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Heartbreak Hotel

Liebe und anderer Scheiß!
von

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Kapitel 1

„An deiner Stelle würde ich lieber bis morgen früh warten.“ Sagte meine Mutter nun zum hundertsten Mal.

„Ich schaff das schon.“ Antwortete ich ihr ebenso zum hundertsten Mal.

Dass sie sich das selbst noch sagen hören konnte empfand ich als wirklich erstaunlich aber so sind Mütter nun mal.

Eigentlich ist auf ihre Instinkte ja immer Verlass aber als Teenager oder auch als halbausgewachsenes männliches Exemplar dieser Gattung glaubt man ja auch alles besser zu wissen.

Wenn man mich fragen würde, würde ich sogar die Frechheit besitzen zu behaupten die Welt würde sich einschließlich um mich drehen.

Arrogant? Ja das war ich manchmal wirklich. Aber ich konnte es mir leisten. Ich war erfolgreicher Student, war beliebt, nicht nur bei den Mädchen nein ich sah zudem auch unverschämt gut aus.

Mein Vater war ein einfacher gutbürgerlicher Deutscher Handelsvertreter und meine Mutter? Eine waschechte Spanierin.

Mein pechschwarzes Haar, meine von Natur aus bronzefarbene Haut, meine dichten schwarzen Wimpern um die mich schon viele Frauen beneidet hatten, soll ich weiter prahlen?

Nun, all das habe ich dank meiner Mutter. Und von meinem Vater, der vor zwei Monaten verlassen hatte und mir nichts dir nichts einfach verschwunden war hatte ich meine grünen Augen.

Und heute hatte ich den Grund für seine Flucht erfahren.

Er hatte eine Freundin.

Eine Affäre mit einer Frau die selbst Familie und Kinder hatte.

Während meine Mom meinen Vater lachend aus dem Haus geworfen hatte, nicht ohne über ihn herzuziehen und ihm viel Glück zu wünschen, hatte der Mann dieser Frau versucht die beiden abzustechen, was ganz groß in der lokalen Zeitung als Schlagzeile rauskam.

„Dein Vater steckt mitten in der midlife crisis, mein Sohn. Keine Sorge, der kommt wieder angekrochen sobald ihm das Geld ausgeht.“ Sagte meine Mutter mit einem verächtlichen Grinsen.

„Was meinst du?“ fragte ich überrascht.

„Ich bin lange genug eine Frau und mit deinem Vater verheiratet, ich glaube ich kenne ihn gut genug.

Der kann gar nicht ohne mich leben auch wenn er glaubt mit einer deutschen Frau glücklicher zu werden.

Aber Glück findet man nicht indem man alles wegwirft und bei null anfängt. Glück findet man nur bei sich selbst und nicht bei anderen. Man muss daran arbeiten und sich Mühe geben oder es zumindest versuchen.“

Ich konnte sehen wie sie rot anlief vor unterdrückter Heiterkeit. „Sein Glück wird der nicht finden… und schon gar nicht bei einer Dorfhure.“

Jetzt brach sie in wildes Gelächter aus und musste sich am Türrahmen festhalten.

Meine Mutter war schon cool sie besaß das typisch südländisches Selbstbewusstsein einer stolzen Frau.

„Ist das dein Ernst?“ fragte ich und sah sie aus geweiteten Augen an.

„Männer können so blind sein wenn es um eine attraktive Frau geht. Oder aber sie wollen nicht sehen. Zumindest nicht was ihr Bild von einer perfekten Frau zerstört, Hauptsache sie dürfen ran.

Mein Gott Juan, ich bin so froh dass du mehr nach mir kommst, da brauch ich mir wenigstens keine Sorgen um dich zu machen.“ Sie klopfte mir auf die Schulter und sah zum Himmel hinauf.

„Ich wette es wird wieder schneien.“ Ihr Blick fiel auf mich und wurde zu einem sanften Lächeln. „Und dass du mir ja erst ein Mädchen mitbringst wenn es dir ernst mit ihr ist und ich Hochzeitseinladungen drucken kann. Aber wehe du tust es vor deinem fünfundzwanzigsten Geburtstag.“

„Keine Sorge hab ich nicht vor.“ Erwiderte ich grinsend.

War ich denn völlig bescheuert meine Freiheit aufzugeben und mich zu binden, ich hatte ja nicht mal eine Beziehung. Ich konnte mir nehmen wen ich wollte und wann ich wollte, egal ob Frauen oder Männer. Für mich spielte das keine Rolle solange ich meinen Spaß dabei hatte.

„Ich komme dann am zwanzigsten nächsten Monat.“ Sagte ich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

Sie umarmte mich fest und zupfte mein Haar noch zurecht, das mir teilweise in die Stirn fiel.

„Juan!! Sieh zu, dass du gegen Mittag hier bist dann gehen wir essen.“

Ich nickte und warf meinen Rucksack auf den Rücksitz meines klapprigen Golf zwei.

„Mach‘s gut mein Schatz und melde dich sobald du angekommen bist.“ Rief sie als ich mich in den Wagen setzte.

„Mach ich!“ Ich winkte ihr zu und fuhr die Auffahrt unseres Einfamilienhauses runter, in dem meine Mom ganz allein zurück blieb.

Durch den Rückspiegel sah ich sie hinter mir auf der Straße stehen, gehüllt in ihr weißes, selbst gehäkeltes Tuch, das sie sich zum Schutz vor der Kälte um die Schultern gelegt hatte. Es tat mir weh, ich ließ sie ungern allein zurück aber sie weigerte sich mit mir in meine WG zu kommen, in Köln. Sie sagte sie könnte den Gestank von zwei jungen Männern nicht ertragen und uns unseren Müll hinterher räumen… ich beharrte, sagte ihr dass wir das schon selber machten aber ich sah in ihren Augen, dass sie ihr Haus einfach nicht verlassen wollte, ihre einzige Zuflucht und Oase der Ruhe.

Eigentlich wollte ich noch ein paar Tage bleiben aber sie hatte darauf bestanden dass ich zurück fuhr, immerhin hatte ich jetzt eine Woche die Uni geschwänzt um bei ihr zu sein.

Mein Weg war nicht allzu lang, zwei Stunden wenn überhaupt und wenn ich dabei ein zwei Pausen einlegte war ich gegen Nachmittag zuhause und würde mich erst mal hinlegen, denn bei meiner Mutter hatte ich kaum geschlafen. Die ersten zwei Nächte hatten wir die ganze Nacht über bis in den Morgengrauen geredet, die arme Frau war ganz schön geladen. Stundenlang hatten wir über das armselige Verhalten meines Vaters diskutiert. Die Nächte darauf hatten wir gelacht, über meine Kindheit geredet und getrunken wie die Scheunendrescher.

Okay, ich wusste nicht wie es war dreiundzwanzig Jahre lang Tag für Tag und Nacht für Nacht mit ein und demselben Menschen zusammen zu sein wie gesagt ich war ja eh nicht der Typ für Beziehungen und ertrug meine Partner auch nicht länger als für eine Nacht.

Nun, das Leben war eben ein russisches Roulette, wenn man sich langfristig auf jemanden einließ. Und es konnte sicher vorkommen, dass man sich nach einem frischen Wind sehnte, wenn einen der Alltag einholte und Veränderung brauchte. Aber doch nicht indem man sich bei Nacht und Nebel davon stahl ohne ein Wort zu sagen… wenn er sich trennen wollte, hätte er diese Dinge sagen oder ansatzweise erwähnen müssen… oder etwa nicht?? Ich fand das war er ihr nach zwei Jahrzehnten Ehe schuldig… auch wenn meine Mutter stark war… oder es zu sein glaubte… hatte es sie verdammt hart getroffen. Nun, wenigstens steckte sie es einigermaßen gut weg, auch wenn ich bezweifelte dass der alte Sack zurück kommen würde.
 

Nach einer Stunde Fahrt bekam ich Lust auf etwas Süßes und war dementsprechend glücklich, als ich an einer Raststätte halten konnte.

Im Auto begann ich genüsslich meinen heißen Milchkaffee mit dem Schokoriegel umzurühren, ehe ich in die schmelzende Schokolade hinein biss.

Mein Gott, das war besser als jeder Quickie!!

Im selben Moment klopfte es leise am Fenster. Ich schielte zur Beifahrertür und sah erstaunt in das Gesicht eines jungen Typen, vielleicht sechzehn oder siebzehn, älter war der sicher nicht.

Ich kurbelte also das Fenster hinunter und sah zu ihm auf. „Was gibt’s?“ fragte ich.

Er hatte ein süßes rundliches Gesicht mit großen braunen Rehaugen. Seine Haarfarbe erinnerte mich an meinen Schokoriegel der mir gerade geschmolzen über die Hand lief.

„Hi… ehm… das… das klingt jetzt bestimmt etwas doof aber mein Reisebus hat mich hier vergessen.

Als ich vom Klo zurück kam war der schon weg, mitsamt meiner Klasse…

Ich steh seit heute Morgen hier und hab keinen gesehen der mir… irgendwie vertrauenswürdig genug erschien… damit ich ihn fragen konnte… und da hab ich dich gesehen…“

Mit jedem Wort hoben sich meine Augenbrauen ein Stück höher.

Sah ich wirklich so vertrauensselig aus? „Komm auf den Punkt Kleiner. Willst du Geld?“ fragte ich.

Jetzt sah er mich genauso überrascht an wie ich ihn.

„N…nein!! Ich hab dein Kennzeichen gesehen du bist aus Köln nicht wahr? Da muss ich nämlich auch hin. Kannst du mich vielleicht mitnehmen?“

Einen Moment lang musterte ich seine Erscheinung. Eine einfache Jeans, rotes Sweatshirt das farblich zu seiner roten Nasenspitze und den roten Ohren passte, das schokobraune Haar, das vorn etwas länger war als hinten und ihm teilweise in die Augen fiel.

„Ich könnte dir auch etwas Spritgeld geben.“ Versuchte er es weiter, als er glaubte mich erweicht haben zu können.

Ich steckte mir den Schokoriegel in den Mund, bevor ich mich noch völlig einsaute und für eine Sekunde war ich sogar Sauer darüber, dass ich während meines alltäglichen Rituals, meine Eigeninterpretation von einem Mochaccino, gestört wurde.

„Wenn du Geld hast, warum fährst du dann nicht mit dem Taxi?“

Er sah eigentlich recht harmlos aus. Und wenn er jemanden ausrauben wollte, hatte er absolut keinen Riecher dafür wo er Geld finden konnte.

„So viel hab ich nicht…“ da hielt er mir einen zehn Euro Schein entgegen.

Irgendwie brachte mich das dann doch zum lächeln.

„Na dann spring mal rein.“

Ich öffnete ihm die Tür, was konnte schon passieren?

Als wir losfuhren hatte er sich an seinem Rucksack festgeklammert und starrte vor sich hin. Mein Mitfahrer war schweigsam, wenn man ihn nicht ansprach.

„Warst du mit deiner Klasse unterwegs? Wolltet ihr zum Weihnachtsmarkt?“ tastete ich mich an ihn heran.

Er nickte. „Ja sowas in der Art.“

„Wie konnten die dich denn einfach vergessen?“

Da schenkte er mir ein schiefes aber überaus niedliches Lächeln.

„Ich bin nicht sonderlich beliebt in der Klasse, da war es den anderen sicher nur recht, dass ich dort geblieben bin. Ich war etwas länger auf dem Klo weil ich Bauchschmerzen hatte…“ murmelte er und seine Wangen röteten sich.

„Hast wohl zu viele Bohnen zu Mittag gehabt, was?“ fragte ich grinsend. Und da begann mein neuer junger Freund, der auf den Namen Lukas hörte (innerlich taufte ich ihn auf den Namen Luke Skywalker, ich fand für jeden einen Spitznamen) aufzutauen. Er lachte über meine Witze, erzählte mir, dass er aus einem kleinen Kaff kam und die Eiskruste zwischen uns begann mehr und mehr zu bröckeln.

Eigentlich war er ein süßes kleines Ding und wären wir in einer Bar aufeinander getroffen, hätte ich ihn mit nachhause genommen.

„Ich bin übrigens Juan… und dem Klischee meines Namens entsprechend ein waschechter, halber Spanier.“
 

Am Dom hielt ich an. Hier war es unglaublich belebt, die Menschen hatten sich in Hülle und Fülle auf dem Weihnachtsmarkt eingefunden, machten Fotos am und im Dom und tranken Glühwein.

„Also… vielen Dank, das war echt nett von dir.“ Sagte Luke… äh… Lukas und holte seinen zehn Euro Schein wieder hervor.

„Lass mal stecken, vielleicht brauchst es für deine Rückfahrt, falls du deine Klasse nicht findest. Ruf doch jemanden an, irgendeine Nummer wirst du doch wohl haben?“

Da errötete er wieder und kratzte sich an der Wange, dabei starrte er auf seine ausgelatschten Sneaker.

„Ich hab kein Handy dabei…“

Langsam aber sicher fragte ich mich wie dieser Bengel hier überleben wollte… geschweige denn seine Klasse wiederfinden wollte…

„Okay warte kurz. Bleib bitte sitzen.“ Sagte ich als er schon die Tür halb geöffnet hatte.

Ich blinkte und fuhr wieder in die Straße ein.

„Was machst du?!“ rief er überrascht.

„Was glaubst du wohl, ich kann dich ja schlecht so zurücklassen oder?“ fragte ich und ignorierte seine Proteste.

Irgendwie fühlte ich mich für ihn verantwortlich und würde ich ihn einfach zurücklassen würde ich mich mein Leben lang fragen was aus ihm geworden war, dem Jungen den ich mal in der Stadt zurückgelassen hatte…

Er kam mir so hilflos und klein vor, ich musste ihn beschützen.

Und so kam es schließlich, dass wir gemeinsam über den dicht bevölkerten Weihnachtsmarkt schlenderten. Es war kalt, keine Frage aber gehen konnte ich wirklich nicht. Außerdem hatte ich ja auch nichts Besseres vor.

Wir liefen eine ganze Weile durch die Innenstadt und kamen nur schleppend voran, bis wir an einem Fast Food Restaurant hielten.

Da ergriff mich plötzlich seine kalte Hand.

Als ich runter blickte, sahen mich seine Augen völlig verzweifelt an.

„Keine Sorge, irgendwo müssen die doch sein…“ sagte ich aufmunternd aber er schüttelte wild den Kopf.

„Hör mal Juan, du musst das nicht machen, geh doch nachhause, es ist kalt… ich bin dir schon dankbar dass du mich den weiten Weg bis hierher mitgenommen hast…“

Aber ich grinste. „Ach was ich hab doch gesagt ich hab eh nichts vor und…“

„Ich hab dich belogen!“ platzte es aus ihm heraus.

Ich starrte ihn an als hätte ich mich verhört.

„Wie bitte?“

Er ließ den Kopf beschämt sinken und rieb sich den Arm, nachdem er mich losgelassen hatte.

„Ich… in Wahrheit war ich mit jemandem unterwegs… aber wir haben uns gestritten und er hat mich an der Tankstelle zurück gelassen… wir wollten hierher zum Weihnachtsmarkt kommen und ich… ich dachte ich finde ihn hier… ich wollte dich nicht ausnutzen es tut mir so leid… dabei warst du so nett zu mir…“

Okay das war schon etwas überraschend. Ich fuhr mir mit einer Hand durch das Haar und seufzte schwer.

„Oh Mann… welches Arschloch macht denn so etwas?

Du hast ja komische Freunde und dann kommst du ihm auch noch hinterher. Dann kann ich dich erst recht nicht allein lassen, für den Fall dass er dich wieder hängen lässt oder?“

Lukas‘ Augen wurden größer, er hob ruckartig den Kopf und starrte mich fassungslos an.

„Du… du willst… mir trotzdem helfen…?“

Ich verschränkte beide Hände hinter dem Kopf und sah ihn nun meinerseits an als wäre er auf den Kopf gefallen. „Natürlich ich bin doch kein Unmensch. Sonst frag ich mich ein Leben lang was wohl aus dir geworden ist, selbst wenn ich alt und grau bin, oder ob du irgendwo an irgendeiner Tankstelle rumlungerst…“

Das ließ den kleinen so süß lächeln, dass es einem schon fast das Herz brach.

Welcher Widerling hatte dieses arme Wesen nur im Stich lassen können?!

„Na komm, dann sehen wir mal. Vielleicht treibt der sich irgendwo rum.“ Ich legte die Hand auf seine Schulter und schob ihn vorwärts.

Wir liefen weiter, für mich war das aber ein Grund mehr bei ihm zu bleiben.

Irgendwann blieb Lukas stehen, ich drehte mich zu ihm um als er vor einem Cafe inne hielt und hinein starrte.

Ich folgte seinem Blick und sah, was er da so gebannt anstarrte.

Da drin saß ein fetter Kerl, fein gekleidet und einem teuer aussehenden Schal um seinen Hals, mit einem Mädel das einen ziemlich kurzen Rock trug. Die beiden flirteten ganz schön heftig. Der Typ sagte etwas worauf das Mädchen in einen kleinen charmanten Lachanfall verfiel. Das war wohl grünes Licht für ihn, denn da legte er die Hand auf das schlanke Bein und ehe wir uns versahen fingen die beiden an wie wild herum zu knutschen.

Ich fragte mich manchmal wirklich wie solche Typen an so hübsche Mädchen kamen… okay sooo fett war er auch wieder nicht, andere würden es als „stabil“ bezeichnen, aber sein schweres Doppelkinn hatte bei mir keinen Platz für Schönrederei.

Im ersten Moment fiel es mir gar nicht auf, aber der Kleine neben mir verkrampfte sich mehr und mehr.

„Du Arschloch!!!“ schrie er plötzlich so laut, dass ich neben ihm zusammen fuhr und ihn erschrocken anstarrte.

Meinte er mich?!

Aber der fette Kerl fuhr hoch, sah hinunter und seine Augen begegneten Lukas.

In den Augen meines jungen Freundes blitzte blanker Zorn, Enttäuschung und selbst eine kleine Träne auf.

Der Typ fuhr in seinem Stuhl hoch aber bevor er einen Satz tun konnte war Lukas schon mit klimperndem Rucksack davon gerannt.

Der Kerl schoss aus dem Cafe und rannte ihm hinterher, was ich für jemanden mit seinem Umfang schon als beachtlich bezeichnen konnte.

Doch mittlerweile verstand ich nur noch Bahnhof, also lief ich den beiden hinterher.

In einer Gasse hatte er Lukas eingeholt und packte ihn am Arm, dieser schrie und wollte sich losreißen, der andere war allerdings breiter und fast zwei Köpfe größer als er. Sein Griff war fest wie ein Schraubstock, das sah ich auch von hier.

Und was ich noch sah gefiel mir gar nicht… Lukas weinte… und wie er weinte.

Das war zu viel…

„Du dreckiges Arschloch ich hasse dich!!! Verreck doch in der Hölle!!“ schrie er.

Der fette holte aus und bevor er Lukas eine verpassen konnte, hatte ich ihn am Arm gepackt und stieß ihn zurück.

Lukas sah mich aus großen verweinten Augen an doch ich beachtete ihn nicht, mein Blick war fest auf den anderen gerichtet, der ein paar Schritte zurück gestolpert war und musterte mich abfällig.

„Sieh mal einer an… mir machst du eine Szene, aber hast schon selbst einen neuen Stecher, was? Und dann auch noch ein gutaussehender Ausländer.“ Er lachte schmierig und das ließ mich noch wütender werden.

„Ich wusste gar nicht dass du auf schwarze Schwänze stehst, hn?“ er grunzte belustigt, was seinen Eindruck von einem Schwein nur noch mehr vergrößerte.

„Halt die Fresse und verpiss dich, ehe ich mich vergesse du fetter Bastard!“ fuhr ich zurück, doch da packte mich Lukas am Arm.

„Juan! Komm…“ sagte er leise und zog mich zurück. Zuerst hatte ich die Füße in den Boden gestemmt, hätte dem Fettklops fast eine rein gehauen, als der auch noch anfing über mich herzuziehen und sich dabei in den Schritt packte.

„Der kann es dir auch sicher besser besorgen ich hab gehört Südländer sollen ja richtig scharfe Liebhaber sein!“

Die Blicke um uns herum ignorierte ich, nun war es an mir Lukas zu packen und ihn hinter mir her zu ziehen. Das bedurfte keines großen Kraftaufwandes, Lukas wehrte sich nicht und auch die Beschimpfungen überhörten wir.

„Und so einem dreckigen Arschloch heulst du hinterher??“ fuhr ich ihn an, da zog der Kleine den Kopf ein.

Wütend schnaufte ich vor mich hin und stampfte mit ihm zum Auto zurück.

Als wir im Wagen saßen starrte ich auf die Windschutzscheibe und konnte genau sehen, als die ersten Schneeflöckchen darauf fielen und fast sofort zu Wassertropfen wurden.

Kleine weiße Flöckchen, die immer mehr wurden und zerschmolzen, sobald sie das Glas berührten.

Lukas schniefte in seinen Rucksack, aber ich sagte nichts sondern fuhr einfach los. Und das schien ihm auch recht zu sein.

Meine Mutter aber hatte wie immer Recht behalten.

Es schneite.

Kapitel 2

Zuhause warf ich meinen Rucksack auf die Kommode im Flur.

„Leg deine Sachen irgendwo ab, Platz haben wir reichlich.“ Sagte ich und zog mir auch die Jacke aus.

Ich war einfach nur noch froh zuhause zu sein…

Als ich keine Reaktion vernahm drehte ich mich zu ihm um. Lukas stand so verloren und betreten hinter mir, dass mich der Anblick allein schon wieder schmerzte.

„Mein Mitbewohner ist für ein paar Semester im Ausland, keine Sorge.“

Aber das schien ihn nur noch mehr zu verunsichern.

„Ich… ich sollte gar nicht hier sein… ich gehe besser…“ Und da drehte er sich um und griff zum Türknopf.

„Und wo willst du hin?“ Ich packte ihn an der Kapuze.

„Zum… zum Bahnhof…“ stammelte er und umklammerte seine Tasche wieder, als würde er ohne sie ersaufen.

„Ich fahr dich nachher zum Bahnhof also komm erst mal rein und wir wärmen uns mit ‘nem Kaffee auf, hm?“

Warum konnte ich nicht genau sagen aber er weckte meinen natürlichen Beschützerinstinkt, den ich eigentlich nicht so von mir kannte.

Energisch und ohne Widerworte zu dulden schob ich ihn rein. Ich dirigierte ihn in mein Zimmer, als ich sah, dass das Wohnzimmer ein einziger Saustall war.

Pascal, mein Mitbewohner, war gestern Abend nach England geflogen. Dieser Penner hätte ruhig vorher noch aufräumen können statt hier auch noch wilde Orgien zu veranstalten. Wenn das so weiterging würde ich eine Putzfrau auf seine Kosten organisieren!

Nun ich war auch kein Putzteufel aber Hygiene war für mich mehr als wichtig, das hatte ich ebenso von meiner Mom.

Lukas staunte nicht schlecht als er das Zimmer betrat. Es war ordentlich aufgeräumt, alles schien seinen Platz zu haben. Die Bücher auf den Sideboards, der Schreibtisch war Sauber, ein paar Poster an den Wänden von diversen Bands. Von dem Boden mal abgesehen, von dem man problemlos essen konnte aber selbst dafür war er zu schade.

Zumindest aus meiner Sicht.

„Leg deine Sachen ab, das hier ist mein Zimmer. Also keine Sorge, okay?

Möchtest du Kaffee oder lieber etwas anderes?“ fragte ich.

Naja es konnte ja sein, dass er sich unwohl fühlte, weil er hier bei einem wildfremden Menschen zuhause war…

Lukas stand verlegen da, setzte langsam seine Tasche ab, als wäre sie eine tickende Zeitbombe, scharrte dabei leicht mit der Fußspitze über den Boden.

„Hast du auch Kakao?“ fragte er leise.

Er wurde ja schon wieder rot!

„Mit Sahne?“ Ich grinste.

Da strahlte er mich wie ein Honigkuchenpferd an. Also ließ ich ihn allein und ging in die Küche.

Mein Zimmer war wohl der einzige Raum in der Wohnung, der noch sauber war. Hier in der Küche sah es auch nicht besser aus als im Wohnzimmer.

Und während ich Kaffee und Kakao zubereitete, den ich für eine Minute in die Mikrowelle gab, ließ ich die heutigen Geschehnisse noch einmal Revue passieren.

Lukas war also mit diesem ekligen Kerl unterwegs gewesen, der ihn nach einem Streit einfach so mitten auf der Autobahn an einer Raststätte zurück gelassen hatte… während der selbst hier in Köln ungehemmt mit Mädels rumknutschte.

Der Typ war definitiv sein fester Freund oder wie erklärte man sich seine Worte? Warum hätte er sonst einen Grund gehabt ihn so zu behandeln? Doch wieso knutschte er mit dem Mädchen herum? Vielleicht war der Kerl ja Bi… oder hatte gerade sein Interesse an dem anderen Geschlecht entdeckt.

Lukas war ein scheues Kerlchen und wenn der dann an so einen Ekel geriet ließ der auch womöglich alles mit sich machen. Und eben dieses Kerlchen saß gerade in meinem Zimmer und heulte sich wegen so einem die Augen aus.

Die Mikrowelle piepste auf und ich ging zurück, reichte Lukas seine Tasse Kakao mit extra viel Sahne und ein paar bunten Streuseln, die ich noch gefunden hatte.

Sein glückliches Gesicht dabei zu sehen stimmte auch mich zufrieden. Also setzte ich mich ans Kopfende des Bettes und lehnte mich dabei an die Wand, wobei er am Fußende saß.

Eine Weile schwiegen wir uns an.

Er hielt die Tasse in beiden Händen und drehte sie leicht. Seine Unsicherheit roch ich bis hierhin.

„Es tut mir leid, dass ich dich belogen habe… du warst so freundlich und ich hab dich einfach verarscht…“

Wie oft wollte der sich noch entschuldigen?

„Schon okay. Mach dir da keinen Kopf drum.“, erwiderte ich und nippte an meinem heißen Kaffee.

Wieder einen Moment lang Stille.

„Willst… du nichts fragen…?“ piepste seine Stimme plötzlich.

„Willst du denn dass ich es tue?“ fragte ich zurück und sah ihn an.

Da schwieg er wieder und blickte erneut gedankenverloren in seine Tasse.

„Also… was… was er gesagt hat tut mir Leid…“

Ich trank vorsichtig einen Schluck. „Für so einen widerlichen Mistkerl brauchst Du dich nicht zu entschuldigen.

Aber eines muss ich dir sagen, du hast einen grauenhaften Geschmack was die Wahl deiner Partner angeht. An deiner Stelle würde ich wählerischer sein.“

Seine Augen rissen auf. „Er… er ist nicht… ich… ich meine… weißt du er und ich wir…“ fing er an wie entgeistert zu stottern aber ich sah ihn nur gelangweilt an.

„Halt mich nicht für blöd okay? Ich weiß genau was ich da gesehen und gehört hab.

Kein Mensch der euch gesehen hat würde nicht glauben, dass nichts zwischen euch läuft.“ Ich grinste unwillkürlich und wollte es mir aus dem Gesicht wischen aber es hatte sich an meine Mundwinkel festgekrallt und ließ nicht mehr locker.

Lukas presste sich eine Hand ins Gesicht. „Oh… Gooott….“ wimmerte er leise und seine Röte wurde tiefer und tiefer.

Da beschloss ich ihn zu erlösen.

„Da ist doch nichts dabei mein Mitbewohner ist auch schwul.“, log ich.

Aber diese kleine Lüge ließ ihn hoffnungsvoll Aufsehen.

Was hätte ich denn tun sollen, ihm sagen dass ich selber auch Interesse an Männern hatte? In so einem Moment ganz bestimmt nicht.

„Wirklich…?“

Ich lächelte den armen kleinen Kerl an. „Ja ich kenn das schon, keine Angst. Mich stört das auch nicht, weißt du. Ich seh oft genug männliche nackte Ärsche und andere Genitalien hier durch die Wohnung hüpfen.“

Das brachte ihn zum Lachen.

Es war richtig amüsant sein Gesicht mit all den wechselhaften und intensiven Emotionen zu betrachten. Vielleicht hätte ich jetzt gesagt er war zu jung um seine Gefühle hinter einer Maske zu verbergen, aber es lag wohl eher in seiner einfachen Natur.

Nun, aber ich sah zumindest wie er sich etwas mehr entspannte. Hatte er sich deswegen unwohl gefühlt? Weil er nicht wusste wie ich darauf reagieren würde und auch die ganze Zeit wütend geschwiegen hatte?

„Sag mal, was machst du eigentlich so? Gehst du zur Schule?“ fragte ich nach einer Weile nachdem ich ein paar Chips aus dem Schrank geholt hatte. Ich hatte es schon lange aufgegeben meinen privaten Vorrat in der Küche zu lagern, da wurde mir eh alles weggefressen.

„Bin diesen Sommer raus aus der Schule…“ murmelte er, das Thema war ihm wohl unangenehm.

Aber ganz ehrlich? Als ich sah wie er etwas Sahne an den Lippen hatte musste ich mich wirklich zusammenreißen, besonders als seine kleine süße Zunge hinaus fuhr und über die weiße Köstlichkeit leckte, über die ich gern selbst hergefallen wäre.

„Wie alt bist du denn?“ fragte ich um mich abzulenken.

Jetzt lächelte er stolz. „So gut wie achtzehn.“

Oho… er war also vier Jahre jünger als ich.

Das entlockte auch mir ein kleines Lächeln, ich fand ihn richtig niedlich.

Er erzählte mir, dass er wie ich ein Einzelkind war, seine Eltern lebten schon lange nicht mehr er konnte sich kaum mehr an sie erinnern. Seit er denken konnte lebte er mit seinen Großeltern zusammen, doch sein Großvater schien sehr krank zu sein. Und da seine Oma auch schon älter war, konnte sie sich kaum um seine schulische Ausbildung kümmern oder ihm irgendwie einen Weg weisen.

„Du könntest ein Jahr Berufsschule machen, damit du dich orientieren kannst.“ Half ich ihm auf die Sprünge. „Dann hättest du Zeit zum überlegen.“

Lukas nickte nur und biss sich auf die Unterlippe. Ich beschloss ihn damit in Ruhe zu lassen.

„Wie wär‘s bleib doch ein paar Tage bei mir? Ich bin eh alleine, du kannst deine Großeltern natürlich anrufen. Ich hab zwar tagsüber Uni aber meistens hab ich dann zwischendurch nachmittags frei. Am Freitag fahre ich dich dann zum Bahnhof. Tut dir bestimmt gut so ein bisschen Abstand, meinst du nicht?“

Was ich mir dabei dachte…? Um Gottes Willen das weiß ich doch nicht, aber ich wollte ihn nicht gehen lassen…

Lukas sah mich an, seine Tasse hatte er noch in den Händen, doch ich war mir sicher, dass sie bereits leer war.

„Ist… das denn in Ordnung? Ich… du weißt doch ich hab nicht viel Geld…“

Aber ich schüttelte den Kopf. „Mach dir da mal keine Gedanken drum verhungern werden wir beiden auch schon nicht. Ich arbeite an Wochenenden, darum ist das kein Problem.“ Ich stand auf und gähnte.

„Und jetzt mach dich endlich mal locker, wenn du die ganze Zeit so steif und betrübt hier rumsitzt wird mir auch ganz flau!“ aber da kam mir eine Idee und ich ging zurück in die Küche.

Als ich wieder zurück war hielt ich das Telefon und ein paar Prospekte in der Hand.

„Also ich weiß ja nicht wie es mit dir aussieht, aber ich hab Hunger.“ Dabei breitete ich die Karten vor ihm aus.

„Es gibt Chinesisch, Italienisch, Japanisch, Türkisch, falls du Döner willst den kriegen wir draußen, ansonsten hab ich hier noch Indisch, Griechisch und… äh… keine Ahnung was das hier heißen soll…“ sagte ich verwirrt und starrte auf die Kunterbunte Karte die voll war mit exotischen Schriftzeichen und kleinen Abbildungen von Nudelsuppen, Schrimps oder was waren das? Krabben?

„Pascal, mein Mitbewohner, der studiert Anglistik… und weiß der Geier warum, der schleppt dauernd komisches Zeugs an, ich frag mich wie der das isst… Aber er frisst echt alles… wenn er Urlaub hat zieht er durch die schlimmsten Gegenden verschiedener Länder und Städte und probiert jeden verdammten Mist…“ Angeekelt warf ich die Karte hinter mich. Das sah mir dann doch zu verdächtig aus… bei Pascal wusste man echt nie woran man war…

„Ich mag das aber auch…“ gab Lukas zu und ich sah ihn überrascht an.

„Was, undefinierbares Zeug essen??“ fragte ich skeptisch, da lachte er aber verlegen.

„Nein… asiatisches Essen… das da ist Koreanisch… und ich mag das essen…“

Da seufzte ich verständnislos und Lukas lachte wieder.

Oh Himmel und wie unglaublich süß sich sein Lachen anhörte… wenigstens weinte er nicht mehr und immerhin war ich jetzt nicht mehr alleine.
 

Den Abend verbrachten wir damit uns Filme anzusehen und uns Pizza und Taccos rein zu schaufeln.

Und der kleine Skywalker blühte langsam richtig auf. Er wurde immer offener, lachte mehr und dieser fürchterliche Tag war vergessen.

Bis der Morgen heran nahte und ich durch das schrillen meines Weckers aus dem Bett sprang.

Völlig verpennt sah ich mich um… der Fernseher lief noch doch die DVD war längt zu Ende… wir waren wohl davor eingeschlafen…?

Es raschelte und ich schielte hinunter. Da lag der kleine doch tatsächlich neben mir und hatte sich in mein Kissen gekuschelt.

Für einen kurzen Augenblick vergaß ich sogar die Zeit… seine langen Wimpern warfen einen kleinen Schatten auf seine weichen noch leicht rundlichen Wangen. Das Haar fiel ihm zerzaust ins Gesicht und die verführerischen Lippen waren halb geöffnet.

Was… was dachte ich da? Ich musste los!

Schnell sprang ich aus dem Bett und rutschte auf der Pizzaschachtel aus.

„Juan…?“ nuschelte Lukas und schielte über das Bett zu mir hinunter.

Ich verzog das Gesicht und lachte. „Scheiße!“ knurrte ich und rieb mir den Kopf.

„Hast du dir weh getan?“ fragte er besorgt, aber ich sprang auch schon wieder auf.

„Nein… nein ich komm zu spät zur Uni!“ rief ich und blickte hoch. Sein Gesicht war halb versteckt und versuchte krampfhaft mich nicht anzustarren.

Hä?

Als ich an mir runter blickte sah ich meine ausgebeulten Shorts, doch ich spielte es mit einem Lachen runter. „Bin über mein eigenes Teil gestolpert…“

Der Kleine prustete ins Kissen und ich grinste, schnappte meine Hose und zog mich auf einem Bein hüpfend an.

„Der Kühlschrank ist voll, bedien dich ruhig! Fühl dich wie zuhause, ich bin gegen halb vier zurück und wenn du raus gehst nimm dir von Pascals Schreibtisch die Schlüssel!“

Wie ein geölter Blitz sprintete ich nach draußen und knallte die Tür hinter mir zu.

Eigentlich war ich ein Morgenmuffel aber das war wirklich das erste Mal, dass ich an einem Morgen so fröhlich in die Uni stürmte.

In den Vorlesungen konnte ich mich kaum konzentrieren denn meine Gedanken drifteten dauernd ab. War der Kühlschrank wirklich voll? Lag der Schlüssel wirklich da wo Pascal ihn lassen wollte…? Hatten wir Brot zuhause? Und wenn der Kleine verhungerte?? Oder wenn er rausging, ohne Schlüssel und die Tür hinter ihm zu fiel…?! Oder wenn er sich nicht traute Brot zu holen, weil er eben draußen bleiben könnte…?? Achso… nein wir hatten ja auch noch diese fertigen Spaghetti… mit der Soße in der Packung… aber… aber was wenn er gar keine Spaghetti kochen konnte??

„Hey!“ jemand stieß mich von der Seite an.

Ich starrte in die großen grünen Augen meines Sitznachbars.

„Was starrst du denn so belämmert Löcher in die Luft?! Hattest wohl ein tolles Wochenende, was?“ knurrte Chris mir zu. Er war ein guter Freund von mir und zufälligerweise studierten wir beide Betriebswirtschaftslehre.

„Seh ich so aus?“ fragte ich grinsend.

„Du siehst aus wie ein liebeshungriger Pavian.“ Er lachte, was mich aber irritiert dreinschauen ließ.

„Nein, ich hab nur grad ein Haustier zuhause und frage mich ob es verhungert solange ich nicht da bin.“ Erwiderte ich.

Chris sah mich aus großen Augen an. „Ein Haustier? Was ist es denn?“

Mein Grinsen wurde pervers. „Ein Lämmchen.“

Der alte Hund verstand sofort.

„Ich glaub‘s ja nicht… ich dachte du hast was gegen Haustiere und hältst sie nie länger als eine Nacht…“ flüsterte er mir mit fast demselben Grinsen zu.

„Naja dieses Haustier ist irgendwie interessanter als all die, die ich vor ihm hatte.“

„Und grast ihr denn auf derselben Weide?“ fragte er weiterhin, was mich breit grinsen ließ und das reichte ihm wohl als Antwort. „Eigentlich schon aber davon weiß er nichts.“

Da lachte er verblüfft. „Dass ich das noch erleben darf… ich will auch das Lämmchen sehen!“

„Sagt mal…“ da schaltete sich eine Stimme über uns ein. „...sprecht ihr wirklich über Lämmer?“ fragte Nele, eine weitere Freundin die über uns saß und uns mit skeptischen Augen betrachtete.

„Määh!“ antworteten Chris und ich zeitgleich und lachten herzlich, wofür wir von unten herauf ein Stück Kreide vom Prof entgegen geworfen bekamen.

„Meine Herren ich darf doch wohl bitten, wir sind hier nicht im Streichelzoo!“

Das ließ uns noch mehr auflachen doch wir verstecken unsere Gesichter in den Schals die wir trugen und lachten unterdrückt weiter.
 

Gegen Nachmittag war ich viel früher zuhause als sonst.

Für gewöhnlich schlenderte ich noch umher oder erledigte ein paar Besorgungen, wenn ich mal nicht mit Chris oder ein paar anderen Leuten zusammen war.

Schon als ich die Tür aufschloss wehte mir ein merkwürdiger Geruch entgegen und ließ mich kurz im Flur erstarren. Ich legte die Schlüssel und meine Tasche ab, schritt gerade durch den Flur da sah ich etwas, was ich nie zu hoffen gewagt hatte. Der Boden glänzte richtig und es roch nach Frühlingsfrische, mitten im Winter.

Durch die neunzig Quadratmeter große Wohnung wehte zum ersten Mal ein frischer Wind. Es war zwar kalt, weil die Fenster weit offen standen zum lüften, aber die Küche strahlte… und das Wohnzimmer erst… und da sah ich Luke Skywalker der halb aus dem Fenster hing mit einem Tuch um den Kopf und wirkte wie ein kleiner Pirat der klar zum entern war mit seinem Mikrofasertuch in der Hand.

Im Hintergrund lief leichte Musik deswegen hörte er mich nicht als ich reinkam doch er sah die Bewegung und grinste mich verlegen an als ich das Wohnzimmer betrat.

„Was zum Teufel tust du da? Wir sind hier im vierten Stockwerk, das weißt du schon ja?“

Er wollte runter klettern von der Fensterbank aber seine Hand, die vom Seifenwasser feucht war, rutschte am Fensterrahmen aus an dem er sich festhielt.

Ich schnellte vor, packte ihn an der Hüfte und zog ihn wieder rein.

„Ich… ich dachte wenn ich schon hier bin geh ich dir auch zur Hand…“ gab er verlegen von sich.

„Das brauchst du doch nicht!“ Vorsichtig richtete ich ihn auf und schob ihn vom Fenster weg.

„Warte, das ist das letzte dann bin ich fertig!“ rief er aber als ich das Fenster schließen wollte. Ich sah ihn mit hochgehobener Augenbraue an.

Sein Gesicht war vor Kälte leicht rot angelaufen aber ich sah die Entschlossenheit in seinem Gesicht.

„Los gib her, da oben kommst du doch nie dran!“ Ich nahm ihm das Tuch ab und wischte über das Fenster das etwas höher war, wie alles andere an unserer Altbauwohnung.

„Hast du was gegessen?“ fragte ich und schloss nun das Fenster. Aber kaum hatte ich die Frage gestellt und das Fenster geschlossen, wehte mir ein angenehmer Duft in die Nase.

„Viel hab ich nicht gefunden aber ich hab einen Nudelauflauf mit Gemüse gemacht.“ Lukas zog sich das Tuch vom Kopf und rieb sich die kalte Nase, die ich am liebsten sanft angehaucht hätte, um sie wieder aufzutauen.

„Du denkst sicher ich wär ein Waschweib oder so… aber ich mach das zuhause auch oft, meine Großeltern sind doch so alt und ich kann die nicht für mich putzen oder kochen lassen, weißt du.“ Murmelte er.

Ich ahnte schon warum er das Gefühl hatte sich rechtfertigen zu müssen aber dazu hatte er absolut keinen Grund.

„Verwöhn mich bloß nicht zu sehr sonst lass ich dich am Ende gar nicht mehr nachhause.“ Ich lachte und wuschelte ihm durchs Haar.

Und je mehr ich von Lukas sah und von ihm lernte, umso süßer fand ich ihn und umso weniger verstand ich wie er sich an dieses Arschgesicht verschwenden konnte… dieser kleine Kerl war einfach nur unglaublich niedlich und man konnte sich nicht vorstellen dass es jemanden gab der ihm bewusst weh tun konnte…

Wir aßen gemeinsam, es schmeckte wirklich lecker… oder lag das an meiner netten Gesellschaft?

Im Großen und Ganzen verging die Zeit recht angenehm mit Lukas, er wurde immer offener, erzählte mehr und mehr von sich, doch ich fragte nicht mehr wegen der Speckbacke nach.

Das brauchte ich gar nicht denn ich wusste, er würde von allein damit ankommen. Denn Lukas war der Typ Mensch, der sich den stärkeren anschloss und nach Schutz suchte. Wie ein kleiner ausgesetzter Welpe, weil seine eigene Kraft noch nicht reichte.

Wir blieben lange auf und sahen uns Filme an und zwar gemeinsam auf meinem Bett, auch wenn das Wohnzimmer wieder sauber war… das störte uns beide nicht.

„Das war das abgedroschenste Ende das ich je gesehen hab!“ beschwerte ich mich und rollte mich auf den Rücken. Es war irgendein alter Film der im Mittelalter spielte, zwei Brüder die sich um den Thron stritten.

„Nein gar nicht ich fand‘s toll!“ rief Lukas und strahlte mich mit seinen kindlichen, unschuldigen Augen an.

„Was war denn so toll daran du hast doch noch weniger verstanden als ich!“ rief ich lachend, da lief er rot an vor Zorn.

„Gar nicht wahr!“

Ich lachte und packte die Hand, die auf mich einschlagen wollte.

„Du Schurke wagst es Hand an mich zu legen?!“ knurrte ich und rollte mit ihm herum, bis er unter mir landete. Seine Fluchtversuche waren eher schwächlich und ließen mich auflachen. „En Garde, du feiger Hund!“

Da strampelte Lukas noch mehr. „Wen nennst du Hund, du kleiner Wicht! Ich bin der König dieses Landes!“ zitierte er weiter. „Und wenn du nicht bald von mir ablässt, dann sperre ich dich in den Kerker und foltere dich bis du um den Tod flehst! Sollen dich die Ratten holen!“

Mein grinsen wurde breiter, plötzlich waren sich unsere Gesichter nahe… sehr nahe…

„Dann sperr mich ein und foltere mich.“, flüsterte ich und sah ihm in die Augen.

Lukas‘ Mundwinkel sackten abwärts, ganz langsam.

Zu deutlich spürte ich seinen Atem, der jetzt hastiger ging, das schnelle auf und ab seiner Brust.

Kapitel 3

Lukas‘ Mundwinkel sackten abwärts, ganz langsam.

Zu deutlich spürte ich seinen Atem, der jetzt hastiger ging, das schnelle auf und ab seiner Brust.
 

Oh Gott ja, ich wollte ihn küssen und ich schaffte es fast… ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen… aber da schrillte die verdammte Eingangstür!

Lukas fuhr zusammen als hätte man ihm eine geknallt und ich biss mir auf die Lippen, knurrte innerlich vor mich hin.

Ungebetene Gäste zu einem beschissenen Zeitpunkt!

„Das ist sicher einer von den Jungs…“ murmelte ich und erhob mich.

Im Flur richtete ich meine Haare und seltsamerweise hatte auch mein Herz für eine Sekunde schneller geschlagen, als ich in diese Rehaugen gesehen hatte… merkwürdig.

„Ja?“ rief ich durch die Gegensprechanlage.

„Hey, Don Juan, mach auf wir sind‘s!“ riefen mir die lallenden Stimmen lachend entgegen.

Ich ahnte schlimmes. Und ein Blick auf die Uhr verriet mir wen Chris da im Schlepptau hatte…

Nicht schon wieder…

Aber ich öffnete ihnen.

„Was habt ihr denn so kurz nach Mitternacht hier zu suchen?“ knurrte ich, als Chris und Frederic durch die Tür kamen.

Frederic war eine kleine Klette. Er ging zur selben Uni wie wir und war ein Bekannter von Chris. Allerdings ging der mir ganz schön auf den Keks denn er war wie ein kleiner Blutegel der sich ständig an mich heftete, nur weil ich einmal Sex mit ihm gehabt hatte und da war ich betrunken gewesen. In nüchternem Zustand hätte ich mich dem sicher nicht auf hundert Meter genähert. Nicht wegen seines Aussehens, nein es war seine komische Art, seine merkwürdige Lache… einfach nicht mein Typ. Mir kam er eher vor wie ein kleiner Gnom der ständig irgendwas im Schilde führte.

„Wir wollten dich besuchen!“ flötete Frederic und hüpfte schon durch den Flur als wäre er hier zuhause.

Er war kleiner als ich, fast so groß wie Lukas und hatte kohleschwarzes Haar und ebensolche Augen, doch sein Teint war käseweiß. Er hatte ein leicht abgerundetes Gesicht und ein trotziges schmales Kinn das sagte, dass er alles bekam was er nur wollte.

Chris trat hinter ihm ein und schüttelte den Kopf. „Sorry, der hat mich so lange genervt bis ich

mitgekommen bin.“

Ich hob die Augenbraue. „Sicher dass du nicht nur das Lämmchen sehen wolltest?“ fragte ich und schloss hinter ihm die Tür.

Chris sah mich überrascht an.

„Ach…? Der ist noch hier?“ fragte er und die Neugier stand dem alten Fuchs ins Gesicht geschrieben.

„Das habe ich dir doch heute Morgen erzählt also tu nicht so!“ Ich trat ihn durch den Flur und sah zu Frederic, der wie erstarrt vor meinem Zimmer stand.

„Wir kommen wohl ungelegen?“ fragte er und drehte sein Gesicht zu mir, sah mich mit einem spöttischen Ausdruck an.

„Ihr kommt immer ungelegen.“ Sagte ich und spürte Chris‘ Grinsen neben mir. Ich schielte in mein Zimmer und sah Lukas auf dem Bett sitzen. Er sah mich mit seinen großen hilfesuchenden Augen an.

„Das ist Lukas mein neuer Zimmergenosse.“ Ich zwinkerte ihm zu, da lächelte er schwach zurück.

Frederic sah es und sein Blick lag einen Moment lang auf Lukas.

„Los gehen wir ins Wohnzimmer!“ Ich nickte Chris zu, dieser reagierte sofort und schob Frederic weiter in den anderen Raum.

„Die sind harmlos.“ Flüsterte ich ihm sanft zu und deutete ihm mit einem Nicken mir zu folgen. Da erhob er sich artig und tapste mir hinterher.

Ich stellte den Jungs etwas zu trinken, Gläser und Chips auf den Tisch.

„Was habt ihr um diese Uhrzeit hier zu suchen?“ wiederholte ich meine Frage.

Chris aber schielte grinsend zu Lukas, ich sah deutlich in seinen Augen was er dachte.

„Wir haben geglaubt du bist allein, jetzt wo Pascal weg ist, vielleicht hast du ja Angst im Dunkeln, dacht ich mir und wollte eigentlich eine Pyjamaparty mit dir veranstalten.“, rief Frederic. Dieser saß zwischen Chris und mir, wobei Lukas links von mir hockte.

„Hier übernachten?“ fragte ich und hob beide Augenbrauen. „Bloß nicht!“ aber da klebte Frederic schon an meinem Arm und schmiegte sich an mich.

„Warum denn nicht?! Lukas pennt doch auch hier! Ich will auch hier bleiben! Oder treibt ihr beiden es miteinander und wollt dabei ungestört sein?!“ fauchte er und funkelte Lukas feindselig an.

„WAS!?“ rief Lukas und sein Gesicht lief knallrot an.

Himmel, er war so süß, man konnte ihm alles aus dem Gesicht lesen. Seine großen Augen starrten mich an und ich wusste was er sich fragte… ob ich auf Kerle stand…

Dieser Idiot Frederic brachte mich langsam in eine unangenehme Bredouille.

„Quatsch keinen Mist!“ knurrte ich und schubste Frederic von mir. „So verzweifelt bin ich nicht, dass ich mich an Kindern vergreife.“

Irgendwie hatte ich das nicht so ausdrücken wollen, aber im selben Moment als ich es aussprach wusste ich, dass ich eine Barrikade zwischen mir und Lukas aufbaute.

Und vielleicht war das auch ganz gut so… ich merkte dass mein Interesse an ihm immer größer wurde… aber lag das an ihm oder eher daran, dass ich es doch mal wieder nötig hatte und wusste, dass er zu haben war…?

Oder einfach, weil ich wusste, dass ich ihn haben konnte, wenn ich nur wollte? Er hatte mir vorhin gezeigt, dass er nicht ganz abgeneigt war sonst hätte er mich doch von sich gestoßen.

Chris sah mich verblüfft an, doch ich wich den Blicken aus, denn meine Augen hafteten wieder auf Lukas. Dieser starrte auf seine Füße und in seinem kleinen Hirn begann es zu rotieren.

War er enttäuscht? Hatte ich Hoffnungen in ihm geweckt…?

„Nun bei dir weiß man nie woran du dich als nächstes vergreifst.“ Sagte Frederic mit einem gehässigen kleinen Grinsen und stopfte sich ein paar Snacks in den Mund.

„Wenn du nicht bald deine vorlaute kleine Klappe hältst dann brech ich dir das Genick!“ Ich trat ihm hart auf den Fuß, was ihn aufjaulen ließ aber das war mir egal.

Chris rieb sich den Nacken.

„Du darfst nichts drum geben, der redet mehr als ihm gut tut.“ Sagte Chris sanft zu Lukas und hatte sich zu diesem rüber gebeugt.

Lukas nickte und griff nach seinem Cola Glas. Er war sehr zurück haltend und sprach auch recht wenig, aber Chris lockte ihn aus der Reserve, unterhielt sich ein wenig mit ihm.

Die beiden blieben nicht lange, gegen halb zwei warf ich sie auch schon wieder raus, weil ich keine Lust mehr auf Frederics Sticheleien gegenüber Lukas hatte.

„Bist du schwul?“ fragte Lukas mich plötzlich, als ich die Tür hinter den beiden Jungs schloss.

Ich brauchte ihn eigentlich nicht zu fragen wie er darauf kam, Frederic hatte ja genügend Andeutungen gemacht.

„Bist du schwul oder nicht?“

Da drehte ich mich zu ihm um und sah zu ihm hinunter. Sein Blick war auf den Fußboden gerichtet aber dann hob er ihn langsam und blickte mich an.

„Und wenn es so wäre?“ erwiderte ich.

Da packte er seine Jacke, die an der Garderobe hing.

Überrascht griff ich nach seiner Hand doch er riss sie zurück. „Was tust du…?“ fragte ich verwirrt.

„Ich gehe, siehst du doch!“ Er zog sich seine Jacke an, zerrte den Reißverschluss zu.

„Ich sehe es aber warum?!“ Ich packte den Rucksack, den er schulterte.

Warum?!“ fuhr er mich mit einer Heftigkeit an, die mich erstarren ließ. „Du hast mich aus Freundlichkeit mitgenommen, ja?! Weil du nett sein wolltest, wolltest du dass ich hier bleibe?! Weil du Mitleid hattest, nicht wahr?!“ Er schubste mich zurück. „Und was war das vorhin?! Du wolltest mich küssen! Und dabei hast du mir gestern gesagt du seist nicht Schwul sondern dein Mitbewohner, du elender Lügner!!

Ich glaube dir kein Wort!! Du hast mich mitgenommen weil du gesehen hast dass ich auf Männer stehe!! Du bist keinen Deut besser als er!!“ Er wurde immer lauter und sein Gesicht nahm eine immer tiefer werdende Röte an. „Wolltest du mich ins Bett kriegen?! Ah… nein… nein warte, du stehst ja nicht auf Kinder! Und was war das eben, bevor die beiden gekommen sind?! Warum hast du mir nicht gesagt dass du auf Männer stehst?!“ Die Verwirrung in mir wurde größer und größer, so wie seine Wut sichtbar größer wurde.

„Das ist doch gar nicht wahr, ich hab mit keinem Wort erwähnt ob ich Schwul bin oder nicht, ich habe nur gesagt mein Mitbewohner ist es. Und jetzt beruhig dich doch mal ja…?“ versuchte ich sanft und wollte ihn wieder runter kriegen aber er kam erst richtig in Fahrt.

Wer von uns beiden war hier nochmal der temperamentvolle Südländer?

„Ich bin ein gottverdammter Fremder!! Warum solltest du mich sonst mitnehmen?! Aus Gefälligkeit?!“

Völlig überfordert mit der Situation seufzte ich und rieb mir das Gesicht. „Als ob es dir nicht gefallen hätte, als ich mich dir nähern wollte.“ Sagte ich langsam.

Seine Augen flogen ihm bald aus den Kopf, er lachte halb, doch zum Teil auch ziemlich erschrocken.

Was?!“ blaffte er, aber ich ließ ihm keine Gelegenheit noch mehr rumzutoben, sondern packte ihn grob am Nacken und riss ihn nach vorne. Er zappelte und wehrte sich.

„Lass mich los!“ Seine Fäuste trommelten hart gegen meine Brust, doch ich ignorierte ihn und presste meine Lippen gegen seine.

Noch immer wehrte er sich heftig, das war mir allerdings sowas von egal.

Ich küsste ihn, erst langsam, dann etwas leidenschaftlicher, umfasste ich sein Gesicht mit beiden Händen und bewegte meinen Mund gegen seinen. Dabei spürte ich seinen heißen wilden Atem, spürte das Blut das in einem wilden Adrenalinrausch durch seine Adern pumpte.

Und doch wurde seine Gegenwehr immer schwächer und schwächer und ließ vollkommen nach, als ich mit der Zunge seine Lippen auseinander zwang.

Himmel und wie ich ihn küsste… voller Verlangen, voller Gier und er… er erwiderte meine Küsse.

Die Tasche fiel ihm aus der Hand, er krallte sich in meinen Nacken.

„Du… glaubst… wohl… nur weil… du gut… aussiehst… kannst… du alles haben…“ keuchte er mir gegen die Lippen.

Das entlockte mir ein breites Grinsen, aber ich küsste ihn erneut, gierig und wild, presste ihn gegen die Wand. Er sprang hoch, schlang die Beine um Meine Hüften und erwiderte meine Küsse mit einer solchen Sehnsucht, dass es mich überraschte.

Aber wir küssten einander heiß und ungebändigt, dabei trug ich ihn in mein Zimmer, jedoch nicht ohne gegen Wände zu prallen.

Wir lachten, stützten uns, wenn wir gegen die Wände des Flurs knallten und schließlich landeten wir auf dem Bett.

Und wenn ich es mir eingestand, musste ich zugeben dass ich lange nicht mehr so heiß auf jemanden gewesen war…

Lukas keuchte erregt und riss mir den Pullover vom Kopf, knöpfte hastig meine Hose auf. Auch ich hatte es eilig ihn nackt unter mir zu haben, denn ich wollte ihn spüren, wollte diesen süßen Körper erobern und ihn brandmarken.

Die Töne, die er von sich gab turnten mich nur noch mehr an und erweckten meine animalische, wilde Seite.

Meine Lippen glitten über seinen Hals, weiter abwärts über seine Brust und je tiefer ich ging umso mehr befreite ich ihn aus seinen Klamotten. Mit einem Ruck entriss ich ihm die Hose und verbiss mich in seine Hüfte.

Der Körper unter mir antwortete auf meine Hitze, bäumte sich unter mir auf und bog und wand sich so unglaublich erotisch. Es vernebelte mir die Sinne und ich wusste nicht mehr wo oben oder unten war.

Wie zwei ausgehungerte Wölfe fielen wir übereinander her, kosteten und berührten einander, bis wir uns gemeinsam und ineinander geschlungen rhythmisch miteinander bewegten.
 

Das nächste Mal, als ich meine Augen öffnete, stand Lukas angezogen vor mir, hielt dabei seine Tasche in den Händen.

„Kannst du mich zum Bahnhof fahren?“ fragte er schließlich.

Müde rieb ich mir das Gesicht. Wie spät war es wohl? Ein Blick auf die Uhr verriet es mir. Es war halb sieben.

Ich richtete mich halb auf und rieb mir den Nacken.

Das Bett war noch völlig zerwühlt, meine Klamotten lagen verstreut am Boden herum.

„Willst du echt schon gehen?“ fragte ich und sah zu ihm auf. Lukas sah mich nicht an, er blickte zur Seite.

„Ja.“ Antwortete er knapp.

Wollte ich überhaupt, dass er ging…? Aber warum sagte ich ihm das denn nicht einfach…?

„Okay.“

Das war nicht das was ich wollte… zwei Stimmen kämpften in mir, die eine schrie „bleib“ und die andere schrie „geh“. Aber auf welche sollte ich hören…?

Ohne mich an seiner Anwesenheit zu stören stieg ich nackt aus dem Bett und begann mich anzuziehen, dabei spürte ich allerdings seine Blicke zu deutlich auf mir.

Doch keiner von uns beiden sagte etwas.

Selbst nicht als wir im dunkeln ins Auto stiegen und ich die Allee hinunter fuhr, um in die Hauptstraße einzubiegen.

Ich kaufte ihm, trotz seiner Proteste sein Ticket und was er nicht wusste war, dass ich ihm noch etwas Geld zugesteckt hatte.

Vielleicht würde er sich ja verfahren… und würde es brauchen. Er war doch so unvorsichtig.

„Hier… ruf mich an wenn du heil zuhause angekommen bist.“ Sagte ich und drückte ihm einen kleinen Zettel mit meiner Handynummer in die Hand.

Lukas stand vor dem Gleis, hatte das Gesicht tief in seinem Schal verborgen. Sein Atem bildete kleine Wölkchen, die selbst durch den Schal hindurch drangen.

Er nahm den Zettel entgegen und blickte darauf herab.

Ich wollte etwas sagen… aber ich konnte es nicht, etwas hielt mich zurück… ich wollte ihn anlächeln, wollte Witze reißen um seine Laune zu pushen und ein Grinsen auf seine Lippen zaubern, die ich gestern Nacht so intensiv geschmeckt hatte.

Aber es ging nicht, ich fühlte mich total hohl und ich konnte nichts dagegen tun.

„Mach ich…“

Auf Gleis sieben fährt der Zug ein nach…“ ertönte es laut und dröhnend aus den Lautsprechern.

Die Menschen tummelten sich an dem Gleis und kamen in Bewegung als der Zug einfuhr.

„Pass auf dich auf… und wehe du sprichst nochmal irgendwelche Fremde an…“ murmelte ich. Die Türen öffneten sich vor uns.

Aber keiner bewegte sich… weder er noch ich.

„Lukas…“

Seine Augen richteten sich jetzt das erste Mal seit gestern Nacht richtig auf mich. Völlig hin und her gerissen sah er mich an, aus seinen schönen großen braunen Augen.

Er wollte nicht gehen… und ich wollte auch nicht, dass er ging… aber ich empfand so etwas zum ersten Mal und es verwirrte mich und machte mir sogar ein wenig Angst… naja Angst nicht aber ich war skeptisch.

Sag mir, dass ich nicht gehen soll sagten seine Augen mehr als nur deutlich.

Die Menschen waren alle eingestiegen, der Schaffner pfiff in seine kleine Pfeife.

Lukas sah mich enttäuscht an und wandte sich ab, sprang auf die erste Stufe, da packte ich ihn an der Hand.

Die Türen, die gerade schließen wollten, öffneten sich wieder, als sie gegen meinen Arm prallten.

Lukas sah mich mit großen Augen an.

„Komm… komm bald wieder, okay? Ruf mich an ich hole dich hier ab.“ sagte ich und plötzlich legte sich ein sanftes Lächeln auf meine Lippen. Es war eher unbewusst.

Und auch bei Lukas regte sich etwas. Er schluckte schwer, aber seine Augen leuchteten leicht auf.

„Okay…“

Ich drückte seine Hand, er erwiderte den Druck fest und bestätigend. Als sich die Türen schlossen ließ er mich schließlich los und ich trat zurück.

Der Zug setzte sich langsam in Bewegung und ich mich mit ihm. Ich sah zu Lukas, der am Fenster klebte und mich völlig verloren ansah.

Und während der Zug beschleunigte, schneller und schneller wurde, bewegte ich mich nur langsam und wie ein Gespenst.

Was war in diesen zwei Tagen hier mit mir geschehen…?

Da war dieser wildfremde Junge in mein Leben geplatzt und hatte mich völlig aus der Bahn geworfen…

Ich hob die Hand und winkte ihm leicht zu, er winkte zurück und dann war er wieder aus meinem Leben gerast, genauso schnell wie er hinein gestolpert war.

Jedes verdammte Mal wenn ich versuchte das alles nüchtern zu betrachten stürzten meine Gedanken ab und schafften es nicht klare Linien zu ziehen.

Das war doch völlig idiotisch… Lukas war sowas wie ein One night Stand, auch wenn er für two nights geblieben war… und innerhalb von zwei Tagen konnte man sich doch nicht in jemanden vergucken oder?

Diese bescheuerten Emotionen hatte ich doch bei jedem guten Sex, das war doch nichts neues, redete ich mir ein und ich wollte mir meine ganzen Kontras auch beweisen.

Es war nichts zwischen mir und Lukas, ich fühlte mich vielleicht ein wenig zu ihm hingezogen aber das lag sicher nur daran, dass ich seit etwas längerer Zeit (seit neun Tagen) keinen Sex mehr gehabt hatte. Ich war einfach nur Spitz und Lukas zufälligerweise Greifbar… er war süß, recht hübsch und stand auf Männer… außerdem hatte er mir diese hilflose Seite gezeigt, die mich noch wilder gemacht hatte.

Mit jedem anderen würde es genauso werden!

Und gleich am selben Abend würde ich es mir beweisen!

Kapitel 4

So, ich meld mich mal einfach zu Wort, weiß ja nicht ob das hier jemand liest *g*
 

Danke erst mal an alle diejenigen, die diese Story mitverfolgen! :3

Ab jetzt wird es jeden Dienstag ein Upload geben, denn wie es unschwer zu erkennen ist, wird die Story ein One Shot und es wäre doch schade, wenn es zu schnell enden würde :)
 

Weiterhin viel Spaß und dankeschön fürs lesen!

CaitLin
 


 


 

Chris klingelte, ich wusste dass er es war.

Mit nacktem Oberkörper und nicht mehr bekleidet als nur Shorts, öffnete ich ihm die Tür.

„Bei euch geht’s ordentlich zur Sache, was?“ fragte er grinsend und betrat die Wohnung, doch er erstarrte, als er statt Lukas einen völlig fremden Kerl in der Küche antraf, der grade nackt vor dem Kühlschrank stand, um darin herumzuwühlen.

„Wo ist Lukas?“ fragte er verwirrt.

„Weg.“ Erwiderte ich gelassen und rieb mir den Bauch.

„Was heißt weg? Er wollte doch erst am Freitag gehen?“

Aber ich zuckte mit den Schultern. „Er ist schon früher abgehauen.“

Chris rollte mit den Augen und fasste sich an den Kopf. „Hast du den Verstand verloren?!“ blaffte er mich an und stampfte ins Wohnzimmer.

Ich folgte ihm und blieb in dem Türrahmen stehen, an den ich mich mit verschränkten Armen lehnte als Chris sich auf die Couch fallen ließ.

„Warum regst du dich auf?“ fragte ich ruhig.

„Du hast ihn angefallen, stimmt‘s? Und das hat ihn erschreckt und er ist abgehauen, oder?“ Ich verstand nicht warum Chris so wütend war.

„Er wollte es.“

Chris sah mich noch fassungsloser an, als er es ohnehin schon tat.

„Du bist so ein Idiot, ich versteh dich nicht, echt nicht!“ Es fiel ihm sichtlich schwer ruhig zu bleiben.

„Das hätte endlich mal was Ernstes werden können! Du hast so von ihm geschwärmt, das kannte ich gar nicht von dir… ich hab für dich gehofft, dass es diesmal was wird…“

„Zunächst einmal…“ begann ich langsam. „…war der Junge noch keine achtzehn. Er war noch ein halbes Kind.“ In dem Moment schlangen sich zwei muskulöse Arme um mich, heiße, feuchte Lippen legten sich in meinen Nacken. Ich lehnte mich leicht zurück und genoss die Liebkosungen.

„Und zum zweiten weißt du doch, dass ich einfach nur Spaß haben will.“ Ein arrogantes kleines Lächeln zierte meine Lippen.

Chris aber stand auf und funkelte mich an. „Belüg dich ruhig weiterhin, aber mich kannst du nicht verarschen!“ knurrte er.

Doch ich hörte ihn schon nicht mehr, die Lippen legten sich verlangend auf meinen Mund, während sich mein Kurzzeitgeliebter gegen meinen Hintern drückte.

„Oh Mann! Juan!! Du verarschst dich selbst und das wirst du noch frühzeitig merken!“

Die Tür schlug krachend ins Schloss, während ich mich genüsslich auf der Couch räkelte.

Seine Worte stachen wie harte Nadeln durch meine Haut, die ich für undurchdringbar gehalten hatte und trafen mich, doch ich ließ es mir nicht anmerken.
 

Seit Lukas weg war ertappte ich mich dabei, wie ich regelmäßig auf mein Handy starrte.

Keine Anrufe… nichts…

Lukas hatte sich nicht ein einziges Mal gemeldet… nicht, dass ich es erwartet hatte… denn ich hatte seine Befürchtungen erfüllt. Ich hatte ihn nur ins Bett kriegen wollen und nachdem ich bekommen hatte, wonach es mich gedürstet hatte, interessierte es mich nicht mehr.

Dachte ich zu wissen… aber warum starrte ich dauernd auf das verdammte Telefon… warum konnte ich mich kaum konzentrieren?

Ich arbeitete als Kellner in einem edlen Restaurant und manchmal half ich auch im Club eines Freundes aus, doch auch nur wenn es meine Zeit zuließ, so zählte ich wenigstens nicht die Stunden und mehrere Tage vergingen, aus Tagen wurden Monate.

Der Weihnachtsmarkt und das, was mich an Lukas so stark erinnerte, waren fort. Über die Feiertage war ich bei meiner Mutter und wir verbrachten gemeinsam eine schöne Zeit, bevor ich wieder nachhause musste.

Ende Februar klingelte dann mein Handy.

Wir saßen mit Chris und ein paar anderen Freunden in einer Bar und tranken, lachten ausgelassen, als mein Handy mit einer fremden Nummer vibrierte. Ich ging ran, doch ich verstand so schlecht.

Was sagte die Frau da? Krankenhaus??

Chris sah mein erschrockenes Gesicht und folgte mir, als ich vor die Tür ging.

„Hier spricht das städtische Klinikum, Notaufnahme. Wir haben diese Nummer in der Tasche eines jungen Mannes gefunden, der heute eingeliefert wurde. Leider hat er keinen Ausweis bei sich.“

„Lukas…?!“ rief ich erschrocken. „Was ist mit ihm?!“

„Sind sie ein Verwandter? Wir konnten niemanden ausmachen…“

„Ich bin sein Freund, was ist mit ihm?“

Die Frau zögerte einen Augenblick lang.

„Hören Sie, ich bin sein Partner, okay?? Sein fester Freund also sagen sie es mir schon!!“ fuhr ich die Frau an, weil sie noch immer schwieg.

Sie räusperte sich. „Er hat sich vor einen Zug geworfen und schwebt noch immer in Lebensgefahr.“

Fassungslos starrte ich Chris an, der mich mit ebenso großen Augen ansah.

„Ich komme sofort! Sagen Sie mir wo das Krankenhaus ist!“ Ich schrieb mir die kurze Beschreibung auf die Hand und legte auf.

„Was ist mit Lukas…?“ fragte Chris.

Ich konnte noch immer nicht fassen was ich da hörte. „Er hat versucht sich umzubringen… hat sich vor einen Zug geworfen…“

„Das kann dir doch egal sein, oder?“ fragte Chris und sah mich kalt an.

Meine Gesichtszüge entgleisten mir völlig und ich starrte ihn einfach nur noch an.

Chris ging mit schnellen Schritten rein, hatte unsere Jacken in der Hand und schubste mich zum Wagen. „Gehen wir.“

Eigentlich konnte es mir doch egal sein… ich kannte ihn doch gar nicht… ich hatte nur einmal mit ihm geschlafen… aber mir wurde richtig mulmig zumute.

„Sie sagt sie haben weder Ausweis noch Telefon bei ihm gefunden… alles was er hatte war meine Nummer in seiner Tasche…“ Chris drückte mich auf den Beifahrersitz und fuhr los.

Hatte er die Nummer die ganzen drei Monate mit sich rumgeschleppt…?

„Er hat doch gesagt er hätte Großeltern…“ sagte Chris und sah mich fragend an.

„Hat er auch…“ erwiderte ich.

Unsere Fahrt dauerte kaum eine Stunde, er war noch im Umkreis von Köln… was hatte er hier zu suchen gehabt?

Zwischen dem Anruf des Krankenhauses und unserer Ankunft lag zwar nur eine knappe Stunde, doch wir warteten zusätzliche zwei Stunden, bis er den OP verließ.

Die Schwestern stellten uns Fragen, aber mehr als seinen Namen und wo er wohnte wusste ich doch nicht… ich erzählte ihnen von seinen Großeltern und sagte ihnen alles was ich wusste. Viel war das ja nicht gerade.

Doch irgendwann brachten sie dann Lukas zurück in sein Zimmer… ich sprang sofort auf und lief der Stationsschwester hinterher, die mich aber sofort aufhielt.

„Gehen Sie lieber nachhause und kommen sie morgen wieder, lassen sie ihn schlafen.“ Sagte sie streng.

„Ich kann nicht nachhause, dazu müsste ich zwei Stunden fahren!“ knurrte ich sie an.

„Dann seien Sie leise und stören Sie ihn nicht. Und nur einer.“ Sie nickte Chris streng zu, der sich prompt wieder in seinen Sitz fallen ließ.

Nachdem sie ihn ins Bett gehievt und mit der Trage wieder verschwunden waren, betrat ich das dunkle Zimmer, in dem Lukas alleine war.

Ich zog einen Stuhl heran und setzte mich zu ihm. Seine Augenlider flatterten noch, aber er öffnete sie ganz langsam.

Sein rundliches Gesicht wirkte Schmal und ausgemergelt. Unterhalb seines rechten Auges war ein dicker Bluterguss, ebenso auf seiner Stirn und an seinem Kinn hatte er ein großes Pflaster kleben.

Unter seinen Augen zeichneten dunkle Ringe ab… was war nur mit ihm geschehen…?

Bei seinem Anblick schnürte es mir leicht die Kehle zu.

Warum war ich hierhergekommen…? ¬Was hatte ich hier zu suchen, ich kannte ihn doch gar nicht.

Seine Augen öffneten sich langsam, sein Kopf wandte sich mir zu.

„Hey…“ sagte ich leise und legte meine Hand vorsichtig auf seinen Arm.

„Was…“ keuchte seine Stimme schwer und kraftlos.

„Schlaf weiter, ich bin hier.“ Flüsterte ich.

Aber Lukas starrte mich einfach nur an, schließlich zogen sich seine Augenbrauen zusammen und er sah mich mit einem gequälten Ausdruck an. Tränen strömten ihm über das Gesicht.

„Hör bloß auf zu heulen!“ zischte ich ihm leise zu, denn das Gerät das seinen Puls misste piepste etwas schneller. „Die schmeißen mich sonst raus! Shh!“ Ich zog meinen Stuhl näher heran und streichelte ihm durchs Haar.

Er schniefte leise, aber seine Atmung wurde wieder etwas ruhiger. Irgendwann verfiel er wieder in den Schlaf und ich saß an seiner Seite, während Chris draußen im Flur auf einem Stuhl eingeschlafen war.

Am nächsten Morgen, als die Visite kam, wurde ich raus geschickt und da sah ich, dass man Chris eine Wolldecke umgelegt hatte. Er schlief noch, selbst bei dem Krach den die Schwestern veranstalteten.

Ich ließ mich neben Chris fallen, da schwenkte eine Kaffeetasse vor mir.

„Hier.“ Eine freundliche Schwester drückte sie mir in die Hand und lächelte.

„Danke.“ Ich nahm sie entgegen und war überaus froh.

Sie sah kurz zu Chris rüber. „Wir haben zwei Herrenlose Frühstücktabletts, ich bringe sie euch gleich, in Ordnung?“

„Sagen Sie… was genau ist passiert…?“ fragte ich aber und die Schwester sah mich einen Moment lang an.

„Das wissen wir nicht, man hat uns berichtet, dass er sich vor einen Zug geworfen hat. Heute Nacht haben wir erfahren dass seine Großmutter vor ein paar Tagen verstorben ist… sein Großvater ist zusammengebrochen und liegt im Koma, aber es sieht nicht gut für ihn aus.

Vielleicht hat er sich deswegen umbringen wollen. Innere Blutungen hat er Gott sei Dank nicht, ein paar Prellungen und kleinere Brüche…

Aber ich bin froh zu wissen dass er noch jemanden hat, der sich um ihn sorgt.“ Sagte sie und lächelte wieder, sah von mir zu Chris. „Wir sehen hier viele Kinder und Jugendliche in schlimmeren Zuständen und in den meisten Fällen gibt es kaum jemanden der ihnen zur Seite steht.“ Sie schüttelte missbilligend den Kopf und schnalzte mit der Zunge.

Seine Großmutter war gestorben…? Und sein Großvater…? Hatte er sich deswegen so lange nicht gemeldet…? Wann war das alles passiert…?

Irgendwann durfte ich wieder ins Zimmer, nachdem wir etwas zu essen bekommen hatten.

Lukas war wach und lag da, starrte an die Decke.

Als er mich aus den Augenwinkeln sah drehte er das Gesicht von mir weg.

„Was machst du hier…?“ fragte er leise.

„Ich besuche einen Freund.“ Sagte ich und sah den harten Gips an seinem Arm.

Details hatte man mir nicht verraten, weil ich kein Familienmitglied war… aber ich war einfach nur froh, dass es ihm gut ging.

„Warum hast du mich nicht angerufen?“ fragte ich leise.

Lukas antwortete nicht.

„Warum hast du dich nicht gemeldet?“ fragte ich wieder, diesmal mit Nachdruck.

„Und was hätte ich sagen sollen? Was hättest du tun können?“ fragte er zurück und krallte sich an seiner Bettdecke fest.

„Du hättest mir von deinen Problemen erzählen können, vielleicht hätte ich dir helfen können.“

Aber er lächelte schwach. „Nein, hättest du nicht… und von deinem Mitleid hatte ich auch schon genug.“

Ich seufzte. Das führte doch nirgendwohin.

Also saßen wir beide wieder da und schwiegen uns eine Weile an.

Noch kein einziges Mal in meinen knapp zweiundzwanzig Lebensjahren hatte ich auf jemanden gewartet oder war ihm hinterher gelaufen. Mich um jemanden gesorgt? Erst recht nicht… Ich konnte mich nicht erinnern ob es einen Menschen gab, der mir mehr bedeutete…

Und dieser kleine Knirps hier sollte es mir angetan haben oder was der war doch ein halber Floh!

Ein hilfloser, kleiner süßer Floh den das Schicksal hart getroffen hatte.

„Wie fühlst du dich? Tut dir was weh?“ fragte ich schließlich.

Aber Lukas sagte nichts… er kämpfte mit sich selbst, ich sah deutlich wie er hart schluckte und sein schwach erkennbarer Adamsapfel dabei zuckte.

„Hör zu!“ sagte ich entschlossen, doch da klopfte es schwach an der Tür. Chris kam rein und lächelte Lukas an.

„Na Kleiner? Hast dich wohl für Batman gehalten was?“

Überrascht sah Lukas auf und erkannte Chris. Er konnte es vermutlich nicht nachvollziehen wieso wir hergekommen waren, mir ging es doch auch nicht in den Schädel.

Als wäre es selbstverständlich zog Chris einen Stuhl heran und setzte sich neben mich, grinste Lukas dabei an. „Kannst von Glück reden dass du mit ein paar blauen Flecken davon gekommen bist. Den ICE hast du wohl verpasst, hä?“

Da lachte Lukas und während er lachte, liefen ihm die Tränen über das Gesicht.

Später erfuhr ich warum.

Niemand hatte sich für ihn interessiert als seine Oma gestorben war und als sein Großvater auch noch ins Koma fiel, hatten die einzigen beiden Verwandten die er noch hatte ihm zusätzlich den Rücken gekehrt. Sie hatten ihm deutlich gezeigt dass es in ihren Leben keinen Platz für ihn gab. Sie hielten ihn für eine zusätzliche Last.

Chris lächelte nur und sprach weiter, als wäre nichts… er war schon ein toller Kerl. Er laberte und laberte, brachte Lukas zum Lachen und lästerte über die Schwestern ab.

Irgendwann versiegten ihm die Tränen und während die beiden lachten betrachtete ich den Jungen, der auf grausamste Weise von seinem Schicksal verstoßen worden war.

Aber eine weitere Tür war ihm geöffnet worden.

„Hör mal, warum kommst du nicht mit uns nach Köln?“ fragte Chris den Kleinen plötzlich.

Lukas‘ Augen wurden groß. „Wie meinst du das?“

Chris zuckte mit den Schultern. „Was hält dich hier noch?“

Lukas klappte den Mund auf, ich sah das „Aber“ auf seinen Lippen aber dem hatte er nichts entgegen zu bringen.

Seine großen braunen Rehaugen streiften mich.

„Du kannst bei mir und Pascal wohnen. Das ist gar kein Problem.“ Und noch während ich das aussprach begann mein Herz zu rasen.

Lukas‘ Blick wurde skeptisch.

„Du kannst auch bei mir bleiben ich wohne alleine.“ Sagte Chris und grinste breit dabei. „Keine Panik ich hab eine Freundin.“

Lukas errötete leicht. „Da… darum geht’s mir doch nicht… ich kann doch nicht einfach bei euch einziehen… das geht doch nicht…“ stammelte er aber Chris trat unbemerkt gegen meinen Fuß.

„Warum nicht?“ fragte ich und sah ihn an.

Da errötete er noch tiefer. „Wie stellt ihr euch das vor?“

„Ganz einfach…“ begann Chris. „…wenn du hier raus bist holst du deine Sachen. Wir nehmen dich mit nach Köln, melden dich einfach um und je nachdem was du vorhast, Schule, Arbeit was auch immer, finden wir etwas Passendes für dich und nistest dich bei uns ein.“ Er grinste breit und frech.

Wieder begegneten sich unsere Blicke.

Ich sah Lukas an und Lukas sah mich an. Teilweise ahnte ich schon was er dachte.

„Du wirst zu nichts gezwungen. Aber besser als hierzubleiben, oder? Die Schwester hat gesagt sie konnten keine weiteren Familienmitglieder ausmachen.“

Lukas schüttelte leicht den Kopf, er sah mich an als hätte er einen bitteren Geschmack auf der Zunge.

„Dann komm. Köln ist groß genug für uns drei.“ Ich lächelte.

Und da erwiderte er scheu das Lächeln, was in mir etwas Seltsames auslöste.

Vorfreude.

Chris lächelte sanft und erhob sich. „Dann gibt’s auf unser Wohl eine Pizza! Die Juan natürlich liebend gern bezahlt!“ Unverschämt wie er war hielt er mir die Hand hin.

Ich grinste und gab ihm das Geld.

Kaum hatte der Schein seine Hand berührt, war er auch schon wieder draußen.

„Ist das… in Ordnung für dich?“ fragte mich Lukas.

Mein Blick ruhte wieder in seinem zerschundenen, aber dennoch schönen Gesicht.

„Ach naja ich werde es überleben.“

Aber sein Gesicht verzog sich leicht. Warum konnte ich nie das sagen was er hören wollte, wo ich es ihm doch deutlich aus dem Gesicht ablesen konnte?

„Hör mal, ich habe es dir doch eben angeboten. Es ist völlig okay. Und wenn du in meiner Nähe bist kann ich endlich aufhören mir Gedanken um dich zu machen und welchen Blödsinn du wieder anstellst.“

Das brachte ihn wieder leicht zum Schmunzeln.

Und eigentlich war ich auch ein bisschen froh darüber, dass Chris ein paar Minuten weg war… wir schwiegen uns zwar öfter an aber dieses Schweigen war nicht mehr ganz so unangenehm.

Erleichtert war ich, keine Frage. Der Anruf hatte mir einen Schock versetzt doch ich war froh, dass es nur ein paar Prellungen waren und nichts Schlimmeres.

„Möchtest du etwas trinken?“ fragte ich als ich sah, dass seine Wasserflasche leer war und erhob mich.

„Danke…“ hörte ich ihn leise sagen.

Ich lächelte ihn an. „Ach was ist doch nur Wasser.“

Damit trat ich aus dem Zimmer raus und begegnete Chris, der nach einer halben Stunde zurück kam.

„Mann die sind so überteuert, Restgeld gibt’s leider keins.“ Wieder lachte er und ich grinste ihn an, trat ihm leicht gegen das Schienbein.

Dieser Hund!

Aber noch während ich den Flur entlang ging, um das Wasser zu erneuern, wusste ich, dass Lukas sich natürlich nicht dafür bedankt hatte…
 

Allzu sehr auf ihn einreden mussten wir nicht, denn er wusste genauso gut dass er nichts zu verlieren hatte…

Wir fuhren am selben Tag noch zurück doch in den zehn Tagen in denen er im Krankenhaus war, besuchte ich Lukas so oft ich konnte. Einmal am Tag mindestens oder höchstens alle zwei Tage.

Zwischen uns beiden herrschte eine seltsame Distanz und dennoch freuten wir uns einander zu sehen. Er freute sich mindestens genauso sehr wie ich, wenn ich ihn sah. Besonders aber wenn ich sah, dass es ihm von Tag zu Tag besser ging.

Ich wollte gar nicht darüber nachdenken was er emotional durchgemacht haben musste. Er hatte den einzigen Halt in dieser Welt verloren und wollte mit ihr abschließen… es musste ein Gefühl sein, wie auf einer Klippe zu stehen die in eine tiefschwarze Dunkelheit führte.

Und er hatte versucht sich dieser Dunkelheit zu ergeben.

Zugegeben viel Positives oder gutes hatte ich zu dem Zeitpunkt in meinem Leben nicht erreicht oder getan… das einzige wofür ich mich wirklich lobte war, dass ich ihm meine Nummer gegeben hatte, was ich sonst nie tat.

Jedes Mal wenn ich die Tür zu Lukas‘ Zimmer öffnete, sah ich wie seine Augen hoffnungsvoll schimmerten, wie er mich anstrahlte, wenn er ruckartig den Kopf hob.

Ich glaube Chris und Ich waren seine rettenden Schwimmflügel.

„Na, wie geht’s dir?“ fragte ich und überreichte ihm die Papiertüte die ich ihm mitgebracht hatte. Glücklich nahm er sie entgegen, er sah wirklich schon besser aus. Die ersten Tage hatten seine Blutergüsse wirklich schlimm ausgesehen doch sie schwächten nach und nach ab.

„Das Essen hier ist furchtbar… Da koche ich tausendmal besser!“ brummte er und packte den Burger aus der Folie und biss genüsslich und herzhaft hinein.

Ich zog meinen Stuhl wieder heran und lachte. Es war Freitagmittag und meine letzten zwei Stunden waren ausgefallen, da war ich sofort hergekommen und dachte mir schon dass er kurz vor dem Verhungern war.

„Ist Chris nicht dabei?“ fragte er leise schmatzend und schielte zum anderen Bett rüber, das bis gestern Abend noch leer gewesen war.

Er hatte einen Nachbarn bekommen. Vielleicht etwas jünger als Lukas.

„Er ist bei seiner Freundin, die nervt ihn seit ein paar Tagen weil er immer mit mir zusammen bei dir ist und weniger Zeit mit ihr verbringt.“ Ich lachte, hatte dem Jungen zugenickt, der den Gruß erwiderte.

„Ach so…“ sagte er und aß weiter, dann aber verzog sich sein Gesicht leicht. „Ich darf heute gehen.“ Sagte er und starrte auf seine langsam erkaltenden Fritten.

„Das ist doch super.“ Sagte ich und grinste ihn an.

Aber Lukas seufzte. „Hör mal ich weiß ihr meint es nur gut… aber ich weiß echt nicht ob das klar geht…“ murmelte er.

„Fang nicht wieder mit dem Thema an.“ Ich nahm mir eine Fritte und schob sie mir genüsslich in den Mund. „Das hatten wir doch schon abgesprochen. Du kannst bei mir bleiben.“

Da sah ich die Veränderung in seinem Gesicht.

„Hör zu…“ fing ich an aber er schnitt mir das Wort ab.

„Ich kann nicht… vielleicht ist das für dich okay… aber für mich ist es das nicht weißt du…“ seine Stimme wurde immer leiser, damit sein Nachbar uns nicht hörte. „Das was passiert ist… auch wenn wir nicht darüber reden… und es für dich etwas war, das nicht einmal der Rede wert ist… für mich war das… naja… das war… ich…“ Die Röte kroch ihm bis zu den Ohren. „…für mich war das nicht irgendwas was ich so schnell vergessen kann… oder so tun kann als wäre es nie passiert…“

Einen Moment lang stutzte ich und wusste nicht was ich sagen sollte… war das für mich irgendwas…? Reiner Sex, ohne Gefühl?

Jein…

Herrgott nochmal keine Ahnung was ich mir dabei dachte! Und dass ich ihn mitnehmen wollte zu mir… das hieß doch dass ich… ehm… ja was eigentlich? Dass ich ihn mochte? Dass ich gerne in seiner Nähe war?

Was war jetzt angebracht…?

Aber je länger ich mit der Antwort zögerte umso trauriger schien Lukas zu werden.

„Du weißt auch nicht was du willst, oder?“

Das erwischte mich eiskalt.

„Und solange du das nicht weißt, will ich nicht in deiner Nähe sein… es ist nett von dir, dass du zu mir kommst… du bist fast jeden Tag hier und ich bin dir sehr dankbar… aber ich kann nicht bei dir bleiben.“ Er biss sich auf die Unterlippe und ließ den halb angebissenen Burger sinken.

Ja… was wollte ich eigentlich?

„Du kannst so lange bei Chris bleiben, aber lass dir gesagt sein, Ich lasse dich hier nicht zurück. Ich habe dich einmal gehen lassen und es bereut. Ein zweites Mal passiert mir das nicht.“ Sagte ich und funkelte ihn dabei an. Und das war eine ehrlich gemeinte Antwort.

Da öffnete eine Krankenschwester die Tür und lächelte Lukas an. Er wurde hier wie ein kleines liebebedürftiges Küken behandelt, nach alldem was er erlebt hatte.

„Ich habe deine Papiere, mit denen gehst du nächste Woche zum Arzt, ja? Und du sorgst dafür dass er es wirklich tut. Kann ich mich auf dich verlassen?“ Sie sah mich streng an und als ich nickte lächelte sie breit und drückte mir ein paar Dokumente in die Hand. „Und vergesst nicht, vielleicht wäre es besser du würdest weiterhin das Gespräch mit einem Psychologen aufsuchen.“

Lukas verzog das Gesicht aber ich grinste die Dame an. „Ich mache das schon, keine Sorge.“

Und nachdem wir uns verabschiedet hatten gingen wir langsam den Flur hinunter und verließen die Station.

„Geht’s?“ fragte ich und er nickte. Ich hatte darauf bestanden seine Tasche zu tragen und er ließ es zu ohne weiter aufzumucken, auch wenn er sie mir anfangs gar nicht überlassen wollte.

Was war denn da drin? Gold?

„Ja kein Problem.“ Humpelnd ging er an meiner Seite und obwohl er sich unwohl fühlte, sagte er nichts mehr.

Er wusste ich würde ihn wieder abwürgen und ich wusste er würde es wieder versuchen.

Lukas war nicht wie ich… er hatte nur Sex mit Menschen die er mochte oder mit denen er zusammen war, mir war das relativ egal.

Und langsam aber sicher fühlte ich mich, als hätte ich ein Verbrechen begangen…

Das schlimmste daran war, dass mich mein Gewissen einholte und sich wie ein kleines tollwütiger kleiner Gremlin in meinen Nacken verbiss.

Wie kam ich auf die absurde Idee ich sei gewissenlos?

Kapitel 5

„Leg dich ruhig hin wenn du möchtest, Chris kommt gegen acht oder neun, bei ihm weiß man nie. Man muss immer eine Stunde später mit ihm rechnen. Bei mir sind es meistens sogar zwei.“ Ich lächelte und versuchte eine einfache Konversation zu führen aber ich fühlte mich dabei wie eine Marionette die von jemand anderem bewegt wurde.

Lukas‘ Tasche stellte ich im Wohnzimmer ab. „Möchtest du was essen?“ fragte ich.

Im Auto hatten wir einigermaßen normal reden können… wir sprachen über viele belanglose Dinge… nur nicht über uns beide.

„Lieber etwas trinken… etwas kaltes.“ sagte er schüchtern und ließ sich auf die Couch sinken.

Mir war irgendwie mulmig zumute und ich konnte es mir nicht richtig erklären. Vielleicht war es meine Angst davor ihm richtig Rede und Antwort stehen zu müssen jedoch verschloss ich mich, was das Thema anging, völlig vor ihm.

Ich kam zurück und hielt eine große Flasche Eistee in den Händen, zusammen mit einem Glas.

Lukas war eingenickt, das Haar fiel ihm ins Gesicht, das er in eines der weichen Kissen gelehnt hatte. Er war eingeschlafen…

Mit einem kleinen Seufzen ließ ich mich ebenfalls in das weiche Polster sinken, nachdem ich eine Decke über ihn gelegt hatte.

In mir rotierten sämtliche Emotionen das kannte ich gar nicht von mir, denn für gewöhnlich wusste ich immer ganz genau was ich wollte und hatte auch dementsprechend mein Leben gelebt.

Ich hatte noch nie die Verantwortung für einen Menschen übernommen und hatte auch nie damit anfangen wollen. Doch je länger ich in dieses süße schlafende Gesicht sah, umso größer wurden die Fragezeichen in meinem Kopf.

Empfand ich etwas für ihn?

Wie hatte mich dieser kleine Pimpf nur so aus der Fassung bringen können?! Ich erkannte mich selbst nicht mehr, warum kümmerte es mich was mit geschah, ob es ihm gut ging oder nicht, warum war ich ins Krankenhaus gestürmt..? Warum hatte ich mir Sorgen um ihn gemacht, warum war ich jeden Tag an seiner Seite? War das immer noch Mitleid? Und warum zum Teufel konnte ich das Maul nicht aufmachen und wirklich das sagen, was ich dachte?

In diesem Moment wünschte ich mir wirklich den Rat meiner Mutter… denn ich wusste nicht wohin mit mir.

Angestrengt versuchte ich mich daran zu erinnern ob ich in letzter Zeit mal auf den Kopf gefallen war, aber es war vergeblich. Ich spürte Veränderungen auf mich zukommen und ob sie positiv oder negativ waren konnte ich zwar nicht genau sagen, aber sie hatten mit einem Jungen, den ich an einer Raststätte getroffen hatte, ihren Lauf genommen.
 

Erschrocken fuhr ich hoch als die Türklingel schrillte, wieder und wieder.

Sofort sprang ich auf die Beine und lief zur Tür. Das musste Chris sein!

Ich öffnete ihm und rieb mir die Augen. Wie spät war es? Es war stockfinster, ein Wunder dass ich nicht auf die Fresse gefallen war.

Chris kam die Treppen rauf, er grinste wiedermal. „Hab ich dich geweckt?“ fragte er. „Sorry ich bin etwas spät dran.“

„Etwas ist gut… wie spät ist es?“ Langsam schloss ich die Tür hinter ihm, nachdem er eingetreten war.

„Kurz vor halb eins.“ erwiderte er und hob eine Plastiktüte hoch. „Es tut mir wirklich leid, aber ich hab auch was zu essen mitgebracht.“

Es roch nach gebratenen Nudeln.

„Wolltest du ihn nicht schon um sieben abholen?“ knurrte ich und schaltete das Licht im Flur an.

Wir gingen in die Küche, da Lukas noch schlief.

„Naja meine Süße wollte mich nicht gehen lassen.“ Er grinste schief, jedoch entschuldigend.

Wir setzten uns und packten die Leckereien aus.

„Willst du nichts essen?“ fragte ich. Er verneinte.

„Hab schon gegessen, bedien dich ruhig.“ Er schwieg kurz dann sah er mir direkt in die Augen. „Wie geht’s ihm, alles klar?“ fragte er.

Ich nickte. „Soweit alles in Ordnung…“

„Du, Juan… da ist doch was, das du mir sagen willst, oder? Im Bezug auf dich und dem Lämmchen.“

Eine Bambussprosse flutschte mir in den Hals und ließ mich husten. Chris schlug mir auf den Rücken und sah mich ernst an.

„Ich bin kein Idiot weißt du und wir beide kennen uns mittlerweile lange genug. Oder zumindest so lange, dass ich etwas bei dir sehe, was mich stutzig macht.

Anfangs fand ich es ja noch süß, weil es ungewohnt war eine kleine verwirrte Seite an dir neu zu entdecken, aber ich frage mich wirklich was in dir vorgeht.“

Seltsam… ich wusste gar nicht, dass Chris so sensibel sein konnte..?

„Magst du ihn?“

Die Frage traf mich wie ein Backstein von oben.

Hustend schlug ich mir auf die Brust. „Mögen? Ich kenne ihn doch gar nicht…“ keuchte ich.

Chris verdrehte die Augen. „Man braucht vielleicht ein Leben lang um einen Menschen richtig zu kennen, aber um sich auf den ersten Blick zu vergucken braucht es nur ein paar Sekunden oder Minuten.“ Erwiderte er kühl.

Vergucken? Meinte er etwa ich hätte mich verliebt?

„Das ist doch Blödsinn ich hatte bisher noch nie eine richtige Beziehung und ich hab auch nicht vor jetzt damit anzufangen. Ich bin ganz zufrieden so wie es jetzt läuft.“ Brummte ich.

Chris nahm sich einen Glückskeks und brach ihn entzwei.

„Dann verrat mir doch mal warum du ständig auf dein Telefon gestarrt hast, seit der Kleine weg war? Warum hast du dich auf der Straße umgesehen, bevor du das Haus betreten hast und warum zum Teufel du immer auf dem Weg zur Uni Umwege über den Domplatz gemacht hast?“

Da fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Woher wusste der Spinner das alles?!

Chris begann zu grinsen. „Ich hab einen Spürhund weißt du, der hat einen Satelliten auf dem Kopf der dich überall und zu jeder Zeit aufspüren kann.“

Verwirrt starrte ich ihn an, dann riss ich die Augen auf. „Doch nicht Frederic?? Verfolgt mich der Idiot etwa?!“

Chris lachte und hielt mir den Zettel aus seinem Glückskeks hin.

Etwas Unerwartetes wird geschehen.

Ja wunderbar!

Da knackte er einen weiteren Keks.

„Hör auf damit und erklär mir was die Scheiße soll! Warum zum Henker nochmal beschattet ihr mich das geht euch alles gar nichts an!!“ fauchte ich und wurde richtig wütend. Oder vielleicht war es einfach nur mein gekränkter Stolz?

Er reichte mir einen weiteren Zettel und grinste einfach weiter.

Eine neue Welt wird sich dir öffnen.

„Chris!“ fuhr ich ihn an.

„Was?“ erwiderte er.

„Ich will eine Antwort!“

Er grunzte belustigt. „Ich ja auch. Und wohlangemerkt habe ich dich zuerst etwas gefragt.“ Der dritte und letzte Keks knackte und er legte die drei Zettel ordentlich in eine Reihe und deutete mit dem Finger auf das dritte Papierchen.

Genervt seufzte ich und rieb mir die Schläfen.

Sei ehrlich zu dir selbst.

„Ich kenne dich Juan. Du empfindest was für ihn, doch du weißt nur noch nicht was es ist. Und das ist es was dich verwirrt und verunsichert.“ Damit erhob er sich und schob den Stuhl zurück.

„Wo willst du hin?!“ fragte ich überrascht und hielt ihn fest.

„Nachhause!“ antwortete er und entzog mir seinen Arm, dann beugte er sich zu mir hinunter, so dass ich seinen heißen Atem in meinem Gesicht spürte. „Er schläft, also lass ihn schlafen! Und du, hör auf zu Grübeln! Wenn du etwas tun willst um einen klaren Kopf zu kriegen dann mach dein Maul auf, klar?“ knurrte er und gab mir einen Kuss auf die Wange, ehe er sich mit einem kleinen fiesen Lächeln davon stahl und mich verwirrter denn je in der Küche zurück ließ.

Warum konnten die alle wie ein offenes Buch aus mir lesen und ich war der einzige der nicht schlau aus mir selbst wurde?!

Grummelnd starrte ich auf die Zettel und aß weiter.
 

Der Sonntagmorgen verlief relativ ruhig. Ich war früh wach geworden, gegen kurz vor sieben.

Lukas hatte auf der Couch geschlafen, ich hatte es ihm mit ein paar Kissen etwas gemütlicher gemacht und hatte mich auf die andere Seite zu ihm gelegt und die halbe Nacht gegrübelt, bis ich irgendwann eingeschlafen war.

Und ich hatte einen Entschluss gefasst der eigentlich ziemlich simpel war.

Ich musste aufhören nachzudenken.

Ich schloss die Tür auf und hielt die heiße Tüte in der Hand, die durch den Dampf der warmen Brötchen eingeweicht war.

Da hörte ich das Rauschen des Wassers im Bad, er schien sich zu waschen.

In der Küche begann ich ein kleines Frühstück herzurichten, als ich einen Rumms hörte. Erschrocken fuhr ich hoch und lief zum Bad.

„Lukas?“

Keine Antwort.

„Lukas??“ rief ich nochmal, diesmal etwas lauter.

„Alles okay…“ hörte ich ihn leise grummeln.

Ein Stein fiel mir von Herzen. Grundgütiger bei diesem Kerl war es kaum möglich keinen Herzinfarkt zu erleiden, besonders seit ich wusste, dass er sich umbringen wollte…

„Frühstück ist fertig, komm!“

Ein zustimmendes Brummen ertönte.

Ich saß am Tisch und trank meinen Kaffee, als er rein gehumpelt kam.

Lukas verzog grummelnd und beschämt das Gesicht, seine Wangen waren mindestens so rot wie die Beule kurz oberhalb seiner Stirn.

Zunächst starrte ich ihn an, dann fing ich an zu prusten und warf den Kopf in den Nacken. Ich lachte so laut und heiter, dass mir die Tränen in die Augen traten.

„Lach nicht!“ fauchte er mich an, aber ich konnte nicht mehr aufhören. „Ich hab eben keinen Spiegelschrank im Bad!“ knurrte er und ließ sich in den Stuhl plumpsen.

Mein ausgewachsener Lachanfall wurde zu einem herzhaften Gekicher. „Du hast ja noch Platz im Gesicht für weitere Flecken!“ sagte ich und zwinkerte ihm zu, strich mir eine kleine Träne aus den Augen.

Ach so ja, mein Entschluss? So zu tun als wäre nie etwas gewesen und mich wieder völlig natürlich zu verhalten. Zu sein wie immer und nicht mehr über Lukas nachzudenken. Denn ich merkte, dass ich mich veränderte, je näher ich ihn an mich ranließ.

Und das gefiel mir gar nicht.

„Arschloch!“ knurrte er aber mit einem kleinen heiteren Lächeln.

Wir aßen gemeinsam, ich riss ein paar Witze und brachte ihn zum Lachen. Denn ich wusste, er fühlte sich genauso unwohl wie ich. Das sah doch jeder Trottel.

„Wollen wir ein bisschen raus?“ fragte ich schließlich. In der Wohnung hier war noch die erdrückende, zerquetschende Luft, so wie sie entstanden war, als ich und Lukas übereinander hergefallen waren.

„Gerne.“ Sagte er und seine Augen strahlten.

Nun laufen durfte er nicht allzu sehr, aber er hatte ja die Krücken und ich würde schon aufpassen dass er seinen Fuß nicht überstrapazierte.

Wir fuhren runter zur Rheinpromenade und genossen die ersten Sonnenstrahlen, so wie auch viele andere Menschen hier. Es war noch früh, viel war noch nicht los, aber im Laufe des Nachmittags würde es sicher voll werden.

Lukas war ständig in Gedanken und ich beobachtete sein Gesicht, wenn er rüber zum Rhein blickte.

„Meine Oma fuhr öfter mit mir zum Rhein, als ich noch klein war.“ Begann er plötzlich. Es war das erste Mal, dass er von sich aus erzählte und um ehrlich zu sein hatte ich ihn nie gefragt denn ich wollte ihn nicht bedrängen. „Wir haben eine Zeitlang in der Nähe von Düsseldorf gelebt.“ Sagte er und sein Gesichtsausdruck wurde weich. „An Sonntagen sind wir dann immer mit dem Rad runter zum Rhein gefahren.“ Aber er verstummte und sah mich an. „Was ist mit dir? Wo sind deine Eltern? Wie sind sie so?“ fragte er mich, als sei es ihm gerade erst in den Sinn gekommen.

Die Frage kam überraschend.

„Mein Vater ist Deutscher und meine Mutter ist Spanierin…“ Da floppten ihm seine Augen fast raus. Ich grinste. „Was dachtest du denn? Mein Aussehen und mein Name sprechen ja wohl für sich.“

Lukas lachte. „Naja das kann man nie wissen oder mittlerweile haben selbst Deutsche die merkwürdigsten Namen.“

„Besonders deutsch seh ich aber nicht aus oder?“ fragte ich und er lächelte verlegen.

„Nein… du siehst aus wie ein Vollblutaraber.“

Nun war es an mir zu stutzen und aufzulachen.

„Wo leben deine Eltern?“ bohrte er weiter und nippte an seinem Milchkaffee.

„In der Nähe von Dortmund. Meine Mutter lebt mittlerweile allein. Mein Vater ist mit einer anderen abgehauen.“

Lukas sah mich erschrocken an. „Das ist ja furchtbar!!“

„Ist es nicht, er ist ein Vollidiot.“ Ich legte den Amarettini auf die Milchschaumkrone und sah zu wie er zitternd darauf liegen blieb.

„Warum redest du so von ihm…?“ fragte Lukas und sah mir ins Gesicht. Ich hob den Kopf und begegnete seinem Blick.

„Weil er einer ist, ganz einfach. Alles einfach hinzuschmeißen und sich ohne ein Wort bei Nacht und Nebel aus dem Staub zu machen, nach all den Jahren, ist das etwa das was dein gesunder Menschenverstand dir sagt??“

„Vielleicht war er ja verzweifelt und konnte sich euch nicht stellen…?“ sagte Lukas leise.

Also wirklich… dieser Knirps…

„Seine Beweggründe sind mir egal, ich würde so etwas nicht tun!“

Lukas‘ Augen wurden schmal, aber er sah mich irgendwie enttäuscht an. „Mit jemandem zu schlafen und ihn dann fortzuschicken ist besser…? Oder so zu tun als sei nie etwas gewesen?“

Dieser Schlag traf mich schon unterhalb meines Bauchnabels.

Meine Augenbrauen hoben sich. „Ich habe dich nicht fortgeschickt! Du wolltest gehen!“

„Du hast nicht dagegen gesprochen…“ Er biss sich auf die Unterlippe.

Das wurde langsam lächerlich… ich wollte doch nicht mehr darüber nachdenken…

„Und jetzt sitzen wir hier… trinken zusammen Kaffee und reden über irgendwelches Zeugs und lachen als sei nichts gewesen, aber ich… ich kann nicht so sein wie du! Das ist jetzt vermutlich das erste Mal dass ich ehrlich bin… und zwar direkt… aber… ich mag dich verdammt nochmal!!!“

Mein Amarettini sank tiefer und tiefer in den Milchschaum, so wie mir das Herz tiefer und tiefer rutschte.

„Wie soll ich dich nicht mögen?! Du lächelst mich an… du tauchst immer dann auf, wenn ich Hilfe am nötigsten brauche und streckst mir die Hand aus… du hast mich wieder bei dir aufgenommen, wieder ohne Fragen zu stellen… du verhältst dich mir gegenüber heute plötzlich als wären wir jahrelange Freunde… du quälst mich verflucht und doch bin ich wieder hierhergekommen!

Ich wollte nicht mehr an dich denken… deswegen hab ich dich nicht angerufen, denn hätte ich deine Stimme gehört hätte ich den nächsten Zug hierher genommen!“

So viel Ehrlichkeit und so viel Offenbarung auf einmal war zu viel…

Ohne dass ich es merkte, spürte ich wie die Hitze über meinen Hals kroch, aufwärts steigen, wenn auch für gewöhnlich mein Blut in die unteren Bereiche pumpte.

Oh mein Gott was war denn das?! Ich wurde rot!!! Ich!!!

„Lukas…“ begann ich aber was wollte ich sagen…?

„Zuerst, als du mich das erste Mal im Krankenhaus besucht hast… da hab ich gedacht du tust es weil du dich dazu verpflichtet fühlst… aber… aber Chris hat mir mehr und mehr von dir erzählt, wenn wir alleine waren und ich weiß jetzt, dass es nicht so ist! Warum sitzt du mit mir hier, Juan?“ fragte er leise und sah mich verzweifelt an.

Und ich sah genauso verzweifelt zurück.

„Ich schätze weil ich dich nicht allein lassen konnte…“ antwortete ich.

„Aber warum…?“

„Keine Ahnung warum, ist das ein Verhör?!“ erwiderte ich bissig und bereute es. Er kaute auf seiner Unterlippe herum.

„Sag mir einfach ob du es aus Mitleid tust!“ forderte er schließlich.

War es das..? Mitleid…?

Selbst noch während ich überlegte kannte ich die Antwort.

„Nein.“ Erwiderte ich zögerlich.

Lukas sah mich lange an, ehe er losprustete. „Immerhin etwas…“ er lächelte schwach und es verschwand genauso langsam wie es gekommen war.

„Hey!“ rief eine Stimme laut hinter mir und ich verdrehte schon die Augen ohne hinzusehen.

„Warum findet der mich überall?“ knurrte ich leise und Lukas grinste schief.

Frederic schlang seine Arme um meinen Hals und drückte mir einen feuchten Kuss auf die Wange.

„Was für ein Zufall euch hier zu treffen!“ flötete er.

„Meine Glückskekse verbieten mir den Glauben an Zufälle!“ knurrte ich und zog seine Arme weg.

Frederic lachte schrill und ließ sich neben mir auf den Stuhl fallen, rutschte unverschämter Weise sogar näher an mich heran.

Er trug eine Sonnenbrille auf dem Kopf, ein knallenges Shirt und eine noch engere Hose, die sich um seine schmalen Bohnenstangenhüften quetschte.

Wusste der Geier was der sich da in die Haare geschmiert hatte, die so seltsam von seinem Kopf abstanden. Er sah aus wie ein schwules Stachelschwein.

„Lukas! Hab gehört was passiert ist, das tut mir so schrecklich leid für dich!“ rief er melodramatisch.

„Ich steck’s schon weg, danke.“ antwortete er und ich lächelte ihn kurz an, er erwiderte es.

Und Frederic entging es nicht.

Er klammerte sich an meinen Arm. „Muss ja furchtbar sein, erst verlierst du deine Großmutter und dann noch die Sache mit deinem Opa! Sag mal, schon krass dass du versucht hast dich umzubringen, wie hast du dich da nur überwunden auf die Gleise zu springen?

Und jetzt wohnst du bei Chris, oder? Sonst wärst du ja Obdachlos? Ah er verdient ja eh mehr Geld als Juan und seine Wohnung ist größer, dem wird es sicher leichter fallen dich zu versorgen bis du auf eigenen Beinen stehst, nicht wahr?“ sagte er lauter als nötig und erregte die Aufmerksamkeit unserer Tischnachbarn.

Lukas war wie vom Donner gerührt.

„Kannst du jetzt mal die Klappe halten?!“ fuhr ich ihn an und drückte ihn wieder weg. „Das geht dich alles einen feuchten Kehricht an!“

„Ich sag doch nur wie es ist!“ rief er aus. „Ich habe dich doch nicht beleidigt, nicht wahr??“ Er sah Lukas entsetzt an.

Dieser aber… so Fromm wie eh und je, schüttelte den Kopf.

„Nein… schon in Ordnung.“

Frederic lachte. „Siehst du! Entschuldigung! Einen Café Mélange bitte!“ sagte er, als eine Kellnerin an unserem Tisch vorbei kam.

Wie besoffen war ich eigentlich gewesen, dass ich diesen Spinner ertragen hatte?

„Hast du nichts zu tun?“ fragte ich und funkelte ihn an.

Er lachte aber gekünstelt und legte seine Hand auf meine. „Ach Darling, für dich nehm ich mir immer frei, das weißt du doch! Du, nächstes Wochenende steigt eine Party bei einer Freundin von mir. Du kommst doch auch oder?“

Wie kam er auf eine solch verdrehte Idee, ich würde ihn begleiten?

„Da hab ich schon was vor! Verzeihung! Ich möchte zahlen!“

Die Kellnerin nickte und huschte zwischen den Tischen davon, um die Rechnung zu holen.

„Lass doch… ist doch nicht schlimm.“ Sagte Lukas und zuckte mit den Schultern aber ich funkelte ihn an. Ich hatte keine Lust mit diesem Spinner hier rumzuhängen!

„Ah, wohin gehen wir denn?“ fragte Frederic breit lächelnd.

„Lukas und ich haben noch etwas zu erledigen, bleib du ruhig hier sitzen.“ Ich erhob mich, doch ich sah wie Frederic bettelnd zu Lukas sah.

Lukas sah zu mir und ich schüttelte wild den Kopf.

„Erm… ja tut mir leid, es ist etwas Wichtiges. Nächstes Mal vielleicht…“ Auch er erhob sich langsam.

Ich zahlte unsere beiden Getränke und nahm Lukas sanft am Arm.

„Viel Spaß noch!“ rief ich Frederic zu und ging langsam mit Lukas die Promenade rauf.

„Er hätte doch mitkommen können…“ sagte Lukas leise, wir steckten die Köpfe zusammen und hinter mir spürte ich die bohrenden Blicke.

„Hör bloß auf! Ich kann diese Klette nicht ertragen oder macht es dir etwa Spaß dauernd gestichelt zu werden??“

Lukas lächelte. „Er macht es sicher nicht mit Absicht…“

Ich starrte ihn an. „Ist nicht dein ernst, oder??“

Und als er rot anlief und zur Seite sah, musste auch ich lächeln. Oh Mann… wie sollte ich mich dazu zwingen mir keine Gedanken über ihn zu machen…?
 

Zuhause ließ ich ihn einen Film aussuchen, während ich das Popcorn machte.

Schließlich setzte ich mich zu ihm.

Wir hatten es gerade so durch die Tür geschafft, als es wie aus Kübeln zu gießen begann. Der Regen trommelte hart gegen das Fenster.

„Kann ich dich was fragen?“ kam es unerwartet von dem Kleinen, nachdem ich die DVD schon eingelegt hatte und es mir ebenfalls auf der Couch bequem machte.

„Klar.“ Ich grinste ihn an.

„Hast du mit Frederic Sex gehabt?“

Meine Mundwinkel sackten wieder runter. „Ja…“ sagte ich wahrheitsgetreu.

„Und…“ kam es weiterhin von ihm. „…hast du… oft mit Leuten Sex…? Also… einfach nur Sex? One… night stands…?“

„Ja…“ sagte ich wieder und mir wurde irgendwie komisch zumute. Eigentlich war es doch für mich die natürlichste Sache dieser Welt… die Freiheit bei der Wahl meiner Partner… Sex!

Aber während er mich Stück für Stück ausfragte begann ich mich irgendwie eklig zu fühlen, fast als wäre ich ein unnormales und ekelhaftes Monster.

„Okay…“ antwortete er schließlich und sah zu dem Fernseher.

Danach hatte er mich nichts mehr gefragt und wir hatten den Film gesehen. Und doch sah ich dass er genauso wenig von dem Film mitbekam wie ich… denn wir beide waren in Gedanken woanders.

Was war nur los mit mir…? Warum fühlte ich mich dauernd schlecht, wenn ich die Wahrheit sagte?!

Mein Handy klingelte in der Mitte des Films.

Eine fremde Nummer.

„Ja?“

Eine tiefe männliche Stimme ertönte, die mir irgendwie bekannt vorkam.

„Hi, ich bin’s. Hast du Zeit?“

Ich runzelte die Stirn. „Wer ist ich?“ fragte ich und die Stimme lachte melodiös.

„Wir haben vor nicht allzu langer Zeit im Park gevögelt.“ Knurrte die Stimme. „Du weißt schon, der Typ mit dem Augenbrauenpiercing.“

Da strömten plötzlich wieder die Bilder von besagter Nacht auf mich zu und ich erinnerte mich. Woher hatte der meine Nummer?

„Sorry bin grade beschäftigt.“

Lukas sah mich an und fragte sich vermutlich wer das sein mochte… Ich grinste ihn aber beschwichtigend an. „Bis dann.“ Und legte auf.

Wenn Lukas nicht hier gewesen wäre, wäre ich gegangen.

„…wenn du irgendwohin willst, geh ruhig… ich hab keine Angst wenn ich alleine bin.“ Sagte er und lächelte.

Aber ich schüttelte den Kopf. „Nein war auch nicht so wichtig.“

Chris kam heute etwas pünktlicher und begrüßte Lukas herzlicher als mich.

„…ich wollte dich gestern nicht wecken, du hast so süß geschlafen.“ Er lachte und nahm seine Tasche. „Bereit zum Abflug?“ fragte er und Lukas erhob sich.

„Ich muss nur meine Jacke holen…“ Ohne mich anzusehen ging er an mir vorbei in den Flur.

Chris sah mich an, ich sah zurück.

„Bist du sicher, dass ich ihn mitnehmen soll?“ fragte er.

Ich nickte. „Tut ihm vielleicht ganz gut… in meiner Nähe fühlt er sich eh nicht wohl.“ Murmelte ich und hatte mich ebenfalls erhoben.

„Wenn was ist ruf einfach an und Chris wohnt ja nicht weit weg von mir.“ Ich lächelte Lukas an, als der seinen Schuh angezogen hatte.

Der Kleine nickte und lächelte mich an. „Bis dann.“ Sagte er und bis sich unten die Eingangstür des Hauses schloss blieb ich unter der Tür stehen und fühlte mich plötzlich zurück gelassen und einsam.

Ich griff erneut nach dem Handy.

„Hey… hab‘s mir anders überlegt, treffen wir uns?“
 

Irgendwie war ich doch erleichtert, dass ich plötzlich alleine war… ich wich Chris ständig aus und blieb so selten wie möglich zuhause.

Jede Nacht war ich mit jemand anderem zusammen und ich versuchte zwanghaft mein Leben wieder in seine alte gewohnte Bahn zu werfen.

Und irgendwie gelang es mir auch, glaubte ich zumindest.

Wenn Chris mich in der Uni auf Lukas ansprach, wich ich ihm teilweise aus, aber wir hatten ihn schnell umgemeldet und ab und an kamen die beiden vorbei oder ich ging zu Chris, was noch seltener vorkam.

Nach gut zwei Wochen sagte ich Chris gerade ab, als die beiden ins Kino gehen wollten. Ich hatte ein Date mit einem superhübschen Mädel, die ich an dem Wochenende in einem Club kennengelernt hatte.

Wir schlenderten gerade die Einkaufsstraße runter, ich hatte den Arm um ihre Taille geschlungen und sie lachte über einen meiner Witze, als ich innerlich erstarrte.

Chris und Lukas kamen mir entgegen… Lukas hatte keine Krücken mehr, er lief langsam neben Chris und die beiden sahen mich.

Cool bleiben.

Ich lächelte die beiden breit an.

„Na ihr zwei Täubchen, wolltet ihr nicht ins Kino?“ fragte ich grinsend und blieb vor ihnen stehen. Meine Bekannte schmiegte sich an mich und lächelte die beiden aus ihren vollen rosa Lippen an.

„Hi!“

Chris hob nur eine Augenbraue und Lukas sah mich emotionslos an.

„Wir gehen vorher noch was essen.“ Sagte Chris. „Und ich dachte du wolltest heute in die Bibliothek?“

„Da durften wir leider nicht zu laut sein.“ Konterte ich grinsend und winkte ihnen zu, als wir weiter gingen.

Und noch während ich lief, verschwand mein Grinsen.

Was tat ich hier…?

Wer war dieses lachende Mädchen an meiner Seite und warum drückte ich sie so an mich…?
 

Und ab da meldete Chris sich kaum noch. Selbst in der Uni setzte er sich im Hörsaal von mir weg. Ich wusste er war sauer auf mich…

„Was soll die Kinderkacke?“ stellte ich ihn zur Rede und packte ihn draußen am Eingang am Arm.

Er riss sich von mir los und starrte mich wuterfüllt an. „Das sollte ich eigentlich dich fragen, meinst du nicht?!“ brüllte er mich an. „Was ist los mit dir Mann!?“ er ließ seine Tasche fallen und schubste mich mit beiden Händen zurück.

„Was soll mit mir sein?!“ fuhr ich zurück.

Wenn es jemand anderes gewesen wäre, hätte ich ihm längst eine gegeben.

„Du dummer Wichser rennst mit aufgerichtetem Schwanz durch die Welt und denkst du könntest tun und lassen was du willst! Ohne Rücksicht auf Verluste! Warum hast du ihn hierher geholt und ihm Hoffnungen gemacht?? Damit du ihn nochmal ficken konntest?! Du bist ein penetrantes kleines Arschloch!“

Das war zu viel!!

„Und wer bist du, der heilige Samariter?!“ brüllte ich zurück. „Das klingt ja als hätte ich jemanden vergewaltigt und ihr zwingt ihn mir jetzt auf!! Ich hab keinen Bock auf so eine Scheiße, kapiert!?“

Chris ballte die Hände zu Fäusten, es war mir egal ob wir gehört wurden und ihn interessierte es ebenso nicht.

„Du hast einem Menschen Hoffnung gemacht! Und hast sie mit denselben Händen zerstört, mit denen du ihn auf die Beine gezogen hast!“

Genervt verdrehte ich die Augen. „Weißt du was, das ist mir zu blöd! Da war nichts, okay?? Nur Sex! Ich habe nie jemandem irgendwas versprochen klar?? Und dass ich freundlich war ist mein Vergehen oder was?! Er war eben griffbereit!! Und ich hab ihm nie ewige Liebe geschworen also lasst mich mit eurer Scheiße in Ruhe!!! Nur weil er sich umbringen wollte und alles verloren hat, soll ich jetzt aus Mitleid eine Beziehung anfangen oder was??“

Und als ich das sagte, sah ich das schmale rundliche Gesicht mit den großen Rehaugen, das dort stand und mich verloren ansah.

„Komm Chris…“ sagte er leise und nahm ihn am Arm, hob dessen Tasche vom Boden auf.

Chris aber wollte sich losreißen und auf mich zustürmen, doch Lukas hielt ihn zurück.

„…gehen wir…“ murmelte er und zog ihn weg.

In diesem Moment hasste ich ihn dafür. Ich hasste Chris dafür, dass er mich diese Dinge sagen ließ… ich hasste Lukas dafür, dass er in mein Leben gedrungen war und es zerstörte… ich hasste die Welt, das Schicksal, Gott… alle die Schuld daran hatten, dafür was aus mir geworden war, dafür dass mein Leben aus seinen Fugen geriet…

Nur mich selbst beschuldigte ich am wenigsten.

Ohne mich noch einmal umzusehen verließ ich mit schnellen Schritten die Uni und kam auch vorerst nicht mehr zurück.

Ein paar Tage lang blieb ich zuhause, weil ich glaubte bald völlig den Verstand zu verlieren… was geschah hier… warum geschah es…

Es klingelte an der Tür aber ich konnte mich kaum hochschleppen… ich lag auf dem Bett und vegetierte vor mich hin.

Doch es schrillte lauter und lauter, bis es meine Nerven ankratzte.

„Verpiss dich!!!“ brüllte ich laut.

Für ein paar Sekunden verstummte es, dann schellte es noch heftiger.

Ich sprang wutentbrannt und schnaubend aus dem Bett und stürmte in den Flur. Wer auch immer da vor der Tür stand, ich würde ihm mit der Faust eine rein hauen.

Mit erhobener Faust riss ich die Tür auf und erstarrte.

„Mom?!“ fragte ich entgeistert.

Da kam eine Ohrfeige angeflogen und traf mich hart. „Wolltest du mich schlagen oder was?!“ fuhr sie mich an.

Ich stolperte und presste die Hand auf meine Wange.

„Was zum Geier tust du hier?!“ keifte ich zurück.

„Was wohl, ich wohne jetzt bei dir! Ich hab das Haus verkauft und ziehe nach Köln!“ rief sie glücklich.

Konnte es noch schlimmer kommen?

Kapitel 6

Hallo alle miteinander :3
 

Ich lade also schon etwas früher hoch, weil ich es heute Abend vermutlich nicht schaffen werde.
 

Vornweg; Ich weiß, Juan ist ein Idiot.

Aber manchmal laufen wir alle blind durch die Welt und egal wie sehr andere Menschen versuchen uns die Augen zu öffnen, egal ob sie unsere Fehler erkennen oder nicht, gelegentlich wollen wir diese gar nicht sehen.

Vielleicht ist es unbegründeter Stolz oder einfach nur eine geknickte Seele die sich kritisiert fühlt.

Aber was Menschen einzigartig macht ist ja bekanntlich ihre Lernfähigkeit und der gute Juan wird sicher noch die Kurve kriegen :)
 

Das Kapitel für diese Woche ist etwas länger geworden glaube ich, sicher bin ich mir nicht! Bei mir sind es ja selten unter 6 Word Seiten.
 

Auf jeden Fall danke ich euch sehr fürs lesen und ich hoffe, dass sich die Leserschaft noch ein wenig vergrößern wird :3 Welcher Autor wünscht sich das nicht? *gg*

Ich bin ich euch allen sehr dankbar fürs lesen und hoffe, dass euch der weitere Verlauf der Geschichte gefallen wird... ich gebe mir auf jeden Fall Mühe immer zeitig meine Deadline einzuhalten!
 

Viel Spaß mit dem neuen Kapitel -^__^-
 

Eure Cait
 


 


 


 

„Was soll das heißen du gehst seit drei Tagen nicht in die Uni?? Bist du Krank??“ fragte sie und saß mir gegenüber auf der Couch. Wir hatten uns drei Flaschen Rotwein und einen Feigenwein geteilt und lagen nun gemütlich in den Polstern.

„Das was es heißt.“ Knurrte ich knapp und trank mein wievieltes Glas auch immer leer.

Sie richtete sich auf und sah mich bedrohlich an. „Juan!“ knurrte sie.

Ich seufzte. „Chris nervt mich seit Tagen… hör zu ich muss ein paar Tage auftanken dann geht es weiter, okay? Also mach nicht so einen Aufstand…“ brummte ich.

Normalerweise würde jetzt wieder etwas angeflogen kommen doch als ich keinen Schmerz spürte sah ich auf.

Ihre Augen ruhten weich und besorgt auf mir.

„Ist etwas passiert?“

Ich schwieg.

Und für sie war das ein Grund weiter zu bohren.

„Hast du Geldsorgen? Oder hat dich deine Freundin verlassen…? Wirst du bedroht… du kannst mir doch alles sagen Juan… bist du vielleicht Krank…?“

„Mom…“ unterbrach ich sie. „Es ist nichts dergleichen…“ Einen Moment lang fühlte ich mich vom Alkohol berauscht. „Ich habe keine Freundin… und auch keinen Freund.“

Ich schluckte hart, denn ich war dabei es ihr zu sagen.

Verwirrt sah sie mich an. „Wieso?? Was ist mit deinen Freunden…?“

Ich klatschte mir die Hand ins Gesicht. „Ich stehe auf Männer!“

Ihre Augen rissen weit auf, ebenso ihr Mund, dann warf sie den Kopf nach hinten und lachte laut los.

„Ich meine es ernst!!“ fuhr ich sie an und die röte pulsierte auf meinen Wangen.

Sie lachte noch immer doch langsam verebbte es. „Wie..? So… richtig…?“ fragte sie.

„Nein… ich… ich bin Bi… oder ich war es…“

Ihre noch immer großen Augen sahen mich an, das erheiterte Grinsen wich aus ihrem Gesicht.

„Ich kriege bei Frauen keinen mehr hoch…“

Hatte ich denn völlig den Verstand verloren dieser verdammte Alkohol warum sagte ich ihr das?!

Sie prustete kurz aber dann tätschelte sie mein Bein. „Das wird schon wieder!“ sagte sie sanft.

Schockte sie es denn gar nicht dass ich es mit Männern trieb??

„Wird es nicht…“ knurrte ich und nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche, ehe ich zu erzählen begann. Ich erzählte von dem Tag an dem ich sie verließ und wieder nachhause fuhr, von dem Jungen, den ich mitnahm. Ich erzählte ihr, was in den zwei Tagen geschah und dass er daraufhin verschwand. Dann beichtete ich ihr von dem Krankenhaus und die Heiterkeit verschwand immer mehr und mehr aus ihren Augen bis sie fast in Tränen ausbrach. Und als ich noch das mit Chris hinzufügte, verstummte sie. Sie starrte mich einfach nur an und dann kam sie, die schallende Ohrfeige.

„Wie kannst du sowas sagen?!“ fuhr sie mich an. „Kannst du dir vorstellen wie er sich danach gefühlt haben muss!?“ schrie sie mich an und die Tränen kullerten ihr über das Gesicht. „Mein Gott… der arme Junge… er hat seine Familie verloren… und dass du ihn hierher geholt hast war zwar lobenswert aber auch das einzige was du richtig gemacht hast du dummer Trottel!!! Ich dachte ich habe dich anständiger erzogen!!“ schrie sie ebenfalls und in unserem Rausch wechselten wir ins Spanisch über und schrien uns Verwünschungen und Beleidigungen an den Kopf, wir schrien einander an bis wir heiser wurden und irgendwann einschliefen.

Sie auf der einen Seite der Couch, ich auf der anderen.
 

„Aufstehen! Los!!“ schrie meine Mutter und es klang wie die Explosion von Schiffskanonen in meinen Ohren.

Erschrocken fuhr ich hoch, starrte sie mit großen entsetzten Augen an.

„Was?! Was ist los?!“

Sie stand da, die Hände in die Hüften gestemmt und funkelte mich an. Von unserer Sauferei gestern war in ihrem Gesicht rein gar nichts zu erkennen.

„Du gehst jetzt in die Uni! Und wenn du Chris siehst, redest du mit ihm!“

Überrascht sah ich sie an, das konnte doch wohl nicht ihr ernst sein? „Warum sollte ich?“

„Weil ich es sage!“ fuhr sie mich laut an, schien ihre Wut gerade noch so unterdrücken zu können. „Hör zu, du bist noch jung, du machst Fehler, egal für wie perfekt du dich hältst oder wie sehr du dass was du tust für das richtige hältst, aber ich werde dir mal was sagen mein Sohn, du bist alles andere als perfekt!! Das einzige was perfekt ist, war der Zeitpunkt, an dem hierhergekommen bin, bevor du noch alles in den Sand setzt! Geh zu Chris und rede mit ihm!“

Grummelnd sah ich sie an und rieb mir das Gesicht. Da wurden ihre Augen sanfter, sie setzte sich zu mir aufs Sofa.

„Du und Chris, ihr seid doch schon seit Jahren befreundet… du willst doch nicht wegen deiner Idiotie einen guten Freund verlieren oder?“ fragte sie.

Ich schmollte… ja ich war im Unrecht und eigentlich wusste ich das auch… eigentlich!

„Und es tut dir doch leid, wegen diesem Jungen, nicht wahr? Ich kenne dich besser als du denkst Juan du hast ein gutes Herz. Sonst hättest du ihn nicht mitgenommen.

Und jetzt versteckst du dich, weil du das Gefühl hast den anderen nicht mehr in die Augen sehen zu können.“

Sie traf es mal wieder auf den Punkt genau.

„Du bist gerade nicht in der Lage rational zu denken, also werde ich das für dich tun!

Und du weißt ganz genau, dass ich in den meisten Fällen Recht habe, sobald dir irgendwas schwer fällt oder du dagegen sprichst!

Jetzt wirf mal deinen dummen Stolz über Bord und schwing deinen Arsch endlich zur Uni!“ Wie eine bedrohliche Gewitterwolke kreiste sie um mich herum, bis ich schnell etwas gegessen hatte und schließlich aus meiner Wohnung gejagt wurde.

Diese rechthaberische vorlaut…

„Juaaan!“, schrie sie hinter mir laut.

Ich zuckte zusammen und wirbelte herum, sie hockte dort oben am Fenster und hatte sich halb raus gebeugt.

„Bring die Jungs zum Essen mit!!“, rief sie und winkte

„Wir sind hier nicht im Zigeunerviertel, weißt du?!“, schrie ich zurück. „Also fahr den Kopf wieder ein!!“

Das ließ sie so herzlich auflachen, dass es mir selbst ein winzig kleines Grinsen auf die Lippen zauberte. Ich schüttelte nur leicht den Kopf, winkte mit halb gehobener Hand zurück und schlenderte die Straße runter.

Irgendwie warf es mich für wenige Sekunden zurück in meine Kindheit… wenn meine Mutter aus dem Fenster schrie, ich solle zum Essen rein kommen… wenn sie mir hinterher rief, dass ich mich von Fremden fern halten und mein Geld ja nicht für „Scheiß Fastfood“ ausgeben solle…

Schmunzelnd lief ich weiter, doch das kleine Lächeln verschwand aus meinem Gesicht und mir wurde langsam wirklich flau im Magen, wenn ich daran dachte Chris heute noch über den Weg zu laufen…

Ich strich mir das Haar zurück, schob mir die Hände in die Taschen und atmete tief aus.

Vielleicht würde ich Chris gar nicht sehen, so nahm ich mir vor ihn morgen anzusprechen.

Dass ich ein Feigling war wusste ich auch, na und?? Genauso wusste ich, dass ich mit voller Absicht geduckt über den Campus lief, um unentdeckt zu bleiben und meinem alten besten Freund aus dem Weg zu gehen…

Im Hörsaal war er nicht anzutreffen… auf seinem alten Platz neben mir saß irgendein kleiner Pimpf mit einer Frisur aus dem vorherigen Jahrhundert.

War ich glücklich darüber? Oder enttäuscht?

Wohl eher erleichtert, denn auch der Rest des Tages verlief relativ ruhig… ohne auch nur das geringste Anzeichen auf den Deppen.

Irgendwie merkte ich noch nicht einmal wie der Tag verging… und war dementsprechend verwundert, als meine letzte Vorlesung endete.

Schon halb vier??

Und kaum hatte ich einen Blick auf die Uhr geworfen, begann das Handy in meiner Tasche zu vibrieren…

Genervt verzog ich das Gesicht, meine Mom rief an… aber irgendwie wollte ich auch ein bisschen aus Angst nicht rangehen.

Doch je länger ich zögerte glaubte ich zu spüren wie das Handy durch die Wut meiner Mutter immer heftiger vibrierte…

Gerade wollte ich ran gehen, da sah ich ihn…

Chris schien sich weit oben hingesetzt zu haben, denn er lief als einer der letzten die Treppen hinunter.

Schnell wollte ich meine Sachen einpacken, doch ich tat es unnötig langsam… klopfte noch einmal die Bücher leicht auf den Tisch, damit die Notizen ja drin blieben und schluckte schwer.

Gleich würde er den Raum verlassen, ich sollte mich beeilen…

Aber irgendwie kam ich nicht richtig aus mir heraus… und das Handy vibrierte verärgert weiter.

Verdammt nochmal, ich hatte doch nichts schlimmes gesagt, was sollte dieser Psychoterror?!?

„Chris!“, brüllte ich noch rechtzeig, bevor er den Raum verließ.

Unter dem Türrahmen sah er hoch und hob leicht die Augenbraue.

„Warte!!“, rief ich und packte jetzt schon etwas schneller zusammen. Verdammte Scheiße! Warum hatte ich ihn gerufen?! Ich hätte ihn gehen lassen sollen!

Aber da stand er nur, hatte das Gesicht nach draußen gewandt und wartete.

Unten stellte ich mich zu ihm, abgesehen vom Prof war niemand mehr da…

„Gehen wir zu mir?“, fragte ich direkt.

Seine Augenbrauen flogen nach oben. Überrumpelt sah er mich an, doch seine Augenbrauen zogen sich schnell wieder abwärts.

„Sag mal, willst du mich verarschen?“

Am liebsten hätte ich sein Gesicht gepackt und seinen dummen Quadratschädel gegen die Wand geschlagen!

„Ich will mich entschuldigen! Und reden kann man hier wohl schlecht!“, grummelte ich und schielte leicht zur Seite. „Komm schon Mann…!“

Lange spürte ich seinen Blick auf mir. „Okay…“, ertönte seine tiefe Stimme nur ruhig und ließ mich wieder aufblicken.

„Und… Lukas…?“, hakte ich vorsichtig nach.

Seine kühlen Augen ruhten in meinem Gesicht, ich versuchte trotzig zurück zu blicken… ob ich das schaffte, wusste ich nicht so recht… aber ich fühlte mich immer ekliger.

In was für eine widerliche Situation hatte ich mich da rein schmeißen lassen?! Wir hätten ein paar Tage lang nicht miteinander geredet und dann wäre alles wieder gut gewesen! Wozu entschuldigen?!

„Ich weiß nicht ob Lukas das möchte.“ Er zückte sein Handy und nach kurzen Handgriffen hielt er es sich ans Ohr.

„Hi, ja ich bin’s. Hör mal… kannst du herkommen? Juan will sich bei dir entschuldigen…“

Meine Augen wurden groß. Entschuldigen?? Bei dem Floh? Dieser Trottel, wieso sagte er das so direkt?!

Aber sein Blick wurde schärfer, als er wohl meine Reaktion bemerkte und trat mir hart auf den Fuß, was mich aufkeuchen ließ.

„Ja, das will er. Also, wann hast du aus? Hm… okay! Dann treffen wir uns in einer halben Stunde, wir warten dann dort auf dich.

Okay bis gleich.“

Aus? Was denn aus?

„Er hat sich auf einem Berufskolleg eingeschrieben, um sein Fach-Abi zu machen.“

Überrascht sah ich ihn an und unwillkürlich zeigte sich ein kleines Grinsen. Oh Mann, ich hasste mich dafür, dass ich weder meine Emotionen, noch meine Gesichtsausdrücke kontrollieren konnte!

„Das ist ja super!“

Chris schnaufte belustigt aus der Nase und lief los.

„Was?“, fragte ich zögernd und folgte ihm, schaffte es problemlos mit ihm Schritt zu halten.

„Wenn du selbst nur so ehrlich wärst, wie dein Körper es ist.“, brummte er neben mir.

„Hä?!“ Verwirrt verlangte ich nach einer Antwort, doch er gab sie mir nicht.

Das Berufskolleg war nicht weit von der Uni entfernt, wir liefen knappe zehn Minuten. Schließlich warteten wir draußen und sahen zu, wie eine kleine Schar von Schülern gerade das Gebäude verließ.

Belustigt betrachtete ich das Straßenschild. Lindenstraße…

Ja so fühlte ich mich gerade… wie in einer bescheuerten Soap!

Schweigend saßen wir da, bis ich Lukas entdeckte. Er kam lachend mit einem hübschen Mädchen die Treppen hinunter. Sie hatte langes dunkelblondes Haar und schöne blaue Augen. Dass sie eine Deutsche war, roch ich schon von weitem aber warum fühlte ich mich dadurch angegriffen?? Vielleicht stand er ja gar nicht auf Südländer…?

Moment… warum sollte er überhaupt auf Südländer stehen?!

Innerlich schlug ich mir gegen den Kopf und wollte meinen Verstand zwingen, mal endlich die Fresse zu halten!

Da erblickte er uns aber und winkte dem Mädchen zu. Sie lächelte süß zurück und winkte ebenfalls, ehe sie weiter lief.

„Hey! Na, wie war’s?“, fragte Chris mit seinem typischen Grinsen, das eigentlich immer nur mir gebührt hatte.

Lukas würdigte mich keines Blickes. „Ganz gut.“ Er lachte.

Seit wann lachte Lukas so…?

„In der Klasse sind viele nette Leute… ich glaube es wird schwierig, aber ich schaffe es schon! Haben die Typen eigentlich schon angerufen?“

Chris schüttelte den Kopf. „Noch nicht… warte es doch erst einmal ab und sieh zu, dass du mit der Schule klar kommst, alles andere kriegen wir schon hin!“

Die beiden unterhielten sich so locker… gingen so vertraut miteinander um, dass ich mich wie das fünfte Rad am Wagen fühlte… und auch die lächerliche Eifersucht kochte hoch.

Ja verdammt, ich war eifersüchtig und in meinem innersten, irgendwo in einer verborgenen Ecke, gab ich es auch selbst zu!

Wie der letzte Idiot stand ich da und spürte meinen kleinen mickrigen Stolz, der Stück für Stück von diesen kleinen Ratten angenagt wurde.

Doch ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, denn die beiden schwiegen… und sahen mich an.

Ich blickte zurück.

„Also?“, fragte Chris.

„Gehen wir.“, grummelte ich und auf dem Weg von der behämmerten Lindenstraße bis nachhause schwieg ich.

Denn meine Gedanken waren viel zu laut, als dass ich mein eigenes Wort verstehen könnte, ganz bestimmt.

Die beiden unterhielten sich jedoch völlig frei, ich hatte ja schon erwähnt, dass Chris ziemlich geschwätzig war, doch in dieser Situation war ich echt froh darüber.

Zuhause angekommen wollte ich unten die Tür öffnen und hatte gerade mal meinen Schlüssel gezückt, da ertönte schon das tiefe Surren als meine Mom uns von oben öffnete.

Ich drückte gegen die alte Tür, sofort sprang sie auf.

Genervt seufzte ich, doch Chris schien leicht irritiert zu sein. „Lockst du uns gerade in ein Geschwader, das uns bombardieren wird oder ist Pascal wieder da?“

„Quatsch!“, knurrte ich zurück und ging mit ihnen hoch. Mit einer kleinen Genugtuung schwieg ich allerdings. Sollte er doch rätseln bis er schwarz wurde.

Meine verrückt gewordene Mutter öffnete mit ihrem strahlend weißen Zahnpastalächeln oben die Tür, die schwarzen Wolken um meinen Kopf herum wurden dabei immer schwärzer und schwärzer.

„Frau Diaz!“, rief Chris überrascht, aber fröhlich, als er sie erkannte und ließ sich von der Frau umarmen, die fast zwei Köpfe kleiner war als er selbst.

„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich Luana nennen sollst?!“ Sie zog an seinen Ohren, lachte aber herzlich und umarmte ihn, wobei sie in seinen Armen fast völlig verschwand.

Ich hatte den Jungs den Vortritt gelassen… und zufällig sah ich zu Lukas, der die Szenerie ebenso wie ich beobachtet hatte, doch er schien sich mit einem Mal völlig unwohl in seiner Haut zu fühlen.

Ob es daran lag, dass es hier war, oder eher an meiner Mutter, konnte ich nicht genau sagen.

Seine schönen Augen sahen mich nur vorwurfsvoll an, doch ich ließ mir nichts anmerken sondern deutete ihm höflich einzutreten.

Ich fühlte mich wie ein Bauer, der seine Lämmer in die Arme des Metzgers trieb, doch in dem vollen Bewusstsein, dass ich am Ende derjenige war der geschlachtet werden würde.

„Du bist also Lukas? Mein idiotischer Sohn hat mir viel von dir erzählt!“ Sie strahlte so unbefangen in ihrer fröhlichen Art. Zu deutlich sah ich wie Lukas‘ schmale Schultern dabei erleichtert hinunter sackten. Auch ihn umarmte sie fest und Lukas erwiderte leicht verschüchtert den Druck.

„Komm doch bitte rein, ihr habt sicher Hunger!“

„Hier riecht es ja köstlich!“, rief Chris grinsend und lief direkt auf die Küche zu.

Mit Lukas war sie schon eher fast auf Augenhöhe, auch wenn es noch ein Kopf unterschied war…

Nachdem sie eingetreten waren, wollte auch ich folgen, doch da schlug sie mir fast die Tür ins Gesicht.

„Ey!“, rief ich, doch sie lachte.

„Menschen mit mürrischen Gesichtern bleiben draußen!“, sagte sie hart, grinste mich aber an und zwinkerte mir zu, ehe sie auch mich rein scheuchte und mir einen Klaps auf den Hintern gab.

Sollte ich nun lachen oder weinen? Um Himmels Willen, was tat ich hier nur…?
 

Schließlich saßen wir zusammen in der Küche und aßen das wundervolle selbstgekochte Essen meiner Mutter, das eigentlich wirklich vorzüglich war… doch in meinem Mund fühlte es sich nicht anders aus als gammelige Gummipampe…

Ich war wohl der einzige, der schwieg…

Meine Mutter schaffte es wirklich eine lockere Atmosphäre zu schaffen… zumindest Chris und sie verstanden sich wie immer prächtig.

Sie laberten und laberten… switchten von einem Thema sehr professionell ins nächste, Chris war ihrem südländischen Charme verfallen. Doch er antwortete mit genauso charmanter Körpersprache.

Zwischendurch spannte sie Lukas geschickt ein, entlockte ihm immer wieder kleinere Antworten und verwickelte auch ihn in Gespräche, ob er es nun wollte oder nicht.

Ab und an hob ich den Blick leicht und traf den von Lukas, der zufälligerweise mir gegenüber saß…

Immer wenn sich unsere Blicke begegneten, senkte er seinen schnell wieder und aß artig weiter.

Die drei waren schon beim Nachtisch angekommen, während mein Essen noch vor sich hin versauerte.

„Sag mal, schmeckt’s dir etwa nicht?“, knurrte meine Mutter und hob drohend ihren Löffel, den sie vorher in Sahne und Schokolade getunkt hatte.

„Doch, doch…“, brummte ich.

„Rauchst du Lukas?“, wechselte meine Mutter prompt das Thema… schon wieder!

„Nein…“, murmelte er verlegen.

„Braver Junge!“ Sie lachte und schnappte sich Chris. „Komm, gehen wir auf den Balkon!“ Sie nahm ihn am Arm und Chris schaffte es gerade noch nach seiner Schale Pudding zu greifen, ehe er ins Wohnzimmer gezerrt wurde.

Und dann saßen wir dort… ganz allein…

Ich hörte noch, wie sich die Balkontür öffnete und sie lachend nach draußen traten.

„Du solltest es essen… es schmeckt wirklich gut…“ Lukas‘ Stimme war sanft und fast schon leise… doch in der Stille erschien sie mir wie die Explosion eines Feuerwerks.

„Ich weiß… ich esse es schon seit meiner Kindheit, weißt du?“, antwortete ich, doch sofort kniff ich ein Auge zu.

Scheiße!! Scheiße! Ich wollte doch damit aufhören!!

Meine Mutter hatte mich die ganze Nacht bequatscht, sie hatte mir die Ohren damit abgenagt, indem sie versucht hatte mir zu erklären, dass ich mich entschuldigen müsse… naja den Eindruck hatte ich zwar auch, allerdings war ich sehr unbeholfen in solchen Dingen.

Lukas hatte den Blick wieder gesenkt… sein Pudding wabbelte noch halb vor sich hin, allerdings begann die Sahne langsam aber sicher einzugehen…

„Ich… hab’s nicht so gemeint…“, murmelte ich.

Aus den Augenwinkeln sah ich ihn nur nicken, doch er schaute nicht hoch.

Was tat ich denn da?! War ich völlig bescheuert?! Wovor hatte ich schiss?? Ich hatte doch nichts Falsches getan, es hatte doch der Wahrheit entsprochen und…

Doch noch während sich der Gedanke in meinem Oberstübchen bildete, wusste ich, dass es nicht wirklich das war was ich dachte.

Ich mochte Lukas… ich hatte mir große Sorgen um ihn gemacht… selbst als ich ihn das erste Mal dort auf dem Rastplatz getroffen hatte, hatte der Kleine irgendwas in mir bewegt… mein altes, erkaltetes Herz schien von neuem zu schlagen, so kitschig das auch klingen mochte, doch es war eben nun mal das, was meinen momentanen Zustand perfekt beschrieb… anders ließ es sich wohl nicht in Worte fassen.

Aber ich bekam diese verdammten Worte nicht aus meinem Mund heraus…

Aaaach verdammter Mist!

„Ich…“, begann ich und ließ meine Gabel sinken. „…ich hab’s nicht so gemeint.“

Lukas schwieg einen Moment. „Das hast du gerade eben schon gesagt.“, bemerkte er an und als ich aufsah, bemerkte ich ein kleines bemitleidendes Lächeln.

„Das meinte ich doch nicht…! Ich meinte… das… naja… letztens… was du mitgehört hast…“ Verzweifelt wollte ich mir ins Haar greifen.

Lukas legte sein Glas nieder, aus dem er einen kräftigen Schluck genommen hatte und hob den Blick, um mir direkt ins Gesicht zu sehen.

„Ich will nichts davon hören.“, sagte der Kleine direkt heraus, was mich schon irritierte.

„Hey, ich versuche mich gerade anständig zu entschuldigen!“, beschwerte ich mich, nicht einmal ausreden konnte ich hier! Auch wenn ich gar nicht wusste, was ich noch sagen sollte.

„Anständig? Weißt du denn was das ist?“ Seine Augen schienen mich zum Duell herauszufordern.

„Was soll das heißen?“, knurrte ich und versuchte meine Fassung zu bewahren.

„Da fragst du noch??“ Lukas sah aus als würde er mir mit seinem Dessertlöffel am liebsten die Augen ausstechen und sie als Kirschen auf seiner Sahne verwenden . „Du kommst mich im Krankenhaus besuchen… bleibst tagelang an meiner Seite… du… du sagst mir so schöne Sachen!! Du schleppst mich mit hierher und weckst in mir die Hoffnung, dass du vielleicht doch kein so schlechter Kerl bist… aber nachdem Chris mich abgeholt hat, hast du angefangen mich zu ignorieren… du bist mit irgendwelchen Typen und Weibern umher gezogen…! Du hast mich links liegen gelassen… trotzdem hatte ich noch Hoffnung… und dann… dann kam… dieser Scheiß!“ Seine Stimme war ruhig, doch sie brodelte vor Zorn… selbst ein Idiot wie ich erkannte das.

Du hast mich also nur hierher gelockt, um dein eigenes Gewissen zu befriedigen, weil du glaubtest du wärst mir was schuldig oder was?! Nur weil ich… ich mit dir… im Bett war…!!“

Ich biss mir auf die Lippen, klappte den Mund auf, weil ich etwas sagen wollte.

„Du schuldest mir rein gar nichts, kapiert?! Ich will überhaupt nichts von dir, also lass mich einfach in Ruhe, denn Ich komme hier schon selbst zurecht! Dafür brauch ich keine zusätzliche Last, ich kriege mein Leben schon auf die Reihe, auch ohne dich!“ Damit schob er seinen Stuhl zurück und stand auf.

Ich fuhr ebenfalls hoch und packte ihn am Arm.

„Lukas!“

„Was?!“, fuhr er mich an, war zu mir herum gewirbelt.

„Es tut mir leid…“

Lukas schien wütend zu werden, versuchte mir seinen Arm zu entreißen.

„Ich hab gesagt, dass ich das nicht mehr hören will, also halt die Klappe!! Glaubst du, du kannst mit den Gefühlen der Menschen spielen oder was?! Lass mich los!! Lass los, hab ich gesagt!!“

Aber ich packte ihn auch am anderen Arm.

„Jetzt komm mal wieder runter, verdammte Scheiße!!“, fuhr ich ihn an und rüttelte ihn leicht durch, denn langsam wurde auch ich wütend.

Warum gab der mir keine Chance?!

„Du machst ein richtiges Drama draus, verdammt nochmal!! Du wolltest doch auch mit mir schlafen!! Wir haben uns nicht einmal richtig gekannt!! Wieso nimmst du es mir dann so krumm?!“

Das schien den Kleinen noch mehr aufzuregen, denn jetzt begann er wild nach mir zu treten. Sein Gesicht war hochrot angelaufen, er wirkte wie eine kleine Dampflock kurz vor einer Explosion…

„Halt deine verdammte Fresse!! Jetzt kennst du mich besser oder was, was willst du überhaupt, du tust das doch eh alles nur weil deine Mutter das von dir verlangt!!“

Das machte mich schon sprachlos, doch ich war damit beschäftigt seinen Tritten auszuweichen und so stolperten und krachten wir durch die Küche.

„Das ist gar nicht wahr!! Sie hat mir nur den nötigen Arschtritt geben wollen!“, rechtfertigte ich mich, denn mein Stolz verbot mir etwas anderes zuzugeben,

„Warte, ich geb dir auch noch welche, vielleicht bringt es ja was!!“, fauchte er und trat wie ein verrücktes Känguru nach mir, schließlich erwischte er mich am Knie und das nicht besonders sanft.

„Hallo!! Hallo!!! Was ist denn hier los?!“, schrie meine Mutter. Chris packte mich, wobei meine Mutter wirklich Mühe hatte Lukas festzuhalten.

„Du bist nichts weiter als eine kleine Drama Queen!!“, fuhr ich ihn laut an.

Lukas‘ Gesichtszüge entgleisten.

Er war einen Moment lang erstarrt… dann griff er nach der gläsernen Auflaufform und schleuderte sie mir entgegen.

Chris und ich duckten uns gerade noch rechtzeitig, als das gute Stück auch schon hinter uns an der Wand zerschellte.

„Was weißt du denn schon von mir?! Ich hasse dich!!“, schrie er und rannte raus…

Die Tür schlug krachend ins Schloss… Chris, meine Mutter und Ich waren wie erstarrt in der Küche geblieben… starrten einfach nur erschrocken Löcher in die Luft…

Doch ich stemmte mich von Chris weg, rannte Lukas hinterher. Ich riss die Tür auf und sah ihn nur noch im Hausflur die Treppen hinunter rennen.

Also hetzte ich ihm mit nackten Füßen hinterher, nahm ein paar Stufen auf einmal und konnte sehen, wie die Haustür zuflog.

Irgendwas stach mir hart ins Fuß, ich schrie auf und humpelte ein paar Meter, doch ich rannte einfach weiter und stolperte aus der Haustür. Da sah ich gerade noch wie er über die Straße laufen wollte.

Schnell sprintete ich ihm nach, rannte immer schneller und mitten auf der Straße packte ich ihn und riss ihn zurück.

„Lass mich los du Arschloch!! Verpiss dich, ich will dich nie wieder sehen!!“

Autos bremsten scharf vor und hinter uns ab, begannen wütend zu hupen.

Irgendwelche Leute schrien wüste Beschimpfungen, doch ich achtete nicht darauf sondern zerrte Lukas von der Straße weg.

Dieser tobte und schrie noch immer…

„Fahr zur Hölle, warum musste ich dir begegnen du abartiger Scheißkerl?! Du egoistischer, selbstverliebter schmieriger…“ In seiner schieren Wut suchte er verzweifelt nach weiteren Beschimpfungen.

„Lukas!“, fuhr ich ihn laut an, was ihn verstummen ließ.

Wir waren beide aus der Puste und starrten einander an, dabei bildete unser Atem kleine Wölkchen in der bedrückenden Luft zwischen uns.

„Ich habe dich nicht… hergeholt, weil ich mir dadurch Vorteile erhofft habe! Es hatte auch nichts mit jener Sache zu tun!! Ich habe mir Sorgen um dich gemacht und als ich dich so im Krankenhaus gesehen habe, ist mir das Herz in die Hose gerutscht!

Auch wenn du das jetzt nicht von mir glauben magst, weil du mich für ein gefühlskaltes Arschloch hältst, aber ich konnte dich nicht zurück lassen, verstehst du?!

Du hast deine Großmutter verloren… du… du hast versucht dich umzubringen!! Weißt du was das für ein Schock für mich war?!“

Aber Lukas ballte seine Fäuste. „Ich hab doch gar nicht versucht mich umzubringen!!“, schrie er mich an und in seinen Augen sammelten sich die Tränen.

Völlig aus der Bahn geworfen starrte ich ihn an. „Aber… die Schwestern im Krankenhaus haben das gesagt… Und du hast es nicht abgestritten…“

Lukas schnaufte. „Bist du… einmal auf die Idee gekommen mich zu fragen, was passiert ist?!“

Ich biss mir auf die Zunge.

„Nein… ich… wollte… aus Rücksicht nicht… ich dachte ich lasse dich damit in Ruhe…“ Völlig verwirrt starrte ich ihn an.

Lukas atmete schwer und heftig, dabei starrte er auf meine nackten Füße… und schob mich Richtung Hauseingang.

„Sag… Chris, dass ich schon vorgegangen bin… und danke… für das Essen!“

Was wurde denn das jetzt?

„Moment mal!“ Ich packte ihn an der Schulter und sah wütend zu ihm hinunter. „Du glaubst doch nicht, dass du mich jetzt wie einen begossenen Pudel hier stehen lassen kannst!

Ich will jetzt wissen was passiert ist! Wenn du nicht selbst gesprungen bist… hat dich jemand geschubst oder was…?!“

Lukas sah zu mir auf, biss sich deutlich sichtbar auf seine schmale Unterlippe.

„Das… geht dich nichts an…“, sagte er nur leise.

Und der Junge trieb mich wirklich zur Weißglut! Wieso sprach er das Thema an und ließ mich dann einfach so ahnungslos hier hängen?!

„Jetzt sag’s mir schon!!“ Ich war wirklich dabei die Fassung völlig zu verlieren.

„Warum sollte ich, du interessierst dich doch eh nicht für mich!!“, fuhr er zurück und dann fiel mir schließlich auf, dass wir so nirgendwo ankommen würden.

Wir waren beide stur… vielleicht war Lukas sogar sturer als ich… aber das konnte ich doch nicht so einfach so ungeklärt im Raum stehen lassen!

„Sonst hätte ich mir wohl kaum die Mühe gemacht euch einzuladen, meinst du nicht?! Ich war doch dabei gewesen mich für alles zu entschuldigen!“

„Sagt mal…“, rief Chris von oben aus dem Schlafzimmerfenster. „Wollt ihr nicht wieder hochkommen?“

„Klappe!!“, schrien wir beide gleichzeitig zurück und für einen Moment schwiegen wir vor Überraschung.

„Das sieht ganz schön übel aus, weißt du.“, bemerkte Lukas plötzlich ruhig und deutete auf meinen Fuß.

Im Flur eben war ich auf etwas getreten… danach hatte ich es nicht mehr wahr genommen.

Mein rechter Fuß war blutverschmiert.

„Ups…“ Ich hob ihn hoch und sah darunter, meine Fußsohle selbst war ebenfalls durchtränkt… und es lief sogar noch weiter.

Lukas gab ein kleines, würgendes Geräusch von sich und am Ende saßen wir wieder alle still zusammen in der Küche, während meine Mutter fluchend und tobend meinen Fuß verband.

„Ich wollte mich ja nicht einmischen!“, begann meine Mutter schließlich, als sie sich aufrichtete, was mir ein kurzes Prusten entlockte.

Sie und sich nicht einmischen?? Was war denn hier längst geschehen?!

„Hör zu, Lukas!“

„Mom!!“, fuhr ich sie an doch sie schenkte mir einen finsteren Blick, der mich zum schweigen bringen sollte.

„Du, mein nichtsnutziger Sohn, hältst jetzt für den Moment einmal deine Klappe!!“, blaffte sie mich an, ehe sie sich wieder auf ihren Stuhl setzte.

„Lukas, Juan wollte sich aufrichtig entschuldigen.

Weißt du, er ist nicht nur ganz schön eingebildet, sondern auch ziemlich arrogant. Und davon abgesehen hat er keine Ahnung was es bedeutet einem Menschen gegenüber seine Gefühle auszudrücken.“, begann sie. „Er kann froh sein, dass er Chris hat! Der arme ist so verständnisvoll, aber frag ihn mal was er durch diesen Idioten alles zu erleiden hat!“

Mein Gesicht lief ja schon wieder hochrot an. „Kannst du mal bitte damit aufhören, wir sind hier doch nicht im Kindergarten! Du musst nicht für mich sprechen, ich kann das all…“

Aber wieder durchschnitt sie mir das Wort.

„Ich sehe sehr wohl was du kannst oder nicht! Und genau deswegen hast du mich so weit getrieben, dass ich die Jungs eingeladen habe! Ich hab gedacht du kriegst es wenigstens auf die Reihe dich anständig zu entschuldigen, denn mehr als sie herzubringen konnte ich erst mal nicht für dich tun aber sogar das hast du verbockt du Einfaltspinsel!“

Warum hatte ich das Gefühl auf meinem Stuhl mehr und mehr zusammen zu schrumpfen?

Chris prustete nur in seine Kaffeetasse und grinste mich über den Rand hinweg schadenfroh an.

Ich funkelte zurück.

„Er hat sich schon bei mir entschuldigt. Und ich habe seine Entschuldigung angenommen.“, sagte Lukas, als er es schaffte eine winzige Sekunde des Schweigens zu erwischen, was bei uns nun wirklich zur Rarität geworden war.

Mein Blick hob sich, ich starrte ihm verwirrt ins Gesicht.

Aber Lukas lächelte mich nur an.

Ich wollte zurück lächeln, aber irgendwie ging es nicht, denn ich fühlte mich völlig überfordert.

Hä?

Wann hatte er meine Entschuldigung angenommen?

Meine Mutter schien ebenso verblüfft zu sein, begann aber schließlich glücklich zu grinsen und wollte ihnen noch mehr zu Essen andrehen.

„Vielen Dank nochmal für das leckere Essen.“ Lukas erhob sich auf die Beine und sah zu Chris runter, der sich kaum rührte.

Erst als Lukas ihm auf den Fuß trat, erhob er sich, trank aber noch schnell seine Tasse leer.

„Ja vielen Dank, es war sehr lecker! Ich hoffe wir werden bald wieder eingeladen.“ Chris lachte und meine Mutter erhob sich mit ihnen.

Sie und Chris bewegten sich schon mal langsam Richtung Flur, da ich mich nicht erheben konnte, musste ich mich von der Küche aus verabschieden.

Lukas stand aber noch unter dem Türrahmen und drehte sich leicht zu mir herum.

„Ich habe dir zwar gesagt, dass ich mich in dich verliebt habe… aber ich nehme es zurück.“ Sein Lächeln von eben war verschwunden, er sah mich mit kühlen Augen an. „Du bist auch nur so ein Aufreißer… du hast keine Ahnung von Menschen und kannst wirklich froh sein, dass Chris so ein guter Freund ist.

Du hast ihn gar nicht verdient, denn du bist einfach nur ein übergroßes Kind und noch dazu ein Vollidiot… du handelst nicht bevor du nachdenkst und deswegen verstrickst du dich ständig in irgendwelche Dinge, die dich im Nachhinein so sehr belasten, dass du nicht mehr zurechtkommst.“ Seine Augen durchbohrten meine vorwurfsvoll.

„Ich will nicht, dass du durch Chris nochmal versuchst Kontakt mit mir aufzunehmen.

Du schaffst es ja nicht einmal alleine mit mir zu reden, du bist ein Feigling!“, knurrte er und seine Worte trafen mich wie ein Backsteinregen.

Aber ohne eine Antwort abzuwarten verließ er die Küche.

Wie sagte man so schön? Vom Regen in die Traufe… genau so fühlte ich mich gerade.
 

„Das hat doch super geklappt!“ Meine Mutter klatschte begeistert in ihre Hände, doch ich konnte ihre Euphorie nicht teilen.

Ich hockte auf der Couch im Wohnzimmer, hatte den verbundenen Fuß hochgelegt.

Lukas‘ Worte rotierten wild in meinem Kopf.

Jetzt war Ich der Idiot oder was…?

Aber was, wenn er gar nicht so unrecht gehabt hatte…? Dachte ich überhaupt irgendwie nach, bevor ich einen Schritt machte…?

Nein, nicht wirklich… mein Körper handelte jedes Mal sofort und reagierte auf meine Emotionen. Denn sonst wäre ich bestimmt nicht einfach so ins Krankenhaus gefahren, oder hätte Lukas eingeladen herzukommen.

Und nachdem ich es getan hatte, da hatte ich den Schwanz eingezogen.

Lukas hatte doch Recht, ich war ein Feigling.

Was tat ich hier eigentlich…? Warum hatte ich Lukas nicht anrufen und ihm sagen können, dass ich mit ihm reden wollte? Warum hatte ich ihm nicht sagen können, dass er mich einfach nur verwirrte? Und aus Angst, dass sich mein Leben ändern würde, ging ich ihm aus dem Weg.

Meine Mutter stellte mir gerade eine Tasse hin, hatte den Wohnzimmertisch mit Gebäck und Schokolade gedeckt.

„…er ist so ein hübsches Kerlchen, der Arme tut mir so leid. Sein Opa liegt noch im Koma, oder?“

Die Stimme meiner Mutter erreichte mich kaum.

Ich wollte ja ehrlich zu mir selbst sein, aber ich konnte es nicht.

Gar nichts war super, überhaupt nichts hatte geklappt, denn ich hatte nicht aus eigener Kraft gehandelt, denn das schien genau das zu sein was Lukas störte.

Warum rotierten meine Gedanken so wild, warum interessierte es mich was Lukas von mir dachte? Es konnte mir doch völlig egal sein!

Aber mein Gewissen stach mir hart in den Nacken und ich wusste, ich belog mich selbst.

Es tat mir leid, dass ich so war… es tat mir ebenso leid, dass ich Lukas ständig verletzte, obwohl ich das gar nicht wollte.

Ich wollte ihm nicht weh tun, doch ich tat es dennoch.

Da fielen mir auch schon wieder seine Worte ein, die ich bis jetzt völlig vergessen hatte.

Er hatte gar nicht Selbstmord begehen wollen…! Aber was war passiert? Man lief doch nicht einfach so mitten in der Pampa auf die Gleise und fiel einfach auf diese… Noch seltsamer war doch, dass der Zug ihn gar nicht erwischt hatte, also hatte er sich noch retten können?

Vom stolpern auf die Gleise brach man sich doch aber auch nichts, oder? Also war vielleicht sogar an meiner Vermutung etwas dran? Hatte man ihn geschubst?

„Kannst du mal still sein, ich versuche hier zu denken!!“, fuhr ich meine Mutter an doch im nächsten Moment, als ich es sagte, bereute ich es schon.

Meine Mutter schwieg, ihr Lächeln verschwand langsam aus ihrem Gesicht.

Die Kaffeetasse in ihren Händen wirkte ebenso trostlos wie mein innerstes…

„Mom… ich… hab‘s nicht so gemeint…“, Ich streckte die Hand nach ihr aus, aber sie lächelte nur schwach.

„Siehst du… genau das ist es was dich unausstehlich macht.

Ich sitze hier und rede mit dir und du versinkst einfach in Gedanken und schließt mich aus. Dabei bin ich hergekommen weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe.. ich wollte dir helfen, Juan.

Also gib dir ein bisschen mehr Mühe, sonst wirst du dein Leben lang einsam bleiben.“

Jetzt war es an ihr, ihre Hand nach mir auszustrecken.

Sanft drückte sie mich an ihre Brust. „Ich will nicht, dass du mir noch ähnlicher wirst. Deswegen bin ich hier, weil ich versuchen will das zu retten, was noch zu retten ist.

Bitte mach nicht dieselben Fehler wie ich..“

Irgendwas tropfte auf mein Haar, wieder und wieder und wieder. Und ich wusste, sie weinte.

Ich biss mir auf die Lippen, umarmte sie so fest ich konnte.

„Ab jetzt… hör ich mehr auf dich… versprochen.“

Tat ich ihr wirklich dasselbe an wie Lukas?

Immerhin hatte sie alles hingeworfen und war zu mir gekommen, aus Sorge… sie versuchte mir zu helfen, vielleicht waren ihre Methoden nicht ganz so toll, aber sie gab sich Mühe. Mehr als ich es jemals getan hatte.

Sie drückte mich fest an sich, das hatte sie schon lange nicht mehr gemacht. Ebenso lange war es her, dass sie mir einfach durch das Haar streichelte.

„Du bist jung, Juan. Es ist völlig normal, dass man manchmal das Gefühl hat, man würde den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.

Aber lass dir helfen, wenn jemand die Hand nach dir ausstreckt. Ich will dir nur einen kleinen Schubs in die richtige Richtung geben, mehr nicht.

Für mich ist es auch nicht leicht… immerhin hast du mir gerade erst erzählt, dass ich höchstwahrscheinlich nie Enkelkinder haben werde.“ Sie lachte schwach. „Aber das ist auch gar nicht so schlimm. Hauptsache, du bist mit dem Menschen zusammen den du liebst, denn sonst wirst du dein Leben lang unglücklich sein.“

Wohl zum ersten Mal tat ich etwas, weil ich es wirklich wollte.

Ich hörte ihr richtig zu. Und ich versuchte zu verstehen.

Kapitel 7

Meine Kapitel werden immer länger o__O

Ich hoffe dieser Teil ist nicht zu holprig geworden... T_T mir kommt es nämlich so vor...

Wer Verbesserungsvorschläge hat, kann mich gerne ansprechen.
 

Vielen lieben Dank euch allen fürs Lesen, sowohl an die kommentierenden, als auch die nicht kommentierenden :)

Ich hoffe die Story bereitet euch weiterhin so viel Freude wie mir!

Bis zum nächsten Kapitel! <3
 

(P.S.: lässt es sich mit Absätzen angenehmer lesen? Dachte ich versuchs mal...)
 

Eure Cait
 


 


 

Es war kurz nach neun, als ich mit der Arbeit fertig war.

Ich verabschiedete mich noch von den anderen Kellnern und verließ das Restaurant. Draußen war es dunkel und ich war einfach nur müde.

Wenigstens bekam ich die Überstunden ausgezahlt, aber zudem hatte ich auch richtig Glück gehabt, dass ich an diesen Job gekommen war.

In einem Edelrestaurant bekam man sattes Trinkgeld, also konnte ich ganz gut von der Kohle leben. Aber ich hatte Sam, meinem Kumpel dem die Bar gehörte in der ich zwischendurch aushalf, für heute Abend noch zugesagt.

Ob ich es schaffen würde war auch noch eine Frage. Ich war so müde, doch versprochen war eben versprochen, ich konnte ihn nicht einfach hängen lassen.

So machte ich mich also auf den Weg.

Langsam schlenderte ich über den Domplatz, Richtung U-Bahn Station. Und während ich hier so lang lief, überkam mich die Erinnerung an den Moment, als ich Lukas hier absetzen wollt.
 

Das war noch vor Weihnachten gewesen und jetzt hatten wir fast April.

War das wirklich bald schon ein halbes Jahr her…?

Unwillkürlich blieb ich stehen und blickte hoch zum Dom. In der Dunkelheit ragte er hell erleuchtet und gefährlich in den Himmel hinauf, die beiden Spitzen wie in einer stillen Drohung gen Himmel gerichtet, wobei ihn die Schatten noch furchteinflößender aussehen ließen.

Heute an Freitagabend war es hier mindestens so belebt wie an Weihnachten, als hier noch der kunterbunte und farbenfroh leuchtende Weihnachtsmarkt den Dom umzingelt hatte. Die kleinen Hütten in all ihrer Pracht, die den Menschen Wärme gespendet hatte waren fort und der Dom stand wieder alleine hier.

Manchmal wirkte er genauso trostlos wie ich selbst.

Langsam glitt meine Hand in meine Tasche. Ich blickte mein Handy an.

Keine Nachrichten, keine Anrufe, kein gar nichts…

Sollte ich ihn anrufen…? Irgendwie fehlte Chris mir so sehr.

In der Uni hatte ich ihn heute auch nicht gesehen.
 

Das letzte Mal hatte ich so richtig mit ihm gesprochen, als sie vor zwei Tagen bei mir zuhause gewesen waren, zusammen mit Lukas.

Verblüfft und völlig ungläubig starrte ich auf mein Handy, es begann zu klingeln, noch während es in meiner Hand lag.

Es war Chris.

Ich konnte es nicht unterdrücken, aber ich begann zu lächeln.

Mir wurde sogar warm ums Herz, dieser Idiot… konnte er etwa Gedanken lesen?

„Was grinst du so breit?“, fragte Chris direkt, was mich noch mehr verwirrte. „Wenn du da weiter so blöde vor dem Dom rumstehst und so vor dich hin grinst, lasse ich dich einweisen!“

Automatisch fuhr mein Kopf herum, ich suchte nach ihm. War er hier irgendwo? Der sah mich doch!
 

„Noch ein bisschen weiter nach rechts… nein links! Noch ein bisschen… noch was… ja ja… gleich… uuuund… Bingoo!“ Ich lachte mit Chris zusammen, dieser Idiot!

Gerade eben war meine Laune so betrübt gewesen, doch kaum hörte ich seine Stimme, ging es mir wieder besser.

Da sah ich ihn, er hatte die eine Hand am Handy, den anderen Arm hatte er ausgestreckt und winkte mir zu.

Ich legte auf und lief wie ein glücklicher kleiner Junge auf ihn zu.

„Chris!“, rief ich und als er mich sah lächelte er milde.

„Na, warst du einsam?“, fragte er mit einem süßen grinsen und wuschelte mir durch das Haar, wofür ich ihm leicht in den Bauch boxte. „Sag mir lieber wo du heute warst!“, knurrte ich.
 

Chris hörte jedoch nicht auf zu grinsen. „Also hab ich dir gefehlt.“, brummte er zurück und funkelte mich aus seinen grünen Augen an.

Ich wusste genau, was dieser anklagende Blick sollte… aber ich sagte nichts.

Du bist selber schuld, tu was gegen deine Dummheit!

„Ich bin heute mit meinem Harem unterwegs gewesen.“, sagte er und nickte leicht in die Richtung, aus der sich zwei Gestalten näherten. Beladen mit roten Pappbechern und kleinen Papiertüten kamen direkt auf uns zu.

„Juan!“

Das bildhübsche Mädchen mit dem langen dunkelblonden Haar und den schönen blauen Augen war Elisa, die Freundin von Chris.

Der beige Schal verbarg fast vollkommen ihr leicht rundliches Gesicht. Dass ihre Wangen allerdings vor Kälte leicht errötet waren, sah ich genau.

Sie grinste mich süß an wie immer, das Mädchen war die Frohnatur schlechthin. Alles an ihr strahlte, ihre Augen, ihre Art. Es war nicht gemacht, sondern echt.
 

Und genau das war es immer gewesen, was ich an ihr sehr geschätzt hatte. Ihre Aufrichtigkeit und der warme Glanz in ihren Augen, wenn sie Chris ansah.

Anfangs hatte ich sie ja vergraulen wollen, denn ich hatte so meine Probleme damit gehabt Chris mit jemandem zu teilen. Aber sie war wohl das Beste, was diesem Idioten passieren konnte.

„Schön dich zu sehen!“ Sie umarmte mich und grinste zu mir hoch. „Gut siehst du aus!“

Ich grinste zurück, wollte gerade antworten, aber da sah ich Lukas neben ihr stehen.

Auch er war warm eingepackt. Seine rehbraunen Augen sahen mich lange an. „Hi.“, sagte er dann schließlich.

„Hi…“, erwiderte ich und konnte im ersten Moment meinen Blick nicht von ihm wenden. War er schmaler geworden?
 

„Wir wollten gerade heim fahren und haben uns noch was vom Coffee Shop geholt. Willst du auch was haben? Hier, ein Double chocolate Muffin! Die magst du doch so gerne!“ Sie zog einen Muffin heraus und bevor ich protestieren konnte, drückte sie ihn mir in die Hand.

Erst reagierte ich nicht.

„Juan…?“, fragte sie besorgt.
 

Langsam blickte ich auf und sah zu Chris. Und irgendwas flehendes muss in meinem Blick gelegen haben.

„Ich fahr die beiden nachhause, dann komm ich zu dir, okay?“, sagte er und lächelte mich so sanft an, wie er es noch nie getan hatte.

Aber ich hatte auch nie das Verlangen nach seiner Nähe so dringend verspürt wie heute.

„Ich hab Sam versprochen, dass ich ihm heute aushelfe…“, antwortete ich, obwohl ich mir nichts sehnlicher gewünscht hätte, als Chris mitzunehmen.

Denn langsam begann ich mich unwohl zu fühlen, ich spürte Lukas‘ Blicke auf mir, aber ich sah ihn nicht an. Zu groß waren meine Schuldgefühle.
 

„Wir können doch alle mitkommen!“ Elisa hakte sich sofort bei mir ein und klopfte mir sanft auf die Schulter. „Oder? Ich will auch noch gar nicht nachhause!“, beschwerte sie sich bei Chris, sah aber Lukas dabei an.

Dieser schien wohl nur mit den Schultern zu zucken.

„Dann lasst uns gehen! Wo war der Laden nochmal? Am Neumarkt, oder? Los geht’s! Und du, iss deinen Muffin, du siehst aus als würdest du jeden Moment aus den Latschen kippen!“ Sie lachte mich so lieb an, dass ich einfach automatisch mit lächeln musste.
 

Allerdings wusste ich nicht so recht was ich fühlen sollte… war ich glücklich, dass ich nicht mehr alleine war oder sollte ich mich unwohl fühlen, weil Lukas dabei war?

Chris grinste mich an, als seine Freundin mich verschleppte, er selbst folgte mir langsam mit Lukas.

Mir fiel ein Stein vom Herzen.

Mit Elisa zu reden fiel mir so unglaublich leicht, zum ersten war sie sowas wie Chris in weiblich und zum zweiten war sie so ungezwungen, dass ihre Art schon fast befreiend wirkte. Besonders nach all diesen schwarzen Wolken, die um meinen Kopf herum tanzten.
 

Was sie genau wusste, konnte ich nur ahnen. Aber vermutlich hatte sie schon alles mitbekommen, dennoch verhielt sie sich mir gegenüber völlig normal, wofür ich genauso dankbar war.

In der U-Bahn standen wir alle dicht beieinander. Ich hielt mich oben an der Stange fest und ehe ich mich versah, fand ich Lukas vor mir wider, als die Bahn etwas schärfer abbremste. Gerade noch rechtzeitig konnte ich ihn festhalten, bevor er polternd durch den Wagon geschleudert wurde.

„Sorry…“, murmelte er und schaffte es sich schnell einen Halt zu verschaffen.

Er blickte jedoch sofort zur Seite, also sah ich in die andere Richtung. Ohne, dass ich es bemerkte, seufzte ich schwer.
 

Wie ich mich ihm gegenüber nunmehr verhalten sollte, wusste ich selbst nicht. Und wenn er so distanziert war, dann war ich es auch automatisch.

Ich fühlte mich unwohl und zum ersten Mal wohl wirklich unbeholfen.

Wäre es jemand anderes gewesen, wäre er mir am Arsch vorbei gegangen, ich hätte ihm einen Tritt verpasst und ihn aus meinem Leben geworfen.

Aber Lukas… hielt meine Zügel fest in seinen Händen. Und ich hatte mich ihm ergeben.

Ein Seitenblick auf Chris verriet mir, dass er meine Gedanken las, denn der Hund grinste so breit, dass es ihm bald sicher das Maul zerriss.

Schnell versteckte er das Gesicht im Haar seiner Freundin, um meinen Blicken auszuweichen.
 

Im Laden selbst war es brechend voll. Die Stimmung war wie immer heiter und ausgelassen.

Die Bar war nicht sehr groß, doch sie war ziemlich beliebt. Sam hatte sie Lounge mäßig eingerichtet, die Farben Bordeaux und schwarz dominierten dabei. Die Beleuchtung war wie in jeder anderen Bar schwach und konnte im Rausch des Alkohols recht betörende Auswirkungen auf die Gäste haben. besonders junge Leute zog es oft hierher.

Der Türsteher klopfte mir auf die Schulter, ließ uns mit einem Kopfnicken eintreten.

Wir mussten uns durch die Menge nach vorne quetschen, da es noch früh war, waren selbst noch die jüngeren unterwegs.

Die Musik war laut, man konnte sich gerade noch so zur Bar durchquetschen, zwischen all den tanzenden Menschen, aber die Stimmung war fantastisch und sobald man rein kam wollte man automatisch mit tanzen.
 

Von der Bar her winkte Sam mir auch schon zu.

„Setzt euch hier rüber!“ Ich winkte die anderen zu mir, als ich fast an der Bar angekommen war, daneben war eine der etwas höher gelegenen, gepolsterten Ecken mit ein paar Hockern frei.

Hinter dem Tisch zierte eine gewaltige Nachtansicht des Doms die Wand, durch zusätzliche Beleuchtung war der Tisch also am auffälligsten.

Ich verschwand kurz hinten und zog mich schnell um, Sam hatte immer zusätzliche Klamotten hier bereit. Ein schwarzes Hemd über meiner Jeans, die ersten zwei Knöpfe ließ ich geöffnet.

Die schwere Kellnerbrieftasche hing ich mir samt Halfter an den Gürtel, steckte noch schnell den Bestellblock ein. Wenigstens waren diese Mistdinger elektronisch, sonst würde ich wohl mit meinem eigenen Gekritzel kaum zurechtkommen.
 

Schnell noch durchs Haar wuscheln, bisschen hier und da zupfen und es ging los!

Als ich aus dem kleinen Raum hinter dem Büro heraus trat, das sowohl als Umkleide und Abstellkammer zugleich herhalten musste, sah ich Sam schon an dem Tisch der anderen stehen.

Er grinste, als ich dazu kam.

Sam, eigentlich Samuel, war ein gutaussehender Bursche, der den nötigen Verstand und auch ein bisschen das Geld aufgetrieben und hier diesen Laden eröffnet hatte.

Sein Haar war dunkelblond, seine Augen strahlten in einem tiefen Braun, umgeben von dichten, langen Wimpern.
 

Anfang dreißig war er, verheiratet und hatte Frau und Kinder zuhause. Ein echtes Arbeitstier mit einem schönen, geordneten Leben. So kannte ich ihn zumindest.

Trauriger Weise überragte er mich ein kleines Stück, auch im Aussehen konkurrierten wir, doch während ich wohl die dunkle Schönheit darstellte, war er meine blonde, hellere Version.

Sam packte mich und zog mich fest an sich.

„Ein Prachtkerl bist du, ich danke dir!“ Er knutschte mich auf die eine Wange, auf die andere schlug er leicht mit der flachen Hand.

Chris lachte. „Verwöhn diesen Idioten nicht zu sehr, der ist nicht deinetwegen hier, sondern wegen der Kohle!“
 

Autsch… Das tat weh!

„Ey, das ist doch gar nicht wahr! Außerdem bekomme ich kaum was von diesem Geier! Ich arbeite quasi umsonst!“ Mit dem Finger zeigte ich auf Sam, der mich entrüstet anstarrte. Dann drückte sein Arm noch fester zu, presste sich um meinen Hals und würgte mich.

„Was fällt dir ein! War ich nicht immer wie ein Bruder für dich da?!“

„Eher wie mein Bewährungshelfer!“ Ich lachte und tauchte in die Menge ab, um seinem Arschtritt zu entkommen.

Selbst Lukas hörte ich hinter mir lachen und für mich war es wohl ein erlösender Moment, nach dem ich mich schon länger gesehnt hatte.
 

Ein winziger Teil meiner inneren Ruhe kehrte zu mir zurück und ich schaffte es ein wenig lockerer zu werden. Dass meine Schultern völlig verspannt gewesen waren, merkte ich erst, als sie leicht hinunter sackten.

Eigentlich begann der Abend ganz hinreißend, ein paar Mädels machten mir schöne Augen, besonders eine Gruppe die schräg gegenüber von meiner eigenen lag, doch ich hatte kein sonderlich großes Interesse.

Ich stand kurz an der Bar, nahm die Getränke entgegen und lud sie auf mein Tablett, als mir jemand „Hi“ ins Ohr rief.
 

Es war ein Mädchen… und ein ziemlich aufgetakeltes noch dazu. Und ich glaubte ihr schon mehrere Drinks gebracht zu haben, die gehörte doch zu jener Gruppe?

Ihr langes gebleichtes Haar war hochgesteckt, ob die Wimpern echt waren konnte ich nicht genau beurteilen, ebenso wenig wie das Volumen ihrer Oberweite, das sie in ein schwarzes trägerloses Top gequetscht hatte, das gleichzeitig ein ziemlich knappes Kleid darstellen sollte.

Hübsch war sie, keine Frage.

Sie beugte sich rüber und legte die Arme auf den Tresen, dabei presste sie ihre Brüste so fest zusammen dass sie sich bald fast entblößten.
 

Gelangweilt wandte ich den Kopf ab. „Hi“, erwiderte ich nur und nahm mein Tablett. Schnell balancierte ich die Getränke aus und wollte gerade wieder abtauchen, da berührte sie mich am Arm.

„Sag mal gibt’s eine Möglichkeit sich kurz mit dir zu unterhalten?“, fragte sie mich aber ich grinste nur verwegen.

„Hat nicht gerade den Anschein, oder?“, erwiderte ich und sah zu, dass ich Land gewann.

Seltsam aber seit Lukas hatte ich wirklich bei Frauen keine Erektion mehr gehabt. Früher hätte ich sie vermutlich notgeil angesprungen, aber ich empfand… nichts!

Rein gar nichts!
 

Sie war heiß, aber das war’s auch schon.

Auf dem Weg zurück zur Bar fing mich Chris ab.

„Hey, wir hätten gern noch ein paar Cocktails, junger Mann!“, knurrte er laut und schwenkte sein leeres Glas.

Lukas hatte erst einen Fruchtcocktail getrunken, ohne Alkohol und hing tiefer als nötig in der Karte.

Elisa bestellte zum dritten Mal das gleiche und wirkte schon recht angeheitert, lachte jetzt schon etwas mehr als sonst. Fremde hätten den Unterschied wohl kaum erkennen können.
 

„Du magst doch Früchte?“, fragte ich Lukas und er sah noch immer nicht auf, auch nicht als ich dicht neben ihm stand.

Er nickte nur schwach.

„Magst du Kokosnuss?“, hakte ich weiter nach und langsam aber sicher fand ich sein Verhalten heute etwas seltsam.

Wieder nickte er und sah leicht zu mir auf.

Aber ich tat als wäre nichts und grinste ihn nur an, drückte mit dem Finger die Karte von seiner Nase weg, auf den Tisch. „Dann probier das hier. Coconut Dream, sehr lecker und ohne Alkohol.“
 

Dann fiel mir allerdings was ein. Lukas war noch keine achtzehn und es war kurz vor zwölf.

„Hör mal, wenn der Türsteher dich auffordert das Lokal zu verlassen, sag dass du mit mir hier bist.“

Statt von ihm eine Antwort zu bekommen, bekam ich sie von Chris.

„Nicht nötig!“, rief er und grinste noch immer so breit und dreckig, wie den ganzen Abend schon.

„Wie?“, fragte ich und hob eine Augenbraue.

„Lukas, zeig ihm mal deinen Ausweis!“, forderte Chris ihn auf aber Lukas schüttelte wild den Kopf.

Was war denn hier los?

Chris griff hinter Elisa rüber und packte Lukas, der sich wehren wollte, aber er war Chris nicht gewachsen.
 

Elisa lachte und versuchte Chris zurück zu drücken. „Jetzt lass ihn doooch!“, rief sie.

Aber jetzt war auch meine Neugier geweckt worden.

Ich packte Lukas mit einem Arm und angelte nach seiner Geldbörse in seiner Gesäßtasche.

Deutlich spürte ich seine Wärme und seinen fruchtigen Atem, der mir leicht gegen die Wange strich.

„Nein!! Gib her!!“

Mein Griff war allerdings so fest, dass er sich kaum lösen konnte, egal wie sehr er sich wehrte.

Mit einer Hand schaffte ich seinen Ausweis hervor zu holen und schielte darauf.

Das Datum stach mir mitten ins Auge.

Es war das heutige Datum, vor genau achtzehn Jahren.
 

„Du hast Geburtstag?!“, rief ich und starrte die beiden vorwurfsvoll an. „Warum hat mir das keiner gesagt?!“, beschwerte ich mich laut und schlug Lukas sein Portemonnaie auf den Kopf.

Nochmal blickte ich kurz auf die Uhr.

Viertel vor…

Er hatte nur noch eine Viertelstunde Geburtstag…!

Chris zuckte mit den Schultern und nahm einen tiefen Zug mit seinem Strohhalm.

„Weil Lukas das nicht wollte.

Deswegen war ich auch nicht in der Uni, wir waren im Kino und was essen.“

Und obwohl das eigentlich völlig normal sein sollte, fühlte ich mich wieder so ausgeschlossen. War ich denn ein so schlechter Kerl…?
 

Elisa sah mich todtraurig an, wusste wohl auch nicht genau was sie dazu sagen sollte.

Ich gab Lukas seine Geldbörse zurück, nickte nur schwach und kaute auf meiner Unterlippe. „Dann Happy Birthday und ich hoffe ich mal, dass ihr Spaß hattet.“

Also so gemein war noch nicht einmal ich, oder?

War Lukas deswegen die ganze Zeit so komisch? Hatte er jetzt Gewissensbisse, nachdem er mich gesehen hatte oder was?

Mir doch egal, ich war doch kein Kleinkind.

„Ihr seid solche Idioten!“, hörte ich Elisa die beiden ankeifen.

Es machte mir nichts aus. Wirklich nicht.

Bildete ich mir zumindest ein.
 

Aber das Ganze lag mir dann doch noch schwerer im Magen, als ich es zugeben wollte.

Das Mädchen von vorhin war wenigstens abgehauen, auch der Tisch war leer.

Irgendwie war das ganz und gar nicht mein Tag heute.

Und da bahnte sich auch noch der nächste Mist an. Zwei Arme schlangen sich um mich und zwei Lippen klebten in meinem Nacken.

„Hey! Sieht man dich hier auch mal wieder?!“

Die nervige Stimmte erkannte ich sofort. Frederic. Auch das noch…

Das käseweiße Gesicht wurde von seltsam aussehendem, rötlichem Haar umrahmt. Er hatte seine schwarze Haarfarbe ja relativ schnell abgeworfen.

Er trug ein nicht ganz so hübsches Shirt in blassrosa, mit weißen Tribals auf den schmächtigen Schultern.
 

Nur mit Mühe konnte ich mich ihm entziehen.

„Ich arbeite, also pflanz dich irgendwo hin!“

Doch der dachte im Traum nicht daran. Er lachte unverschämt, als hätte ich irgendetwas Witziges gesagt und bestellte sich an der Theke ein Getränk, nicht ohne dabei den Arsch so provokant auszustrecken.

Frederic war eine Art Stammgast, denn Sam erzählte mir, dass er jedes Wochenende hier auftauchte, um nach mir zu fragen.

Auf jeden Fall aber war meine fröhliche Stimmung flöten gegangen und ich schleppte mich durch die nächsten zwei Stunden.
 

Frederic blieb natürlich, tanzte aufreizend und hielt kaum still. Flüssig und sinnlich wirkten seine Bewegungen auf die Menschen und es gab nicht nur Mädels, die darauf ansprangen.

Und Frederic genoss die ganze Aufmerksamkeit.

Chris und die anderen hatte er schon längst entdeckt, das bemerkte ich jedes Mal an den Blicken, die er Lukas zuwarf, wenn er mir zu nahe kam.

Ständig begrabschte er mich und langsam aber sicher wurde ich wütend, die Situation begann mich zu stressen.

Als ich schließlich kurz Pause machte, packte ich Frederic auf der Tanzfläche und zerrte ihn mit mir in den schmalen Gang, der zu den Toiletten führte.

Dort rammte ich ihn an den Schultern leicht gegen die Wand.
 

„Jetzt hör mir gut zu!“, knurrte ich und starrte ihn wütend an.

Frederic aber sah mit leuchtenden Augen zu mir auf, er war schon ordentlich angetrunken.

„Ich steh nicht auf dich und ich hab auch keinen Bock mehr auf dieses Affentheater! Also hör auf mit dem Scheiß, langsam reißt mir wirklich der Geduldsfaden!“

Dass dieser Idiot irgendwie kaum zuhörte, merkte ich an seinen Blicken. Seine Hände wollte mich wieder berühren, doch ich hielt sie fest und hätte ihm am liebsten so kräftig in den Arsch getreten, dass ihm hören und sehen verging!
 

„Geh nachhause Frederic! Und wehe ich seh dich noch einmal hier irgendwo, dann kenne ich keine Gnade mehr!“ Ich stieß ihn leicht zurück und funkelte ihn noch einmal genervt an, ehe ich mich abwandte.

Wieder an dem Tisch der anderen, blieb ich erst einmal verblüfft stehen.

Sie waren weg.

Ihre Gläser waren teilweise noch halbvoll, aber sie waren gegangen.

Meine Wut begann zu brodeln und zu kochen. Jetzt hauten die auch noch einfach ab ohne was zu sagen…? So weit war es also schon gekommen!

Gegen halb vier gingen viele schon nachhause und es wurde recht früh ruhig, darum bat ich Sam eher gehen zu dürfen.
 

Gerade als ich meine Sachen ablegte und durch die Tür des Lokals trat, wurde ich am Arm gepackt.

Dieser gottverfluchte Frederic ging mir langsam so gehörig auf die Eier, dass ich herum wirbelte und ihm einen Schlag in den Magen verpassen wollte.

„Verdammte scheiße, ich hab gesagt verpiss dich!“

Dann sah ich aber, dass es Lukas war und erstarrte in der Bewegung. Lukas hatte schon ein Auge zugekniffen und die Schultern hochgezogen.

„Lukas…?“, fragte ich irritiert.

Was machte er hier draußen…?

„Elisa ist schlecht geworden… Chris hat sie nachhause gebracht.“ Langsam ließ er meinen Arm wieder los und rieb sich den Nacken, sah wieder zu Boden.

„Ich… wollte… dir noch etwas sagen, weißt du?“
 

Seine Anwesenheit hatte mich überrascht, doch seine Worte taten es wohl noch mehr. Vor allen Dingen hatte ich wirklich nicht damit gerechnet, ihn hier anzutreffen.

„Lass uns was essen gehen, ich sterbe vor Hunger.“, brummte ich nur zur Antwort und schob mich an ihm vorbei.

Schließlich endeten wir in einer gängigen Fast-Food Kette, wo ich mindestens zwei große Burger aß und mir hinterher einen Milchshake bestellte.

Lukas knabberte an seinen kalten Pommes und starrte auf sein Tablett.

Um uns herum war es noch halbwegs voll, einige Jungs hatten ihre Köpfe auf den Tischen liegen. Vielleicht hatten sie sich ins Koma gesoffen oder waren einfach nur eingepennt.
 

Die meisten Gruppen waren relativ blau, eigentlich alle würde ich behaupten.

Ohne aufzusehen aß ich erst einmal und Lukas sagte auch noch nichts. Erst beim Milchshake angekommen, öffnete er den Mund.

„Es tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe…“, begann er und ich zuckte nur leicht mit den Schultern.

Ich wollte eigentlich nichts mehr davon hören…

„Das war nicht meine Absicht… ich wollte dich nicht ausschließen… oder dich von Chris fern halten… ich schwöre, dass ich weder auf ihn einrede, noch ihm sage, dass er den Kontakt mit dir…“

Da knallte ich meinen leeren Becher so hart auf den Tisch, dass Lukas zusammen zuckte.
 

„Das brauchst du mir nicht zu erklären, klar?? Chris ist seit Jahren mein bester Freund, ich kenne die Hintergründe seines Verhaltens bestens!“, blaffte ich ihn an.

Es überraschte mich innerlich, dass ich mich so sehr aufregte. Aber ich… war nicht nur einsam… nein, ich war auch tierisch eifersüchtig.

Chris hing ständig mit Lukas ab… doch ich wusste warum das so war. Sein Gerechtigkeitssinn war ziemlich ausgeprägt. Und er verhielt sich so, um mich näher an sich heran zu locken, er wollte mich aus meinem Schneckenhaus jagen, denn er wusste, je weiter er sich entfernte, umso mehr würde ich mich ihm nähern.

Lukas starrte wieder auf das Tablett. Nach einem kurzen Schweigen, sprach er allerdings weiter.
 

„…hör mal… ich hab vielleicht ein wenig übertrieben.“, sprach er weiter. „…ich… hab mich wirklich ein bisschen in den Vordergrund gedrängt… und mich dir aufgezwungen.“

Meine Augen wurden groß und mit zusätzlich aufgeklapptem Mund starrte ich ihn an.

Was sagte der kleine Kerl da…?

Ich schielte in meinen Milchshakebecher. Waren da Halluzinogene drin?

„…immerhin hast du auch nichts getan was ich nicht wollte… es tut mir also leid, okay…? Ich wollte dein Leben nicht so aufwühlen…“

Irgendwie fühlte ich mich plötzlich so völlig erschöpft…

„Vor ein paar Tagen hast du mir noch eine Auflaufform an den Kopf geschleudert, als ich gesagt habe du würdest dramatisieren.“, murmelte ich. Doch zu meiner Überraschung wurde ich innerlich ruhiger.
 

Lukas wurde rot um die Nase.

„Das war nur, weil ich… ein bisschen fixiert war… ich hab einfach zu Unrecht etwas von dir erwartet. Ich hatte einfach das Gefühl eine gewisse Wärme bei dir zu spüren.

Aber das lag wohl einfach nur daran, dass ich bisher nur Arschlöcher getroffen hatte… und du… so nett zu mir warst. Immerhin hast du mich ja schon zwei Mal gerettet und eigentlich schulde ich dir ja was.“

Jetzt war ich völlig verwirrt… das klang ja fast wie ein Abschied!

„Du gehst dich jetzt aber nicht von einer Brücke schmeißen, ja? Denn anders kann ich mir deine Worte nicht erklären, willst du mir mein Gewissen erleichtern?“, hakte ich skeptisch nach.
 

Das schien Lukas wütend zu machen, denn jetzt sah er das erste Mal richtig auf und er war noch immer ganz rot im Gesicht.

„Was soll diese blöde Anspielung?! Ich wollte mich bei dir entschuldigen weil ich es für nötig hielt!“

Ich schnaubte allerdings. „Jetzt weißt du ja wie ich mich gefühlt hab.“, knurrte ich.

Vielleicht wurde ich wieder rückfällig, vielleicht mutierte ich wieder zu einem Arsch… aber meine klitzekleine Eifersucht war doch ein wenig größer als vermutet.

Wir starrten uns beide gegenseitig an, deutlich spürte ich die Blitze, die durch seine Augen in meine jagten und umgekehrt.
 

„Was genau willst du jetzt von mir?“, fragte ich frei heraus.

„Dass du meine Entschuldigung akzeptierst! Und dass du weißt, dass ich nicht zwischen dir und Chris stehen will… er will das glaub ich genauso wenig aber er drängt mich nie dazu irgendwas zu sagen oder mich dir zu stellen und…“

Unwillkürlich begann ich zu grinsen. „Ja, er ist ein recht netter Kerl, nicht wahr? Hübsch ist er auch noch. Hätte er keine Freundin, könntest du dir ja ihn angeln, oder?“

Lieber Gott, war ich besoffen??
 

Seine Gesichtszüge entgleisten und perverser Weise fühlte ich eine unheimliche Genugtuung.

„Was soll der Scheiß jetzt?!“, blaffte er mich an, doch mein Grinsen wurde breiter.

„Er gefällt dir doch? Ihn magst du doch viel lieber als mich?“

Verdammte Scheiße, konnte mich mal jemand aufhalten…?!

Seine Hand griff nach meinem Tablett. Blitzschnell packte ich seine Hände.

Diesmal nicht, Freundchen!!

„Wenn du nicht mehr weiter weißt, beschmeißt du die Leute einfach oder was?“, fragte ich und musste dabei lachen.
 

Was Lukas noch mehr erzürnte.

„Lass los!“, bedrohte er mich. Aber der würde mir nicht entkommen, genug war genug!

„Was zum Teufel erwartest du von mir? Du tauchst wieder auf, bringst mein Leben völlig durcheinander, deinetwegen distanziert sich noch mein bester Freund von mir… dann packst du ihn dir und ihr geht schön Shoppen, was nettes Essen und ich versauere, weil ich mir die ganze Zeit Gedanken um dich und mich mache! Soll ich dir jetzt dankbar sein?!“
 

Eine Hand konnte er mir entreißen, versuchte die andere Hand damit frei zu kriegen.

„Du brauchst dir um überhaupt nichts Gedanken zu machen! Ich hab dir grad gesagt, dass ich mir alles selbst zuzuschreiben habe und ich dich in Ruhe lassen werde!! Könntest du wohl so freundlich sein und meine Hand loslassen?“

Warum konnte ich nicht aufhören zu grinsen..?

Ich beugte mich leicht zu ihm vor, so dass ich seinen süßen Atem in meinem Gesicht spürte.
 

„Wie wär’s gehen wir zu mir?“, hauchte ich verführerisch.

„Deinen Frederic, den kannst du mit zu dir nehmen! Vielleicht bringt deine Mutter dir ja bei wie du mit ihm zu vögeln hast!“, knurrte Lukas zurück und traf mich wuchtiger, als ich ihn eigentlich treffen wollte.

Völlig überrumpelt starrte ich ihn an und brach in wildes Gelächter aus.

Was zum Henker taten wir hier…?
 

„Komm, ich bringe dich heim.“, sagte ich schließlich und schob meinen Stuhl zurück. Lukas aber funkelte mich noch immer an, wollte partout nicht aufstehen.

„Steh auf hab ich gesagt.“ Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust, sah dabei zu ihm hinunter, nachdem ich das Tablett weg gestellt hatte.

Auch er verschränkte die Arme.

„Verpiss dich.“ Stur blickte er zur Seite und beachtete mich nicht weiter.

Auch ich grummelte innerlich und dachte einen Moment wirklich daran ihn hier sitzen zu lassen.
 

Schließlich aber endete es damit, dass ich mich vor ihm nieder kniete.

Überrascht sah Lukas zu mir und bevor er etwas sagen konnte nahm ich seine Hand. Mit einem heftigen Ruck riss ich ihn hoch und hievte ihn mir auf die Schulter.

Lukas schrie erschrocken auf, krallte sich sofort an meinem Rücken fest. Seine Beine hielt ich fest umschlungen und trug ihn lässig über der Schulter nach draußen.

Die Leute in dem Laden lachten, denn sie vermuteten wohl, dass Lukas vielleicht einfach nur zu besoffen war um alleine zu laufen.
 

„Lass mich runter!! Lass mich los, das ist peinlich!! Juan!! Ich meins ernst!! Lass mich los oder ich schreie um Hilfe!“ faselte er ohne Unterlass doch es juckte mich nicht.

„Dann versuch’s doch mal.“

Lukas riss den Mund weit auf und wider Erwarten begann er wirklich zu schreien, dieser kleine bescheuerte Affe!

„Hilfe!! Der entführt mich!! Hiiilfeeee!“

Aber ich lachte nur. „Ja Schatz, du hast genug für heute getrunken, ab ins Bett mit dir.“ Und tätschelte ihm dabei den Arsch, was ihn noch lauter schreien ließ.

Aber niemand sagte etwas.
 

Hätte ich so seine Szene beobachtet, hätte ich Lukas wohl auch eher für den betrunkenen Part gehalten.

War ja schließlich Gang und Gebe hier.

In der Bahn setzte ich ihn auf einen leeren Platz, Lukas war total auf Abwehr und wandte sich sofort von mir ab. Mit verschränkten Armen hockte er da und kaute verbissen auf seiner Unterlippe rum.

Ich saß ihm gegenüber und beobachtete ihn.
 

„Du weißt, dass ich Frederic nicht ausstehen kann.“, sagte ich schließlich sanft.

Lukas verzog immer noch die Unterlippe.

„Und du weißt genau, dass ich nicht auf Chris stehe.“, knurrte er beleidigt zurück.

„Ich weiß.“, antwortete ich ihm mit einem milden Lächeln. „Hey…“, sagte ich schließlich und nahm sein Gesicht in die Hand, mein Daumen ruhte auf seinem Kinn und zwang ihn mich anzusehen.

Lukas tat es nur widerwillig und knurrte mich an. „Was?“ Seine Hand berührte meine, es war kein harter Griff… er wollte meine Hand gar nicht wegzerren, auch wenn es so aussehen sollte.
 

„Wollen wir mal zur Abwechslung ein wenig erwachsen sein und uns vertragen?“, fragte ich.

Fast sofort wurden Lukas‘ Augen richtig weich.

Sanft zog er meine Hand von seinem Kinn und sah mich einfach nur sehr, sehr lange an. Und ich blickte genauso zurück, in seine schönen Rehaugen.

Langsam ließ er meine Hand los, zog seine eigenen Hände auf seinen Schoß zurück und saß dort wie ein sittsamer junger Mann, der eine reine weiße Weste hatte.

„Okay…“, antwortete er leise.
 

Ein junger Mensch, der noch nie eine wirklich schlechte Erfahrung im Leben gehabt hatte, ein Mensch, der mit vollem Herzen lebte und genauso von Herzen liebte.

Man sah ihm direkt an, dass Lukas völlig unbefleckt von der Welt geblieben war. Und das war genau das, was ihn für den Rest der Welt anfällig machen würde.

Die Bahn wurde leerer, besonders nachdem wir durch den Hauptbahnhof gefahren waren. Unsere Bahn fuhr weiter rauf, drei Haltestellen später würden wir aussteigen, auf der Amsterdamer Straße.
 

Hier wohnte Chris, in einer Seitenstraße. Es war die Eigentumswohnung seines Vaters, aber der war vor vier Jahren verstorben. Zu seiner Mutter hatte er seit seinem sechsten Lebensjahr kaum Kontakt gehabt.

Irgendwie wurde mir richtig warm, wenn sich unsere Blicke begegneten.

Lukas war etwas Besonderes für mich geworden und ohne, dass ich es ahnte, hatte er sich in mein Leben geschlichen. Er war überall gegenwärtig, sein Name raste mir schon mittlerweile mit meinem Blut durch meine Venen.
 

„Du musst mich ganz schön hassen…“, sagte ich langsam, als sich unsere Blicke noch einmal begegneten, kurz bevor wir ausstiegen.

Aber Lukas sah mich verblüfft an. „Wie kommst du darauf…?“

Ich zuckte mit den Schultern, erhob mich langsam, wobei ich auch ihn auf die Beine zog und schließlich durch die Türen schob.

Doch ich antwortete ihm nicht mehr, sondern ging mit ihm die Straße runter.

„Juan…!“, er ergriff meinen Arm und sah zu mir auf.

„Was ist?“, fragte ich ruhig und blickte hinunter. Wir standen mitten auf der leeren Straße, kein Mensch war zu sehen.
 

Kein einziges Licht brannte in den Häusern um uns herum, kein Wunder eigentlich, wenn man einen Blick auf die Uhr warf.

Obwohl er etwas sagen wollte, schien es nicht über seine Lippen zu kommen. Ich lächelte schwach, streichelte ihm zärtlich über den Kopf.

„Wie geht es deinem Opa? Weißt du schon was Neues?“, fragte ich.

Lukas ließ mich nicht los. „Nein… noch nicht…“

„Ich hoffe es wird ihm bald besser gehen.“ Meine Lippen verzogen sich dabei zu einem kleinen Lächeln. Es war keine Absicht…
 

Wie lange standen wir einfach nur so da und starrten einander an…? Ich zählte die Sekunden nicht, auch nicht die Minuten. aber es kam mir vor wie eine Ewigkeit.

„Danke fürs Heim bringen.“, sagte Lukas schließlich und wandte sich ab.

Ich blieb einfach dort stehen und sah ihm nach, wie er immer kleiner und kleiner wurde, bis er schließlich in eine Seitenstraße einbog.

Nur langsam wandte ich mich ab. Und war ein wenig enttäuscht, dass er einfach gegangen war. So ließ man doch nicht einfach jemanden zurück, dem man gegenüber gerade noch ein schlechtes Gewissen gehabt hatte… Natürlich hatte ich mich auch ein bisschen idiotisch aufgeführt… aber ich hatte eben einen schlechten Tag gehabt.
 

Langsam wandte ich mich ab und lief zurück zur Haltestelle, wo ich eine geschlagene halbe Stunde auf die nächste Bahn warten würde.

Plumpsend ließ ich mich auf die kalten Sitze fallen und lehnte den Kopf gegen die Glasscheibe hinter mir, die die wartenden ein klein wenig vor Wind und Wetter schützen sollten.

Die Bedrückung in mir wurde größer und größer, meine Gedanken wurden lauter.

„Hey“

Verwirrt hob ich den Kopf.

Lukas stand wieder vor mir, sein Gesicht war knallrot.

Er wirkte etwas gehetzt und atmete schwer, war er etwa gerannt?

„Chris sagt er kommt nicht heim, er hat mich grade angerufen…“ Sein Blick war nervös. „…willst du mit rein kommen? Ich meine… du bist ja kein Fremder… Fremde würd ich nicht zu einem Freund einladen, bei dem ich grad untergekommen bin und…“, stammelte er und verstummte urplötzlich, da er nicht mehr weiter wusste.

Und wieder schlich sich das kleine Lächeln auf meine Lippen.

„Hast du Angst alleine, oder was?“, fragte ich amüsiert, aber Lukas blieb ernst.

„Ja… habe ich.“, antwortete er knapp, was das Lächeln aus meinem Gesicht wischte. Denn ich sah, dass Lukas es ehrlich meinte… er hatte wirklich Angst allein zu sein.

„Okay.“, antwortete ich knapp und erhob mich, um ihm zu folgen.

Sein schmaler Körper wirkte plötzlich noch zierlicher, noch verletzlicher auf mich, als er es ohnehin schon war.
 

Gemeinsam betraten wir die Dachgeschosswohnung.

Sie war kleiner als unsere WG doch die knapp fünfundsiebzig Quadratmeter große Wohnung reichte mit ihren drei Zimmern völlig aus, selbst wenn man als Familie mit einem Kind hier wohnte, oder vielleicht zwei…

An Chris‘ Wohnung mochte ich, dass hier neues mit klassischem vermischt war. Ein Teil wirkte wie aus einem Ikea Katalog, wobei schon fast antike Möbel den angenehmen Flair unterstrichen.

Dazu gehörten die kleinen Beistelltische im Wohnzimmer, aus dunklem Holz, ein alter gemütlicher Ohrensessel mit passendem Hocker… oder die Schränke und Vitrinen in der Küche.
 

Elisa’s weiblicher Einfluss hatte der Wohnung zudem noch einen hübschen Charme verliehen, in Form von Vorhängen und etwas Grünzeug. Die Reihe von Kakteen mit den kunterbunten Töpfchen waren auf jeden Fall neu.

Meine Tasche ließ ich im Wohnzimmer neben der Tür auf den Boden plumpsen und ging in die Küche, um mir eine Flasche Mineralwasser aus dem Kasten in der Abstellkammer zu nehmen. Ich wusste genau was wo war und nahm mir zusätzlich zwei Gläser aus dem Schrank.

Lukas schlich hinter mir rein.

War er überrascht, dass ich mich hier so frei bewegte? Nein, wohl eher nicht. Er wusste, dass Chris und ich uns seit Jahren kannten.
 

„Schläfst du im Gästezimmer?“, fragte ich, ohne aufzusehen und reichte ihm das eine Wasserglas, während ich das andere in langsamen Zügen austrank. Ich war halb verdurstet!

Oder vielleicht war mein Hals auch nur trocken, weil ich wusste, dass wir alleine waren.

Er nickte und nahm das Glas entgegen.

„Wollen wir… Filme gucken?“, fragte er leise.

„Okay…“

Mir fiel gar nicht auf, dass wir nur das nötigste sprachen…

Und irgendwie fühlte ich mich so unwohl, als wir dort auf der Ledercouch hockten und Herr der Ringe schauten.

Der riesige Hocker lag genau vor uns, so dass wir unsere Füße darauf ablegen und entspannt dort liegen konnten.
 

Aber irgendwie war auch diese seltsame Unruhe in mir ein bisschen verpufft, nachdem wir nun hier lagen und uns den Film ansahen. Dieser elende Knoten der Bedrückung löste sich leicht auf und ließ mich wieder atmen.

Lukas‘ Nähe war angenehm, doch ich spürte sie mehr, als dass ich sie sah. Denn ich konnte wohl kaum den Kopf zur Seite drehen und ihn anstarren, oder?

Zwischen uns war eine kleine Lücke, jedoch war über diese kleine Distanz hinweg noch seine Wärme zu spüren.

Von dem Film selbst bekam ich kaum etwas mit, allerdings war das auch nicht nötig, selbst die Dialoge konnte ich locker mitsprechen.
 

Meine Gedanken verwirrten mich und begannen wie ein kleiner Quell zu sprudeln.

Ich sah deutlich das Gesicht von Lukas vor meinem inneren Auge, wie er an die Fensterscheibe meines klapprigen Golfs klopfte, wie er mich mit diesen unschuldigen Augen ansah und wollte, dass ich ihn mitnehme… dann, als er mir seine kleine Lüge beichtete und wie er weinte, als wir dieses fette Schwein getroffen hatten…

Sein schüchternes Verhalten, als ich ihn für ein paar Tage aufgenommen hatte… und wie mich seine Blicke Tag für Tag intensiver berührten.

Bis ich es schließlich nicht mehr ausgehalten hatte und mich auf dieses unschuldige Wesen gestürzt hatte.
 

Seine Augen, während der Zug vom Bahnhof in Köln fuhr, würde ich wohl nie vergessen. Verletzt und allein gelassen.

Mir einzureden, dass er mich nicht interessierte, war mir leicht gefallen. Ich hatte mich selbst täuschen können, andere jedoch nicht.

Gott, was hatte ich für einen Schreck erlitten, als ich den Anruf bekommen hatte und ins Krankenhaus gestürmt war… zu sehen wie er dort so hilflos lag und mich mit diesen verletzten Augen ansah.

Und noch während die Bilder wie in einem Rückblick meine gesamten Gedankengänge einnahmen, wurde mir erst klar, warum Lukas sauer auf mich gewesen war.
 

Warum fiel mir das erst jetzt auf, er hatte es mir doch selbst noch oft genug gesagt. Ich war sein Retter in der Not gewesen, zumindest hatte es jedes Mal so ausgesehen.

Ich mochte Lukas, das hatte der Kleine gespürt. Eben aus diesem Grund war er so sauer geworden, weil ich, obwohl ich ihm positive Signale gesendet hatte, ihn von mir fern hielt.

Denn je näher er mir kam, umso gefährlicher wurde es doch für mich.

Nach wenigen Monaten spürte ich es ja jetzt schon.

Für mich war Lukas wie eine kleine Wärmequelle mitten im Winter gewesen. Er spendete mir nicht nur Licht, sondern zog mich mit seiner Sanftmut, mit seinen Rehaugen und seiner süßen Unschuld an.
 

„Willst du mir nicht langsam die Wahrheit sagen?“, fragte ich ruhig.

Lukas antwortete mir zuerst nicht, bis ich leicht das Gesicht zu ihm umdrehte und ihn ansah.

Auch er war nicht bei der Sache, seine Augen verrieten mir, dass er alles andere als den Film sah.

Er biss sich auf die Lippen, sein Adamsapfel bewegte sich leicht auf und ab, als er schluckte.

Zuerst dachte ich, er würde gar nicht antworten.

„Ich war unterwegs, als ich ihn getroffen hab.“, begann er schließlich langsam.

„Wen?“, fragte ich und sah ihn neugierig an.
 

„Jan…“

Ich hob eine Augenbraue. „Wer…?“ Aber dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Doch nicht dieser fette Kloß vom Weihnachtsmarkt?“ Leicht erhob ich mich aus den Polstern, um ihn schärfer anzusehen.

Lukas aber zog den Kopf leicht ein und errötete. „Doch… mein… Ex-Freund…“ Wieder schluckte er und ohne mich anzusehen sprach er weiter. „Ich war mit dem Zug unterwegs, da hab ich ihn zufällig getroffen. Er war auf dem Weg nach Düsseldorf und als er mich im Zug gesehen hat ist er sitzen geblieben.

Jan wollte wissen wo ich hinfahre, aber ich hab’s ihm verschwiegen.“

„Und wo wolltest du hin?“, hakte ich nach.
 

Düsseldorf? Was hatte er denn da verloren..?

Aber Lukas zog den Kopf noch mehr ein, rieb sich mit der linken Hand das Gesicht und versteckte es darin.

Seine gemurmelte Antwort verstand ich kaum.

„…zu dir…“

Es war mir wohl kaum möglich, den Schock zu beschreiben, den ich in diesem Moment empfand.

„…ich wollte weg… und ich wusste nicht wohin… seit… Weihnachten hat er mich dauernd verfolgt, ich hab meine Handykarte weggeworfen… aber er hat ständig bei mir zuhause angerufen, als ich ganz alleine war und mich beschimpft… also hab ich es nicht mehr ausgehalten.
 

Ausgerechnet… dann… ist er mir begegnet… und er hat mich gezwungen mit ihm auszusteigen… ich weiß nicht mehr welche Haltestelle es war… aber es war mitten im Grünen…“

Meine Fäuste ballten sich und meine Zähne knirschten, denn meine Wut wurde immer größer. Ja sogar größer als die Überraschung darüber, dass er mich besuchen wollte.

„Spinnst du?!“, blaffte ich ihn an. „Und du bist einfach so mit ihm ausgestiegen?!“

Lukas vergrub das Gesicht jetzt in beiden Händen, seine Stimme ertönte nur noch gedämpft.
 

„Er hat gesagt, wenn ich es nicht tue, würde er im Zug herum schreien, dass ich ne Schwuchtel wäre und es mit Ausländern treibe…“

Okay, manchmal war ich wirklich wild… manchmal, wenn ich wütend wurde, konnte ich auch unausstehlich werden. Doch mein Zorn, der mir bis in die Fußspitzen jagte, wurde so erdrückend, dass ich am liebsten auf irgendwas eingeschlagen hätte. Denn sonst würde ich gleich platzen.

Lukas spürte es wohl und wollte nicht weiter sprechen.

„Erzähl!“, forderte ich ihn auf.

Der arme Junge wirkte so verängstigt, dass es mir schon weh tat, aber ich musste es wissen.
 

„…Nachdem ich mit ihm ausgestiegen bin, hat er mich ein Stück von den Gleisen gezerrt und mich angeschrien… warum ich so herum zicken würde… dass es doch völlig normal wäre, wenn man auch mit anderen rummacht und dass er mich auf dem Rastplatz gelassen hat… er meinte er wollte mir nur einen Schrecken einjagen und mich ja wieder abholen… und… und ich hab zuerst nichts gesagt, aber dann habe ich auch angefangen herum zu schreien… ich hab geheult wie ein kleines Kind und wollte ihn nie wieder sehen… da wollte er mich aber in die Büsche zerren… ich glaube… er… er wollte….“ Seine Stimme zitterte leicht.

Aber er brauchte es nicht zu sagen, ich verstand genau was dieses fette Schwein mit ihm vorgehabt hatte.
 

„…ich wollte nicht… ich hab mich aber nicht getraut um Hilfe zu schreien sondern hab ihn geschlagen… und er hat zurück geschlagen… und… und als ich mich losreißen konnte bin ich einfach gerannt. Jan hat mich noch von hinten erwischt, mein Shirt ist aber zerrissen und ich bin gefallen… Er ist natürlich abgehauen… weil da Leute waren…“

Immer mehr und mehr hörte ich das Beben aus seiner Stimme heraus, immer öfter stockte er, als würde er nach Atem ringen und ich wusste, dass er weinte, noch bevor ich die Tränen sah, die zwischen seinen Fingern entlang liefen.

Fast hätte ich ihn in den Arm genommen, doch meine aufgestaute Wut war mit einem Mal so kraftvoll explodiert, dass ich auf die Beine sprang.
 

Mit beiden Händen griff ich mir ins Haar und begann im Raum ab und auf zu laufen. Das Atmen fiel mir so schwer, doch mein Herz raste, als würde es mir gleich aus der Brust heraus platzen.

Immer wieder blieb ich stehen, wollte Lukas anfahren, doch ich brachte es nicht übers Herz und lief jedes Mal weiter.

„Oh Gott Lukas!!“, fuhr ich ihn laut an. „Wieso hast du mir das nicht gesagt!? Warum zum Teufel hast du mich nicht angerufen?!“

Aber da fiel mir ein, dass er seine Karte ja weg geworfen hatte…

Der schmale Körper begann zu beben, er schüttelte sich vor unterdrückten schluchzern… die ihn jeden Moment überrollen würden…
 

Mit schnellen Schritten ging ich zu ihm, setze mich wieder neben ihn und packte seine Arme, in denen er sein Gesicht versteckte.

„Lass mich…!“, weinte er und versuchte mich wegzuschieben.

Sein Anblick schmerzte mich, ich begann sogar Schuldgefühle zu entwickeln… es war passiert, weil er zu mir wollte…

„Lass… los!“ Seine Stimme überschlug sich, ich ertrug es nicht, ihn so zu sehen…
 

„Lass… los!“ Seine Stimme überschlug sich, ich ertrug es nicht, ihn so zu sehen…

Wie konnte ich ihn um Himmels Willen loslassen…? Ich zog ich ihn trotz seiner Gegenwehr näher an mich heran, packte seine Arme und legte sie um meinen Nacken.

Den Teufel würde ich tun und hier einfach sitzen und zusehen wie er sich die Seele aus dem Leib weinte. Vielleicht war ich ja ein Idiot, aber ich war bestimmt nicht herzlos!

Schließlich hockte er auf meinem Schoß, er wehrte sich noch kurz, aber kaum drückte ich ihn fest an mich, weinte er nur noch lauter.

Und so ließ ich ihn einfach weinen.
 

Lukas weinte so laut und bitter, fast hätte ich mit geheult, doch stattdessen streichelte ich ihm durch das Haar, den Rücken und drückte ihn einfach nur an mich, um ihm ein bisschen Nähe und etwas Wärme zu schenken, die er vermutlich genauso bitter nötig hatte, wie ich selbst. Seine Hände krallten sich an mir fest, sie hatten sich völlig in meinem Pullover verkrampft.

Wie lange er weinte wusste ich nicht, doch selbst als der Film zu Ende war, saß ich noch da, mit ihm auf meinem Schoß.

Mein Pullover war durchnässt von Rotz und Tränen, aber das war mir egal.

„Alles okay…?“, fragte ich leise, als er aufgehört hatte zu schniefen.
 

Er nickte nur leicht, ohne mich anzusehen und versuchte mit seinem Ärmel meine Schulter ein wenig trocken zu reiben, was mir ein gequältes kleines Lächeln entlockte.

„Ist schon gut.“, wisperte ich und wusste in diesem Augenblick nicht, ob ich wirklich den Pullover meinte.

Seufzend atmete ich aus, das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich meiner Wut nicht hingegeben hatte… und auch ich wurde ruhiger.

„Schau mich mal an…“, bat ich, doch er schüttelte den Kopf.

„Komm schon, schau mich an.“
 

Sanft nahm ich sein Gesicht in meine Hand, um ihm in die Augen sehen zu können. Sie waren angeschwollen und ganz rot…

Zärtlich strich ich ihm das verklebte Haar aus dem Gesicht.

„Lass uns zur Polizei gehen…“

Aber sofort schüttelte er den Kopf. „Nein!“, krächzte er heiser. „Das will ich nicht!“

Ich hob die Augenbrauen und dachte ich würde nicht recht hören.
 

„Sein Vater ist Polizist! Als ob das was bringen würde! Außerdem ist ja nichts passiert…“, bemerkte er an und biss sich auf die Unterlippe.

Am liebsten hätte ich ihm die Ohren lang gezogen…

„Es tut mir so leid… ich wünschte, ich hätte für dich da sein können…“, sagte ich und ich meinte es ehrlich.

Lukas aber verzog das Gesicht, seine Augen füllten sich wieder, ehe seine heißen Tränen erneut nacheinander über seine Wangen kullerten.

Er kniff er die Augen zu, wollte aufhören zu weinen, aber er schaffte es nicht. Deutlich sah ich nämlich, wie er mit sich rang…
 

Leicht beugte ich mich nach vorne, strich ihm mit dem Daumen die Tränen von den Wangen und küsste ihn hauchzart auf die Lippen.

Sofort versteifte sich Lukas und hielt den Atem an, allerdings hörte ich nicht auf, sondern küsste ihn sanft weiter.

Zärtlich glitt meine Hand durch sein Haar, wieder und wieder, um ihn weiter zu beruhigen.

Glücklich nahm ich wahr, dass er meinen kleinen Kuss erwiderte. Seine Lippen bewegten sich schließlich dann doch gegen meine, so süß und zart.
 

Leicht öffnete ich ein Auge und linste ihn an. Seine waren geschlossen und er sah aus, als würde er diesen kleinen Kuss hier genießen.

Ganz langsam hoben sich seine Hände, legten sich auf meine Brust, ehe sie sachte an meinem Hals entlang fuhren, nur um mein Gesicht jetzt seinerseits zu umfassen und zu streicheln.

Aber dann ließ er mich abrupt los und riss den Kopf zurück.

Sein Gesicht war ebenso rot wie das in Öl gemalte abstrakte Bild über unseren Köpfen.

„Bist du bescheuert?!“, schrie er mich erzürnt an. „Wie kannst du mich küssen während ich hier rum heule?!“ Und seine Wut kochte wie meine eigene eben. Nur mit dem einzigen Unterschied, dass er sie auch raus ließ und anfing nach mir zu schlagen.
 

„Ich erzähle dir hier was mir schreckliches widerfahren ist und du tust so als würdest du mich verstehen und mich trösten, nur um mich dann wieder ins Bett zu kriegen oder was?! Immer nutzt du mich aus, immer bist du da wenn ich schwach bin… immer…“ Aber weiter kam er nicht, denn ich packte ihn an beiden Händen und riss ihn auf die Couch hinunter, so dass er unter mir lag und presste einen Moment lang meine Hand auf seinen Mund, damit er die Klappe hielt.

Lange sah ich ihn an und er blickte genauso zurück, nur weitaus erschrockener.

Erst einmal tief einatmen. „Ich mag dich…okay…?“

Kapitel 8

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 8 (zensiert)

Seine Augen wurden noch größer.
 

„Ich weiß ich war gemein zu dir… aber ich war noch nie richtig mit jemandem zusammen, verstehst du? Solche Sachen haben mich nie interessiert… ich hatte immer genug Leute, die einfach so mit mir in die Kiste gestiegen sind…
 

Es war nicht einfach für mich deine Gefühle mir gegenüber zu akzeptieren… aber jetzt beginne ich dich zu verstehen…“ Vorsichtig zog ich meine Hand von seinem Mund und näherte mich ihm erneut.
 

Warum schlug mein Herz so wild?
 

„Für jemanden wie mich ist es nicht leicht einfach alte Gewohnheiten über Bord

zu werfen… aber… ich werde es versuchen.“
 

Dass ich ihn überforderte sah ich deutlich in seinen Augen. Und mehr als seufzen konnte ich im Augenblick nicht.
 

Lieber Himmel ja, ich wollte ihn… aber sein hilfloser und völlig belämmerter Anblick ließ mein Herz erweichen.
 

„Komm…“ Ich erhob mich und zog ihn ebenfalls auf die Füße.
 

Was wollte der Kleine eigentlich…? War ihm das nicht genug…?
 

Da er den Mund nicht aufmachte, schwieg auch ich, denn ich interpretierte sein Schweigen als Ablehnung meiner Worte, die doch so mühsam meinen Mund verlassen hatten.
 

War ich eigentlich hier der Suppenkasper? Ich machte mich doch zum Affen…

Ich hielt ihn an der Hand fest und zog ihn hinter mir her, Lukas ließ es geschehen, selbst als ich ihn ins Gästezimmer, seinem vorübergehenden Zimmer, zog.
 

Völlig schweigsam stand er vor mir, Himmel Herrgott nochmal, was war denn jetzt wieder mit ihm?
 

Kaum drehte ich mich zu ihm um, dabei stand ich dicht vor ihm, kniff er die Augen zu und hatte mir das Gesicht leicht entgegen gereckt.
 

Was sollte das jetzt…?
 

Dachte er, ich würde jetzt über ihn herfallen? Das war es doch gar nicht was ich wollte! Naja eigentlich schon aber… ich wollte mich dabei nicht wie ein Vergewaltiger fühlen, wie auch immer sich das anfühlen mochte, wollte ich ebenso wenig erfahren.
 

Seine Augen flogen überrascht auf, da ich gerade Bettzeug aus dem Schrank geholt hatte und ihm kurz in die Hände drückte. „Halt das mal bitte, ja?“ Schnell wandte ich das Gesicht ab und zog aus dem unteren Teil des Schrankes eine Decke heraus, ehe ich ihm die Sachen wieder abnahm.
 

„Gute Nacht.“, sagte ich, ohne ihn noch einmal anzusehen.
 

Irgendwie schmerzte es mich schon… warum sagte er nichts? Warum reagierte er nicht auf meine Worte..?
 

„Warte! Willst du im Wohnzimmer schlafen?!“, rief er mir hinterher.
 

Ich warf ihm einen kleinen Schulterblick zu und lächelte matt. „Natürlich du Dummkopf. Wo denn sonst? Also, gute Nacht.“, wiederholte ich die letzten Worte und verließ das Gästezimmer. Die Last auf meinen Schultern wurde größer und größer, drohte mich langsam aber sicher zu Boden zu drücken.
 

Was tat ich hier, warum hatte ich diesem Jungen meine Gefühle gestanden? Das war doch alles nichts für mich, selbst in solchen Sachen stellte ich mich scheinbar völlig idiotisch an, zudem drückte ich mich wohl auch sehr missverständlich aus und langsam aber sicher hatte ich das Gefühl, dass es immer schlimmer mit uns beiden wurde.
 

Lukas akzeptierte mich nicht und ich konnte ihn nicht akzeptieren, zumindest verstand ich einfach nicht, was er noch mehr von mir hören wollte?
 

War es denn nicht das gewesen…? Was verlangte dieser Wicht eigentlich?? Wieso konnte er mich nicht verstehen? Das war doch gar nicht so schwierig! Aber wir trafen keine goldene Mitte, in der wir eine stille Übereinkunft eingehen konnten.
 

Oh Mann, das war echt zu viel… der Tag an sich war anstrengend genug gewesen und dann noch der Stress mit dem kleinen Skywalker…
 

Ein kleines Schmunzeln überkam mich, so hatte ich ihn ja sehr lange nicht mehr genannt.
 

Im Wohnzimmer bezog ich die Couch und die Bettdecke, ehe ich mir die kleinen Kissen schnappte und es mir so bequem wie möglich machte.
 

Mehr als die Decke anstarren konnte ich allerdings nicht, an Schlaf war nicht mehr zu denken.
 

Der schwache Schein der Straßenlaterne erhellte nur spärlich die Decke, die mir da so spöttisch entgegen blickte.
 

Einen Arm schob ich mir hinter den Kopf, meine Gedanken fanden keinen Anfang und kein Ende, auch wenn ich versuchte aus mir selbst schlau zu werden.
 

Die Uhr an der Wand tickte, mal erschien sie mir so laut, mal hatte ich das Gefühl, als wäre sie verstummt, ehe sie lauter zu schlagen begann.
 

Eine geschlagene Stunde blieb ich wach… zwei Stunden… zweieinhalb… lieber Himmel es wurde bald hell…
 

Ein knarren aus der Diele erregte meine Aufmerksamkeit.
 

Aber ich blieb regungslos liegen, die Schritte kamen näher, schnell schloss ich die Augen.
 

„Juan…?“, fragte Lukas‘ Stimme sehr leise. Sie war nicht einmal annähernd so laut, um mich zu wecken, wenn ich wirklich geschlafen hätte. Vermutlich wollte er einfach nur testen, ob ich noch wach war.
 

Noch einmal piepste seine Stimme meinen Namen…
 

Doch ich antwortete nicht, sondern sah zu, dass sich meine Brust in einem trägen Rhythmus auf und ab bewegte. Schnarchen wäre wohl übertrieben gewesen.
 

Erst tat sich nichts, dann nahm ich seine Bewegung wahr.
 

Sein schmaler Körper stand direkt neben der Couch, bis er sich hinkniete. Das weiche schokoladenfarbene Haar schmiegte sich an meinen Arm, er musste den Kopf direkt neben mir auf das Sofa gelegt haben.
 

Gespannt wartete ich ab, hoffentlich hörte er mein Herz nicht schlagen, es erschien mir plötzlich lauter als das ticken der Uhr im ansonsten lautlosen Raum. Lukas regte sich jedoch nicht… bis ich die Hand nach im ausstreckte und er erschrocken zusammen zuckte.
 

„Komm her…“, flüsterte ich leise und zog ihn mit leichtem Druck auf mich. Meine Stimme klang so heiser in meinen Ohren…
 

Süß, wie er meinen Worten widerstandslos Folge leistete.
 

Mit einer Hand hob ich die Decke an und ließ es zu, dass er sich auf mich legte.
 

Seine Beine waren eiskalt, trug er etwa Shorts?? Seine Arme froren ebenso, die Gänsehaut war deutlich zu spüren…
 

Schnell deckte ich uns beide wieder zu, sein warmer Atem blies mir weich gegen den Hals.
 

Ohne weitere Worte drückte ich ihn sachte an mich, kraulte ihm liebevoll durch das Haar.
 

„…Bist du…. Warst du… die… ganze Zeit wach…?“, wollte er leise wissen.
 

Ein Lächeln umspielte meine Mundwinkel auf verräterische Weise, doch ich konnte es unterdrücken.
 

„Ja.“, erwiderte ich. Warum sollte ich lügen…?
 

Er nickte nur leicht und kuschelte sich wieder wie ein kleines Kätzchen an mich, suchte nach meiner Wärme.
 

Eine Zeit lang glaubte ich, dass er eingeschlafen wäre, doch ich irrte mich.
 

Sein Kopf hob sich leicht an, seine Lippen berührten meine zärtlich, fast scheu.
 

Zuerst ließ ich es einfach zu, denn ich spürte, dass er noch etwas sagen wollte.

„Ich… mag dich doch auch sehr…“, wisperte er.
 

Jetzt konnte ich mich bei aller Liebe nicht zurück halten und grinste bescheuert. Vielleicht sah er es nicht, doch wenn er die Lippen erneut gegen meine drückte, musste er es spüren. Genau das tat er auch. Und lächelte selbst dabei.
 

Bildete ich es mir ein, oder rollten da gerade Tonnen von Lasten von meinem Körper?
 

Wieder suchten seine Lippen nach meinen und seine süßen kleinen Küsse ließen mich nun wirklich nicht kalt.
 

Sachte vergruben sich meine Hände in seinem weichen Haar, damit ich sein Gesicht dichter an mich heran ziehen konnte. Sein Körper rutschte etwas höher, auch seine Hände verschlangen sich leicht in meinem Haar.
 

Bildete ich es mir ein, oder konnte ich seine wundervollen Rehaugen erkennen?
 

Wann hatte ich zuletzt solch köstliche Lippen gekostet? Ich konnte mich nicht daran erinnern… doch, halt… als ich das erste Mal Sex mit ihm gehabt hatte…
 

Leicht zog ich die Beine an, spürte dadurch seinen süßen Arsch noch dichter an meinen Lenden, in denen sich langsam aber sicher die Hitze staute.
 

Immer zärtlicher, immer leidenschaftlicher bewegten sich meine Lippen gegen seine, ehe ich ihm winzige Pausen gönnte. Allerdings weniger als den Bruchteil einer Sekunde, bevor ich erneut nach seinem süßen Mund schnappte.
 

Auch Lukas begann heftiger zu atmen, aufgeregt war er, keine Frage…
 

Erst bittend tastete sich meine Zunge an ihn heran, ehe sie etwas fordernd seine Lippen trennte. Ich wollte ihn schmecken, mit all meinen Sinnen, ihn spüren… und diesem wunderbaren Gefühl nachgeben, das sich in meinen Venen ausbreitete.
 

Lukas… nach ihm schrie mein Blut, meine Seele. Mein Herz.
 

Mein Körper begann zu pulsieren, meine Erregung blieb sicherlich nicht mehr unentdeckt. Aber da drückte sich mir doch auch etwas seinerseits entgegen?
 

Sein Körper zitterte leicht, was allerdings nicht der Kühle des Raumes zuzuschreiben war.
 

Immer ekstatischer bewegten sich seine Lippen, seine Zunge begann so süß und köstlich mit meiner zu ringen, verlangte frech nach mehr.
 

Und mein Körper folgte diesem verlockenden Ruf.
 

Leicht richtete ich mich mit ihm auf dem Schoß auf, verschaffte mir ein wenig Rückhalt an der Lehne, um mich etwas abstützen zu können.
 

Die Bettdecke glitt an uns hinunter, doch das störte mich herzlich wenig. Alles worauf ich fixiert war, war Lukas.
 

Unser Kuss vernebelte mir leicht die Sinne, mir war als würden mir Flügel wachsen… oder schwebte ich auf Zuckerwatte…? Auf jeden Fall war es ein unglaublich tolles, weiches Gefühl, das sich kaum in Worte beschreiben ließ.
 

Der Druck meiner Hände wurde intensiver, mit dem Daumen streichelte ich über seine schönen, leicht rundlichen Wangen.
 

Durfte ich die ganze Nacht hier liegen…? Würde ich ihn die ganze Nacht lang küssen dürfen…?
 

Lukas‘ schmale Hände schoben sich etwas zittrig über mein Shirt und überrascht, doch völlig verzückt, stellte ich fest, wie sie unter den Stoff glitten und meine brennende Haut ertasteten. Seine Finger hingegen waren so kalt, als hätte er sie in Eiswasser getaucht, was mich leicht aufzischen ließ.
 

Schnell zuckte er zurück und wollte mir seine Hände entziehen, doch ich ließ es nicht zu.
 

„Nein!“ Wieder drückte ich beide Hände fest gegen meine nackte Brust und sah ihn eindringlich an. „Lass sie da… es ist okay.“
 

Wieder zögerte er ein wenig, doch er tat es… er berührte mich wieder! Zwar etwas verunsichert, doch seine Hände erkundeten mich von neuem, als wäre es das erste Mal.
 

Nun ja so gesehen war es das doch auch… beim letzten Mal waren wir einfach so übereinander hergefallen…
 

Zunächst waren seine Augen auf meine Brust gerichtet und um ehrlich zu sein glaubte ich, er würde aufstehen… aufhören und wieder ins Bett gehen… allerdings tat er das nicht, sondern beugte sich hinunter und bedeckte meinen Hals mit kleinen, hauchzarten Küssen.
 

Leicht schloss ich die Augen und legte den Kopf etwas in den Nacken. Das kleine Seufzen, das mir dabei entwischte, animierte ihn dazu weiter zu gehen und mutiger zu werden.
 

Seine weichen Lippen erkundeten meine Haut, sie fuhren über mein Schlüsselbein hinunter, über meine Brust. Wohingegen seine Hände aber auch nicht untätig blieben.
 

Wenn der Kleine so weiter machte, würde es mir schwer fallen mich zurück zu halten.
 

„Gehen… wir ins Bett…?“, fragte ich vorsichtig.
 

Lukas erstarrte.
 

Scheiße… hätte ich das doch nicht sagen sollen…? Würde er jetzt einen Rückzieher machen…??
 

Gerade wollte ich es zurück nehmen, aber da nahm er meine Hand. Lautlos, wie ich es vor ein paar Stunden noch getan hatte, zog er mich hinter sich her.
 

Im Gästezimmer schloss er langsam die Tür, doch noch ehe sie ganz ins Schloss fiel, begann ich ihn von neuem zu küssen. Dabei drängte ich ihn leicht gegen das

Bett zurück und ich spürte zu genau, dass Lukas es genoss von mir dominiert zu werden.
 

Seine Küsse wurden leidenschaftlicher und seine Hände… die ertasteten mich wieder neu.
 

Heiß und schnell atmete er jetzt aus der Nase aus, gelegentlich ließ ich ihn schon Luft holen.
 

Meine eigenen Hände folgten der feinen Linie seiner Wirbelsäule, ehe ich ihn fest am Hintern packte und enger an mich presste. Dabei drückte ich ihm etwas Luft aus den Lungen.
 

„Sorry…“, flüsterte ich ihm fast atemlos gegen den feuchten Mund, seine fein geschwungenen Lippen machten mich rasend.
 

Hastig schüttelte er den Kopf und ließ sich auf das Bett sinken, zog mich am Nacken hinterher.
 

Ein wenig rutschte er zurück, damit ich nicht halb über dem Bett hing, sofort folgte ich ihm wie ein dummer notgeiler Hengst, aber ich hielt es kaum noch aus.
 

Meine Hände schoben sich in seine Shorts, zogen sie langsam hinunter und den Stoff somit über seine nackten Beine. Meine Lippen folgten meinen Händen, zärtlich küsste ich mich an den Oberschenkeln abwärts, was Lukas ein zuckersüßes, kurzes auflachen entlockte.
 

Bei seinen Waden angekommen, biss ich etwas verspielt hinein, warf aber die Shorts zu Boden.
 

Auch das Shirt zog ich ihm gemächlich aus, ließ es aber kurz über seinem Kopf dort hängen, seine Arme waren in dem Stoff gefangen. Mit einer Hand hielt ich diese fest, mit der anderen tastete ich mich erneut über die schmale Brust.
 

Sein Körper war nicht mehr kalt, er glühte wie ein wahrer Brennofen.
 

Lukas seufzte wieder so süß in den Kuss hinein, er war mir völlig ausgeliefert.

Doch anders als beim letzten Mal, war ich zärtlich.
 

Die Quittung dafür erhielt ich auf ganz berauschende Weise. Sein Körper bäumte sich mir entgegen, er wollte seine Hände lösen, doch er schaffte es nicht. Zudem war seine Gegenwehr auch mehr als nur ein wenig erbärmlich. Was mir allerdings verriet, dass es ihm sehr gefiel.
 

Ich leckte mir über den Zeigefinger und begann mit diesem die süße Brustwarze zu umkreisen, ehe mein Finger weiter bergab glitt.
 

Oh ich wollte ihn quälen… seine reine Seele beschmutzen… und doch brachte ich es nicht übers Herz.
 

Meine Zähne verbissen sich leicht in das Fleisch seines Halses, mal saugte ich, mal leckte ich an ihr.
 

Sein Aufstöhnen ließ mich ein wenig schaudern, mein Blut pumpte sich immer schneller in niedere Regionen, so dass meinem Hirn jeglicher Sauerstoff verwehrt blieb.
 

Gedanken hatte ich schon lange keine mehr, zumindest keine, die nicht versaut oder schweinischer Natur waren. Meine Triebe waren geweckt und ich konnte mich kaum zurück halten. Und wollte es auch nicht.
 

Sein Körper presste sich meiner Hand entgegen, seine Hüften bewegten sich flüssig und unglaublich sexy.
 

Mehr, wir wollten beide immer mehr.
 

„Juan…“, wimmerte er heiser, seine Augen waren zusammen gekniffen. Ich quälte ihn… und es gefiel uns beiden.
 

„Hast du… was da…?“, hauchte ich ihm gierig ins Ohr. Er konnte nur noch wild nicken und versuchte verzweifelt seine Hände zu befreien. „Sag mir wo…“, flüsterte ich fast knurrend. Und stellte erregt die Gänsehaut fest, die ich bei ihm verursachte.
 

„…da… in… der Schublade…“, keuchte er.
 

Ungern ließ ich von ihm ab, doch ich griff zur Kommode neben dem Bett. Das knistern einer schmalen kleinen Packung verriet mir, dass hier Kondome lagerten… und eine Tube erwischte ich.
 

Wieso war der so gut vorbereitet…?
 

Doch den Gedanken schob ich unwirsch beiseite. Schnell verteilte ich das Gel auf meinen Fingern.
 

Sofort krallte er sich an der Bettdecke fest und stöhnte auf.
 

„Tut es weh…?“, hakte ich etwas erstarrt, denn er war ungewöhnlich laut.

Im seichten Schein des heller werdenden Himmels draußen erkannte ich nun seine Umrisse viel deutlicher.
 

Er schüttelte wild den Kopf und presste das Gesicht beschämt ins Kissen hinein.
 

Ein sanftes Lächeln überkam mich kurz, ehe ich mich richtig zwischen seine Beine knien konnte. Dabei spreizte ich seine Schenkel etwas weiter, doch weil mir das zu umständlich war, schob ich meine Hand unter seinen Rücken und drehte ihn auf den Bauch. Ohne weitere Anweisungen packte ich ihn an den Hüften und zog seinen Hintern höher.
 

„Reck mir deinen süßen Arsch etwas entgegen.“, knurrte ich und willig folgte er meinen Anweisungen.
 

Zufrieden leckte ich mir über die Lippen , wobei ich mich nicht zurück halten konnte, ich musste ihm in den Arsch beißen!
 

Wieder stöhnte Lukas laut auf, seine Stimme erweckte meine animalischen Instinkte, bis ich ihn einfach nur noch besteigen wollte… aber das konnte ich noch nicht.
 

Zärtlich bereitete ich ihn vor, bis ich sicher sein konnte, dass er keine Schmerzen hatte.
 

Lukas‘ Stöhnen wurde lauter, immer erregender. Seine sinnlichen Rufe nach mehr trafen mich hart.
 

Und sobald ich merkte, dass es genug war, zog ich meine Hand etwas zurück. Ich holte das Kondom aus der Packung, verteilte noch eine großzügige Menge Gleitgel dort wo es nötig war und richtete mich etwas hinter ihm auf.
 

Meine Hand umfasste seine Pobacken.
 

„Bereit…?“, hauchte ich.
 

Wieder nur ein Nicken.
 

Ich schluckte schwer und drückte mich gegen den schmaleren Körper.
 

Lukas verkrampfte sich nicht, um Gegenteil, er erschien mir sogar richtig entspannt…
 

So gut es ging und soweit meine Beherrschung es zuließ, ging ich vorsichtig vor.
 

Das süße keuchen wurde zu einem ausgewachsenen Stöhnen, das für einen kurzen Augenblick abrupt verstummte, ehe er erneut lustvoll aufstöhnte. Es klang gedämpft, er presste sein Gesicht tief in das Kissen hinein.
 

Mit einer Hand glitt ich hinunter, drückte ihn an der Brust leicht hoch, damit ich seinen Rücken liebkosen konnte.
 

Ich verweilte ihm zuliebe, doch meine Hände konnten wieder nicht still halten, ebenso wenig meine Zunge, die über seine Wirbelsäule leckte.

Meine Zähne versanken in seinem Nacken, ich hielt ihn an den Hüften fest, schließlich bewegte ich mich.
 

Auch mir entrang sich ein gieriges Stöhnen, es kam tief aus meiner Kehle… Lukas bekam dabei schon wieder eine Gänsehaut.
 

Wie süß…
 

Immer wieder redete ich mir ein, vorsichtig sein zu müssen. Meine Gedanken allerdings begannen zu schwinden, gleich würde sich mein Hirn abstellen und von seinem Körper kam ich bei aller Liebe nicht mehr los. Ich verpasste ihm kleine Bisse, süße Küsse und leckte ihm gierig über die nackte Haut, je tiefer er seufzte oder stöhnte.
 

Schließlich wurden meine Bewegungen fester, gelegentlich schaffte ich es noch seine Lippen zu erhaschen und ihn leidenschaftlich zu küssen, doch ab einem gewissen Punkt klappte das nicht mehr.
 

„Lukas…“, knurrte ich, ich konnte mich nicht mehr zurück halten. Sein Nicken war meine Erlösung.
 

„O…okay..“, stöhnte er und ich bemerkte, dass nicht nur ich völlig die Besinnung und jede Selbstbeherrschung verlor, auch Lukas erging es nicht anders.
 

Der kleine machte mich wahnsinnig!!
 

Immer schneller bewegten wir uns bis ich schließlich die Welle der Erlösung auf mich zurollen spürte.
 

Lukas kam allerdings noch vor mir mit einem kleinen, heißen Aufschrei, der nun mir die Haare zu Berge stehen ließ.
 

Ich war wohl kaum der Typ der laut stöhnte, doch auch meiner Kehle entrang sich ein tiefer laut, ehe ich schwer atmend leicht nach vorne sackte.
 

Auch Lukas‘ Oberkörper fiel erschöpft nach vorne.
 

Wir beide verharrten einen Augenblick lang in dieser Pose, bis ich mich nur langsam von ihm lösen konnte. Vorsichtig löste ich mich von ihm, genauso langsam ließ er sich auf den Bauch gleiten.
 

Sein Haar war völlig verschwitzt, kein Wunder er hatte das Gesicht die ganze Zeit über ins Kissen gepresst…
 

Da das Fenster hinter mir lag, als ich mich langsam zu ihm hinlegte, sah ich seine Konturen noch deutlicher.
 

Raschelnd bewegte sich sein Kopf vorsichtig in meine Richtung. Ich atmete genauso schwer wie er, unsere Blicke begegneten sich.
 

Ganz langsam breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus, dasselbe geschah auch bei Lukas.
 

Wie von selbst streckte sich meine Hand aus, strich ihm das weiche Haar aus dem Gesicht.
 

Gemeinsam mit meinem noch immer wild schlagenden Herzen kroch die Erkenntnis durch meine Venen. Noch während wir hier lagen und einander so anlächelten, spürte ich zum ersten Mal tiefen Frieden zwischen uns.
 

Nur ganz leicht war der Druck meiner Hand, den ich ausübte, aber Lukas wusste sofort was ich wollte. Er kam näher, kuschelte sich eng an mich und reckte mir das Gesicht entgegen.
 

Dieser Kuss war so süß, so voller Wärme, dass es mich schauderte.

Kapitel 9

Völlig verpennt angelte ich nach meiner Hose.
 

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich sie am Boden fand und mein Handy aus der Tasche holte. Das blöde Mistding dröhnte schon seit einer halben Stunde. Auch wenn ich versucht hatte das vibrieren zu ignorieren und verfluchte dabei meinen zu leichten Schlaf.
 

„Ja?“, knurrte ich ins Handy. Meine Stimme war heiser und total verschlafen.
 

Auf der anderen Seite schrie mir meine Mutter ins Ohr.
 

„Wo warst du die ganze Nacht?? Ich habe mir Sorgen gemacht, kannst du nicht einmal anrufen und Bescheid sagen, dass du weg bleibst??“
 

So brutal aus dem Schlaf gerissen, war ihre Stimme kaum erträglich. Ich hielt mir das Telefon einen Moment vom Ohr weg, bis ihre Stimme verstummte.

„Ich hab dir gesagt, dass ich nach dem Restaurant noch bei Sam arbeite…“, brummte ich genervt zurück.
 

Neben mir raschelte es.
 

Für den Augenblick war ich völlig überfordert.

Wo war ich? Mit wem war ich hier? Hatte ich aus der Bar jemanden abgeschleppt?
 

Zwei wunderschöne Rehaugen lächelten mich ungemein zärtlich an.
 

„Ich bin bei Chris… wir sehen uns dann später, okay?

Zum Frühstück? Werde ich wohl nicht schaffen…“ Meine freie Hand streckte sich nach ihm aus und legte sich sanft in das weiche schokobraune Haar, das auf betörende Weise wie ein kleiner Wasserfall auf das Kissen fiel und sein hübsches Gesicht einrahmte.
 

Auf der Stelle wurde sein Lächeln noch süßer, er griff nach meiner Hand und drückte leicht die Wange dagegen.
 

Mir wurde richtig warm ums Herz.
 

„Ja bis nachher dann…“
 

Hatte ich ihr überhaupt noch zugehört? Meine Augen waren nur noch auf Lukas gerichtet.

Meine Erinnerungen überrollten mich wie eine mächtige Welle, die mich genüsslich schaudern ließ.
 

„Morgen…“, flüsterte er.
 

Ich schob meine Hand unter seinen Rücken und zog ihn dichter an mich heran. Sofort folgte er dem fordernden Druck und kam mir entgegen.
 

„Morgen…“, wisperte ich in sein Haar, sein Kopf drückte sich gegen meine Brust, seine Hände glitten über meine Schultern.
 

Nackte Beine umschlangen mich, eigentlich küsste ich ungern am Morgen, zumindest bevor ich meine Zähne putzte oder mein Gegenüber es getan hatte.
 

Es war mir sowas von egal…
 

Nichts konnte mich davon abhalten ihn zu küssen…
 

Meine Lippen drückten sich sanft auch seine, sofort erwiderte er diesen Kuss.

Während des Kusses drückte ich ihn auf den Rücken und beugte mich über ihn, dabei ruhte sein Kopf auf meinem Arm.
 

Lukas fühlte sich so warm und weich an, ich wollte mehr von diesen Küssen, mehr von ihm.
 

„Lukas! Bist du da?“, brüllte Chris laut und im nächsten Moment riss die Tür auf.

Da stand der Penner doch tatsächlich mit einem fetten grinsen im Türrahmen und starrte uns an.
 

Seine Augenbrauen hoben sich gespielt, ich wusste er hatte meine Schuhe und meine Tasche gesehen…
 

„Hoppla…“ Seine Zähne blitzten auf.
 

„Verpiss dich.“, knurrte ich bedrohlich. „Sofort...!“ Fast war ich versucht aus

dem Bett zu springen und ihm so hart eine reinhauen, dass er Glocken läuten hörte.
 

Aber Chris winkte nur ab, während Lukas sich unter der Bettdecke versteckte.

„Frühstück ist fertig!“, flötete er und winkte frech. Das Kissen, das ich ihm entgegen schleuderte, traf nur noch auf die verschlossene Tür.
 

„So ein Drecksack!“, grummelte ich.
 

Noch während ich Chris beschimpfte, spürte ich erneut warme weiche Hände, die meinen Körper erkundeten und keuchte auf, als er mich an einer sehr empfindlichen Stelle berührte, die bereits darauf brannte sich erneut mit ihm über die Laken zu wälzen.
 

Und das taten wir auch.
 

Eine geschlagene Stunde später verließ zuerst ich das Zimmer, um das Bad aufzusuchen.
 

Nach einer schnellen Dusche öffnete ich die Tür, hatte mir ein Handtuch um die Hüfte geschlungen.
 

Mein Haar triefe, das Wasser tropfte auf meine nackte Brust.
 

„Hey, kannst du mir ein paar Klamotten leihen?“ Ich verschränkte die Arme, lehnte am Türrahmen zur Küche und starrte ihn Finster an.
 

Sofort hob Chris die Hand, er saß in der Küche. Er hatte frische Brötchen mitgebracht und den Tisch gedeckt… Außerdem roch es herrlich nach Kaffee.

„Klar, du kannst dich an meinem Schrank bedienen.“
 

Sein Grinsen blendete mich fast.
 

„Spuck’s aus, sonst erstickst du noch daran.“
 

Chris grinste noch breiter in seinen Kaffeebecher, in der anderen Hand hielt er die Sonntagszeitung.
 

„Du hast es ihm gesagt.“
 

Der unverschämte Kerl wäre wohl am liebsten tanzend auf den Tisch gesprungen und hätte angefangen herum zu jodeln.

„Hab ich.“
 

Chris nippte an seinem Kaffee.
 

„Braves Hündchen.“
 

Ich trat vor, schnappte ihm die Tasse aus der Hand und schlug ihm leicht mit der Faust gegen den Kopf.
 

„Statt hier in aller Herrgotts Frühe aufzutauchen, hättest du ruhig noch ein wenig Zeit mit deiner Freundin verbringen können!“
 

Die Tür des Gästezimmers öffnete sich und Lukas huschte schnell ins Bad.
 

„Ach, ich wusste eigentlich, dass du ihn nicht alleine lassen würdest.“ Chris‘ graue Augen sahen mich durchdringend an. „So gemein bist nicht einmal du.“
 

Irritiert hob ich eine Augenbraue. „Was soll das heißen?“
 

Aber er zuckte nur mit den Schultern, seine Augen glitten über meinen nackten Oberkörper.
 

„Geh dir mal lieber was anziehen mein Junge, bevor dir dein bestes Teil noch abfällt. Das wirst du wohl ab jetzt noch öfter brauchen“ Er lächelte lasziv.
 

Den Kaffee nahm ich mit in Chris‘ Zimmer und musste jetzt sogar selber breit grinsen.

Irgendwie realisierte ich die ganze Situation noch gar nicht richtig…
 

Schnell nahm ich mir ein paar Klamotten und auf dem Weg zurück in die Küche, öffnete sich die Badezimmertür und Lukas‘ Kopf streckte sich mir entgegen.
 

„Hier sind keine Handtücher mehr, kannst du mir eins geben?“, fragte er mit hochrotem Kopf.
 

„Warte kurz…“ Schnell verschwand ich ins Schlafzimmer und kam mit einem sauberen Handtuch zurück.
 

Hatte er etwa gewartet, bis er meine Schritte hörte? Er hätte doch auch Chris fragen können.
 

Aber der arme Kleine starrte auf seine Füße…

Mit der einen Hand reichte ich ihm das Handtuch, mit der anderen berührte ich ihn am Kinn und hob es hoch, damit er mich ansah.
 

„Alles okay?“, fragte ich schließlich sanft.
 

Seine wundervollen Rehaugen hatten einen neuen Glanz bekommen, sie betrachteten mich so voller Wärme.
 

Schnell nickte er und nahm mir das Handtuch ab, aber ich beugte mich nach vorne und küsste ihn zärtlich.
 

Lukas errötete noch tiefer, aber Chris konnte uns aus diesem Winkel ja wohl kaum sehen.

„Dann beeil dich. Lass uns schnell was essen und dann abhauen.“, wisperte ich ihm gegen den Mund. „Der wird uns sonst keine Ruhe geben!“
 

„Wo wollen wir denn hin?“, fragte er mich mit großen Augen.
 

„Ich muss mir ein paar Sachen besorgen, also lass uns shoppen gehen!“ Ich grinste zurück.
 

Das ließ auch Lukas breit und süß lächeln. „Okay…“
 

Noch ein kleiner, schneller Kuss und er verschwand mit dem Kopf wieder durch die Tür.
 

Auf meinen Lippen prickelte es leicht, als könnte ich seinen Mund noch dort spüren und ein warmer, wohliger Schauer überkam mich.
 

Warum fielen mir diese Gefühle jetzt erst auf?
 

Chris war überraschend einfühlsam, als Lukas aus dem Bad kam. Er stichelte nicht, er machte keine abfälligen Bemerkungen… und was mich wohl am meisten verblüffte war, dass er wirklich rein gar nichts andeutete, was irgendwie mit mir und Lukas zu tun hatte.
 

Er war einfach nur lieb…
 

„Hast du deinen Schlüssel dabei?“, fragte Chris und schenkte Lukas noch einen Orangensaft ein.
 

„Gut,
 

Lukas nickte nur und sah sehr selten vom Tisch hoch, er wirkte wie ein kleines, hilfloses Lämmchen zwischen zwei Wölfen.
 

„Bist du fertig?“, fragte ich. Denn Lukas hatte nach zwei Brötchen genug.

Schnell nickte er.
 

„Gut, dann ziehen wir wohl langsam los.“

Grade wollte ich anfangen abzuräumen, da schüttelte Chris den Kopf. „Lass nur, Eli kommt auch gleich.“
 

Ich schielte zu der leeren Tüte mit den Brötchen rüber.
 

„Hättest du das nicht eher sagen können? Jetzt sind keine mehr da und…“
 

Chris lachte. „Mein lieber Juan, ich hoffe, dass der arme Lukas an deiner Seite nicht verhungern wird!“
 

Diese Aussage verwirrte mich…
 

„Was soll denn das wieder heißen?!“
 

„Hast du schon einmal etwas von vorausschauendem Denken gehört?“ Ein kleines Nicken Richtung Kaffeemaschine zeigte mir, dass da noch zwei weitere Tüten lagen.

„Gewöhn dir solche Dinge lieber sehr schnell an!“
 

Was für ein Gesicht musste ich gemacht haben, der dumme Kerl verfiel in lautes Gelächter und jagte uns schließlich aus der Wohnung.
 

Der arme war wohl froh, dass er endlich mal wieder alleine Zeit mit seiner Freundin verbringen konnte.
 

„Ich hole meine Sachen später ab!“, rief ich noch, bevor ich die Tür ins Schloss zog.
 

Gemeinsam machten wir uns auf den Weg in die Innenstadt.
 

Der Morgen begann vielleicht nicht ganz so berauschend, dafür verlief der Tag umso angenehmer.
 

Voll war es, keine Frage, doch wir tauchten in diverse Geschäfte ein, ich kaufte mir ein paar Shirts und eine Jeans und obwohl Lukas wild protestierte, kaufte ich ihm ein T-Shirt, das ihm sehr gefallen hatte.
 

Wann ich das letzte Mal so zufrieden und mit einem warmen Gefühl in der Brust einen so angenehmen Tag verbracht hatte, konnte ich nicht genau sagen.
 

Aber es fühlte sich einfach nur toll an.
 

Besonders mit Lukas an meiner Seite, der jetzt wie ausgewechselt war. Er war so süß, so fromm, von seinem bissigen Verhalten, das er ständig an den Tag gelegt hatte war weit und breit nichts mehr zu erkennen.
 

Mit Taschen beladen liefen wir weiter, wir lachten, erzählten einander völlig belangloses Zeug und endeten in einem Coffee Shop.
 

Lukas erzählte mir von der Schule, es lief wohl ganz gut und noch war er ja am Anfang. Eigentlich war ich richtig erleichtert gewesen, dass er sich für einen Weg entschieden hatte und dieser würde ganz gewiss nicht der falsche sein.
 

Was mich aber noch mehr erfreute, war die Tatsache, dass er hier in Köln bleiben wollen würde.
 

„Ich brauche nur noch einen Job.“, meinte er und verzog leicht das Gesicht. „Ich hab aber bisher nur zwischendurch in Buchhandlungen gejobbt, keine Ahnung ob mir etwas anderes Spaß machen würde.“
 

Wir saßen gemütlich in den großen, grünen Sesseln und tranken unseren Milchkaffee. Der Mocha Latte hier war der beste!
 

„Wenn du willst versuche ich es in dem Restaurant, in dem ich arbeite.“ Der Milchschaum löste sich auf eine unglaublich weiche und verführerische Art auf meiner Zunge aus. Es erinnerte mich an die süßen Küsse mit Lukas.
 

„Ich weiß nicht… da würde ich mich unwohl fühlen… das ist doch so ein Laden wo man das Essen häppchenweise bekommt, oder?“, hakte er unsicher nach, ich lachte.
 

„Ja eigentlich schon.“
 

Je länger ich ihn ansah, umso seltsamer begann ich mich zu fühlen. Lukas‘ ganzes Wesen brannte sich in meinen Geist.
 

Sein weiches Haar, die schönen Rehaugen… seine Wangen… der wundervolle Schwung seiner Lippen, seine ganze Gestalt.
 

„Oder vielleicht hier?“, kam mir plötzlich der Gedanke. „Ein paar Freunde von mir arbeiten in solchen Läden. Die Bezahlung ist auch okay…“
 

Der Gedanke schien ihm schon eher zu gefallen, denn er sah sich um, als würde gleich sein zukünftiger Chef aus der Ecke springen und ihn herzlich willkommen heißen.
 

„Keine Ahnung… interessant wäre es wohl schon…“ Er lachte mich so unglaublich süß an. „Du willst ja nur umsonst Kaffee trinken!“, beschwerte er sich und ich grinste breit.
 

„Ach Unsinn! Ich würde dir wohl eher extra Trinkgeld in dein Schürzchen stecken!“
 

Das ließ uns beide auflachen.
 

War es schon immer so schön gewesen, mit ihm rumzusitzen und zu lachen…? Nein.. halt… das hatten wir ja nie so richtig getan…
 

Der Tag verging langsam, bis es schließlich stockdunkel wurde und wir uns auf den Heimweg machen wollten.
 

Als Lukas noch schnell auf die Toilette ging, nutzte ich schnell den Moment und tauchte in einer Bäckerei ein.
 

Natürlich brauchte ich ein Alibi, er sollte ja nicht ahnen, dass ich etwas für uns gekauft hatte. Da erschien mir die Rosinenschnecke am verführerischsten.
 

„Pass besser auf, dass dir deine Zähne nicht abfallen, wenn du weiter so viel Süßkram isst.“ Lukas schritt dicht an meiner Seite hinunter zur U-Bahn.
 

Ich grinste. „Lass ich mir eben neue machen. Heutzutage ist jedes Körperteil so gut wie ersetzbar.“
 

Irgendwie musste ich dem Drang widerstehen die Hand auszustrecken und ihm das Haar aus den Augen zu streichen.
 

„Das wäre schade um dein Romeo Lächeln.“ Lukas grinste, aber er sah leicht verlegen zu Boden. „Deine Zähne würden mich nur noch künstlich anstrahlen…“
 

Sein Anblick erwärmte mir das Herz.
 

Die Gefühle, die Lukas mir gegenüber empfand waren mit einem Schlag sichtbar, ja sogar greifbar geworden… warum hatte ich es nicht viel eher erkannt?
 

„Besser als wenn ich dich zahnlos anlächeln würde, oder?“ Während ich sprach beugte ich mich leicht zu ihm hinunter, unsere Schultern berührten einander.

Auch wenn wir uns nicht trauten unsere Hände zu nehmen… ich wollte ihn berühren, ihm nahe sein.
 

Lukas lachte auf und schnappte kurz nach Luft, ehe er sich die Hand gegen den Mund drückte.
 

Das ließ auch mich mitlachen.
 

„Was ist denn das?“, fragte meine Mutter und sah in die Tasche hinein, die ich auf den Tisch gelegt hatte.
 

„Schnell!“, zischte ich ihr zu. „Pack das aus! Ich bringe die Kerzen!“
 

Lukas war kurz im Wohnzimmer und telefonierte.
 

Meine Mutter musterte mich, als hätte ich den Verstand verloren.
 

Hastig durchwühlte ich die Schubladen und setzte die Kerzen auf den Kuchen, den ich gekauft hatte.
 

„Das sind zu viele Kerzen, der Kuchen ist doch viel zu klein!“ Sie schubste mich leicht zur Seite und wollte sie wieder runter nehmen, der Kuchen quirlte bereits über.
 

„Nein lass doch!“ keifte ich zurück und wir zischten einander leise an. Sie zog die Kerzen raus, ich stopfte sie wieder rein, bis er aussah wie Schweizer Käse.
 

Lukas legte auf und kam in die Küche, schnell hatten wir die Kerzen entzündet, alle achtzehn Stück brannten.
 

Meine Mom grinste, holte Luft und leierte „Happy Birthday“ los, doch sie verstummte, auch ich erstarrte.
 

Lukas war kreidebleich.
 

„Lukas..?“, fragte ich zögerlich und kam langsam auf ihn zu, aber da liefen ihm schon die ersten Tränen über das Gesicht.
 

„Mein… Opa…“, krächzte er heiser.
 

Ich erstarrte, nahm ihn aber sanft an den Schultern.
 

„Was ist mit ihm…?“, fragte ich vorsichtig.
 

Er sah zu mir auf und lächelte ängstlich. Seine Mundwinkel zuckten nervös.

„Er… ist wach… ich muss nachhause…“
 

Lange hatte ich nicht gefackelt, den Kuchen hatten wir meiner Mutter überlassen.

„Du musst das nicht machen…“, sagte Lukas leise, der auf dem Beifahrersitz hockte.
 

„Ich tue es auch nicht, weil ich das Gefühl hab, dass ich es müsste.“, erwiderte ich ruhig und schielte kurz aus den Augenwinkeln zu ihm rüber.

Ein kurzes Lächeln zeigte sich, doch er starrte die ganze Zeit aus dem Fenster und wirkte so unglaublich nervös.
 

Vorsichtig streckte ich meine Hand nach ihm aus, drückte sie fest.
 

Er war überrascht, denn er zuckte leicht zusammen. Doch er erwiderte den Druck und sah langsam zu mir rüber.
 

„Mach dir keine Sorgen, ich bin so lange an deiner Seite, bis du es nicht mehr möchtest.“
 

Lukas nickte und drückte meine Hand noch fester.
 

Egal wie sehr ich versuchte ihn abzulenken, ich scheiterte. Immer wieder drifteten seine Gedanken ab, schließlich ließ ich ihn aber in Ruhe.
 

Wir fuhren die A42 runter Richtung Duisburg. „Wo wohnt ihr eigentlich?“, fragte ich schließlich, denn die Frage hatte ich ihm nie gestellt.
 

Er hatte mir nur erzählt, dass er mal in der Nähe vom Rhein gewohnt hatte.
 

Lukas antwortete nicht sofort. „Rheinhausen…“, erwiderte er nur langsam.
 

War ihm das unangenehm?
 

„Oh, okay…“, murmelte ich und fuhr die nächste Ausfahrt raus.

Lukas sah gar nicht aus wie ein Junge, der in diese Gegenden gehörte… dafür war er viel zu süß, viel zu lieb und viel zu harmlos.
 

Er dirigierte mich zum Krankenhaus. Schließlich parkte ich und stellte den Motor ab. Mein Blick glitt wieder zu ihm rüber.
 

„Ich… rufe dich an… okay?“
 

Ein sanftes Lächeln zeigte sich auf meinen Lippen. „Geh zu deinem Opa, mach dir keine Gedanken um mich.

Wenn du mich brauchst, bin ich hier, okay?“
 

Lukas wollte nicken aber er schaffte es nicht. Seine Hände zitterten immer stärker.
 

Da es auf dem Parkplatz dunkel war und wir abseits vom Schein der Laterne lagen, zog ich ihn vorsichtig zu mir rüber und legte meine Hand in seinen Nacken.
 

„Es wird alles gut, okay? Mach dir keine Sorgen, ich bin hier. Ich warte auf dich.“ Sanft legte ich meine Lippen auf seine und raubte ihm einen langen, süßen Kuss.
 

Noch während des Kusses bemerkte ich deutlich wie seine angespannten Schultern leicht hinunter sackten. Erleichtert atmete er aus, holte noch einmal tief Luft und schenkte mir ein mutiges kleines Lächeln.
 

„Wehe du haust ab…“, flüsterte er und streichelte mir über die Wange, ehe er verschwand.
 

Ich beugte mich über das Lenkrad, verschränkte die Arme darauf gähnte herzhaft.
 

Natürlich hoffte ich, dass sein Großvater schnell genesen würde… aber würde das dann nicht bedeuten, dass Lukas zurück hierher kommen müsste…?
 

Müde rieb ich mir das Gesicht. Natürlich missfiel mir dieser Gedanke sehr und das war noch milde ausgedrückt… aber ich durfte nicht egoistisch werden…
 

Je länger ich hier alleine war, umso mehr begann ich nachzudenken. Was würde jetzt geschehen? Ich hatte mich der Illusion hingegeben, dass Lukas bei uns in Köln bleiben würde, immerhin hatte man die Chancen seines Opas so schlecht eingeschätzt, dass man ihn fast schon aufgegeben hatte…
 

Es war halb zwei in der Nacht, als Lukas zurück kam. Er war knapp zwei Stunden fort gewesen.
 

Ohne ein Wort zu sagen setzte er sich.
 

„Fahren wir… zu mir?“, fragte er schließlich.
 

Er wirkte so unglaublich erschöpft, doch ich fragte erst einmal nicht nach. Vielleicht brauchte er einen Moment um sich zu sammeln…?
 

Wir fuhren an den schäbigsten Gebäuden und Straßen vorbei und zuerst hatte ich erwartet, dass auch Lukas hier wohnen würde… weil er doch nur zögerlich erzählt hatte, wo er wohnte.
 

Zugegeben wirklich toll wirkte es nicht, als wir in die Seitenstraße einfuhren, doch es lag etwas Abseits und war von Bäumen und ein wenig Grünfläche umgeben.
 

Die helle, braune Fassade des Mehrfamilienhauses wirkte in der Dunkelheit nicht besonders einladend, es brannte kein einziges Licht.

Schweigend gingen wir nach oben, in die dritte Etage.
 

Lukas schloss auf.
 

Es roch muffig, kein Wunder… es war auch schon lange niemand zuhause gewesen… niemand hatte lüften können.
 

„Lass deine Schuhe ruhig an, wenn du möchtest… hier… ist es nicht besonders sauber…“, bemerkte er und ich wusste, seit seiner Flucht, bei der sein Ex ihn abgefangen hatte, war er nicht mehr hier gewesen.
 

Also trat ich mit meinen Schuhen ein und half ihm ein paar Fenster zu öffnen.
 

Lukas schwieg noch immer.
 

Sollte ich ihn mal ansprechen…?
 

„Ich… kann dir leider nichts anbieten…“ Seine Stimme begann zu zittern. Und spätestens jetzt wusste ich, warum er nicht sprach. Er hielt sich zurück, denn er wollte nicht weinen.
 

Langsam folgte ich ihm ins Wohnzimmer, er sammelte ein paar leere Flaschen auf und fing an zu schniefen.
 

„Tut mir leid… dass es hier… so aussieht…“
 

Er hatte gestern zugegeben, dass er Angst davor hatte alleine zu sein… wie musste er sich also die ganze Zeit gefühlt haben, als er alleine hier gewesen war? Und dieser Bastard, ich hatte seinen Namen schon wieder vergessen, obwohl er ihn mir gestern noch gesagt hatte, hatte ihn terrorisiert… kein Wunder, dass er sich fürchtete.
 

„Lukas…“, begann ich, denn sein Zustand gefiel mir gar nicht.
 

Schnell riss er seinen Arm zurück, als ich ihn berühren wollte und kniff die Augen noch fester zusammen.
 

„Ich… ich will… nicht…“, keuchte er und die Tränen begannen ihm über die Wangen zu laufen. Allerdings ließ ich nicht locker, sondern streckte die Hand wieder aus und zog ihn dicht an mich.
 

Die Plastikflaschen fielen polternd zu Boden, seine Hände krallten sich an mir fest.
 

Er weinte wieder so herzzerreißend.
 

„Ich… ich will nicht… ich will… nicht mehr hierher… zurück…“, schluchzte er laut auf. „Bring… mich hier… weg…!“, flehte er und brach fast zusammen.
 

Das war alles so unerwartet und traf mich richtig hart.

Kapitel 10

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 10 (zensiert)

Mehr, als ihn erst einmal nur festzuhalten, konnte ich nicht… er musste sich beruhigen…
 

Also setzte ich mich auf die Couch, zog ihn auf meinen Schoß und drückte ihn fest an mich.
 

„Beruhige dich…“, wisperte ich und streichelte ihm über den Rücken, wieder und wieder.
 

Mir wurde klar, dass ich nicht die geringste Ahnung hatte was er hier durchgemacht haben musste… aber was es auch war, es hatte ihn stärker mitgenommen als ich erwartet hatte.
 

Der Kleine war mit den Nerven völlig am Boden und brauchte sehr lange bis er wieder einigermaßen vernünftig atmen und reden konnte.
 

„Alles okay…?“, fragte ich schließlich vorsichtig. Sein Atem blies warm in meine Halsbeuge.
 

Lukas schniefte noch immer leise.
 

„Wie geht es deinem Opa?“
 

Lukas wischte sich mit beiden Händen grob über die Augen.
 

„Er kann kaum reden… und ich weiß nicht ob er mich erkannt hat… er hat… einfach da gelegen und die Decke angestarrt…“
 

Wieder füllten sich seine Augen mit Tränen.
 

„Er hat erst nur nach meiner Oma gefragt… dann wollte er meine Mutter sehen… er dachte sie würde noch leben und hat geglaubt sie wäre noch zehn…“ Jetzt weinte er wieder los und mir war auch allmählich danach. „Die Ärzte sagen, dass das kein anhaltender Zustand sein muss… aber… das… war so schrecklich… ihn so zu sehen…“
 

Lieber Gott im Himmel, ich fühlte mich so hilflos… was konnte ich nur tun…?
 

Mein Blick fiel dabei auf den alten, riesigen Wohnzimmerschrank. Die Bilderrahmen lenkten meine Aufmerksamkeit kurz auf sich.
 

Auf fast jedem Foto war Lukas zu sehen… als Baby, als Kleinkind, bei der Einschulung. Bei diversen Theaterstücken und beim Schlittschuhlaufen war er auch zu sehen.
 

Richtig süß fand ich seine Pausbäckchen und seine schönen, lachenden Augen.
 

Auf einem Bild hielt er den Schwanz einer riesigen Schlange umklammert, grinste dabei richtig spitzbübisch und zeigte dabei stolz die durchlöcherten Reihen seiner Milchzähne.
 

Fast überall waren seine Großeltern dabei, als Kind war er kaum allein.
 

Obwohl er keine Eltern hatte, hatten seine Großeltern alles für ihn getan, um ihm eine schöne Kindheit zu bescheren, in der es ihm an nichts fehlte.
 

Sein ganzes achtzehnjähriges Leben war in diesem Raum gefangen.
 

An den Wänden hing der Großteil seines Teenager Daseins, hier wurden die Bilder mit seinen Großeltern schon etwas weniger, doch sie waren trotzdem auf jedem zweiten Bild zu sehen.
 

Irgendwie wirkte es hier so trostlos und leer, trotz all der Bilder.
 

Der alten Lampe in der Ecke des Sofas war sogar der Schirm fast hinunter gefallen, er hing verdächtig schief.
 

Aber alles in allem war die Einrichtung sehr schlicht und erinnerte mich an meine eigene Oma, väterlicherseits.
 

Leider weilte auch sie schon sehr lange nicht mehr unter uns doch ich konnte mich gut daran erinnern, dass sie kleine Deckchen aus Spitze auf ihrem Sofa gehabt hatte oder den kleinen Figürchen von Hunden und Katzen, die am Fenster den Pflanzen Gesellschaft leisteten.
 

„Geh… ruhig…“, kam es aus heiterem Himmel von ihm.
 

„Was?“ Ich dachte ich hörte nicht recht.
 

„Ich… weiß nicht, wie lange ich bleibe… also… geh ruhig…“
 

„Spinn doch nicht rum, als ob ich dich jetzt einfach hier zurück lasse!“, knurrte ich und zog leicht an seinem Ohr.
 

Lukas lachte ein wenig, schmiegte sich dann aber noch enger an mich.
 

Sanft begann ich seine Wangen mit kleinen Küssen zu bedecken. Fast sofort wandte er das Gesicht, kam mir entgegen und küsste mich auf die Lippen.
 

Zärtlich streichelte ich ihm dabei weiter über den Rücken. Unsere Blicke begegneten sich, die schönen braunen Augen wurden so unglaublich weich.
 

Der süße kleine Kuss gewann immer mehr an Leidenschaft, bis er fast atemlos wurde.
 

Es überraschte mich schon ein wenig, denn Lukas wurde mutig. Seine Hände schoben sich unter mein Shirt und berührten mich fordernd.
 

Diesmal war ich es, der nach Luft schnappen musste, der Kleine wurde ja richtig wild.
 

Seine Zunge drang ebenso frech in meinen Mund ein, forderte mich zu einem heißen, feuchten Duell auf, bis er mich ansteckte.
 

Ich packte ihn und drückte ihn auf das Sofa hinunter. Sofort zog er mich hinterher und presste sich mir entgegen.
 

Meine Hände begannen ihn ebenso hastig auszuziehen, wie er es bei mir tat.
 

Seine süße kleine Zunge löste sich von meinen Lippen und saugte sich gierig an meinem Hals fest, seine kleinen Bisse ließen mich völlig die Fassung verlieren.
 

Der Großteil meines Blutes begann sich rauschend zwischen meine Beine zu schießen. Langsam aber sicher wurde mir richtig heiß.
 

„Juan…“, keuchte er schwer, meine Hand griff ihm zwischen die Beine. Er war schon richtig erregt.
 

„Wir… haben nichts da…“, stöhnte er.
 

Aber ich grinste nur und leckte ihm mit der Zungenspitze über die Ohrmuschel, ehe ich an seinem Ohrläppchen knabberte.
 

„Keine Sorge…“, hauchte ich.
 

So nahm ich also seine Hand und schob sie in meine eigene Jeans.
 

Seine vor Lust getrübten Augen sahen mich verwundert an, aber ich grinste nur breit.
 

„Was ist?“, hauchte ich verführerisch und leckte ihm mit der Zungenspitze über die Lippen. „Du weißt ja wohl wie das geht, oder?“, knurrte ich und verwickelte ihn erneut in einen gierigen Kuss.
 

Lukas‘ Wangen pulsierten, er war knallrot geworden, doch er dachte nicht im Traum daran einen Rückzieher zu machen, das sah ich in seinen Augen.
 

Mehr, als ihm diesen kleinen Dienst zu erweisen konnte ich wohl nicht, denn wir waren mit Sicherheit noch nicht so weit, dass wir es ohne Creme tun würden ohne Kondom wollte ich auch nicht.
 

Um ganz ehrlich zu sein, tat ich es auf diese Weise zum ersten Mal. Noch nie hatte ich es meinem Partner mit der Hand gemacht.
 

Aber das hier war natürlich etwas völlig anderes, immerhin war das Lukas, der hier unter mir lag.
 

Immer wieder verwickelte ich ihn in einen neuen heißen Kuss, die er leidenschaftlich und fordernd erwiderte.
 

Ich liebte es, wenn Lukas aber den Kopf in den Nacken legte, dabei kniff er die Augen zu und gab so süße Geräusche von sich, die mich nur noch mehr erregten.
 

Seine Stimme war berauschend, eine einzige Droge.
 

Meine Lippen saugten sich an seinem Hals fest, am liebsten hätte ich ihm die Klamotten vom Leib gerissen, doch ich musste mich zurück halten…
 

Lukas' Körper presste sich gegen meinen, seine Seufzer wurden immer tiefer, immer lauter.
 

Mit einer Hand nahm ich seinen Arm, drückte ihn über seinem Kopf in die Polster. Auch ich drückte mich gegen ihn, forderte ihn auf schneller zu werden.
 

Meine Zähne verbissen sich zärtlich in die süße Haut seines Halses, weiter über seine Schulter.
 

Auch Lukas atmete immer schwerer und schwerer, sein Körper erzitterte.
 

„Juan…“, wimmerte er und wollte mir seinen Arm entziehen, doch ich ließ es nicht zu.
 

Lukas brauchte wirklich nicht lange, aufgeregt war er, keine Frage. Mir ging es nicht besser, denn immerhin war alles neu und ich wollte seinen Körper ganz genau erkunden, während ich ihn für mich beanspruchte.
 

Ich nahm mit Genuss wahr, wie er sich unter mir aufbäumte.
 

Seine Hüften pressten sich hart und fest gegen meine Hand, einen Augenblick später kam auch ich mit einem unterdrückten Stöhnen.
 

Lukas‘ Stimme hatte mir dabei eine Gänsehaut über den Rücken gejagt. Wie heiß und verführerisch er sich anhörte… würde ich mich jemals an diese sexy Stimme gewöhnen?
 

Zärtlich küsste ich seine Stirn und lächelte sanft, denn er versteckte das Gesicht an meinem Hals. So wie es aussah, hatte Lukas das auch noch nicht so oft gemacht…
 

„Vielleicht räumen wir hier erst einmal ein bisschen auf, bevor wir mit den Sauereien weitermachen.“, hauchte ich verspielt.
 

Lukas lachte… Gott sei Dank. Denn sein Anblick vorhin war schon schlimm genug gewesen…
 

Zwei Tage blieb ich mit ihm in Rheinhausen, am Dienstag allerdings musste ich nachhause, denn für Donnerstag war eine wichtige Prüfung angesagt und ich hatte noch ein wenig zu lernen.
 

„Ruf mich sofort an wenn sich etwas ergibt!“, mahnte ich ihn noch.
 

Lukas nickte eifrig, aber er wirkte betrübt. „Keine Sorge, ich schaffe das schon!“, sagte er mutig und lächelte mich süß an.
 

Ich konnte nicht widerstehen, wir standen auf der Straße, aber ich musste ihn umarmen, ihn fest an mich drücken.
 

„Wenn du Angst hast ruf mich an… ich werde die ganze Nacht das Telefon anlassen und wenn du schlecht träumst, dann ruf meinen Namen und ich werde wach, okay?“
 

Das rührte den Kleinen so sehr, dass er fast in Tränen ausbrach.
 

„Okay…“, wisperte seine zitternde Stimme, auch er drückte mich fest an sich, atmete meinen Duft tief ein. Ich spürte es.
 

„Sobald ich meine Prüfung hinter mir habe, komme ich sofort zurück. Versprochen…“
 

Lukas wischte sich mit einem Arm über die Augen und schob mich auch schon zum Wagen und öffnete die Tür.
 

„Verschwinde… bevor ich dich nicht mehr loslassen kann…“, flüsterte er mit zitternder Stimme.
 

Zärtlich streichelte ich seine Wange, ich wollte ihn küssen verdammt! Aber ich durfte nicht… So ließ ich mich schieben und kurbelte das Fenster runter.
 

„Ich warne dich! Ruf mich ja an!“, knurrte ich.
 

Lukas lächelte schwach, nickte jetzt aber etwas mutiger. „Versprochen!“, sagte er und in meinem Rückspiegel sah ich ihn noch winken.
 

Warum musste ich die Menschen, die ich liebte, immer alleine zurück lassen? Warum fuhr ich fort und sah sie hinter mir immer kleiner werden…?
 

Lieben… ja.
 

Ich liebte Lukas, das wusste ich jetzt. Unglaublich, aber wahr… denn niemals hätte ich mir auch nur ansatzweise vorstellen können nachts wach zu liegen und mir Gedanken über einen einzigen Menschen zu machen. Einen Menschen, bei dem allein sein Name eine wohlige Wärme in meinem Bauch ausbreitete und ein angenehmes Kribbeln verursachte.
 

Ein Mensch, den ich auf ekstatische Weise begehren würde.
 

Lukas hatte sich seit dem ersten Tag unserer Begegnung tief in meine Seele gebrannt und mit jeder Minute und mit jeder Stunde, in der wir zusammen waren brannte er sich tiefer in mich hinein. Lösen konnte ich mich längst nicht mehr von ihm.
 

Und das wollte ich auch gar nicht.
 

Wenn ich an Lukas dachte, musste ich automatisch Lächeln. Es ging gar nicht anders… und ich war froh, dass ich mit ihm hergekommen war.
 

Die verdammte Prüfung hatte ich verschieben wollen doch ich hätte sie erst in einem halben Jahr wiederholen können. Und Lukas wollte nicht, dass er der Grund dafür war, dass ich die Uni vernachlässigte.
 

Eigentlich war er mir viel wichtiger denn immerhin war das eine schwere Zeit für ihn aber vielleicht brauchte er auch ein wenig Zeit für sich…
 

Allerdings fühlte ich mich schon unwohl ihn dort einfach so alleine zu lassen und meine innere Unruhe wurde größer und größer.
 

Was wenn dieser Bastard Jan dort auftauchen würde? Nein, sicher nicht… Immerhin war er doch Schuld daran gewesen, dass Lukas fast von einem Zug überrollt worden war. Aus Angst vor einer Anzeige versteckte der sich sicher…
 

Zumindest hoffte ich das.
 

Kaum war ich zuhause rief ich sofort Lukas an, noch während ich die Treppen nach oben lief. Meine Mutter öffnete mir mit einem besorgten Lächeln die Tür das schon fast entrüstet wurde als sie sah wie das Handy an meinem Ohr klebte.
 

Ihre Arme, die sie mir geöffnet hatte, blieben in der Luft hängen.
 

„Ja ich bin gerade angekommen…“, antwortete ich ihm und grinste meine Mutter an, zog sie in meine Arme und drückte sie fest an mich.
 

Sie erwiderte den Druck nur und sah mich überrascht an, als ich aber noch breiter grinste, grinste sie mit.
 

„Ja ich werde es ihr sagen. Nein, mach dir keine Sorgen. Nein sie wird mich schon nicht verprügeln!“
 

„Ist das Lukas?“ Sie riss mir das Telefon aus der Hand und lief damit sofort in Richtung Küche. Ich hörte noch wie sie Lukas beschwor ja vernünftig zu essen und auf sich acht zu geben, sie erkundete sich nach seinem Großvater und plapperte noch lange weiter.
 

Ich sah ihr mit gehobener Augenbraue nach doch das gab mir Zeit mich schnell umzuziehen.
 

Es war seltsam hier zuhause zu stehen, die Räume schienen noch erfüllt zu sein von Lukas‘ Anwesenheit, so als würde er gleich jede Sekunde aus einem der Zimmer kommen und mich so süß anlächeln.
 

Also war es geschehen, ich war unter der Haube…
 

Der Gedanke ließ mich amüsiert auflachen und verursachte erneut ein warmes Gefühl in meinem Bauch.
 

Den ganzen Tag über lernte ich, am Abend rief ich dann Lukas an.
 

Wir redeten über völlig belangloses Zeug bis ich hörte, dass er am Telefon eingeschlafen war.
 

Einmal wachte er in der Nacht auf.
 

„Juan…?“, flüsterte seine Stimme zögerlich.
 

Ich war natürlich sofort wach. „Ich bin hier, schlaf weiter.“, flüsterte ich zurück.
 

Ein kleines Seufzen ertönte, die Decke raschelte und er schlief wieder ein.
 

Der Mittwoch verging so langsam, ich hatte meine Gedanken abgestellt und pumpte sie noch schnell mit dem Stoff voll der noch reinpasste.
 

Zwischendurch bekam ich eine SMS von Lukas, die ich kaum entziffern konnte, denn sie quirlten über vor irgendwelchen Smileys die ich nicht kannte. Aber es war ebenso ein schönes erstes Mal für mich.
 

Manchmal lachte ich auf, wenn er mir etwas Abfälliges über die Schwestern im Krankenhaus schrieb. Genauso herzerwärmend war das Bewusstsein, dass ich Lukas mehr und mehr kennen lernte. Einen ganz anderen Lukas, den ich zu kennen geglaubt hatte.
 

Er machte immerzu kleine Scherze, hatte eine große Klappe für so ein mickriges Bürschlein und man konnte gar nicht anders als ihn knuddeln und drücken zu wollen.
 

Fand ich zumindest.
 

Dann kam der Tag für meine Prüfung und ich war erleichtert als ich endlich aus der Uni hinaus trat, an die frische Luft.
 

Sofort wählte ich Lukas‘ Handynummer.
 

Eine ganze Weile hörte ich nichts.. dann sprang die Mailbox an.
 

Was war denn das? Wieso hatte er sein Handy aus?
 

Ich wollte mir nicht so große Gedanken darüber machen, bestimmt hatte er einfach nur vergessen es aufzuladen oder er war im Krankenhaus erwischt worden und hatte es jetzt ausgeschaltet… vielleicht hatte er auch nur keinen Empfang…?
 

Wieder rief ich an… wieder die Mailbox.
 

Diese innere Unruhe, die sich langsam durch meine Venen gefressen hatte als ich Lukas auf dem Weg von Rheinhausen zurück gelassen hatte, war wieder da.
 

Und ohne großartig nachzudenken fuhr ich schnell nachhause, warf mich ohne ein Wort in den Wagen und fuhr los.
 

Erst schlug mein Herz kräftig gegen meine Brust, dann wurde es schneller, wilder und schließlich fast schon schmerzhaft.
 

Diese Ungewissheit brachte mich um den Verstand! Bis ich in Rheinhausen war rief ich ihn bestimmt hundert Mal an…
 

Wenn sein Akku wirklich nur leer war würde ich ihm so kräftig in den Arsch treten, dass ihm hören und sehen verging!
 

Zuerst machte ich mich auf den Weg ins Krankenhaus.
 

„Ich suche Herrn Breitenbach! Er ist vor ein paar Tagen aus dem Koma erwacht, können Sie mir sagen auf welcher Station er liegt?“, fragte ich an der Information.
 

Die Frau nickte nur und tippte in ihren Computer. Ihre Finger flogen nur so über die Tasten hinweg.
 

„Sind Sie ein Familienangehöriger…?“, fragte die Frau plötzlich und runzelte die Stirn während sie auf den Bildschirm starrte.
 

„Ich bin sein Enkel!“, log ich.
 

„Es tut mir sehr leid… wir haben niemanden aus Ihrer Familie erreichen können… Herr Breitenbach ist gestern Abend verstorben.“
 

Unter meinem Boden tat sich ein riesiges schwarzes Loch auf das mich mit in den Abgrund riss.
 

Gestern Abend?? Warum hatte Lukas mir nichts gesagt…??
 

Halt… gestern Abend, hatten wir da geredet…? Schnell spulte ich den Film zurück und erinnerte mich nur vage an unser Gespräch.
 

>„Wie geht es deinem Opa? Ist eine Besserung in Sicht?“, fragte ich.
 

Lukas schwieg einen Moment lang. „Die Ärzte sagen, dass sich da zu neunzig Prozent nichts mehr tun wird…“, flüsterte Lukas deprimiert. „Er ist… Demenz…“
 

Ich hatte versucht ihn zu trösten, aber er schniefte nur. „Naja er käme dann in ein Altenheim… ich könnte ihn jederzeit besuchen…Hauptsache ist doch, dass er noch lebt…“
 

Ich seufzte. „Ja, natürlich… mach dir bitte keinen Kopf, wichtig ist doch, dass er körperlich wieder auf die Beine kommt. Wann warst du bei ihm?“
 

Lukas schwieg wieder einen Augenblick.
 

„Heute Nachmittag…“<
 

Hatte er mich belogen? Lukas blieb doch sonst immer von Mittag bis zum späten Abend an der Seite seines Großvaters!
 

„Und mein Cousin?? Lukas?? War der nicht hier?!“, blaffte ich sie an, mein Herz raste, ich konnte jetzt keine Rücksicht auf andere nehmen.
 

„Nein… nein… niemand war hier.
 

Hören Sie, das ist überaus unangenehm und ich weiß…“
 

Aber ich hörte sie nicht mehr sondern rannte einfach los. Ich rannte aus dem Krankenhaus und stürmte zu meinem Wagen.
 

Ich parkte scharf in der Straße, in der Lukas wohnte und klingelte.
 

Niemand öffnete mir die Tür…
 

Ich klingelte im Sturm, doch es tat sich nichts…
 

Immer aufgeregter rannte ich um den Block herum. Die Fenster vom Wohnzimmer auf der Rückseite waren geöffnet.
 

Tief holte ich Luft.
 

„Lukas!!“, brüllte ich aus vollem Halse, meine Hände zitterten stark. „Lukas!!“, schrie ich wieder, doch es kam keine Antwort.
 

Der Kopf einer älteren Frau streckte sich heraus.
 

„Junge, was schreist du hier so herum?!“, fuhr sie mich an.
 

„Breitenbach! Lukas Breitenbach! Wissen Sie wo er ist??“
 

Dass ich völlig aufgelöst sein musste, sah ich an dem mitleidigen Blicken der Frau.
 

„Lukas? Der hatte gestern Abend noch Besuch… mit dem ist er glaub ich fort gegangen.“
 

In meinem Schädel rotierte es wild. „Wissen Sie wer es war…??“
 

Sie nickte und rückte ihre Brille zurecht, sah kurz hoch zum Himmel und dachte nach.
 

„Ja, natürlich… das war dieser nette junge Mann, wie hieß der noch? Ingrid!“, rief sie in die Wohnung hinein. „Wie hieß nochmal dieser Freund vom Lukas? Ja, der dicke, der früher jeden Tag hier war… Wie?...“
 

Mir wurde richtig schwindelig, eine Ohnmacht überkam mich.
 

„Ach ja, richtig!“ Die alte Frau lächelte mich an. „Jan hieß der.“
 

Mit Lukas würde ich definitiv nicht alt werden, denn in meiner Brust zog sich alles zusammen, in meinen Ohren begann es heftig zu dröhnen.
 

Wieso zum Teufel war Lukas mit seinem Ex weg gegangen?! Und wieso war der Typ überhaupt hier gewesen?!
 

Wieder rief ich Lukas an.
 

Mailbox.
 

Dann sah ich nur noch eine einzige Möglichkeit! Die Polizei!
 

Gerade wählte ich die dreistellige Nummer, da ertönte eine Stimme hinter mir, die mich hart zusammenzucken ließ.
 

„Juan!“, rief Lukas und sprang mich von hinten an. „Du bist wieder da!“
 

Die alte Frau am Fenster lachte, aber in meinen Ohren klang es wie das Schrillen einer Sirene.
 

Das gab’s doch nicht.
 

„DU!!“, blaffte ich ihn an und packte ihn an den Armen, rüttelte ihn wie verrückt durch. „Wo bist du gewesen?! Warum ist dein Handy aus?!“
 

Irritiert sah Lukas mich an, er trug eine Tragetasche vom Supermarkt in der Hand.
 

Seine Augen waren ganz rot, mit dunklen Rändern.
 

Sofort betatschte ich ihn, ich musste ihn abtasten! Er lachte und wand sich, aber ich musste sichergehen, dass er keine Verletzungen hatte.
 

„Deine Nachbarin hat gesagt, dass du mit diesem Jan weg gegangen wärst!“ Dabei zeigte ich vorwurfsvoll auf die alte Frau.
 

„Hieß der nicht so?“, fragte sie verwirrt.
 

Lukas‘ Augen wurden groß. „Frau Tillmann, ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nur kurz einkaufen gegangen bin und falls Besuch für mich käme, sollten Sie ihm das doch mitteilen!“
 

Die Frau lachte verlegen. „Ach Junge, du weißt doch, ich und mein Erinnerungsvermögen!“ Sie winkte ab und verschwand mit dem Kopf kurz im Fenster. „Wenn ihr mögt, könnt ihr gerne zum Kaffee herein kommen!“, bot sie den beiden jungen Männern an, aber Lukas bedankte sich nur und schliff Juan mit sich.
 

In der Wohnung ließ er die Tüte zu Boden sinken und wandte sich langsam zu mir herum.
 

„Sie ist ein bisschen senil, weißt du?“ Er lachte, aber es wirkte unsagbar gequält.
 

Fast sofort schloss ich meine Arme um seinen Körper und drückte ihn fest an mich.
 

„Es… tut mir so leid…“, flüsterte ich.
 

Lukas aber schwieg nur. Er hielt sich an mir fest und schloss die Augen.
 

„Lass uns ein paar Sachen packen… und dann bald von hier verschwinden… die Wohnung hab ich schon gekündigt… was ich behalten will nehme ich mit… alles andere wird leer geräumt..“
 

Seine Stimme ertönte als käme sie aus einer sehr weiten Entfernung.
 

„Auch… wenn es grausam… klingt… vielleicht ist es besser so… ich weiß nicht… ob ich es ertragen hätte ihn zu besuchen… und dann so zu sehen…“ Er kuschelte sich fest an mich und ich drückte ihn so fest wie ich nur konnte.
 

Was sagte man in einem solchen Augenblick…? Ich wusste es auch nicht.
 

Aber eigentlich konnte ich auch an nichts anderes als an Lukas denken… meine Angst war groß gewesen, verdammt groß…
 

„Es ist kaputt…“, hörte ich ihn sehr leise gegen meine Brust flüstern.
 

Seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
 

„Was…?“, fragte ich irritiert.
 

„Das Handy…“, antwortete er. „…Jan war wirklich hier… er hat mich gestern Abend vor der Tür abgefangen… wollte sich entschuldigen.“, nuschelte er.
 

Sofort verkrampfte ich mich und Lukas spürte es. „Ich hab herum gebrüllt wie ein Irrer, ihm gesagt, dass ich die Polizei rufe wenn er nicht verschwindet… und als der weiter geredet hat hab ich ihm das Handy an den Kopf geschleudert.“
 

Sachte drückte ich ihn von mir und starrte ihn fassungslos an.
 

„Wieso hast du mir nichts davon gesagt?!“
 

Lukas lächelte verschmitzt. „Weil ich gedacht habe, dass du sonst verrückt wirst und sofort herkommst… gestern Abend habe ich dich auch vom Festnetz aus angerufen, hast du das nicht bemerkt?“
 

Nein…nein, das hatte ich nicht bemerkt… ich hatte den Kopf voll mit Lukas und der Prüfung, da war mir das nicht aufgefallen.
 

„Es ist nichts passiert… er ist wieder abgehauen… aber lass uns nicht mehr davon reden, okay? Hast du was gegessen?“
 

Ich schüttelte den Kopf.
 

Lukas hob die Tüte hoch und drückte sie mir in die Hand. „Dann lass uns erst einmal etwas kochen… und morgen früh muss ich nochmal ins Krankenhaus…“ Er wischte sich über die Augen und lächelte schwach.
 

Lukas wirkte in diesem Moment so erschreckend gebrechlich, wie die alte senile Nachbarin.

Kapitel 11

Ihr Lieben, hier bekommt ihr ein kleines Weihnachtsgeschenk von mir ;)

Dienstag gibts dann das letzte Kapitel.
 

Ich wünsche euch allen ein besinnliches Fest und eine wundervolle Zeit mit euren Liebsten.
 

Schnuppert doch mal in meine neue Geschichte rein ;)

http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/89076/282095/
 


 

In der Nacht lag ich dicht an seiner Seite, ich hielt ihn fest im Arm und hatte die Nase in seinem dichten Haar vergraben.
 

Sein nackter Körper schmiegte sich warm an meinen und genoss es behütet zu werden.

Lukas war in einer sehr schwierigen Situation und ich konnte ihm kaum helfen.
 

Hey, ich war kein Narr. Auch wenn ich ihm zeigte, dass ich da war, dass ich ihn festhalten würde, immerhin ging es hier um seine Familie.
 

Die einzigen Menschen die er auf dieser Welt wohl noch hatte. Menschen bei denen er aufgewachsen war und die ihn wie seine leiblichen Eltern großgezogen hatten.

Jetzt waren sie beide fort, doch ich konnte keinen von ihnen ersetzen.
 

Obwohl ich so müde war konnte ich einfach nicht einschlafen.
 

Lukas‘ Brustkorb hob und senkte sich schwer, gelegentlich zuckten seine Glieder. Er schlief sehr unruhig.

Und jedes Mal wenn ich es mitbekam, drückte ich ihn noch etwas fester an mich.
 

Gequält schloss ich jedes Mal die Augen aber ich fand einfach keinen Schlaf.
 

Was konnte ich nur tun?
 

Ein kleines Geräusch riss mich aus meinen Gedanken.
 

Was war das? Ein seltsames Klicken…

Zuerst glaubte ich es mir eingebildet zu haben und entspannte mich wieder.

Da ertönte es nochmal.
 

Und nochmal.
 

Lukas zuckte in meinen Armen zusammen, es raschelte und sein Kopf fuhr hoch.

Erst wollte ich etwas sagen, aber meine Intuition verriet mir, dass ich lieber so tat, als würde ich schlafen.
 

Einen Moment wartete Lukas, ob ich mich regen würde.
 

Ich tat es nicht.
 

Und es klickte noch einmal.

Er zitterte, das spürte ich sehr deutlich. Doch er schwang die Beine aus dem Bett und erhob sich. Seine Schritte trugen ihn zum Fenster.
 

Wieder klickte es.
 

Deutlich sah ich seine Umrisse, als er dort die Gardinen ein wenig beiseiteschob.

Das fahle Licht der Straßenlaterne fiel ins Zimmer und erhellte seine Konturen. Jetzt konnte ich noch deutlicher erkennen, dass er zitterte.
 

Seine Finger krallten sich in die Gardine, während er hinaus sah.

Meine Instinkte hatten mich selten fehl geleitet… und auch diesmal nicht.
 

Leise erhob auch ich mich aus dem Bett, Lukas zog gerade die Gardine schnell zu, doch ich stand

wohl so plötzlich dicht hinter ihm, dass er hart zusammenfuhr.
 

Ich packte die Gardine und riss sie wieder auf.
 

Auch wenn es dunkel war und das Gesicht der Person da draußen im Schatten lag sah ich, dass es auf dieses Fenster gerichtet war.

Sein Körper hatte einen ziemlich üppigen Umfang.
 

„Juan…!! Ich…!!“

Aber weiter kam Lukas nicht.
 

Ich wirbelte herum und stürmte aus dem Zimmer.
 

Ohne richtig nachzudenken, wieder einmal, rannte ich in den Flur. Die Tür flog mir nur so entgegen und hinter mir schrie Lukas erschrocken, ich solle zurück kommen.
 

Doch die Wut und der Hass explodierten tief in meinem Herzen.
 

Mit nackten Füßen stürmte ich die Treppen runter, riss die Haustür auf und rannte auf die Rückseite des Hauses wo der Bastard gestanden hatte.

Keuchend stand ich unter der Laterne. Auch er hatte eben hier gestanden.
 

Doch er war fort.
 

Die Straße war völlig leer.
 

Wutentbrannt fuhr mein Kopf zurück.
 

Lukas stand dort am Fenster, hatte sich die Hand auf den Mund gepresst. Und auch wenn ich es von hier aus nicht sah wusste ich, dass er weinte.
 

Meine Hände ballten sich zu Fäusten, ich lief noch ein paar Schritte. Allerdings war von dem fetten Arschloch nichts zu sehen.
 

Wenn er hier gewesen wäre hätte ich ihm ohne zu zögern einfach nur noch die Fresse poliert, bis er blutend unter mir gelegen hätte.
 

Oben schlug ich die Tür zu und ging in Lukas‘ Zimmer.

Er saß dort auf dem Bett, hatte die Hände gegen seine Augen gepresst und weinte lautlos.
 

Der Anblick ließ mein Herz ein wenig erweichen, doch ich war viel zu geladen.
 

Also ließ ich mich vor ihm auf die Knie nieder und sah ihn lange an ehe ich seine Hände nahm und sie langsam von seinen Augen weg zog.

„War er hier, als ich weg war?“, fragte ich frei heraus. „Hast du ihn rein gelassen?“
 

Lukas‘ Gesichtszüge entgleisten völlig.

„Nein!!“, schrie er mich entgeistert an.
 

„Empfindest du noch irgendwas für ihn? Wenn ja, dann sag es mir jetzt!“ Meine Stimme war hart, auch wenn ich es nicht wollte.
 

„Nein!! Nein, das musst du mir glauben!“ entfuhr es ihm laut.
 

Aber etwas in mir war zerrüttet.

„Warum kommt er her? Warum steht er vor deinem Fenster und schmeißt mit Steinen dagegen? Wollte

er, dass du runter gehst? Warst du bei ihm, als ich weg war?“
 

Lukas‘ Entsetzen wurde immer größer.

„Oh Gott, Juan!“, fuhr er mich laut an. „Natürlich nicht! Ich habe dir doch gesagt, dass er nur einmal da war und ich habe ihm mein Handy ins Gesicht geworfen! Danach bin ich rein gerannt! Was willst du denn von mir hören?!“
 

Jetzt war es an mir lauter zu werden. „Was dieser Bastard hier zu suchen hat!“, brüllte ich lauter als beabsichtigt.
 

Lukas zuckte zurück und es tat mir leid, wirklich.

Doch meine Eifersucht war gerade mindestens so groß wie meine Wut.
 

„Er hat gesagt, dass er mich zurück haben will!“, brüllte Lukas genauso zurück und nun war es an mir zu erstarren.
 

Ich knirschte mit den Zähnen.

„Und?“, fragte ich.
 

Lukas‘ Augen wurden groß, sein Mund klappte auf.
 

„Wusstest du eigentlich, dass wir sogar fast denselben Namen haben?“, frage ich, wie ich auf diesen absurden Scheiß kam, wusste ich nicht.
 

Ich sah einfach nur noch rot.
 

Eine Ohrfeige kam angeflogen, doch ich konnte seine Hand packen bevor sie hart und schallend auf meine Wange traf.
 

„Was unterstellst du mir hier?!“ Seine Stimme traf mich wieder knallhart. „Wenn du mir so wenig vertraust, dann verschwinde! Was willst du dann hier?!“
 

Mein Hals wurde trockener und trockener, bis mir das Schlucken weh tat.

Genauso groß wie meine Wut und meine Eifersucht, war auch meine Angst. Vielleicht war diese sogar am größten.
 

Hatte er Lukas etwas angetan? Denn manchmal ertappte ich ihn dabei, wie er vor mir zurück zuckte, auch wenn er es sofort mit einem süßen Lächeln runter spielte und die kleine Distanz im Handumdrehen verringerte, bis sie sich vollkommen aufgelöst hatte.
 

Sanft nahm ich seine Hand und legte sie auf meine Wange, schloss dabei einen Moment lang die Augen und atmete tief durch.
 

„Hat er… dir was getan?“, fragte ich leise.
 

Jetzt erst konnte ich mir vorstellen, wie groß seine Angst gewesen sein musste, als er hier alleine gewesen war.
 

Wenn dieser kranke Kerl da unten stand und mit Steinen gegen das Fenster warf.
 

Vielleicht war er auch schon hoch gekommen, bis vor die Tür? Die Menschen im Haus kannten ihn schließlich als Lukas‘ Kollegen, irgendwer hätte ihn sicher in den Hausflur gelassen, wenn er geklingelt hätte.
 

Auch Lukas‘ Blicke wurden wieder weich, er streckte die Arme nach mir aus und schlang sie um meinen Nacken.
 

„Nein…“, wisperte er gegen meine Schulter. Sein Gesicht war völlig durchnässt. Sanft wischte es ihm trocken. „Gehen wir wieder ins Bett…“, raunte ich.
 

Lieber Gott, was tat ich ihm hier nur an…?
 

Am nächsten Tag erledigte ich mit Lukas ein paar wichtige Dinge, wir fuhren ins Krankenhaus, was ich besonders hart fand. Denn Lukas war gestern Abend nicht mehr im hier gewesen.
 

Er hatte aus Angst vor diesen Jan die Wohnung nicht mehr verlassen.

Man hatte ihn aufgefordert die Sachen seines Großvaters abzuholen. Und ich ging mit Lukas diesmal nach oben.
 

Mochte sich ein jeder denken was er wollte, ich hielt seine Hand fest. Denn es war mir egal.

Lukas wollte mir seine Hand entziehen, ich ließ es nicht zu.
 

„Juan… die… Leute gucken…“, flüsterte er und zerrte an meinem Arm.
 

„Dann lass sie einfach gucken.“, knurrte ich zurück und funkelte zwei Frauen an, die hinter vorgehaltener Hand auf uns deuteten und tuschelten.
 

Sofort wandten sie sich ab.

„Als ob ich mich das interessiert!“
 

Oben auf der Station sprach man uns eine Menge Beileid aus, besonders Lukas wurde von den Schwestern sanft getätschelt, wenn sie ihn sahen und schließlich wurden wir herein gelassen.
 

Das Fenster stand weit offen, die weißen Gardinen flatterten im frischen Wind, der den Frühling mit sich brachte.
 

Das sterile Krankenhauszimmer war kahl. Kahl und leer, wie die beiden Betten, die hier standen.
 

Langsam öffnete ich die Tür zum Bad, dort standen ungenutzte Zahnbürsten, es hingen Waschlappen und Handtücher an den Haken. An der Innenseite der Tür hing ein grauer Bademantel aus Frottee.
 

Lukas brach schon in Tränen aus, als er den Bademantel dort an der hängen sah.
 

Sofort schloss ich die Tür.

Ich hielt ihn fest, sprach ihm leise zu und versuchte ihm Mut zu machen, doch es fiel mir so unglaublich schwer…
 

„Schon… schon gut…“ Noch weinend wischte er sich über die Augen und öffnete die Schranktür mit zittrigen Händen.
 

Mit jeder Bewegung erstarrte er, der Anblick der Kleider und der Dinge, die seinem Großvater gehört hatten, wurde für ihn so unerträglich bis er auf einem Stuhl halb zusammen brach.
 

Aber da erlöste ich ihn, rief nach einer Schwester.
 

„Ich mache das!“, knurrte ich und bat sie, sich kurz um ihn zu kümmern während ich die Sachen einräumte und in die Taschen packen würde, die wir mitgebracht hatte.
 

Lukas hatte darauf bestanden, die Sachen mitzunehmen. Doch jetzt wo er hier im Raum gestanden hatte, war es ihm natürlich sehr schwer gefallen auch nur die Hand nach den Gegenständen auszustrecken, die ihn an seinen geliebten Großvater erinnerten.
 

„Ich… ich mach… das schon…“, wimmerte Lukas hinter der Tür, aber die Schwester blieb stur.
 

„Du kommst erst einmal mit. Eine Tasse Tee wird dir gut tun.“
 

Zufrieden sah ich mich um und fing im Bad schließlich an. Da Lukas‘ Großvater ein Fremder für mich war, berührte es mich zwar nicht so sehr, dennoch tat es mir unheimlich weh, wenn ich Lukas so sah…
 

Auch mir stiegen die Tränen in die Augen, aber ich beeilte mich die Sachen nicht lange anzusehen, sondern stopfte sie in die Taschen.
 

Ohne ihm etwas zu sagen fuhr ich zwei Mal rauf und runter und verstaute die Sachen schnell im Kofferraum, ehe ich an die Tür des Schwesternzimmers klopfte.
 

Zwei Schwestern saßen neben Lukas, sie sprachen sanft auf ihn ein und vor ihm stand eine Tasse Tee, die er mit beiden Händen umschlungen hielt.
 

Als ich eintrat, hob er den Kopf.
 

Seine Augen sahen mich hilfesuchend und gequält an.
 

Aber ich lächelte aufmunternd. Ob es auch so rüber kam, wusste ich nicht genau.

Bevor wir hinaus traten, berührte mich eine Schwester am Arm.
 

„Wenn es ihm noch stärker zusetzen sollte, könnt ihr euch an eine Beratungsstelle wenden. Wir bieten auch hier in der Klinik psychologischen Beistand an.“ Sie drückte mir ein Kärtchen in die Hand… und ich hoffte, dass ich es nicht gebrauchen musste.
 

„Okay… vielen Dank…“
 

Als nächstes musste er einen Bestatter aufsuchen und wollte zu dem gehen, der auch die Bestattung für seine Großmutter übernommen hatte.
 

Eigentlich, so sagte man uns, hätte er sich damit ruhig ein paar Tage Zeit lassen können, doch ich glaube Lukas wollte einfach nur schnell mit allem abschließen, denn es würde ihn nur noch quälen.
 

Je weiter ich mit Lukas fuhr, umso schlimmer wurde es.
 

Denn kaum hatte er sich im Krankenhaus ein wenig beruhigt, brach er vor dem Bestattungsinstitut erneut in Tränen aus, er weinte sich die Seele aus dem Leib…
 

„Bleib im Auto…“, sagte ich sanft und nahm ihm die Papiere ab, die er brauchen würde.
 

„Nein…!“
 

Sein Blick trieb mir einen Pflock durchs Herz, aber ich schüttelte den Kopf.

Er war auch so schon fertig mit den Nerven… wie hatte ich ihm da noch diese Szene machen können…?
 

Gott, was war ich nur für ein krankes Arschloch…?!
 

„Ist schon gut… du kannst dich später immer noch von ihm verabschieden… du musst das alles nicht machen um dir selbst etwas zu beweisen, hörst du?
 

Er würde sicher nicht wollen, dass du dich so zerfrisst…“, wisperte ich ihm sanft zu und streichelte seine Wange, ehe ich ihm einen zarten Kuss auf die Stirn gab.
 

Seine Hände waren so schwach, er war nicht einmal in der Lage die Papiere festzuhalten oder sie mir wegzunehmen.
 

„Ich bin gleich zurück… Lauf bloß nicht weg.“ Ich lächelte schwach und biss mir hart in die Innenseite meiner Wangen, nachdem ich ausgestiegen war.
 

Es fehlte nicht viel, ich würde gleich mit heulen… und obwohl es das erste Mal war, dass ich derlei Dinge erledigen musste, Gott sei Dank, war ich froh, dass ich ihm eine Last abnehmen konnte.
 

Meine Angst, dass Lukas zusammenbrechen würde, war verdammt groß.
 

Zu meiner Erleichterung erkannte der Bestatter die Familie sofort und erklärte sich bereit einen Teil der Dinge zu übernehmen, wie die Unterlagen vom Amt zu beantragen.
 

Auch klärten sie alles direkt mit der Klinik ab, was nötig war…
 

Als er den Preis ansprach, sah er mich skeptisch an.

Hatte Lukas überhaupt das Geld?
 

Dreitausend Euro würde alles insgesamt kosten.
 

„Ist in Ordnung.“, erwiderte ich nur und würde dem Mann das Geld gleich morgen überweisen.
 

Meine Eltern waren nicht mittellos gewesen, sie hatten mir als Kind einen Bausparvertrag angelegt und den hatte ich glücklicherweise letztes Jahr ausgezahlt bekommen.
 

Das war hier nicht irgendwer… es ging um Lukas. Meinen Lukas.
 

Und den Teufel würde ich tun und ihn jetzt mit so einem Scheiß behelligen.

Wir besprachen noch kurz die wichtigsten Dinge, den Erbschein müsste Lukas aber selbst beantragen.
 

Lieber Himmel, was war das alles für ein gottverdammter Stress für einen Menschen, der gerade eine geliebte Person verloren hatte?? Für sowas hatte man doch gar keinen Kopf, verfluchte Scheiße!
 

Ich regte mich noch so lange auf, bis ich den Wagen erreicht hatte.
 

„Und…?“, fragte Lukas unsicher.
 

„Alles geklärt. Du kannst dir aber ein paar Tage Zeit lassen, bevor du den Rest erledigst.“, fügte ich hinzu und sah ihn sanft an.
 

Seine Augen waren verloren, sein Blick haltlos auf den Parkplatz gerichtet.
 

"Dan...ke..."
 

Lukas steuerte auf einen Abgrund zu… hatte ich ihn davor bewahrt? Oder würde ich ihn noch davor bewahren, wenn es so weit war? Hatte ich überhaupt die Kraft dafür…?
 

„Lukas.“, begann ich langsam und wandte mich im Sitz vollends zu ihm herum. „Hör zu…“ Ich holte tief Luft und nahm sein Gesicht in beide Hände. „Ich bin hier, okay? Ich werde es so lange sein,

solange du mich brauchst.
 

Wir bringen das hier zu Ende, so hart das ist. Und dann fahren wir nachhause. Wir fahren nach Köln, du machst deine Schule weiter, wir suchen uns zusammen eine Wohnung.“
 

Seine Augenbrauen verzogen sich gequält, wieder rollten ihm heiß die Tränen über die Wangen und tropften auf meine Arme, ehe sie an ihnen herab perlten und irgendwo zwischen meinen Klamotten und dem alten Sitz versickerten.
 

„Wir kaufen uns tolle neue Möbel und richten uns ein Zuhause ein, das nur uns beiden gehört.

Wir stopfen uns jeden Tag mit Fast Food voll, bis wir uns gegenseitig überrollen können…“
 

Er lachte, aber die Tränen hörten nicht auf zu fließen.
 

Seine Hände legten sich auf meine Arme, drückten fest und verzweifelt zu, ehe er den Kopf senkte aber ich drückte ihn wieder hoch.
 

Auch meine Augen füllten sich mit Tränen.
 

„…wir schauen uns jeden Tag irgendwelche Filme an, bis wir die Schnauze voll haben, wir werden uns ständig in den Haaren liegen und uns streiten, weil du mindestens so stur bist wie ich… wir werden herum toben, wir werden uns mit Sachen beschmeißen… oder du mich zumindest…“
 

Wieder lachte er, doch es klang mehr wie ein Schluchzen. „… aber genauso werde ich dich tagein tagaus lieben…“
 

Jetzt heulte er erst richtig los, mit Druck auf seinen Wangen zwang ich ihn wieder mich anzusehen.
 

„…ich werde Nacht für Nacht an deiner Seite sein, ich werde dich festhalten und ich werde dich küssen, dich drücken und an mich pressen bis du keine Luft mehr bekommst…

Deine Großeltern haben es geschafft einen tollen kleinen Kerl aus dir zu machen… und ich bin ihnen dafür sehr dankbar… denn du… bist das Beste was mir bisher in meinem verschissenen Leben passiert ist.“
 

Lukas schluchzte laut auf, doch ich sprach weiter. Zumindest versuchte ich es… aber diese Worte mussten raus, auch wenn meine Stimme noch so sehr zitterte.
 

„Ich bin vielleicht manchmal ein Arschloch… und ein eifersüchtiger Scheißkerl… aber du… du bist das Gegenteil von mir… Die Sanftmut in deinen schönen Augen… dein weiches, so sensibles Herz, das nur noch für mich schlagen soll… es gehört jetzt mir….
 

Und ich werde aus dem Geschenk, das deine Großeltern mir bereitet haben, das Beste machen und dafür sorgen, dass ein genauso toller Mann aus dir wird.“
 

Seine Finger krallten sich hart in meine Haut, doch es störte mich nicht.
 

Jetzt beugte ich mich zu ihm rüber, drückte ihn fest an meine Schulter, soweit es im Auto möglich war.

Sein Körper bebte, er schüttelte sich vor unterdrückter Trauer, aber ich ließ ihn weinen.
 

Und ich betete…
 

Hoffentlich hatten meine Worte ihn positiv erreicht…
 

Am Abend war Lukas schon etwas ruhiger geworden.

So weit es möglich war, versuchte ich ihn von der Wohnung fern zu halten, ich fuhr mit ihm ins Duisburger Zentrum, versuchte ihn abzulenken so gut es ging.
 

Aber am späten Abend landeten wir dann doch vor der Tür des Mehrfamilienhauses, egal wie sehr ich versuchte es zu umgehen und ich hoffte nur, dass ich Lukas jede weitere Qual ersparen können würde.
 

„Scheiße, ich hab die Umzugskartons vergessen!“
 

Gerade wollte Lukas die Tür unten aufschließen.
 

„Wie spät ist es?“, fragte ich und Lukas warf einen Blick auf seine Uhr.

„Halb zehn… ist doch egal, dann machen wir das morgen!“ Er nahm meine Hand, doch ich schüttelte den Kopf. Es musste schnell geschehen… wie lange würde Lukas das noch ertragen…?
 

„Fahren wir lieber nochmal kurz ins Real!“, beharrte ich, aber Lukas lachte nur.
 

„Dann fahr du schnell, ich bin so müde!“
 

Aber ich wollte ihm widersprechen, ich konnte ihn nicht alleine lassen!

Lukas schüttelte den Kopf und drückte kurz meine Hand. „Es passiert mir schon nichts, ich schließe ab, versprochen!“
 

Ich grummelte. „Los, ab nach oben und schließ zweimal ab!“
 

Er lächelte wieder bezaubernd… es brach mir das Herz.

„Bis gleich…“ Ich erwiderte das Lächeln und wartete, bis oben in der Küche das Licht anging und ich mir sicher sein konnte, dass er drin war.
 

Schnell fuhr ich wieder los und klar machte ich mir Gedanken über dieses Arschloch und ob er wieder auftauchen würde… aber Lukas hatte abgeschlossen, es konnte nichts geschehen!
 

Dennoch trat ich fester auf das Gaspedal als nötig.
 

Ich wollte nicht den Teufel an die Wand malen, doch auf der Rückfahrt muss ich gestehen, war mir richtig unwohl zumute.
 

Vielleicht war es idiotisch, aber ich rechnete felsenfest damit, dass wieder irgendwas geschehen war… dass Lukas die Tür geöffnet hatte, dass Jan vor ihm stand… und ihm irgendwas Schlimmes antat…
 

Doch erleichtert stellte ich fest, dass alles in Ordnung war.

Innerlich atmete ich tief auf, Lukas öffnete mir oben mit einem kleinen Lächeln und ließ mich eintreten.
 

Alles würde gut werden… bestimmt.
 

Wir fingen schon in der Nacht an, zusammen zu packen. Lukas nahm sich Gegenstände, die er behalten wollte… viel war es nicht, doch vor allen Dingen die Fotos wollte er alle behalten.
 

Es war schon nach vier Uhr in der Früh. Schließlich hatten wir einen Großteil aus den Schränken geräumt, alles andere würde die Firma übernehmen, die Lukas angerufen hatte.
 

Seine Blicke waren leicht getrübt, also scheuchte ich ihn fürs Erste ins Bett. Eigentlich hatte ich weiter ausräumen wollen, doch ich brachte es nicht über mich ihn alleine zu lassen. Ohne mich würde er kaum schlafen können, das wusste ich zu gut.
 

In dieser Nacht war ich selbst so müde, dass ich schon einschlief noch bevor er es sich bequem machen konnte.
 

Dass sein Kopf auf meinem Arm lag spürte ich noch, danach fiel ich sofort in einen undurchdringbaren Tiefschlaf.
 

Das Ganze hatte auch mich mitgenommen, auch wenn ich es nicht merkte.

Mein Körper forderte allerdings seinen Tribut.

Kapitel 12

„Okay, das war’s.“, sagte der Typ von der Firma und sah sich um.
 

Die Wohnung war nach drei Tagen völlig leer geräumt.
 

Ich stand im Flur, die drei großen Taschen und sein Rucksack waren gepackt und bereit neben der Tür.
 

Lukas nickte. „Ja… vielen Dank für eure Hilfe…“ Er drückte dem Mann dreihundert Euro in die Hand.
 

Der Mann tippte sich an die Kappe. „Ich danke euch! Also, bis demnächst. Oder hoffentlich auch nicht.“ Er zwinkerte den Jungs zu und verließ die Wohnung.
 

Ich schloss die Tür hinter ihm und knurrte ihm ein „Haha“ hinterher.
 

Lukas lächelte schwach… ach mein süßer Luke Skywalker, wer hätte erwartet, dass wir beide einmal hier stehen würden… in dieser verlassenen Wohnung… und zu zweit ein neues Leben beginnen würden?
 

„Kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte er mich plötzlich.
 

Sanft lächelte ich ihn an. „Selbstverständlich.“, erwiderte ich und strich ihm das schokobraune Haar aus der Stirn.
 

„Als wir hier eingezogen sind, hat mein Opa uns Pizza besorgt… wir haben sie im Wohnzimmer auf dem Boden gegessen… und… ich… würde das gerne noch tun…“ Verlegen sah er mich an, aber ich lächelte nur noch breiter und küsste ihn zärtlich auf die Lippen.
 

„Klar… okay, dann warte hier… ich besorge uns welche.“
 

Lukas sah mich so glücklich an, wie schon sehr lange nicht mehr. Dabei ging mir richtig das Herz auf…
 

Wieder drückte zog ich ihn zu einem Kuss heran, blieb dabei aber sehr zärtlich.
 

Wie lange wir dort standen und uns hauchzart küssten, konnte ich nicht genau sagen. Schließlich löste ich mich nach langen Minuten und lächelte ihm gegen die Lippen.
 

Vielleicht behandelte ich ihn zu sehr wie einen kostbaren, zerbrechlichen Gegenstand, aber genau das war er gerade für mich.
 

„Hier, nur für alle Fälle. Ich wollte es dir eigentlich im Auto geben.“ Aus meiner Schultertasche zog ich eine kleine Schachtel hervor und drückte sie ihm in die Hand.
 

„Fummel ein bisschen damit herum, bis ich wieder da bin.“ Ich grinste leicht und lachte kurz, als er mich verdutzt ansah.
 

„Was ist das…?“ Er nahm die Schachtel entgegen und rüttelte leicht daran. Es klapperte.
 

„Es ist nur ein altes Modell, bis du was Passenderes für dich findest.“ Ich küsste seine Stirn und zog die Tür hinter mir zu, bevor er weiter nachhaken konnte.
 

Aus der Wohnung hörte ich noch seinen überraschten Ausruf.
 

Ich lachte und ging runter.
 

Das Handy war zwar keines der aktuellen Modelle, aber Hauptsache er war erst einmal erreichbar. Es war ein Angebot gewesen, zusammen mit der SIM Karte. Seine Nummer hatte ich längst gespeichert.
 

Endlich würden wir beide ein wenig zur Ruhe kommen, aber besonders Lukas… er musste hier weg, sonst würde er eingehen…
 

Er ertrug das alles nicht mehr, er wurde schwächer und immer stiller, je länger er hier blieb, in dieser Gegend, in dieser Wohnung.
 

Die Sachen seiner Großeltern würde er für eine Weile verstecken wollen, hatte er gesagt, bis er innerlich bereit sein würde, sich ihnen zu stellen.
 

Sein Großvater bekam nächste Woche, wie auch seine Großmutter, eine anonyme Flussbestattung. Um ihrem Enkel weitere Kosten zu ersparen, hatte sein Großvater ihm eine kleine Geldsumme hinterlegt, wie wir heute vom Notar erfahren hatten.
 

Wenn wir in Köln waren, würde ich erst einmal meine Mutter in den Arm nehmen… und sie fest an mich drücken.
 

Gelegentlich wurde ich richtig sentimental, doch ich konnte kaum was dagegen tun.
 

Was wenn ich sie nicht mehr hätte? Was wenn sie auf einmal fort wäre und ich wüsste, dass ich ganz alleine auf dieser Welt wäre…? Dass ich sie nie wieder sehen würde…?
 

Endlich war das schlimmste überstanden und ich hoffte aus tiefster Seele, dass Lukas es schaffen würde in sein neues Leben einzufinden.
 

Kaum eine halbe Stunde später fuhr ich wieder zurück und malte mir schon aus, wie es weiter verlaufen würde.
 

Meine Mom hatte schon eine Wohnung gefunden, sie wollte allerdings mit dem Umzug warten, bis wir zurück waren.
 

Und vorerst würden Lukas und ich bei mir in der WG leben, Pascal würde erst im Sommer heim kommen und dann wieder verschwinden. Ich würde alles weitere noch mit ihm abklären.
 

Aber für mich und Lukas alleine war die Wohnung zu groß und eigentlich würde ich lieber mit ihm gemeinsam neu anfangen. Eine kleine, nette Wohnung, die wir zusammen einrichten und unser Leben gemeinsam aufbauen würden.
 

Klar hielten schwule Beziehungen nicht lange, vielleicht hatte ich auch nur Gefallen daran, mir diese wundervollen Illusionen aufzubauen.
 

Immerhin waren wir noch weit am Anfang und da direkt zusammen zu ziehen war sehr Risikoreich. Doch meine innere Stimme sagte mir, dass es in Ordnung wäre.
 

Also war ich Feuer und Flamme.
 

Ich nahm immer zwei Stufen auf einmal und wollte gerade den Schlüssel aus der Tasche nehmen, den Lukas mir gegeben hatte.
 

Doch die Wohnungstür oben stand sperrangelweit offen.
 

„Lukas…?“, fragte ich und das Herz rutschte mir mit einem Mal tief in die Hose.
 

Keine Antwort.
 

Ich schob die Tür noch ein Stück weit auf, sie schlug leicht gegen die Wand.
 

Wieder rief ich nach ihm, wieder gab es keine Antwort.
 

Mit schnellen Schritten lief ich durch die leere Wohnung… Lukas war nirgends zu sehen… „Lukas!!“, brüllte ich jetzt, die Pizzaschachtel fiel mir klatschend aus der Hand, ich stürmte die Treppen wieder hinunter, da vibrierte das Handy in meiner Tasche.
 

Bitte lieber Gott, lass es Lukas sein! Lass ihn bei der Oma da unten sein, lass ihn im Keller sein, lass ihn vor der Tür stehen und mich auslachen, wenn er meine entsetzte Visage sieht und mir sagen, dass er mich nur erschrecken wollte.
 

Eine Nummer blinkte auf dem Display, und es war tatsächlich Lukas…
 

Schnell ging ich ran, wollte erleichtert aufatmen, doch ich erstarrte. Zuerst hörte ich nichts, dann schrie Lukas herum.
 

„…los!! Lass mich los, hab ich gesagt!!“, schrie er laut.
 

Zuerst wollte ich ins Telefon schreien, doch ich presste es enger an mein Ohr.
 

Autos rauschten, erst hörte ich nichts, aber dann wurde Lukas noch lauter.
 

„…Ich will nicht!! Fass mich nicht an!! Ich will nicht zum Bahnhof!!“ Seine Stimme brach ab, ebenso die Verbindung.
 

Schnell warf ich mich in den Wagen und fuhr auch schon mit quietschenden Reifen los.
 

Verdammte scheiße, die ganze Zeit hatte ich ein mulmiges Gefühl gehabt und jetzt, so kurz vor unserem Aufbruch nach Köln musste so ein Scheißdreck passieren!!
 

Ich brüllte vor mich hin, fluchte und schrie wie ein Verrückter, bis mir der Kragen regelrecht platzte.
 

Dass ich fast einen Unfall baute, war mir scheißegal! Aber sowas von!
 

Irgendwann sah ich Blaulicht hinter mir, direkt vor dem Bahnhof, wo ich sofort bei der nächstbesten Gelegenheit in eine Parklücke tauchte.
 

Der Polizeibeamte ließ mich aussteigen und funkelte mich hinter seiner Sonnenbrille an.
 

Verdammt ich war nervös! Ich musste hier weg… Wenn ich Lukas verlieren würde, wusste ich nicht, was dieser kranke Kerl mit ihm anstellen würde!
 

„Wir haben es aber eilig, was? Fahrzeugschein und Papiere.“, forderte er.
 

„Hören Sie!!“, blaffte ich ihn an. „Mein Freund wurde gerade von einem geisteskranken verschleppt!! Gegen seinen Willen, verstehen Sie!!“, fuhr ich ihn an, das Handy zitterte in meiner Hand. „Er hat mich gerade angerufen, ich konnte nur hören, wie sie zum Bahnhof gefahren sind!! Verdammt nochmal, hören Sie mir eigentlich zu?!“
 

Aber der zweite Beamte stieg aus dem Wagen und kam mit gehobener Augenbraue auf mich zu.
 

Die beiden schienen mich nicht ganz ernst zu nehmen.
 

„Nehmen Sie irgendwelche Drogen?“, fragte der zweite und sah mir unnötig tief in die Augen. „Alkohol?“
 

Jetzt platzte mir wirklich der Kragen.
 

„Hören Sie mir doch zu!!“, rief ich hektisch. „Ey, nur weil meine Hautfarbe Dunkel ist müssen Sie mich nicht gleich für einen Junkie halten, klar?! Ich…“ Ich war so aufgebracht, dass ich nicht ruhig reden konnte.
 

Die beiden Polizisten wurden sichtlich wütend. „Jetzt beruhigen Sie sich mal langsam! Geben Sie mir den Führerschein!“, knurrte einer von den beiden mit Nachdruck.
 

Wutentbrannt drückte ich ihm den Scheiß Lappen in die Hand. Genau da klingelte mein Handy wieder, es war wieder Lukas…
 

„Hier!!“, blaffte ich die beiden an und stellte das Handy auf Lautsprecher.
 

Es war deutlich zu hören, dass die beiden ineinander geraten waren.
 

„…jetzt halt endlich deine Fresse und beweg dich!!“, brüllte dieses fette Schwein so laut, dass selbst die Passanten sich umdrehten und uns anstarrten.
 

„…beweg dich! Los, hab ich gesagt!!“
 

Meine Hände zitterten, je länger die Polizisten schwiegen, umso zorniger wurde ich. Die beiden starrten einfach nur auf das Handy, obwohl ich deutlich hören konnte, dass der Wichser nach Lukas schlug.
 

„…Juan…!!“, schrie Lukas ins Handy. „…Gleis vier!! Gleis vie…“
 

Da hielt ich es nicht mehr aus und rannte los.
 

Die Polizisten schrien hinter mir, dass ich die Wagentür offen gelassen hatte, dass die meinen Führerschein und meinen Ausweis hatten, war mir so egal… ich rannte schneller und schneller und drehte mich nicht einmal um.
 

Gleis vier! Ich stürmte auf das Gleis und sah dort gerade noch, wie dieser Bastard weit vorne Lukas in den RE stieß.
 

„He! Halt!!“, schrie ich. Die Frau, die zuletzt ganz hinten einstieg, hörte mich noch und sah sich nach mir um. Sie hielt mir die Tür auf, bis ich mich mit einem Hechtsprung hinein warf.
 

„Danke!“, keuchte ich und quetschte mich durch die Menge, die mich anstarrte.
 

Aber ich beachtete niemanden, drängte mich zwischen den Leuten hindurch und erstarrte.
 

Hier in der hinteren Reihe, wo die ganzen klappbaren Sitze waren, blieb ich stehen. Direkt hinter einem großen Typen mit einem Fahrrad.
 

Denn dieser Jan kam geradewegs in meine Richtung… und Lukas zerrte er hinter sich her.
 

Der Zug setzte sich in Bewegung, im selben Moment schrien die Polizisten draußen, es gab lautes Gemurmel, die Menschen drehten sich zu den Beamten um, die dem Zug hinterher rannten.
 

Doch es war zu spät, wir rollten aus dem Bahnhof davon.
 

Auch Jan hatte die Polizisten gesehen und drückte Lukas auf einen Sitz hinunter, ohne ihn anzusehen.
 

Mich hatten sie zum Glück noch nicht gesehen…
 

Aber dafür sah ich Lukas sehr deutlich… dieses fette Schwein hatte ihm ins Gesicht geschlagen!
 

Lukas starrte zu Boden, ihm hing die Kapuze ins Gesicht, aber ich sah seine aufgeplatzte Lippe, auch auf seinem Shirt und auf seiner Jacke waren Blutflecken zu sehen.
 

Es fiel mir sehr schwer nicht völlig auszurasten.
 

Jan hatte sich neben ihm aufgebaut und starrte nervös umher. Ich hatte ihnen leicht den Rücken gekehrt und versuchte schnell mit zitternden Händen eine SMS an Lukas zu schreiben.
 

>Wo bist du?<
 

Das Handy piepste und statt Lukas, zog Jan es aus seiner Tasche. Er blickte auf das Display und grunzte amüsiert, hielt es Lukas vor die Nase.
 

„Das ist er, oder?“, fragte er und grinste widerwärtig, schnalzte aber missbilligend mit der Zunge.
 

„Dieser braungebrannte Kerl, mit dem du fickst?“
 

Er machte weitere abfällige Bemerkungen über mich aber Lukas sah nicht hin, blickte zur Seite. Und in dem Moment sah er mich.
 

Doch genauso schnell blickte er wieder weg. Sein Körper versteifte sich leicht, Gott sei Dank hatte Jan es nicht gesehen. Und ließ sich nichts anmerken.
 

Seine Augen huschten nervös hin und her, als würde es in seinem Kopf arbeiten.
 

„Du brauchst ja keine Angst vor ihm zu haben, falls er uns findet. Das Messer in deiner Tasche ist ja groß genug.“, hörte ich Lukas laut sagen.
 

Jan erstarrte und schlug ihm wieder ins Gesicht.
 

„Halt die Fresse!“, zischte er ihm zu.
 

Meine Fäuste knirschten, ebenso wie meine Zähne.
 

Und dann hielt ich es nicht mehr aus, ich packte mir das Fahrrad von diesem Typen.
 

„Hey!!“, schrie der laut, doch ich handelte sofort. In dem Moment, als Jan den Kopf hob, schoss ich mit dem Rad auf ihn zu und rammte ihn so hart, dass er den Halt verlor und nach hinten flog.
 

Dann ging alles sehr schnell.
 

Ich stürzte mich auf ihn, hörte Lukas noch hinter mir schreien, aber ich konnte meine Wut nicht mehr kontrollieren.
 

Knirschend packte ich ihn am Kragen und schlug ich ihm hart ins Gesicht, wieder und wieder.
 

Die Menschen um uns herum fuhren entsetzt auf, Frauen kreischten und Männer sprangen in ihren Sitzen hoch.
 

„Juan!! Seine rechte Tasche!! Er hat ein Messer!!“, brüllte Lukas.
 

Ich rollte mich mit dem Fettsack über den Boden und versuchte schnell nach seiner Tasche zu angeln. Meine Hand berührte die glatte Oberfläche des Griffes, doch es rutschte mir aus der Hand.
 

Jan fuhr herum, jetzt schlug er mir hart in den Magen.
 

Der Schlag kam mit Wucht und ich dachte wirklich, ich würde auf der Stelle kotzen müssen. Mein Magen drehte sich mir um, der Schmerz pulsierte in meinem Bauch und die Galle schoss mir hoch.
 

Auch seine Hand griff zu seiner Tasche, er riss das Messer hervor. Die Klinge schnappte hoch, als es aufklappte.
 

Jetzt schrien die Menschen noch lauter.
 

Jugendliche brüllten herum, Frauen rannten ein Stück weiter nach vorne, um sich so schnell wie möglich von unserem Gerangel zu entfernen.
 

Schnell hatte ich mich wieder auf die Beine gerissen, auch wenn ich durch die Geschwindigkeit des Zuges schwankte.
 

„Was soll die Scheiße!? Denkt ihr, ihr seid in ‘nem verfickten Film oder was?! Leg das Messer weg!“, brüllten ein paar Jungs, doch Jan beachtete sie nicht. Er kam auf uns zu, doch ich blieb vor Lukas stehen und hatte die Arme leicht ausgebreitet um ihn zu schützen.
 

Der Zug wurde langsamer, wir fuhren an der nächsten Haltestelle ein.
 

„Du kleiner Bastard! Wenn du glaubst, dass du ihn kriegst, hast du dich geschnitten!“ Jan brüllte und besprenkelte den Wagon mit seiner Spucke.
 

Zur Abwechslung war ich mal ruhig… und wich langsam zurück. Immer weiter schob ich somit Lukas zurück, bis wir gegen die Wand prallten.
 

Seine Hände krallten sich in meinen Rücken fest, aber ich würde nicht zulassen, dass ihm etwas passierte… nicht schon wieder!
 

„Du bist doch armselig! Und gehörst in eine anständige Anstalt!“, knurrte ich und grinste ihn provokant an. „Willst du mich hier vor den Leuten abstechen? Was dann? Wenn der Zug hält, kriegen dich eh die Bullen!“
 

So viele Menschen waren hier… so viele Männer und Jugendliche… doch sie blieben alle auf Abstand und brüllten uns aus sicherer Distanz zu, dass wir uns beruhigen sollten.
 

Ich war ruhig… im Vergleich zu eben sogar erschreckend ruhig…
 

„Du hast nicht das Recht ihm zu nahe zu kommen!“, knurrte dieser Psychopath mit funkelnden Augen und kam immer näher.
 

Irgendwann bemerkte ich diesen seltsamen, wahnsinnigen Glanz in seinen Augen, der mir deutlich verriet, das mit ihm etwas nicht stimmte.
 

„Ich habe meine Initialen in sein Fleisch geritzt!! Er gehört mir!!“
 

Jetzt wurde mir erst richtig schlecht.
 

Der Zug hielt an und der Klops schwankte einen Moment lang. Ich nutzte die Gelegenheit und stieß Lukas in die Richtung der Tür, er drückte wild den Knopf, die Türen öffneten sich und er stolperte halbwegs raus. Doch zeitgleich schaffte Jan es einen Satz auf uns zu zumachen.
 

Er holte aus und stach auf mich ein, gerade als er von hinten von einem blonden Jungen angesprungen wurde und der ihn nach hinten riss.
 

Auch die anderen Männer sprangen jetzt auf ihn drauf, begruben ihn unter sich auf dem Boden und nagelten ihn fest.
 

Das Messer hatte sich in meinen linken Arm gebohrt und jetzt wusste ich, dass dieser Kerl einfach nur geisteskrank war…
 

Den Schmerz spürte ich zunächst nicht, vielleicht war es der Schock. Ganz allmählich erwärmte sich mein Arm, als würde warmes Wasser daran hinunter laufen. Nur mit dem Unterschied, dass dieses Wasser rot war.
 

Die Türen öffneten sich, Polizeibeamte kamen von allen Seiten herein gerannt.
 

„Juan!! Juan!!“, schrie Lukas von draußen her und wollte wieder hinein stürmen, doch ein Polizist zerrte ihn zurück und ein anderer sprang mit gehobener Waffe durch die Tür, aus der Lukas hinter mir hinaus gehüpft war.
 

Als er aber die Lage erblickte, ließ er die Waffe an seinem Gürtel verschwinden und stürmte mit seinen anderen Kollegen rüber zu dem Haufen, der sich langsam löste.
 

Lukas heulte, seine Lippe war geschwollen und aufgeplatzt. Ein übler, zweiter Bluterguss zeigte sich an seinem Auge. Morgen würde er noch viel schlimmer aussehen…
 

Er schrie heulend auf, als er das Messer an meinem Arm sah.
 

„Juan! Da steckt das Messer!!“ Er packte mich am anderen, gesunden Arm und zeigte mit dem anderen Finger auf die Waffe.
 

Etwas irritiert sah ich die Hälfte der Klinge aufblitzen, der Rest war in meinem Fleisch versunken.
 

Mein Arm hatte sich bereits hochrot verfärbt und erst als ich die Wunde sah, spürte ich den Schmerz langsam und stechend heran schleichen. Und mit einem Schlag war er da… wie das Gefühl, die Uhr im Raum würde aufhören zu ticken, nur weil man es plötzlich nach einer langen Stille wieder wahrzunehmen glaubt.
 

„Hier rüber!!“, brüllte einer der Polizisten und ein ganzer Haufen hatte sich auf dem Gleis eingefunden, wobei ein paar Sanitäter angerannt kamen und mich von dem Messer befreiten.
 

Gerade kamen noch zwei Polizisten ächzend hochgerannt. Es waren die beiden, die mich aufgehalten hatten. Dabei hielten sie noch ihr Funkgerät in den Händen und ich war verdammt froh, dass sie mir doch geglaubt hatten…
 

Sie starrten völlig überrascht zum RE, in dem sich die anderen Polizisten tummelten und diesem Irren Handschellen anlegten. Noch während sie ihn aus dem Zug holten schrie und tobte er herum, brüllte zusammenhanglosen Zeugs und trat wild nach den Polizisten, die langsam die Geduld verloren und ihn mit Druck abführten.
 

Der ganze Steig war erstarrt und blickte zum RE, der noch ein Stück vor seiner eigentlichen Haltestelle zum Stehen gekommen war.
 

Ich hockte derweil auf dem Boden und wurde versorgt.
 

Vorsichtig schlang ich den gesunden Arm um Lukas und drückte ihn fest an mich, der Kleine war völlig aufgelöst.
 

„Mein Wagen wurde sicher abgeschleppt, oder? Ich glaub ich steh im Halteverbot…“, meinte ich lässig und der Polizist starrte mich nur mit leicht ungläubigem Kopfschütteln an, reichte mir meinen Ausweis und den Führerschein.
 

Was genau allerdings damit gemeint war konnte ich wirklich nur erahnen.
 

Schließlich stellte sich heraus, dass dieser Jan mehrfach vorbestraft war. Er hatte diverse Anzeigen am Hals, wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung…
 

Außerdem schien er wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben, denn auf dem Weg nachhause erzählte mir Lukas Sachen von ihm, die mich richtig schockierten.
 

Eigentlich hatten mich die Sanitäter zum Arzt schicken wollen, doch ich wollte einfach nur nachhause und versuchte meinen Arm so selten wie möglich zu belasten, auch wenn es nicht möglich war.
 

Manchmal war er die Freundlichkeit in Person, so unglaublich lieb. Doch im nächsten Moment schrie und tobte er und hatte seine Wut nicht selten an Lukas ausgelassen.
 

„Hör bloß auf… sonst werde ich gleich zum Amokläufer!“, knurrte ich. Es fiel mir ja so schon schwer ruhig zu bleiben, zudem tat mein Arm, trotz der Schmerzmittel, noch etwas weh.
 

Ich wollte nichts mehr sehen, nichts mehr hören… und zwischendurch, streckte ich meine freie Hand nach Lukas aus, um sie auf sein Knie zu legen.
 

Auch er umschlang sofort meine Hand, lehnte den Kopf in den Nacken und atmete tief aus.
 

Er hatte ebenso genug… und war völlig erschöpft.
 

„Der hat Frau Tillmann verarscht…“, murmelte Lukas und hatte die Augen halb geschlossen.
 

„Er hat sich für dich ausgegeben, als er unten geklingelt hat… und hat die arme Frau nach oben geschickt… als er nach oben kam, hatte er hinter ihrem Rücken das Messer gezückt… ich dachte er tut ihr was an…“ Erschöpft wandte er den Kopf leicht aus dem Fenster, ohne mich jedoch loszulassen.
 

Müde fuhr ich endlich in unsere Straße ein, meine Mutter wartete schon draußen vor der Tür und war völlig in Tränen aufgelöst.
 

Sie kam uns entgegen und umarmte natürlich wieder erst Lukas und drückte ihn so fest an sich, dass ihm die Luft wegblieb aber er erwiderte ihren herzlichen Druck.
 

Mit einem sanften Lächeln sah ich die beiden an, schließlich grinste ich denn ihr Blick fiel auf meinen Verband.
 

„Was… was macht ihr für Sachen?!“, schrie sie uns an und schlug erst mir auf den Kopf, dann Lukas. „Ich bin fast gestorben, bei eurem Anruf! Ihr seid bescheuert!! Euch kann man beide nicht alleine lassen!!“, brüllte sie auf offener Straße aber ich lächelte einfach nur weiter und nahm Lukas‘ Hand fest in meine.
 

Er errötete, wollte seine Hand wegziehen, aber ich ließ es nicht zu.
 

„Mom, guck mal.“ Grinsend hob ich unsere ineinander verschlungenen Hände. „Ich hab dir noch einen Sohn mitgebracht.“
 

Lukas erstarrte und ebenso meine Mutter, ehe sie anfing zu lachen.
 

Mein kleiner Lukas biss sich aber auf die verwundete Lippe, wieder kullerten ihm Tränen über die Wangen, die nun nicht mehr ganz so rundlich waren.
 

Die letzten Tage hatten ihn ganz schön mitgenommen…
 

Meine Mutter umarmte Lukas und mich gleichzeitig und drückte uns an ihr wundervolles, brennendes Mutterherz.
 

„Willkommen Zuhause!“
 

Lukas schniefte laut, schluchzte leise auf und schien einfach nur froh zu sein. Genauso wie ich. Endlich waren wir wieder da…
 

„Lukas! Beweg dich endlich, mir bricht gleich der Rücken ab!“, rief ich quer durch die Wohnung.
 

„Ja, ja!!“, schrie er zurück und kam schnell angerannt. Ich hockte oben auf der Leiter und hielt verzweifelt die alte Lampe fest, die ich aus meinem Zimmer abmontiert hatte. Die Leiter wackelte nicht nur, nein, zu allem Überfluss brach mich der hässliche Leuchter auch noch ordentlich ins Schwanken.
 

Es war nur ein großer schwarzer Schirm aus Metall aber er stammte noch aus dem vorletzten Jahrhundert. Da hatte man die Dinger wohl noch aus Blei hergestellt.
 

Lukas grinste mich breit von unten herauf an und hielt eine Kiste in den Händen.
 

Sein Haar war etwas kürzer geworden, es brachte seine Augen viel deutlicher zur Geltung. In seinen Bermudas sah er richtig süß aus, besonders mit dem roten T-Shirt, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte.
 

Wir hatten Mitte August und es war einer dieser wenigen, erdrückenden Tage, in denen mal die Sonne zur Abwechslung schien.
 

Sonst war es wolkenverhangen oder zum kotzen schwül…
 

„Her mit dem Klappergestell!“ Er lachte und strahlte mich endlich wieder mit seinen unschuldigen Augen so wundervoll an. Dabei hob er die Kiste hoch, in die ich das blöde Ding langsam sinken ließ.
 

Kaum hatte er die Kiste abgestellt, grinste er breit und rüttelte an der Leiter, so dass ich fast hinunter fiel und während ich schrie lachte der Frechdachs!
 

Meine Mutter war schon lange ausgezogen. Kurz nachdem wir aus Rheinhausen zurück gekehrt waren hatte sie auch schon ein paar Tage darauf ihre Wohnung, dank unserer und Chris‘ Hilfe, bezogen.
 

Sie wohnte in der Nähe der Innenstadt und hatte sich mit dem Geld, das sie für das Haus bekommen hatte, nicht nur eine kleine Wohnung gekauft, sondern auch einen Laden eröffnet.
 

Sie verkaufte Schmuck, Tücher, Taschen, alles was Frauenherzen höher schlagen ließ. Zwar hatte sie erst seit zwei Wochen eröffnet und das Geschäft lag in einer kleinen Seitengasse der Stadt, doch es lief bisher ganz gut.
 

Und nun waren wir an der Reihe.
 

Ich hatte bereits eine Wohnung für uns gefunden, Lukas und ich hatten ein paar Tage lang die Schule geschwänzt und hatten uns in Wohnungsbesichtigungen gestürzt. Am Ende hatten wir ein hübsches Fleckchen gefunden, ein Stück außerhalb des Zentrums.
 

Es war zwar keine tolle Altbauwohnung doch für uns beide reichten die siebzig Quadratmeter schon völlig aus.
 

Drei Zimmer, eines würde zum Arbeitszimmer für uns beide umfunktioniert werden und das andere zu unserem gemeinsamen Schlafzimmer, auf das ich mich am meisten freute.
 

Mein Zimmer hier war schon halb leer, nur ein paar Kartons standen im Raum.
 

Mit Pascal hatte ich mich bereits abgesprochen, der Penner hatte sich dazu entschieden zu seinem Bruder zu ziehen der sich ebenso in Köln nieder gelassen hatte.
 

Und gerade wenn man vom Teufel sprach klingelte es an der Tür.
 

Ich sprang von der Leiter, schlang den Arm um Lukas‘ Nacken und biss ihm hart in die Nase, was ihn aufschreien ließ.
 

So schliff ich ihn schreiend, lachend und gleichzeitig kreischend zur Tür, öffnete diese und biss ihm zusätzlich in die Ohren.
 

„Das ist deine Strafe!! Sei froh, dass ich dir nicht in den Arsch beiße!!“, fauchte ich.
 

„Das will ich sehen.“ Pascal stand mit einem breiten Grinsen in der Tür.
 

Sein kurzes, schwarzes Haar hatte er leicht zum Irokesen hochgestylt, an den Seiten waren sie ziemlich kurz geschoren.
 

Ich lachte und ließ Lukas kurz los, ehe ich Pascal umarmte.
 

„Hey, du Weltenbummler, willkommen zurück!“, rief ich grinsend und stellte die beiden einander vor. Pascal hatte ein paar Taschen dabei, die er im Flur abstellte.
 

Auch er lachte und nachdem er meine Umarmung erwidert hatte, grinste er nun Lukas breit an, reichte ihm kameradschaftlich die Hand.
 

„Hey, du bist das berühmte Lämmchen!“
 

Lukas‘ verstörtes Gesicht ließ uns beide auflachen, allerdings wich ich seinen Blicken aus. „Na, komm erst mal rein!“, rief ich und schob Lukas weiter.
 

Pascal pfiff leicht deprimiert. „Mann, ihr habt ja schon alles leer geräumt… hier sieht es so trostlos aus!“, beschwerte er sich und machte nicht einmal Anstalten die Schuhe auszuziehen, aber das spielte auch keine Rolle mehr.
 

Den Dreck würde der Penner schon selber wegmachen müssen! Das war nicht mehr mein Bier!
 

Im Wohnzimmer sah er sich um, ich brachte gerade drei Dosen Cola und reichte den beiden jeweils eine.
 

„Ja so hat es auch vorher schon ausgesehen du Depp! Du hast es nur nie gemerkt weil du nie da bist!“, knurrte ich und öffnete zischend meine Dose.
 

Pascal grinste uns beide an und sah von Lukas schließlich wieder zu mir.
 

„Worauf stoßen wir an?“ Auch er öffnete seine Dose, wir beide hielten sie einander hin, Lukas machte nur scheu mit.
 

„Auf einen guten Neustart!“, meinte ich nur.
 

Pascal grinste noch breiter und zwinkerte mir zu. „Und auf das Ende des Heartbreak Hotels!“
 

Lukas verstand wieder nur Bahnhof. „Heartbreak Hotel?“, fragte er verwirrt und starrte uns an.
 

„Ja… wir haben unsere Bude das Heartbreak Hotel getauft.“ Pascal prustete in seine Dose. „Denn entweder hat es den Leuten hier immer das Herz gebrochen, wenn sie hier ein und aus gegangen sind… oder ihm!“ Er prostete mit der Dose in meine Richtung.
 

Ich lachte und stieß noch einmal mit ihm an, schlang dabei meinen Arm um Lukas‘ Hüften und gab ihm einen süßen, prickelnden Kuss auf die Lippen.
 

„Auf das Ende des Heartbreak Hotels.“, wiederholte ich Pascals Worte. „Und auf den Beginn des Fun House!“
 

Pascal lachte wohl am lautesten von uns, aber Lukas schenkte mir nur dieses super süße Lächeln, in das ich mich schon beim ersten Mal verliebt hatte.
 

„Ich liebe dich.“, sagte ich sanft und sein Blick wurde wieder so weich.
 

Es war das erste Mal nach Monaten, dass ich es endlich aussprechen konnte.
 

„Ich bin für Hard Luck House.“, antwortete Lukas nur.
 

„Sag mal, steht ihr beide so sehr auf Elvis? Da habt ihr euch ja gesucht und gefunden.“, meinte Pascal.
 

Jetzt lachten Lukas und ich gemeinsam, es war ein warmer, angenehmer Klang, von dem ich nie geglaubt hätte, dass er jemals meine eigenen vier Wände erfüllen würde.
 

Ende
 

Vielen lieben Dank fürs Lesen, ich hoffe die Geschichte hat euch gefallen :) Wenn ihr Fragen, Flüche, Feedback oder ein anderes Anliegen habt, nur raus damit *ggg*

Christmas Special-Leseprobe

Hallo ihr Lieben!
 

Ein Jahr ist es her und ich dachte, ich schenke ich euch ein kleines Extra!

Wie wäre es mit einer kleinen Christmas Bonusstory zu Heartbreak Hotel?
 

Hier habt ihr eine kleine Leseprobe ;3 Die Geschichte sollte sich zurzeit in der Freischaltung befinden. Wer von mir über die Freischaltung informiert werden möchte, kann mir gerne eine ENS schicken! Ansonsten müsst ihr nach "A Thing Called Love" Ausschau halten!
 

Eure Cait
 


 

A Thing Called Love
 

„Warum fragst der immer mich?“, knurrte ich genervt und hetzte mit schnellen Schritten weiter über den Domplatz. Himmel, Arsch und Zwirn, wer hatte nur dieses Mistwetter bestellt? Und wer war auf die Idee gekommen, bei dieser Eiseskälte shoppen zu gehen?

„Weil du ein viel zu weiches Herz hast, um ihn abzuwimmeln.“ Chris grinste mich von der Seite an und zuckte mit den Schultern. Wir beeilten uns, da wir uns mit Lukas und Elisa im Starbucks treffen wollten. Die Glücklichen saßen im Warmen, während wir uns ganz elendig den Hintern abfrieren durften. „Hör bloß auf!“ Am liebsten hätte ich Chris auch noch eine verpasst.

Sam, ein guter Freund und der Besitzer der Cocktailbar, in der ich zwischendurch arbeitete, hatte mich angefleht die Woche vor Weihnachten noch auszuhelfen. Die meisten Aushilfen waren abgesprungen, zwei hatten sogar gekündigt. Die Tragetaschen in meinen Händen fühlten sich so seltsam bleiartig an. Und die Dinger wurden immer schwerer! Einen Augenblick lang musste ich mich sogar fragen, was ich da tatsächlich gekauft hatte. Weihnachtskrempel oder Backsteine?

„Sag mir lieber, was ich jetzt Lukas erzählen soll!“ Eigentlich hatten wir vorgehabt mit Chris und Elisa nach Berlin zu fahren. Eine Bleibe hatten wir auch schon gefunden, so eine Mini-Pension. Zwei Doppelzimmer für eine Woche, inklusive Frühstück. Jetzt durfte ich zusehen, wie ich ihm erklärte, dass wir nicht fahren würden.

„Ich kann ihn gerne mitnehmen.“ Chris grinste breit und zwinkerte mir zu.

„Als ob er mit euch zwei alleine fahren würde.“ Jetzt musste ich selbst grinsen. Nein, Lukas würde mich sicher nicht alleine lassen, auch wenn das ein wenig idiotisch klang. Aber Lukas war eben so, er würde sich kaum überreden lassen und mit ihnen mitfahren, während ich Zuhause blieb und ackern durfte. Andererseits würde er sicher wütend werden, weil ich einfach ja gesagt hatte, ohne es vorher abzusprechen. Nun, ich wollte ihm auch ehrlich gesagt seine Winterferien nicht versauen.

Um uns herum begann der Weihnachtsmarktes zu öffnen. Die vereinzelten Holzhütten besiedelten den Bereich um den Dom herum, führten ein Stück die Einkaufsstraße hinunter, endeten an einer Gabelung und setzten sich an der nächsten fort.

„Ich würde ihn aber drauf ansprechen, wird sicher langweilig für ihn Weihnachten hier so vor sich hin zu schimmeln, während du arbeitest.“

Danke für diese wertvolle Information, Chris. „Ich arbeite nur bis zum Dreiundzwanzigsten!“, verteidigte ich mich. „An Heiligabend hab ich frei!“ Und was war mit mir? Ich war doch auch nicht scharf darauf allein zu bleiben!

Chris zuckte mit den Schultern. „Wie auch immer, aber er hat sich doch so auf den Trip gefreut.“

Ach ja, klasse! Und ich nicht, oder was?

Mein Blick blieb an dem nächsten, kleinen Café hängen. Hier hatten Lukas und ich vor fast drei Jahren schon einmal gestanden, als ich ihn an der Autobahntankstelle aufgegabelt und hierher gebracht hatte. Genau hier, an dieser Stelle. Wir hatten in diesen Laden hinein gestarrt, dort hatte Lukas‘ Ex-Freund, dieser Geisteskranke, gesessen. Damals hatte er Lukas einfach auf der Autobahn ausgesetzt und war hierher gefahren, um sich genau dort an dem Tisch am Fenster mit irgendeiner Frau zu treffen. Mensch, das hatte vielleicht ein Theater gegeben.

„Hier rein!“ Chris nahm mich am Arm und bog mit mir in eine Gasse hinein. „Sieht dir gar nicht ähnlich Löcher in die Luft zu starren!“

Jetzt war es an mir zu grinsen. Himmel, das war wirklich schon drei Jahre her? Natürlich und Lukas würde bereits im Sommer seine Berufsschule beenden. Mit dem Fachabitur in der Tasche wollte er etwas mit Mediendesign anfangen. Fast jeden Abend, seitdem er sich dazu entschlossen hatte, einen kreativen Beruf ausüben zu wollen, hing er am Laptop. Das googeln nach diversen Studiengängen, Ausbildungen und weiterführenden Schulen schien ihm nie langweilig zu werden. Mittlerweile hatte er es besonders eilig endlich eine Entscheidung zu treffen.

Bevor ich noch etwas sagen konnte, betraten wir den Laden. Eine wohlige Wärme strömte uns entgegen, gemeinsam mit dem wunderbaren Geruch nach Kaffee und Gebäck. Im Hintergrund liefen leise diverse Weihnachtslieder, die die Stimmung im Laden noch abrundeten, der übrigens brechend voll war. Alles war festlich geschmückt, nicht einmal das lästige Geräusch der aufschäumenden Milch nervte. Vermutlich weil es hier eh so laut zuging. Zum Großteil hatten sich hier kleinere Mädchengruppen versammelt, einige von ihnen hoben ihre Köpfe, als Chris und ich eintraten. Mann, ich gab mir wirklich Mühe, nicht allzu breit zu grinsen. Es gefiel mir, dass ich es noch immer schaffte, Blicke auf mich zu ziehen. Nicht, dass ich zu alt und runzelig dafür wäre, lieber Gott ich wurde erst siebenundzwanzig! Dennoch war es doch schmeichelhaft, wenn sich selbst die kleinen Mädchen zu mir herum drehten. Für mich galt mittlerweile alles als „klein“ was jünger als zweiundzwanzig war. Die Weltanschauung eines Menschen und seine Wahrnehmungen veränderten sich selbstverständlich mit der Zeit. Das hatte selbst ich, als berüchtigte, arrogante Arschgeige, irgendwann einsehen müssen. Let me stay young, let me live forever, das war immer mein Motto gewesen. Nun, es war einmal vor langer Zeit. Vor fast drei Jahren, hier in der Nähe, hier in dieser Stadt.



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Kommentare zu dieser Fanfic (38)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Conny-chan
2015-04-08T11:09:41+00:00 08.04.2015 13:09
Oh man herrlich. Lover to Go war ja schon so klasse und ich dachte mir nur; na da linste mal in die anderen FF's rein ;-)
Und siehe da, auch diese ist mal wieder klasse und es heißt: Auf zum nächsten Liebes Abendteuer!!! <3
Von:  HinataShouyou
2013-07-01T16:17:41+00:00 01.07.2013 18:17
Q////////Q OMG!
Ich hasse es wenn ich heulen muss...ich hab kaum was lesen können!

Ich liebe dich dafür das du die Charaktere so toll beschreiben kannst und einfach alles
ich kann mich so gut in ihnen hineinfühle!
Deswegen heul ich auch...määh xDD

bitte hör niemals auf zu schreiben, das würde mir glaube ich das Herz brechen!
Antwort von:  Conny-chan
08.04.2015 13:08
Im Bezug auf dein Weinen: Geht mir genauso. Immer.
Schlimm wenn die Sicht verschleiert wird und man so sehr heult das man nimmer Lesen kann.
Echt Übel ;-)
Von:  MarukaHazmierski
2013-01-22T21:56:46+00:00 22.01.2013 22:56
Habe die ff gestern angefangen und heute früh auf der arbeit zuende gelesen, weil ich einfach nicht aufhören könnte!
Ich mag die charaktere und auch deinen schreibstil und die storyline x3
Alles echt schön umgesetzt, danke für die schönen stunden ;D
Lg haruka
Antwort von:  CaitLin
23.01.2013 07:10
Hallo Haruka :)

Woah, vielen lieben Dank!! :D
Ich freu mich wirklich tierisch darüber, dass Juan und Lukas noch neue Leser finden! Und natürlich freue ich mich noch vielmehr darüber, dass du Spaß an der Geschichte hattest! Ich hoffe du wurdest nicht beim Lesen erwischt! *gg*

Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Und gerngeschehen! ;3

GLG
Cait
Von:  _t_e_m_a_
2012-12-27T14:51:50+00:00 27.12.2012 15:51
So, dieser FF hat mir die letzten Tage versüßt :3
das ich ihn erst jetzt entdeckt habe >____<

Wirklich schön :)
Juans Charakter fande ich sehr gut rübergebracht, auch seine Entscheidungen... klar, man sitzt da und schreit "Neiiiin!" aber ich kenne mich gut genug, um zu wissen, dass ich manchmal genauso dämmlich bin und so ist es auch mal eine schöne Abwechslung, sowas zu lesen :)

Hab heute einen Typen gesehen, der für mich Jan ist xD hab gleich mal meinen Hass auf ihn projeziert ^^ :D

mal gucken, welche story ich von dir ich als nächstes lesen werde :)

liebe grüße, die tema~♥

Von:  _Lilith_
2012-11-26T14:57:13+00:00 26.11.2012 15:57
Q.Q
Ja hab die Komplette FF jetzt durch gelesen und ich muss einfach sagen, diese Geschichte ist einfach unglaublich.
Hab nun ja auch "Lover to go" gelesen und die hier gleich hinterher.
Dein Schreibstil ist einfach wirklich gut, der Lesefluss ist flüssig, man stockt nicht, weil Absätze fehlen oder dergleichen.
Die Charaktere hast du wirklich gut getroffen, irgendwo dachte man sich einfach nur, nein Juan was bist ud für ein Arsch.
Und dann wieder aawww wie süß. Luke xD
Ist und bleibt einfach knuffig, die beiden sind ein niedliches Paar.
Haben ein paar Anlauf Schwierigkeiten gehabt, aber sie dennoch überstanden.
Jan, jedoch mochte ich schon als er das erste mal aufgetaucht ist, nicht. Und die Aktion dann, also echt.

Aber~

Alles in einem, ist diese FF wirklich schön zu Lesen, man muss einfach wissen wie es weiter geht und kann nicht aufhören zu Lesen.
Ich hoffe auf schöne weitere FF von dir und arbeite mich einmal weiter durch deine Liste.^^

LG White Rabbit

Von:  Zeckchen
2012-02-14T15:31:04+00:00 14.02.2012 16:31
eine wirklich tolle geschichte^^
Von:  Hamsta-chan
2011-12-30T19:43:44+00:00 30.12.2011 20:43
ein sehr cooesl und ergreifendes ende deiner geschichte,

gefällt mir sehr gut!!! freue mich auf weitere geschichte ^^

lg

Hamsta-chan
Von:  -ladylike-
2011-12-29T14:53:22+00:00 29.12.2011 15:53
Ooooh ... *snüf*
Vorbeii ...

Spannung im letzten Kapitel ist immer gut! :)
Und was für eine Spannung! Hätte ich keinen Nagellack dreuf, ich schwöre, ich hätte mir die Nägel abgekaut! XD
Gut aufgebauter Spannungsbogen und das mit dem Lämmchen am Ende *grins*
Ich konnte Lukas' Gesicht förmlich vor mir sehen.

Eine wunderbare Geschichte, wirklich! ich hab sie von der ersten bis zur letzten Seite sehr genossen. Sie hat mich zum Lachen, zum Weinen und zum Träumen gebracht.
Ich freue mích sehr, sie gelesen zu haben!
Du bist eine ziemlich gute Autorin!

lg,
lady


Von:  JamieLinder
2011-12-29T10:10:03+00:00 29.12.2011 11:10
Hach ich liebe, liebe , liebe diese Geschichte sooo sehr. ♥
*auf Wolke 7 schweb*
Echt schade, dass sie schon vorbei ist, aber du hast ja schon eine andere Geschichte am laufen...HööHöö.

Juan und Lukas sind mir soooo an Herzchen gewachsen.
*beide einmal knuddel*
Auch wenn man sich am Anfang nur aufregen konnte, ist das Ende so wunderschön. <3
(letztens hab ich im TV eine Sendung geschaut & da kam auch "Heartbreak Hotel" vor. Musste natürlich sofort an deine Geschichte denken. Hööö Ich wüsste garnicht, dass wirklich DIESES Lied damit gemeint war.xD)
Naja, im nachhinein ist man immer schlauer. ;D
*beide noch mal knuddel*
*dich knuddel*
Dankeschön für diese unglaublich süße, herzergreifende & auch herzerwärmende Geschichte. <3
Ich freu mich schon auf die nachfolgenden Storys. <3
Man schreibt sich. :D
Von:  SummerRiver
2011-12-29T07:53:02+00:00 29.12.2011 08:53
Schon vorbei ;-;
Also ich fand die Geschichte furchtbar ergreifend ^.^
Wie das zum Schluss noch einmal abging mit...wie hieß er noch..jan?
Kranker Kerl oO
Auf jeden Fall mega gut ^^

Beste Grüße
Shinda


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