesen.

Ich hatte es verhindern wollen, ich hatte wirklich alles versucht, damit sie ihn nicht in ihre Finger bekamen, doch ohne einen Vertragspartner konnte ein Dämon in der menschlichen Welt nicht viel ausrichten, und sei er noch so mächtig.

Im Prinzip war es reiner Zufall gewesen, dass ich ein Auge auf seine Seele geworfen hatte. Zu der Zeit hatte ich gerade eine andere Vertragspartnerin, ein junges Mädchen aus ebendieser Sekte, die unter dem Auftrag der Königin jagt auf die Familie Phantomhive machte. Ciel hatte mich so sehr an mich selbst erinnert, wie ich als Mensch gewesen war, dass ich einzig und allein aus Zuneigung zu ihm nicht zulassen wollte, dass ihm etwas zustößt, also hatte ich ohne zu zögern das Mädchen getötet. Und genau das war mein Fehler gewesen. Hätte ich sie am Leben gelassen, wäre ich in der Lage gewesen, ohne ihr mitwissen in der menschlichen Welt gegen die Sekte vorzugehen, doch das Ende unseres Vertrags hatte auch das Ende meiner Zeit in dieser Welt beendet. Ich wurde zurück in die Tiefen des Infernos gezogen und musste dabei zusehen, wie mit diesem Jungen dasselbe Schicksal widerfuhr, wie mir so lange zuvor…

Das war auch der Grund, weshalb ich schon so lange an seiner Seite weilte, und mit der Zeit hatte ich ihn lieben gelernt, auch wenn er kalt und abweisend war, ich wusste immer, dass er auch noch eine andere Seite hatte, die er nur mehr als alles andere verstecken wollte.

Ich trat einige Schritte auf ihn zu und blieb einige Meter vom Fenster entfernt stehen.

„Junger Herr?“ Ich wunderte mich selbst darüber, dass meine Stimme plötzlich so unsicher Klang, als Ciel seinen Kopf zu mir umwandte und mich mit nach wie vor geröteten Wangen ansah. Warum hatte ich zuvor nur so etwas Schäbiges getan? Ich bereute mein lüsternes Verhalten nun mehr als ich erwartete hätte… Würde er mir überhaupt jemals wieder vertrauen?

„Das von vorhin… Verzeiht mir bitte. Ich hätte Euch damit nicht so aufziehen sollen. Ein solches Verhalten steht mir als Euer treu ergebener Butler in keinster Weise zu, abgesehen davon ist das in Eurem Alter etwas ganz normales…“ Ich sah, wie Ciel noch eine Spur röter wurde und entschied mich dazu, es dabei zu belassen.

„Bitte verzeiht…“, flüsterte ich noch einmal sanft und senkte meinen Kopf.

„Mein Körper hat dich nicht zu interessieren, Sebastian!“, keifte er mich an

„Und was bitte hattest du nun davon, mich so zu entblößen?!“ Er pausierte einen Moment und zu meiner Verwunderung lag ein überlegenes Grinsen auf seinem Gesicht. Was sollte das nur? Ciel setzte sich seitlich auf die Fensterbank und schlug die Beine übereinander und – was mich am meisten irritierte – führte einen seiner Finger zu seinem Mund und leckte mit gespielt lüsternem Blick darüber. Sehr erotisch eigentlich… Oha! Meine Gesichtszüge mussten in diesem Moment komplett entgleist sein, doch ich war vor lauter Verwirrung nicht mehr in der Lage, das noch zu ändern.

„Oder begehrst du einen Körper wie meinen?“, meinte er schließlich, und endgültige Stille breitete sich zwischen uns aus. Ich spürte, wie mir die Röte in die Wangen schoss, und das war mir zuvor wirklich noch nie passiert!

Ertappt.

Seit wann war mein junger Herr bitteschön so selbstsicher? Mir fiel im wahrsten Sinne des Wortes die Kinnlade herunter und ich hatte für einige Sekunde wirklich Schwierigkeiten, meine Haltung zu bewahren. Was sollte ich darauf nur erwidern? Ich hatte ihn bereits einmal angelogen, was die Sache mit Alois betraf, und nach alledem hatte ich ihm geschworen, so etwas niemals wieder zu tun! Aber konnte ich ihm einfach so sagen, dass ich ihn begehrte, dass ich ihn liebte und besitzen wollte?

Jedoch warum machte ich mir Gedanken? Ich war nach wie vor ein höllisch guter Butler, also konnte ich auch ein höllisch gutes Spiel mit ihm treiben…

Ich schloss meine Augen für einen kurzen Moment, ließ sie aufglühen und öffnete sie dann wieder, sah ihn nun mit rötlich-lüstern funkelnden Augen an, jedoch aber mit liebevollem Lächeln und lief einige Schritte auf ihn zu.

„Ihr wisst doch, dass ich Euch niemals wieder belügen würde, junger Herr?“ Ich tat noch einige Schritte auf ihn zu und konnte förmlich die steigende Erwartung spüren die sich im Raum ausbreitete. Einige Zentimeter vor ihm blieb ich stehen und verbeugte mich vor ihm, so wie ich es seit dem Tag unseres Vertrages getan hatte, nur dieses eine Mal senkte ich meinen Blick nicht, sondern sah ihm die ganze Zeit über in die Augen. Auch die seinen funkelten mich nun mit rötlichem Schimmer an und ich ertappte ihn dabei, wie er sich leicht auf die Lippe biss…

„Ciel, seit ich bei Euch bin, ist nicht nur mein Körper, sondern auch meine Seele Euch vollkommen verfallen. Meine Liebe und meine Lust, beide gelten nur noch Euch, mein junger Herr…“ Ich lächelte ihn nun sanft an und versuchte, mir meine Aufregung nicht anmerken zu lassen. Mein Herz pochte schwer gegen meine Brust und hätte ich meinen Atem noch benötigt, so hätte es mir sicherlich einfach die Kehle zugeschnürt.

Ciel sagte erst einmal nichts dazu, sondern wandte den Blick wieder von mir ab um stattdessen wieder aus dem Fenster zu sehen, zog seine Beine wie ein ängstliches, nervöses Kind an sich und rührte sich keinen Millimeter. Erst nach einigen Minuten, die mir wie eine gefühlte Ewigkeit vorkamen, schaffte er es, mir zu antworten. Langsam löste er eine Hand, mit der er seine Knie umschlungen hatte und ließ sie achtlos herunterhängen.

„Komm her…“, befahl er mir zunächst nur zögerlich.

„Setzt dich zu mir und…und halte meine Hand!“ Er versuchte selbstsicher zu klingen, doch die Tatsache, dass diese Worte einfach nicht zu ihm passten, ließen ihn genauso kindlich wirken, wie er sich in so einen Moment auch fühlen musste.

„Yes, my Lord…“, erwiderte ich sanft, ohne zu necken oder zu sticheln. Ich setzte neben ihn auf den Boden, während er auf der leicht erhöhten Fensterbank saß, ergriff seine Hand und umschloss sie fest in den meinen. Ich spürte, wie auch er kaum merklich den Druck ein wenig erhöhte und auch meine Hand mit seinen Fingern umschloss, genoss das Gefühl, meinen Herrn berühren zu dürfen - und ebenfalls, dass er es genoss, mich auch zu berühren. Es war ein schöner Moment, denn auch wenn er nichts weiter dazu gesagt hatte, wusste ich, dass er mit dieser Geste weitaus mehr zeigte, als er jemals wagen würde zu sagen.

Eine Weile lang saßen wir einfach nur so da, beide aus dem Fenster starrend, bis ich es schließlich nicht mehr aushielt. Mit sanfter Gewalt zog ich meinen jungen Herrn auf meinen Schoß, legte die Arme um seinen Rücken und zog ihn ein wenig zu mir.

„Junger Herr, es tut mir leid, dass ich solch unangebrachte Dinge tue, aber ich will spüren, dass Ihr nun mir gehört…“ Für einen Dämon hatte ich meine Lust schon so lange zurück gehalten, dass ich der Meinung war, dass ich es wenigstens verdient hatte, ihn richtig in meinen Armen zu halten.

Ich konnte den schnell-gehenden Herzschlag meines Herrn spüren, hörte seinen flachen Atem und konnte die Hitze spüren, die von ihm ausging. Zögernd legte er endlich seine Arme um meinen Rücken, und ich spürte, wie sich eine seiner Hände in meinen Haaren verfing und nun sanft meinen Nacken kraulte.

„Du bist so ein Idiot, Sebastian…“, meinte er schließlich, doch in seiner Stimme lag keine Wut, auch nichts abwertendes… Sie klang eher verunsichert und gekränkt. Ich konnte nicht einmal ahnen, was los war, also hob ich meinen Blick um Ciel ins Gesicht sehen zu können. Seine nach wie vor rot-glühenden Augen sahen mich mit enttäuschtem, vorwurfsvollem Blick an.

„Ich meine, wie kann ein Wesen wie du, ein im Inferno geborenes Wesen überhaupt etwas wie Liebe empfinden?“

Inferno? Was hatte er denn für eine verzerrte Vorstellung von der Welt, in der ich lebte, und in der auch er bald zu Hause sein würde? Das musste ich ihm bei Gelegenheit unbedingt noch erläutern. Ich kicherte schließlich ein wenig, was Ciel sofort in Rage brachte.

„Du Vollidiot! Warum lachst du?! Wie kannst du…!“, ich legte ihm einen Finger auf die Lippen um seinen Redeschwall im Keim zu ersticken.

„Junger Herr, ich denke, Ihr habt da etwas missverstanden. Ich bin nicht, wie Ihr denkt, ein reinblütiges Höllenwesen, ich war genau so ein Mensch, wie Ihr es einst wart, bevor man das aus mir gemacht hatte, was ich nun bin…“

Ich lächelte amüsiert, doch Ciels Blick lag nun voller Sorge auf mir. Unaufhörlich kraulte er mir den Nacken, schien darüber nachzudenken, was er nun sagen sollte.

„Es ist nicht von Nöten, dass Ihr über solche Banalitäten nachdenkt, mein Herr. Es ist schon lange vorbei…“, nun war Ciel es, der mir die Finger auf den Mund legte, um mich zum Schweigen zu bringen. Langsam nahm er die Hand herunter und näherte stattdessen seine Lippen den meinen, bis sie mich für einen kurzen Moment sanft berührten. Ein… ein Kuss? Ich schloss die Augen und genoss das Gefühl, wie er mich küsste, auch wenn es nur ganz kurz andauerte, bevor er sich wieder von mir löste. Selbst jetzt konnte ich den sanften Druck noch spüren…

„Was…was hat man mit dir gemacht, Sebastian?“, fragte er nun mit zitternder Stimme, doch zum Antworten kam ich nicht mehr. Genau in diesem Moment zerbarst das Fenster, an dem wir beide saßen, Scherben regneten auf uns herab und eine blonde Gestalt mit weißen Schwingen stand vor uns im Raum…

Mein Butler, Kampf

Es war ein wirklich angenehmes Gefühl, wie Sebastian in meinen Armen lag. Ich hatte schon lange keine solche Nähe mehr zu jemandem gespürt, sodass ich nicht recht wusste, wie ich damit umgehen sollte, weshalb ich ihn einfach kraulte – was hätte ich denn sonst mit meinen Händen machen sollen?!

Eigentlich hatte ich gar nicht vorgehabt, ihm mehr zu gewähren, als meine Hand zu halten, doch er hatte aus eigenem Willen gehandelt und ich war nicht mehr in der Lage gewesen, noch zu verhindern, was er tat. Ich war einfach nur noch verwirrt über die Situation und über meine eigenen Gefühle für ihn. So etwas war doch nicht normal! Ich meine, ich konnte natürlich nicht leugnen, dass ich mir seine Nähe schon eine ganze Weile gewünscht hatte, aber bis jetzt hatte ich es immer abgetan, als sei er einfach nur ein Ersatz für meine verlorene Familie…

Und nun lag er, Sebastian Michaelis, allen Ernstes in meinen Armen und ich kraulte unaufhörlich seinen Nacken, was er förmlich zu genießen schien.

Seine Worte allerdings hatten mich ein wenig verunsichert. Er hatte gesagt, dass auch er vor langer Zeit einmal ein Mensch gewesen war, und dass man ihn zu einem Dämon gemacht hatte. Hannah hatte mir damals erklärt, dass nur Menschen mit einem grauenvollen Schicksal, die den Glauben an Gott schon längt verloren hatten zu einem Dämon werden können. Was hatte man Sebastian also angetan? Was hatte er für ein Schicksal erlebt, dass er nun so kaltblütig morden konnte, nur weil ich ihm den Befehl dazu gab, was hatte man mit ihm gemacht, dass er keine Ruhe finden konnte und mit dem Wunsch, sich zu Rächen wieder erwacht war?

Trotz seines Lächelns konnte ich den Schmerz in seinen Augen sehen, als er mir versicherte, dass es nichts gab, worüber ich mich sorgen sollte. Für diesen Moment hatte ich nur den Wunsch, ihm ein wenig von der Nähe zu schenken, die er sich so lange ersehnt hatte, beugte mich leicht zu ihm hinunter und… und küsste ihn, wenn auch nur für einen kurzen Moment.

Es war ein seltsames Gefühl und mir lief ein wohliger Schauer über den Rücken… Was zur Hölle tat ich denn da?! Ein wenig geschockt und hektisch zog ich mich ein Stück zurück, doch der Ausdruck, den sein Gesicht nun zierte, ließ mich nicht weiter darüber nachdenken, ob mein Handeln nun angemessen war oder nicht.

Mit zitternder Stimme fragte ich ihn, was geschehen sei, doch eine Antwort war nicht mehr zu erwarten.

Im genau diesem Moment zersprang das Fenster über uns und Glasscherben regneten auf uns beide herab, sodass ich reflexartig für einen Moment die Augen schloss und die Hände über den Kopf legte, um mich zu schützen.

Als ich vorsichtig aufblickte, um zu sehen, was da durch das Fenster geflogen kam, bemerkte ich, dass Sebastian bereits aufgesprungen war und dem Eindringling gegenüberstand. Eine Kreatur mit weißen Schwingen und blondem Haar stand uns gegenüber, die mich sehr an…

„Lizzy!“, entfuhr es mir vor lauter Schock und ich starrte sie einen Moment unverwandt mit offen stehendem Mund an. Was machte sie nur hier und warum hatte sie diese Flügel?! Sie sah zu mir herüber und unsere Blicke trafen sich, doch ihre vertrauten grünen Augen, die normalerweise von einem freundlichen, fröhlichen Leuchten erfüllt waren sahen mich nun mit so eisernem und fremdem Ausdruck an, dass ich ihr nicht lange standhielt. Was um alles in der Welt war nur geschehen?

„Soso, Ciel Phantomhive. Wir hatten bis jetzt nur bedingt das Vergnügen.“ Sie lachte schallend auf, was mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Elizabeths Stimme war nicht mehr zu erkennen – das Wesen, das da sprach benutzte sowohl seine eigenen als auch ihre Stimme, welche wie eine schreckliche Polyphonie aus verstimmten Instrumenten klang. Das hier war nicht mehr meine Lizzy, es war nur noch ihre Hülle, die von dem Engel manipuliert und benutzt wurde…

„Endlich…“, führte das Wesen weiter aus, nach wie vor mit dieser widerwärtigen Stimme.

„Der Plan Gottes wird aufgehen und alles Unreine auf dieser Welt wird vernichtet!“ Gott also. Genau wie bei Ash und Angela. Das war einfach zu viel für mich. Ich konnte meine Wut nicht mehr unterdrücken, breitete meine schwarzen Schwingen aus, fuhr meine Fangzähne aus und stürzte unter infernalischem Gebrüll auf dieses Wesen zu, packte es am Hals und drückte es gegen die Wand, obgleich dies nun der Körper meiner Verlobten war.

„Du dreckiges Miststück!! Wer bist du und was hast du mit Lizzy gemacht?!?!“, schrie ich ihn an, schlug ihn noch einige Male gegen die Wand, als er mich mit nach wie vor erhabenem Grinsen ansah. Ich wusste nicht mehr, was ich tat, das einzige, was ich noch spürte, war das Verlangen, diesen Engel zu töten.

Plötzlich spürte ich zwei Hände, die mich von hinten packten und mich von dem Engel wegzogen. Es waren Sebastians Hände, trotzdem wehrte ich mich dagegen.

„Herr, Ihr müsst vorsichtiger sein!“, fuhr er mich an.

„Dieses Wesen ist weitaus mächtiger als ihr denkt! Ich will nicht, dass Euch irgendetwas zustößt also hört bitte auf das, was ich sage…“

Natürlich hatte er Recht mit dem was er sagte, dennoch wollte ich nicht wie ein kleines Kind behandelt werden. Dieser Engel hatte meine Verlobte getötet, also war es meine Aufgabe, sie zu rächen!

„Verrate mir endlich deinen Namen!“, fuhr ich ihn erneut an, versuchte mich von Sebastian loszureißen um erneut auf ihn zuzustürzen, doch Sebastians Griff war zu stark. Wieder lachte der Engel und steigerte meine Wut nun umso mehr. Wenn ich ihn in die Finger bekäme, dann würde auch Gott ihm nicht mehr helfen können! Es war das erste Mal, dass ich solch starke Wut empfand und es war schwer, sie zu bändigen und zurück zu halten…

„Ich bin der Erzengel Rasiel, oberster Gesandter und rechte Hand Gottes.“, meinte er schließlich mit hämischem Grinsen und schwang sich vor meinen Augen in die Lüfte. Rasiel also…

Ich befand mich immer noch in Sebastians Armen, doch auch das konnte meine Wut nicht besänftigen.

„Du hast meine Verlobte getötet, du dreckiger Hund! Und sowas wie du soll ein Engel sein, dass ich nicht lache!“, fauchte und schrie ich, während meine Zähne verheißungsvoll aufblitzen und ich mich darauf vorbereitet, sie in den Körper des Engels zu rammen, sei es nun der meiner Verlobten oder nicht… Ich breitete meine Schwingen erneut aus und riss mich endlich von Sebastian los, packte den Engel und schlug ihn zurück zu Boden.

„Ich reiß dir dein beschissenes Herz aus dem Leib!!!“, schrie ich ihn an, hob ohne zu zögern die Hand und wollte meine Drohung in die Tat umsetzten, doch er endwandte sich meinem Griff, sodass mein Schlag daneben ging. Immer wieder griff ich an, doch er war geschickter als ich erwartet hatte und wich so gut wie all meinen Schlägen aus – ich landete nur wenige Treffer, die ein paar Kratzer auf der hellen Haut hinterließen, mehr nicht…

„Junger Herr!“, hörte ich Sebastian plötzlich hinter mir rufen, drehte mich kurz zu ihm um und sah, dass er Hannahs Schwert in der Hand hielt. Er warf es mir zu und ich fing es geschickt auf. Sebastian selbst kämpfte wie immer mit seinem Silberbesteck, warf einiger Messer nach dem Engel, die dessen Flügel zwar trafen aber keinen sonderlich großen Schaden anrichteten.

Auch ich rannte wieder auf ihn los, versuchte, ihm mein Schwert in die Brust zu rammen, doch es gelang mir nicht.

„Ach Ciel…“, erklang mit einem Mal Elizabeth Stimme und ließ mich stocken. Lebte sie etwa doch noch? War ihr Geist noch in ihrem Körper? Ich konzentrierte mich, doch ich konnte ihre Anwesenheit nicht spüren.

„Ciel, mein Lieber… Du willst mich doch nicht etwa töten oder? Warum bleibst du bei Sebastian, wenn du bei mir sein könntest? Komm mit mir, und ich werde dich reinigen, werde deine Seele von all dem unreinen befreien…“

Ihre Stimme war so verlockend, so süß und himmlisch… Ich war ihr für einen kurzen Moment verfallen, wandte mich zu Sebastian um und sah ihm tief in die Augen, sah seinen flehenden Blick und…

„Du bist nicht meine Verlobte!“

Egal, was sie sagte, es war nicht echt, Elizabeth war tot, und das Wesen, das nun in ihrem Körper steckte, war Schuld an ihrem Tod! Wieder stürzte ich auf ihn zu, schlug mit meinem Schwert auf ihn ein, doch nicht ein einziger Schlag traf. Ich bemerkte, wie mein Körper immer schwerer wurde und ich es nicht mehr richtig schaffte, zuzuschlagen. Brennender Schmerz breitete sich in meinem Kopf aus und setzte mich außer Gefecht, und auch Sebastian schien Mühe zu haben, die Fassung zu bewahren. Das, was der Engel da tat, ging weit über physischen Schmerz hinaus, das alles war reinster Psychoterror…

Was unrein, vernichte! Was ungewollt, vernichte! Ciel Phantomhive, niemand hat dich jemals geliebt, niemand wird dich jemals lieben! Du bist ungewollt! Stirb! Stirb du Ungeziefer!!

Ich durfte das nicht zulassen! Ich durfte nicht ohnmächtig werden!

Kraftlos stütze ich mich auf dem Schwert auf und sah nach oben zu dem Engel. Es war nach wie vor das Gesicht meiner Verlobten, doch der Ausdruck, der dieses nun zierte, war längst nicht mehr ihr eigener. Ihr Blick war eisig und gnadenlos, die weißen Flügel und das weiße Kleid passten nicht zu ihr…

Schwarz gegen Weiß, Licht gegen Dunkelheit, Himmel gegen Hölle, Engel gegen Dämon…

Wer würde siegen? Es war fast schon lächerlich, wie wir uns gegenüberstanden. Zwei Wesen, so von Grund auf verschieden, dass sie nicht miteinander auskommen konnten, und trotzdem waren wir beide Menschen gewesen…

Sebastian trat neben mich und ich hörte sein amüsiertes Kichern.

„Interessante Gedanken, mein junger Herr. Ihr seid wahrlich ein Poet, das muss ich einräumen. Dennoch wird uns das hier nicht viel nützen.“ So viel dazu. Ich sollte meinen Geist in Zukunft besser verschlossen halten.

Auch Sebastian hatte inzwischen seine wahre Gestalt angenommen, schwarze Hörner ragten aus seinem schwarzen Haar heraus, seine schwarzen Schwingen hatte er zu voller Länge ausgebreitet, seine spitzen Zähne ragten einige Zentimeter über seine Lippen und seine Augen glühten in einem dämonischen Rot. Es wäre ein wundervoller Anblick gewesen, wenn die Gefahr nicht wie schmutzige Schlieren den Raum durchzogen hätte.

Er sah den Engel mit abwertendem Blick an und legte ein selbstsicheres Lächeln an den Tag.

„Dennoch…“, begann er, tief und drohend.

„Wer es wagt, sich mit meinem Herrn anzulegen, der wird schon sehr bald ein schmutziges, unwürdiges Ende erleben…“

Trotz aller Drohungen lachte der Engel nur, streckte eine Hand aus und ließ in ihr ein leuchtend weißes Schwert erscheinen. Was zur Hölle…?

Ich sah einen Moment zu Sebastian herüber, konnte sehen, dass er wie gelähmt auf das Schwert starrte und wurde selbst noch unsicherer. Er zeigte es nicht, dennoch spürte ich, dass er Angst hatte, und ich wusste, dass ein Schlag mit dieser Waffe reichte, um selbst einen Dämonen zu töten.

„Oh, hast du nun auch endlich dein Spielzeug zur Hilfe genommen?“, spottete Sebastian, doch ich hörte die Unsicherheit in seiner Stimme. Statt etwas zu erwidern, setzte Rasiel einen Schlag auf Sebastians Brust an. Er wehrte mit seinen Messern ab, doch das Schwert zerschnitt diese wie Butter, sodass Sebastian gezwungen war, nach hinten auszuweichen.

„Sebastian!“ Ich hatte ungewollt aufgeschrien, als ich sah, dass mein Butler sich den Arm hielt, auf dem sich eine rot-schimmernde Flüssigkeit ausbreitete. In seinem Ausdruck war Schmerz zu lesen und ich starrte ihn unbeholfen an. Es war nun das zweite Mal, dass Sebastian meinetwegen verletzt worden war, und beides Mal, weil es ein mordender Engel auf mich abgesehen hatte… Ich war wütender auf mich selbst als auf den Engel. Was war ich nur für ein dummes, unfähiges Kind?

„Da hab ich dich wohl ein bisschen unterschätzt.“, meinte Sebastian schließlich mit gespielt belustigter Stimme, doch der Schmerz war dennoch deutlich zu hören.

„Aber weißt du, in der Gestalt eines kleinen Mädchens aufzutauchen war vielleicht gar keine schlechte Idee. So wird dich sicherlich niemand für Voll nehmen.“

Noch während der Engel darüber lachte rannte ich auf ihn zu, holte mit meinem Schwert aus und traf diesmal. Sofort erstarb das Lachen und die Gestalt sank zu Boden, mein Schwert in der Brust steckend. Der Engel lag auf dem Boden, doch der kalte Ausdruck war aus den Augen gewichen. Es waren nun wieder die Augen, die meiner Verlobten gehörten, dieselben grünen Augen, die…

„Lizzy!? Oh Gott Lizzy!!“

Was hatte ich da nur getan? Zitternd sank ich neben sie auf die Knie, legte eine Hand an ihre Wange und sah sie mit feuchten Augen an. Warum hatte ich nicht gespürt, dass sie noch lebte? War ich so von meinem Hass eingenommen gewesen, dass ich nicht gemerkt hatte, dass unter alledem ihr Geist noch am Leben gewesen war.

„Ciel…“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und ich hatte Mühe, zu verstehen, was sie mir zu sagen versuchte. Ich begann zu Schluchzen, konnte mich nicht mehr zurück halten, legte meinen Kopf auf ihre Brust und weinte jämmerlich.

„Ciel…bring dich in Sicherheit…“, flüsterte sie, mit von Schmerzen gezeichneter Stimme.

„Ich will…nicht umsonst…für dich gestorben sein. Ich…liebe dich, Ciel…“ Ich sah zu ihr auf und bekam noch mit, wie sie gerade die Augen geschlossen hatte und den Kopf zur Seite drehte.

„Nein Lizzy! Es wird alles gut! Sebastian kann dich retten und….Sebastian!“, ich drehte mich zu ihm um und sah seinen traurigen, schuldigen Blick…

„Sebastian, du kannst doch…“, begann ich, doch schaffte es nicht, den Satz noch zu Ende zu bringen. Mein Butler schüttelte nur kurz den Kopf und schloss dann für einen Moment seine Augen. Es war nur eine kleine Geste, doch sie nahm mir jegliche Hoffnung, die ich noch gehabt hatte.

Wieder begann ich zu schluchzen, nahm meine Hände vors Gesicht und weinte hemmungslos. Ich hatte sie niemals so geliebt, wie man eine Verlobte hätte lieben sollen, aber sie war mich wichtig gewesen, sie war meine beste Freundin gewesen… Und ich hatte sie getötet.

Ich spürte, wie sich zwei Arme sanft um meinen Oberkörper schlossen und mich fest an einen warmen Körper zogen. Auch Sebastian weinte, wenn auch nur leise und fast schon unscheinbar. Ich drehte mich zu ihm um, legte meine Arme ebenfalls um ihn, presste mein Gesicht fest an seine Brust und ließ mein Schluchzen heraus. Normalerweise hätte ich so etwas niemals getan, aber das hier war weitaus schlimmer, als jeder Verlust, den ich bis jetzt erlitten hatte, fast noch schlimmer als der meiner Eltern…

„Junger Herr, wir müssen hier weg. Der Engel ist immer noch irgendwo…“, meinte er schließlich kraftlos, und mit einer Trauer in seiner Stimme, die ich bis jetzt nicht gekannt hatte. Ich sah mit geröteten Augen zu ihm auf und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, die dennoch unaufhörlich weiterflossen.

„Ja…aber ich…Ich will sie nicht hierlassen!“

Sebastian hob die Hand und streichelte meine Wange, und ich schaffte es langsam, mich wieder zu beruhigen.

„Wir werden sie zu Undertaker bringen und ihn um ein Grab für sie bitten. Ihr seid nicht Schuld an ihrem Tod, wenn dann ist es meine Schuld, junger Herr…“ Ich hörte in seiner Stimme, dass er sich selbst Vorwürfe machte, doch was konnte er schon dafür? Was konnte ich dafür? Wenn, dann war es die Schuld dieses Engels. Er hatte meine Verlobte benutzt, er hatte ihren Körper übernommen.

Ich spürte meinen Hass wieder in mir aufflammen, drückte mich von Sebastian los und sah ihn mit ernstem Ausdruck an.

„Du trägst keine Schuld. Keiner von uns.“, meinte ich schließlich mit emotionsloser Stimme, nahm seinen verletzten linken Arm zu mir und zog den Ärmel ein Stück zurück. Es war kein langer Schnitt, aber dafür war er sehr tief.

Ich riss ein Stück meines Mantels ab und verband die Wunde damit, ohne dass Sebastian sich auch nur im Geringsten dagegen wehrte. Er schien schrecklich müde…

Als ich die Wunde fertig verbunden hatte legte ich eine Hand unter sein Kinn und drückte seinen Kopf nach oben, sodass sich unsere Blicke trafen. Er schaute immer noch traurig, nun aber lag auch eine Spur Neugierde in seinen Augen.

„Sebastian, ich befehle dir, wage es nicht zu sterben! Bleib an meiner Seite, egal was passiert!“ Mit diesen Worten packte ich ihn an seiner Krawatte, zog ihn zu mir nach oben und küsste ihn energisch und leidenschaftlich, schob - dennoch sanft - meine Zunge zwischen seine Lippen und spürte, wie er genauso sanft erwiderte. Ich legte einen Arm um seinen Rücken, fuhr durch sein Haar, kraulte ihn sanft, spürte, wie auch er seine Arme um meinen Rücken schlag und genoss den Moment mehr als alles andere.

Ich war frustriert und wütend, wegen allem, was passiert war, was meine Begierde nach meinem Butler nur noch verstärkte, ich wollte ihn besitzen und ihn spüren und…

Widerwillig ließ ich ihn los, wich ein Stück zurück und sah ihn halb keuchend mit flehendem Ausdruck an. Sebastian wusste, warum ich aufgehört hatte, dennoch war sein Blick genauso flehend wie mein eigener.

„Wir müssen hier weg… Warn die Bediensteten, ich bring derweil Lizzy nach draußen…“, meinte ich schließlich, wandte mich zum gehen, doch außer uns stand nun noch jemand in dem Raum. Eine Gestalt mit blutrotem Haar, und sie schien nicht erfreut zu sein…

Mein Herr, unerwartete Komplikation

Ich war zunächst ein wenig verwundert…

Mein Herr hatte mich wirklich geküsst, nach allem was passiert war – vielleicht auch genau weil all dies passiert war – und es hatte mich auf eine gewisse Art und Weise glücklich gemacht, auch wenn nun wirklich nicht der Zeitpunkt war, um über so etwas nachzudenken.

Trotz dieser kleinen Geste der Zuneigung fühlte ich mich immer noch schuldig, auch wenn ich im Prinzip nichts dafür konnte. Lady Elizabeth war gestorben, weil ich nicht aufgepasst hatte, weil ich meinem Herrn achtlos in seiner Wut eine Waffe zugeworfen hatte, die jedes Lebewesen mit nur einem einzigen Schlag töten konnte, weil ich nicht bemerkt hatte, dass hinter dem Bewusstsein des Engels noch ein zweites verborgen war, welches mit aller Kraft versucht hatte, wieder nach oben zu gelangen…

Ich hatte in meiner Rolle als perfekter Butler gänzlich versagt. Es wäre meine Pflicht gewesen, die Verlobte des Herrn zu schützen, dennoch hatte ich es nicht geschafft, sowohl sie als auch meinen jungen Herrn heil aus der Sache heraus zu bringen.

Ich fragte mich immer wieder, ob ich nicht doch etwas gespürt hatte, ob ich es einfach nur ignoriert hatte, weil mit die Lady, trotz ihrer Freundlichkeit, die sie mir gegenüber an den Tag gelegt hatte, doch immer ein Dorn im Auge gewesen war…

Doch was spielte das nun noch für eine Rolle? Sie war tot und mein Herr würde es irgendwann verkraften. Zumindest versuchte ich, mir all dies einzureden, um mein schlechtes Gewissen zu mindern, doch all die Gedanken ließen mich nicht los. Ich liebte Ciel und trotzdem hatte ich nicht das beschützt, was ihm wichtig war und ihn glücklich machte. Ich bin wirklich ein egoistischer Widerling, ein durchschnittlicher Dämon, der sein eigenes Verlangen nicht unter Kontrolle hatte.

Langsam stand ich auf - nach dem mein Herr sich bereits umgedreht hatte und den toten Körper seiner Verlobten in seine Arme hob - wollte mich aufmachen, die Bediensteten zu warnen, als ich aus den Augenwinkeln etwas Rotes sah.

Blitzschnell drehte ich mich um und erblickte niemand anderen als, zu allem Übel, Grell Sutcliff, der mit seiner Death Scythe und einem wütenden Ausdruck dastand und mich finster anblickte.

„Sebas-chan! Wie kannst du nur! Warum musste ich mit ansehen, wie diese Rotznase dich küsst?! Was hat er, das ich nicht habe!!“ Natürlich, war was auch anderes zu erwarten gewesen. Dieser lüsterne Shinigami konnte natürlich nicht ein einziges Mal einfach sein Anliegen nennen und dann wieder verschwinden, ohne gleich an Drama in fünf Akten aufzuführen. Manchmal konnte ich wirklich gut verstehen, warum William immer so gestresst und überarbeitet war.

„Was zur Hölle willst du denn hier?“, ertönte die genervte Stimme meines Herrn. Er schien auch nicht gerade begeistert, dass der Shinigami so plötzlich hier eingedrungen war.

„Was ich will? Deinen Butler, du Rotznase! Ich will meine heiße, verbotene Affäre mit ihm!“ Während Grell wie eine etwas seltsam anmutende Tänzerin im Raum umher hüpfte und fragwürdige Dinge mit seiner Death Scythe anstellte, versuchte ich den aufkommenden Schauder und Ekel zu unterdrücken, schaffte es jedoch nicht ganz und verzog für einen Moment angewidert das Gesicht.

„Also Grell Sutcliff. Entweder Sie beantworten die Frage meines jungen Herrn anständig, oder ich werde Sie ohne zu zögern töten und hier hinausbefördern, und zwar an einen Ort, an dem man nicht einmal mehr Ihre Leiche finden wird.“ Es war nicht schwer zu merken, dass ich ziemlich genervt war, und meines Erachtens nach schien Grell es verstanden zu haben.

„Ist ja gut, du musst ja nicht immer gleich so unfreundlich werden, mein Täubchen.“, meinte er schließlich und wandte sich an Ciel.

„Um genau zu sein, wurde ich von diesem Sklaventreiber William beauftragt, die Seele deiner Verlobten einzusammeln. Ich muss Ihren Cinematic Record überprüfen und darüber entscheiden, ob sie ein guter oder schlechter Mensch war.“ Er grinste meinen Herrn zu allem Übel auch noch an, als seien seine Worte nicht mies genug gewesen, und ich war kurz davor, den Shinigami in seine Einzelteile zu zerlegen und zurück an den Absender zu schicken. Doch ein Eingriff meiner Seite war nicht mehr nötig.

„Du widerlicher Lustmolch! Mach bloß, dass du Land gewinnst, sonst zeige ich dir, wie es sich anfühlt, von einem Dämonenschwert in der Mitte durchgeschnitten zu werden! Abgesehen davon hab ich mit dir noch eine Rechnung wegen Madam Red offen, also sei besser froh, dass ich dich nicht eigenhändig erwürge!“

Mein Herr war wütend, daran war kein Zweifel, aber mit dieser blinden Wut versuchte er lediglich die Trauer in seinem Inneren zu überspielen, um nach außen hin nicht schwach zu wirken. Er war wirklich ein sehr beeindruckender Dämon…

„Junger Herr, es ist an der Zeit aufzubrechen. Da wir Eure Verlobte ohnehin zu Undertaker bringen, um sie bestatten zu lassen, wäre es ja nicht unbedingt ein Problem, wenn Mr. Sutcliff uns begleiten würde und…“

„Halt deine dumme Klappe, Sebastian! Seit wann bestimmst du denn, wann es Zeit ist, zu gehen?! Ich bin dein Herr und ich gebe hier nach wie vor die Befehle, also wage es bloß nicht, irgendetwas bestimmen zu wollen! Dieser Shinigami bekommt meine Lizzy nicht! Ich befehle dir, Sebastian, du wirst nichts tun, was die Beerdigung von Lady Elizabeth verhindern könnte!“

„Yes, my Lord…“

War ihm die Lady wirklich so wichtig gewesen? Hatte er sie am Ende doch geliebt und ich hatte nur nie erkennen wollen, dass er doch Gefühle für sie hatte? War es reiner Frust gewesen, und die Tatsache, dass wir nun auf Ewig aneinander gebunden waren, dass er mich an sich hatte herangelassen? Bedeutete ich ihm überhaupt etwas?

Mein schlechtes Gewissen von einigen Minuten zuvor war gewichen und es war nur Verunsicherung und Wut geblieben. Ohne groß zu zögern schlug ich Grell nieder – was keinen besonderen Grund hatte – und trat auf meinen jungen Herrn zu.

Was bildete er sich eigentlich ein, in solch einer Situation an nichts anderes als an diese Nichtigkeit einer Beerdigung zu denken? War ihm eigentlich klar, in welcher Gefahr wir uns befanden? Wir mussten hier so schnell wie möglich weg, das war das Wichtigste, aber der junge Herr…

Ich packte ihn an den Schultern und drückte ihn fest gegen die Wand.

„Vertrag hin oder her Ciel, wir sind nun beide Dämonen, auch wenn ich nach wie vor Euer loyaler Diener bin. Dennoch, seid Ihr Euch eigentlich darüber im Klaren, in welcher Lage wir uns befinden? Wir werden von einem Engel verfolgt, der es darauf abgesehen hat, uns zu töten! Mein Herr ich bitte Euch, ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass Ihr Euer Leben verliert! Gebt diese verdammte Leiche dem Shinigami und lasst uns zusehen, dass wir vorerst von hier verschwinden, bis wir eine Möglichkeit gefunden haben, diesen Engel zu töten!“

Ich schüttelte ihn einige Male kräftig und sah ihm mit flehendem Blick an, doch sein Ausdruck blieb kalt und emotionslos. Er legte Lizzy über seine Schulter und hielt sie mit nur einer Hand fest, während er mit der anderen ausholte und mich so heftig schlug, dass ich gezwungen war, ihn loszulassen.

„Du bist widerlich, Sebastian! Wenn du solche Angst hast, dann verschwinde doch einfach! Verkriech dich irgendwo, aber bleib mir bloß aus den Augen!“, er brüllte mich an und ich sah, wie ihm Tränen in die Augen stiegen, die er zu verbergen versuchte, in dem er dem Kopf senkte, doch sie liefen seine Wangen hinunter und tropften geräuschlos zu Boden.

„Und ich dachte du… Und ich dachte du fühlst für mich, Sebastian. Du verstehst überhaupt nichts oder? Du bist so ätzend! Verschwinde doch, wenn du willst!“

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, oder wie ich mich verhalten sollte. Ein Teil von mir wollte ihn umarmen und sich entschuldigen, wollte ihn trösten und ihm sagen, dass das alles nicht wahr sei, und das es ihm Leid tut, doch der andrer Teil hatte ein zu großen Stolz, um all diese Dinge zuzugeben. Auch ich senkte nun meinen Kopf und sah zu Boden. Was sollte ich noch tun?

„Ist das…ein Befehl?“, fragte ich nur mit schwacher Stimme, da ich zu mehr nicht mehr in der Lage war.

„Das bleibt dir überlassen.“, er blickte zu mir auf und unsere Blicke trafen sich wieder, auch wenn immer noch Tränen über seine Wange liefen. Ich sah, wie seine Lippen zitterten und seine Fassade zu bröckeln drohte, doch er hielt sie aufrecht, versuchte die Risse mit letzer Kraft zu verschließen, um die Flut zurück zu halten.

„Wenn du deine Freiheit willst, dann geh! Ich erlaube dir, den Vertrag zu lösen, doch solltest du dich dafür entscheiden, dann brauchst du nie wieder zu mir zurück kommen! Wenn du mich hintergehst, dann will ich dich niemals wieder sehen!“

Mehr sagte er nicht, und er ließ mir keine Zeit zum Antworten. Er drehte sich um und lief hinaus, schmetterte die Türe zu, und nachdem der Schlag verhallt war, umhüllte mich nichts als Stille…

Was sollte ich tun? Er hatte mir meine Freiheit wiedergegeben, doch es lag nur an mir, ob ich sie annahm oder ob ich zu ihm zurückkehrte. Ich liebte ihn, daran war kein Zweifel, aber fühlte er dasselbe für mich? Oder wollte er mich nur an seiner Seite, damit ich ihm diente?

Ich strich mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, die beim Kampf herausgerutscht waren und seufzte leise auf, als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte.

„Sebastian…“, hörte ich Grells Stimme hinter mir und drehte mich langsam zu ihm um. Das erste Mal, seit ich ihn kennengelernt hatte, schien er mich anzusehen, ohne dabei irgendeine Rolle zu spielen, sondern aufrichtig bemitleidend, was nicht gerade viel besser war.

„Wenn er dich liebt, dann wird er dich rufen. Glaub mir, er sollte selbst sehen, was er an die hat, ohne, dass du ihm die ganze Zeit hinterherläufst.“

Ich wusste zwar, dass Grell das alles nicht ohne Hintergedanken hatte, aber irgendwie hatte er Recht. Mein Herr war nie von sich aus zu mir gekommen, immer war ich es gewesen, der den ersten Schritt getan hatte, egal um was es ging.

Ich sah Grell für einen Moment in die Augen und seufzte, wenn auch eher ungewollt.

„Da muss ich Ihnen Recht geben, wenn ich ihm weiterhin hinterherrenne, dann werde ich wohl gezwungenermaßen irgendwann so Enden, wie Sie.“

Ihm schien meine Antwort zwar nicht gefallen, aber statt irgendetwas darauf zu antworten, griff er mit beiden Händen nach meinem Frack und zog mich ein wenig zu sich.

„Weißt du Sebastian, man sollte sich immer jemanden suchen, der einen genauso liebt, wie man es selbst tut. Warum lernst du dann also nicht einfach, mich zu lieben?“ Was war auch anderes zu erwarten gewesen? Ich drückte ihn von mir weg und trat ihn dieses Mal nieder, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

„Und ich dachte schon, ich könne ein einziges Mal ein zivilisiertes Gespräch mit Ihnen führen… Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss los und darauf aufpassen, dass meinem Herrn nichts zustößt.“

Es hatte keinen Sinn, jetzt darüber nachzudenken. Die Angst, meinen Herrn zu verlieren, war zu groß, als das ich es hätte verkraften können. Wenn ich gehen wollte, dann würde er mich jederzeit gehen lassen, doch jetzt würde dieser Zeitpunkt sicherlich nicht sein.

Ich wollte ihn, und ich würde an seiner Seite sein, immerhin war ich trotz allem noch ein höllisch guter Butler.

Mein Butler, letzte Worte

Schnell und ungezügelt lief ich den steinigen Waldweg entlang, der mich nach London führen würde.

Ich war immer noch wütend, und meine Wut schien in keinster Weise nachzulassen, selbst als ich schon die ersten Umrisse Londons sehen konnte, die hinter den Wipfeln der Bäume aufzutauchen begannen.

Was hatte Sebastian sich bloß dabei gedacht? Ich war sein Herr, und ich gab die Befehle! Er wusste doch, dass Lizzy ein mir sehr wichtiger Mensch gewesen war, warum konnte er also nicht verstehen, dass ich sie nicht in die Hände dieses Shinigami geben wollte? Sie hatte mir das Leben gerettet, hatte sich für mich geopfert, da schuldete ich es ihr wenigstens, dass sie eine angemessene Beerdigung bekam…

Umso länger ich darüber nachdachte, umso wütender wurde ich. Warum hatte Sebastian es überhaupt in Erwägung gezogen, diesen nichtsnutzigen Sutcliff mitzunehmen? Wollte er doch etwas von ihm? Eigentlich war es absurd, sich über solche Dinge Gedanken zu machen. In meinen Augen war es mit uns beiden vorbei, bevor es überhaupt wirklich begonnen hatte, also was scherte es mich überhaupt noch? Dennoch wollte der Gedanke an ihn nicht aus meinem Kopf weichen.

Als ich in die Gassen Londons einbog, bemerkte ich zunächst nicht, dass die Leute mich komisch anstarrten und es war mir auch vollkommen egal. Es war außerdem nicht einmal verwunderlich, dass sie mich anstarrten. Immer noch trug ich Lizzy in den Armen, ihre Kleidung war zerrissen, genau wie meine eigene es war. Trotzdem lief ich mit starr nach vorne gerichtetem, abwesendem Blick weiter, dachte nicht wirklich weiter über etwas nach. In meinem Kopf waren die einzigen Dinge, die noch wirklich waren, die Bilder des Kampfes, die Bilder von Lizzys Tod, der Rest verschwamm einfach nur und ich nahm die Außenwelt nicht einmal mehr wirklich wahr. Wie hatte das Ende wohl ausgesehen? Wie war es wohl, wenn man starb?

„Wenn Ihr wissen wollt, wie es sich anfühlt, zu sterben, dann seid Ihr gerade auf dem besten Weg, es möglichst bald zu erfahren…“ Ich erschrak als ich Sebastians Stimme hinter mir hörte und drehte mich schlagartig um. Er war mir also doch gefolgt.

Auf eine unverständliche Art und Weise machte es mich glücklich, zu wissen, dass er mich nicht hatte fallen lassen, dass er nach allem noch an meiner Seite war, doch es war nicht das, was ich eigentlich gewollt hatte. Nicht umsonst hatte ich ihm seine Freiheit zurück gegeben. Ich hatte gewollt, dass er geht und mich vergisst, auch wenn ich einräumen musste, dass ich in diesem Moment nicht einmal mehr nachvollziehen konnte, warum ich das gewollt hatte.

Es vergingen einige Sekunden, in denen wir uns einfach nur anstarrten. Sein Blick war warmherzig und besorgt, doch ich erwiderte ihn nur kalt. Selbst die Passanten schienen die seltsam pulsierende Aura um uns wahrzunehmen, die ein Kampf zwischen Liebe und Hass zu vereinen schien. Manche blieben für einen Moment stehen und sahen verheißungsvoll zu uns und tuschelten, doch ich ignorierte sie alle, Sebastian tat es mir gleich.

„Du bist also wieder hier.“, meinte ich schließlich kalt. Was hätte ich denn sonst auch sagen sollen? Es gab nichts mehr, dass ich ihm noch zu sagen hatte, in meinen Augen wäre es das Beste gewesen, wenn Sebastian mich einfach in Ruhe gelassen hätte, doch dieser sture Butler gab so schnell nicht auf.

Eigentlich wusste ich selbst nicht so genau, warum ich mich so dagegen wehrte, Sebastian weiter an meiner Seite zu haben. Auf der einen Seite wollte ich, dass er bei mir blieb, aber irgendetwas sagte mir, dass es falsch sei, dass ich doch nach dem Tod meiner Verlobten nicht einfach zu einem Mann gehen konnte und…

„Ja das habt Ihr gut erkannt, junger Herr…“, gab er mit leicht säuerlichem Tonfall zurück, lief ohne weitere Blicke an mir vorbei, und aus mir selbst unerfindlichen Gründen lief ich ihm nach, schaffte es jedoch nicht so ganz, ihn mit der Leiche meiner Verlobten auf dem Arm einzuholen, weshalb ich einfach einige Schritte hinter ihm lief.

„Ihr müsst wissen, dass Ihr Eure Spiele so nicht mehr lange weiterspielen könnt, Ciel.“, führte er weiter aus und ich hätte ihm für seinen überheblichen Tonfall am liebsten eine gescheuert, wäre ich nicht verhindert gewesen.

„Auch wenn Ihr es vielleicht selbst nicht glauben könnt, liegt mir sehr viel an Euch und ich bin nicht gewillt, Euch einfach so gehen zu lassen, geschweige denn möchte ich es verantworten, wenn Euch etwas zustößt. Trotzdem solltet Ihr wissen, dass ich nicht der geduldigste bin, und wenn Ihr mich weiterhin so schlecht behandelt, dann nehme ich das Angebot, meine Freiheit zurück zu bekommen dankend wieder an und verschwinde…“

Was bildete er sich eigentlich ein, so dreist zu mir zu sein! Und dass er vor mir herlief und ich ihm folgte wie ein unartiger Hund war ja wohl das Allerletzte!!

Es schien als hätte er meine Gedanken wieder einmal mitbekommen, denn er blieb plötzlich stehen und drehte sich zu mir um. Sein Blick war im Gegensatz zu vorhin um einiges kälter und er lächelte nicht mehr, doch die Sorge in seinem Blick war nicht verschwunden.

„Wenn du willst, dann geh eben! Ich habe es dir doch freigestellt!“, giftete ich ihn an. Warum handelte ich nur so schrecklich? Warum konnte ich ihm nicht einfach verzeihen, wo es doch kein besonders großes Vergehen war? Das war doch im Prinzip einfach nur kindisch, was ich hier tat…

„Ciel…“, er seufzte kurz auf, dann verbeugte er sich vor mir.

„Ich liebe Euch, und das wisst Ihr. Wenn Ihr also bitte einfach einsehen könntet, dass Ihr gegen den Engel ohne meine Hilfe nicht die geringste Chance habt, dann vergessen wir das Ganze hier und machen gemeinsam weiter. Ich will Euch nicht verlieren…“

Er…will mich also nicht verlieren? Wieso nach allem was ich getan hatte? Warum verzieh er mir so einfach und ich konnte es nicht? Warum war ich nur so kalt und verschlossen, obwohl er mir so viel Wärme entgegen brachte?

Langsam lief ich an ihm vorbei und blieb hinter ihm stehen, damit er die Tränen in meinen Augen nicht sehen konnte, doch meine Stimme war nach wie vor gefasst.

„Sebastian lass das endlich. Geh und bring dich verdammt nochmal einfach in Sicherheit! Ich schaff es auch alleine, den Engel zu besiegen und wenn ich es geschafft habe, dann werde ich dich finden und dann können wir noch einmal von vorne anfangen. Aber nicht unter diesen Umständen…“

Die Tränen liefen meine Wangen hinunter, und ich krallte meine Nägel immer fester in den toten Körper meiner Verlobten. Ich würde unter Garantie sterben, wenn ich gegen den Engel antrat, doch so konnte Sebastian wenigstens leben. Es würde nichts mit uns werden, nicht wenn ich mich weiterhin so verhielt. Ich hatte ihm verziehen, daran war kein Zweifel mehr, doch die Wut war der Sorge gewichen und machte das alles nicht gerade leichter.

„Ich spüre doch, dass Ihr weint…“, meinte Sebastian schließlich und plötzlich spürte ich eine seiner Hände langsam meine Brust herabgleiten, die andre verfing sich in meinen Haaren und zog ganz vorsichtig daran.

„Dann lernt eben, ohne mich klarzukommen und sterbt, wenn Ihr es für richtig haltet. Aber bitte seit nicht so töricht, junger Herr. Mein Körper gehört immer noch bis zum letzten Haar Euch, genauso wie mein Herz und meine Seele, also ruft mich bitte…“

Dann war er verschwunden. Ich konnte ihn nicht mehr spüren, nirgends…

Meine Tränen, von denen ich geglaubt hatte, sie wären für immer versiegt liefen mir nun zügellos und ungehemmt die Wangen herab und meine Fassade, die ich mir über all die Jahre aufgebaut hatte, war zerbrochen, doch trotzdem lief ich weiter und gab nicht auf. Ich würde es schaffen, egal wie, doch es gab ein Gedanke, der mir immer und immer wieder durch den Kopf ging

Es tut mir so Leid, Sebastian!

Mein Herr, Entscheidung

Wenn es sein Wille war, dann würde ich mich eben aus seinem Leben zurückziehen. Schließlich war er trotz allem mein Herr und ich sein untergebener Butler, der auf jeden Befehl, der er bekam korrekt auszuführen hatte, ohne auch nur an Widerworte zu denken…

Dennoch war mir sein Verhalten unbegreiflich. Ich musste zugeben, dass ihn der Gedanken, Lady Elizabeth diesem Shinigami zu überlassen, gekränkt hatte, aber in meinen Augen war es unnötig gewesen, sich derartig aufzuführen. Es schickte sich für meinen jungen Herrn nicht, einfach die Fassung zu verlieren, nur weil eine ihm wichtige Person gestorben war. Selbst bei Madam Red hatte er sich nicht so gehen lassen.

Zu meinem Bedauern musste ich zugeben, dass ich es nicht verstand, wie man über den Tod eines Menschen trauern konnte. Wir wussten beide, was nach dem Tod kam, und es war ohnehin nur eine Frage der Zeit, bis wir die Lady wiedersehen würden, solange dieser Shinigami ihren Cinematic Record nicht zerschnitt. Und das würde er bei dem Leben von Lady Elizabeth nicht tun müssen. Sie würde ohne weiteres in den Himmel fahren, auch wenn es vielleicht nicht das Beste war, dort oben zu leben, aber wir würden sie wieder sehen.

Erst jetzt schien mir der Gedanke plausibel, dass meinem Herrn möglicherweise nicht klar war, dass er sich um die Seele seiner Verlobten nicht fürchten musste, und seine Wut wurde mir immer begreiflicher. Dennoch wehrte ich mich gegen diesen Gedanken.

Ich war nach wie vor unbeschreiblich wütend über sein Verhalten und über seine, verzeiht mir diesen Ausdruck, Dummheit, was unsere Lage betrifft. Warum konnte er nicht ein einziges Mal seinen unnötigen Stolz überwinden? Was sollte das vorhin alles? War er wirklich arrogant genug zu glauben, dass er diesen Engel alleine besiegen konnte, und dann ohne weiteres wieder zu mir kommen könnte? Und selbst wenn er diesen tollwütige Engel besiegen sollte, woher nahm er die Sicherheit, dass ich ihn wieder sehen wollen würde?

Immer noch lief ich durch die Gassen Londons, steigerte mich mit jedem Schritt und jedem Gedanken an meinen Herrn mehr in meine Wut und meine Trauer.

Für die Passanten, die an mir vorbeiliefen, musste ich einen äußerst seltsamen Anblick abgeben. Ich spürte ihre neugierigen Blick auf mir liegen, als sie an mir vorbeiliefen, doch das war mir im Moment eigentlich ziemlich egal.

In meiner Rolle als höllisch guter Butler hatte ich ohnehin bereits mehrfach versagt, wieso sollte ich dann weiterhin den Schein wahren? Das war jetzt ohnehin nicht mehr nötig. Ich hatte keinen Herrn mehr, der mich brauchte und für den es sich lohnen würde, ein weiterhin präsentables Bild abzugeben.

Meine Kleidung war nach wie vor vom Kampfe zerrissen und meine Haare mussten ebenfalls sehr in Mitleidenschaft gezogen worden sein, außerdem trug ich immer noch den Teil des Mantels meines Herrn um die Wunde an meinem Arm. Voller Wut riss ich den Fetzten hinunter und warf ihn auf den Boden, bevor ich weiterlief. Er würde mich nicht rufen, es hatte keinen Zweck, weiterhin daran zu glauben, dass er einsehen würde, dass der Fehler diesmal bei ihm selbst lag…

Mehr und mehr wich meine Wut und ließ die Trauer in mir frei, vor der ich mich versucht hatte zu schützen. Trotz allen Bemühungen sie weiter zurückzuhalten überkam sie mich und ich war gezwungen, meine Tränen zumindest so lange zu verbergen, bis ich an einen Ort gelangt war, an dem mich niemand sehen konnte. Ich setzte mich in eine schmale, schmutzige Seitengasse und begann leise zu schluchzen. Es war ein erbärmlicher Anblick, den ich hier bot, aber was machte das jetzt noch für einen Unterschied?

Was war nur los mit mir? Ich, Sebastian Michaelis, Luzifer persönlich! Wie konnte ich mich nur so meinen Emotionen hingeben, wie ein kleines Kind? Und das wegen eines Jungen, nur weil… Nein, für diesen Gedanken durfte kein Platz mehr sein. Es war vorbei! Es war zu Ende! Und egal was passierte, an dieser Tatsache würde sich nichts ändern! Ciel wollte nicht, dass ich weiter an seiner Seite war, ob nun als Butler oder als Geliebter, also würde ich das auch nicht mehr sein.

Ich stand auf und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, entschlossen nicht mehr weiter darüber nachzudenken. Dennoch konnte ich eine Sache nicht weiter ignorieren. Ciel und ich hatte immer noch den Vertrag, und den galt es nun zu beenden.

Zügig machte ich mich auf den Weg zu Undertaker, da ich genau wusste, dass Ciel dort sein würde, doch trotz dass ich mir meiner Sache so sicher gewesen war, kamen nun immer mehr Zweifel in mir auf. Auch wenn ich es noch so leugnete, ich liebte diesen Jungen mehr, als ich mir selbst eingestehen wollte und ich hatte nicht vorgehabt, ihn einfach so gehen zu lassen. Zumal ich mir sicher war, dass er sterben würde, wenn ich ihn nicht von seinem Vorhaben abbringen würde…

Trotzdem, er wollte es so, und daran wirst du sicherlich nichts ändern.

Ich versuchte mir einzureden, dass es so war, obwohl mir durchaus klar war, dass es meine Pflicht war, an seiner Seite zu bleiben. Ich war immer noch sein Butler, und daran würde sich nichts ändern, bis ich den Vertrag aufgelöst hatte.

Bevor ich zu Undertaker ging, entschied ich mich dafür, meine Kleidung ein wenig zu erneuern, verschwand für einige Sekunden in einer unbeleuchteten Ecke, die bei der Dämmerung, die langsam über London einfiel, vollständigen Schutz vor neugierigen Blicken bot, reparierte meine so zerschlissene Kleidung und trat mit meinem gewohnt perfekten Erscheinungsbild wieder heraus. Wo kämen wir denn hin, wenn ein so höllisch guter Butler wie ich sich seinem Herrn in so einem Zustand präsentierte?

Mit schnellen Schritten machte ich mich weiter auf den Weg zu Undertaker, wählte den kürzesten Weg durch die inzwischen vom letzten Sonnenlicht nur noch spärlich beleuchteten Gassen Londons und gelangte schließlich vor das mir inzwischen nur allzu gut bekannte Schild. Nach zweimaligem Klopfen trat ich schließlich ein, doch von meinem Herrn und Undertaker war keine Spur zu sehen. Dennoch spürte ich die Präsenz der beiden, hatte jedoch ein zunehmen unangenehmeres Gefühl bei der Sache. Was hatte Undertaker als Bezahlung für die Beerdigung der Lady verlangt? Ich wusste selbst, dass er eine Schwäche für den jungen Herrn hatte und… Eigentlich wollte ich mir nicht mehr dazu ausmalen.

Ohne weiter darüber nachzudenken und gepackt von Eifersucht stürzte ich ins Hinterzimmer, wo sich mir ein Anblick bot, der mir unter anderen Umständen sicherlich recht gut gefallen hätte. Jetzt aber packte mich die Wut und ich war nur kurz davor, meine wahre Gestalt anzunehmen und Undertaker einen Kopf kürzer zu machen, war er nun der Großmeister der Shinigami oder nicht.

„Sebastian!“, schrie mein Herr beinahe und ihm stiegen Tränen in den Augen. Wie schaffte er es eigentlich immer, in solch eine missliche Lage zu bringen? Ciel selbst lag an Armen und Beinen auf einen kleinen Tisch gefesselt, zwar hatte er noch seine Kleidung an, doch Undertaker war gerade dabei, ihm die zerschlissene Bluse, die er noch trug, vom Leib zu nehmen.

Ich selbst musste mich derart beherrschen, nicht vollkommen in Rage zu geraten, dass ich vorerst beschloss nichts zu sagen und abzuwarten, was man mir zu dieser Sache zu erklären hatte.

Undertaker schien meine Wut zu bemerken und ließ vorerst von dem Jungen ab, um einige Schritte auf mich zuzukommen.

„Wenn es dem Mister Butler nichts ausmachen würde, könnte er den Raum dann solange verlassen, bis wir die Kosten für die anstehende Beerdigung beglichen haben?“ Wie immer lag sein widerliches, pädophil wirkendes Grinsen auf seinen Lippen und ich konnte mich nur schwer zurückhalten, es ihm nicht für immer aus dem Gesicht zu waschen.

Ich riss mich so sehr zusammen, dass es fast schmerzte, brachte jedoch schließlich und endlich doch noch ein Grinsen zustande, dass ich Undertaker entgegen brachte.

„Den Teufel werde ich tun!“

Und wie jedes Mal sonst, wenn ich dies sagte, brach Undertaker in schallendes Gelächter aus und musste sich an mir abstützen, um nicht kraftlos auf dem Boden zusammenzusinken.

„Reicht Euch das als Bezahlung, werter Undertaker?“

„Durchaus, durchaus…“, gab der Bestatter immer noch lachend zurück, ließ mich schlussendlich los, sodass ich endlich in der Lage war mich meinem Herrn zu widmen. Ciel hatte immer noch Tränen in den Augen und sah mich mit einer Mischung aus Wut und Dankbarkeit an, die ich nicht in der Lage war, in der jetzigen Situation vollständig einzuordnen.

Wortlos band ich ihn los und wartete, bis er sich aufgesetzt hatte und sein verschlissenes Hemd wieder zugeknöpft hatte. Erst dann führte ich meine Hand unter sein Kinn um seinen Blick so zu heben, dass er nicht darum herum kam, mir direkt in die Augen zu sehen.

„Mein Herr, wir müssen reden.“

Mein Butler, Rache

So da bin ich wieder mit einem neuen Kapitel :D

Und ich sag nur, freut euch alle schon mal auf das nächste ;D

_
 

Sebastian sah mich mit einem unglaublich wütenden Ausdruck an, während er seine Hand unter mein Kinn gelegt hatte und mich damit dazu Zwang, seinen strengen Blick zu erwidern.

So hatte er mich definitiv noch niemals angesehen, und obwohl ich immer noch furchtbar wütend auf ihn war, kam ich nicht um mein schlechtes Gewissen wegen der Sache mit Undertaker. Ich wollte eine Beerdigung für Lizzy und war bereit gewesen, Undertaker die gewünschte Bezahlung zu geben, auch wenn es mir selbst sehr unangenehm gewesen war, doch der Blick, mit dem Sebastian mich nun ansah, ließ mich an allem Zweifeln, was ich getan und gesagt hatte…

„Mein Herr, wir müssen reden.“, sagte er schließlich in einem Tonfall, der höchstwahrscheinlich die Wüste hätte gefrieren lassen. Dennoch war ich nicht bereit, meinen Stolz zu überwinden, nicht mal für den Schmerz und die Wut, die Sebastian in seinen Augen trug.

„Nein das müssen wir nicht.“, erwiderte ich schließlich knapp und schlug seine Hand endgültig weg. Ich konnte spüren, dass mein Butler mehr als einfach nur wütend war, doch für meine Taten war ich nach wie vor selbst verantwortlich und wenn er unbedingt weiter an meiner Seite bleiben wollte, dann hatte er sich dem auch zu fügen, was ich verlangte. Wegen eines Kusses, den ich ihm geschenkt hatte, war er noch lange nicht mein Partner, geschweige denn wollte ich das weiterhin!

Natürlich hatte ich bereits seit längerem gewisse Dinge für ihn empfunden, aber das bedeutete noch lange nicht, dass ich ihm diese auch weiterhin zeigte! Er war mein Butler, verdammt nochmal! Und dabei würde es in Zukunft auch bleiben!

„Doch ich denke, dass wir um ein klärendes Gespräch nicht herum kommen, junger Herr.“, begann er erneut und ich verdrehte merklich die Augen. Auf der einen Seite wollte ich mit ihm über alles sprechen, aber genauso wenig wollte ich ihn so offen gewinnen lassen. Er war mir unterlegen, und dass sollte er spüren. Ich war immerhin sein Herr und er hatte sich nach dem zu richten, was ich von ihm verlangte.

Trotz meiner nach außen hin gezeigten Unlust, dieses Gespräch zu führen, erlaubte ich ihm nach einigen Sekunden unter einem genervten Seufzen zu sprechen. Es interessierte mich doch ein wenig, was er mir zu sagen hatte. Was dann aber auf mich zukam, entsprach bei weitem nicht dem, was ich erwartet hatte…

Sebastian packte mich fest an den Schultern und ließ seine Augen rot aufglühen, der Ausdruck, den sein Gesicht plötzlich ‚zierte‘, ängstigte mich weit mehr, als ich jemals zugegeben hätte und die Dunkelheit, die sich plötzlich in dem Raum ausbreitet, in dem wir uns befanden machte das Erscheinungsbild meines Butlers fast noch furchteinflößender. Mir mussten in diesem Moment alle Züge entgleist sein und pure Angst breitete sich in meinem Körper aus. Was hatte Sebastian nur vor? Würde er mich töten? Hatte ich das Spiel doch zu weit getrieben?

„So mein junger Herr…“

Die Stimme, mit der er sprach, glich eher einer verzerrten Polyphonie mehrerer Kratzlaute als der eines Menschen und jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. Ich kniff die Augen zusammen, nicht mehr in der Lage, meine Angst noch zu verbergen und erwartete, jeden Moment von Sebastian getötet zu werden.

Und dann war alles vorbei…

Langsam öffnete ich die Augen und sah meinen Butler freundlich grinsend vor mir stehen. Zu geschockt um irgendeinen sinnvollen Satz herauszubekommen stammelte ich einige Worte vor mich hin, begann zu zittern und ließ es schließlich einfach sein, atmete einige Male tief durch und schüttelte schließlich den Kopf. Das war wirklich das erste Mal, dass ich vor Sebastian solche Angst gehabt hatte, dass ich schließlich resignierte und mich einfach zurück auf den Tisch fallen ließ, an den ich bis vor wenigen Minuten noch gefesselt gewesen war.

„Sebastian, du bist ein verdammter Schweinehund…“, brachte ich gerade noch heraus, bevor meine Augen einfach zufielen und ich in der Dunkelheit unterging.

--

Als ich die Augen das nächste Mal aufschlug, war mein Kopf auf Sebastians Schoß gebettet, der mich von oben herab freundlich anlächelte.

„Junger Herr, seid Ihr nun endlich in der Lage, ein vernünftiges Gespräch mit mir zu führen oder möchtet Ihr, dass sich Euer vorheriges Erlebnis noch einmal wiederholt?“ Die Stimme meines Butlers klang wieder gewohnt normal und auch der wütende Ausdruck in seinem Gesicht war verschwunden, dennoch saß mir der erlittene Schock noch schwer in den Knochen. Allerdings wollte ich nicht, dass er noch mehr triumphierte, also setzte ich mich auf, sodass ich ihm direkt gegenüber saß.

Nach wie vor waren wir in dem kleinen Zimmer des Undertakers, doch von diesem war weit und breit keine Spur zu vernehmen.

„Ja Sebastian. Sag, was du zu sagen hast…“, meinte ich mit so fester Stimme, wie ich irgend zu Stande brachte und blickte ihn ein wenig besorgt an. Ich war langsam wirklich verunsichert, ob mein Verhalten ihm gegenüber richtig gewesen war, und ob es überhaupt möglich war, den Engel alleine zu besiegen, doch ich verdrängte jeden dieser Gedanken. Tief im Inneren wusste ich die Antwort ohnehin, doch eine Niederlag pro Tag reichte meiner Meinung nach vollkommen aus.

„Ciel, erst einmal verzeiht mir bitte, dass ich Euch so erschreckt hatte. Es war ein Akt der Rache und ich nehme an, dass wir damit Quitt sind.“

„Aha…“, gab ich nur zurück und wartete darauf, dass er einfach weitersprach. Was sollte ich darauf auch schon großartig erwidern? Also ob ich ihm das einfach so verzeihen würde… Das würde auf jeden Fall noch seine Folgen haben!

Sebastian seufzte leise und fuhr dann fort.

„Ich weiß, dass es in Euren Augen für einen Butler nicht angemessen ist, so etwas zu fordern, aber ich möchte, dass Ihr Euer Verhalten mir gegenüber ändert!“ Erst jetzt hob er seinen Blick wieder und sah er mir direkt in die Augen, und der Ausdruck, der in ihnen lag, machte mich sehr nachdenklich…

„Mir ist bewusst, dass Ihr die Gründe nicht kennt, aus denen ich all die Jahre an Eurer Seite war… Aber ich bin bereit, Euch die ganze Geschichte nun zu erzählen, wenn Ihr mir eine einzige Sache versprecht.“

„Das ist Erpressung!“, schoss es sofort aus mir heraus. Sebastian grinste nur breit und ich hatte meine Schwierigkeiten, ihn nicht wieder böse anzufunkeln.

„Ihr wisst doch noch gar nicht, was ich von Euch möchte.“ Er sprach ruhig und gelassen, dennoch konnte ich spüren, dass auch in ihm eine gewisse Unruhe vorging.

„Gut, dann sag mir, was du verlangst…“

„Es ist weniger ein Verlangen, als mehr eine Bitte. Ich weiß, dass Ihr wenigstens etwas für mich empfindet und…“ Er machte eine Pause und atmete tief durch, ich selbst hielt die Luft an, da ich mir bereits dachte, was nun kommen würde.

„…und ich würde gerne eine Beziehung mit Euch führen. Ihr habt mir gezeigt, dass Ihr mich liebt, dann könntet Ihr wenigstens darüber nachdenken.“

Was sollte das bloß? Er wusste genau, dass ich etwas für ihn empfand, dass hatte ich ihm auch offen gezeigt, aber dass er nach allem, was vorgefallen war, einfach damit herausplatzte, irritiert mich doch sehr. Vor allem da ich so eine Seite an Sebastian nicht kannte.

„Du weißt, dass das absolut bescheuert klingt, Sebastian?“ Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, gleich wieder gemein zu werden, aber die Verunsicherung in mir ließ nicht viele Möglichkeiten zu. Wollte ich eine Beziehung mit Sebastian führen? Ich liebte ihn, daran zweifelte ich nicht mehr, aber war ich überhaupt in der Lage, eine Beziehung mit ihm zu führen.

„Außerdem, wie kommst du nach allem, was passiert ist, darauf dass einfach so alles wieder in Ordnung wäre und dass wir den gewohnten Verlauf einfach weiterführen könnten?“, fügte ich weitaus unsicherer als gewollt hinzu und wartete die Antwort meines Butlers ab.

„Mein Herr, Ihr seid bewundernswert. Denkt Ihr wirklich, ich würde Euch so hinterherrennen, wenn ich Euch nicht längst verziehen hätte? Der Rest liegt bei Euch.“

Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg und wandte meinen Blick ab. Trotz meinem egoistischen Verhalten war Sebastian immer noch bereit, mich zu lieben und weiterhin an meiner Seite zu bleiben. Ich konnte zwar nicht verstehen, warum er das tat, doch ich war dankbar…

„Okay… Ich… muss nicht darüber nachdenken…“

Mehr brachte ich nicht zu Stande, doch Sebastian verstand, was ich meinte. Ehe ich noch etwas dazu sagen konnte, lag ich erneut auf dem kleinen Tisch, Sebastian über mich gebeugt und mit lüsternem Ausdruck auf mich herabsehend.

„Bedeutet das, ich darf Euch nun endlich berühren mein Herr?“

Mein Herr, lüsterne Spiele

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Mein Herr, lüsterne Spiele (non-adult)

So, da das Kapitel wahrschinlich adult geschaltet wird, ist hier noch mal der Rest ohne die Yaoi-Szene, damit auch meine jüngeren Leser den Verlauf der Story weiter verfolgen können. ;D Tut mir echt furchtbar leid :-*

Bei Fragen oder ähnlichem zu dem Kapitel, falls durch den fehlenden Teil etwas missverständlich sein sollte, einfach eine ENS an mich :D Und damit viel Spaß beim lesen^^

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Ich sah deutlich wie der junge Herr bei meiner Frage errötete. War ich doch etwas zu direkt gewesen? Immerhin hatten wir unseren Streit gerade erst geklärt und ich war mir nicht sicher, ob er wirklich schon bereit dazu war.

Nach wie vor kniete ich über ihm, er sah mich mit fast willenlosem Blick an und ich spürte deutlich, wie sein Herz immer schneller zu schlagen begann. Es war durchaus erregend, doch wäre es wahrscheinlich besser, damit noch zu warten.

„Verzeiht mir Ciel, wenn Euch das zu schnell geht, dann sagt es einfach. Ich habe schon so lange gewartet, da…“

„…musst du nicht noch länger warten.“, unterbrach er mich jäh und ich war so erstaunt, dass ich für einen Moment die Augen aufriss. Hatte er das wirklich ernst gemeint? Oder war es nur ein Spiel, um sich an meinem zuvor nicht gebührenden Verhalten zu rächen? Wenn er es wirklich tun wollte, würde dem von meiner Seite aus nichts im Wege stehen, dennoch…

Er war zwar inzwischen weniger mein junger Herr, als einfach nur noch mein Herr, außerdem war er inzwischen volljährig und trotzdem quälten mich Zweifel. Was wäre, wenn ihn der ganze Akt an die schrecklichen Dinge erinnern würde, die ihm die Menschen der Sekte angetan hatten, die mit Gott im Bündnis standen? War er wirklich bereit dazu?

„Du solltest dein Gesicht sehen, Sebastian.“, meinte er schließlich, als ich eine Weile in meine Gedanken versunken nichts erwidert hatte. Langsam stieg ich von ihm herunter und betrachtete ihn für eine Weile einfach nur, konnte nicht umhin zu lächeln. Es war erotisch, wie er dort auf dem Tisch lag, zumal seine porzellanweiße Haut durch die Löcher des zerfetzten Hemdes zu sehen war und das Bild einfach perfekt erschienen ließ.

„Mein Herr, ich weiß, dass meine ungezügelte Lust vorhin nicht angebracht war und ich möchte mich dafür entschuldigen. Es ist immerhin Euer erstes Mal und ich werde mich gedulden, bis Ihr selbst bereit dazu seid.“ Ich verbeugte mich leicht und wandte mich bereits um, als mein Herr leise zu lachen begann und mich damit praktisch dazu zwang, mich wieder umzudrehen.

Er hatte sich aufgesetzt und begann, das Hemd, das ohnehin eher aus einzelnen Fetzten bestand als aus einem kompletten Stück Stoff, wieder aufzuknöpfen und ich spürte wie Hitze in mir aufstieg. Er meinte es also absolut ernst.

Dennoch war es vielleicht besser…

Nein verdammt, wäre es nicht.

Okay, es wäre nicht besser, damit zu warten. Ich hatte mich Undertaker entledigt, in dem ich ihn in das Salzfass gesteckt hatte, demnach stand nichts im Wege, es gleich hier zu tun, auch wenn es vielleicht ein bisschen unbequem werden würde…

Langsam lief ich einige Schritte auf meinen Herrn zu, bis ich direkt vor ihm stand. Er sah zu mir auf, dennoch fühlte ich mich seinem Willen unterlegen, schließlich beugte ich mich zu ihm herab und legte meine Lippen sanft auf die seinen. Es war nur ein einfacher Kuss, dem sicherlich sehr bald mehr folgen würde…

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Das war einfach wundervoll gewesen…

Vollkommen erschöpft legte ich mich neben Ciel und zog ihn ein wenig zu mir, was er ohne Widerworte zuließ.

„Hat es Euch gefallen mein Herr?“, fragte ich leise neckend. Ciel nickte nur, schien zu mehr gerade nicht mehr in der Lage, also beschloss ich, ihm einen Moment Ruhe zu gönnen. Auch für einen Dämonen waren die Erlebnisse eines solchen Tages zehrend, erst der Kampf mit dem Engel, der Tod seiner Verlobten, den Schrecken, dem ich ihm eingejagt hatte und schließlich sein erstes Mal. Ich konnte verstehen, dass er vollkommen am Ende war.

Ich ließ ihn einfach liegen, während ich mir das, was von meiner Kleidung noch übrig geblieben war, wieder anlegte und für meinen Herrn etwas aus Undertakers Schrank suchte. Ich fand zwar nichts passendes, dennoch war es immer noch besser als nichts…

„Mein Herr, darf ich Euch nun wieder ankleiden?“

Ciel, der die Augen inzwischen wieder geöffnet hatte, setzte sich langsam auf und nickte nur leicht. Ich beugte mich schließlich vor ihn, zog ihm seine eigene Hose und das viel zu große Hemd, dass ich im Schrank gefunden hatte über.

„Sebastian, das… war schön.“, meinte er leise und mit erneut aufsteigender Röte. Ich lächelte ihn sanft an und gab ihm einen Kuss.

„Das können wir in Zukunft so oft tun, wie Ihr wollt, Ciel…“ Auch er schaffte es, ein kleines Lächeln zu Stande zu bringen, bevor seine Miene erneut ernst wurde.

„In Zukunft, aber erst müssen wir es schaffen, diesen Engel zu besiegen.“ Damit hatte er zwar vollkommen Recht, aber man musste ja nach so etwas nicht gleich wieder an die negativen Dinge denken…

„Selbstverständlich. Aber was das anbetrifft wird es mehr als nur zwei Dämonen benötigen, um diesem Wesen den Garaus zu machen.“ Ich seufzte und brauchte einen Moment, um Ciel wieder in die Augen blicken zu können.

„Die einzige Möglichkeit, diesen Engel zu töten, wäre das Dämonenschwert oder die Waffe eines Shinigamis, aber das das Schwert verloren ist…“

„…brauchen wir also einen Shinigami, der diesen Engel für uns erledigt.“, vervollständigte er und ich nickte nur. Leider fiel uns beiden nur ein einziger Shinigami ein, der blöd genug wäre, uns bei so einer Aktion zu helfen, und dieser Shinigami war Grell Sutcliff…

„Ich frage mich gerade ernsthaft, was schlimmer ist Sebastian. Grell Sutcliff um Hilfe zu bitten oder von diesem Engel in seine Einzelteile zerlegt zu werden.“

„Ich denke, dass schenkt sich nicht viel, mein junger Herr…“

Mein Verlobter, die Wahrheit

Eigentlich hatte ich mich damit abgefunden, die Augen nie wieder zu öffnen und dennoch konnte ich es plötzlich.

Langsam setzte ich mich auf und versuchte, die schrecklichen Kopfschmerzen die ich hatte, durch sanftes Reiben meiner Schläfen zu vertreiben, doch es wollte mir nicht so recht gelingen… Wo war ich überhaupt?

Ein wenig verwirrt sah ich auf, doch viel war um mich herum nicht zu entdecken. Ich saß alleine in einem kleinen, weißen, fensterlosen Raum, der von keiner Lampe oder ähnlichem erhellt wurde, und dennoch so helles Licht ausstrahlte, dass ich Mühe hatte, meine Augen nicht zuzukneifen. Nur eine kleine Tür, der den Raum von irgendetwas trennte, war zu sehen, ansonsten war hier nichts. Gar nichts.

Wo bin ich hier nur gelandet?

Langsam fielen mir all die Ereignisse, die vor meinem geglaubten Tode geschehen waren, wieder ein. Ciel! Wo um Himmels Willen war mein geliebter Ciel?!

Mir war noch bewusst, dass er mich in seinen Armen gehalten hatte, als ich ‚gestorben‘ war, aber jetzt war keine Spur von ihm. Ist seither so viel Zeit vergangen?

Gehetzt stand ich auf und sah an mir herunter. Mein schönes weißes Kleid, dass ich eigentlich damals gekauft hatte, für den Tag an dem ich Ciel heiraten würde, war vollkommen zerschlissen und schmutzig, sodass ich nicht um ein Seufzen kam. Dennoch war das nun bei weitem nicht mein größtes Problem! Ich musste Ciel finden, ich musste wissen, ob alles in Ordnung mit ihm war!

Ich sah mich noch einmal kurz in dem kleinen Raum um, bevor ich zur Tür lief und sie schlagartig aufstieß. Was mich außerhalb jedoch erwartete, raubte mir den Atem, aber nur so lange, bis ich feststellte, das ich gar keinen Atem mehr hatte…

Um mich herum war eine Landschaft, die nicht einmal von der Bezeichnung ‚Vollkommen‘ richtig beschrieben worden wäre. Es war einfach wunderschön. Ich befand mich in Mitten einer kleinen Stadt, prunkvolle, wunderschön geschmückte Häuser in den Straßen, jedes mit einem Garten in denen die unglaublichsten Bäume und Pflanzen wuchsen. In der Ferne waren Gebirge zu sehen, deren Spitzen mit Schnee bedeckt zu seien schienen und der Himmel war von einem Blau, dass mich mehr denn je an Ciels Augen erinnerte.

„Was um Himmels Willen…?!“, entwich es mir, eigentlich nicht in der Erwartung, dass es jemand hören würde, doch auch hier wurde ich eines Besseren belehrt.

„ ‚Der Wille des Himmels‘ trifft es ziemlich gut!“, gab eine schöne Stimme hinter mir plötzlich zu vernehmen. Schlagartig drehte ich mich um und blickte direkt in die Augen des Engels, der meinen Körper übernommen hatte. Auf einmal war meine Faszination für die Landschaft um mich herum vergessen, und das einzige, was in meinem Kopf noch seinen Platz fand, war die Rache, die ich an ihm ausüben wollte. Wütend blickte ich den Engel an, welcher daraufhin nur kurz den Kopf schüttelte und zu mir herunter geflogen kam.

„Aber Lady Elizabeth, wenn Ihr weiterhin solche Gedanken hegt, dann wird es Euch nicht gelingen, hier unter Gottes Gnade weiterleben zu können. Man wendet sich doch nicht gegen sein Volk!“

Gegen sein Volk? Was um alles in der Welt geht hier nur vor?!

Wieder lächelte der Engel – es war kein warmes Lächeln, sondern ein kaltes, überhebliches Lächeln – und schüttelte erneut den Kopf.

„Lady Elizabeth, Ihr solltet Euch glücklich schätzen! Gott hat Euch erlaubt, ein Engel zu werden, einer von uns! Stellt Euch das nur vor! Und das, obwohl Ihr die Verlobte dieses unreinen Dämonen wart!“

„Ciel ist nicht unrein!“, entfuhr es mir, doch der Engel schien sich von meiner Wut nicht beeindrucken zu lassen. Egal was ich auch tat, er würde wissen, was ich dachte, selbst wenn ich ihm etwas anderes zum Besten gab, wieso sollte ich meine Wut also zügeln?

„Aber Lady Elizabeth, gehört sich das denn? Natürlich war er ein Unreiner, sonst wäre er jetzt wohl kein Dämon. Ihr selbst seit nur hier, weil Ihr, oder besser gesagt Euer Körper uns von großem Nutzen war, auch wenn Ciel es geschafft hatte, ihn schließlich zu zerstören. Gott selbst hat Eurer Seele erlaubt, hier Einlass zu finden! Dafür solltet Ihr dankbar sein!“ Grob packte mich der Engel am Arm und zog mich schließlich mit sich, ohne, dass ich auch nur die geringste Chance hatte, mich von ihm loszureißen, also ließ ich es geschehen.

Ich seufzte innerlich und dachte über alles nach. Ciel hätte mich niemals getötet, wenn ich nicht von diesem Engel besessen gewesen wäre, und das wusste ich! Aber das er ein Dämon wurde… Ich wusste zwar nicht, wie das passiert ist, dennoch konnte ich mir gut vorstellen, dass es mit den Dingen zu tun hatte, die in seiner Vergangenheit passiert sind. War das Feuer und sein Verschwinden doch keine natürliche Sache gewesen? Hatten damit wirklich diese Engel zu tun gehabt?

„Da liegt Ihr vollkommen richtig, my Lady.“ Warum konnte dieser verdammte Engel nicht einmal seine Ruhe geben und mich mit meinen Gedanken allein lassen?! Wie das nervt!

„Verzeiht mir junge Lady, mir wäre es anders auch lieber. Aber wenn Ihr nun schon hier seid, dann wäre es wohl an der Zeit, Euch darüber aufzuklären, was mit dem Leben Eures Verlobten geplant war, und wieso wie immer noch hinter ihm her sind.“

Er legte eine kleine Pause ein und ich konnte nicht leugnen, dass ich auf das gespannt war, was ich nun zu hören bekommen würde.

„Wisst Ihr, zu Beginn war die Leitung der Anhänger Gottes in den Händen Eurer geliebten Queen. Das einzige Ziel war es nun, das Unreine dieser Welt auszurotten, damit ein Paradies auf Erden geschaffen werden würde, in dem nur die von Gott erwählten Menschen lebten. Doch Ciel Phantomhive erwies sich dabei leider als ‚kleines Problem‘. Statt einfach zu sterben, so wie es alle anderen getan hatten, war sein Geist so mit dem Gedanken an Rache erfüllt, dass er es geschafft hatte, nach seinem Tode einen Dämon zu beschwören. Und dieser Dämon war nicht irgendein beliebiger Dämon, es war Luzifer persönlich!“

„Sebastian…“, entfuhr es mir leise. Konnte das wirklich sein, dass Sebastian…

„Ja junge Lady, Ihr kennt ihn als Sebastian Michaelis, aber dies ist nur der Name, den Ciel ihm gab.“ Inzwischen war es nicht mehr nötig, dass der Engel mich hinter sich herzog. Ich hatte mich dazu entschieden, einfach mitzugehen, denn ich wollte hören, was er noch zu sagen hatte.

„Ciel hat ihm also den Namen gegeben…“

„Genauso ist es. Ich konnte mir zu Beginn nicht erklären, warum sozusagen der Herrscher der Dämonen bei so einem nutzlosen Kind bleibt, allerdingst wurde mir sehr bald klar, dass er wohl mehr für den Jungen empfinden musste, und damit hatten wir seine Schwachstelle entdeckt.“ Er seufzte und meine Gedanken wollten sich bereits überschlagen, doch scheinbar gab es noch mehr, was er zu berichten hatte.

„Es galt nun als einmalige Chance, hätten wir es geschafft, die beiden zu vernichten, wäre der Rest ein Kinderspiel gewesen, doch Luzifer hatte es geschafft, Ash und Angela, unsere besten Kämpfer, die wir zu diesem Zeitpunkt hatten, einfach zu besiegen, und das obwohl wir sie fusioniert hatten, und sie somit ein immenses Ausmaß an Kraft besaßen. Und wisst Ihr auch, warum Luzifer das geschafft hatte?“ Ich schüttelte den Kopf, doch ich hatte langsam eine leichte Vorahnung, was die ganze Sache betraf.

„Weil Luzifer, Euch bekannt als Sebastian Michaelis, Euren Verlobten liebt.“ Ich musste in diesem Moment einfach lächerlich ausgesehen haben. Mir war zwar schon länger bewusst, dass Sebastian sehr an Ciel hing, aber dass er ihn wirklich liebte…

„Und wollt Ihr noch etwas wissen, junge Lady?“ Wieder machte er eine kurze Pause, und obwohl ich bereits dachte, dass es schlimmer nicht mehr kommen könnte, brachte mir der Engel damit endgültig zu Fall.

„Ciel Phantomhive hat Euch nie wirklich geliebt. Seit er den Vertrag mit Luzifer geschlossen hatte, war er es, den er am meisten begehrt hatte. Ihr wart nichts weiter als eine nervige Bekannte für ihn, und genau das hat er Euch auch spüren lassen, habe ich recht?“

Verzweifelt blieb ich stehen und sackte auf den Boden zusammen. Tränen liefen mir über mein Gesicht, und obwohl ich bereits tot war fühlte sich mein Herz an, als würde es zerreißen. Das schlimmste an der Sache war, dass der Engel recht damit hatte, und das wusste ich! Ciel hatte mich niemals geliebt, er war nie darauf eingegangen, wenn ich von unserer Heirat sprach, hatte es nie für nötig empfunden mir zu sagen, dass er mich liebte…

Ich spürte, wie sich eine Hand auf meine Schulter legte und sah auf. Es war die Hand des Engels. Ich blickte nun in seine für mich nun so schön aussehenden Augen, die mich fast mitleidig anblickten.

„Verspürt Ihr nun den Drang, Euch an Eurem Verlobten zu rächen, jetzt wo Ihr wisst, was geschehen ist? Jetzt wo Ihr wisst, dass er nur Sebastian liebt?“

Hatte ich wirklich das Bedürfnis nach Rache? Ich zweifelte einen Moment daran, doch der Engel stand einfach auf und ließ mich dort, wo ich war sitzen.

„Teilt mir Eure Entscheidung mit, wenn Ihr soweit seid.“

Ich wartete einen Moment, bis er verschwunden war und wagte vorher nicht, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Erst als ich mir sicher war, dass der Engel außer Reichweite für meine Gedanken war, bemühte ich mich, so sehr es ging, meinen Geist vor allem um mich herum abzuschotten. Der Engel sollte nicht bemerken, dass ich trotz seiner Argumente und der damit verbunden Trauer nicht auf seiner Seite stand.

Langsam erhob ich mich, wohl wissend, dass sicher niemand um mich herum von meinen Gedanken erfahren würde und machte mich auf den Weg zu diesem Miststück.

Wenn Ciel nicht mich, sondern Sebastian liebte, dann konnte ich das nicht ändern, aber deswegen liebte ich ihn nicht weniger! Ich hatte nicht das Bedürfnis, mich an ihm zu rächen, ich wollte sein Glück und dafür würde ich sorgen!

Egal was dieser Engel weiter mit ihm vorhatte, ich würde seine Pläne in die Hölle schicken! Und das im wahrsten Sinne des Wortes!

Der Unreine, verraten

Ich konnte derweilen noch nicht sagen, ob ich die Lady wirklich komplett überzeugt hatte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich das hatte.

Sie würde Rache üben wollen, so waren Menschen nun mal. Und genau das würde ich mir zu Nutzen machen. Dieser Unreine Dämon und sein Geliebter würden noch bis Sonnenuntergang tot sein! Ich kam einfach nicht um ein zufriedenes Lächeln. Dafür würde Gott mich loben, ganz sicher!

In positiver Erwartung auf das Kommende machte ich mich auf den Weg, um dem Herrn von den Erfolgen zu berichten. Es war kein besonders weiter weg mehr.

Der Palast war beinahe greifbar, dennoch zögerte ich einen Moment. Sollte ich dem Herrn schon berichten, bevor ich mir in der Sache der Lady auch komplett sicher war? Wenn es um den Herrn ging, wurde ich manchmal ein wenig übereifrig und enthusiastisch, aber das ging wahrscheinlich allen Engeln so. Unsere Dankbarkeit und Loyalität ihm gegenüber gab uns eine immense Kraft, von der auch ein Dämon nur träumen konnte.

Doch diesmal hatte ich Glück. Kaum hatte ich darüber nachgedacht, sah ich die Lady hinter mir herkommen.

„So wartet doch!“

Was war das? Hatte sie ihren Geist etwa vor mir verschlossen? Warum tat sie dies?

Allein, dass sie das geschafft hatte, gab mir allen Grund misstrauisch zu sein, doch das würde ich mir vorerst nicht anmerken lassen. Zunächst würde ich einmal sehen, was sie mir zu berichten hatte.

„Junge Lady! Habt Ihr Euch dazu entschieden, uns bei unserem Vorhaben zu helfen?“ Ich beäugte sie eingehend, versuchte in ihren Augen zu lesen, doch sie hatte sich komplett abgeschottet. Wie hatte sie das nur gemacht? Hatte ich ihre Macht unterschätzt?

Nein, das konnte nicht sein… Sie ist ein kompletter Neuling auf dem Gebiet

„Seid Ihr wütend?“ Ich versuchte bei dieser Frage nicht zu zufrieden zu klingen, doch es gelang mir wohl nicht ganz, denn kaum hatte ich meine Frage beendet, verengten sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen und sie sah mich mit mörderischem Blick an.

„Ob ich wütend bin?! Was glaubt Ihr denn!? Gerade eben noch sagt Ihr mir, dass mein Verlobter mich nie geliebt hat, und dass er etwas mit einem Mann hat und nun fragt Ihr mich allen Ernstes ob ich wütend bin?! ICH BIN WÜTEND!!“

Einen solchen Gefühlsausbruch hatte ich von der Lady gar nicht erwartet, doch es gefiel mir, sie so zu sehen. Das erste Mal schien es, als sei sie in der Lage, diesen Unreinen aus eigener Kraft zu töten. Doch diese eine Sache beunruhigte mich trotzdem.

„Junge Lady, wieso verschließt Ihr dann Euren Geist vor mir, wenn Ihr uns doch helfen wollt?“ Ich hatte das Gefühl, dass für einen Moment lang Schrecken in ihren Augen lag, doch ich war mir dabei nicht sicher. Und so schnell dieser Ausdruck verschwunden war bekam ich auch meine Antwort.

„Ich verschließe überhaupt nichts du drittklassiger Amateur! Und jetzt kommst du gefälligst mit und hilfst mir, meinen Verlobten kalt zu machen, sonst hast du ein ernstes Problem!“

Okay, das war deutlich…

Es konnte durchaus sein, dass sie sich vor lauter Wut abgeschottet hatte, es musste nicht einmal unbedingt… Nein, es konnte nicht anders sein. Sie war ein junges Mädchen und sie war verletzt. Sie meinte es ernst, das sah ich.

„Jetzt beruhigt Euch erst einmal. Wir haben einen Plan, wie wir Ciel Phantomhive zur Strecke bringen. Und Ihr junge Lady, seid genau das, was wir dazu brauchen werden.“

Ich bat ihr meinen Arm und sie ergriff ihn. Einen Moment hatte ich das Gefühl Unsicherheit in ihrem Geist zu spüren, doch auch diese war schnell verschwunden.

„My Lady, Ihr braucht Euch nicht zu fürchten. Es gibt hier nichts, das Euch in irgendeiner Weise schadet. Ihr seid hier im Reich Gottes, und wer hier willkommen ist, wird auch von Gott geliebt.“

Elizabeth sah das erste Mal zu mir auf und zu meiner Verwunderung lächelte sie mich einen kurzen Moment an. Sie war wirklich eine Schönheit, obwohl Ihr weißes Kleid zerschlissen war, sah sie darin immer noch wunderbar aus. Ich konnte nicht umhin zuzugeben, dass sie mir gefiel. Vielleicht würde ich sie zu meiner Partnerin nehmen, wenn wir die Sache mit Ciel endlich erledigt hatten. Aber vorerst ging das nicht, vorerst musste ich die Pläne des Herrn erfüllen.

„Das ist schön zu wissen.“, sie sprach leicht nach unten gebeugt und wirkte auf einmal fast ein wenig schüchtern.

Sieht ganz so aus, als hätte sie gefallen an mir gefunden.

Aber was sollte das denn plötzlich? War das einfach ihre Art, mit der Sache die ihren Verlobten betraf umzugehen?

„Du hast mir deinen Namen noch nicht verraten.“, meinte sie plötzlich und ich vergaß meine Überlegungen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie mir etwas vorspielte, dafür hatte das alles zu echt gewirkt.

„Mein Name ist Rasiel. Ich bin der Erzengel und die rechte Hand Gottes.“ Wieder sah sie zu mir auf und lächelte. Sie wirkte komplett rein, sowohl äußerlich als auch innerlich… Und sie war unbeschmutzt, das spürte ich.

„Rasiel also… Kannst du mich irgendwo hinbringen, wo ich ein neues Kleid herbekomme? Ich möchte nicht weiter in diesem beschmutzten Fetzen herumlaufen. Ich denke doch, dass dieses Kleid meiner nicht mehr würdig ist.“

Damit hatte sie natürlich vollkommen Recht, zumal ich sie so sicherlich nicht mitnehmen konnte. Aber dafür wurde ebenfalls vorgesorgt.

„Sehr wohl, dann werde ich Euch jetzt zu Eurem Wohnsitz begleiten. Es ist alles bereits eingerichtet, es wird Euch an nichts fehlen.“

„Das freut mich sehr!“ Mir gefiel Ihr Enthusiasmus immer mehr. Sie war wohl sehr dankbar für alles, was sie hier bekam, und so sollte es auch sein! Es war sicher, dass sie eine einzigartige Dienerin Gottes abgeben würde. Genau diese Art von Charakter benötigen wir.

Ich geleitete die junge Lady zu ihrem Wohnsitz und verabschiedete mich angemessen mit einem Handkuss von Ihr.

„Ich werde Euch heute Abend abholen. Heute wird die Konferenz stattfinden.“

Sie schien zu wissen, von was ich sprach und nickte leicht.

„Dann wird meine Rache bald vollkommen sein.“ Mehr sagte sie nicht, drehte sich um und öffnete die Tür zum Haus, ohne sich auch nur noch einmal umzudrehen.

Ich musste mir eingestehen, dass ich fasziniert war. Es steckte so viel Wut in ihr, so viel Verlangen nach Rache! Das war es, was einen perfekten Engel ausmachte!

Auch ich drehte mich um und ging ohne noch einmal zurück zu sehen. Nun musste ich endlich vor Gott treten, ich wollte den Herrn doch nicht warten lassen.

Mein Verlobter, Luzifers Bibel

Egal, was dieser Engel behauptete, Ciel hat nichts Falsches getan!

Hätte man mir vor einigen Wochen erzählt, dass Engel so bösartig sind, hätte ich es sicher niemals geglaubt, doch jetzt sah die ganze Sache anders aus. Ich musste einen Weg finden, Rasiel und die anderen aufzuhalten, ich durfte auf keinen Fall zulassen, dass Ciel etwas zustößt!

Hier war ich nun also, das sollte mein neues zu Hause werden… Es gefiel mir nicht! Alles hier um mich herum war in weiß gehalten, fast schon steril, keine bunten Farben, keine niedlichen Dinge, gar nichts. Und hier sollte man glücklich werden? Da würde mir die Hölle sicherlich noch lieber sein. Ich meine, Sebastian war mir nie unglücklich erschienen, also konnte es ja nicht allzu schlimm sein.

Aber im Moment hatte ich definitiv andere Sorgen. Erst einmal musste ich mich umziehen und mich ein wenig frisch machen, immerhin wusste ich nicht, wann dieser Mistkerl von einem Engel wieder zurück kam, um mich zu dieser Konferenz zu schleppen.

Ich begab mich die Treppe nach oben, wo ich den Ankleideraum vermutete, irrte mich allerdings einige Male in der Tür, bevor ich das richtige Zimmer fand. Auch die Kleidung war wie alles andere komplett in weiß gehalten. Gab es hier in diesem Haus eigentlich irgendwas, das einem nicht die Augen ausstrahlte, wenn zu viel Licht darauf fiel?

Überlegend besah ich die Kleider, die in Farbe sicherlich schön gewesen wären und entscheid mich schließlich für ein knielanges Kleid, welches oben eng anlag, unten jedoch viel Luft ließ, dazu ein Paar Strümpfe und relativ flache Schuhe. Würde ich kämpfen müssen, wäre das hier wohl immer noch am besten geeignet, auch wenn ich hoffte, dass es dazu nicht kommen würde.

Ich würde mir die Konferenz anhören, musste mich jedoch so unauffällig wie nur möglich verhalten und den Schein waren, dass ich ebenfalls auf Rache aus war. Allerdings erwies sich das als nicht so leicht. Rasiel hatte ich vielleicht um den Finger gewickelt, aber würden die anderen mir auch alles abkaufen?

Ich meine, ich war selbstverständlich nicht glücklich darüber, dass Ciel etwas mit Sebastian hatte, aber es war immer noch seine Entscheidung, und wenn seine Gefühle nun einmal so lagen, dann taten sie das, und da hatte ich nicht viel mit zu entscheiden…

Doch in mir selbst war kein Hass, kein Wunsch nach Rache, lediglich eine gewisse Trauer, aber ich denke, dass war auch normal, schließlich hatte ich gerade erfahren, dass die Liebe meines Lebens mich nicht auf diese Art und Weise zurückliebte.

Aber für Trauer war später noch Zeit. Gelangweilt setzt ich mich in einen kleinen weißen Sessel, gönnte mir, da ich alleine war, die Etikette einmal nicht zu wahren und meine Füße einfach auf dem Glastisch zu platzieren und dachte über alles nach.

Wer würde heute Abend bei der Konferenz wohl da sein? Ich kannte bis jetzt nur Rasiel und sonst hatte ich nicht einmal auf den Straßen – falls man diese perfekt sauberen Wege hier überhaupt so nennen konnte – irgendwelche anderen Engel gesehen. Hier war absolut niemand, oder sie waren alle einfach nicht hier. Was geschah hier bloß? Wie sollte ich überhaupt irgendetwas planen, wenn ich nichts, aber auch gar nichts über diese Wesen wusste?

Seufzend stand ich auf und beschloss mich für eine Weile einfach umzusehen. Vielleicht gab es hier irgendetwas, das mir einen Hinweis darauf gab, wie man einen Engel aufhalten konnte.

Jede Tür in dem langen Flur öffnend ging ich weiter, bis ich schließlich ein kleines Zimmer fand, in dem sich haufenweise Bücher befanden. Das hier war zumindest besser als nichts.

Ich beschloss, mich zumindest einmal ein wenig umzusehen, ob eines davon vielleicht nützlich war. Zu Oberst lagen einige Ausgaben der Bibel in verschiedenen Sprachen. Meine Privatlehrerin hatte mich damals für meinen Latein und Griechisch Unterricht dazu genötigt, immer wieder einige Passagen aus der Bibel zu übersetzten und so kannte ich dieses Werk schon. Zwar hatte ich sie gelesen, aber besonders viel Sinn hatte ich ehrlich gesagt nur hinter den wenigsten Stellen entdeckt, also beschloss ich weiter zu suchen.

Viel fand ich jedoch nicht, was einem helfen konnte, die meisten Bücher waren dazu ausgelegt, Dämonen auf die verschiedensten Arten und Weisen zu töten, doch genau das wollte ich ja vermeiden! Einige Bücher davon beschrieben grausame Exorzismen, mit denen man Dämonen zunächst quälte, bevor man sie damit umbrachte.

„Bescheuerte Engel…“, murmelte ich mehr zu mir selbst und suchte einfach weiter. Diese Wesen hier waren weitaus grausamer als alles, was ich bisher gesehen hatte, und immer wieder kam mir die Frage auf, wie viele von ihnen wohl über das Bescheid wussten, was in diesen Büchern zu finden war. Ich konnte nur hoffen, dass die meisten Engel noch fauler als Menschen waren und kaum gelesen hatten, was darin stand.

Ein Buch jedoch weckte meine Neugierde und somit auch die Hoffnung, etwas zu finden, mit dem ich Ciel retten konnte. Und wieder einmal musste ich mir eingestehen, dass der ganze Privatunterricht doch recht nützlich gewesen war.

Das Buch war die Bibel Luzifers, also die Bibel des – so viel mir in Erinnerung war – gefallenen Engels, der vor geraumer Zeit von Gott verbannt worden war, weil er sich geweigert hatte, sich den Menschen zu beugen. Luzifer bedeutete eigentlich Erleuchteter oder Lichtbringer, irgendetwas in der Art, dennoch behielt er seinen Namen bei, als er von Gott in die Hölle geschickt worden war. Scheinbar hatte er die Apokalypse zu verantworten, die schließlich von Gottes Kriegern verhindert worden war.

So zumindest hatte man es mir beigebracht, doch umso länger ich hier war, umso mehr hatte ich das Gefühl, das diese Überlieferung nicht der Wahrheit entspracht. Viel mehr glaubte ich langsam, dass die sogenannten apokalyptischen Reiter von Gott gesandt worden waren, um alles ‚Unreine‘, wie sie es hier nannten zu vernichten und die Dämonen es gewesen waren, die all diese Dinge verhindert hatte.

Sei’s drum, ich begann das Buch zu lesen, schaden konnte es keinesfalls, was ich dort allerdings fand verblüffte mich doch sehr.

Hier stand unteranderem, dass es Dämonen verschiedener Klassen gab, die allesamt andere Fähigkeiten und aufgaben hatte, es war mehr oder weniger ein Regelwerk zur Einteilung der ‚Strafe‘, die die Menschen erwartete, wenn sie in die Hölle fuhren.

Eins war besonders interessant, es gab eine Kategorie Dämonen, die hier als ‚Engelstöter‘ beschrieben wurden. Diese Dämonen bekamen von Luzifer eine geeignete Waffe, die speziell dafür angefertigt wurde, Engel zu erledigen, doch über die Jahre hin weg war nur noch eine einzige Waffe übrig geblieben, ein Schwert, dass allerdings in der Lage war, alles zu töten, sei es Mensch, Engel oder Shinigami.

Für einen Moment ignorierte ich einfach die Tatsache, dass Shinigami wohl auch existierten, wirklich überrascht war ich ohnehin nicht mehr.

Ich las einfach weiter und erfuhr noch einiges mehr, was mir allerdings nicht gefiel.

Luzifer selbst hatte nur eine bestimmte Anzahl Waffen gebaut, weil die Engel ihn danach gebannt hatten, ihm praktisch einen Großteil seiner Kräfte genommen hatten, unter anderem die Fähigkeit, Waffen wie diese herzustellen.

Wie dies geschah, war nicht beschrieben, nur dass Luzifer seither…

„…unter dem Namen Sebastian Michaelis auf die Jagd nach menschlichen Seelen ging, um seine Kräfte wiederzuerlangen.“

Sebastian war also wirklich Luzifer! Der Engel hatte damit also nicht gelogen... Ich konnte es wirklich nicht fassen. War Ciels Seele also von ihm nicht nur willkürlich gewählt worden, sondern aus weitaus höheren Gründen? Ob Ciel davon wusste, wie besonders er war?

Und jetzt konnte Sebastian seine Seele nicht einmal mehr bekommen. War es überhaupt so? Oder brauchten Dämonen die Seelen auch, damit sie überhaupt kraft hatten, um nicht zu verhungern? Ich wusste nicht genau, was ich von alledem halten sollte, beschloss dennoch, das Buch auf jeden Fall mitzunehmen. Es konnte sicherlich später noch viel nützen. Jetzt hatte ich keine Zeit, das alles zu lesen, ich musste die Fakten wissen, und das war, wie man Engel sonst noch aufhalten konnte.

Schnell durchblätterte ich die weiteren Seiten, denn die Dämmerung nahte bereits, fand allerdings kaum einen Hinweis. Man konnte Engel mit dem Blut eines Unreinen betäuben, aber sterben würden sie dadurch nicht… Auch gab es einige sogenannte Fesselzauber, die ich mir versuchte zu merken, einige Symbole, die diese Wesen nicht übertreten konnte, aber das galt nur für Engel der niedrigen Gattung ohne Erfahrung und Rang.

Lediglich eine Sache schien hilfreich und plausibel. Die Waffe eines Shinigami hatte dieselbe Wirkung wie die besagten Dämonenwaffen. Das war also die Lösung. Shinigami.

Ich hoffte nur, dass diese Information Ciel auch helfen würde. Jetzt musste ich mir nur noch überlegen, wie ich am schnellsten hier wegkam, doch zuerst würde ich mir diese Konferenz anhören. Wenn ich wusste, was die Engel vorhatten, würde mir vielleicht auch klarer werden, wie ich sie davon abhalten konnte.

Ich wollte Ciel und Sebastian um jeden Preis beschützen. Tot war ich ohnehin schon, also was hatte ich noch zu verlieren?

Explanatio, des Butlers wahres Ich

So Leute... dieses Kapitel ist mir unglaublich schwer gefallen, da ich mich leider nicht ganz so toll in Undertaker hinein versetzten kann...

Ich hoffe doch es gefällt Euch trotzdem :D

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Nachdem der Earl und sein Butler ihr Spiel nach einiger Zeit endlich beendet hatten, waren sie immerhin gnädig genug gewesen, mich endlich aus diesem Salzfass zu ziehen.

Ich hatte bewusst mit dem Earl gespielt, denn mir war seine enge Verbindung zu Sebastian durchaus bewusst, und ich wollte nicht, dass es noch weitere Komplikationen geben würde, schließlich würde bald ein Krieg ausbrechen, wenn wir nicht schnell etwas unternahmen.

„Soso, dann habt Ihr die Sache wohl endlich geklärt was?“, meinte ich unter leisem kichern und wandte mich meinem Bücherregal zu, sah jedoch deutlich, wie dem jungen Earl die Röte ins Gesicht stieg und des Butlers Gesicht von einem leichten Grinsen geziert wurde.

„Undertaker, hast du eine Ahnung, wo sich Grell Sutcliff befindet?“ Ach ja, der Plan. Ich hatte alles mitbekommen, da ich mich im Moment im Besitz des Cinematic Records von Luzifer befand, besser gesagt hatte ich es schon seit einem Jahrtausend nicht zurück gegeben – um noch genauer zu sein seit die Shinigami beschlossen hatten, alle Records in Büchern zu bewahren, nun ja…

Aber dieser hier war von einer enormen Wichtigkeit. Nicht einmal Luzifer selbst war sich alle dem bewusst, was er in seinem Leben getan hatte, somit blieb es wohl nun an mir, ihn daran zu erinnern, was seine Aufgaben waren.

„Mister Butler, ich glaube wir beide und der junge Earl sollten uns einmal genau über alles unterhalten. Das hier ist keineswegs so leicht, wie Sie beide sich das vorstellen….“ Es war eines der wenigen Male, in denen ich mich zusammenriss und nicht einmal ein Grinsen auf meinem Gesicht zeigte. Ich musste den beiden immerhin bewusst machen, was hierbei alles auf dem Spiel stand.

Der junge Earl setzt sich mit gelangweiltem Gesichtsausdruck auf einen der Särge, sein Butler blieb einfach hinter ihm stehen.

„Mister Butler, weiß Ihr junger Herr eigentlich, was für ein Dämon Sie sind und zu welcher Rangordnung sie gehören?“ Ich grinste und sah, dass Sebastian mich für einen Moment wütend anfunkelte. Natürlich warf es niemals ein besonders gutes Licht auf einen, wenn man zugibt, der Schöpfer der Hölle zu sein, aber was sollte das schon großartig ändern. Schließlich wusste Sebastian selbst nicht alles, nur mir war die ganze Wahrheit bekannt. Und es wurde Zeit, dass die beiden sie erfuhren.

Ich sah, dass Earl sich zu seinem Butler umwandte und ihn mit neugierigem Blick begutachtete, woraufhin der Ältere nur seufzte und sich neben seinen Geliebten auf dem Sarg niederließ.

„Da Undertaker Euch darauf hingewiesen hat, bleibt mir nun wohl nicht mehr viel anderes übrig, als es Euch zu gestehen…“, er sagte dies mit einem leicht wütenden Unterton, dennoch machte ich mir keine Sorgen, dass er mir lange dafür böse sein würde, denn selbst er musste ja noch einiges in sein Gedächtnis zurück holen, was ihm vor langer Zeit von den Engeln genommen worden war.

„Wisst Ihr junger Herr, ich bin nicht einfach nur der, für den ihr mich haltet. Ich bin nicht einfach Sebastian Michaelis, ich bin Luzifer, der Schöpfer der Hölle und Herrscher der Dämonen…“ Ich sah, dass Ciels Augen sich weiteten und musste unweigerlich kichern. Es schien fast schon so, als hätte er das alles wirklich nicht erwartet, dabei war es doch eigentlich mehr als offensichtlich. Sebastian hatte immerhin vor seinen Augen einen Engel getötet, und das mit bloßen Händen, da sollte dem Earl doch eigentlich bewusst sein, welche Macht Sebastian besaß.

„Was gibt es da zu kichern, Undertaker?!“, wollte der Earl von mir wissen, doch anstatt zu antworten musste ich nur noch mehr lachen. Das war einfach zu witzig!

Ich hörte nur sein Seufzen, bevor er sich wieder an Sebastian wandte. Jetzt käme also der interessante Teil, zumindest für ihn, ich wusste das alles ohnehin schon.

„Warum hast du mir das nicht eher gesagt Sebastian? Ich meine, das heißt ja, dass du überhaupt für das ganze Drama hier verantwortlich bist! Wenn es die Hölle nur wegen dir gibt, dann bist du auch daran Schuld, dass die Engel und Gott persönlich versuchen, uns zu töten!“ So aufbrausend kannte ich den jungen Earl ja gar nicht. Allerdings schien mir, als verstand er nicht wirklich, was Sebastian ihm versuchte zu erklären.

Die ‚Hölle‘, wie der Earl es nannte war bei weitem kein so schlechter Ort. Wir Shinigami sind aus diversen Gründen des Öfteren dort und es gab bis jetzt keinen Grund, etwas gegen diesen Ort zu sagen. So viel anders wie die Erde selbst war es nicht, lediglich ein wenig dunkler und es gab weniger Etikette, um die man sich kümmern musste.

Ich beschloss also, mich in das Gespräch einzumischen, bevor wieder einmal Missverständnisse aufkamen, immerhin wusste ich aufgrund von Sebastians Cinematic Record, wie leicht sich die beiden immer in die Haare bekamen…

„Es ist nicht ganz so junger Earl. Euer Butler ist keines Wegs Schuld an der ganzen Misere. Wenn Ihr jemandem die Schuld in die Schuhe schieben wollt, dann liegt diese doch eher bei Gott selbst.“ Ich musste kichern, weshalb genau wusste ich gerade auch nicht.

Ich sah, wie Ciel seinen Butler fragend ansah, dieser jedoch nur mit den Schultern zuckte, bevor er sich wieder mir zuwandte, allerdings brauchte ich einige Momente, bis ich mich wieder soweit gefangen hatte, dass ich normal sprechen konnte.

„Ich verstehe nicht ganz, Undertaker. Was meint Ihr damit?“

„Ich meine, Mister Butler, dass Ihr nicht als Luzifer geboren wurdet.“ Ich grinste und erwartete, dass Sebastian wenigstens auf den Rest von alleine kam, doch es schien, als müsste ich noch weiter nachhelfen.

„Ich weiß, ich war ein Mensch. Scheinbar ein sehr schlechter, dass mir der Himmel verweigert wurde, und ich zu dem gemacht worden war, was ich heute bin.“

„Auch das ist nicht richtig. Ihr wart ein Engel, Sebastian. Gleich nachdem Ihr ein Mensch wart.“ Wieder sahen mich die beiden so ratlos an, dass es mich zum Lachen brachte. Ach, die Welt war doch gleich viel schöner, wenn man sich über viele Dinge amüsieren konnte!

Aber ich durfte mich nicht immer so leicht ablenken lassen, das war wirklich eines der Dinge, die mir schon immer sehr schwer gefallen sind.

„Sebastian war ein Engel?!“, kam es schließlich von dem jungen Earl, nachdem er einige Zeit nur mit offenem Mund gestarrt hatte.

„Ganz recht, Luzifer hier war ein einmal einer von Gottes Kriegern. Aber die anderen Engel haben ihm seine Erinnerungen genommen, nachdem er gefallen ist. Nicht er selbst ist so geworden, Gott hat ihn zu einem Höllenwesen gemacht…“

Auch Sebastian schien reichlich verwundert, schließlich erinnerte er sich selbst an nichts von alledem, aber genau das war der Grund, wieso ich seinen Cinematic Record noch bei mir hatte. Es wurde langsam aber sicher Zeit, dass er endlich alles erfuhr, was mit ihm geschehen ist.

„Mister Butler, ich nehme doch stark an, dass Ihr Eure Erinnerungen zurück wollt, habe ich nicht recht?“

Sebastian warf seinem Herrn einen vielsagenden Blick zu und dieser nickte nur. Er schien zu wissen, dass mehr auf dem Spiel stand als nur sein Leben und das seines Butlers, denn Gott und seine Krieger sind in letzter Zeit sehr überheblich geworden. Ich war mir selbst nicht einmal mehr sicher, ob es sich vermeiden ließ, die Shinigami in diesen Krieg mit einzubringen, obwohl wir eigentlich neutral zwischen dieser und der nachfolgenden Welt stehen sollten.

Aber bei diesen Umständen würde sich eine Ausnahme nicht verhindern lassen… Jetzt war auch mir das Lachen vergangen, während ich über all dies nachdachte. Und da sagte man mir immer, dass die Menschen schlecht seien, aber über diese lohnt es sich wenigstens zu lachen!

„Okay Undertaker, was müssen wir tun?“, meinte Sebastian nach einigen Überlegungen schließlich, doch die Antwort würde ihm sowieso nicht gefallen, also ersparte ich sie ihm.

„Einfach nur stillhalten!“

Mein Herr, verlorene Erinnerungen (Teil 1)

Hey Leute!

Diesmal musste ich das Kapitel unterteilen, es wäre sonst viel zu lang geworden... Ich hoffe ihr verzeiht mit den Cliffhanger und viel Spaß beim lesen :D
 

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„Okay Undertaker, was müssen wir tun?“

„Einfach nur stillhalten!“

Kaum hatte der Shinigami seinen Satz beendet, spürte ich auch schon einen stechenden Schmerz in meiner Brust. Hatte er mich gerade wirklich mit seiner Death Scythe getötet?! Wozu war das hier bitte schön gut?

Ich konnte meinen Herrn hören, wie er meinen Namen schrie, doch ich selbst hatte bereits keine Kraft mehr, mich noch länger auf den Beinen zu halten geschweige denn, irgendetwas zu erwidern. Mit einem wohl sehr erbärmlich klingenden Laut sackte ich zusammen und fiel hart auf den Steinboden des Bestattungsunternehmens…

Für einen Moment spürte ich noch einen festen Griff, der mich an den Schultern packte, ob es nun Undertaker oder mein Herr war, konnte ich bereits nicht mehr sagen, denn das war der Moment, in dem um mich herum alles schwarz wurde.

Dennoch starb ich nicht. Langsam dämmerte es mir, was hier gerade passierte. Undertaker erneuerte meine Erinnerungen, in dem er mir meinen ursprünglichen Cinematic Record vorspielte. Das war auf eine gewisse Art und Weise genial, allerdings nahm ich mir fest vor, diesem Shinigami trotzdem eine Tracht Prügel zu verpassen. Immerhin war ich wohl inzwischen wieder mehr Teufel als Butler und er hätte mich abgesehen davon wenigstens vorwarnen können.

In der Dunkelheit, die sich um mich geschlossen hatte, begann sich nun endlich wieder Licht auszubreiten, der Nebel von welchem ich umgeben war, wurde immer heller, bis es schließlich wie eine zähflüssige, graue Masse wirkte, in der sich nach und nach Formen und Farben ausbildeten. Irgendwie war ich gespannt, was mich erwarten würde, schließlich würde ich ja meinen wahren Erinnerungen beraubt.

Doch was ich schließlich sah, gefiel mir bei weitem nicht so gut, wie ich erwartet hatte. Ich erinnerte mich schließlich an meine Kindheit, auch meine Jugend hatte ich noch gut im Gedächtnis, aber das war eine Sequenz, die nicht für meine Augen bestimmt war. Es war meine Beerdigung.

Warum zeigte Undertaker mir diese Szene? Hatte es wirklich einen Sinn, mir so etwas anzutun? Wenn er meine Geschichte doch kannte, dann wusste er Bescheid, dann wusste er über mein Leben als Mensch und er wusste über Simon…

Und genau er war es, den ich als erstes wahrnahm. Ich befand mich auf einem kleinen Friedhof, den Namen des Dorfes wo sich dieser befand hatte ich schon vor Jahrhunderten vergessen, dennoch kannte ich jeden Zentimeter, den ich hier sah. Und ich erkannte Simon.

Er war neunzehn Jahre alt gewesen, als ich starb. Genauso alt wie ich.

Ich kam einige Schritte näher, flüsterte leise immer wieder sein Namen, doch er konnte mich nicht hören. Es half nichts, egal was ich tat, ich würde nichts verändern können, niemand konnte mich hören. Ich konnte lediglich beobachten und es war Folter für mich!

Bereits jetzt spürte ich, wie mir Tränen die Wange hinunter liefen, es war fast zu viel für mich. Einem Dämon das zu zeigen, was er verloren hat und nie wieder bekommen würde, etwas das vor mehr als einem Jahrtausend geschehen war… Warum konnte Undertaker das nicht einfach auslassen? War es wirklich so wichtig, dass ich Simon an meinem Grab stehen und weinen sah? War das wirklich unbedingt nötig?!

Langsam lief ich vor Simon, sodass ich sein Gesicht betrachten konnte und es kam mir vor, als sei es erst gestern gewesen, dass ich ihn gesehen hatte. Ich kannte sein Züge in und auswendig, jeden Zentimeter, seine porzellanweiße Haut und die blauen Augen…

Er war der Grund gewesen, warum ich überhaupt Interesse an Ciel gefunden hatte. Der junge Herr sah ihm so verdammt ähnlich, dass es schien als seien sie ein und dieselbe Person.

Ich schämte mich allein für diesen Gedanken. Es war ein Jahrtausend her, dass ich Simon das letzte mal gesehen hatte, abgesehen davon hatte ich nun Ciel, den ich abgöttisch liebte, und dennoch machte mir sein Anblick so zu schaffen. Das durfte doch nicht wahr sein!

Betrachtend setzte ich mich schließlich in das leicht nasse Gras vor meinem Grab, auf welchem die Erde noch hochgetürmt war und die Blumen noch frisch, versuchte fast verzweifelt eine Gelegenheit zu bekommen, noch ein einziges Mal in Simons Augen zu sehen, jedoch vergeblich.

„Sebastian…“, hörte ich ihn leise wimmern und es zerriss mich förmlich innerlich, sah dann, wie er auf die Knie viel und hemmungslos vor meinem Grab weinte und seine bitteren Tränen auf der noch feuchten Erde vergoss.

So hatte ich ihn niemals erlebt, und das obwohl wir fast zehn Jahre zusammen gewesen waren. Ich hatte ihn noch niemals weinen sehen und ich hätte alles dafür gegeben, diesen Anblick nicht ertragen zu müssen. Früher hatte er immer so stark gewirkt, egal was man mit ihm gemacht hatte, er hatte es weggesteckt und verarbeitet, kaum ein Tag später keinen Gedanken mehr daran verschwendet, und nun war ich gezwungen, ihn so zu sehen.

Und das schlimmste daran war, dass es meine Schuld war. Mein Tod war es, den er nicht verkraftet hatte. Hätte ich doch verdammt nochmal besser aufgepasst! Hätte ich nur einmal auf den Pater gehört, wäre ich an diesem Abend nicht ermordet worden! Doch ich war gegangen und hatte mit meinem Leben dafür bezahlt…

„Ich will das nicht mehr sehen müssen!“ Ich schrie, doch es war niemand da, der mich hören konnte, so blieb mir nichts anderes übrig, als einfach zu warten, bis alles vorbei war. So wie ich Undetaker kannte, würde er mir vorerst nur die Schlüsselszenen zeigen, damit ich verstand was geschehen war, also durfte es sehr schnell vorbei sein…

„Gott bitte… Wenn du da oben bist, dann mach Sebastian zu einem Engel. Ich bitte dich, ich will nicht, dass er leiden muss.“

Das war also der Grund. Das war der Grund, warum ich ein Engel wurde? Weil Simon darum gebeten hatte? Ich verstand noch nicht, also hörte ich weiter zu, auch wenn mir der Rest nicht besonders gefiel…

„Ich…Ich habe immer gebetet, auch wenn ich mit Sebastian zusammen war, ich war immer gläubig! Gott verzeihe uns dafür. Bitte, lass ihn in den Himmel. Ich bitte dich, er soll nicht noch mehr leiden müssen…“

Simon… ach Simon… Ich weinte inzwischen fast so heftig wie er und ich konnte mich nicht mehr beherrschen. Auch wenn ich viel gelitten hatte und mein Tod zumindest zum Teil eine Erlösung gewesen war, fühlte ich mich miserabel. Ich hatte ihn allein gelassen! Ich hätte für ihn da sein müssen, wir hätten zusammen weggehen sollen, wir…

Ich konnte meine Gedanken kaum zu Ende führen, da löste sich die ganze Szenerie in dem grauen Nebel auf und bildete neue Personen, neue Farben, eine neue Umgebung. Doch diesmal kam sie mir weitaus weniger bekannt vor.

Es war erdrückend hell und weiß, alles war akkurat und sauber. Wer wollte in so einer Umgebung leben? Durch die neuen Eindrücke schaffte ich es wenigstens, mich wieder zu beruhigen, obwohl durch das alles die Sache mit Simon wieder hochgekommen war.

Wenigstens eine gute Sache hatte das Ganze allerdings. Ich hatte mir in diesem Moment geschworen, dass es Ciel besser gehen würde. Ich würde ihm alles ermöglichen, nur um ihn sein schlimmes Schicksal vergessen zu lassen. Und wer weiß, vielleicht könnten wir endlich glücklich sein, wenn das alles hier vorbei war.

Die Umgebung hatte inzwischen endlich all ihre Umrisse angenommen. Diesmal befand ich mich außerhalb einer Menge, die sich zu beiden Seiten gegenüber aufgestellt hatten und somit einen Gang für den jungen Mann bildeten, der diesen durchschritt. Es dauerte nicht lange bis ich erkannte, dass ich dieser Mann war.

Und die Erinnerungen kamen zurück. Alle. Das hier war meine Zeremonie gewesen, das war der Tag gewesen, an dem ich zum Erzengel ernannt worden bin!

Ich sah wirklich scheußlich in dem weißen Anzug aus, den ich da trug, doch es war Pflicht gewesen. Alle trugen immer nur weiß.

„Sebastian Michaelis!“, ertönte eine Stimme, die aus dem Nichts und von Überall zu kommen schien, die Stimme Gottes persönlich. Für mich als Engel war es eine Ehre gewesen, diese zu empfangen, doch jetzt jagte sie mir nur noch einen eisigen Schauer über den Rücken.

„Schwörst du, dich für den Rest deines Lebens an die zehn Gebote zu halten, in Ehrfurcht und in Treue zu leben?“

„Ich schwöre.“, hörte ich mich selbst sagen.

„Und schwörst du, für mich in den Kampf zu ziehen und alles Unreine dieser Welt zu vernichten, selbst wenn es ein Kampf um Leben und Tod wäre?“

„Ich schwöre.“

„Dann empfange nun deine Gnade, werde zu meinem Krieger! Du, der von nun an unter dem Namen Luzifer – der Lichtbringer – bekannt ist!“

„Amen.“

Das war ein äußerst seltsames Szenario gewesen, und es stimmte mich recht glücklich, dass es dieses Mal ein wenig schneller vorbei gewesen war. Ich hätte sicherlich Zustände bekommen, wenn ich mir diese Unterhaltung noch länger hätte antun müssen. Und ich schämte mich für das, was ich einmal gewesen war. Diese Erinnerungen an mein heuchlerisches und ätzendes Verhalten hätten mir genauso gut gestohlen bleiben können.

Wieder löste sich alles in dem Nebel auf und die nächste Szenerie erschien vor mir. Dieses Mal befand ich mich wieder auf der Erde, und als mit diese Erinnerung wieder in den Sinn kam, wurde mir der Rest auch klar. Jetzt wusste ich alles wieder, was passiert war und warum ich gefallen war.

Mein Vergehen hatte mich meine Gnade gekostet.

Und ganz ehrlich, das war es mir Wert gewesen

Mein Herr, verlorene Erinnerungen (Teil 2)

Als sich alles um mich herum wieder verfestigt hatte und zu einem klaren Bild geworden war, kam mir auch der letzte Rest an diesen Abend wieder in Erinnerung.

Ich war auf der Erde gewesen, um einen Auftrag des Herrn auszuführen, das erste Mal, seit ich in den Himmel gekommen war. Fast fünf Jahre war ich nur oben gewesen, hatte blöde Kleinigkeiten erledigt, bis zu dem Tag meiner Ernennung zum Erzengel Luzifer. Und gleich bei meinem ersten Auftrag war mir klar gewesen, was ich tun würde. Ich hatte den Himmel nie besonders gemocht, es war langweilig und man durfte kaum etwas. Für jedes noch so kleine Vergehen wurde man bitter bestraft und sogar für jeden Zweifel, den man äußerte, wartete die Folterbank auf einen.

Das war kein Leben für mich und das würde es auch nie sein. Stattdessen hatte ich wohl beschlossen, jemanden wieder zu sehen, der mir sehr wichtig gewesen war…

Ich sah mich selbst vor Simons Tür stehen – er war seit meinem Tod längst aus dem Kloster abgehauen, in dem man uns groß gezogen hatte. Ihm gehörte ein kleiner Krämerladen, nicht besonders groß, aber scheinbar reichte es für ihn, um über die Runden zu kommen.

Für eine Weile schien mein früheres Ich nicht gewusst zu haben, was es tun sollte, immerhin betrachtete ich mich selbst einige Minuten dabei, wie ich unruhig vor der Tür vom einen auf den anderen Fuß trat. Ich selbst fand mein altes Aussehen dabei einfach nur abstoßend, die weiße Kleidung, die kurzen Haare. Engel waren allgemein wohl wirklich hässliche Wesen.

Nach einiger Zeit hatte ich mich dazu entschlossen, doch an der Tür zu klopfen, woraufhin Simon wenige Sekunden später die Tür öffnete. Er hatte mich angesehen, als wäre ich ein Geist, wollte die Tür bereits wieder zuschlagen, doch ich hielt sie mit der Hand fest und lächelte ihn freundlich an.

„Hallo Simon…“, hörte ich mich freundlich, dennoch mit einem gewissen zittern in der Stimme sagen.

„Wer bist du?! Verschwinde hier!“ Es hätte mir klar sein sollen, dass Simon geschockt gewesen sein würde, doch ich hatte ihn so unbedingt sehen wollen!

„Bitte hör mir zu! Ich bin es, Sebastian! Du erkennst mich doch! Ich bin zurückgekommen, um dich noch einmal sehen zu können…“

Für eine Weile sagten wir beide nichts, ich starrte ihn hoffnungsvoll an und er blickte zurück, als wisse er nicht, ob das alles wirklich real war und was er tun sollte. Schließlich zog er mich mit einem Ruck nach drinnen und drückte mich fest gegen die Wand, näherte sich meinem Gesicht bis auf wenige Zentimeter und betrachtete jeden meiner Züge, als müsse er sich erst vergewissern, dass ich es auch wirklich war…

„Woher zurück?“

„Aus dem Himmel…“ Scheinbar hatte ihm das genügt – und auch wenn Undertaker mir diese Szene nicht mehr zeigte, höchstwahrscheinlich auch weil Ciel zusah, wusste ich genau, was wir an diesem Abend noch alles miteinander getan hatten, wie wir uns geküsst und geliebt hatten. Ich bekam ein schlechtes Gewissen Ciel gegenüber und dachte nicht weiter daran. Immerhin liebte ich nur noch meinen jungen Herrn!

Wieder verschwand das Bild und ich hatte wenigstens für einen Moment Zeit, meine Gedanken zu ordnen und alles zu verinnerlichen, was ich gerade gesehen hatte. Warum zeigte mir Undertaker all diese Abschnitte, in denen Simon vorkam? Hatte das wirklich noch so eine wichtige Bedeutung? Langsam fügten sich all die Bruchstücke wieder zusammen, doch ein wichtiges Teil in meinen Erinnerungen schien noch zu fehlen. Und dieses Teil machte mir Angst. Simon hatte irgendwas mit alledem zu tun, was jetzt gerade in der Gegenwart geschah, aber was nur?

Aus den verschwommenen Schlieren bildete sich nun ein neues Bild, alles um mich herum wurde weiß, wieder befand ich mich in einer ähnlichen Situation wie bei meiner Ernennung zum Erzengel, nur das dies hier mein Fall war.

„Sebastian Michaelis!“, hörte ich Gabriels Stimme donnern. Er war die rechte Hand Gottes und führte all die Befehle aus, bei denen sich der Herr selbst die Hände nicht hatte schmutzig machen wollen. Ich selbst kniete auf dem Boden, meinen Kopf hielt ich gesenkt, sodass ich niemandem ins Gesicht sehen musste. Auch wenn mir das mit Simon gefallen hatte, war meine Angst in diesem Moment enorm gewesen, immerhin hatte ich keine Ahnung, was mit mir passieren würde und ob ich meine Augen jemals wieder öffnen würde, wenn Gabriel mit mir fertig war…

Fast könnte man sagen, dass ich es bereute, was ich mit Simon getan hatte. Aber auch nur fast~

„Du hast eine schwere Sünde begangen! Du, der auserwählt wurde, als Luzifer – unser Lichtbringer – ausgerechnet du hast uns am meisten enttäuscht!“ Gabriels Stimme war so schallend laut, dass sie mir fast die Ohren zerriss, selbst wenn das hier nur meine Erinnerungen waren… Es war ein schrecklicher Moment gewesen.

„Bitte Erzengel Gabriel! Es war doch nur… Ich liebe diesen Mann! Er ist mein Freund gewesen, als ich noch ein Mensch war!“

„Aber nun bist du kein Mensch mehr! Man muss loslassen, wenn man in das Reich Gottes eintritt, alles was man besaß und alles was man geliebt hat.“

So ein Schwachsinn. Und genau da lag der Vorteil darin ein Dämon zu sein. Kein Verlust, keine Enthaltsamkeit, viel Sex und viel Macht. Was wollte man mehr? Meine Güte, erst jetzt bemerkte ich all die Vorzüge, die mir mein jetziges Leben zu bieten hatte, sah man mal von dem ständigen Konkurrenzkampf um Seelen ab und vergaß, dass die Engel einen töten wollten – und selbst das war angenehmer, als der Himmel es jemals sein würde. Ich würde mich sicherlich nie wieder über mein Dasein beschweren.

„Luzifer, hiermit verbanne ich dich aus unserem vom Herrn geheiligten Land! Deine Seele soll in den Abgrund fahren, dort kannst du mit deinen Sünden leben! Und fortan soll jede Seele, die sich zu Lebzeiten der Sünde hingab, zu dir hinab fahren und in deinem Höllenfeuer schmoren!“

Wirklich, ich hatte inzwischen das Gefühl für die Zeit vollkommen eingebüßt, aber ich nehme trotzdem stark an, dass ich verrückt geworden wäre, wenn ich mir das geschwollene Gerede Gabriels noch länger hätte anhören müssen.

Nur für eine Sekunde wurde es hell, strahlend hell, sodass man das Gefühl hatte, es würden einem die Augen herausgebrannt, bevor ich mein früheres Ich in die tiefe Dunkelheit fallen sah…

--

Das Bild löste sich erneut auf und endlich wachte ich auf dem Fußboden Undertakers auf, von dem ich mich während der ganzen Sache scheinbar keinen Millimeter wegbewegt hatte.

Gerade als ich die Augen aufschlug, sah ich Undertaker meinen Cinematic Record zuklappen, wie immer grinste er mich hämisch an, was war auch anderes zu erwarten.

„Und ab da kennst du die Geschichte ja, nicht wahr Luzifer?“

„Hör auf mich so zu nennen.“, erwiderte ich knapp und hörte, wie der Bestatter wie immer in schallendes Gelächter ausbrach. Manchmal fragte ich mich wirklich, ob bei dem Shinigami noch alles in Ordnung war oder ob ihm sein hohes Alter endgültig das Hirn vernebelt hatte.

Vorsichtig setzte ich mich auf und sah an mir herunter. Kein Blut, keine zerrissene Kleidung, alles war wie neu, nur dass ich endlich meine wahren Erinnerungen wieder hatte.

Ciel saß derweil auf einem von Undertakers Särgen und sah mich böse an. Hatte er alles mitbekommen, was ich gesehen hatte? Wenn ja konnte ich mich schon einmal darauf gefasst machen, dass heute einer meiner Todestage sein würde…

„Mein Herr, was habt Ihr?“, fragte ich leise und versuchte das Gelächter des grauhaarigen weitgehend zu ignorieren – was allerdings nicht gerade leicht war.

Ciel sah zu mir auf, sein Blick sprach Bände, doch seine Stimme war kühl, als er zu sprechen begann.

„Schön, dass du diesem Simon immer noch so hinterhertrauerst. Vielleicht sollten wir ihn suchen, damit ich diesen Idioten fertig machen kann. Du weißt nicht, was er getan hat! Er ist ein verdammter Bastard!“

Umso länger mein junger Herr sprach, umso mehr Emotion war in seiner Stimme aufgekommen. Er war wütend, das spürte ich.

„Junger Herr, ich versichere Euch, das mit Simon ist vorbei. Glaubt mir bitte, die Erinnerungen daran tun weh, aber nur der Schuld wegen. Mein Herz gehört nur Euch…“

„Darum geht es nicht verdammt! Ich habe deine Gedanken gehört, ich weiß, dass du mich liebst! Aber weißt du, was dieser Mistkerl getan hat?!“ Ciels Augen füllten sich das erste Mal seit langem mit Tränen, ich versuchte ihn zu mir zu ziehen doch er drückte mich beiseite und versuchte mit aller Kraft, nicht zu weinen. Kaum hatte er sich beruhigt seufzte er kurz, sah mir dann direkt in die Augen und schockte mich mit seinen Worten weit mehr, als ich es selbst zugeben wollte.

„Simon ist einer von den Engeln. Damals war er höchstwahrscheinlich nicht besonders wichtig. Er war es, der mich zuerst gefoltert und beschmutzt hat. Er hat sich förmlich darum gerissen, mir das anzutun…“

Einen Moment lang brachte ich es nicht fertig, auch nur einen Laut von mir zu geben. Ich war geschockt und vollkommen am Ende. Simon, den ich geglaubt hatte zu kennen hatte Ciel das alles angetan?! Er war es, der Ciel das Mal aufgetan und ihn gegen seinen Willen berührt hatte.

Und mir war klar, weswegen. Undertaker hatte mir das alles nicht umsonst gezeigt. Simon hatte sich kurz nach unserer letzten Begegnung das Leben genommen, um bei mir im Himmel zu sein, doch dort war ich bereits in der Hölle…

Sicherlich hatte er mich all die Zeit still beobachtet, hatte all dies in die Wege geleitet, als er bemerkt hatte, wie ich für den Jungen empfand… Alles was Ciel zu gestoßen war: Die Ermordung seiner Eltern, die Qualen, die sie ihm angetan hatten. Alles. Es war alles seine Schuld! Was auch immer er erzählt haben musste, damit die Engel die Phantomhives ausradieren wollten, es war sicherlich nichts Gutes.

„Du hast es verstanden, nehme ich an?“, meldete sich plötzlich Undertakers Stimme zu Wort. Ich nickte nur, denn zu mehr war ich gerade nicht in der Lage. Es dauerte sicherlich eine Weile, bis ich das verdaut hatte.

Ciel hatte sich währenddessen wieder auf den Sarg gesetzt und sah gedankenverloren an die Wand.

„Nun ja, es hat mich eine Weile gekostet, doch nun weiß ich, wo Simon ist und vor allem wer er jetzt ist. Aber es wird dir sicherlich nicht gefallen…“

„Spuks einfach aus.“, meinte mein junger Herr trocken und ich nickte erneut, um meine Zustimmung zu geben. Ich dachte eigentlich, dass mich jetzt nichts mehr schocken würde, doch ich hatte mich getäuscht.

„Der liebe Simon hat einen Weg gefunden, Gott außer Gefecht zu setzten und seinen Platz eingenommen. Alle Befehle, die die Engel erhalten, stammen von ihm.“ Mir blieb der Mund offen stehen und Ciel ging es nicht anders.

Es gab eigentlich nur noch eines, was mir dazu einfiel. Dieser Kerl war krank.

Und egal was passierte, wir mussten so schnell wie möglich handeln, egal was es kosten würde! Wenn es so weiterginge, würde uns die Apokalypse nicht erspart bleiben.

„Was sollen wir jetzt tun?“ Ich traute mich kaum zu fragen, doch zu meinem Glück konnte Undertaker wieder lächeln.

„Ganz einfach. Wir holen die junge Lady Elizabeth zurück zu uns auf die Erde!“

Mein Verlobter, Hoffnung

Kaum hatte ich die Bibel geschlossen, hörte ich bereits Rasiels Schritte die Treppe nach oben kommen.

Hätte dieser Idiot nicht wenigstens klopfen können?! Fast schon hektisch verstaute ich das kleine Buch in meiner Tasche, schnappte mir ein anderes und schlug irgendeine Seite in der Mitte auf, sodass es keinen Verdacht schöpfte. Ich tat, als wäre ich so sehr in das Geschrieben vertieft, dass ich Rasiels Schritte nicht bemerkt hatte und drehte mich letztendlich erst um, als er mir leicht auf die Schulter tippte.

„Ihr lest junge Lady. Das zeugt von Ehrgeiz und hoher Intelligenz!“ Er schenkte mir ein strahlendes Lächeln, bei dem sich mir fast der Magen umdrehte, bei dem tiefen Hass, den ich für ihn empfand – dennoch erwiderte ich, immerhin sollten die Engel auch weiterhin denken, dass ich auf ihrer Seite stünde.

„Ja, ich habe ein wenig in den Büchern gestöbert.“, meinte ich nur und klappte das Buch zusammen, um es zurück in den Schrank zu legen.

„Es sind einige sehr interessante Werke dabei. Doch nun ist leider keine Zeit mehr, my Lady. Wir müssen schnellstmöglich los zur Konferenz. Der Herr selbst wird anwesend sein und es bekommt ihm nicht, wenn man unpünktlich ist.“ Er reichte mir seine Hand und ich ergriff sie um besser aufstehen zu können. Auch wenn dieses Kleid wohl mit Abstand noch das praktischste war, hatte ich dennoch sehr eingeschränkte Bewegungsfreiheit darin.

Gott würde also zur Konferenz erscheinen. Davon hatte man mir zuvor gar nichts erzählt. Hatte die Sache um Ciel also wirklich eine solche Wichtigkeit, dass sogar der Herr selbst mitmischte, anstatt einen Boten zu schicken?! Langsam verstand ich die Welt nicht mehr. Das war doch alles sowas von Schwachsinnig!

Rasiel geleitete mich hinaus, wo bereits eine kleine Kutsche wartete, nur die Pferde fehlten. An sich war es eine wundervolle Kutsche aus filigran geschliffenem Holz mit weißen Polstersitzen und goldenen Verzierungen. Sie war nicht einmal überdacht – was angesichts der Tatsache, dass wir uns im Himmel befanden wohl auch nicht nötig war. Wenn ich all das hier oben nicht so sehr hassen würde, hätte mir die Kutsche sicherlich gut gefallen…

„Darf ich bitten, my Lady?“, meinte Rasiel schließlich und half mir in die Kutsche um sich kurz darauf zu mir nach hinten zu setzten. Wie erwartet fuhr sie auch ohne Pferde, dennoch irritierte es mich einen Moment lang. Normal was das alles hier sicherlich nicht, also musste ich mich erst daran gewöhnen.

„Da wir nun zur Konferenz fahren sollte ich Euch unter Umständen davon berichten, wie ihr Euch zu verhalten habt, immerhin ist es Eure erste Konferenz – und dann gleich auch noch eine, bei der Gott persönlich anwesend ist!“ Sein Enthusiasmus ging mir tierisch auf die Nerven! Wie konnte man allein davon so glücklich sein, das Gott anwesend war?! Das war doch alles nicht zu fassen…

Diese Engel hatten definitiv einen an der Klatsche, wenn sie alle so waren wie Rasiel. Und so wie es aussah würde ich sein Gerede noch ertragen müssen, bis wir angekommen waren.

„Also, zunächst einmal müsst Ihr Euch verbeugen und einen Schwur leisten, wenn Ihr den Raum betretet, das wird nicht besonders schwer, also macht Euch darüber erst einmal keine Sorgen. Und wenn der Herr dann eintritt, dann erhebt Ihr Euch und beteuert ihm Euren Glauben und Eure Loyalität. Wie gesagt, sorgt Euch um das alles nicht, es wird nicht so schwer sein.“

Aha. Das war doch wirklich… Am besten nicht weiter darüber nachdenken und einfach die Landschaft betrachten, sonst würde dieser Engel sicherlich nicht mehr bei der Konferenz ankommen.

Meine Gedanken wanderten ohnehin immer wieder zu Ciel. Ich konnte kaum an etwas anderes denken. Ich vermisste ihn so schrecklich! Und ich wollte ihm unbedingt helfen. Nicht nur ihm sondern auch Sebastian…

Natürlich war ich eifersüchtig, aber ich liebte Ciel und ich wollte dass er glücklich ist, und wenn Sebastian nun einmal derjenige war, der ihn glücklich machte, dann wollte ich mich nicht dazwischen stellen. Und abgesehen davon war es sinnlos, sich noch weiter Hoffnungen zu machen. Wahrscheinlich würde Ciel irgendwann in die Hölle gehen und ich würde ihn entweder gar nicht mehr oder nur noch furchtbar selten sehen. Das konnte nichts überdauern.

Ich seufzte ein wenig, nur ganz leise und versuchte mich auf das wesentliche zu konzentrieren. Ich musste dafür sorgen, dass ich alles über diese Engel erfuhr – am besten auch noch, wie man sie so schnell wie möglich töten konnte!

Ich wusste ja bereits, dass man sie mit den Waffen eines Shinigami umlegen konnte, doch das war wohl mit Abstand der unwahrscheinlichste Fall, der eintreten könnte. Es musste doch noch irgendetwas anderes geben!

„Ihr wirkt so nachdenklich, stimmt etwas nicht?“ Ich erschrak beinahe, als Rasiel plötzlich wieder zu mir sprach.

„Nein, es ist nichts. Ich bin nur ein kleines bisschen nervös. Aber ich denke, das ist ja auch ganz normal, schließlich habe ich gleich die Ehre, vor den Herrn zu treten!“ Meine Güte, dass er mir das alles glaubte, fand ich doch fast schon belustigend und so schaffte ich es auch viel leichter, mein falsches Grinsen aufzusetzen.

Rasiel hingegen sagte nichts weiter und nickte nur mit verständnisvollem Ausdruck. Anscheinend war er selbst wirklich aufgeregt. Wie erbärmlich…

Es dauerte nur noch einige Minuten, bis wir an einem wie in Gold getaucht wirkendem Saal ankamen, vor dem die Kutsche letztendlich anhielt. Leuchtend hell glänzten die Flächen, die von der Sonne beschienen wurden und gaben einem das Gefühl, man würde das Augenlicht durch zu langes betrachten verlieren.

Ich stieg aus und schließlich stieg auch meine Nervosität. Wenn die Engel herausfanden, was ich vorhatte, würde ich sicherlich sterben… Oder Fallen. Ich hoffte inständig auf das Zweite, sollte dieser Fall eintreffen.

Langsam ging ich mit Rasiel zusammen die vielen Stufen hinauf und durch die große, protzig wirkende Eingangstür, die uns bereits von innen geöffnet wurde, hinein. Auch innen war der Raum äußerst kirchlich gestaltet. An den Wänden waren unzählige Bilder von Gott und irgendwelchen Heiligen, deren Gesichter ich nicht kannte.

Einen Raum weiter befand sich, nach einem schier unendlich langen Gang, endlich der Konferenzraum, in dem ein großer Marmortisch mittig aufgestellt war. Unzählige Stühle waren in gleichmäßigen Abständen um ihn herum aufgestellt und einige Engel saßen bereits. Unter anderem war dort ein Gesicht, das mir irgendwie vertraut vorkam…

Ein Mann mit langen roten Haaren in einem komplett weißen Anzug saß allein am Tisch. Er trug eine rote Brille und seine Augen erstrahlten in einem leuchtenden grün. Er sah zu mir auf und zwinkerte mir zu, als er mich in den Raum kommen sah. Irgendetwas an ihm, ich wusste selbst nicht genau, was es war, faszinierte mich an ihm, sodass ich mich dazu entschied, mich zu ihm zu setzten.

Ohne zu fragen folgte mir Rasiel schob mir den Stuhl zurecht, als ich mich setzten wollte und setzte sich selbst direkt neben mich.

„Ah die junge Lady Elizabeth.“, begann der rothaarige Mann mit einem leicht schauspielerisch wirkenden Unterton in der Stimme.

„Man erwartet großes von Euch, was die Sache mit Ciel Phantomhive betrifft.“ Er sprach nur sehr leise, doch scheinbar hatte es Rasiel dennoch mitbekommen, weshalb er sich in das Gespräch mit einmischte.

„Ja da habt Ihr wohl sehr richtig gehört. Und wer seid Ihr, wenn ich fragen darf?“

Rasiel schien misstrauisch, also musste es auch einen Grund dafür geben. Anscheinend hatte ich diesen Mann wirklich schon einmal irgendwo gesehen, nur wollte mir nicht mehr einfallen, wo das gewesen war!

Nur eins wusste ich mit Sicherheit: Der rothaarige Mann war kein Engel, das konnte ich garantieren. Nicht so wie er sprach. Ganz sicher nicht. War er gekommen, um mich von hier wegzuholen?

„Ihr müsst Rasiel sein, nicht wahr? Auch von Euch hört man nur großartiges! Ich bin neu in der Garnison, mein Name ist Grell.“

Grell… Oh mein Gott! Grell Sutcliff! Er war der Butler meiner Tante Ann gewesen! Seine Haare hatten anderes ausgesehen und er hatte eine andere Brille getragen, doch er war es zweifellos! Das Gesicht war dasselbe! War er etwa auch ein Dämon? Nein, das konnte nicht sein, sonst hätten ihn die Engel doch schon längst enttarnt. Demnach ging ich davon aus, dass er ein Shinigami war! Ein Shinigami, das war wundervoll~ Er würde uns retten!

Ich sah zu Rasiel, doch der schien keinen weiteren Verdacht zu schöpfen, nachdem Grell ihn bereits gelobt hatte. Was war er doch für ein arroganter Vollidiot.

Ich hingegen hatte nun endlich Hoffnung, dass sich all dies vielleicht doch wieder zum Guten wenden würde. Irgendwie würden wir Ciel und Sebastian retten!

Kaum hatte ich meinen Gedanken zu Ende gebracht wurde eine andere Tür geöffnet und ein strahlend helles Licht erfüllte den Raum…

Sebas-chan!, himmlischer Abgang

Was für ein süßes Vögelchen die junge Lady doch war!

Ein leichtes Grinsen huschte mir über die Lippen, während ich mit ihr sprach, denn ich stellte mir vor, wie sie wohl in einem hübschen, roten Kleid aussehen würde. Aber das war gerade nicht mein Auftrag.

Zuvor war ich bei Undertaker gewesen, ich sollte etwas für ihn überprüfen. Immer noch besser als die langweilige Seeleneinsammlerei, die wir Shinigami ansonsten tagein tagaus betrieben. Das hier war da doch viel interessanter, vor allem weil es so unglaublich gefährlich war! Awww~ Das war doch ein Job, der einem Shinigami meiner Größe würdig war!

Immerhin war ich eine perfekte Schauspielerin, besser als alle zuvor, welche die Ehre hatten, in Shakespeares Werken zu spielen, viel besser! Ich wäre die perfekte Julia gewesen! Diese Banausen! Zu meinen Lebzeiten hatte man mich doch tatsächlich für mein Talent ermordet – es schickte sich ja nicht für einen Mann, die Rolle einer Frau zu spielen. Solche Neider! Doch nun spiele ich einen Engel, zwar keine große Rolle, aber für meine Kariere ein unglaublicher Fortschritt!

Nun ja, aber das tut auch nichts mehr zur Sache. Ich war schließlich hier, um meinen Auftrag auszuführen und wenn ich Glück hatte, wartete hiermit eine immense Beförderung auf mich. Ich musste lediglich diese Konferenz aushorchen und die junge Lady Elizabeth wieder in die menschliche Welt zurückbefördern. Der zweite Teil erwies sich hierbei wohl als der Schwierigere.

Zwar war es uns Shinigami vergönnt, durch eine Art Portal zwischen unserer und der menschlichen Welt zu wandern, bei Bedarf konnten wir auch in die Hölle hinunter, für den Himmel hatten wir allerdings keine Befugnis. Früher war das einmal so gewesen, doch man konnte ja nicht erwarten, dass sich die guten alten Zeiten nicht änderten.

Die einzige Möglichkeit, die ein Shinigami hatte, um in den Himmel zu kommen, war sein eigener Cinematic Record. Undertaker hatte mich hineingeschrieben und kurz darauf war ich hier gelandet. Ich konnte nur hoffen, dass mir kein Fehler unterlaufen würde, sonst müsste ich zusehen, dass er mich sofort wieder von hier wegholte.

Fürs erste galt es sich also zu konzentrieren!

Kaum hatte ich meine Gedanken zu Ende geführt, wurde bereits die Tür geöffnet und ein gleißend helles Licht erfüllte den Raum. Zwar wurde mir gesagt, dass dies hier nicht Gott sondern ein Engel sei, dennoch wirkte dieses Licht so… Es zog einen förmlich an, gab einem das Gefühl von tiefem Vertrauen und unglaublicher Wärme…

Nein, ich konnte mich jetzt nicht davon ablenken lassen, denn genau das war sein Plan! Er wollte uns in seinen Bann ziehen.

„Junge Lady, nicht hinsehen!“, flüsterte ich ihr leise zu, nachdem ich bemerkt hatte, wie gebannt Elizabeth auf das helle Licht starrte. Sofort darauf sah sie erst mich an, wandte dann den Kopf nach unten und hielt ihre Augen geschlossen.

Die anderen Engel jedoch schienen schon nichts anderes mehr zu bemerken, einige starrten einfach nur in das Licht, andere hatten sogar Tränen in den Augen. Fast schon erbärmlich.

Auch ich hatte beschlossen, meine Augen zu schließen, bis ich schließlich bemerkte, dass das Licht nach und nach schwächer wurde. Was war das bloß für ein arroganter Engel, wenn er meinte, dass er hier mit so einem Auftritt landen könnte? Wobei es bei diesen gottesfanatischen Dumpfbacken ja zu funktionieren schien…

Kaum war das Licht erloschen, trat eine Gestalt in den Raum, die dem alten Earl Phantomhive nicht unähnlich sah – wobei ich mir nicht sicher war, ob er nun mehr Ciel oder seinem Vater ähnelte, doch das spielte auch keine Rolle. Fakt war, dass dies nicht Gott, sondern Simon war! Und diese dämlichen Engel glaubten wirklich, dass das hier Gott war?! Als hätte sich einer mit seiner Position auf einen Fall wie den von Ciel spezialisiert… Und diese Idioten hatten nicht einmal den leisesten Verdacht.

Ach, das war ja auch klar, dass wieder einmal alles an mir hängen bleiben würde…

Mit bedachten Schritten und einem selbstsicheren grinsen trat der Engel ein. Er wies alle an, sich zu erheben und auch ich und die junge Lady taten dies, immerhin durften wir nicht auffallen. Das war wirklich das Letzte, das wir jetzt gebrauchen konnten, vor allem da ich die Anweisung hatte, die Lady sicher zurück auf die Erde zu bringen…

„Meine Untertanen, willkommen! Lasst mir euren Glauben und eure Loyalität zuteilwerden und ich befreie euch von Sünde und Schuld!“

Sicher doch. Nichtsdestotrotz schloss auch ich meine Augen und faltete die Hände. Was blieb mir auch großartig anderes übrig? Das war wirklich einer der Momente in denen ich dankbar für meinen Beruf als Shinigami war, selbst wenn es absolut eintönig und langweilig war, wenn man sich nicht auch einige Male eine ‚Auszeit‘ gönnte. Und meine Auszeit war bis jetzt immer Sebas-chan gewesen! Aw, ich liebte diesen Mann einfach! Und jetzt hatte er diese elende Rotznase an der Backe…

Nun ja, aber was war schon dabei, inzwischen hatte ich ohnehin weitaus mehr Gefallen an der jungen Lady gefunden. Kaum hatte ich sie gesehen, war ich mir klar darüber, dass sie sogar noch besser sein würde, als die Madam! Sie schien so voller Elan und Stärke…

Aber auch darum konnte ich mich leider erst später kümmern. Jetzt musste ich erst einmal zusehen, dass ich so viel wie möglich von der Konferenz mitbekam, bevor mein unerlaubtes Dasein bemerkt wurde.

Simon hatte derweil irgendein Ritual auf Latein heruntergebetet und gab uns ein Zeichen, dass wir uns wieder setzten konnten. Mehr schien er wohl nicht im Sinn zu haben, denn er setzte sich ebenfalls und kam gleich zur Sache.

„Meine Untertanen, wie ihr wisst steht es schlecht! Wenn es Luzifer gelingen sollte, die Shinigami auf seine Seite zu bringen, sind wir chancenlos! Und es gilt immerhin nicht nur, Ciel zu töten, sondern auch darum, Luzifer lebendig zu fangen.“

Jetzt wurde mir doch einiges klar. Undertaker hatte mir erklärt, dass Simon vor langer Zeit einmal Sebas-chans Geliebter gewesen war, und wie es schien, war er darüber wohl noch nicht hinweg. Manche Leute waren wirklich ein Buch mit sieben Siegeln in meinen Augen. Warum zur Hölle nochmal trauerte dieser Vollidiot Sebastian nun schon seit so langer Zeit hinterher?

Ich und die junge Lady tauschten für einen Moment bedeutende Blicke. Scheinbar wusste sie nichts von der früheren Beziehung der beiden, aber hier konnte ich es ihr auch nicht erklären. Das musste bis später warten.

„Mein Plan muss also schnellstmöglich umgesetzt werden! Und hierzu benötigen wir die Hilfe der jungen Lady Elizabeth, die erst vor kurzer Zeit zu uns gestoßen ist. Junge Lady, dürfte ich sie zu mir bitten?“

Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass Simon irgendeine Art Zauber in der linken Hand heraufbeschwor und sofort war mir klar, was er vorhatte! Er wollte einen Fesselzauber benutzen, um Elizabeth hier gefangen zu halten!

„Undertaker, hol uns hier weg!“ Ich brüllte so laut ich konnte und packte die Lady an den Schultern um sie zu Boden zu drücken, bevor Simon seinen Zauber wirken konnte. Ich konnte noch sehen, wie sich die anderen Engel, inklusive Rasiel, versuchten auf uns zu stürzen, doch dazu kam es glücklicherweise nicht mehr.

Für einen Moment schien es, als wäre die Zeit angehalten worden, dann befanden wir uns zurück auf dem schäbigen Holzboden in Undertakers Bestattungsunternehmen.

„Mister Sutcliff, stehen sie vom Boden auf, auf der Stelle!“ Ich drehte mich um und sah William vor mir stehen, wie immer mit kaltem Ausdruck im Gesicht, in der linken Hand sein Notizbuch und in der Rechten seine Death Scythe. Ich tat wie mir geheißen und grinste hin freundlich an.

„Auftrag erledigt. Meine Güte, diese Engel sind wirklich kein besonders leichter Brocken…“ Ich wollte ihn anspringen, um ihn zu umarmen, doch wie immer wich der gemeine Schuft aus!

Will selbst sagte dazu nichts weiter, sondern widmete sich seinen Terminen, während ich zu Undertaker ging und ihm zumindest von dem, was ich mitbekommen hatte, berichtete. Es war nicht besonders viel, doch er nickte dennoch – diesmal sogar ohne zu lachen, was nicht gerade besonders häufig vorkam. Elizabeth hingegen stellte sich zwar neben mich, um ebenfalls zu berichten, doch von ihrer Seite kam kein Wort. Anscheinend war ihr bewusst, dass Ciel nun der Geliebte Sebastians war, was ihr scheinbar ein wenig missfiel.

„Es ist eine Schande, dass wir nur so wenig herausfinden konnten, aber hätte ich euch beide noch ein wenig länger dagelassen, hätten wir die junge Lady nicht so einfach aus dem Himmel zurückholen können. Damit wäre zumindest ein Teil von Simons Plan zerstört. Außerdem es ist äußerst wichtig, dass ihr hier seid, Elizabeth ihr wisst, weshalb…“

Lady Elizabeth, die die ganze Zeit über nur zu Ciel gesehen hatte, ohne auch nur ein Wort zu ihm zu sagen, wandte sich nun an uns.

„Das Buch, nicht wahr?“, meinte sie nur leise und zu meinem Erstaunen kramte sie das letzte Exemplar von Luzifers Bibel aus der Tasche.

„Wo hast du das her?!“

„Ich habe ein bisschen nachgeholfen…“, meinte Undertaker und kicherte leise vor sich hin.

„Um genau zu sein, hatte ich gewollt, dass du es findest. Es war versteckt, ich wusste jedoch, dass es sich im Himmel befand, also habe ich dafür gesorgt, dass es in deinem Bücherschrank verschwindet… Dieser Cinematic Record ist einfach genial! Das hat meine Wenigkeit doch gut hinbekommen!“ Wie üblich brach Undertaker diesmal in schallendes Gelächter aus. Manchmal kam ich bei diesem Shinigami echt nicht dahinter, auch wenn er so gesehen unser direkter Vorgesetzter war.

„Wenn Sie beide fertig sind, würde ich sie bitten, mit mir zu kommen, Grell. Wir müssen schleunigst zurück in die Bibliothek und die anderen Shinigami darüber informieren, wie wir gegen die Engel vorgehen.“

Eigentlich war ich recht froh darüber, nun endlich gehen zu können, denn den Streit, der sich zwischen der Lady und dem Earl anbahnte, musste ich nicht unbedingt mitbekommen. Das würde wohl ein kleiner Vorgeschmack auf den Kampf zwischen Engeln und Dämonen werden…



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Kommentare zu dieser Fanfic (62)
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Von:  mizzakasatsu
2013-04-09T16:08:09+00:00 09.04.2013 18:08
Will mehr ._.
Von: abgemeldet
2012-05-28T10:43:06+00:00 28.05.2012 12:43
Hi,
bin wiedermal begeistert von dem Kapitel.
Hoffe nur, dass der Streit zwischen Ciel und Lizzy nicht zu heftig wird.
Ich freu mich schon auf das nächste Kapitel.
*.*

Lucifer
Von:  Pentragon
2012-05-23T10:38:45+00:00 23.05.2012 12:38
Mit Grell habe ich nun überhaupt nicht gerechnet. Generell ist es mal etwas völlig absonderliches, ihn sich in in weißen Sachen vorzustellen (aber ich wette er sieht klasse darin aus).
Lizzys Gedanken wirken nun um einiges harscher. Da sie jedoch einiges durchgemacht hat und keine Gesellschaft sie wegen solcher Gedanken rügen kann, kann ich mir durchaus vorstellen das sich ihr Unmut in einer härten Wortwahl äußert.
Und zumindest nach außen hin gibt sie sich ja so wie immer.
Von: abgemeldet
2012-05-05T16:55:47+00:00 05.05.2012 18:55
Hui, jetzt wird es spannend!
Ich bin schon richtig gespannt, warum man für Brötchenklau so hart bestraft wird. XD
Na, mal spaß bei Seite.
Hoffentlich schreibst du schnell weiter, kann den zweiten Teil schon gar nicht mehr erwarten.
^^
Von: abgemeldet
2012-05-05T15:03:12+00:00 05.05.2012 17:03
Hui, jetzt wird es spannend!
Ich bin schon richtig gespannt, warum man für Brötchenklau so hart bestraft wird. XD
Na, mal spaß bei Seite.
Hoffentlich schreibst du schnell weiter, kann den zweiten Teil schon gar nicht mehr erwarten.
^^
Von:  Pentragon
2012-05-04T07:19:56+00:00 04.05.2012 09:19
Irgendwie hab ich das Gefühl, das Ciel eine Wiedergeburt von Simon sein könnte. zumindest sehen sie sich so ähnlich und das Verhalten von Simon, wie er alles einfach so weg stecken kann, erinnert auch sehr stark an Ciel.
Ich finde es interessant, das es Sebastian nicht aushalten kann, in dieser hellen Umgebung zu sein, selsbt wenn es nur in seiner Erinnerung passiert und er garnicht wirklich dort ist. Mittlerweile ist er doch durch und durch dämonisch veranlagt, da muss sein Körper garnicht anwesend sein um das unerträglich zu finden.
Von:  Pentragon
2012-05-04T07:11:10+00:00 04.05.2012 09:11
Man merkt deutlich wie sich die Geschichte nun verdichtet.
Der Undertaker ist dir schon recht gut gelungen, auch wenn ich vielleicht noch einige Wortspiele und versteckte Sticheleien hineingebracht hätten. Aber dieser Satz: >Aber ich durfte mich nicht immer so leicht ablenken lassen, das war wirklich eines der Dinge, die mir schon immer sehr schwer gefallen sind.<
fand ich wirklich köstlich. Das hat wunderbar zu Undertaker gepasst.
Es ist generell nicht leicht sich in ihn hineinzuversetzen, da man sich kaum vorstellen kann was in seinem Kopf vor sich geht. Und dann diese neue, andere Seite von ihm die man auf der Campania gesehen hat - er hat viele Facetten die man erst noch entdecken muss.

Außerdem mag ich es sehr, das du die Hölle nicht als die 0/8/15-Version darstellst, die man sonst überall zu lesen kriegt. Stattdessen ist sie sogar unserer Welt sehr ähnlich, das gefällt mir sehr.
Von:  Pentragon
2012-05-04T07:01:37+00:00 04.05.2012 09:01
Ich finde es interessant wie sich hier ein paar Paralelen zu meinem RPG auftun XD da wurde Sebastian auch durch eine Shinigami-Waffe verletzt, weil es das einzige ist was ihm schaden kann.
Ich finde es interessant wie du die Engelswelt beschreibst. Als Lizzy die Bücher findet habe ich mich unmerklich gefragt, ob die Cover auch alle weiß sind. Und ob die Seiten alle gebleicht sind XD
Von:  -Miaka-
2012-05-03T23:40:51+00:00 04.05.2012 01:40
Warte schon gespannt auf den zweiten Teil! Muss ja ein ziemlich übles Verbrechen gewesen sein, wenn Sebastian von seinem Engeldasein so tief gefallen ist. Bisher ein sehr gutes Kapitel! :)
Von:  -Miaka-
2012-04-27T20:55:25+00:00 27.04.2012 22:55
Ein super Kapitel! Finde eigentlich, du hast das mit Untertaker ganz gut hinbekommen, obwohl du meinst, dich nicht so gut in ihn hinein versetzen zu können. Seine Denkweise findet man vielleicht ein bisschen ungewöhnlich, weil man ja wirklich nicht so richtig weiß, wie und was er so denkt. Aber ich finde, du hast es echt gut hinbekommen.

Außerdem liebe ich es, dass Sebastian in dieser FF Luzifer ist, das ist mal etwas ein wenig Anderes als sonst. Und dass er ein Engel war - überhaupt, ich liebe diese ganze irgendwie umgekehrte Denkweise (die ja bei Kuroshitsuji auch so ist), dass die Engel und Gott von der Perspektive aus die "Bösen" sind oder so wirken. Das zeugt davon, dass nichts immer nur gut und nichts immer nur schlecht ist, sondern dass es auch darauf ankomt, auf welcher Seite man steht und von wo man die Sache betrachtet. Es ist gut, dass du das auch so aufgegriffen hast.

Weiter so! :)


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