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Sons of Odin

Die Heimkehr nach Asgard
von

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Heimkehr

Das Sonnenlicht fiel auf die zerstörte Regenbogenbrücke und tauchte die Gewänder der beiden Männer in farbenfrohe Tupfer ein, die sich auch auf ihren Gesichtern wieder fanden. Sie standen reglos da, waren gerade erst an diesem Ort erschienen und hatten so die atemberaubende Kulisse Asgards vor sich, mit seinen goldenen Türmen und all seiner Pracht. In der Ferne konnten sie eine Bewegung wahrnehmen, und selbst hier hörte man das Donnern der Hufen. Dutzende Reiter und ihre Pferde bewegten sich auf sie zu, allen voran Sleipnir, das achtbeinige Ross des Königs.

Lokis Blick schweifte über die Szenerie, die seine würdelose Ankunft darstellte. Er hatte sich dies völlig anders vorgestellt. Als seine Augen zu Thor wanderten, spürte er wieder den Neid, die Wut, die Enttäuschung in sich – wieder war es sein Bruder, der ruhmreich erschien, wieder war er es, der die Gunst der Eltern genoss. Am liebsten hätte Loki sich losgerissen, nur um seinen Plan von vorne zu beginnen – doch er wusste, dass dies nicht so einfach war.

Anders als er regte sein Bruder sich überhaupt nicht. Schweigend fixierte Thor die Reiter, die bald eintreffen würden.

Wie würde sein Vater reagieren? Würde er zumindest etwas Stolz für Loki empfinden? Oder war er nur eine völlige Enttäuschung? Es war klar, dass er seine Absichten erst klar machen musste, aber danach würde man ihm sicher Respekt schenken.

Schließlich erreichten die Reiter den Anfang von Bifröst und das Donnern der Hufen erstarb, als die Tiere sich beruhigt hatten.

Odins Blick war unergründlich, was noch durch den Effekt verstärkt wurde, dass sein Gesicht im Schatten lag. Er sah nur seine beiden Söhne an, doch ließ sich nicht erkennen, ob oder – und was für Loki viel wichtiger war – über wen er erfreut war. Sein Sohn sehnte sich danach, ihm aufzuzeigen, was er alles hätte erreichen können – nein, was er alles erreicht hatte. Doch er wollte nicht der Erste sein, der etwas sagte.

Neben Odin tauchte Frigga auf, mit einem ähnlichen Gesichtsausdruck wie ihr Gemahl.

Die anderen Reiter beachtete Loki gar nicht.

Einige Augenblicke herrschte Schweigen über der Ansammlung, die ganz Asgard zu ergreifen schien, und nur vom Schnauben der Pferde durchbrochen wurde.

Dann erhob Odin seine Stimme. „Bringt sie in den Thronsaal.”

Mehr sagte er nicht, bevor er die Zügel des Pferdes packte und davon stürmte.

Was hatte das zu bedeuten? Der Thronsaal war sonst nur für die wichtigsten Zwecke bestimmt – waren seine Handlungen auf der Erde so schwerwiegend gewesen?

Man reichte den beiden Ankömmlingen ein Pferd, wobei man Loki die Fesseln entfernte. Scheinbar war man der Meinung, dass er nun nicht mehr fliehen würde – womit sie recht hatten. Er würde sich erklären. Er würde ihnen aufzeigen, was er für Asgard getan hatte. Dass er ein wahrer Sohn Odins war, egal was sein Blut sagte.

Der Ritt verging wie im Flug, während die Brüder im Pulk der Wachen ritten, Rot neben Grün. Asgard schien zu ruhen – niemand war auf den sonst so belebten Straßen, niemand kam ihnen entgegen, um zu sehen, was geschah.

Schließlich erreichten sie den Thronsaal, der sich kaum verändert hatte, seit dem Tag des Einbruchs in die Waffenkammer. Nur waren diesmal kaum Wachen anwesend und auch keine Gäste.

Odin saß bereits auf dem Thron, als Loki und Thor den Raum betraten. Seine Gemahlin stand neben einer der Säulen, das Sonnenlicht umspielte ihr Haar und sie blickte ihre beiden Söhne an, immer noch mit dem für sie untypischen Ausdruck.

„Thor“, sagte Odin, als sie die Mitte des Saales erreichten. Mehr brauchte er nicht zu sagen, denn der blonde Gott des Donners schien zu verstehen, was sein Vater meinte. Er stellte sich an den Rand, neben seine Mutter und schwieg genauso wie sie.

Nun richtete Odin den Blick auf seinen zweiten Sohn, der gerade und mit erhobenem Haupt vor ihm stand. Der Allvater sollte nicht merken, wie unbehaglich er sich fühlte. Was, wenn sie nicht verstehen würden? Was, wenn er am Ende alleine da stehen würde? Wie Thor fühlte, konnte Loki sich denken, denn er wusste, dass sein Stiefbruder benebelt war von der Liebe zu dieser sterblichen Frau und dem damit verbundenen Planeten. Doch sein Vater verstand die Dinge hinter dem Offensichtlichen. Er schluckte, als die Stille drückender wurde.

Schließlich brach Odin das Schweigen und es fühlte sich so erleichternd an, als hätte jemand einen Stein von Lokis Schultern genommen.

„Loki. Ich verstehe dich nicht – helfe mir, dich zu verstehen. Bei dir, mein Sohn, bin selbst ich ratlos.“

Was sollte das bedeuten? Loki musterte weiterhin den strengen Blick des Königs.

„Du hast Krieg geschaffen, wo Frieden war, gemordet, wo das Leben blühte“, fuhr Odin fort. „Deine Taten wiegen schwer – und ich kann nicht anders, als dich zu bestrafen.“

„Du verstehst tatsächlich nicht!“, setzte Loki an. „Das alles - dieser Krieg, dieses Bündnis – ich tat dies nur für Asgard! Für uns, für unsere Heimat!“ Loki schüttelte den Kopf, um ihn klar zu bekommen – warum glaubten sie, hätte er dies sonst getan? Natürlich hatte er einen Hunger nach Macht, aber Asgard war das, was ihm wirklich am Herzen lag. Zumindest redete er sich das ein.

„Inwiefern haben deine Taten Asgard genutzt?“

„Das sterbliche Volk Midgards – es herrschte dort kein Frieden, keine Ruhe! Das, was du einen ‘friedlichen Ort’ nennst – es ist die Brutstätte des Krieges, der Unruhe. Und sicher hätte es irgendwann Asgard angegriffen.“

Plötzlich vernahm Loki ein Schnauben von der Seite, Thor hatte einen Schritt nach vorne gemacht und hob seinen Hammer leicht.

„Bevor du dort eingefallen bist, wussten die meisten Menschen nicht einmal, dass es Asgard gibt! Sie hielten es für Mythologie, Märchen, Geschichten …“

„Genug“, platzte Odin dazwischen, und es war eine Genugtuung für Loki, dass es dieses Mal Thor war, der schweigen musste.

„Dein Grund war also, Asgard zu beschützen – vor einer Bedrohung, die, wenn überhaupt, in vielen hundert Jahren eintreffen würde?“ Odin ließ sich nicht anmerken, ob er diesen Grund für ausreichend hielt, doch Loki wollte lieber auf Nummer sicher gehen.

„Mit etwas Führung hätte dieser Planet einst ein starker Verbündeter werden können – doch es kam nicht dazu! Und das wollte ich ausbessern, ich wollte Asgards Macht, deine Macht, stärken!“ In jedem Wort donnerte seine Überzeugung mit. Er musste sich verständlich machen.

„Also raubtest du die Freiheit der Menschen wie es einst die Eisriesen taten?“

Die Wut sickerte Loki durch die Adern, giftig und doch süß. Er ballte die Hände zu Fäusten und blickte starr auf den Allvater.

Warum verstanden sie nicht? Konnten sie nicht sehen, dass er dies für seine Familie tat? Dass er nur das Beste seiner Heimat wollte? Dass er Thors Ignoranz ausgleichen musste?

Oder lag es vielleicht an etwas anderem? Vielleicht, so flüsterte er sich selbst es ein, ja, vielleicht hatten sie aufgehört, ihn zu lieben – vielleicht hatten sie es nie getan. Vielleicht wollten sie durch ihn nur die Eisriesen kontrollieren, mit dem Nachfahren des mächtigen Laufey. Er hasste es so sehr, diesen Gedanken auch nur anzurühren, dass seine Hände zitterten – alles stieg in ihm auf, sein Hass auf die Dinge, wie sie waren, auf seine Herkunft, sein Blut, seine angebliche Familie.

„Ich habe dies alles nur für dich getan, Vater“, sagte er erneut. Das letzte Wort zischte er ironisch heraus, er konnte es nicht verhindern.

Wieder herrschte Stille im Saal, und wieder hatte Loki das Gefühl, als würde sie ganz Asgard umfassen.

Dann plötzlich vernahm er erneut eine Bewegung an der Seite, und er rechnete damit, dass sein Bruder auf ihn einstürmen wollte – doch es war Frigga.

Sie eilte herbei, und legte die Hände an die Wangen des dunkelhaarigen Mannes, und diesmal war ihr Blick weich. Diesen Blick fürchtete Loki mehr als den steinernen Blick Odins – er zeigte, dass sein Hass unbegründet war.

„Loki, mein Sohn – liebst du uns nicht mehr? Sind wir nicht mehr deine Familie?“

Friggas Stimme zitterte. „Ja, wir hätten dir deine Herkunft nicht verschweigen sollen. Aber ich sehe doch, dass deine Beweggründe mehr sind, als die Ehre Asgards. Sieh mich nicht so an, ich bin deine Mutter – egal was deine Herkunft sagt!“ Sie strich ihm mit den Daumen über die Wange, und er konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden.

„Was ist es, mein Sohn? Was hat dich dazu bewegt, so viele Sterbliche zu töten? Den Planeten anzugreifen, den dein Bruder liebt? Den dein Vater einst vor den Frostriesen schützte?“

Schließlich riss er seinen Blick von ihr los. Sie würden es nicht verstehen, das war ihm nun klar.

Sie würden nicht verstehen, dass er darunter litt, wer er war – stets der Zweite, stets im Schatten seines Bruders. Er konnte es nicht ertragen, dass sie ihn liebten, obwohl er nichts vollbracht hatte – aber er konnte es auch nicht ertragen, wenn sie ihn nicht lieben würden.

„Ihr seid nicht meine Familie“, presste er zwischen den Zähnen hervor und er merkte, wie seine Fingernägel sich in seine Hände eingruben.

Frigga ließ die Hände sinken und trat einen Schritt zurück. Der Schmerz in ihren Augen war das Schlimmste, was Loki je gesehen hatte – doch so musste es sein.

Odin erhob sich von seinem Thron. „Wenn das so ist“, sagte er kalt, und Loki schaffte es nur mit großer Mühe, ihn anzusehen, „dann soll dies auch ganz Asgard wissen – von heute an wird jeder dich unter dem Namen Loki Laufeyson kennen. Ich entziehe dir hiermit den Titel ‘Sohn des Odin’“.

Sein Umhang flatterte im Wind, der plötzlich den Thronsaal erfüllte, als er sich auf die Tür zubewegte. „Thor, ich möchte, dass du über ihn wachst, bis ich mir einfallen lasse, was weiter mit ihm geschieht“, sagte er schließlich. Dann verschwand er.

Seine Gemahlin blieb noch kurz bei ihren beiden Söhnen, auch wenn der eine nun vom Titel her nicht mehr dazu zählte.

Sie hob zögerlich die Hand, als wollte sie erneut Lokis Wange berühren, dann überlegte sie es sich anders und schritt an ihm vorbei, den Kopf geneigt, damit er nicht ihre Tränen sah – er sah sie trotzdem.

Schließlich blieb nur Thor zurück, der immer noch an der Seite des Thronsaals stand.

Er bewegte sich nicht, nein, er redete nicht einmal – etwas, was sehr untypisch für ihn war.

So fühlte sich Loki einsamer als je zuvor, wie er dort im Thronsaal stand und den leeren Thron betrachtete, der einst ihm gehört hatte.

Den Schmerz, den er fühlte, konnte er nicht beschreiben. Er stand nur da, die Augen starr und die Mundwinkel zitternd.

Das Licht beschien ironisch die Szenerie, als wollte es Hoffnung verkünden, die es nicht gab.

Letztlich war es Thor, der als Erstes etwas sagte.

„Alles, was Vater tut, tut er für einen höheren Zweck – dies hat dir Mutter einst selbst gesagt.“

Loki antwortete nicht direkt darauf, also setzte Thor fort. „Egal welchen Titel du trägst, er wird dir nicht nehmen können, welche Vergangenheit du hast – und ich rede nicht von deiner Herkunft. Ich rede von deiner Jugend, deinen guten Taten, deinem Leben als Loki Odinson. Du wirst immer ein Teil dieser Familie sein, egal was Vater sagt und auch egal was du selber denkst.“

Damit drehte er Loki den Rücken zu, um über Asgard zu schauen.

Die Liebe, die sein Bruder selbst jetzt noch für ihn empfand, war kaum zu ertragen, und so blieb Loki Laufeyson im Thronsaal stehen, mit dem Schlimmsten, was sein Vater ihm hätte antun können.

Die Macht der Asen

Asgard hatte zurück zu seiner Routine gefunden, als bemerkte es die Zerrissenheit der Königsfamilie nicht. Doch sie war da und hatte das Leben und das Ansehen der Söhne Odins verändert.

Wo früher Prunk und Genuss geherrscht hatten, war nun Stille eingekehrt.

Eine ganze Weile war seit den Ereignissen in Midgard und Lokis Rückkehr vergangen, als Thor erneut den Palast verließ. Seine Freunde hatten ihn zwar dazu aufgefordert, mit ihm zu speisen, doch der Thronfolger war heute nicht in der Stimmung.

Er durchstreifte die Straßen, bis er den Rand Asgards und seine Klippen erreichte. Hier war es ruhiger, nur das Tosen des Wassers war zu vernehmen. Er stand am Rand des Abgrunds und streifte gedankenverloren mit den Fingern über Mjölnir, den er immer noch stets mit sich trug, auch wenn zur Zeit Frieden in Asgard herrschte.

Die Frage war nur, wie lange noch und da lag das Problem: So lange die Situation so unsicher war, wagte er es nicht, nach Midgard zu reisen, auch wenn er sich nach nichts anderem sehnte.

Denn das Reisen hatte sich verändert, seit er Bifröst zerstört hatte. Es war nun wieder möglich, doch es war schwerer als zur Zeit der Regenbogenbrücke.

Hinzu kam, dass die Chitauri einen Rachefeldzug auf Asgard planten, da sie sich von Loki betrogen fühlten. Mehr als das wussten die Asen nicht, aber so waren sie wenigstens nicht unvorbereitet, wenn es wirklich zum Krieg kommen würde.

Diese Spannung war unerträglich für Thor – er wünschte sich, in die Schlacht ziehen zu können, um es hinter sich zu bringen. Doch hatte Odin angeordnet, dass niemand die Chitauri angreifen würde. Und dieses Mal würde Thor sich seinem Vater nicht widersetzen.

So verbrachte er seine Zeit damit, sich zu stärken und zu versuchen, nicht all zu oft an den letzten Kampf und an seine Zeit in New Mexico zu denken.

Doch es gelang ihm nicht. Immer wieder schweiften seine Gedanken zurück zu Jane Foster, mit der er nur wenige Tage verbringen konnte.Aber er wagte es nicht, Heimdall all zu oft nach ihr zu fragen.

Gedankenverloren blickte er hinüber zu Bifröst, schön und funkelnd wie eh und je, auch wenn die Brücke nun abrupt endete.

So merkte er nicht, dass eine Person von hinten heranschlich, nur um sich leise und unvermittelt neben ihn zu stellen.

Es war Loki.

Thor blickte seinen Stiefbruder erstaunt an. Er hatte ihn in letzter Zeit nicht oft gesehen – meistens verbrachte Loki die Zeit außerhalb des Palastes. Seit seiner endgültigen Bestrafung vor einigen Wochen war es noch seltener geworden, dass die beiden sich über den Weg liefen.

Der Allvater hatte Lokis Bestrafung noch erhöht: Er hatte Loki die Kräfte entzogen, wie einst auch Thor. Seine Magie war damit völlig verschwunden, er hatte nun dieselben Kräfte wie ein Sterblicher.

Thor wusste, dass das eine sehr viel größere Bestrafung für Loki war, als ihn einzusperren – wobei Asgard ihm eh wie ein Gefängnis vorkommen musste. Zumindest fühlte der blonde Mann sich selbst so und ihm war es ja offiziell noch gestattet, die Heimat zu verlassen.

Auch hatten sich die meisten der Asen von Loki abgewandt. Wie hätte es auch anders sein können, nachdem seine Herkunft nun bekannt war und auch die Dinge, die er auf Midgard angerichtet hatte?

Die meisten Asen verachteten ihn dafür, dass er das Volk angegriffen hatte, das Odin einst vor den Frostriesen geschützt hatte. Thor wusste nicht, ob Loki sich daran störte, denn sein Bruder war nie einer von jenen gewesen, der sich darum gekümmert hatte, was andere von ihm dachten. So hatte er schon immer den Ruf des Mannes gehabt, der anderen gerne das Leben schwer machte.
 

Doch für seinen Bruder war Loki weiterhin dieselbe Person. Wie hätte er ihn hassen sollen, wo er doch mit ihm aufgewachsen war? Für ihn war Loki ein Teil seiner Familie und er zögerte nicht, es ihm auch zu sagen.

Außerdem war ihm bewusst, dass Frigga Loki genau so liebte. Immerhin hatte sie ihn aufgezogen und ihn heranwachsen sehen.

„Was machst du hier?“, riss Loki ihn schließlich aus den Gedanken.

„Dasselbe könnte ich dich fragen.“

Beide sprachen in einem lockeren Tonfall, um zu verhindern, dass der andere erkannte, was sie dachten. Thor konnte sich anstrengen, wie er wollte, er wusste nicht, was in Loki vorging.

Er war schon immer unergründlich gewesen, vor allem, wenn er wirklich etwas verbergen wollte, doch nun verriet sein Gesicht absolut gar nichts – Thor konnte nicht einmal Versuchungen anstellen. Ob er wohl darüber nachdachte, wie er seinen Plan erneut aufnehmen konnte? Oder ob er endlich verstanden hatte? Der Donnergott konnte es nicht sagen.

„Es ist ruhiger hier“, sagte Loki schlicht. „Deswegen wundert es mich ja, dass du hier bist – genießt du nicht die Feste, die zu deinen Ehren veranstaltet werden? Sonst warst du doch immer erpicht darauf, zu beweisen, was für ein guter Thronfolger du bist.“

Wieder diese Geschichte. Loki hatte es nie offen zugegeben, doch Thor ahnte, was wirklich Lokis Problem war: Er strebte nach Macht, die er als zweiter Sohn des Königs niemals gehabt hatte. Er wollte sich von dieser Rolle lösen. Mit allen Mitteln.

„Feste und Ruhm sind nicht alles, was mich interessiert.“

„Das ist mir neu.“

Die beiden sahen sich an, mit ernstem Blick und Thor wusste nicht, wie er diese Konversation auffassen sollte. Neckte sein Bruder ihn, oder war es sein voller Ernst?

Seufzend wandte der Sohn Odins seinen Blick wieder zu Bifröst. Sollte er es seinem Bruder erklären? Vermutlich würde er es nicht verstehen.

Loki hatte deutlich klar gemacht, dass er nichts von den Menschen hielt. Wie sollte er dann nachvollziehen können, was Thor empfand?

„Ich habe einiges dazugelernt“, sagte er schließlich.

Loki schnaubte verächtlich. „Und ich gehe davon aus, dass du mich daran teilhaben lassen wirst.“

„Ich werde es dir nicht aufzwingen, wenn du es nicht willst.“

Erneut sahen die beiden sich an.

„Ich verstehe nicht, was dir so an Midgard gefällt. Ist es allein diese Frau? Asgard hat auch schöne Frauen, deren Lebensspanne nicht kurz wie ein Insektenleben ist.“

Insektenleben. Dieses Wort beschrieb gut, was sein Bruder für die Menschen empfand, dachte Thor. Aber er hatte in gewissen Punkten recht – Janes Lebensspanne war kurz und alles, was Thor wirklich aus erster Hand über die Welt der Sterblichen wusste, war von ihr geprägt.

Die Frage war, ob er sie wirklich liebte. Er hatte vorher nicht viel Interesse an der Liebe gehabt. Als Thronfolger Asgards hatte er sich immer gefühlt, als stünde er über solchen Dingen.

Doch dies war nun anders – seit Jane in sein Leben getreten war, hatte er bemerkt, was ihm die Personen um ihn herum bedeuteten.

Auch Loki hatte dazu beigetragen. Dass er Liebe für seine Familie empfand, war Thor immer so selbstverständlich vorgekommen, dass er es kaum beachtet hatte. Sein Hochmut kannte damals keine Grenzen.

Doch in der Zeit, in der er dachte, Teile seiner Familie für immer verloren zu haben, hatte er bemerkt, wie wichtig Familienbanden auch für sein Leben waren, königliches Blut hin oder her. Und genau das war es, was ihn immer noch darauf hoffen ließ, dass Loki zurück zu seinem alten Ich finden würde.

„Wirst du zurück nach Midgard gehen?“, setzte Loki erneut an.

„Ja. Ich weiß noch nicht wann, aber nun, da Heimdall eine Lösung gefunden hat, werde ich genau das tun.“

„Wegen der Frau“, sagte Loki verächtlich.

„Ja, auch wegen Jane. Aber auch, weil ich nun ein Teil dieses Planeten bin. Ich habe meine Spuren dort hinterlassen, genau so wie du. Und ich werde diese Gruppe von Menschen unterstützen.“

Der dunkelhaarige Mann schüttelte den Kopf. Nein, er verstand nicht, was Thor fühlte, genauso wenig wie Thor Lokis Gefühle verstand. Das wurde Thor von Mal zu Mal klarer.

„Warum? Begründete sich ihr Bündnis nicht auf Verzweiflung und auf Wut? Oder rohe Gewalt?“, fragte Loki. „Diese Sterblichen bekriegen sich selbst, so machtlos sie auch sind.“

Ein Schmunzeln stahl sich auf Thors Lippen, als er diese Argumente hörte.

„Sie mögen unausgeglichen sein, doch letztlich haben sie aufeinander vertraut. Ich habe ihnen vertraut. Ich habe Seite an Seite mit ihnen gegen die Chitauri gekämpft und du weißt genau so wie ich, zu was sie im Stande sind. Warum sonst wären die Chitauri so wütend auf dich? Du hast die Menschen unterschätzt.“

„Das mag sein, doch es ändert nichts an den Tatsachen.“

„Welche Tatsachen? Dass sie Gefühle besitzen, die zu Spannungen führen können? Mein Bruder, sind wir auf irgendeine Weise anders als sie? Auch wir streiten uns, auch wir spüren die Wut in uns auflodern.“

„Aber wir können uns auf einen weisen König verlassen, der uns zurück in die richtigen Bahnen bringt, sollten wir sie verlassen. Und das brauchen die Sterblichen auch. Und das war es, was ich ihnen zu geben vermochte“, erläuterte Loki.

„Vater versucht tatsächlich, dich zurück in die richtigen Bahnen zu bringen, Loki. Deswegen muss ich dir in diesem Punkt zustimmen. Aber was die Menschen brauchen, ist Freiheit. Irgendwann werden sie dann hoffentlich verstehen, was sie falsch machen. Entwicklung ist nichts Falsches. Wir entwickeln uns genau so wie sie.“

Nun trat Loki einen Schritt vor, um seinem Bruder gegenüber zu stehen. Seine Fassade bröckelte leicht, denn er schien über den Verlauf des Gespräches nicht erfreut zu sein.

„Sie sind schwach, Thor!“, zischte er. „Sie besitzen keine Kräfte so wie wir, die sich gegenseitig im Gleichgewicht halten.“

Thor lachte auf. „Bruder, es waren die Menschen, die dich und deine Armee besiegt haben.“ Es war besser, er sprach es direkt aus. Dann wurde Thors Ausdruck wieder weicher.

„Wir beide wissen nun, was es bedeutet, ohne unsere Kräfte auskommen zu müssen“, sagte er und legte seinem Bruder eine Hand auf die Schulter.

„Und das ist es, was die Sterblichen mich gelehrt haben: Wir Asen haben verlernt, dass es nicht nur um Macht geht. Natürlich denken auch nicht alle Menschen so, aber Fakt ist doch, dass wir – egal ob mit oder ohne unsere Kräfte – immer ein und dieselbe Person bleiben. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere geschenkten Fähigkeiten uns ausmachen. Wir entscheiden selbst, was uns ausmacht, Loki.“

Damit beendete er seinen Vortrag, doch er wünschte sich sehnlichst, dass sein Bruder verstand, was er auszudrücken versuchte und, dass es das war, was Odin mit seiner Bestrafung erreichen wollte. Das war Thor nun bewusst.

So standen sie da und sahen einander an, während das Sonnenlicht langsam verschwand und das Wasser weiter rauschte. Und in diesem Moment konnte keiner bestreiten, dass es sich bei den beiden um Brüder handelte, selbst wenn sie verschiedene Meinungen hatten.

Gerade, als Loki etwas erwidern wollte, ertönte ein Horn in der Ferne. Beide blickten erst hinüber zum Palast, dann sahen sie wieder einander an. In beiden Gesichtern spiegelte sich die Erkenntnis wieder.
 

Die Chitauri griffen an.

Eine Frage des Vertrauens

Die Stadt war in Aufruhr, denn alle, die kämpfen wollten, machten sich auf den Weg zum Palast. Loki und Thor waren unter ihnen und zusammen eilten sie durch die Straßen.

Während Thors Gesicht jedoch Siegesgewissheit und bis zu einem bestimmten Grad auch Erleichterung widerspiegelte, war der Ausdruck seines Bruders verbissen.

Loki hatte gewusst, dass es zu dem Angriff kommen würde, doch hatte er nicht damit gerechnet, dass die Chitauri sich von der Bombe der Menschen so schnell erholen würden. Das bestärkte ihn nur in seiner Gewissheit, dass die Menschen letzten Endes keine wirkliche Bedrohung für ihn darstellten, auch wenn sie ihn letztes Mal besiegt hatten.

Er hatte es noch nicht geschafft, seine Kräfte wieder zu erlangen und genauso wenig hatte er sein Netz der Täuschungen so weit ausspannen können, um die Situation für sich zu nutzen. Im Gegenteil: Er war völlig davon abhängig, was der Allvater entscheiden würde.

Und das war Lokis Problem: Natürlich durfte er nicht mitkämpfen. Um Seite an Seite mit den Asen kämpfen zu dürfen, bräuchte er ihr Vertrauen und das hatte er nun mal nicht mehr.

Aber er konnte sich auch nicht vorstellen, dass er sich in den Tiefen des Palastes verkriechen sollte, während ganz Asgard wegen ihm in den Kampf zog. Denn Loki gestand sich durchaus ein, dass es seine Schuld war und es quälte ihn, dass Asgard wegen ihm bedroht wurde. Jedoch war er leichtmütig genug um zu glauben, dass sie gewinnen würden. Bis jetzt hatten die Asen noch nie gegen ihre Feinde verloren, auch nicht gegen die Frostriesen - und von denen wusste Loki, dass sie nicht so leicht zu besiegen waren. Immerhin beruhten ja einige seiner eigenen Kräfte auf ihren Stärken.

Dennoch war es kein schönes Gefühl, davon auszugehen, dass seine Bestrafung die einzige Möglichkeit für einen Waffenstillstand war. Und womit würden sich die Chitauri zufrieden geben? Natürlich hatte er seine Kräfte eingebüßt und den Namen seines leiblichen Vaters angenommen. Doch für diejenigen, die nicht wussten, was für eine Bürde das für ihn darstellte, war das sicher nicht ausreichend.

Loki schluckte. Würde sein Tod die einzige Möglichkeit darstellen? Nein, er konnte sich nicht vorstellen, dass Odin dies in Kauf nehmen würde, nur um einem Krieg aus dem Weg zu gehen. Doch andererseits hatte der Allvater sich seit der endgültigen Bestrafung nicht mehr dazu herabgelassen, mit seinem zweiten Sohn auch nur zu sprechen. Das Verhältnis der beiden schien zerbrochen zu sein und somit konnte Loki seinen Vater nicht einschätzen.

„Gibt uns zwei Pferde!”, rief Thor vor ihm und riss Loki aus den Gedanken. Tatsächlich gab eine Dame die Pferde der Familie heraus, um den Söhnen Odins zu helfen. Als sie Loki die Zügel in die Hand drücken wollte, zögerte sie kurz. Ihre Augen funkelten gefährlich auf, doch dann gehorchte sie Thors Anweisung. Der Hass der Asen auf Loki hatte sich in der Zeit, in der er sie mied, nur noch verfestigt.

Die Brüder schwangen sich in die Sättel und drückten ihren Tieren die Stiefel in die Flanken.

Schnell zeigte sich, dass die Rösser mit denen aus dem Palast nicht mithalten konnten. Hinzu kam, dass die Straßen überfüllt waren von Asen, die sich für den Kampf bereit machten.

Wie viel Zeit hatten sie noch, bevor die ersten Chitauri eintreffen würden? Loki wusste es nicht.

Doch andererseits hatte er so genug Zeit, noch an einem Plan zu feilen, von dem er überzeugt war, dass er funktionieren würde.

Wenn er die Chitauri überzeugen könnte, sich ihm ein weiteres Mal anzuschließen, würde er vielleicht die ganze Sache für sich herumreißen können. Dafür müsste er jedoch seinen Wachen entkommen. Mit Sicherheit würde Odin ihn nicht ohne Wachen im Palast zurück lassen.

Mit seinen Kräften wäre dieses Vorhaben kein Problem gewesen: Ein Abbild von sich zu erzeugen war eigentlich ein Leichtes für ihn. Doch leider war er nun einzig und allein auf seine physische Kraft beschränkt. Natürlich besaß er noch seinen brillanten Kopf, auf den er sich stets verlassen konnte. Doch ohne seine Kräfte schien er machtlos und ein Spielball Odins zu sein.

Während die Hufe der Pferde über das Pflaster trommelten, erdachte er sich so einen Plan, der ihm hoffentlich zu seiner Flucht aus dem Palast verhelfen würde.

Es würde einfacher werden, die Chitauri zu täuschen, als seinen Vater. Sie konnten nicht mit dem brillanten Kopf Odins mithalten, und demnach auch nicht mit Loki, dem Gott der Täuschungen und Lügen.

Er würde die Schuld von sich laden und es so schaffen, sie wieder von sich zu überzeugen.

Als sie um eine Kurve ritten und der Palast unmittelbar vor ihnen lag, kam ihm schließlich die zündende Idee:

Mit ihm an ihrer Seite würden sie über Asgard siegen, während es so aussehen würde, als hätten sie ihn gefangen genommen. Schließlich würde er den Anführer der Chitauri eigenhändig töten, vor den Augen seines Vaters. Es war eigentlich wie damals mit den Frostriesen, doch würde er diesmal Odin selbst von sich überzeugen und nicht den Fehler begehen, seinen Bruder zu unterschätzen.

Thors blonder Schopf wehte vor ihm durch die Luft. Ja, Thor war das größte Problem. Sollte er zu schnell eingreifen, um Loki „zu retten“, würde sein Plan nicht aufgehen.

Dennoch stahl sich ein Lächeln auf die Lippen des schwarzhaarigen Mannes. Mit dem Angriff hatte er genau die Chance, die er brauchte, um aus seiner misslichen Situation zu entkommen.

Schließlich erreichten sie den Palast, in dem es ebenfalls von umher laufenden Asen wimmelte. Jedoch trugen diese schon ihre Rüstungen – sie waren der Teil der Streitmacht Asgards, der sich in ständiger Alarmbereitschaft befand.

Die Söhne Odins eilten durch die langen, goldenen Flure und erreichten schließlich den Thronsaal, der wieder einmal Schauplatz der wichtigsten Ereignisse werden sollte.

Als er ihn betrat, musste er sich zusammenreißen, damit seine Mimik nicht verrutschte. Diesen Ort verband er mittlerweile mit zu vielen unangenehmen Erinnerungen.

In der Mitte des Raumes hatten sich bereits einige der wichtigsten Kämpfer versammelt, darunter auch Lady Sif und die Tapferen Drei. Auch Frigga stand dabei und sie war die Erste, die die Brüder bemerkte. Sie lächelte und Loki vermutete, dass es ihr gefiel, ihn an Thors Seite zu sehen, so als wäre alles wieder wie früher. Er hasste es, dass es in Wirklichkeit nicht so war.

Thor geriet direkt in den Pulk, als auch die anderen die Brüder bemerkten. Als Sohn Odins und Gott des Donners hatte er eine der höchsten militärischen Positionen in Asgard inne und demnach war seine Meinung hoch geschätzt.

Loki hingegen hielt sich lieber im Hintergrund. Er stellte sich neben seine Mutter, die nicht seinen Arm berührte, wie sie es sonst oft tat, da sie wohl immer noch an die Worte dachte, die er nach seiner Ankunft zu ihr gesagt hatte. Es schmerzte ihn immer noch, daran zu denken, denn natürlich war sie seine Mutter. Doch das spielte jetzt keine Rolle. Er musste darauf achten, was die anderen sagten, denn vielleicht bekam er so ein Detail mit, das ihm später zum Sieg verhelfen würde.

Es vergingen jedoch nur einige Augenblicke, bis die große Tür zum Saal erneut aufflog und Odin hereinkam. Sein Umhang wehte hinter ihm her und er schien höchst unerfreut über die Entwicklungen zu sein. Dennoch machte er einen ehrfürchtigen Eindruck und wie immer weckte sein Anblick in Loki das Bedürfnis, sich zu beweisen.

„Uns bleibt nicht viel Zeit“, waren seine ersten Worte. „Die Chitauri greifen ungewöhnlich früh an, aber noch hält unsere äußerste Reihe ihrem Angriff stand. Ich möchte, dass ihr sie sofort unterstützt.“ Sein Atem ging schwer und Loki fragte sich, von wo aus er herbeigeeilt war.

„Vergesst dabei aber nicht den Schlachtplan, den wir bereits beschlossen haben.“

Alle nickten, außer Loki, der sich fragte, wann sein Vater auf ihn zu sprechen kam und ob es Absicht gewesen war, dass er nichts von dem Schlachtplan wusste. Vermutlich, denn Odin beschloss nichts leichtfertig, auch nicht, ob sein zweiter Sohn bei den Kriegsbesprechungen dabei sein sollte oder nicht.

Tatsächlich blickte Odin nun Loki an, was eine erneute Stille auslöste. Alle wollten wissen, was mit ihm während des Kampfes geschehen würde.

„Loki“, setzte Odin an und sein Gesicht war unergründlich wie eh und je. Doch seine nächsten Worte hatten eine große Wirkung. „Ich möchte, dass du deinen Bruder begleitest. Höre auf ihn, denn er kennt den Plan.“

Im Thronsaal war es plötzlich still und trotzdem fragte sich Loki, ob er sich verhört hatte. „Ich soll mit kämpfen?“, fragte er schließlich und in seiner Stimme schwang der Unglaube mit.

„Natürlich. Sie sind wegen dir hier. Und deswegen wäre es unklug, dich aus dem Geschehen auszuschließen.“

Was hatte das zu bedeuten? Lokis Gedanken schwirrten chaotisch in seinem Kopf herum. Einerseits schien es ein Vertrauensbeweis zu sein, dass er an der Seite des Thronfolgers kämpfen durfte und damit auch für seine Deckung verantwortlich war. Andererseits durchkreuzte dies Lokis Pläne, denn nun würde ihm sein Bruder stets im Nacken sitzen. Abgesehen davon wusste er nicht, ob er es nun ertragen konnte, wenn die Chitauri siegen würden. Denn scheinbar hatte er das Vertrauen seines Vater zurück gewonnen – oder aber Odin wollte durch den Kampf erkennen, ob er würdig war, sein Vertrauen zu besitzen.

Das würde bedeuten, dass Odin noch genauer als sonst auf ihn achten würde, was es ihm unmöglich machte, die Chitauri ohne Magie zu kontaktieren.

Hatte sein Vater sein Vorhaben geahnt?

Frigga war die Erste, die nach der erneuten Stille etwas sagte.

„Wirst du ihm seine Kräfte zurückgeben?“, fragte sie. Seine Mutter schien besorgt zu sein und es rührte Loki, sie so zu sehen.

„Nein“, war die knappe Antwort des Allvaters.

Er drehte sich schon zum Ausgang, als Thor sich einmischte. Der Gott des Donners schob Sif beiseite und stellte sich neben seinen Bruder. „Vater, damit schickst du ihn in den Tod! Ohne seine Kräfte kann er nicht kämpfen!“

Loki sah seinen Bruder an. Einerseits freute er sich darüber, dass auch er sich Gedanken über Lokis Wohlbefinden machte, doch andererseits war Loki kein unerfahrener Kämpfer, Magie hin oder her. Er erinnerte sich an den Bogenschützen, den er in Midgard getroffen hatte und sein Entschluss festigte sich. Er würde an der Seite der Asen kämpfen, denn er war immer noch ein Genie der List und somit sehr wohl fähig, sich gegen Feinde zu wehren. Vielleicht war es genau das, was sein Vater ihm vermitteln wollte. Und hatte Thor nicht heute noch selbst davon geredet, dass die Asen sich zu sehr auf ihre Kräfte konzentrierten?

„Was sagst du dazu, Loki? Wirst du trotzdem kämpfen, auch ohne deine Magie?“, fragte Odin schlicht und Loki glaubte, die Bedeutung seiner Worte erahnen zu können.

Er brauchte nicht lange, um seinen ursprünglichen Plan fallen zu lassen.

Stattdessen sagte er: „Ja, Vater. Ich werde an der Seite Thors und damit an der Seite Asgards kämpfen, auch in diesem Zustand.“

Odin nickte und die Spannung fiel von den Anwesenden. „Dann los, der Kampf wartet!“

Die Chitauri

Immer noch verwundert, aber doch glücklich über die Entscheidung seines Vaters, ritt Thor zum Rande Asgards, die Rüstung leuchtend im Abendlicht. Neben ihm ritt im selben, schnellen Tempo sein Bruder, der einen nachdenklichen und verbissenen Gesichtsausdruck hatte. Was ging wohl in ihm vor? Ob er sich freute, dass sein Vater ihn in die Schlacht schickte? Oder sah er es weiterhin als Bestrafung für seine Vergehen auf Midgard an? Denn trotz der Tatsache, dass sein Vater ihn nun nicht mehr einsperrte, gab es da ein großes Manko: Loki hatte seine Kräfte nicht zurück und war demnach weiterhin verwundbar. Aber würde ihn Odin als Sterblichen in die Schlacht schicken? Was hatte das zu bedeuten?
 

Bald erreichten sie die Klippe, die für den Kampf ausersehen worden war. Das Licht war schummrig und keiner wusste, wann genau die Schlacht beginnen würde. Überall standen die Männer und Frauen in Kampfposition, mit wachsamen Augen und schnaubenden Schlachtrössern. Bald hatte Thor das schöne Tier von Sif ausgemacht, das seine Herrin mit Stolz und Treue trug. Sif nickte ihm zu und warf dann einen verärgerten Blick hinüber zu Loki. Sie konnte nicht verstehen, warum es ihm gestattet war, mit den stolzen Kriegern Asgards zu kämpfen, das wusste Thor.
 

Loki hingegen ignorierte alle bösen Blicke und starrte in die Luft, dort, wo sich weit entfernt die Chitauri aufgestellt hatten. Nur das Schimmern ihrer Rüstungen war zu erkennen, noch waren sie zu weit entfernt.
 

„Ich frage mich, wann die Schlacht beginnen wird”, murmelte Thor leise, doch Loki hatte ihn gehört.
 

„Nicht, bevor der Allvater kommen wird. Den Chitauri ist bewusst, dass die Asen ein starkes Volk sind.”
 

„Und was werden sie tun, wenn er ankommt?”
 

Loki zischte. „Das werden wir gleich erfahren, sei still.” Es gefiel Thor gar nicht, dass Loki so mit ihm sprach, trotz all der brüderlichen Gefühle, die er für ihn empfand. Doch er konnte seinen Missmut nicht ausdrücken, denn eine Bewegung in seinem Augenwinkel lenkte ihn ab.
 

Tatsächlich konnte man nun das achtbeinige Pferd Odins erkennen und bald darauf den Allvater selbst. Die Menge der Krieger teilte sich ergeben und blickte ihn mit grimmigen, entschlossenen Blicken an. Sie würden alles für seinen Schutz und den von Asgard geben.
 

Als der Allvater seine beiden Söhne erreicht hatte, herrschte völlige Stille unter ihnen. Thor beobachtete ebenso still, wie sein Vater zwischen ihn und Loki ritt und schließlich die Stimme erhob.
 

„Chitauri”, sagte er mit donnernder Stimme und es war klar, dass sie ihn hörten. „Lasst ab von Asgard, lasst ab von eurem Plan, Loki Laufeyson gefangen zu nehmen. Er mag Fehler begangen haben, aber ich versichere euch, dass er eurem Volk nicht mehr schaden will und es auch nicht mehr kann. Ich habe ihn bestraft und dafür gesorgt, dass er Asgard nicht verlassen wird. Zieht euch zurück und wir ersparen uns allen einen Kampf, der beiden Seiten ansonsten schwere Verluste einbringen wird.”
 

Aus der Ferne vernahm Thor nun ein schauriges Dröhnen, dass ihm die Haare zu Berge stehen ließ. Er blickte hinüber zu den anderen Kämpfern und sah, dass sie ähnlich erschauderten. Nur Loki regte sich nicht - doch seine Muskeln schienen angespannt zu sein, so als wollte er in der nächsten Sekunde losstürzen. Thor konnte nur erahnen, wie sehr es ihn belastete, dass Asgard wegen ihm in den Krieg zog. Denn was auch immer er gesagt hatte, Thor wusste, dass dieses Land für Loki die wahre Heimat war.
 

Das Dröhnen schwoll zu einer furchtbaren, starken Stimme an und formte sich dann langsam und rasselnd zu Worten.
 

„Gebt ihn uns und wir lassen von dem Kampf ab. Sollte ihr ihn uns verweigern, sehen wir keine andere Möglichkeit, als zu kämpfen. Und wir, die Chitauri, werden siegreich sein.”
 

Thor sah, wie Sif verächtlich schnaufte, doch Lokis Reaktion lenkte ihn ab.
 

Sein Bruder hielt den Kopf gesenkt und es sah aus, als starre er auf den Hals seines Pferdes. Seine Finger hielten die Zügel so verkrampft, dass die Knöchel weiß hervor traten. Mit einem Schlag war Thor endlich bewusst, was sein Bruder dachte und durchlitt: Er hatte Angst. Nie würde er das gestehen, doch er hatte Angst, dass der Allvater ihn hergeben würde um Asgard zu retten. Und vermutlich zog Loki es selbst in Betracht, da er hoffte, dass er Asgard damit schützen konnte. Dann wurde sein Ausdruck schlaff. Er hob den Kopf wieder an, doch nicht so, dass er die Chitauri erblicken konnte. Er wirkte plötzlich nicht mehr verängstigt, aber auch nicht entschlossen – er wirkte nichtssagend, gar lustlos. Zu welcher Erkenntnis war er gekommen?
 

Thor zwang sich, den Blick von seinem Bruder zu lösen. Stattdessen wartete er gespannt auf die nächsten Worte seines Vaters.
 

„Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als mit meinen Männern und Frauen in den Krieg gegen Euch zu ziehen“, war dessen Antwort. Odin erhob seine Waffe und es schien als wären alle Augen – die der Chitauri und die der Asen – auf ihn gerichtet, während Sleipnir die vier Vorderbeine in die Luft streckte. Doch die erhabene Szene wurde vom rasselnden Kreischen der Gegner durchbrochen, die nun schnell auf das Festland Asgards zu kamen und bald die ersten Klippen hinter sich ließen.
 

Auch in den Reihen der Asen brachen die ersten Soldaten los, mit auf die Feinde gerichteten Speeren, Pfeilen und Schwertern. Bald trafen die Gegner aufeinander und auch Thor hatte seinem Ross die Sporen in die Flanken gedrückt um den Feinen entgegen zu galoppieren. Während er Mjölnir in der Hand schwang und mit seiner Kraft die ersten Chitauri von ihren Flugmaschinen herunterriss, brach die Schlacht richtig los. Bald dröhnte und erzitterte die Luft nur so von klirrenden Schwertern, die aufeinander trafen und von Schreien, die den Tod eines Gegners oder eines Verbündeten bedeuteten.
 

Thor konnte erkennen, wie Asen, die er sein ganzes Leben lang gekannt hatte, fielen, aber auch, wie andere zurück schlugen. Ein Axthieb und Volstagg hatte die Kette der fliegenden Chitauri durchbrochen und sie von ihren Fluggeräten gestoßen.
 

Ein schneller Speerstoß und eine junge Asin, die er nicht kannte, hatte gleich zwei ihrer Feinde getötet.
 

Mittlerweile saß auch Thor nicht mehr auf seinem Pferd. Er hatte die Stiefel im Dreck vergraben, der an seinen Kleidern genauso haftete wie am Boden selbst. Das Schlachtfeld hatte sich in eine Schlammpfütze verwandelt, die dank des Chaos überall herumspritze. Es schien, als würde jede Richtung nur aus Schlamm bestehen, selbst der Himmel.
 

Der Sohn Odins schwang seinen Hammer mit aller Kraft und hatte so schon dutzende Chitauri erledigt. Er erkannte im Getümmel ihre Strategie, denn sie schienen sich alleine nicht an ihn heran zu trauen. Ungefähr sechs von ihnen hatten einen Kreis um ihn gebildet, den sie immer enger zogen. Ihre seltsamen Schreie konnte er nicht entziffern, doch er nahm stark an, dass sie nicht im Kampf um New York dabei gewesen waren, denn sie schienen nicht zu wissen, wer er war. Ein Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des blonden Gottes aus, als er Mjölnir über seinen Kopf schwang und ihn an der Schlaufe herum wirbelte. Sollten sie ihn kennen lernen! Immerhin war er der Gott des Donners!
 

Es war fast zu einfach. Die Blitze hatten seine Gegner schneller erledigt, als er zusehen konnte. Auch der Nachschub an Feinden hatte keine Chance. Selbst die am Himmel erscheinenden, riesigen Flugwesen waren kein gefährlicher Gegner für die talentierten Asen.
 

Alles schien wie in einem Rausch an Thor vorbei zu ziehen und langsam verstand er. Nein, das war nicht richtig. Er hatte mit außergewöhnlichen Menschen von Midgard gegen diese Kreaturen gekämpft. Es war ein furchtbarer, anstrengender Kampf gewesen. Und auch wenn sie nun zahlreicher und auch machtvoller waren - Das hier war kein Kampf. Es war eine Ablenkung.
 

Thor schrie sein Entsetzen heraus und ließ die Chitauri in seiner Nähe die Wut spüren, die sich in ihm ansammelte. Ein paar Schwünge seines Hammers und er flog durch die Luft, ließ alles hinter sich zurück. Das Schlachtfeld verschwamm nun zu einer scheinbar endlosen Masse aus Kämpfern und Schlamm. Es war beinahe unmöglich, etwas auszumachen. Doch er zwang sich, klar zu denken, sich zu konzentrieren. Und tatsächlich: Am Rand einer abgelegenen Klippe leuchtete eine Rüstung, wie ein kleiner, grün-goldener Schimmer. Thor landete etwa 10 Meter von seinem Bruder entfernt. Er brauchte einige Augenblicke, um die Situation zu analysieren.
 

Loki lag flach mit dem Bauch auf dem Boden und mit einer Hand hielt er den Allvater, dessen Gewand im Wind flatterte und dessen Beine in die Tiefe zeigten. Odin sah seinen Adoptivsohn an, so wie dieser ihn nur einige Monate früher angesehen hatte. Es war, als würde die Ironie der Situation Thors Herz zerdrücken. Neben Loki stand der Anführer der Chitauri, Thanos. Er hielt das messerartige Ende seines Stabes an Lokis Hals und seine ganze Gestalt schien die Brutalität und die Rachsucht herauszuschreien, die er vertrat.
 

Sein Blick war auf den Donnergott gerichtet. „Der zweite Sohn“, zischte er und das Geräusch fuhr Thor in die Glieder.
 

„Einen Schritt näher und ich schneide seinen Hals durch. Dann sind sie beide tot.“
 

Thor wagte es nicht, sich zu rühren. Er umfasste nur den Griff Mjölnirs so fest wie er konnte. In seiner Hilflosigkeit wagte er es kaum, zu atmen.
 

„Gut erzogen ist er ja“, setzte Thanos fort. Dann sah er Loki an. „Und nun, Loki Laufeyson: Lass los.“



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  xXGwenStacyXx
2013-10-28T01:07:46+00:00 28.10.2013 02:07
Großartige Story, aber da der letzte Eintrag bald schon ein Jahr her ist, werden wir wohl nicht erfahren wie es weitergeht... :/
Von:  Seki-sesshy
2013-02-11T16:19:31+00:00 11.02.2013 17:19
oh man, wie gemein!
Ich hoffe du schreibst noch weiter an der ff?
Bin nämlich gespannt wie es weitergeht.
D:
lG
Von:  Seki-sesshy
2012-06-29T21:19:17+00:00 29.06.2012 23:19
Du bist fies.
xDD

Mannoooo ich will wissen wie es weitergeht, ich liebe deinen Stil. Bei Odin, beeil dich! xDD
Hast du wieder schön beschrieben und..ach, ich liebe es. xDDD
lG
Von:  Seki-sesshy
2012-05-10T09:08:53+00:00 10.05.2012 11:08
Moah, ich find die ff voll gut.
Du beschreibst das alles schön und man kann sich richtig in die Situation reinversetzen. =O
Die Idee ist duper, nach dem Film zu beginnen.
Mach weiter so und schreib schnell weiter :)
Von:  Wednesday
2012-05-08T13:50:21+00:00 08.05.2012 15:50
Find ich cool, dass du sie hier auch hochlädst. <3
Ich bin so forever in love mit deiner Fanfic und freu mich immer totalst, wenn ein neues Kapitel kommt, wie du weißt. XD


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