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cross game

ToraxSaga
von

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Prolog

16. Dezember
 

„Ach du Schande, ist das kalt!“, fluchte Hiroto und zog seinen Schal enger um das schmale Kinn. Seine rechte Hand steckte in seiner Manteltasche, während die linke unentwegt auf seinem Handy herumtippte.

„Das hat der Winter so an sich.“, lachte Saga neben ihm und steckte sich gleich eine Zigarette zwischen die Lippen. Kurz darauf flackerte sein Zippo hinter vorgehaltener Hand auf und er klappte die kleine Feuerquelle wieder zu, um es zurück in seine Tasche verschwinden zu lassen. Das Rauchen war auf dem Dach, beziehungsweise auf dem kompletten Schulgelände, zwar verboten, aber das interessierte ihn herzlich wenig.

Er machte immer, was er wollte, wann er es wollte – Und inzwischen hatten die Lehrer es offenbar einfach aufgegeben, ihn zu rügen oder zu bestrafen. Alles Nachsitzen der Welt brachte ja doch nichts.
 

Hiroto lehnte sich neben ihm an die Wand und seufzte, als er endlich sein Handy in seine Tasche steckte. „Ärger mit deinem Lover?“, fragte der Größere daraufhin nur und grinste, woraufhin er sich auch gleich einen Stoß mit dem Ellenbogen einfing.

„Ich hab dir schonmal gesagt, dass das nicht mein Lover ist!“, protestierte er und verschränkte die Arme vor der schmalen Brust.

„Noch nicht.“, gab Saga matt zurück und grinste weiterhin, ehe etwas seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Oder eher: Jemand.

„Was hat Tora denn schon wieder mit Shou und Nao am Wickel..?“, fragte er genervt. Die Geheimniskrämerei seiner besseren Hälfte ging ihm so langsam auf die Nerven, denn seit drei Tagen würdigte der ihn so ziemlich keines Blickes mehr, sodass Saga sich so langsam fragte, ob er etwas falsch gemacht hatte oder ob sein sogenannter Freund einfach nur ein Arschloch war. Zusammen mit einem tiefen Seufzer stieß er eine weitere Wolke Rauch aus den Lungen und schloss kurz die Augen, bis sich plötzlich zwei große, warme Hände an seine Hüften legten und kurz darauf ein Paar Lippen an seinem Hals nippten. „Hi Baby.“

Ein verärgertes Schnauben und er schubste Tora einfach von sich, verschränkte die Arme trotzig vor der Brust. „Oh, hat sich der Herr dazu herabgelassen, mit mir zu reden?“, fragte er spöttisch und sah aus den Augenwinkeln, wie sich Hiroto schon in böser Vorahnung etwas duckte und einen Schritt beiseite ging. Und wäre es nach Saga gegangen, hätte Tora sich wirklich gleich eine gefangen, wenn dieser nicht in weiser Voraussicht seine beiden Handgelenke gepackt hätte. Was musste der Blödmann auch so Riesenpranken und so viel Kraft haben?!

Braune Augen blitzten wütend auf und er wandte sich in Toras Griff, während seine Zigarette langsam die Betonfliesen entlang wegrollte und irgendwann in einer der Fugen liegen blieb und erstarb. „Das Reden würde mir leichter fallen, wenn du nicht jedes Mal so einen Aufstand machen würdest!“, grollte der Schwarzhaarige und Ächzte, denn wenn sein Freund erst einmal so in Rage war wie jetzt gerade, gestaltete es sich durchaus schwierig, ihn zu bändigen.

„Lass mich los, du Arsch!“

„Hör auf zu zicken!“

„Jungs... Jungs!“ - endlich hatte sich noch jemand zwischen die beiden miteinander Rangelnden geschoben, nämlich Nao - „Ist doch gut jetzt!“

Auch Shou stand nun bei ihnen und hatte sich zu Hiroto gesellt, der das ganze Schauspiel noch immer mit einer Mischung aus Furcht und Faszination beobachtete.

„Es ist erst gut, wenn mein Arschloch von einem Freund sich bei mir entschuldigt hat!“, schnauzte Saga und wurde von Nao noch einen Schritt weiter von Tora weggedrängt, hatte nun immerhin auch die Arme wieder frei.

Tora hingegen rieb sich nur mit der Hand über die Kratzstriemen, die er sich in ihrem kleinen Kampf eingefangen hatte, und blickte kühl zu Saga zurück. „Was hab ich denn bitte gemacht?!“

„Gar nichts!“

„Gar nichts?! Warum zickst du dann so?“

„Eben das ist es ja! Du hast gar nichts gemacht! Manchmal hab ich das Gefühl, es interessiert dich überhaupt nicht, ob ich da bin oder nicht, du gibst dich eh nur mit mir ab, wenn's dir grad mal in den Kram passt!“

Okay, das war so zwar nicht hundert prozentig wahr, aber Saga war das grade recht egal, denn hier ging es schließlich ums Prinzip! Und wenn Tora ihn seiner Meinung nach zu wenig beachtete, hatte er auch kein Problem damit, ihm das dermaßen überzeichnet um die Ohren zu hauen.

Zu seiner eigenen Verwunderung entgegnete sein Freund allerdings nichts mehr darauf, sondern schüttelte nur den Kopf und drehte sich um, um gleich darauf zu gehen.

Hatte er da eben etwa... Enttäuschung im Blick des Anderen gesehen?

Saga verstand die Welt nicht mehr. Und irgendwie hatte er das blöde Gefühl, dass das noch lange nicht das Ende dieses Streits sein würde...

19. Dezember
 

Drei Tage.

Drei verdammte Tage, in denen Tora ihn nicht mit dem Arsch angeguckt hatte.

So langsam wurde selbst Saga nervös, der normalerweise so felsenfest von ihrer Beziehung überzeugt war, dass er glaubte, nichts und niemand könne sie beide je auseinander bringen. Und jetzt? Hatte er das vielleicht sogar selber geschafft?

Wenn er nur daran dachte, wurde ihm schlecht – mal wieder. Die letzte Nacht hatte er nicht wirklich geschlafen, sondern nur mit tellergroßen Augen an die Decke gestarrt und doch durch die weiße Tapete hindurch gesehen. Immer nur ihn. Ihn und den Ausdruck in seinem Gesicht. Normalerweise war sein Freund immer das einzig sichere Wesen in seinem Leben gewesen. Jemand, vor dem er sich nie hatte verstellen müssen. Vor dem er sich nie für seinen teils verkorksten Charakter hatte schämen müssen und von dem er sich immer sicher gewesen war, dass jener genau diese Makel an ihm liebte. Und jetzt tat er genau das: sich schämen.

Er schämte sich dafür, dass er gleich an die Decke gegangen war, und das auch noch vor ihren Freunden und der halben Schule, anstatt ihn einfach zu fragen, warum er ihn ignorierte. Er hatte sich im Recht gefühlt und er hatte einfach angenommen, dass er jedes Recht dazu hatte, Tora anzufahren. Nur... offenbar hatte er sich in dieser Hinsicht geirrt, denn der Blick, mit dem sein Freund ihn bedacht hatte, hatte Bände gesprochen. Von Enttäuschung und von Traurigkeit. War er diesmal wirklich zu weit gegangen..?
 

Nachdem ihn der Lehrer zum dritten Mal ermahnt hatte, dass er gefälligst dem Unterricht zu folgen hatte, anstatt durch sein lautstarkes Seufzen und seine hibbeligen Füße eben diesen zu stören, hatte Saga sich selbst damit beschäftigt, einfach den Rücken seines Freundes still anzustarren. Denn im Gegensatz zu ihm war Tora gut in Mathe. Wie so ziemlich in jedem anderen Schulfach. Und Tora folgte dem Unterricht immer aufmerksam, wie ein Musterschüler, und störte niemanden, schrieb bloß fleißig Notizen – bis auf das eine Mal vor über einem Jahr, als Saga neu in die Klasse gekommen war.

Genau an diesem Tag hatte Tora nämlich ausnahmsweise mit hinten gesessen und mit ihm Zettelchen geschrieben. Alles, weil er ihn vom ersten Augenblick an toll fand, wie er ihm viel später gestanden hatte, und es war auch das einzige Mal, an das der Brünette sich erinnern konnte, dass der Andere vom Lehrer ermahnt worden war.

Seufzend (diesmal schlauerweise tonlos) stützte Saga das Kinn in die Handfläche, den Ellenbogen in die Tischplatte gestemmt, und ließ seine Augen über die breiten Schultern hinauf zu den schwarzen Haaren seines Hoffentlich-noch-immer-Freundes wandern. Tora hatte sie sich länger nicht mehr geschnitten und die Strähnen im Nacken waren schon recht lang geworden. Außerdem, wie Saga gerade auffiel, hatte er sie offenbar etwas auftoupiert. Das hatte er doch sonst nie gemacht..?

Und seit wann trug Tora eigentlich Chucks zu seiner Schuluniform, so wie heute Morgen, bevor er in seine Schul-Pantoffeln geschlüpft war? Und... war das etwa ein Lederarmband an seinem rechten Handgelenk? Es war recht breit und ohne silberne Verzierungen wie Nieten oder Ähnliches, aber der Schwarzhaarige trug normalerweise nie Schmuck.

Nun setzte sich der Brünette doch aufrecht hin, um weiter zu beobachten, ob ihm nicht noch etwas Seltsames auffiel. Nein, ansonsten war alles beim Alten, aber nun ließ ihn der Gedanke doch nicht los.

War in Wirklichkeit er derjenige gewesen, der den Anderen zu wenig beachtet hatte?

Eigentlich hätten ihm die Veränderungen doch sofort auffallen müssen, oder nicht? Immerhin war er Toras Freund und bis vor einer Weile hatten sie auch fast jeden Nachmittag miteinander verbracht, aber trotzdem hatte er nichts an dem Anderen als besonders auffällig empfunden.
 

Er musste zugeben: Es stand Tora sogar!

Ein bisschen rebellischer als sonst verliehen ihm diese paar kleinen Veränderungen eine komplett andere Aura. Rebellisch eben. Auch wenn der Größere so gar nicht der Typ für aufmüpfiges Verhalten oder Verstöße gegen die Kleiderordnung war.

Sagas eigene Krawatte hingegen hing immer auf halb Acht und war stets nur lose gebunden, sodass sie eher um seinen Nacken baumelte, anstatt sich zwischen die beiden Kragenenden seines blütenweißen Hemdes zu fügen. Und auch der Gürtel an seiner dunkelblauen Hose war eigentlich immer entweder in einer auffälligen Farbe oder, so wie heute, mit silbernen Nieten besetzt. Und oft genug hatte er sich dafür einen Rüffel bei Tora abgeholt, oder er hatte sich vom Anderen das Hemd in die Hose stopfen lassen müssen. Zugegeben, letzteres war meist in weitaus angenehmere Tätigkeiten ausgeartet, aber dennoch hatte der Andere ihn wissen lassen, dass er es nicht mochte, wenn er gegen die Regeln verstieß. Und jetzt schien er das ganze selber nicht mehr ganz so genau zu nehmen...

Als dann plötzlich die Schulglocke das Ende der Stunde verkündete, schreckte Saga dann doch aus seinem Trance-Zustand und schmiss alles, was er auf dem Tisch liegen hatte, achtlos in seine Tasche und sprintete zur Tür, um Tora gerade so noch einzuholen, der schon dabei war den Raum zu verlassen.

„Tora...“ - und es war leiser über seine Lippen gekommen, als er es vorgehabt hatte, doch der Größere schien ihn gehört zu haben, denn er blieb reglos stehen, ließ die anderen Schüler an sich vorbei in den Flur ziehen und rührte sich nicht, ehe Sagas Hand seine Schulter berührt hatte. Kurz glaubte er, er könnte ein leichtes Zittern unter seinen Fingerkuppen spüren, doch als der Ältere sich umdrehte und ihn ruhig ansah, waren all seine Gedanken wie weggewischt und er konnte nur in die braunen Iriden starren und sich wieder einmal darin verlieren.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

20. Dezember
 

„Morgen, Saga!“, ertönte Hirotos fröhliche Stimme hinter dem Brünetten. Er hatte sich schon immer gefragt, wie man an einem Freitagmorgen so gut gelaunt sein konnte...

„Morgen.“, gab er deshalb nur leise zurück und drückte seine Morgenzigarette an der Mauer aus, an der er lehnte. In der letzten Nacht war der erste Schnee gefallen, wie Saga am Morgen begeisterungslos festgestellt hatte. Tora hatte ihn abends noch nach Hause gebracht und war auch zum Abendessen geblieben, allerdings hatten sie sich die meiste Zeit angeschwiegen und irgendwie hatte er das Gefühl gehabt, dass der Ältere auch den Blickkontakt mit ihm gemieden hätte.
 

„Hast du die Hausaufgabe in Physik?“, fragte ihn dann plötzlich wieder sein bester Freund von der Seite und die Frage ließ ihm die Hitze ins Gesicht schießen, denn immerhin hatte er bei dem Thema Physik seit gestern ganz andere Gedanken.
 

„Ja, ich hab's gestern mit Tora gemacht... also die Hausaufgabe!“, stammelte er als Antwort und hatte das Gefühl, seine Gesichtsfarbe würde langsam von Rosa über Rot zu Magenta wechseln.

„War doch die Zusammenfassung über Einstein, oder?“
 

„Ja, genau die...“, gab Hiroto skeptisch zurück und beobachtete, wie Saga das Gesicht nervös abwandte und in seiner Umhängetasche zu kramen begann, um sich offenbar abzulenken. „Kann ich die gleich noch von dir abschreiben, falls der Alte uns abfragt?“
 

„Sicher...“, antwortete Saga matt und normalisierte sich langsam wieder, als seine Gedanken allmählich in den jugendfreien Bereich zurück wanderten.

Als er jedoch Tora neben Nao lässig neben dem Eingang zum Hauptgebäude an der Wand lehnen sah, wurde ihm schon wieder warm. Trotz der Kälte hatte sein Freund die obersten Knöpfe seines Hemdes offen und die Krawatte hatte er heute komplett weggelassen, sodass die silberne Kette in seinem Ausschnitt zu sehen war.

„Morgen, Baby.“, grüßte dieser ihn auch gleich und zog ihn in eine lockere Umarmung, ehe er kurz nach Sagas Lippen haschte und dessen Laune sofort um einiges aufbesserte. Nao hatte in der Zwischenzeit Shou, der sich auch gähnend zu ihnen gesellt hatte, zu sich gewunken und ihn in ein Gespräch verwickelt – offenbar hatten die beiden sich für den Nachmittag verabredet, denn Nao hatte es sich zum Hobby gemacht, alle Coffeeshops der Stadt (und der umliegenden Städte, wenn er Zeit und Geld am Wochenende hatte) auszuprobieren und schleppte jeden mit, ob er wollte oder nicht, um ihm Gesellschaft zu leisten und weil es, seiner Meinung nach, einfach peinlich war, in einem Café alleine zu sitzen wie bestellt und nicht abgeholt.

Der Matcha-Frappuccino beim letzten Mal hatte Saga allerdings so den Rest gegeben, dass er sich seitdem strikt weigerte, mitzugehen.
 

Kurz vergrub er die Lippen an der Halsbeuge seines Freundes und inhalierte den ihm vertrauten Geruch von Toras Parfum. Es roch recht herb, nach Moschus und irgendetwas, das ihn an Zitronengras oder Sandelholz erinnerte, mit einer großen Portion von dem, was einfach nur Toras eigener Geruch war. Er schloss die Augen und ließ seine Lippen träge über die warme Haut gleiten, während der Schwarzhaarige ihn einfach nur näher an sich drückte und zwei seiner Finger untetr den Bund von Sagas Hose schob und seine Hüfte zu streicheln begann. Der jüngere von beiden genoss diese kleinen Gesten, mit denen der Andere ihn immer wieder eroberte und ihn sich nach mehr sehnen ließ.

Ein leises Murren ließ ihn dann doch aufsehen und er erkannte auch gleich den Grund für den kleinen Laut des Unmuts seitens seiner besseren Hälfte: der Yankee und die Diva, na großartig.

Die beiden hießen eigentlich Reita und Ruki und waren eine Stufe über ihnen, allerdings hing Hiroto in letzter Zeit ständig mit diesem Ruki herum, seit beide sich mit ihren Hunden über den Weg gelaufen waren.

Beide waren blond, beide liebten Hunde und hatten eine Vorliebe für Nerd-Brillen und waren ständig wie besessen mit ihren Handys zugange. Wie beste Freunde. Oder eher Freundinnen, dachte Saga im Stillen böse dazu, denn immerhin hatte er bei Hiroto einen Platz als bester Freund zu verteidigen!

Warum der Yankee dabei war, wusste Saga nicht, und dieser grüßte auch nur mit einem kurzen Heben seiner mit schweren Silberringen bestückten Hand, ehe er sich einfach mitten auf dem Schulhof eine Zigarette anzündete und das benutzte Feuerzeug danach demonstrativ in die hintere Tasche von Rukis Hose stopfte. Dieser hatte nämlich gerade Hiroto in ein Gespräch verwickelt.
 

„...und wenn Saga auch noch mitmachen würde, wäre das perfekt!“, hörte der Brünette ihn nur sagen und schon waren alle Augen auf ihn gerichtet.
 

„Huh?“, fragte er deshalb mal intelligent nach und hob die Augenbrauen.
 

„Ich brauch euch als Modelle für meine Abschlussarbeit in Fotografie.“, erklärte Ruki und lächelte, „Ich will keine 08/15-Leute, sondern richtige Typen, die Ausstrahlung mitbringen.“
 

„Auch wenn Saga die Ausstrahlung von 'nem Toastbrot hat.“

Die Stimme war von hinter ihm gekommen und Saga sah nur mürrisch in Naos grinsendes Gesicht.
 

„Was soll das denn heißen?“

Wieder nur ein Kichern. „Sorry, ich verarsch dich einfach zu gerne.“, gab der Andere zurück und legte kurz beschwichtigend die Hand auf Sagas Schulter. Dieser schnaubte nur und wandte dann den Blick kurz zu Tora, der sich gerade mit Reita im Todesblicke-Zuwerfen zu duellieren schien.
 

„Heute Nachmittag bei uns wäre das erste Shooting, kannst dir ja überlegen, ob du auch kommst.“, sagte Ruki schließlich und stieß Reita kurz an, um ihn zum Gehen zu bringen.
 

„Bis nachher!“, rief Hiroto ihm noch nach, als auch schon die Schulglocke klingelte.
 

„Mann, hab ich jetzt Bock auf Englisch!“, warf Tora in ihre Runde, die sich gerade gemeinschaftlich ins Gebäude und in den ersten Stock aufmachte. Die Ironie in dieser Aussage war unverkennbar und brachte sie alle zum schmunzeln. Tora beschwerte sich eigentlich fast nie über den Unterricht, aber wenn er offensichtlich müde war wie heute und dann auch noch Englischunterricht in der ersten Doppelstunde anstand, konnte er dann doch mit den leisen Flüchen nicht an sich halten. Ihre Englischlehrerin hätte er schon am ersten Tag am liebsten gefressen und jeder wusste, dass dieser Hass auf Gegenseitigkeit beruhte.

„Sieh es positiv: In 90 Minuten bist du sie für den Rest der Woche los!“, sagte Saga und griff nach der Hand seines Freundes, die dieser ihm jedoch sofort wieder entzog. Tora mochte es nicht, wenn Lehrer sie zusammen sahen.

Lautlos seufzte der Jüngere daraufhin und begab sich zu seinem Tisch in der letzten Reihe neben Hiroto, ließ sich mehr auf den unbequemen Stuhl fallen, als dass er sich setzte. Böser Fehler, stellte er fest, als er den Schmerz in seinem Hintern spürte und kurz die Augen schließen musste, um das unangenehme Gefühl zu verdrängen. Sein bester Freund neben ihm warf ihm ein Grinsen und einen wissenden Blick zu.
 

Gott sei Dank war die erste Doppelstunde recht schnell rum und die Lehrerin ließ sie auch mit nicht allzu viel Hausaufgaben abziehen. Saga stopfte sein Zeug in seine Tasche und stand auf, denn als nächstes stand Physik auf dem Plan und dafür mussten sie den Raum wechseln. Der Naturwissenschafts-Bereich befand sich im Westflügel des Gebäudes und einer der Wege führte durchs überdachte Freie, weshalb die Hälfte der Schüler die Gelegenheit für eine Zigarette nutzte, denn der Bereich war vom Lehrerzimmer aus nicht einsehbar und auch in dem Gang gab es keine Fenster, die den Blick nach Innen ermöglicht hätten. Zwar mussten den Lehrern oder zumindest dem Hausmeister schon lange die vielen Zigarettenstummel in den Gebüschen aufgefallen sein, gesagt hatte bisher jedoch niemand etwas.

Auch Tora steckte sich gerade einen Glimmstängel an, deshalb gesellte sich der Brünette einfach zu ihm, um ihn anzuschnorren, denn er selbst hatte die letzte Kippe aus seinem Päckchen auf dem Weg zur Schule geraucht. Nao neben ihm nuckelte müde an dem Strohhalm seines Kakao-Trinkpäckchens und Shou schlurfte einfach nur gähnend hinter der Gruppe her.

„Du solltest wirklich zu dem Fotoshooting gehen.“, meinte Tora plötzlich und kippte beim Ausatmen den Kopf in den Nacken, schaute an die weiß verputzte Decke des Säulenganges, der an der Seite des Gebäudes entlang führte.
 

„Wieso das?“, fragte Saga und hob verwundert die schmalen Augenbrauen. Im Gegensatz zu seiner Aussage wirkte seine ganze Körpersprache irgendwie gegenteilig, denn inzwischen hatte Tora die Arme vor der Brust verschränkt. Als Saga gerade anfing, sich Sorgen zu machen und den Mund öffnete, um noch weiter nachzufragen, grinste der Ältere ihn auch schon breit an.
 

„Zum Einen, weil ich dann vielleicht 'n paar Abzüge von den Bildern kriege, und zum Anderen, weil Reita dann live sieht, wie scharf mein Freund ist und hört dann endlich mit seiner Mein-Freund-ist-besser-als-deiner-Nummer auf.“

Denn das war nämlich der Grund, warum Tora jedes Mal so genervt war, wenn Reita auf der Bildfläche erschien. Der Blondschopf und er waren eigentlich befreundet, auch, wenn man ihnen das so überhaupt nicht ansah. Im Gegenteil. An den Wochenenden gingen sie gerne zusammen trinken, aber kurz nachdem Saga und Tora zusammengekommen waren (und Reita und Ruki waren etwa zur gleichen Zeit ein Paar geworden) und einer von beiden im Suff mit blumigem Vokabular mit seinem fantastischen Sexleben geprahlt hatte, trugen die beiden eine ewig währende, wenn auch Gott sei Dank nicht blutige, Fehde aus, wer denn nun der bessere Lover war.

Tora behauptete, Reita hätte damit angefangen.

Der wiederum sagte das gleiche über Tora.

Zuzutrauen wäre es beiden gewesen, denn beide sagten offenbar viel, wenn die Nacht lang und der Alkohol prozentreich war...
 

Leise lachte Saga nun also auf und hakte sich bei Tora ein, während sie weitergingen und schließlich vor der Glastür, die der Eingang zum Westflügel war, stehen blieben, um ihre Kippen auszudrücken und ins Gebüsch zu schmeißen. Saga wusste jetzt schon, dass er die gesamte Stunde lang abgelenkt sein würde, denn seine Gedanken schweiften schon wieder in den nicht ganz jugendfreien Bereich ab, wenn er nur an die Zusammenfassung über Einstein dachte. Er dachte an die Resolutheit, mit der der Schwarzhaarige ihn dominiert hatte, und das an einem Ort, dessen Gegebenheiten sadistischer nicht hätten sein können – ein Ort der Stille, wo Saga doch normalerweise immer laut war...

Irgendwie, so beschloss er, würde er das seinem Freund noch heimzahlen.

„Du musst dich schon ausziehen, sonst wird das nichts...“, sagte Ruki beinahe gelangweilt und verschränkte die Arme vor der schmalen Brust. Hinter ihm stand Reita und daneben sein vermeintlich bester Freund Hiroto und allesamt starrten sie ihn interessiert an.
 

Wie war er nochmal in diese Situation geraten? Ach ja...
 


 

Nach der Schule hatten er und Hiroto sich aufgemacht, erst kurz in einem Ramen-Shop zum Mittagessen, dann zu Rukis Wohnung. Wie der Knirps sich eine eigene leisten konnte als Schüler – geschweige denn so eine riesige, wie er später herausfinden würde – war ihm ein Rätsel und ließ ihn einfach nur staunen. Wahrscheinlich hatte er insgeheim Verbindungen zu den Yakuza und würde sowohl ihn als auch Hiroto noch heute an den Höchstbietenden verschachern... oder sein komischer Yankee-Freund war doch Zuhälter. Oder zumindest Schläger. Vielleicht waren sie Mitglieder einer Gang..?

Seine Gedanken wurden mit jedem Schritt absurder und irgendwann zwischen zwei Straßenzügen drehte sich ihm fast der Magen um vor Nervosität. Wenn er es sich recht überlegte, konnte er sich nicht daran erinnern, schon einmal so richtig fotografiert worden zu sein. Na gut, für die Jahrbücher in der Schule vielleicht – aber das waren ja nur Portraits und jeder hatte seine Schuluniform an, die Haare ordentlich gekämmt und so weiter. Aber das, was ihm heute Nachmittag bevorstand, war dann doch ein anderes Kaliber.

Zwar hatte er unterwegs bei sich zu Hause ein paar Klamotten eingepackt, die er gerne trug, allerdings hatte er keinen Plan davon, was ihr „Fotograf“ denn eigentlich von ihnen erwartete. Er war sich noch nicht einmal sicher, ob er die Ausstrahlung hatte, die der Kleinere offenbar an ihm bemerkt hatte. Seine „Ausstrahlung“ konnte manchmal offenbar nicht einmal seinen eigenen Freund davon abhalten, ihn zu ignorieren, geschweige denn Hiroto davon, ihn seinen bester-Freund-Posten zu räumen, um Platz für den hundefanatischen Ruki zu machen.
 

Ein Ellenbogen landete plötzlich zwischen seinen Rippen und er war gerade dabei, sich zur Seite zu drehen und Hiroto gehörig anzupöbeln, als ihm dieser nur einen vielsagenden Blick zuwarf. „Bist du da festgewachsen, oder was?“
 

Oh?

Er hatte gar nicht bemerkt, wie sie die letzten zwei Blocks zurückgelegt hatten und nun stand Hiroto in der offenen Haustür von dem Gebäude, in dem Ruki seine Wohnung hatte.

Kurz schüttelte Saga seinen Kopf, dann betrat auch er das Gebäude, das, zu seiner Verwunderung, mit Marmorfußboden und Stuck an der Decke ausgestattet war. Die Eingangshalle allein sah schon eher nach fünf Sterne Hotel aus, als nach einem Apartmentkomplex und auch der verspiegelte Aufzug mit goldenen Ornamenten in den Spiegelecken stand dem in nichts nach. Zusammen mit Hiroto fuhr er in den fünften Stock des Gebäudes herauf und schließlich standen sie vor einer der blanken Stahltüren, die irgendwie so gar nicht zum Rest der Aufmachung passten. Die Flure mit den Wohnungen wirkten eher modern, offenbar ließen sich die Türen mit Schlüsselkarten oder PIN-Code öffnen, denn neben dem Türrahmen konnte er eine Schaltfläche mit Nummernblock erkennen. Die Fußböden waren gefliest und alles wirkte eher kühl und auch die Wände waren in simplem Weiß gestrichen.
 

Als sich die Tür jedoch öffnete und er die große, lichtdurchflutete Wohnung betrat, war Saga sich sicher, dass Ruki irgendwie zu viel Geld haben musste... Fast entkam ihm ein sehnsüchtiges Seufzen, denn insgeheim hegte er schon länger den Wunsch, mit seinem Freund zusammen zu wohnen – es nervte, dass sie kaum Privatsphäre hatten und wenn sie sich bei einem von ihnen im Zimmer einschlossen, mussten sie trotzdem aufpassen, dass niemand plötzlich unerwartet nach Hause kam, oder dass sie nicht zu laut waren.

„Willkommen in meinem bescheidenen Heim.“, sagte Ruki ruhig, während Saga und Hiroto die Schuhe von ihren Füßen pellten und ihre Jacken aufhängten.

„Ich seh' schon, wie bescheiden das ist...“, erwiderte Saga trocken und Hiroto lachte leise. Sie wurden in den großzügigen Wohnbereich geführt, der nach oben hin offen war. Der Schlafbereich schien oben auf der Gallerie zu sein, denn außer einer Tür, die offenbar zum Badezimmer führte, war alles offen gehalten und Saga konnte beim besten Willen kein Bett oder Ähnliches entdecken. Sie waren unter dem Dach und eben dieses war zu einer Seite der Wohnung schräg und komplett verglast.
 

„Fühlt euch wie zuhause. Wollt ihr Tee, während wir das Shooting besprechen?“

Rukis Lächeln war irgendwie... anders als noch heute Morgen. Und auch anders, als Saga es bisher jemals gesehen hatte. Offenbar fühlte sich der kleine Blonde nur in seinen eigenen vier Wänden wohl genug, um so entspannt zu lächeln.

Hiroto nickte eifrig und setzte sich auf die große Couch, auf der unzählige Kissen verteilt waren. Saga tat es ihm gleich und zog die Füße neben sich auf das weiche Polster. Von ihrem Platz aus hatten sie einen guten Blick über das ganze Apartment und konnten beobachten, wie ihr Gastgeber in der offenen Küche den Tee aufgoss und ihn kurze Zeit später zu ihnen herüber brachte.

„Ich hab mal ein paar Mappen vorbereitet, dann könnt ihr euch angucken, was ich so mache.“, sagte er und ließ sich ebenfalls in eines der Kissen sinken, ehe er den ersten Schluck Tee nahm, „Garderobe habe ich auch jede Menge da, ihr müsst euch nur für was entscheiden, während Rei und ich das Studio aufbauen.“
 

Und wie aufs Stichwort ging die einzig geschlossene Tür in der Wohnung auf und Reita trat halbnackt aus dem Badezimmer, sich die blonden Haare mit einem Handtuch trocken rubbelnd.

Hiroto spuckte fast seinen Tee über den Tisch mit den Fotomappen und auch Saga hätte vor Schreck fast seine Tasse fallen lassen (keine gute Idee, denn sogar die wirkte teuer) und konnte sich in letzter Sekunde noch zusammenreißen und seinen Mund geschlossen halten.
 

„Yo!“, grüßte der Blonde und fing sich im nächsten Moment schon einen Stoß mit dem Ellenbogen ein, denn Ruki war aufgestanden und schob Reita nun in Richtung Treppe.
 

„Anziehen! Wir müssen gleich aufbauen, bevor du zum Training fährst, also macht's nix, wenn's schnell geht!“, giftete der Zwerg und plusterte seine Wangen auf, während der Größere beschwichtigend die Hände hob und gemächlich die Treppe hoch trottete.
 

„Jaja, Meister, wird gemacht.“ - und so verschwand er pfeifend am oberen Ende der Treppe.
 

Hiroto hatte sich mit hochrotem Kopf eine der Mappen gekrallt und blätterte nun durch diese, was seinem erhitzten Gemüt allerdings nicht sonderlich half, denn in besagter Mappe befanden sich mehrere Fotos von Reita und auch Ruki selber mit relativ wenig Kleidung und mit krassem Styling.

Sowas wollte er also von ihnen sehen..?

Saga schluckte ebenfalls.

Gerade noch überschlug er im Kopf den prozentualen Anteil ihrer Fluchtchancen, als Ruki nur lautstark zu lachen anfing.
 

„Keine Sorge, ihr müsst nicht nackt vor die Kamera. Heute ist Fashion Shooting angesagt!“, erklärte er und Hiroto ließ sofort erlöst die Schultern sinken. „Ich hab mir von einer Freundin aus der Uni ein paar ihrer geschneiderten Sachen ausgeliehen. Ziemliche Unikate, aber wir kriegen's schon hin, dass es euch steht!“

Er zog mit Reita zusammen noch die weiße Leinwand hoch, dann stand das Heimstudio auch schon und Saga musste zugeben, dass es tatsächlich richtig professionell aussah mit den ganzen Lichtern und Reflektoren und der großen Spiegelreflexkamera, die auf ihrem Stativ schon bereitstand.
 

Es dauerte noch eine halbe Stunde und jede Menge Haarspray und Make-up, bis Saga sich ungewollter Weise in der Situation am Anfang befand.
 

Seine Hände krallten sich fast panisch in das Hemd seiner Schuluniform, die er noch immer trug, und er schüttelte den Kopf, die Zähne fest aufeinander gepresst. Hiroto hatte sein modisches Outfit bereits an – eine cyanfarbene Jeans mit weißem Nietengürtel, eine lange, weiße Weste auf der vorne der Länge nach goldene Streifen aufgenäht waren und darüber ein schwarzer Mantel mit grün und pink abgesetztem Futter. Als er jedoch sein vermeintliches Outfit gesehen hatte, war ihm ganz anders geworden. Das glänzende, blutrote Jackett und die enge, schwarze Hüftjeans zeigten mehr von seinem schmalen Körper, als er gewohnt war und auch die auftoupierten Haare und das Schwarz um seine braunen Augen gaben ihm nicht wirklich mehr Selbstbewusstsein. Sich für Tora sexy anzuziehen war eine Sache, aber vor der Kamera wurde ihm dann doch ganz schlecht.
 

„Du musst dich schon ausziehen, sonst wird das nix.“, wiederholte Ruki nun schon zum dritten Mal und hielt ihm den Bügel mit den Kleidern entgegen, als würde er die Sachen jetzt endlich nehmen.
 

„Ich würde ja, wenn ihr mich nicht alle dabei anstarren würdet!“, patzte er zurück und sah nur, wie sich Reitas Mund zu einem dreckigen Schmunzeln nach oben zog.
 

„Also hat Tora doch nur geblufft, als er meinte, du seist heiß. Oder brauchst du Hilfe beim Ausziehen?“, sagte er und hob eine seiner schmal gezupften Augenbrauen Richtung Haaransatz... woraufhin er sich gleich eine über den Kopf einfing.
 

„Du kommst zu spät zum Training, Darling.“, zischte Ruki seinen Freund an und dieser hatte wohl plötzlich Laufen gelernt, denn er sprintete die Treppe nach oben und kam eine Sekunde später mit seiner Sporttasche zurück, um Ruki noch einen Kuss auf die Schläfe zu drücken und zu verschwinden.
 

„Vollhorst.“, gab jener trocken von sich und schüttelte den blonden Kopf, ehe er die Sachen einfach auf Sagas Schoß warf und Hiroto am Arm packte. „Komm, wir machen noch Tee und ein paar Snacks, während Saga sich umzieht. Wo das Badezimmer ist, weiß er ja.“
 

Saga seufzte erleichtert und ließ seine zuvor noch angespannten Schultern sinken, ehe er einen erneuten Blick auf das für ihn bestimmte Outfit warf. Mit der Hose konnte er ja noch leben, aber... nur ein Blazer? Wieder seufzte er und erhob sich schließlich von der Couch, um zumindest die Hose zu wechseln. Auch seine Krawatte legte er schon ab, aber noch zögerte er sein Hemd aufzuknöpfen.

„He, Ruki... kannst du mir dazu nicht wenigstens ein Shirt für unten drunter geben?“

Er hatte ziemlich leise gefragt und fragte sich selbst im nächsten Moment, ob die beiden es überhaupt gehört hatte, doch sofort stoppte das Klappern der Tassen und Teller in der offenen Küche und Ruki drehte sich zu ihm um und lächelte milde.
 

„Machst du dir Sorgen um deine nackte Brust?“, stellte der Blonde die Gegenfrage und auch Hiroto sah ihn nun verwundert an. Normalerweise ließ Saga keinen Zweifel an seinem übergroßen Ego, aber eigentlich...
 

„..Eigentlich mag ich sie nicht.“, erwiderte er kleinlaut und sah zur Seite weg. Unten auf den Straßen fuhren die Autos vorbei, die von hier oben irgendwie fast schon wie Spielzeuge aussahen. Ihn packte eine Gänsehaut bei dem Gedanken, was Tora dazu sagen würde...
 

Vielleicht bekomme ich dann ja ein paar Abzüge.
 

„Hier.“, schreckte Ruki ihn aus seinen Gedanken und hielt ihm ein schwarz-rot-gestreiftes Oberteil entgegen. „Das gehört eigentlich zu einem anderen Outfit und der Ausschnitt ist recht tief, aber es passt zum Rest.“
 

Vielleicht war der Knirps doch netter, als er gedacht hatte.

Offenbar hatte er nicht vor, Saga bloßzustellen oder ihn sich unwohl fühlen zu lassen, denn seit sie hier waren, hatte er alles daran gesetzt, dass sowohl er als auch Hiroto sich möglichst wohlfühlten und jetzt, wo Reita nicht mehr da war, hatte er ja auch eigentlich nichts zu befürchten, oder..?

„Und mach dir keine Sorgen. Außer uns und meinem Professor bekommt die Fotos niemand zu sehen. Außer, du möchtest Abzüge für deinen Freund.“, sagte der Blonde nun lächelnd und hielt ihm abermals das Oberteil unter die Nase.
 

„Danke.“
 


 

Wow.
 

Dafür, dass Hiroto sonst so zurückhaltend und schüchtern war, musste Saga zugeben, dass er vor der Kamera ganz schön aufdrehte.

Der Kleine warf sich in sexy Posen, lachte, drehte sich, und schließlich zeigte er sogar mehr Haut, als er wohl ursprünglich vorgehabt hatte, denn die Knöpfe an seinem ärmellosen Oberteil waren bis eben noch geschlossen gewesen.
 

„Okay, das reicht erstmal.“, ließ Ruki verlauten, „Saga, du bist dran!“
 

Noch ein Mal atmete der Angesprochene tief durch und strich sein Oberteil glatt, dann trat er mit seinen geputzten Springerstiefeln auf die blütenweiße Leinwand, die über den Boden reichte.

Und stand.

Die Lichter waren wärmer, als er es sich vorgestellt hatte und draußen hatte es inzwischen schon zu dämmern begonnen, weshalb er seine eigene Reflektion in den großen Scheiben neben sich sehen konnte. Eigentlich sah er ja schon gut aus. Das Makeup würde er sich merken, denn einen Anlass dafür würde es in Zukunft bestimmt noch geben, und auch seine Haare gefielen ihm.
 

„Du stehst wie ein Schluck Wasser in der Kurve.“, meinte Hiroto trocken und stopfte sich einen Cracker zwischen die Lippen, während er von der Seite beobachtete.
 

„Ich hab keinen Plan, was ich machen soll.“, entgegnete dieser und seufzte. Sexy posen war einfach nicht sein Metier.
 

Ruki lachte leise und trat einen Schritt hinter seiner Kamera hervor auf Saga zu, die Arme verschränkend.

Er gab seinem Model in Spe einfache Anweisungen, wie er bequem stehen konnte, aber trotzdem eine gute Körperspannung behielt und es dauerte eine Weile, aber bald fühlte sich Saga schon etwas wohler in seiner Haut – nicht zuletzt, weil sowohl Ruki als auch sein bester Freund, ihm immer wieder Bestätigungen gaben.

„Fass nochmal in deine Haare, das sah gut aus! Und den Mund leicht öffnen!“, meinte Ruki und grinste.

Saga saß inzwischen auf der Erde, ein Bein ausgestreckt, das andere locker angewinkelt und versuchte, irgendwie verführerisch mit seinen braunen Haaren zu spielen.

„Denk einfach an Tora! Wir sind gar nicht da!“, lachte Hiroto von der Seitenlinie und ließ sich auf das Sofa fallen, um seine Stiefel auszuziehen.
 

An Tora denken...

Kurz schloss Saga die Augen und tatsächlich erschien das Bild von seinem Freund vor seinem inneren Auge. Wenn nur Tora und er hier wären, hätte er vielleicht die Bestätigung, die er brauchte. Vielleicht würde er ihm sagen, dass er gut aussah, würde ihn in den Arm nehmen und lächeln und ihm ebenfalls durch die Haare streichen, so, wie Saga es gerade selbst tat, als er die Augen wieder öffnete und der Blitz plötzlich losging.
 

„Mann, das war das heißeste Fick-mich-Gesicht, was ich seit langem gesehen hab!“, gab Ruki von sich und nickte bestätigend. Hiroto kicherte nur und trat neben ihren Fotografen.

„So ist das immer, wenn er an Tora denkt. Der ist einfach immer noch verknallt bis über beide Ohren und seine krumme Nase!“
 

„Lass meine Nase in Ruhe, Pon!“, giftete Saga zurück und bemerkte, wie ihm die Hitze in die Wangen kroch.
 

Wann war er eigentlich so locker geworden? Es störte ihn gar nicht mehr, dass Hiroto und der Knirps ihn gerade so sahen – eigentlich freute er sich eher, dass sie ihm halfen und er am Ende vielleicht ein schönes Foto für seinen Freund mit nach Hause nehmen konnte. Ja, Tora würde sich sicherlich freuen. Auch, wenn er ihn zwingen müssen würde, das Foto irgendwo zu verstecken, wo es niemand sonst zu Gesicht bekam!
 

„Ich will noch.. ein Bild für Tora.“, sagte er leise und stand wieder auf, ehe er sich den Blazer von den Schultern streifte und das Oberteil über den Kopf zog, es achtlos zur Seite warf. Die Jacke zog er anschließend wieder über und zog sie mit den Händen vor seinem Körper leicht zu.

„Aber das kommt nicht in deine Arbeit!“, fügte er noch mahnend hinzu und sah Ruki an, der nur nickte und einen seiner Mundwinkel nach oben zog.
 

„Okay, wir machen ein Spezialfoto nur für ihn. Hiroto, mach bitte mal das Deckenlicht aus.“, sagte er und deutete auf den Schalter neben der Tür, der einen Moment später umklappte und die Wohnung ins Halbdunkel tauchte. Ruki dimmte auch die Leuchten am Fotoset etwas und justierte die Reflektoren neu, sodass Saga sehr sanft beleuchtet war und seine sonst so blasse Haut einen gesunden, warmen Ton bekam. Er erinnerte sich, ein derartiges Foto in einer der Mappen gesehen zu haben – das Model war kein anderer als Reita gewesen – und er hatte zur Abwechslung mal richtig gut ausgesehen.
 

„Sieht man mich überhaupt?“, fragte Saga nun doch zweifelnd und sah sich um, denn der Fotograf und auch Hiroto standen so weit im Dunkeln, dass er sie nicht sehen konnte. Nur die Reflektion der Kameralinse gab ihm einen Anhaltspunkt darüber, wo zumindest Ruki stehen musste.
 

„Keine Sorge, ich weiß, was ich tue. Entspann dich einfach und beweg dich, wie du es für richtig hältst, ich drück dann einfach nur auf den Auslöser.“, gab dieser zurück und es war plötzlich unendlich still in dem großen Raum.

Sagas Brust hob sich einmal weit, als er tief einatmete, dann schloss er noch einmal die Augen und dachte an Tora.
 

„Du bist so schön, Baby.“

Toras weiche Stimme an seinem Ohr ließ eine Gänsehaut über Sagas Körper laufen und er streckte den Rücken durch, als Lippen sich sanft über seine Brust und seinen Bauch schoben und eine Zungenspitze in seinen Nabel tauchte. Seine Hände waren über seinem Kopf an das Bettgestell gefesselt und seine Schenkel lagen über den breiten Schultern seines Freundes, ausgeliefert.

Dennoch hatte er keine Angst, keine Scham, denn er wusste, dass er ihm vertrauen konnte. Wem, wenn nicht ihm?

Heißer Atem fegte über seine sensible Haut, ließ ihn sich erneut aufbäumen und sich hingeben, Finger strichen federleicht über die Innenseiten seiner Schenkel und er ließ endlich alle Anspannung los, alle Barrieren fallen, und sah in Toras dunkle Augen.

„Nimm mich.“
 

Als er Hiroto von diesem ersten Mal mit Tora erzählt hatte, hatte dieser ihm den Vogel gezeigt. Wie unromantisch, gleich beim ersten Mal mit Bondage loszulegen, und ob er sich sicher wäre, dass der Große nicht nur das Eine von ihm wollte.

Aber Saga wusste, dass er damals wahrscheinlich aus dem Bett gesprungen und aus dem Fenster geflüchtet wäre vor lauter Scham, hätte Tora ihn nicht vorsorglich gefesselt. Im Nachhinein war er ihm sogar dankbar dafür, denn andernfalls hätte er diese Erfahrung nicht machen können, wäre weiter zu schüchtern gewesen, offen mit ihm zu sein und ihm schließlich seine Gefühle zu gestehen. Wahrscheinlich wären sie jetzt nicht einmal zusammen.

Wahrscheinlich hätte Saga ihn von sich geschoben, auch innerlich, und wäre weiter einsam geblieben. Er hätte weiterhin nur seinen besten Freund gehabt, nicht noch Tora, Nao, Shou und noch mehr Leute, die er alle nach und nach kennen lernte. Und alles, weil Tora ihm in genau dieser Nacht die Angst genommen hatte. Die Angst, verletzt zu werden, wenn er sein wahres Ich zeigte, wenn er Menschen zeigte, dass sie ihm wichtig waren, denn nicht jeder war ein Sozialkünstler wie Hiroto, der es wie kein anderer verstand, Saga zu verstehen und an der Hand zu nehmen. Die Scham und den Ekel vor seinem eigenen Körper.
 

Als er die Augen öffnete, spielte ein Lächeln auf seinen Lippen. Seine Hand war noch immer in seinen Haaren und die andere lag leicht am Kragen der roten Jacke. Seine Füße standen fest in den schweren Stiefeln auf dem Boden, sein Rücken war gerade und er fühlte sich, zum ersten Mal seit langem, stark und zufrieden.
 

Tora... bitte lass mich nicht mehr gehen...
 


 

Und in diesem Moment klickte der Auslöser.



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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Von:  Jyll
2013-03-21T19:51:58+00:00 21.03.2013 20:51
Viel zu wenig Kommis...immer das gleiche Problem, echt unmöglich.
Versteh ich nicht, ich bin gespannt auf die neuen Kapitel. Die Beziehung zwischen Saga und Tora wird gut rüber gebracht und ist anders und speziell.
Aber ich hab sowieso einige deiner FFs in der Favoliste <3
Von:  MikaChan88
2012-03-09T19:17:44+00:00 09.03.2012 20:17
total super kapi ^-^
Von:  AmanoShinji
2012-03-04T01:45:34+00:00 04.03.2012 02:45
hach jaaaaa. wie ich es immer wieder lesen könnte! die ganze ff! und wir sind schon beim 20 dez!!! >DDD ich bin ur gespannt was du dir weiter ausgedacht hast!!!!!
der letzte absatz gibt es mir so!!!
genauso läuft es in meinem fiktiven parallelunivesum zwischen tora und reita ab! saufkumpanen of doom und konkurrenten wo's nur geht! >DDDDDD
einfach episch >DDDD
ich meine, reita hat keine chance, er kann nur verlieren. immerhin ist ruki der fotograf! >D würde reita saga beleidigen, wäre das eine beleidigung an ruki selbst, der sein model falsch in szene gesetzt hat >DDD
wie du es selbst sagen würdest: SCHADE SCHOKOLADE!!! HAHAHAHAHAA >D
mal sehen was du daraus machst >D ich bin wirklich sehr gespannt

aber hach, ur süss, wie saga immer wieder an seine physik nachhilfe denken muss... >D gut, wer würde es nicht.~

das einzige was mich belastet ist immernoch die distanziertheit von tora.... da wird sicherlich noch eine bombe hochgehen.... irgenwann... und ich weiß jetzt schon, dass es mir nicht schmecken wird! aber dennoch, mal sehen, was du dir noch so alles ausdenkst! >D

ich kanns wie immer kaum abwarten, bis es weitergeht, kei-pon! <3
Von:  MikaChan88
2012-01-23T14:44:00+00:00 23.01.2012 15:44
total super ff ^-^
Von:  -lucky-
2012-01-11T17:42:48+00:00 11.01.2012 18:42
ich bin einfach nur begeistert <3
dein stil lässt sich einfach und flüssig lesen und das kapi geht weg wie nichts - eigentlich schade, weil man dann ungeduldig aufs nächste wartete v.v, aber auch verdammt gut, weil keine langeweile aufkommt

ich kann nur sagen: hut ab, meine liebe und schreib schnell weiter, weil auch ich sie ab jetzt mit adleraugen verfolgen werde *glare* xD~ <3

unteranderem ist es eine schöne idee und die beiden kapitel lassen jetzt noch nicht wirklich darauf schließen, wie es weiter gehen wird und das finde ich verdammt von vorteil, da sich die ungeduldigen leser dann selbst noch etwas zusammen reimen können
ich mag auf jeden fall deinen schreibstil und das kommt bei mir echt selten vor ^^'

um es in den worten deiner freundin auszudrücken: ME GUSTA
xDDDDDDDDDDDD~
Von:  AmanoShinji
2012-01-11T02:26:47+00:00 11.01.2012 03:26
Und wie ich es jetzt noch ein drittes und viertes Mal gelesen habe, einfach weils BRANDNEUER STOFF ist!!!!!!!!!!
Aber Kei, du weißt, was das bedeutet!!!! Mich lässt man nicht allzulange warten, sonst werd ich böse! Also sieh zu, dass du ganz flott in die Tasten haust!!! >D

Zu dem Kapitel kann ich nur folgendes sagen 'Omnyomnyomnyom!!!!!!!!'
Einfach phänomenale, kosmische Kräfte!!! xDD'''

Wie dumm Saga einfach mal ist. Man siehe, dieser Mensch scheint ein purer Egoist zu sein, der nur auf sich selbst fixiert ist und wie Tora das einfach nicht verdient hat. Aber ich bin gespannt was du aus der Situation zaubern wirst.
Dein Spoiler macht mich so dezent nervös, dass ich wirklich ganz schnell Nachschub brauche!!!!
Übrigens bin ich zu tiefst angetan von Toras Beschreibung!!! Da hat aber jemand bei Shunka die Augen aufgemacht!!! Gute recherche ist eben doch alles!!! <3
Tora likes!!!!!
Von:  AmanoShinji
2012-01-11T01:10:32+00:00 11.01.2012 02:10
Wie ich keine Widmung bekommen habe, obwohl diese FF ganz alleine mit gehört!!!!!!!!!! >DDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD

Dennoch, ich hab das erste Kapitel so was von genossen!!!!! Ich saß schon alleine beim ersten Satz wie auf heißen Kohlen, einfach, weil ich absolut keinen Schimmer davon hatte, was dein Hirn sich ausgedacht hat!!!
Und wie hätte es anders sein können, eine Schul-FF, nachdem wir eh über Shunka gesprochen hatten! Ich liebe dich dafür!!!!

Ach ja, ich steh total auf die Oberzicke Saga. Aber Tora tut mir extrem leid..... Wie er einfach mal grundlos angepflaumt wurde! Wie ich Saga gleich mal zur Sau gemacht hätte, wäre ich in dieser Situation gewesen. Hm, oder hätte ich dem ganzen auch einfach den Rücken gekehrt? Okay, ich glaube ich würde definitiv dem ganzen den Rücken kehren xDD''''
Aber abgesehen davon, was ich tun würde, war Toras kalter Abgang am Ende viel ergreifender in der Situation und baut auch viel mehr Spannung auf!
Tora likes!

Und eins muss ich dir lassen: Purer Zucken, wie Hiroto sich versucht am Anfang zu rechtfertigen!!! Um wen es da wohl gehen mag??? xD Ich kanns mir fast schon denken, nach Erwähnung des Bro-Kodex's deinerseits >DDDDDDDD'

Dank dir und den paar wunderschönen Wörtern bin ich wieder im Himmel.
Du musst verstehen, ich hab ur lange keine 'neue' A9 FF gelesen. Umso mehr hab ich mit den Charakteren mitbefiebert! Toras riesen Pranken, die Saga festhielten, weil er so viel kraft hatte >DDDDDDD HEHEHEHEHEHEE!!! Wie mich solche kleinen Sätze ur glücklich machen!! xDD'

Und wie ich jetzt nicht schreibe, dass ich mich auf das nächste Kapitel freue, da ich es eh schon gelesen habe xDDDD''
Dafür werde ich es gleich mal kommentieren >DDDDD
Von:  Sero-Iori
2012-01-09T19:36:41+00:00 09.01.2012 20:36
hmm..... das klingt ja nicht mal so schlecht :D


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