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Magic Wonderland

von

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Prolog

Der Mann betätigt den verborgenen Schalter für den geheimen Aufzug, der sich in seinem Büro befindet. Unten angekommen, nimmt er eine Fackel aus ihrer Halterung an der Wand und folgt dem gemauerten Gang bis zu seinem Ende.

An der schmalen, niedrigen Eisentür entfernt er das Schloss, öffnet sie und betritt den kleinen, dunklen Raum dahinter.

"Du hast also erneut versucht, dich mir zu wiedersetzen. Zur Strafe wirst du die nächste Zeit hier unten verbringen. Bis ich entscheide, ob und wann ich dich wieder hinausgehen lasse."

Als Antwort bekommt er nur das leise Klirren, als die metallenen Kettenglieder aneinanderstoßen.

Sarah eilt den Fußgängerweg entlang. "So ein verdammter Mist. Er wird ganz bestimmt wieder sauer sein, dass ich zu spät komme."

Nach der Schule war sie mit ihrem Freund im Einkaufscenter gewesen und hatte die Zeit völlig vergessen. Als sie schwungvoll um eine Ecke biegt, prallt sie mit jemandem zusammen, stolpert nach hinten und landet auf ihrem Hintern. "Autsch."

"Kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst, du Trampel?", schimpft eine Stimme über ihr. "Jetzt muss ich das alles wieder aufsammeln!"

"Häh? Oh." Sarah schaut verlegen auf die Zettel, die überall um sie verstreut sind. "Tut mir leid. Ich werde dir natürlich helfen."

"Das will ich auch hoffen." Das Mädchen mit den langen braunen Haaren hat die Arme vor der Brust verschränkt. "Na los, fang endlich an. Es war schließlich deine Schuld."

"Was?"

"Bist du taub? Ich habe gesagt, es war deine Schuld. Du hast mich angerempelt, deshalb habe ich die Zettel fallen lassen. Also, heb sie gefälligst wieder auf."

"Alice, beruhige dich." Ein Junge mit blonden Haaren ist zu ihnen getreten. "Es war doch nur ein dummer Unfall." Er beugt sich zu Sarah hinunter und reicht ihr seine Hand. "Komm, ich helfe dir aufstehen."

"Danke." Sarah lässt sich von ihm auf die Beine ziehen.

"Ich bin Oz Bezarius." Der Junge schaut sie mit strahlenden grünen Augen an. "Es ist mir immer eine Freude, einem hübschen Mädchen helfen zu können."

"Äh..." Sarah blinzelt, aus den Augenwinkeln bemerkt sie, wie sich Alice´s Gesichtsausdruck weiter verfinstert hat. "Ich..." Das Läuten der großen Turmuhr hallt durch die Straßen. "Oh nein, es ist schon sieben Uhr. Jetzt muss ich mich aber wirklich beeilen." Sie befreit ihre Hand aus Oz´s Griff und hastet weiter.
 

Ein wenig außer Atem erreicht sie schließlich, zwanzig Minuten später das Anwesen. Vorsichtig öffnet sie die Eingangstür und streckt ihren Kopf herein. Die Eingangshalle scheint leer vor ihr zu liegen. Mit einem erleichterten Seufzer geht sie auf die breite Treppe zu, die zu den oberen Stockwerken führt.

"Du bist über eine Stunde zu spät." Die strenge Stimme hinter ihr lässt sie zusammenzucken und sich umdrehen. "Ich habe dir verboten, nach 6 Uhr noch draußen zu sein."

"Aber..."

Der Mann mit den langen rotbraunen Haaren und grauen Augen unterbricht sie gleich wieder. "Geh jetzt deine Schuluniform ausziehen und dann kannst du dir in der Küche noch dein Abendessen holen."

"Yes, Sir." Sarah salutiert, was ihn ärgerlich die Augenbrauen zusammenziehen lässt und macht sich auf den Weg zu ihrem Zimmer.

Einige Minuten später öffnet sie die Tür zu der modern eingerichteten Küche. "Hey, Gilbert."

Der Schwarzhaarige rührt gerade Teig an. Er richtet den Blick seiner goldenen Augen auf sie, als sie sich auf einen Hocker an den Küchentresen setzt. "Bist du jetzt erst wieder heimgekommen?"

Sarah zuckt mit den Schultern, taucht einen Finger in den Teig und leckt ihn ab. "Ich bin schon fünfzehn und außerdem ist es immer noch hell draußen."

"Trotzdem herrschen dort draußen Gefahren, von denen du nicht einmal etwas ahnst." Gil zieht die Schüssel zur Seite, als sie erneut die Hand ausstreckt. Er geht zum Kühlschrank, nimmt einen Teller heraus und stellt ihn zum Aufwärmen in die Mikrowelle.

"Was gibt es denn heute?" Sarah nimmt einen tiefen Schluck aus der Dose Cola, die er ihr reicht.

"Spaghetti Carbonara." Gil hat begonnen, den Teig in Muffinförmchen zu füllen. "Du hättest es essen sollen, als ich es frisch zubereitet habe."

"Ach, dein Essen schmeckt auch so noch sehr lecker." Sarah holt sich ihren Teller und Besteck und stellt beides auf den Tresen. Als sie sich die erste Gabel in den Mund schiebt, betritt eine weitere Person die Küche. "Oh. Guten Abend, Miss Sarah."

Sarah seufzt innerlich, als Gil´s Bruder sich direkt neben ihren Hocker stellt. Eine Weile gelingt es ihr, ihn zu ignorieren. Bis sie die letzten Spaghetti zusammenkratzt und er ihr unaufgefordert den Teller wegzieht und zur Spüle trägt. "Danke, Gil. Das war wirklich wieder sehr lecker. Gute Nacht und bis morgen."

"Warten sie, Miss Sarah." Vincent folgt ihr, als sie die Küche verlässt. "Sir Rufus hat mir befohlen, sie ab morgen zur Schule zu bringen und direkt nach dem Unterricht wieder abzuholen. Seien sie also bitte um sieben Uhr fertig, damit wir fahren können."

"Darauf verzichte ich." Sarah stapft die Stufen hoch. "Bis heute bin ich gelaufen und werde das auch weiterhin tun. Lass mich einfach in Ruhe, ok?"

"Nein, das werde ich nicht." Vincent packt sie am Arm und drängt sie gegen das Treppengeländer. "Sie werden sich von mir fahren lassen, auch wenn ihnen das nicht gefällt. Haben sie verstanden?" Er blickt sie noch einen Moment mit seinen verschiedenfarbigen Augen an, dann lässt er sie los und tritt zurück. "Ich wünsche ihnen eine angenehme Nacht, Miss Sarah."

"Was bildet sich dieser arrogante, eingebildete Mistkerl bloß ein?" Wütend schlägt Sarah ihre Zimmertür hinter sich zu. Mit ausgebreiteten Armen lässt sie sich auf ihr Bett fallen und starrt eine Weile an die Decke. Und schläft ein.

Stunden später, kurz nach Mitternacht, wacht sie wieder auf. Ein wenig benommen setzt sie sich auf und wischt sich den Schweiß und die verklebten Haarsträhnen aus der Stirn.

Der Blick zu den Fenstern zeigt ihr, dass sie geschlossen sind. "Kein Wunder, dass es hier drin so unangenehm warm ist."

Rasch steht sie auf, um sie zu öffnen. Als sie die Hand nach dem Riegel ausstreckt, sieht sie durch die Scheiben einen unförmigen Schatten, der sich auf das kleine Wäldchen zubewegt.

Neugierig und ohne zu überlegen, holt sie ihre Taschenlampe aus der Schublade und klettert durch das Fenster und das Rankengitter an der Hauswand hinunter.
 

Zwischen den Bäumen schaltet sie ihre Taschenlampe ein und folgt langsam dem schmalen Pfad. Außer ihren eigenen Schritten ist nichts zu hören. "Wo ist dieses seltsame Ding hin?"

Sie hat den Satz kaum ausgesprochen, als es in den Büschen rechts von ihr raschelt. Dann kommt etwas daraus hervorgeschossen und wickelt sich fest um ihr Handgelenk. Durch den Ruck, als ihr Arm nach vorn gezogen wird, verliert sie das Gleichgewicht, stolpert über einen Stein und schlägt hart mit den Knien auf den Waldboden.

"Was für ein köstlich aussehendes kleines Mädchen. Du wirst mir sicher gut schmecken."

Sarah reißt erschrocken die Augen weit auf, als eine Kreatur mit einem riesigen runden Kopf auf sechs spinnenähnlichen Beinen vor ihr auftaucht. Sie zerrt verzweifelt an dem klebrigen Seil, dass sich um ihren Arm geschlungen hat.

Während die Kreatur gierig ihr Maul öffnet und sich weiter auf sie zubewegt, presst Sarah ihre Augen fest zusammen. Aber der Angriff, den sie erwartet, passiert nicht. Stattdessen spürt sie, wie ihr Arm freikommt. Und sie von jemandem hochgehoben wird und mit einem Sprung außer Reichweite der Kreatur gebracht wird.

"Keine Angst, Miss Sarah. Bleiben sie einfach hier sitzen. Um den Chain werde ich mich kümmern", sagt eine freundlich klingende Stimme zu ihr.

Zögernd öffnet Sarah langsam ihre Augen und beobachtet, wie die Kreatur von einem gezielten Schwerthieb ihres Retters vernichtet wird. Leichtfüßig landet er wieder und dreht sich auf der Stelle zu ihr herum.

Sarah versucht aufzustehen, als er auf sie zukommt. Aber ein stechender Schmerz in ihrem linken Fuß lässt sie wieder auf den Boden sinken.

"Haben sie sich verletzt, Miss Sarah?" Der Mann kniet sich vor sie und tastet mit seinen schlanken Fingern behutsam über ihren Knöchel. "Den scheinen sie sich verstaucht zu haben." Mit sanften Bewegungen beginnt er, ihn zu massieren. Und der Schmerz nimmt allmählich ab.

"Wer sind sie denn eigentlich? Woher kennen sie meinen Namen? Und was war das für ein scheußliches Ding?"

Der Mann lacht leise bei ihren Fragen. "Sie sind aber sehr neugierig, Miss Sarah."

"Sorry." Verlegen senkt Sarah den Blick. "Es ist nicht so, dass ich ihnen nicht dankbar bin, dass sie mich gerettet haben. Aber..."

"Keine Ursache. Es ist doch die Pflicht eines Gentleman, eine junge Lady zu beschützen. So, und jetzt sollten sie besser schnell wieder ins Haus zurückkehren. Und da sie wohl nicht mehr laufen können, werde ich sie tragen."

"Eh?" Ehe Sarah reagieren kann, hat er sie schon auf seine Arme genommen und steht auf. Unwillkürlich nimmt ihr Gesicht eine leicht rote Färbung an, weshalb sie den Kopf gesenkt hält.

Schweigend legen sie die wenigen Meter bis zum Waldrand zurück. Dort setzt er sie vorsichtig ab. "Die anderen wissen bereits Bescheid und werden gleich hier sein. Deshalb werde ich mich jetzt besser verabschieden. Ich hoffe, sie sind nicht noch einmal so leichtsinnig, sich nachts heimlich aus dem Haus zu schleichen, Miss Sarah." Er deutet noch eine Verbeugung an und verschwindet dann zwischen den Bäumen.
 

Wenige Minuten später hört sie ihren Namen rufen und blickt zum Haus hinüber. Gil, Vincent und ihr Stiefvater kommen angelaufen, gefolgt von einigen weiteren Männern. Gil erreicht sie als erster und lässt sich mit besorgtem Gesichtsausdruck neben ihr auf die Knie fallen. "Geht es dir gut? Dir ist nichts passiert, oder?"

"Nein, ich..." Sarah verstummt, als Rufus sie am Arm packt und grob auf die Füße zieht. "Was hast du dir bloß dabei gedacht? In Zukunft muss ich dich wohl in dein Zimmer einsperren, damit du nicht noch einmal auf so eine dumme Idee kommst!"

"Sir Rufus", mischt Vincent sich ein. "Sie wurde offensichtlich von einem Chain angegriffen." Er deutet auf Sarah´s Handgelenk, auf dem im Licht der vielen Taschenlampen deutlich rote Abdrücke zu erkennen sind. Und einige Reste des klebrigen Faden hängen noch an ihrem Ärmel. "Allein hätte sie ihm nicht entkommen können. Es muss ihr jemand geholfen haben."

"Das war bestimmt er." Rufus wendet sich an seine Männer. "Los, sucht den verdammten Kerl und schafft ihn wieder her. Und du, Gilbert, bring diese Göre ins Haus und versorge ihre Verletzungen. Ich werde mich später noch ausführlich mit ihr unterhalten."

"Gilbert?" Sarah sitzt auf ihrem Bett, während Gil ihren Knöchel mit Salbe einreibt. "Der Mann, der mir im Wald geholfen hat - wer ist er? Und dieses Ding..."

"Du solltest nicht danach fragen. Glaub mir, es ist besser, wenn du einige Dinge nicht weißt."

"Ach, du kannst es mir doch ruhig erzählen." Sie sieht ihn auffordernd an, aber Gil legt ihr schweigend den Verband an und befestigt ihn. Dann verschließt er die Dose mit der Salbe und räumt sie zurück in den Verbandskasten. Als er den Deckel zuklappt, greift sie nach seiner Hand. "Komm schon. Bitte."

Resignierend seufzt Gil. "Du wirst keine Ruhe geben, nicht wahr?"

"Nein." Sarah klopft auf die Bettdecke neben sich. "Na los, setz dich und erzähl es mir."

"Das wirst du nicht tun, Gilbert." Rufus hat das Zimmer betreten und schaut die beiden eindeutig verärgert an. "Ich erinnere mich, dass ich dir verboten habe, mit ihr darüber zu sprechen."

"Aber warum denn nicht? Ich wurde schließlich im Wald von einer merkwürdigen Kreatur angegriffen. Und der Mann, der mich gerettet hat, wusste, wer ich bin. Aber seinen Namen hat er mir nicht genannt. Er hat mir nur geraten, nicht noch einmal nachts in den Wald zu gehen. Ich möchte wissen, was das alles zu bedeuten hat."

Mit zwei Schritten ist Rufus bei ihr und holt mit der Hand aus. "Es ist absolut unnötig, dass du auch nur ein Wort davon erfährst."

Mit einer Hand auf ihre gerötete Wange gepresst, blickt Sarah zu ihm auf. In ihren großen türkisfarbigen Augen sammeln sich Tränen.

Bei dem Anblick ballt Gil die Hände zu Fäusten. "Sie sind zu weit gegangen, Sir Rufus!"

"Dieses Mädchen muss lernen, gehorsam zu sein", antwortet Rufus ungerührt. "Als meine Tochter erwarte ich von ihr tadelloses und angemessenes Benehmen."

"Das bin ich nicht." Sarah´s Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern. "Ich bin nicht ihre Tochter. Und sie sind auch nicht mein Vater. Verlassen sie mein Zimmer. SOFORT!" Das letzte Wort hat sie geschrien.

"Du kleine, verzogene..." Rufus streckt erneut die Hand nach ihr aus, als Gil ihn am Handgelenk packt. "Sie haben doch Miss Sarah gehört, Sir Rufus. Also gehen sie."

Vor Wut knirscht Rufus mit den Zähnen. "Dass du es gewagt hast, dich mir zu wiedersetzen, werde ich nicht vergessen, Gilbert!" Die Tür fällt laut hinter ihm ins Schloss.

"Sarah?" Gil dreht sich wieder zu dem Mädchen um. "Tut es sehr weh? Wenn du willst, kann ich es auch behandeln."

"Nein, ist schon ok." Sarah wischt sich mit dem Ärmel über die Augen. "Ich will mich jetzt schlafen legen, ich bin müde."

"Na gut, dann werde ich auch gehen. Gute Nacht."

"Gute Nacht."
 

In seinem Zimmer setzt Gil sich auf sein Bett, zieht ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche und steckt sich eine an. Genüsslich nimmt er einen tiefen Zug und bläst den Rauch in die Luft.

"Na so was. Wolltest du nicht längst mal damit aufhören?"

Die Stimme, die plötzlich an seinem Fenster ertönt, lässt ihn erschrocken zusammenzucken und zu dem Mann hinüberblicken, der eben seinen weißen Haarschopf hereinsteckt. "Yo, Gilbert."

"Was zum Teufel machst du denn jetzt hier?"

"Was ist das denn für eine Begrüßung? Freust du dich gar nicht, mich zu sehen?"

"Nein, verdammt!" Gil drückt hektisch seine Zigarette aus. "Du weißt genau, was passiert, wenn dich hier jemand erwischt. Was hast du dir nur dabei gedacht, dich im Wald blicken zu lassen, Break?"

"Hätte ich die arme Miss Sarah etwa von einem Chain fressen lassen sollen?"

"Nein, natürlich nicht. Aber..."

"Nun mach dir mal keine Sorgen", beruhigt Break Gil. "Ihre Begegnung mit mir heute Nacht war wahrscheinlich eine einmalige Sache. Du hast mich ja darum gebeten, sie möglichst aus unserer Angelegenheit herauszuhalten." Er schiebt seine Beine über den Fensterrahmen und hüpft ins Zimmer. "Und, hast du schon etwas herausgefunden? Warum Rufus Barma unbedingt dieses Mädchen haben will und wofür er sie braucht?"

"Nein, überhaupt nichts", muss Gil zugeben. "Egal, was ich auch versuche, es führt einfach zu nichts. Alles, was ich tun kann ist, ein Auge auf Sarah zu haben."

"Du hast dieses Mädchen wirklich gern, nicht wahr?" Break blickt Gil verständnisvoll an. "Dann pass gut auf sie auf. Und wenn es notwendig sein sollte, zögere nicht, ihr das eine oder andere zu erzählen."

"Break..."

"So, ich glaube, es wird Zeit, dass ich mich wieder verabschiede." Break setzt einen Fuß auf die Fensterbank.

"Warte." Gil steht auf und geht zu ihm, dreht ihn zu sich um und schaut ihn aufmerksam an. Er bemerkt die Müdigkeit in seinen Augen und die Anzeichen von Erschöpfung in seinem Gesicht, das noch viel bleicher ist als gewöhnlich. "Wie lang hast du schon nicht mehr geschlafen? Bleib einfach hier bis zur Morgendämmerung. Du kannst mein Bett benutzen."

Break überlegt kurz, dann schüttelt er den Kopf. "Ich will dir keine unnötigen Schwierigkeiten machen. Wenn herauskommt, dass du mir hilfst..."

"Red keinen Unsinn", unterbricht Gil ihn. "Die Kerle, die da draußen nach dir suchen, haben Waffen und werden sie benutzen, wenn sie dich sehen. Also sei vernünftig und bleib wenigstens noch eine Weile hier."

"Na gut, in Ordnung." Break geht zum Bett, lässt sich darauf sinken und streckt sich aus. "Na, dann danke für dein nettes Angebot und gute Nacht."

Gil schließt die Fensterflügel und schiebt den Riegel vor. Als er sich umdreht, ist Break bereits eingeschlafen. Seufzend breitet er eine Decke über ihn.

"Du kleiner Idiot. Wie lange hätte es wohl noch gedauert, bis du in deinem völlig erschöpften Zustand erneut zusammengebrochen wärst?"

Als Gil am nächsten Morgen aufwacht, ist das Bett leer. Die Decke liegt zusammengeschoben am Fußende. "Er ist also schon weg."

Mit steifen Gliedern steht er aus dem Sessel auf und schließt das Fenster, das Break offengelassen hatte.

Nachdem er die Decke ordentlich zusammengelegt hat, zieht er frische Kleidung an und macht sich auf den Weg zu Sarah, um sich ihren Fuß nochmal anzusehen.

Zu seiner Verwunderung findet er ihre Tür angelehnt und schiebt sie langsam weiter auf. Sein Bruder hat sich über die schlafende Sarah gebeugt und streicht ihr eine Strähne ihrer rotblonden Haare aus dem Gesicht.

"Was machst du da?"

"Oh, Nii-san." Vincent lächelt ihn an. "Guten Morgen."

"Los, antworte." Gil geht einen Schritt auf ihn zu. "Was wolltest du mit Sarah machen?"

"Nichts, ich wollte sie nur aufwecken."

"Das glaube ich dir nicht, du..."

"Gilbert?" Sarah öffnet ihre verschlafenen Augen und blinzelt ein paar Mal in seine Richtung. Dann bemerkt sie, dass jemand bei ihr am Bett sitzt und dreht den Kopf.

"Guten Morgen, Miss Sarah."

"Was...Vincent!" Mit einem Ruck setzt sie sich auf und weicht zurück. "Was hast du in meinem Zimmer zu suchen?"

"Ich wollte nach ihnen sehen, weil sie noch nicht aufgestanden sind. In einer halben Stunde beginnt der Unterricht, sie scheinen wohl verschlafen zu haben. Und sie wollen doch nicht zu spät kommen, nicht wahr?"

"Ist es wirklich schon so spät?" Sarah´s Blick wandert zur Wanduhr, die kurz nach sieben anzeigt. "Oh, verdammter Mist!" Mit einem Sprung ist sie aus dem Bett, vergisst aber ihren verletzten Knöchel und sackt mit einem schmerzhaften Stöhnen zu Boden.

"Sarah." Gil hilft ihr aufstehen und drückt sie auf den Bettrand. "Geht es deinem Fuß noch nicht besser? Vielleicht sollte sich das mal ein richtiger Arzt ansehen."

Sarah schüttelt den Kopf. "Ich habe nur nicht aufgepasst jetzt. Wenn ich vorsichtig bin, wird es schon gehen. Aber du kannst mir ja noch mal einen neuen Verband anlegen."

"Nun, ich werde hier wohl jetzt nicht gebraucht." Vincent geht zur Tür. "Ich warte am Wagen auf sie, Miss Sarah. Lassen sie sich nicht zu viel Zeit."
 

15 min später verlässt Sarah das Haus und steigt auf den Rücksitz des Wagens. Vincent startet den Motor, während der Fahrt führt er ein einseitiges Gespräch mit ihr.

Kaum hält der Wagen direkt vor der Schule, steigt sie aus und läuft die Stufen zu den Eingangstüren hoch.

"Auf Wiedersehen, Miss Sarah. Ich hole sie dann um 3 Uhr wieder hier ab."

Vincent´s Worte, die er ihr nachruft, lassen sie die Zähne zusammenbeissen.

"Der Kerl scheint dich ja richtig zu nerven, was?" Ihr Schulfreund, Eric Rayne, sitzt auf dem kleinen Mäuerchen neben der Treppe.

"Hey, Rayne", begrüßt sie ihn, wie er von allen nur genannt wird. "Ja, das kannst du laut sagen."

"Denk jetzt einfach nicht weiter darüber nach." Rayne rutscht von der Mauer herunter und bleibt neben ihr stehen. "Ist alles ok mit dir? Du siehst müde aus."

"Ich habe nicht viel geschlafen letzte Nacht. Mir ist da etwas verrücktes passiert..." Das Klingeln der Schulglocke unterbricht sie.

"Wir müssen da nicht reingehen, wenn du nicht willst. Lass uns doch einfach abhauen und den Tag irgendwo anders verbringen", schlägt er ihr vor.

"Das würde ich wirklich gern, es geht aber leider nicht", seufzt sie. "Wir schreiben doch heute diese Klausur und wenn Rufus erfährt, dass ich blau gemacht habe...Ich habe so schon genug Ärger mit ihm."
 

"Miss Forthyte, Mr. Rayne, sie sind zu spät." Die Lehrerin, Mrs. Kate, schaut die beiden ärgerlich an. "Gehen sie jetzt auf ihre Plätze und nachher melden sie sich bitte bei der Rektorin."

Sarah verdreht innerlich die Augen, während sie zu ihrem Tisch weiter hinten geht. "Na super. Die Rektorin wird es ihm garantiert wieder erzählen und dann kann ich mir von ihm wieder eine Predigt anhören." Sie lässt sich auf ihren Stuhl fallen und stützt ihr Kinn auf ihre Handfläche.

"Also, wie ich vorhin schon sagte - bevor ich unterbrochen worden bin - wir haben zwei neue Schüler in unserer Klasse. Stellt euch doch bitte jetzt vor."

"Dann mache ich mal den Anfang. Ich bin Oz Bezarius und es freut mich, euch alle kennenzulernen."

"Oz Bezarius?" Langsam hebt Sarah den Kopf und schaut nach vorn. Der blonde Junge erwidert ihren Blick freundlich lächelnd. Das braunhaarige Mädchen neben ihm hat die Arme vor der Brust verschränkt und betrachtet ein Plakat, das neben der Tür an der Wand hängt.

"Ich fass es nicht. Das sind tatsächlich die beiden, denen ich gestern begegnet bin."

Mrs. Kate fordert auch Alice auf, sich vorzustellen. Aber die Braunhaarige ignoriert sie, mit energischen Schritten durchquert sie den Klassenraum und baut sich vor Sarah´s Tisch auf. "Hey du, lass Oz gefälligst in Ruhe! Er ist mein Knecht!"

"Häh?" Verwirrt schaut Sarah zu ihr auf. "Was redest du da?"

"Du hast mich schon richtig verstanden!" Alice verschränkt die Arme vor der Brust. "Ich hab doch gesehen, wie er dich angelächelt hat!"

"Oh, sieh mal an", ertönt eine Stimme weiter vorne. "Jetzt hängt sich der Rotschopf auch noch an den neuen Schüler. Es reicht ihr wohl nicht, dass sie Rayne für sich beansprucht."

"Wer bist du denn?", wendet sich Alice nun an das Mädchen, das gesprochen hat. "Was fällt dir ein, dich in unser Gespräch einzumischen?"

"Pass auf, wie du mit mir redest." Das Mädchen steht auf und streicht sich ihre hüftlangen schwarzen Haare zurück. "Ich bin Madison Lee, ich habe hier an dieser Schule das sagen."

"Mir hat niemand was zu sagen", erwidert Alice. "Erst recht nicht jemand wie du, der so komische Klamotten trägt."

Madison´s waldgrüne Augen blitzen unter ihrem gerade geschnittenen Pony wütend auf. "Hör mal gut zu, Kleine. Du..."

"Schluss jetzt", unterbricht Mrs. Kate sie. "Falls ihr es vergessen habt, ihr seid hier in meinem Klassenraum. Setzt euch jetzt alle auf eure Plätze und seid still. Wenn ihr nicht nachsitzen wollt."

"Diese Sache ist noch nicht vorbei", zischt Madison, setzt sich aber wieder hin. Oz und Alice setzen sich auf die freien Plätze in der letzten Reihe.
 

Mit dem Klingeln der Glocke räumt Sarah eilig ihre Bücher in die Tasche und verlässt das Klassenzimmer. Während des Unterrichts hatte sie immer wieder Oz´s Blicke auf sich gespürt.

Auf dem Flur wendet sie sich nach rechts, um sich auf den Weg zu ihrem Spind zu machen.

"He, warte doch mal." Oz holt sie nach nur wenigen Schritten ein und geht neben ihr her. "Du hast mir gestern gar nicht deinen Namen genannt."

Seufzend bleibt Sarah stehen. "Hör zu, warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe? Ich will keinen Ärger mit deiner Freundin haben."

"Meine Freundin?", wiederholt Oz verblüfft. "Meinst du Alice? Sie ist nicht meine Freundin."

"So wie sie sich benimmt, scheint sie das aber anders zu sehen."

"Nein, wir sind nur befreundet", beteuert Oz. "Und ich würde wirklich gern deinen Namen wissen."

"Na gut. Ich heiße Sarah."

"Es freut mich, dich kennenzulernen, Sarah." Er lächelt sie an.

"Oz, wir müssen in den Geschichtsunterricht." Alice packt seinen Arm und zerrt daran. "Los, Beeilung."

"Ok, ich komm ja mit. Bis später, Sarah."

Sarah schaut den beiden stirnrunzelnd nach. "Was für ein seltsames Pärchen. Na, das geht mich ja eigentlich nichts an." Sie schlägt die andere Richtung ein.

"Sag mal, was sollte denn das? Warum hast du sie im Unterricht die ganze Zeit angestarrt? Und warum bist du ihr jetzt nachgelaufen?"

"Das ist doch ganz einfach, Alice", antwortet Oz. "Wenn wir uns mit ihr anfreunden, wird es leichter, zu tun, worum Gil uns gebeten hat."
 

"So, endlich schluss für heute." Sarah räumt ihre Schulsachen in den Spind.

"Man sollte nicht denken, dass du dich freust, weil der Unterricht vorbei ist." Rayne lehnt an dem Spind neben ihrem. "Schließlich wartet doch jetzt dein Wachhund auf dich."

"Danke, dass du mich daran erinnerst." Sie schlägt die Spindtür zu. "Ich hätte es ja auch beinahe schon wieder vergessen."

"Tut mir leid."

"Nein, schon gut. Es regt mich nur unheimlich auf, dass Rufus mich so herumkommandiert. Und dass ich mich jetzt von diesem verdammten Vincent nach Hause fahren lassen muss."

"Das musst du nicht, ich habe eine Idee. Komm mit."

"Wohin?" Sarah folgt ihm den Flur entlang und die Treppen hinunter ins Kellergeschoß. Bis zu der Tür, die in den Heizungskeller führt. "Rayne, was wollen wir hier?"

"Hier gibt es einen anderen Weg aus der Schule raus", antwortet er. "Und dann gehen wir ins "Magic Wonderland". Das wird dich auf andere Gedanken bringen."

"Das meinst du doch nicht ernst? Der Vergnügungspark gehört Rufus, dort kann ich nicht einfach herumwandern."

"Oh, ihr wollt in einen Vergnügungspark?", fragt eine fröhliche Stimme hinter ihnen. "Das klingt nach einer Menge Spass. Dürfen wir auch mitkommen?"

"Oz? Alice?" Sarah dreht sich zu den beiden um. "Seid ihr uns etwa hierher gefolgt?"

"Naja." Oz grinst verlegen. "Ja, sind wir."

"Und, was ist jetzt? Bleiben wir jetzt hier blöd rumstehen oder gehen wir endlich?"

Alice, Oz und Rayne sehen Sarah erwartungsvoll an, sie nickt zustimmend. "Ja, wir gehen."

Gilbert ist zur Schule gefahren und wartet auf dem Parkplatz. Er hatte seinen Bruder gebeten, Sarah abholen zu dürfen.

Eine halbe Stunde vergeht, ohne dass sie herauskommt. Schließlich geht Gil die Stufen hoch und betritt die Schule. Zielstrebig steuert er das Direktorenbüro an, aber die Tür ist bereits verschlossen.

"Verdammt." Wütend schlägt Gil mit der Faust gegen das Türholz. "Wo bist du, Sarah?"

"Sie hat sich mit ihren neuen Freunden durch den Keller rausgeschlichen."
 

Madison war Sarah und Rayne gefolgt, als sie in den Keller hinuntergingen. Von einem Versteck aus hatte sie beobachtet, wie auch Oz und Alice zu den beiden gekommen waren und hatte sich ein wenig näher geschlichen, um sie hören zu können. Dann sieht sie die vier durch die Tür zum Heizungsraum verschwinden.

"Interessant, sie widersetzt sich also ihrem Stiefvater. Bin ja gespannt, wie er reagiert, wenn er das erfährt." Mit einem hinterhältigen Lächeln zieht sie ihr Handy aus der Tasche, stellt aber fest, dass sie keinen Empfang hat. "So ein Mist."

Rasch verlässt sie den Keller und klappt dann noch einmal ihr Handy auf. Während sie die ersten Nummern wählt, hört sie Schritte. "Wer ist denn jetzt noch hier?"

Neugierig geht sie in die Richtung und schaut um die Ecke. Und erblickt Gil, wie er gerade mit seiner Faust zuschlägt. "Wo bist du, Sarah?"

"Sie hat sich mit ihren neuen Freunden durch den Keller rausgeschlichen."

Gil dreht sich um und fixiert sie mit seinen goldenen Augen. "Und weißt du, wohin sie wollten?"

"Ja, vielleicht. Kommt darauf an, ob sie dafür richtigen Ärger bekommt."

"Los, sag es mir." Gil ist mit wenigen Schritten bei ihr und packt sie an den Armen. "Sofort."

"Au, sie tun mir weh." Madison wehrt sich gegen seinen festen Griff.

"Tut mir leid." Hastig lässt Gil sie los und tritt zurück. "Ich muss einfach wissen, wo sie ist. Bitte."

"Na schön, sie wollten in´s Magic Wonderland. Jetzt wissen sie´s, also verschwinden sie."

"Danke. Und noch einmal Entschuldigung." Gil eilt den Flur hinunter. Madison schaut ihm nach. "Wow, der sieht ja wirklich verdammt gut aus. Auch wenn er ein bisschen grob ist."
 

"Wow." Alice bekommt große Augen, als sie den Vergnügungspark erreichen.

"Oh, Miss Sarah." Die Frau, die in dem Kassenhäuschen am Eingang sitzt, lächelt sie freundlich an. "Wie schön, sie auch wieder einmal hier zu sehen. Für sie als Tochter unseres Chef´s ist der Besuch hier natürlich wieder kostenlos. Das gilt selbstverständlich auch für ihre Freunde."

"Äh, ja, vielen Dank."

"Super", freut sich Oz. "Es war wirklich eine tolle Idee, dich hierher zu begleiten. Ok, und wohin fahren wir jetzt als erstes?"

Nachdem sie mit einigen Geräten gefahren sind, entdeckt Alice einen Crepesstand. "Oz, ich will einen essen. Mit Erdbeeren und Pudding."

"Sicher. Willst du auch einen, Sarah?"

"Gern. Ich such mir einen aus." Sarah geht ein paar Schritte zur Seite und betrachtet die Anzeigetafel. "Hm, welche Sorte soll ich nehmen?"

"Probieren sie doch den mit Schoko-Crossies", hört sie eine vertraute Stimme. "Den kann ich nur empfehlen, Miss."

Rasch dreht sie sich um, kann aber nicht erkennen, wer von den Menschen um sie herum zu ihr gesprochen hat.

"Sarah?" Rayne tritt neben sie, mit einem Stück Pizza in der Hand. "Suchst du jemanden?"

"Ich weiß nicht." Sarah schaut sich noch einmal um, dabei bleibt ihr Blick an einem Mann mit weißen Haaren hängen. Er steht neben der Eisbude gegenüber und schleckt genüßlich ein Eis. Während sie ihn noch beobachtet,

dreht er kaum merklich sein lächelndes Gesicht in ihre Richtung.

"Rayne, kannst du Oz sagen, dass ich ein Crepes mit Schoko-Crossies nehme? Ich komm gleich wieder."

Sarah drängt sich zwischen den Leuten hindurch. Als sie endlich an dem Eisstand ankommt, ist der Weißhaarige verschwunden. Nur ein angebissenes Eishörnchen liegt dort auf dem Boden, wo er gestanden hat. "Er ist weg. Ich hätte doch gern gewusst, ob er es war, der mich vor dem Chain gerettet hat. Es war ja leider in der Nacht zu finster, ich konnte ihn nicht sehen. Aber es war seine Stimme, die ich jetzt gerade gehört habe."

"Sarah, hier ist dein Crepes." Oz reicht ihn ihr, als sie zu ihm und den anderen zurückkehrt.

"Danke."
 

Gil wartet ungeduldig in der Schlange vor dem Kassenhäuschen, bis er endlich an der Reihe ist. "Shelly, hast du Sarah gesehen? Wie lange ist sie schon hier?"

"Oh, Gilbert. Ja, Miss Sarah hat vor etwa einer Stunde den Park betreten. Oz und Alice waren bei ihr und noch ein Junge."

"Sie hätte eigentlich direkt nach der Schule nach Hause kommen sollen. Sir Rufus hat das so befohlen. Ich muss sie schnell finden."

"Na, dann geh mal rein." Shelly drückt ihm ein Eintrittsticket in die Hand. "Und viel Glück bei der Suche."

"Danke, Shelly." Gil schiebt sich durch das Drehgitter. "Und wo soll ich jetzt anfangen? Sie kann ja überall sein."

"Tja, dabei kann ich dir helfen. Ich habe sie gerade noch gesehen."

"Break." Gil dreht sich zu ihm um. "Zeig mir, wo."

"Sicher. Da du so nett fragst, tu ich das doch gern. Komm mit." Break führt Gil quer durch das Wonderland bis zu dem Crepesstand. "Da vorn. Alice wollte unbedingt was essen."

"Typisch für diesen verfressenen Hasen", knurrt Gil. "Und wo sind sie jetzt?"

"Das weiß ich leider nicht", gibt Break zu. "Miss Sarah hat mich entdeckt und ist auf mich zugekommen. Ich hielt es für klüger, mich davonzumachen. Aber allzuweit von hier kann sie ja nicht sein."

"Das hoffe ich. Denn sonst..."

"Gilbert? Was machst du hier?"

"Das war super, oder?" Sarah und die anderen sind mit der Achterbahn gefahren. "Was meint ihr? Drehen wir noch eine Runde?"

"Äh, ich glaube, deine neue Schulfreundin sollte das lieber lassen." Rayne zeigt zu Alice hinüber, die von Oz zu einer Bank geführt wird. Ihr Gesicht hat eine leicht grünliche Farbe angenommen. "Vielleicht hat sie den Looping nicht vertragen."

"Ich werde ihr besser mal ein Wasser zu trinken holen. Wo ist denn hier ein Getränkestand?" Sarah schaut sich suchend um und entdeckt nicht weit entfernt Gil. "Gilbert? Was machst du hier?"
 

"Sarah." Gil dreht sich erleichtert zu ihr um. "Zum Glück habe ich dich gefunden. Als du nicht aus dem Schulgebäude gekommen bist, habe ich mir Sorgen gemacht."

"Was? Ich dachte, Vincent würde mich abholen, deshalb habe ich mich auf einem anderen Weg rausgeschlichen."

"Nein, ich hatte ihn gebeten, mich zur Schule fahren zu lassen", erklärt Gil.

"Ich verstehe. Und woher wusstest du, wo du mich suchen musst?"

"Von einer Schülerin. Sie ist euch in den Keller gefolgt und hat gehört, dass ihr hierher kommen wollt."

"Das muss Madison gewesen sein", meint Rayne. "Sie wollte wahrscheinlich, dass du Ärger bekommst."

"Rayne." Gil wirft dem Jungen mit den silbernen Augen und den schulterlangen schwarzen Haaren mit silbernen Strähnen einen Blick zu. "Der Besuch im Park war doch bestimmt deine Idee, oder?"

"Ich habe Sarah nur den Vorschlag gemacht", erwidert Rayne. "Aber es war ihre eigene Entscheidung, mich zu begleiten."

"Nun, jedenfalls sollten wir jetzt heimfahren. Sir Rufus wird schon wütend sein, weil ich dich nicht gleich nach dem Unterricht zurückgebracht habe."

Sarah zuckt mit den Schultern. "Dann macht es doch jetzt auch keinen Unterschied mehr, wenn ich noch länger bleibe."

Hinter Gil ertönt ein unterdrücktes Lachen. "Da hat sie gar nicht mal so Unrecht, Gilbert."

"Das ist seine Stimme." Sarah richtet ihren Blick auf den Mann, der halb hinter Gil steht. Anders als vorher am Eisstand, trägt er jetzt eine Sonnenbrille und einen Schlapphut.
 

kurzer Rückblick

"Sag mal, was soll denn das werden?"

"Naja, ich wollte mich schon immer mal so verkleiden", grinst Break. Er zieht den braunen Schlapphut auf seinem Kopf zurecht und blinzelt Gil über den Rand der schwarzgetönten Sonnenbrille an. "Und? Was meinst du?"

"Du siehst lächerlich aus", kommentiert Gil.

Rückblick Ende
 

"Sie sind es."

Break zuckt zusammen, als er Sarah´s Stimme direkt neben sich hört. "Wer?"

"Sie sind der Mann, der mich im Wald vor dem Chain gerettet hat. Ich habe ihre Stimme wiedererkannt, schon vorhin am Crepesstand."

"Oh, äh..." Break gibt einen resignierenden Seufzer von sich. "Na gut, sie haben Recht, Miss Sarah. Dann will ich mich mal offiziell vorstellen." Er deutet eine Verbeugung vor ihr an. "Mein Name ist Xerxes Break."

Automatisch verneigt sich Sarah ebenfalls, während er sich schon wieder aufrichtet. Und sie stoßen mit den Köpfen zusammen.

"Autsch."

"Au."

"Das müsst ihr wohl noch mal üben", bemerkt Rayne.

"Ja, da hast du wohl Recht", stimmen Sarah und Break gleichzeitig zu. Sie

sehen sich an und fangen beide an zu lachen.
 

"Sarah hat jetzt also auch Break kennengelernt." Oz schaut zu ihnen hinüber. "Und wie es scheint, verstehen sie sich auch ganz gut."

Eine leichte Berührung lässt ihn den Blick senken. Alice hat sich an seine Schulter angelehnt. Ihre Augen sind geschlossen und sie ist immer noch ein wenig blass im Gesicht.

"Ich glaube, ich bringe dich besser heim."

Langsam führt er sie zur anderen Seite und verschwindet mit ihr in einem schmalen Durchgang zwischen zwei Verkaufsständen.
 

"Break, willst du nicht langsam mal diesen albernen Hut abnehmen?"

Nachdem sie festgestellt haben, dass Oz und Alice weg sind, haben sich Gil und die anderen einen Platz an einem Getränkestand gesucht.

Break schüttelt den Kopf. "Nein. Hier treiben sich bestimmt welche von Rufus´ Lakaien herum. Es wäre unangenehm, wenn sie mich entdecken."

"Warum? Was hat mein Va..."

"Miss Sarah!" Drei Männer mit grimmigen Gesichtern steuern zielstrebig auf sie zu.

"Oh je, das ist jetzt wohl mein Stichwort." Break duckt sich hinter Gil´s Rücken und taucht rasch in der Menschenmenge unter, die sie umgibt.

"Miss Sarah." Die Männer sind bei ihnen angekommen. "Ich muss sie bitten, uns zu begleiten. Sir Rufus erwartet sie ungeduldig auf dem Anwesen. Und sie auch, Gilbert."

"Tut mir leid, Rayne. Ich habe wohl keine andere Wahl, als mitzugehen. Wir sehen uns morgen in der Schule."

"Ja, bis morgen."
 

"Gilbert", empfängt Rufus ihn, als er mit Sarah durch die Eingangstüren tritt. "Ich erinnere mich, dass ich befohlen hatte, Sarah direkt nach der Schule nach Hause zu bringen. Du hast doch wohl nicht die Absicht, mir nicht mehr zu gehorchen? Ich würde dich wirklich nur ungern genauso behandeln wie "ihn"."

"Verzeihen sie, Sir Rufus", mischt Vincent sich ein. "Mein Bruder wird bestimmt nicht noch einmal gegen ihren Befehl handeln. Ich versichere ihnen, dass er es nicht mehr tun wird."

"Nun gut, Vincent. Ich hoffe, dass ich mich auf dein Wort verlassen kann." Rufus wendet sich an Sarah, packt sie am Arm. "Mit deinem trotzigen und rebellierendem Verhalten ist jetzt auch Schluss."

"Au, sie tun mir weh", protestiert Sarah. Er ignoriert sie und zerrt sie mit sich die Treppe hinauf. Bis in ihr Zimmer. "Du wirst jetzt hier drin bleiben, bis du gelernt hast, mir gehorsam zu sein."

"Und wie wollen sie mich dazu bringen? Sie werden mich ja wohl kaum hier einsperren."

"Doch, genau das werde ich tun." Rufus schließt die Tür von außen. Dann hört sie deutlich, wie ein Schlüssel im Schloss gedreht wird.

"Nii-san?" Vincent öffnet die Tür zur Küche.

"Ich bin hier." Gil kommt mit einer Kiste Champignons aus dem Kühlraum, schiebt die Tür mit dem Fuß hinter sich zu. "Was willst du? Du kommst doch sonst nie hier herein."

"Warum hast du riskiert, Sir Rufus´ Wut auf dich zu ziehen? Du hättest Miss Sarah doch einfach direkt nach der Schule heimbringen müssen."

"Und du hättest dich nicht für mich einsetzen brauchen", brummt Gil, während er die Champignons in Scheiben schneidet.

Vincent tritt an den Küchentresen heran. "Dieses Mädchen ist es doch nicht wert, dass du für sie bestraft wirst. Ich könnte es nicht ertragen, wenn man dich genauso behandeln würde wie "Ihn."

"Ich werde bestimmt nicht den gleichen Fehler machen. Es war leichtsinnig von dem Schwachkopf, sich offen gegen Sir Rufus zu stellen."

"Ich bin froh, das zu hören. Und, kann ich dir bei irgendwas helfen jetzt?"

"Nein, nicht nötig." Gil verteilt die Champignonscheiben auf den Pizzablechen. "Ich muss nur noch eben den Käse holen und drüberstreuen, dann bin ich schon fertig."

"Das kann ich doch für dich machen." Vincent steuert bereits auf die Metalltür zu, die zum Kühlraum führt.

"Nein!"

"Nii-san?" Vincent dreht sich verwirrt und fragend um, als Gil ihn regelrecht anbrüllt.

"Äh, du weißt doch gar nicht, wo der Käse ist. Ich hole ihn selbst. Vielleicht könntest du ja zu Sir Rufus gehen und ihn fragen, ob Miss Sarah mit uns zusammen essen wird?"

"Natürlich, das mach ich doch gern."

Gil stößt einen tiefen Seufzer aus, dann geht er selbst zum Kühlraum und öffnet die schwere Tür. "Er ist jetzt erst mal weg."

Mit einem verlegenen Lächeln kommt Break hinter einem der Regale hervor. Er zittert vor Kälte. "Das war ganz schön knapp, oder? Einen Moment hatte ich schon befürchtet, er würde wirklich hier reinkommen."
 

kurzer Rückblick

Nach ihrer Rückkehr war langsam ein Unwetter herangezogen. Der Himmel hatte sich verdunkelt und der Wind war deutlich stärker geworden. Und starker Regen hatte auch eingesetzt, begleitet von Donnergrollen und rasch aufeinanderfolgenden Blitzen.

Als es auf den Abend zugeht, macht sich Gil auf den Weg in die Küche. Als er durch die Tür geht, spürt er einen starken Luftzug und schaltet rasch die Lampen ein. Eins der Fenster ist geöffnet und klappert im Wind. Darunter, auf dem Boden, hat sich eine Pfütze gebildet und nasse Fußspuren führen hinter den Küchentresen. Langsam folgt Gil der Spur und findet einen tropfnassen Break. Der Weißhaarige hockt mit dem Rücken an einer Schranktür gelehnt, unter ihm hat sich eine große Wasserlache gebildet. "Oh, Gilbert. Es macht dir doch nichts aus, dass ich mich hierher vor dem Sturm geflüchtet habe, oder?"

"Hast du jetzt völlig den Verstand verloren? Was hättest du denn gemacht, wenn ich jetzt jemand anderer wäre? Oder wenn jemand bei mir gewesen wäre?"

"Deshalb sitze ich ja hier, damit man mich beim Eintreten nicht sofort sieht."

"Aber die Spuren, die du hinterlassen hast, sind mir sofort aufgefallen", entgegnet Gil. "Du hättest wenigstens das Fenster wieder schließen können."

"Dafür bin ich leider nicht groß genug, ich komm nicht an den Griff dran."

Mit einem resignierenden Seufzen schließt Gil selbst das Fenster und holt einen Eimer und Aufnehmer aus dem Putzschrank. Er drückt beides Break in die Hände. "Mach wenigstens den Boden wieder trocken."

Während Break das Wasser aufwischt, mit einem leicht schmollenden Gesichtsausdruck, sucht Gil im Wandschrank nach den Zutaten für den Pizzateig. Als er ihn fertig geknetet hat und auf den Blechen ausrollt, gießt Break das Wasser in die Spüle und lässt den durchweichten Aufnehmer in den Eimer fallen. "Ich bin fertig. Und, ist das Ergebnis für dich zufriedenstellend?"

"Stell den Eimer einfach zurück in den Schrank und häng den Lappen ordentlich darüber. Und dann..."

"Du willst mich doch nicht in das Unwetter rausschicken?"

"Sei nicht albern. Aber hier kannst du auch nicht bleiben." Gil überlegt einen Moment. "Am besten schleichst du dich wieder in mein Zimmer..."

Das Geräusch von näherkommenden Schritten lässt ihn verstummen und zur Küchentür blicken.

Rückblick Ende
 

"Du hast nicht viel Zeit, Vincent wird nicht lange wegbleiben. Also sieh zu, dass du aus der Küche verschwindest. Geh in mein Zimmer und bleib da."

"Ok, verstanden." Break klettert rasch wieder aus dem Fenster, Gil schließt es hinter ihm. Kaum eine Minute später kommt Vincent wieder durch die Tür. "Sir Rufus wünscht, dass Miss Sarah ihr Abendessen in ihr Zimmer gebracht wird. Er hat mir den Schlüssel gegeben."

"Gut." Gil schiebt die Bleche in den Ofen. "In einer halben Stunde sind sie fertig."
 

Sarah liegt in ihrem Zimmer auf dem Bett und beobachtet die Blitze draußen. Der Regen, der gegen ihre Fensterscheiben prasselt, macht sie allmählich schläfrig. Und sie beginnt zu träumen.

Um sie herum herrscht tiefschwarze Finsternis. Mit stolpernden Schritten tastet sie sich vorwärts.

"Sarah." Vor ihr bewegt sich etwas. Ein gewaltiger Wolf stapft auf sie zu, seltsamerweise kann sie ihn ganz deutlich erkennen. Er bleibt dicht vor ihr stehen. "Es hat lange gedauert, Sarah. Aber bald schon werde ich dir in dieser Gestalt gegenübertreten. Und dann gehören wir endlich wieder zusammen."

"Was meinst du damit? Wer bist du?"

"Es tut mir leid, aber ich kann dir meinen Namen jetzt noch nicht nennen. Erst, wenn du deine Erinnerungen zurückbekommen hast." Der Wolf dreht sich um und entfernt sich in die Richtung, aus der er gekommen ist.

"Warte!" Sarah versucht, ihm zu folgen. Aber er ist bereits in den dichten Nebelschwaden verschwunden.

Mit einem Ruck wacht Sarah auf, in ihrem Zimmer brennt jetzt die kleine Lampe auf ihrem Schreibtisch. Daneben steht ein Tablett mit einigen quadratischen Pizzastücken, einer Flasche Cola und einem Glas.

"Das muss mir wohl Gilbert gebracht haben."

Als sie von dem ersten Stück einen Bissen nimmt, hört sie ein Klopfen an ihrer Fensterscheibe. Neugierig schiebt sie die Vorhänge zur Seite und blickt in ein verlegen lächelndes Gesicht.

"Guten Abend, Miss Sarah. Können sie mich wohl hereinlassen?"

Nach dem Abendessen macht sich Gil auf den Weg in sein Zimmer. Er will gerade die Tür öffnen, als er gerufen wird.

"Nii-san." Vincent kommt auf ihn zu. "Wir haben schon lange nichts mehr zusammen getrunken." Er schwenkt eine Flasche Wein. "Na, was meinst du?"

Bevor Gil etwas erwidern kann, ist sein Bruder schon an ihm vorbeigegangen.

"Verdammt, ich habe Break doch hierher geschickt."

"Worauf wartest du denn?" Vincent öffnet die Flasche und gießt in die beiden Gläser ein.

"Danke." Gil setzt sich auf den zweiten Stuhl und führt sein Glas an den Mund. "Nochmal Glück gehabt, er ist nicht hier. Aber wo steckt er dann? Hoffentlich stellt er nicht gerade wieder irgendwas verrücktes an." Während er einen kräftigen Schluck nimmt, fällt sein Blick zufällig auf das Fenster hinter Vincent. Break klebt von außen an der Scheibe und gibt ihm eifrig Handzeichen. Vor Schreck prustet Gil den ganzen Wein über den Tisch und auf seinen Bruder.

"Was ist denn mit dir los?" Vincent schaut ihn beleidigt an. Auf seinem weißen Hemd zeichnen sich mehrere rote Weinflecken ab.

"Entschuldige, ich habe mich verschluckt. Am besten versuchst du, ob es sich auswaschen lässt." Gil schiebt den Blonden ins Bad und schließt die Tür hinter ihm. Als er das Wasser laufen hört, eilt er zum Fenster und reißt es auf. Sein hektischer Blick wandert von rechts nach links und nach unten, aber der Weißhaarige ist verschwunden. Auf die Idee, dass Break über ihm das Rankengitter hinaufklettert, kommt er nicht.
 

"Break?" Rasch öffnet Sarah das Fenster. "Los, kommen sie rein. Was machen sie denn bei dem Wetter draußen?"

"Im Vergnügunspark wollte ich nicht bleiben, falls mich doch jemand von Rufus´ Leuten gesehen hat." Er steigt über die Fensterbank ins Zimmer. "Haben sie vielleicht ein Handtuch für mich? Dass ich mich wenigstens ein wenig abtrocknen kann?"

"Sicher, nur einen Moment." Sie holt ein großes Handtuch aus dem Schrank. "Bitte."

"Vielen Dank." Er legt das angebissene Stück Pizza, dass er sich genommen hat, zur Seite und beginnt, seine Haare trocken zu rubbeln.

"Was hat Rufus Barma eigentlich gegen sie?" Sarah nimmt sich auch noch eine Pizza und setzt sich auf ihr Bett. "Das wollte ich sie heute Nachmittag schon fragen."

"Ich habe vor einigen Jahren aufgehört, ihm zu dienen und...Hatschi...seine Befehle zu befolgen. Das nimmt er mir bis heute übel."

"Nur deshalb ist er nicht gut auf sie zu sprechen? Das kann ich mir nicht vorstellen."

"Und warum nicht, Miss Sarah? Er war doch...Hatschi...auch wütend auf sie, weil sie ihm nicht gehorcht haben und nach der Schule noch...Hatschi...in den Vergnügungspark gegangen sind."

"Das stimmt, da haben sie Recht." Sarah knabbert weiter an ihrer Pizza, als ihr ein Gedanke kommt. "Ist es denn nicht gefährlich für sie, jetzt hier zu sein?"

"Ach, das glaube ich eigentlich nicht. Es wird wohl niemand...Hatschi...auf den Gedanken kommen, dass ich mich "in die Höhle des Löwen" schleichen würde. Hier ist jetzt wahrscheinlich der...Hatschi...sicherste Platz überhaupt für mich."

"Geht es ihnen nicht gut? Sie niesen ja ständig."

"Machen sie sich nur keine Sorgen um mich, Miss. Ich fühle mich wirklich ausgezeichnet...Haaaaaaaatschiiiiiiiiiii!!!!"

"Das klingt aber, als wären sie erkältet." Sarah geht zu ihm und legt ihre Hand auf seine Stirn. "Fieber haben sie nicht. Aber es ist nicht gut, wenn sie weiter diese nasse Kleidung anbehalten."

"Miss Sarah, wollen sie wirklich, dass ich mich vor ihnen ausziehe?" Break grinst frech. "Nun gut, wenn das ihr Wunsch ist..." Er beginnt, die obersten Knöpfe seines Hemdes zu öffnen.

"N-nein." Eine leichte Röte überzieht Sarah´s Gesicht. "S-so habe ich das doch gar nicht gemeint. I-ich will nur nicht, dass sie krank wer...Eh?"

Break ist in lautes Lachen ausgebrochen. "Das konnte ich mir jetzt einfach nicht verkneifen. Seien sie bitte nicht sauer, dass ich sie in Verlegenheit gebracht habe." Er setzt ein um Verzeihung bittendes Lächeln auf, bei dem sie ihm einfach nicht böse sein kann.

"Sie sind schon ein richtig komischer Kauz."

"Das betrachte ich als Kompliment, Miss." Break schiebt sich den Rest seines mittlerweile dritten Stückes Pizza in den Mund. "Die hat Gilbert wirklich ausgezeichnet gemacht. Manchmal vermisse ich seine Kochkünste richtig."
 

Rufus sitzt in seinem Büro an seinem Schreibtisch, als ein kalter Windstoß einige Unterlagen auf den Boden fegt.

"Habt ihr seinen Aufenthaltsort endlich herausgefunden?"

"Leider nicht, Sir Barma. Der Kerl ist gerissen und macht es uns wirklich schwer, ihn aufzuspüren."

"Warum bist du dann hier, wenn du mir nichts neues zu berichten hast?"

"Weil er heute Nachmittag im "Wonderland" gesehen wurde. Er war mit Gilbert zusammen und hat auch mit Sarah gesprochen."

"Ich verstehe." Rufus sammelt die Unterlagen zurück auf den Stapel. "Ich werde Gilbert morgen danach befragen, was er mit ihm zu tun hat. Du kannst jetzt gehen, aber wenn du mich das nächste Mal aufsuchst, erwarte ich bessere Ergebnisse."

Die Gestalt in der roten Robe verneigt sich und verschwindet dann wieder durch den Geheimgang aus dem Büro.

"Gilbert?" Vincent schaut zu seinem Bruder, der mit glasigen Augen in seinem Sessel sitzt. "Willst du mir nicht erzählen, warum du dich im Park mit "ihm" getroffen hast? Hat er vielleicht dort seinen Unterschlupf?"

"Wwww-wasch? I...isch weis-sch ni...scht...Dassss ischt nischt...meine S-schulddddddd...Misch Scharah war nischt...in der Sch-schule..."

"Oh je, ich hätte ihn wohl doch nicht so viel trinken lassen dürfen." Vincent schaut seufzend auf die zwei leeren Weinflaschen und die dritte noch halbvolle auf dem Tisch. "Ich weiß doch genau, dass er nicht viel verträgt. Jetzt bekomme ich wohl keine vernünftige Antwort mehr."

"Komm, steh auf." Er legt sich Gil´s Arm um die Schultern und zieht ihn auf die Beine. "Du solltest jetzt schlafen gehen."

"Neeeeein. Isch bin...noch gar nischt...müüüüüüde. Lasch unsch...die Flasch...sche auch noch leertrinkeeeeen."

"Die sind alle schon leer", schwindelt Vincent. Mit einiger Mühe gelingt es ihm, ihn zum Bett zu bringen. Gil fällt mit dem Gesicht nach vorn auf die Kissen und bleibt liegen. Seufzend löscht Vincent die Lampen und tritt auf den Flur hinaus. Auf dem Weg zu seinem eigenen Zimmer kommt ihm Lotti entgegen. "Ach, hier bist du. Fang und ich wollen uns jetzt wieder auf die Suche nach "ihm" machen. Ich dachte, du würdest uns gern begleiten."

"Liebend gern." Ein bösartiges Grinsen erscheint auf Vincents´s Gesicht. "Es wäre mir wirklich eine Freude, wenn ich "ihn" persönlich zu Sir Rufus schleifen könnte."
 

"Oz?" Alice liegt auf dem Bauch auf ihrem Bett in dem Wohnwagen, wo sie mit ihm wohnt. "Warum hat uns Seaweed-Head eigentlich gebeten, den Karottenkopf im Auge zu behalten?"

"Gil und Break glauben, dass Rufus Barma Sarah aus einem bestimmten Grund zu sich geholt hat", erklärt Oz.

"Und welcher Grund ist das?"

"Das wissen die beiden noch nicht, aber sie versuchen es herauszufinden. Und wenn sich herausstellt, dass er etwas schlimmes mit ihr vorhat, werden wir..." Oz wird von einem lauten Brüllen unterbrochen. Rasch springt er auf und läuft zur Tür, öffnet sie. Sein Blick fällt gleich auf den großen löwenähnlichen Chain, der einige Meter vor dem Wohnwagen steht. Und Lotti und Fang neben ihm.

"Was wollt ihr hier?"

"Oh, sieh mal, da ist ja Oz-Boy. Sag, ist vielleicht zufällig Mad Hatter da drin? Sir Rufus würde sich unheimlich gern mit ihm unterhalten."

"Nein, der blöde Clown ist nicht hier!" Alice ist hinter Oz ins Freie getreten. "Also macht, dass ihr verschwindet!"

"Ihr wollt es uns also nicht sagen? Na gut, vielleicht kann Leon es ja aus euch herausholen." Lotti legt ihrem Chain die Hand auf den Kopf. "Na, willst du ein bisschen mit den beiden spielen?"

"Alice!" Oz wirbelt herum und packt ihre Hand. "Los, weg hier!"

Sie haben den nahen Waldrand beinahe erreicht, als vor ihnen ein paar Augen zwischen den Bäumen aufleuchten. Ein gewaltiger Wolf tritt aus der Dunkelheit.
 

Break sitzt mit angezogenen Beinen auf der kleinen Couch in Sarah´s Zimmer. Sein Blick ist auf das Fenster gerichtet. "Was ist das wohl für ein Chain, der da jetzt aufgetaucht ist? Wie gern wäre ich auch dort, um ihn selbst sehen zu können."

"mmmh." Sarah´s gleichmäßiges Atmen verändert sich und sie bewegt sich unruhig unter der Decke. "nnnnnnnnhhh."

"Miss Sarah?" In dem schwachen Licht der kleinen Tischlampe geht er leise zum Bett und beugt sich über sie. "Miss Sarah."

Er zuckt leicht zusammen, als sie plötzlich aufschreckt und ihn heftig von sich stößt. Er landet auf dem Rücken und bevor er sich wieder aufrichten kann, ist sie über ihm. Ihre Finger krallen sich in sein Hemd.
 

"Habt keine Angst. Es ist nicht meine Absicht, euch etwas zu tun." Mit einem kräftigen Satz springt er über Oz und Alice hinweg und stößt ein drohendes Knurren aus. "Hört gut zu, ihr Baskervilles. Nehmt euer Schoßkätzchen und verschwindet."

"Warum sollten wir?" Lotti geht ein paar Schritte vorwärts. "Leon kann..."

"Lotti-san", unterbricht Fang sie. "Wir ziehen uns zurück."

"Aber warum denn?"

"Dieser Chain scheint mächtig zu sein. Du solltest Leon nicht gegen ihn kämpfen lassen. Und Xerxes Break ist nicht hier, sonst wäre er schon herausgekommen. Er ist nicht der Typ, der sich versteckt, während andere kämpfen."

"Ich hasse es, wenn du Recht hast", schmollt Lotti. "Na schön, lass uns woanders nach ihm suchen." Sie schaut noch einmal zu Oz. "Bye, bye, Oz-Boy. Wir sehen uns bestimmt bald mal wieder."

Während sie sich entfernen, geht Oz auf den Wolf zu. "Wer bist du? Warum hast du uns geholfen?

"Weil ich weiß, dass die Baskervilles Übles im Sinn haben. Man erfährt so einiges über sie im Abyss." Er wendet seinen Kopf und schaut Oz mit seinen silbernen Augen direkt an. "Ich habe auch über dich, den Vertragspartner von B-Rabbit, schon viel gehört. Und es scheint tatsächlich alles wahr zu sein. Ich brauche es also nicht zu bereuen, dass ich dir zur Hilfe gekommen bin."

"Wer bist du denn eigentlich?" Alice verschränkt die Arme vor der Brust. "Du tauchst hier einfach auf und gibst so etwas von dir. Woher sollen wir denn wissen, dass du uns nicht doch noch angreifst?"

"Ich glaube nicht, dass er das tun wird", murmelt Oz. "Ich bin überzeugt, dass wir ihm vertrauen können. Und - es ist komisch - aber ich habe das sichere Gefühl, ihn zu kennen."

"Was meinst du damit, Oz?"

"Das weiß ich nicht", gibt er verlegen zu.

"Ich werde mich jetzt verabschieden. Leider kann ich im Augenblick noch nicht allzu lang in Erscheinung treten." Mit raschen Sprüngen verschwindet er zwischen den Bäumen.
 

"Miss Sarah, kommen sie wieder zu sich." Break umklammert ihre Handgelenke. Sie wehrt sich noch heftig gegen seinen Griff, aber allmählich werden ihre Bewegungen ruhiger. Schließlich gelingt es ihm, sie von sich herunterzuschieben und sich aufzusetzen.

Er stößt einen tiefen Seufzer aus, dann schaut er zu dem Mädchen. Zu seiner Erleichterung ist die Leere aus ihren Augen verschwunden.

"Miss Sarah?" Vorsichtig berührt er sie an der Schulter. Sie blinzelt einige Male, als würde sie aus einem Traum erwachen. "Break...Warum sitzen wir hier auf dem Boden? Und wieso...Oh nein, was ist denn mit ihnen passiert?"

"Oh." Er senkt den Blick auf das zerrissene Hemd. "Ach, das ist nicht so schlimm. Ich habe es mir ja nur von Gilbert ausgeliehen."

"Das meine ich nicht." Sie streckt die Hand aus und berührt die blutigen Kratzer auf seiner Haut. Dabei fällt ihr noch etwas auf und sie schiebt den Stoff zur Seite. Direkt über seinem Herzen zeichnet sich ein rundes, seltsam aussehendes Mal ab. "Was ist das?"

"Break?" Sarah schaut unsicher zu ihm hinüber.

Nachdem sie ihn nach dem Mal gefragt hatte, war er mit einem knappen "Nichts" aufgestanden und hatte sich auf der Couch ausgestreckt. Seine Füße in den zu langen Hosenbeinen baumeln über der Lehne.

"Hmm?"

"Tut mir leid, wenn ich ihnen eine unangenehme Frage gestellt habe. Es ist

nur, ich glaube, ich kenne dieses Symbol...Obwohl ich mir ganz sicher bin, dass ich es noch nie gesehen habe."

"Vielleicht ist es ihnen ja einfach völlig unwichtig erschienen, deshalb erinnern sie sich nicht daran."

"Möglich. Aber...Soll ich ihm von diesem Wolf erzählen? Vielleicht war es ja auch einfach nur ein Traum und hat überhaupt keine Bedeutung..."

"Miss Sarah." Break hat sich umgedreht, er liegt nun auf dem Bauch. Mit dem Kinn auf seinen verschränkten Armen auf die Lehne gestützt. "Wenn es noch etwas gibt, was sie beschäftigt, können sie ruhig mit mir darüber sprechen."

"Okay. Bevor sie heute Abend in mein Zimmer gekommen sind, habe ich in einem Traum einen Wolf gesehen. Bei ihm hatte ich auch ein - irgendwie vertrautes Gefühl. Und er hat zu mir gesprochen. Er könnte doch ein Chain gewesen sein, oder?"

"Dazu kann ich ihnen leider nichts sagen. Aber es gibt jemanden, der sicher darüber Bescheid weiß. Er ist ein guter Freund von mir. Wenn sie wollen, können wir morgen mal zu ihm gehen und ihn danach fragen."

"Das geht nicht. Rufus wird mich sicher morgen direkt nach der Schule hierher bringen lassen."

"Ich habe doch kein Wort davon gesagt, dass wir nach dem Unterricht zu ihm gehen", grinst Break. "Sobald sie morgen früh am Schulgebäude ankommen, können wir uns gleich auf den Weg machen. Und jetzt legen sie sich schlafen."
 

"Das war ja eine interessante Begegnung." Vincent lächelt zufrieden, während er mit Lotti und Fang auf dem Weg zurück zum Anwesen ist. "Ich möchte unbedingt mehr über diesen Chain erfahren."

"Und wie willst du das anstellen?" Lotti schaut ihn stirnrunzelnd an. "Dieser Wolf war uns ja nicht gerade freundlich gesinnt. Er ist einfach aus dem Nichts aufgetaucht und wieder verschwunden."

"Nun, glücklicherweise kennen wir jemanden, der detaillierte Kenntnisse über alle möglichen Chains besitzt", erklärt Vincent. "Sir Rufus wird uns sicher erlauben, ihm einen Besuch abzustatten, wenn er unseren Bericht hört."

"Hat er sich nicht auch immer gut mit Mad Hatter verstanden? Vielleicht kann er uns ja auch sagen, wo wir ihn finden können. Oder er hält ihn sogar bei sich versteckt."

"Eine gute Idee, Fang. Ja, das wäre durchaus möglich", stimmt Vincent ihm zu. "Wir werden ihn nach dem weißhaarigen Clown befragen, wenn wir bei ihm sind."
 

Klopf, klopf, klopf.

Das anhaltende Geräusch lässt Break langsam aus dem Schlaf erwachen, in den er irgendwann in der Nacht gefallen war. Müde reibt er sich die Augen, als es erneut an der Zimmertür klopft. Und dann hört er eine Stimme.

"Miss Sarah, es wird Zeit, dass sie aufstehen."

"So ein Mist. Er darf mich hier nicht entdecken." Hastig springt Break von der Couch auf und flüchtet an den einzigen Ort, wo er sich verstecken kann - das Bad.

Schon betritt Vincent das Zimmer und nähert sich dem Bett. "Oh, sie schläft ja noch." Lächelnd streicht er dem Mädchen eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Sie reagiert auf seine Berührung mit einem verschlafenen "Guten Morgen." Dann öffnen sich ihre Augenlider und sie blinzelt einige Male. "Haben sie..." Sie verstummt, als ihre Sicht klarer wird und sie erkennt, wer über sie gebeugt steht. "Vincent! Was hast du hier zu suchen?"

"Ich will nur ihren "Guten Morgen-Gruß" erwidern."

"Das galt nicht dir." Sarah greift nach dem Morgenmantel, der am Fußende liegt und zieht ihn über. Dann steigt sie aus dem Bett und geht zum Kleiderschrank. "Ich dachte, du wärst Gilbert."

"Sie lügen, Miss Sarah." Er tritt hinter sie und legt seine Hände an die offenen Schranktüren. "Meinen Bruder sprechen sie mit "Du" an. Aber der Satz, den sie vorhin anfingen, lautete "Haben sie"..."

"Das geht dich überhaupt nichts an!" Sie dreht sich um und stellt fest, dass sie zwischen seinen Armen gefangen ist. "Was zum Teufel soll das? Mach, dass du aus meinem Zimmer verschwindest!"

"Erst sagen sie mir, zu wem sie wirklich gesprochen haben." Vincent berührt ihre Wange und lässt seine Finger hinabgleiten, legt sie unter ihr Kinn. "Was verheimlichen sie vor mir, Miss Sarah?"

"Gar nichts! Lass mich jetzt in Ruhe!" Sie holt zu einem Schlag aus, aber er packt blitzschnell ihr Handgelenk. "Sie brauchen nicht so abweisend zu sein, dafür gibt es keinen Grund. Schließlich behandle ich sie doch immer freundlich, sie könnten mir ruhig ein wenig entgegenkommen."
 

"Diese elende, verfluchte Ratte!" Mit vor Wut zusammengepressten Zähnen und geballten Fäusten steht Break hinter der Tür zum Bad. Er ist kurz davor, sein Versteck zu verlassen und sich auf den Blonden zu stürzen. Als eine zornig klingende Stimme an sein Ohr dringt.

"Vincent! Lass Sarah sofort Los!"

"Gilbert." Vorsichtig schaut Break wieder durch den Türspalt und beobachtet, wie der Schwarzhaarige seinen Bruder packt und grob von dem Mädchen wegstößt. Nach ein paar heftigen Worten hebt der jüngere Nightray beschwichtigend die Hände und verlässt das Zimmer.

"Haha, da ist er ja gerade noch im richtigen Moment gekommen. Sonst hätte ich wohl einen wirklich großen Fehler begangen." Er lehnt sich mit dem Rücken an die Tür und rutscht langsam daran herunter. "Und jetzt warte ich am besten, bis er wieder weg ist. So kann ich nicht vor ihn treten. Unter keinen Umständen darf er dieses verfluchte Mal sehen. Wenn er herausfinden würde, dass ich es ihm die ganzen Jahre, die wir uns kennen, verheimlicht habe, wird er garantiert sehr böse auf mich werden."

Nach dem kleinen Zwischenfall mit seinem Bruder verlässt Gil Sarahs Zimmer. Auf dem Flur sieht er Fang und Doug stehen. Der etwas kleinere der Baskervilles geht auf Gil zu. "Sir Rufus will mit dir sprechen."

"Worüber?"

"Das wissen wir nicht. Er hat uns nur befohlen, dich zu ihm zu bringen. Komm mit."

In Rufus´s Büro bleiben die beiden Rotgewandeten an der Tür stehen. Gil nimmt auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz.

"Also", beginnt Rufus. "Man hat mir berichtet, dass du dich gestern im Wonderland mit Xerxes Break getroffen hast."

"Nein, das stimmt nicht", protestiert Gil. "Ich bin nur hingefahren, weil ich von einer Schülerin erfahren habe, dass Sarah dort sein würde. Ich wollte sie suchen und hierher bringen."

"Aber es ist eine Tatsache, dass er während deines Aufenthaltes im Park bei dir war. Worüber hast du mit ihm gesprochen, was hat er von dir gewollt?"

"Gar nichts", beteuert Gil. "Es war nur ein dummer Zufall, dass ich ihm begegnet bin."

"Ein Zufall." Rufus geht zu dem Bücherregal an der rechten Wand und öffnet eine verborgene Tür. "Doug, Fang, bringt ihn nach unten. Er soll ein paar Tage darüber nachdenken, ob er bei seiner Aussage bleiben will."

"Warten sie, Sir Rufus." Vincent kommt jetzt in das Büro gestürzt, er hatte vor der Tür gelauscht. "Gilbert hat bestimmt nicht gelogen, sie dürfen ihn nicht einsperren. Er würde sich doch niemals mit dem verfluchten Kerl zusammentun."

"Dein Bruder scheint dir ja sehr am Herzen zu liegen, Vincent. Nun gut, dieses Mal werde ich nachsichtig sein." Rufus kehrt zu seinem Stuhl zurück. "Aber sollte ich jemals erfahren, dass er doch gemeinsame Sache mit Xerxes Break macht, hat er keine Gnade mehr von mir zu erwarten."

"Dann werde ich Sarah jetzt zur Schule fahren." Gil steht auf.

"Nein, das kann Vincent tun. Du hast bereits eine zu enge Beziehung zu dem Mädchen entwickelt. Ab sofort wirst du mehr Abstand zu ihr halten. Und jetzt muss ich mich um wichtige geschäftliche Angelegenheiten kümmern."
 

Sarah nimmt gerade frische Wäsche und eine frische Uniform aus dem Schrank, als Break aus dem Bad kommt. "Sie sind noch hier? Ich dachte, sie wären schon verschwunden."

"Nein, ich bin aufgewacht, als Vincent an die Tür klopfte. Und zum Glück ist es mir gelungen, mich zu verstecken, bevor er hereinkam." Break setzt sich auf die Couch und schlüpft in seine Stiefel. Seine Kleidung, die während der Nacht getrocknet war, hatte er bereits angezogen. "Ich werde mich dann jetzt auf den Weg machen und in den Kellerräumen ihrer Schule auf sie warten."

Er verlässt das Zimmer genauso, wie er es am Abend betreten hat - durch das Fenster. Sarah schließt es hinter ihm und geht nun selbst ins Bad für eine ausgiebige Dusche.

Eine halbe Stunde später verlässt auch sie ihr Zimmer und geht die Treppe hinunter. In der Eingangshalle wartet bereits Vincent auf sie. "Miss Sarah, sie sind ein bisschen spät dran. Kommen sie, der Wagen steht bereit."

"Wo ist Gilbert? Ich will, dass er mich zur Schule fährt. Nicht du!"

"Ich fürchte, sie müssen sich mit mir zufrieden geben. Aber wenn sie damit nicht einverstanden sind, können sie auch gern zur Schule laufen."

"Schon gut." Ein wenig eingeschnappt folgt Sarah ihm nach draußen und steigt auf den Rücksitz des Wagens.
 

"Bleib sitzen", knurrt sie, als er vor dem Schulgebäude hält, den Motor abstellt und aussteigen will. Um ihm keine Gelegenheit zu einer Erwiderung zu geben, greift sie ihre Schultasche, stößt die Tür auf und springt aus dem Wagen. Während sie mit raschen Schritten auf den Eingang zugeht, hört sie - zu ihrer Erleichterung - hinter sich, wie der Motor gestartet wird und er davonfährt.

"Hallo, Sarah", wird sie von Madison begrüßt, kaum dass sie das Gebäude betreten hat. "Na, ist euer kleiner Ausflug gestern schief gegangen?"

"Nein, es war toll. Rayne und ich hatten wirklich unglaublich viel Spass miteinander." Zu Sarah´s Befriedigung blitzen Madisons Augen für eine Minute wütend auf, dann lässt sie ein spöttisches Lächeln auf ihrem Gesicht erscheinen. "Ach, tatsächlich? Und warum bist du dann heute so schlecht gelaunt? Hattest du etwa Streit mit deinem Vater?"

"Das geht dich gar nichts an." Sarah schiebt sich an ihr vorbei, aber Madison folgt ihr bis zu ihrem Spind. "Ich habe Recht, oder? Du hast Ärger bekommen."

"Hör zu, du gehst mir gerade unheimlich auf die Nerven." Sarah dreht das Zahlenschloss an ihrer Spindtür. "Lass mich einfach in Ruhe, ok?"

"Was glaubst du eigentlich, wie du mit mir redest?" Madison tritt ganz dicht an Sarah heran und blickt geradezu feindselig auf sie herunter. "Pass mal gut auf, Rotschopf. Du bildest dir anscheinend eine Menge darauf ein, dass Lord Barma dich aufgenommen hat. Aber du bist nichts weiter als ein armes Waisenkind. Und von Rayne wirst du die Finger lassen, er ist viel zu gut für jemand wie dich."

"Darf ich nicht selbst entscheiden, mit wem ich befreundet sein will?"

"R-rayne."

"Madison, ich möchte nicht noch einmal solche Worte von dir hören. Falls du es vergessen hast, ich bin ebenfalls ohne Eltern aufgewachsen. Wenn du Sarah als Waisenkind beschimpfst, beleidigst du damit auch mich."

"Tut mir leid, das habe ich natürlich nicht gewollt." Madison lächelt Rayne zerknirscht an. "Du verzeihst mir doch, nicht wahr?"

Das Klingeln der Schulglocke bewahrt ihn vor einer Antwort.

"Was, schon so spät? Wenn wir uns nicht beeilen, schaffen wir es nicht vor Mrs. Kate ins Klassenzimmer. Komm, Sarah."

"Geh schon vor, ich brauche noch einen Moment." Sarah zieht rasch einige Bücher aus ihrer Tasche und stopft sie in den Spind. "Nun geh schon, wir müssen ja nicht beide schon wieder unpünktlich sein."

"Ok, bis gleich."

"Tut mir leid, Rayne. Ich habe heute etwas anderes vor." Sie schließt ihre Spindtür und läuft in die andere Richtung und die Treppe hinunter zu den Kellerräumen.

"Break? Wo sind sie?"

"Hier, Miss Sarah." Mit einem leisen Quietschen öffnet sich die Tür der kleinen Abstellkammer, wo das Putzzeug aufbewahrt wird. "Ich musste in Deckung gehen, um nicht von dem Hausmeister erwischt zu werden. Er kam vor ein paar Minuten hier vorbei. Aber jetzt können wir uns auf den Weg zu meinem Freund machen."

"Klar. Wir benutzen am besten den geheimen Weg, den Rayne mir gezeigt hat. Hier geht es lang."

Knapp 10 min später verlassen sie den unterirdischen Gang durch die Parkgarage eines vielstöckigen Wohnhauses. Mit einem Taxi fahren sie durch die Stadt bis zur Pandora Universität.

"Kommen sie, Miss Sarah, wir müssen in die Bibliothek." Er führt sie quer über den Campus bis zu dem langgestreckten zweistöckigen Gebäude und hält ihr die Tür auf.

"Wow." Sarah bleibt stehen, kaum dass sie eingetreten ist. An den Wänden steht ein deckenhohes Regal neben dem anderen. Auch eine Hälfte des Raumes wird von Regalen eingenommen. In der anderen Hälfte befinden sich die Schreibtische, die von den Studenten zum lernen genutzt werden können. Zwei Treppen rechts und links vom Eingang führen zu einer Ballustrade, die sich um den ganzen Raum zieht und von weiteren Regalen gesäumt ist. Die Decke besteht komplett aus Glas, um tagsüber genug Licht hereinzulassen.

"Wahnsinn! Wie viele Bücher gibt es hier wohl?"

"Ein paar tausend sind es bestimmt." Ein Mädchen kommt hinter einem Regal vor und auf sie zu. "Hallo. Kann ich dir helfen?"

"Äh..." Sarah schaut sich verwirrt um. Von Break war nichts zu sehen, er hatte sich auf die Suche nach Reim gemacht. "Ich bin mit...einem Freund gekommen. Wir wollten hier jemanden aufsuchen, aber..."

"Guten Morgen, Sharon." Break steht plötzlich direkt hinter ihr. "Ich suche unseren Workaholic. Wo steckt er?"

"Break." Sharon dreht sich zu ihm um. "Du hast dich ja lange nicht mehr blicken lassen. Wenn du Reim suchst, er ist oben und überprüft, welche Bücher neu bestellt werden müssen. Kommt mit, ich bringe euch zu ihm."

Sie geht voran die Treppe hinauf und an den Regalen entlang bis zu dem Mann auf der Leiter. Er hält ein Klemmbrett mit einer Liste in der Hand und notiert etwas.

"Reim, hier will jemand mit ihnen sprechen."

"Was?" Irritiert über die Unterbrechung, schiebt Reim die Brille auf seiner Nase hoch und senkt den Blick. Seine Augen weiten sich, als er den weißen Haarschopf entdeckt. "Was machst du denn hier?"

"Schau nicht so überrascht. Darf ich denn nicht manchmal einfach zu Besuch kommen?"

"Xerxes."

"Na gut", schmollt Break. "Ich habe Miss Sarah hierher begleitet. Kannst du dir wohl ein bisschen Zeit nehmen und ihr ein paar Fragen beantworten?"

"Das werden sie doch sicher gern tun, nicht wahr, Reim? Ich bin dann wieder unten, wenn ihr mich braucht." Sharon entfernt sich.

"Also, wirst du uns helfen?", fragt Break erneut.

"Was wollt ihr denn wissen?" Reim ist mittlerweile von der Leiter gestiegen.

"Ich möchte etwas über einen Wolf erfahren", erklärt Sarah. "Er hat schwarzes Fell und silberne Augen. Ich habe von ihm geträumt und glaube, dass er ein Chain ist. Weil er zu mir gesprochen hat."

"Über einen solchen Chain ist mir leider nichts bekannt", muss Reim zugeben. "Aber wenn es ihn gibt, ist bestimmt etwas in den Aufzeichnungen zu finden, unten im Archiv. Folgt mir bitte."

Er führt die beiden durch eine Tür und eine schmale Treppe hinunter ins Kellergeschoss.

"Warum werden diese Unterlagen hier unten aufbewahrt?"

"Weil sie nicht öffentlich zugänglich sind", beantwortet Reim Sarahs Frage. "An dieser Universität wird zwar das Fach Chainkunde gelehrt. Aber nur Studenten mit einer speziellen Erlaubnis der Lehrkräfte dürfen Einblick in diese Berichte werfen. Und nur unter Aufsicht."

Sie gehen den Gang entlang, bis Reim vor einer Regalreihe stehenbleibt. "Hier sind die sämtlichen Berichte über alle uns bekannten Chains. Vielleicht ist auch der eine dabei, den ihr sucht."
 

"Es wäre wirklich nicht notwendig gewesen, dass du mitkommst, Nii-san." Vincent fährt auf den Parkplatz der Universität. "Du hättest uns auch einfach sagen können, welche Einkäufe du brauchst. Wir hätten es dir dann schon mitgebracht."

"Wie beim letzten Mal, als du nur die Hälfte besorgt hast?" Gil schüttelt den Kopf. "Besser, wenn ich mich selbst darum kümmere. Es wird ja wohl nicht allzu lange dauern, Reim ein paar Fragen zu stellen." Er öffnet die Beifahrertür und steigt aus.

"Wo hält er sich denn auf?" Fang lässt die hintere Wagentür zufallen.

"In der Bibliothek, er ist dort für die Verwaltung zuständig." Vincent schiebt die Autoschlüssel in seine Hosentasche.

Auf ihrem Weg über den Campus folgen bewundernde und schwärmende Mädchenblicke den Nightray-Brüdern. Während Vincent das Aufsehen genießt, dass er erregt, fühlt Gil sich bald davon genervt. "Können wir nicht ein bisschen schneller gehen?", knurrt er.

"Ich hätte auch nichts dagegen", stimmt Fang ihm zu.

Mit einem resignierenden Seufzer gibt Vincent den beiden nach. Einige Minuten später betreten sie die Bibliothek und steuern direkt auf Sharon zu, die an ihrem Computer sitzt.

"Einen schönen guten Morgen, Miss Sharon", begrüßt Vincent sie.

"Oh." Sharon hebt überrascht den Kopf. "Vincent, Gilbert. Was führt sie denn hierher?"

"Wir würden Mr. Reim gern einige Fragen stellen. Wollen sie uns nicht verraten, wo wir ihn finden?"

"Er ist leider gerade ziemlich beschäftigt, wir stecken mitten in der Inventur. Vielleicht kommen sie besser ein anderes Mal wieder."

"Dann ist er wahrscheinlich unten im Archiv, oder?", mischt Gil sich in das Gespräch zwischen Vincent und Sharon ein. "Ich weiß, wie wir dorthin kommen. Wir werden ihn auch nicht lange von seiner Arbeit abhalten. Kommt, bringen wir es hinter uns."

Sharon wartet, bis die drei Männer die Treppe nach oben gegangen sind. "Ich muss Break unbedingt warnen. Eques, stell eine Verbindung zu ihm her." Ein leises Wiehern ertönt.

"Break, kannst du mich hören?"

"Was gibt es denn, Sharon?", dringt seine Stimme aus dem Schatten zu ihren Füßen.

"Vincent ist hier, mit Gilbert und Fang. Sie sind auf dem Weg nach unten, zu euch. Ihr müsst sofort verschwinden."

"Oh nein." Sarah faltet eilig das Blatt Papier mit dem kreisförmigen Symbol zusammen, dass sie aus einem Ordner genommen hat, und schiebt es in ihre Hosentasche. "Was will Vincent denn hier? Er hat doch wohl nicht irgendwie herausgefunden, dass ich hier bin?"

"Das werden wir dann wohl bald erfahren. Aber jetzt sollten wir uns erst einmal verstecken. Vielleicht gelingt es Reim ja, sie schnell wieder loszuwerden."

"Aber wo können wir uns denn verstecken? Es gibt hier doch keine Möglichkeit dazu."

Break lacht kurz auf. "Doch, es gibt hier einen Ort, wo man uns hoffentlich nicht entdecken wird. Da oben." Er zeigt auf die Oberseite des Regals, springt hoch und zieht sich ganz hinauf. "Kommen sie, Miss Sarah."

"Okay." Sie streckt den Arm aus, um seine schmale weiße Hand zu ergreifen. Aber es fehlt ein Stück. "Reim, könnten sie mir bitte helfen?"

"W-wie...was soll ich denn tun?"

"Du musst sie hochheben, Reim." Break grinst belustigt, als sein Freund nur äußerst zögernd Sarahs Hüften umfasst.

Schließlich liegt sie neben ihm, seine Nähe lässt ihr Herz unwillkürlich schneller schlagen. Als er dann noch seinen Arm um ihre Taille legt, um sie davor zu bewahren, von dem schmalen Sims herunterzufallen, wird ihr Gesicht unangenehm warm. Vor Verlegenheit schaut sie krampfhaft auf das dunkle Holz vor sich.
 

"Mr. Reim." Vincent öffnet die Tür zum Archiv, nachdem er mit seinem Bruder und Fang die Treppe hinuntergegangen ist. "Sie sind doch hier, nicht wahr? Wir würden furchtbar gern einige Dinge von ihnen erfahren."

Sichtlich nervös tritt Reim auf den Hauptgang und nähert sich den drei Männern. "V-vincent, w-wie kann ich ihnen helfen?"

"Mein Bruder will Informationen über einen wolfähnlichen Chain", erklärt Gil. "Er ist ihm gestern Abend begegnet und versucht jetzt, etwas über ihn herauszufinden."

"J-ja, also...V-von einem solchen Chain habe ich leider noch nie etwas gehört. U-und ich bin mir eigentlich auch ziemlich sicher, dass in den Berichten nichts über ihn zu finden ist. I-ich meine, sie k-können natürlich nachsehen, a-aber..."

"Gibt es einen Grund, warum sie so nervös sind?", unterbricht Vincent den Brillenträger. "Liegt das an unserer Anwesenheit oder steckt etwas anderes dahinter?"

"A-ber nein! I-ich bin nur ziemlich überrascht über ihren Besuch hier. So, äh...dann werde ich ihnen jetzt den Bereich zeigen, wo die Unterlagen über alle Chains aufbewahrt werden. Aber wie ich bereits sagte, glaube ich nicht, dass..."

"Wir würden uns gern selbst davon überzeugen." Vincent lächelt höflich, woraufhin Reim resignierend seufzt. "Bitte, folgen sie mir."
 

"Mir reichts jetzt." Nach zwei Stunden schlägt Gil genervt den Ordner zu, den er gerade durchgeblättert hat. "Es steht absolut nichts über diesen dämlichen Wolf drin. Nirgendwo." Er zieht sein Päckchen Zigaretten aus der Tasche, steckt sich eine an und bläst den Rauch in die Luft. Die Qualmwolke steigt über dem Regal auf, wo Sarah und Break liegen. Das Mädchen atmet versehentlich etwas ein - und kämpft gegen den aufsteigenden Hustenreiz an. Hastig presst sie eine Hand auf ihren Mund, kann aber nicht verhindern, dass ein leises Keuchen hervordringt.

"Was war das?" Misstrauisch schaut Gil sich um und richtet seinen Blick schließlich nach oben. Seine Augen weiten sich, als er die Spitze einer von Sarahs rotblonden Haarsträhnen herunterhängen sieht. "Das darf doch nicht wahr sein. Was macht sie denn hier? Woher weiß sie überhaupt..."

"Nii-san, hast du schon etwas gefunden?" Vincent kommt um die Ecke des Regals.

"Nein, gar nichts." Gil schaut zu seinem Bruder. "Können wir jetzt nicht einfach wieder fahren? Ich muss noch einkaufen und habe auch noch andere Arbeiten zu erledigen."

"Natürlich, du hast Recht. Tut mir leid. Wir werden einfach ein anderes Mal unsere Suche hier fortführen."

"Was ist mit Mad Hatter?" Fang ist hinter Vincent getreten. "Wollten wir nicht auch fragen, wo er sein Versteck hat?"

"Sicher, das tun wir auch noch. Dann sehen wir doch mal, wo Reim hingegangen ist."
 

Einige Minuten, nachdem die Tür zugefallen ist, springt Break auf den Boden. "So, jetzt sind sie an der Reihe."

"Ja, gut." Vorsichtig schiebt Sarah ihre Beine über die Kante und sucht mit den Händen Halt. Dabei drücken ihre Finger einen verborgenen Schalter und es öffnet sich ein Geheimfach. Darin liegt ein dünner, schon ziemlich vergilbter Umschlag. "Oh."

"Haben sie etwas gefunden, Miss Sarah?"

"Ich weiß nicht - ich meine, ja habe ich, aber ich weiß nicht, was. Hier." Sie zeigt ihm den Umschlag.

"Hol sie erst mal da runter und dann erklärst du mir, was zum Teufel ihr hier zu suchen habt!"
 

kurzer Rückblick:

"Mr. Reim." Vincent und die anderen beiden finden den Braunhaarigen bei Sharon, wo er mit ihr gerade eine Liste durchgeht. "Unsere Suche nach dem Chain müssen wir jetzt leider erst einmal unterbrechen. Aber bevor wir gehen, hätten wir gern noch gewusst, ob sie uns etwas über Xerxes Break erzählen können."

"Tut uns leid, aber Break haben wir schon lange nicht mehr gesehen", beantwortet Sharon die Frage.

"Und sie wissen wohl auch nicht, wo er sich versteckt halten könnte?", hakt Vincent nach.

Sharon schüttelt den Kopf. "Nein."

"Und sie, Mr. Reim?", wendet sich der Blonde nun an ihn. "Sie haben noch gar nichts gesagt."

"Ich weiß auch nichts", murmelt Reim. "Xerxes taucht zwar gelegentlich bei mir in der Wohnung auf. Aber das letzte Mal ist auch schon eine ganze Weile her."

"Na gut, dann wollen wir sie nicht weiter bei ihrer Arbeit stören. Ich wünsche ihnen noch einen angenehmen Tag."

Auf dem Weg zu den Eingangstüren bleibt Gil stehen. Ihm war ganz plötzlich ein Geistesblitz durch den Kopf geschossen. "Vincent, geht ihr schon mal zum Wagen. Ich habe meine Zigaretten unten liegen lassen, ich hol sie eben und komm dann sofort nach."

"Gilbert!" Vor Schreck verliert Sarah den Halt. Break versucht sie aufzufangen, aber unglücklicherweise reißt sie ihn um. Beide landen nebeneinander auf dem Boden.

"Oh, entschuldigen sie, Break. Hoffentlich habe ich ihnen nicht wehgetan?"

"Aber nein", lächelt er. "Doch wir sollten jetzt besser aufstehen, bevor Gilbert noch vor Wut platzt." Er reicht ihr die Hand und sie ergreift sie und lässt sich auf die Füße ziehen. "Danke."

"Kannst du mir das jetzt mal erklären, Break? Warum zum Teufel hast du sie hierher gebracht?"

"Er wollte mir nur helfen, Gilbert", erklärt Sarah. "Dieser Wolfchain, über den ihr Informationen gesucht habt - ich habe von ihm geträumt und wollte auch etwas über ihn erfahren."

"Aber da du und dein Bruder ja nichts gefunden haben, werden Miss Sarah und ich wohl auch nicht viel mehr Glück haben", fügt Break hinzu. "Wir warten noch ein paar Minuten und dann bringe ich sie zu ihrer Schule zurück. Und du gehst jetzt besser wieder nach oben, Vincent fragt sich bestimmt schon, wo du bleibst."

"Du hast Recht, na schön. Ich kann mich ja wohl darauf verlassen, dass du dein Wort hältst."

"Aber natürlich, Gilbert", ruft Break ihm noch hinterher, als er bereits auf die Tür zusteuert.
 

"Nii-san." Vincent wartet auf ihn, als er von der Ballustrade die Treppe herunterkommt. "Können wir jetzt fahren? Mr. Reim und Miss Sharon scheinen wirklich nicht zu wissen, wo der Clown sich verkrochen hat."

"Ja, verschwinden wir", murmelt Gil, während er sich bereits wieder eine Zigarette anzündet.

Sharon schaut ihnen nach, wie sie durch die Türen nach draußen treten. "Zum Glück sind Break und das Mädchen nicht entdeckt worden. Reim, ich werde gehen und ihnen sagen, dass es jetzt für sie wieder sicher ist. Geben sie doch schon mal die Bestelllisten weiter in den Computer ein."
 

"So, dann sehen wir doch mal, was sie da gefunden haben." Break öffnet den Umschlag und zieht einige Blätter Papier heraus. Der Text auf dem obersten ist in kleiner, schon ziemlich verblichener Schrift.

"Was steht denn da? Wollen sie nicht vorlesen?"

"Nein, ich glaube, das können sie besser machen." Break reicht Sarah den Zettel
 

Schon immer hat mich der Abyss und die Chains fasziniert und im Laufe der Jahre habe ich umfassende Nachforschungen betrieben. Dabei bin ich auf eine erstaunliche Entdeckung gestoßen.

Schon lange, bevor der Abyss in eine düstere, verzerrte Welt verwandelt wurde, lebten bereits Wesen in den Tiefen. Diese - ich nenne sie ursprüngliche Chains, besaßen ausnahmslos die Gestalt von Tieren, konnten aber auch menschliche Form annehmen und sich so unerkannt unter den Menschen bewegen. Sie galten als extrem mächtig und es heißt, sie konnten nur von Gleichartigen vernichtet werden. Allerdings wurde schon seit etwa fünfzig Jahren keines mehr gesehen, was ich persönlich zu schade finde, weil ich nun nie diese Gelegenheit bekommen werde.
 

"Ursprüngliche Chains, das klingt ja interessant. Und es macht doch auch Sinn, nicht wahr?"

"Sharon." Break dreht sich zu ihr um. "Nun, es ist in der Tat sehr aufschlussreich. Es könnte gut sein, dass dieser Wolf einer ist. Das werden wir aber wohl erst genau wissen, wenn wir ihm gegenüberstehen und fragen.

Und dann erfahren wir hoffentlich auch, welche Verbindung sie zu ihm haben, Miss Sarah."

"Wie soll denn das möglich sein? Ich habe ihn doch nur im Traum gesehen."

"Wir wissen aber, dass Vincent ihm schon begegnet ist", erwidert Break. "Deshalb will er ja auch etwas über ihn herausfinden. Doch wir haben den Bericht gefunden und nicht diese Ratte."

"Aber hier ist kein Wolf zu sehen." Sharon hat sich die anderen Blätter angesehen. "Es sind zwar ein paar Tierwesen abgebildet, aber er ist nicht dabei. Derjenige, der das verfasst hat, konnte vielleicht nur von diesen Informationen sammeln. Nun, wenn es euch Recht ist, werden Reim und ich weitere Nachforschungen anstellen."

"Das wäre wirklich sehr nett, vielen Dank. Ich hoffe, ihr findet etwas."

"Wenn das einem gelingt, dann unserem Workaholic. So und jetzt werde ich mal mein Versprechen gegenüber Gilbert einhalten und sie zur Schule zurückbringen."
 

"Rayne." Oz holt ihn ein, als sie zu einer Doppelstunde Sport nach draußen gehen. "Wo ist denn Sarah heute? Ist sie vielleicht krank und deshalb nicht in der Schule?"

"Sie macht blau." Madison hat den Mädchenumkleideraum verlassen und ist direkt zu ihnen getreten. "Sie war ja heute Morgen hier, ich habe sie noch gesehen und mit ihr gesprochen. Das werde ich der Rektorin melden müssen."

"Lass sie in Ruhe." Rayne setzt sich auf den Rasen am Rand der Laufstrecke. "Dir geht es doch gar nicht darum, ob sie gegen die Schulordnung verstößt. Für dich ist das nur wieder ein Vorwand, um ihr Ärger zu machen."

"Wie kannst du so etwas sagen?" Madison macht ein empörtes Gesicht. "Als vorbildliche Schülerin ist es meine Pflicht..."

"Halt die Klappe, du komische Tussi." Alice liegt ein Stück entfernt ausgestreckt im Gras, ihre Haare sind fächerartig um ihren Kopf ausgebreitet. "Und hör gefälligst auf, so ein Theater zu spielen. Das glaubt dir doch eh keiner und außerdem nervt es."

"Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen!" Mit wütend blitzenden Augen wendet Madison sich Alice zu. "Du unverschämte kleine..."

Ein schriller Pfiff bringt sie zum Verstummen.

Der Sportlehrer, ein älterer Mann mit Bart und Brille kommt heran. Seine etwas längeren Haare hat er zu einem Zopf gebunden. "Bitte, meine lieben Schüler, keinen Streit. Wenn ihr zuviel Energie habt, könnt ihr die bei einer Runde laufen um den Platz abbauen."

"So, da sind wir wieder."

Break und Sarah sind auf dem gleichen Weg zurück ins Schulgebäude geschlichen, wie sie es auch verlassen haben. An der Treppe, die aus dem Keller herausführt, lässt sich der Weißhaarige auf eine Stufe sinken. "Und was haben sie nun vor?"

"Ich werde bis zum Mittagessen warten." Sarah lehnt sich gegen das Treppengeländer. "Jetzt wäre ich eigentlich in einer Doppelstunde, aber so

kann ich die Zeit besser nutzen. Ich muss mir eine überzeugende Entschuldigung einfallen lassen, warum ich den halben Schultag verpasst habe."

"Darf ich fragen, welchen Unterricht sie jetzt hätten?"

"Sport. Und bestimmt wird er draußen abgehalten." Sarah verzieht das Gesicht. "Wenn ich mir vorstelle, ich müsste mich jetzt mit den anderen herumscheuchen lassen bei dem Wetter."

"Hahahaha. Sie sind wohl kein Fan davon." Break hat mal wieder einen Lolli aus seiner Tasche gezogen und wickelt das Papier ab. "Nun, sie könnten auch einfach..."

"Was habt ihr hier zu suchen?", ertönt eine aufgebracht klingende Stimme über ihnen. "Du da, du bist doch eine Schülerin! Weißt du nicht, dass es verboten ist, in den Keller hinunter zu gehen? Für diesen Regelverstoß wirst du mich zu unserer Direktorin begleiten."

"Oh je, das ist aber unerfreulich, nicht wahr?" Knackend beisst Break ein Stück von seiner Süßigkeit ab. "Aber wir haben wohl keine andere Wahl, nachdem wir von einem Schüler erwischt wurden."

"Ich bin der Schulsprecher, Elliot Nightray." Stufe für Stufe kommt er herunter. "Und egal, wer sie auch sind, sie haben hier nichts verloren. Ich muss sie auffordern, das Schulgebäude auf der Stelle zu verlassen."

"Nun, aber ich habe nicht die Absicht, zu gehen. Schließlich habe ich sie ja in diese Situation gebracht, Miss."
 

"Rayne, hast du mir zugesehen?" Madison klopft sich den Sand von ihrer kurzen Turnhose, sie hatte gerade ihren Weitsprung hinter sich gebracht. "Ich habe wieder einmal das beste Ergebnis erreicht."

"Alice!" Der Lehrer hat sich in ihre Richtung gedreht. "Komm, du bist die Nächste."

"Bleib lieber da liegen", meint Madison abfällig. "Du hast doch eh keine Chance."

"Das wirst du gleich sehen." Alice geht zum Anfang der Bahn und rennt los, mit einem kräftigen Sprung landet sie knapp vor den Fußspuren von Madison.

"Eine tolle Leistung", lobt Oscar sie.

Mit einem selbstzufriedenen Lächeln kehrt sie zu den anderen zurück. "Siehst du, so macht man es richtig."

"Tssss! Du hattest doch nur Glück, Kleine!", zischt Madison. "Aber ich warne dich, das wirst du nicht noch einmal machen! Niemand hat es bisher gewagt, besser zu sein als ich!"

"Ich lass mir doch von dir keine Vorschriften machen!" Alice gibt ihr einen kräftigen Schubs, dass sie einen Schritt nach hinten stolpert.

"Das kriegst du zurück!" Madison krallt ihre Finger in die langen braunen Haarsträhnen.

"Au! Lass los!" Alice stürzt sich nun auf das schwarzhaarige Mädchen. Beide gehen zu Boden und rollen über die Grasfläche.

"Aufhören." Oscar trennt schließlich die Streitenden, indem er sie am Kragen der Sporthemden packt und auf die Füße zieht. "Ist das vielleicht das angemessene Verhalten von jungen Damen?"

"Lassen sie mich los, das ist doch nur ihre Schuld." Madison betrachtet ihre Hände. "Du blöde Kuh, wegen dir ist mir ein Nagel abgebrochen."

"Geschieht dir Recht, wenn du immer so einen Blödsinn quatscht", erwidert Alice ungerührt.

"Schluss jetzt. Wenn ihr nicht aufhören wollt, könnt ihr euren Streit eben bei der Rektorin weiterführen."
 

"Mrs. Rainsworth?" Elliot öffnet die Tür des Büros der Direktorin. "Hier ist eine Schülerin, die den Unterricht schwänzt. Und dieser Mann ist unerlaubt in die Schule eingedrungen. Ich habe ihn aufgefordert zu gehen, aber..."

"Vielen Dank, Elliot." Die alte Dame im Rollstuhl deutet lächelnd auf die Stühle vor dem Schreibtisch. "Bitte, kommt herein und nehmt Platz."

"Nur einen Moment noch." Break knabbert genüßlich die Reste von seinem Lollistiel. Dann drückt er ihn Elliot in die Hand. "Sei so nett und entsorge ihn für mich." Rasch betritt er das Büro und schließt die Tür hinter sich. Der Schulsprecher bleibt sprachlos auf dem Flur stehen.

"Hören sie, Mrs. Rainsworth", beginnt Break, nachdem er sich auf den zweiten Stuhl gesetzt hat. "Miss Sarah hat mich gebeten, ihr zu helfen..."

Mit einem Blick bringt die Direktorin ihn zum Schweigen und wendet sich an Sarah. "Warum bist du nicht im Unterricht?"

"Äh..." Unsicher blickt Sarah zu Break. Auf seinem Gesicht liegt das übliche Lächeln, aber er hält den Kopf ein wenig gesenkt und schaut irgendwie betreten. Oder kleinlaut.

"Nun, meine Liebe?", hakt Cheryl noch einmal nach.

"Es ist so, wie Break gesagt hat. Er hat mir geholfen, weil ich etwas - für mich sehr wichtiges - herausfinden wollte. Aber ich hätte nicht einfach die Schule verlassen dürfen, aus welchem Grund auch immer. Das weiß ich und es tut mir leid."

"Schön, dass du so ehrlich bist." Die Rektorin faltet die Hände auf dem Schreibtisch. "Und da dir bewusst ist, welchen Fehler du gemacht hast, lasse ich es heute bei einer Ermahnung. Wenn du versprichst, dass es nicht noch einmal vorkommen wird."

"Wird es nicht, bestimmt nicht", versichert Sarah ihr erleichtert. "Vielen Dank." Sie steht auf und auch Break macht anstalten, sich zu erheben.

"Bleiben sie bitte noch einen Moment", hält Cheryl ihn zurück. "Mit ihnen habe ich noch etwas zu besprechen."

"Aber natürlich. Warten sie bitte draußen auf mich, Miss Sarah."

"Klar, von mir aus." Ein wenig verwirrt verlässt Sarah das Büro. In dem kurzen Moment, wo sie die Tür öffnet und wieder schließt, dringt eine laute wütende Stimme herein. "Lasst mich gefälligst auf der Stelle los! Ich werd diese Schnepfe jetzt fertig machen!"

Oz und Rayne halten die zeternde und um sich schlagende Alice mühsam fest. Madison hat sich hinter Oscars Rücken in Sicherheit gebracht. Auf ihren Armen zeichnen sich frische Kratzspuren ab und sie presst ein Taschentuch vor die blutende Nase. "Haltet mir diese verrückte Furie bloß vom Leib. Die tickt ja nicht mehr richtig."

"Ach herrje. Miss Alice scheint ja mal wieder richtig in Fahrt zu sein. Was sie wohl diesmal so aufgebracht hat?"

"Xerxes, mein Junge", lenkt Cheryl seine Aufmerksamkeit wieder auf sich. "Dir ist doch bewusst, wie leichtsinnig es ist, wenn du dich in der Nähe von Miss Sarah aufhältst? Rufus ist unermüdlich auf der Jagd nach dir und wird auch nicht aufgeben."

"Das ist mir durchaus bewusst", erwidert er. "Aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Ich muss herausfinden, warum Mr. Knalltütenfrisur Informationen über diesen Wolfchain sucht. Und aus welchem Grund er Miss Sarah zu sich geholt hat."

"Ich glaube, ich kann dir etwas erzählen, was dir womöglich weiterhilft." Cheryl stellt ihre Teetasse auf den Schreibtisch. "Vor fünfzehn Jahren - drei Jahre, bevor du in unserer Stadt erschienen bist - wurden Rufus und ich mit einigen anderen Leuten von einem Wolf zu einem neugeborenen Mädchen geführt. Danach verschwand er einfach spurlos.

Ich nahm die Kleine mit zu mir, damit Shelly sich um sie kümmern könnte. Aber Rufus bestand darauf, wir sollten sie ihm übergeben, er wollte ergründen, welche Verbindung sie zu dem Chain hatte. Schließlich sah ich keine andere Lösung, ich brachte sie in ein Waisenhaus und tat alles, damit er sie nicht finden würde. Doch vor zwei Monaten ist es ihm gelungen und er hat sie bei sich aufgenommen."

Nachdenklich schaut Break in seinen Tee, den sie ihm angeboten hatte. "Miss Sarah hatte also schon eine Verbindung zu dem Chain, als sie noch ein Baby war. Das finde ich ausgesprochen interessant, möglicherweise bedeutet es ja..." Er leert den Rest der roten Flüssigkeit aus der Tasse. "Sagen sie mir noch, warum haben sie das Mädchen all die Zeit vor ihm versteckt?"

"Ich wollte nicht zulassen, dass er ein unschuldiges kleines Kind für seine Zwecke benutzt. Rufus und ich mögen ja schon sehr lange befreundet sein, aber deshalb bin ich nicht mit allem einverstanden, was er tut. Und du brauchst dir auch keine Sorgen machen, Xerxes. Ich werde ihm nicht erzählen, dass du heute hier gewesen bist."

"Gut, dann werde ich jetzt gehen", verabschiedet er sich und steht auf. "Der Tee war sehr lecker, nur ein schönes Stück Kuchen hätte jetzt noch gefehlt."

"Pass gut auf dich auf. Rufus ist nicht dumm, vielleicht wird irgendwann eine Situation kommen, wo du ihm in die Falle gehst und er dich schnappt."
 

Auf dem Flur ist es Oz mittlerweile gelungen, Alice zu beruhigen. Er und Rayne haben sie losgelassen, stehen aber noch zwischen ihr und Madison. Die schwarzhaarige Schülerin wischt sich mithilfe eines runden Klappspiegels und einem feuchten Tuch die Blutspuren aus dem Gesicht. Sie schaut auf, als Break durch die Tür kommt

"Oh, was für ein hübscher Kerl. Sieht verdammt cool aus, wie ihm die Haare ins Gesicht fallen." Rasch klappt sie den Spiegel zu und steckt ihn in die Tasche, geht einen Schritt auf ihn zu.

"Madison." Oscar winkt ihr, er hält Alice mit einem Arm um ihre Schultern fest. "Komm, wir werden uns jetzt mit der Rektorin unterhalten."

"Hoffentlich kriegt Alice keinen zu großen Ärger", macht sich Oz Sorgen, als die Tür hinter den drei zugefallen ist. "Schließlich war es ja nicht ihre Schuld, sie wurde nur von Madison provoziert..."

"Es wird schon gut gehen", beruhigt Sarah ihn. "Mrs. Rainsworth ist im Grunde sehr nett, sie wird Alice bestimmt fair behandeln."

"Ja, das denke ich auch", stimmt Rayne zu.

"He, du bist doch Oz Bezarius, oder?"

Ein wenig überrascht dreht Oz sich zu Elliot um. "Woher weißt du das?"

"Soll das ein Scherz sein? Jeder, der sich mit Chains und dem Abyss beschäftigt, weiß über dich Bescheid. Du bist schließlich derjenige, dem es gelungen ist, der Contractor von B-Rabbit zu werden."

"Was? Du hast einen Vertrag mit einem Chain geschlossen?" Ungläubig schaut Sarah ihren blonden Mitschüler an.

"Spiel nicht die Unwissende", schnaubt Elliot. "Du hängst doch hier in der Schule mit ihm zusammen und treibst dich sogar mit Xerxes Break herum. Wie kannst du trotzdem behaupten, du wärst völlig ahnungslos?"

"Ich verstehe kein Wort, was du da redest." Sarah schüttelt den Kopf. "Was soll denn das alles bedeuten? Break hat mir geholfen, als ich von einer dieser Kreaturen angegriffen wurde. Aber er war doch nur zufällig zur richtigen Zeit dort..."

"Das ist ja lächerlich", unterbricht Elliot sie. "Xerxes Break hat den wohl mächtigsten Chain an sich gebunden, den es gibt. Was glaubst du denn, wie er die andere Kreatur besiegt hat? Das konnte er nur mit der Kraft von Mad Hatter. Und das war auch seine Aufgabe, die er im Dienst von Rufus Barma verrichtet hat. Er sollte jeden Chain, der unbeabsichtigt in unsere Welt kommt, zurückschicken in den Abyss - jener Abgrund, in dem diese Bestien leben."

"Ich glaube, du hast jetzt genug geredet", mischt Rayne sich ein. Seine Stimme hat einen etwas tieferen und beinahe knurrenden Klang. "Warum hältst du nicht den Mund und suchst dir jemand anderen, dem du auf die Nerven gehen kannst? Hier gibt´s nichts mehr für dich zu tun, Schulsprecher."

"Wie bitte?!" An Elliots Stirn beginnt eine Ader zu pochen, sein Gesicht hat eine rötliche Farbe angenommen.

"Na na na, pass mal besser auf, dass du nicht gleich in die Luft gehst." Break gibt Elliot einen Klaps auf den Kopf. "Gilbert hatte Recht, du bist tatsächlich schnell auf 180 zu bringen. Aber jetzt kühl deinen Hitzkopf mal wieder ab. Und du beruhige dich auch, Rayne. Falls ihr es nicht bemerkt habt, während eures Beinahe-Streits ist Miss Sarah weggelaufen."

"Was? Warum hast du sie dann nicht aufgehalten, wenn du das doch mitbekommen hast?"

"Weil sie vielleicht einfach ein bisschen Zeit für sich braucht", beantwortet der Weißhaarige Raynes Frage. "Am besten lassen wir sie allein, damit sie in Ruhe über alles nachdenken kann, was sie hier erfahren hat."
 

Sarah hat das Schulgebäude durch den Nebeneingang verlassen und sich auf eine der Bänke im Hof gesetzt. "Ob das wirklich stimmt, was der Schulsprecher über Break erzählt hat? Ich habe noch nie wirklich darüber nachgedacht, warum er eigentlich damals im Wald war, als er mich vor dem Chain rettete. Er ist immer so nett zu mir, ich habe doch eigentlich keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen. Aber Elliot, woher kennt er Break eigentlich? Und Oz...Verdammt, verdammt!" Sie stützt den Kopf in die Hände. "Es gibt da zu vieles, was ich noch überhaupt nicht verstehe!"

"Entschuldige, hast du vielleicht etwas gegen Gesellschaft?" Die freundliche Stimme lässt sie aufblicken, ein junger Mann steht neben ihrer Bank. Er ist etwa in ihrem Alter, mit schwarzen Haaren und dunkelvioletten Augen.

"Wer bist du? Gehst du auch auf unsere Schule?"

"Nein, ich kam zufällig vorbei und habe dich ganz allein hier gesehen. Du machst irgendwie einen etwas verlorenen Eindruck." Unaufgefordert setzt er sich neben sie und reicht ihr seine Hand. "Ich bin Leo."

"Geh mir aus dem Weg. Ich werde jetzt nach Sarah suchen."

"Schon gut, kein Problem." Break hebt beschwichtigend die Hände, als Rayne ihn mit blitzenden Augen anfunkelt, und tritt einige Schritte zur Seite.

"Das sieht dir aber nicht ähnlich, Break. Du hast doch noch nie jemandem so schnell nachgegeben."

"Ach, weißt du, Oz." Break lässt sich auf den Boden nieder, lehnt sich mit dem Rücken an die Wand. "Gelegentlich kann ich auch mal ein wenig rücksichtsvoll sein", erklärt er, während er einen rotweiß-gestreiften Lolli aus seiner Tasche zieht. "Dieser junge Mann ist der beste Freund von Miss Sarah, ich kann ihm doch nicht verbieten, zu ihr zu gehen. Und vielleicht braucht sie ihn ja auch, um darüber zu reden, was dieser Hitzkopf da hinten ausgeplaudert hat."

Beide, Break und Oz, blicken gleichzeitig zu Elliot, der mit verschränkten Armen und leicht eingeschnapptem Gesichtsausdruck einige Schritte hinter ihnen steht.

"Ja ja, ich hab´s ja kapiert."

"Schön. Dann warten wir jetzt einfach, bis Miss Alice und das andere Mädchen wieder aus dem Büro kommen. Und dann können wir ja mal sehen, wo die beiden hingelaufen sind." Break knüllt das Papier von dem Lolli zusammen und wirft es zielsicher in den Mülleimer, der ein Stück weiter auf dem Gang steht. "Und du wirst auch mit uns kommen, du kleiner Streithahn, und dich bei Miss Sarah entschuldigen. Nicht wahr?"

Elliot schaut zwar noch beleidigter, gibt aber einen zustimmendes "Meinetwegen" von sich.
 

"Warum sitzt du ganz allein hier draußen, Sarah?" Leo schaut sie aufmerksam an. Sein intensiver Blick lässt ihr Gesicht warm werden, sie kann unmöglich ihre Augen von seinen abwenden.

"Äh...ich bin...ich habe...", bringt sie stotternd heraus, was auf seinem Gesicht ein Lächeln erscheinen lässt. "Offensichtlich mache ich dich nervös, dafür will ich mich entschuldigen." Langsam löst er seine Finger aus ihren und lehnt sich zurück. "Übrigens, ist das dein Freund dahinten? Es scheint ihm wohl nicht zu gefallen, dass ich mich hier so nett mit dir unterhalte."

"Wer?" Suchend blickt Sarah sich um und entdeckt Rayne. Er steht an dem Nebeneingang, durch den sie vorher nach draußen gegangen war und schaut eindeutig finster zu ihnen hinüber.

"Rayne."

"Ich glaube, ich gehe jetzt lieber." Leo steht auf. "Dein Freund sieht aus, als wollte er mich in Stücke reißen."

"Was? Nein, er würde nicht..." Sarah dreht sich wieder um, aber Leo entfernt sich bereits. Ein wenig verwirrt schaut sie ihm nach.
 

"Was hat er von dir gewollt, Sarah?" Rayne nimmt Leo´s Platz auf der Bank neben ihr ein.

"Wir haben uns nur ein wenig unterhalten, er war sehr nett. Warum fragst du? Stimmt irgendwas nicht?"

"Nein, nichts." Er lächelt. "Willst du wieder mit mir reinkommen? Gleich ist doch Mittagspause. Oder wir können auch hier draußen essen, dann werd ich uns was holen."

"Ja, lieber hier draußen", stimmt Sarah zu. "Danke, Rayne."

"Ok, bis gleich." Er läuft bereits wieder auf die Tür zu, die ins Schulgebäude führt. Aber sie ruft ihn noch einmal. "Sag Oz und Alice auch Bescheid. Und wenn Break noch da ist, bring ihn auch mit. Ich will mit ihm reden und ihm ein paar Fragen stellen."
 

Nachdem Leo das Schulgelände verlassen hatte, geht er zu einem am Straßenrand geparkten Wagen und steigt auf der Beifahrerseite ein.

"Das war aber ein kurzes Gespräch." Die Person auf dem Fahrersitz schaut ihn von der Seite an. "Warum hast du sie eigentlich aufsuchen wollen?"

"Ich war einfach neugierig", antwortet er. "Ich wollte wissen, was für ein Mensch sie ist."

"Hast du ihr denn die Fragen gestellt, wie du es dir vorgenommen hast?"

"Es war zu riskant." Leo angelt nach dem Gurt, um sich anzuschnallen. "Einer ihrer Schulfreunde hat uns beobachtet. Und es hätten auch Oz und Alice jederzeit dazu kommen können. Lass uns jetzt einfach fahren."

Die Person auf dem Fahrersitz startet den Motor und gibt Gas.
 

"Das ist nicht fair, Mrs. Rainsworth", protestiert Madison, als sie ihre Strafarbeit bekommen hat. "Warum soll ich allein denn das Unkraut in den Grünanlagen der Schule entfernen? Die dumme Kuh hat mich doch zuerst geschubst."

"Nun, meine Liebe", antwortet Cheryl mit ruhiger Stimme. "Wie ich gehört habe, hast du Alice beleidigt und ihr gedroht, weil sie eine bessere Leistung erbracht hat als du. Du hast es dir selbst zuzuschreiben."

"So ein Blödsinn! Sie sind auf ihrer Seite, weil sie mit dem Neffen unseres Sportlehrers befreundet ist! Ich bin bestens informiert, dass die Familien Rainsworth und Bezarius eine enge Beziehung zueinander haben! Aber als Rektorin sollten sie eigentlich objektiv und unparteiisch handeln!"

"Das reicht jetzt, Madison." Cheryls Tonfall hat sich verändert, ihre Stimme hat einen strengeren Klang angenommen. "Ich möchte dich bitten, derartige Unterstellungen zu unterlassen. Du darfst jetzt gehen, wenn du nicht noch eine zusätzliche Strafe erhalten möchtest."

Vor Wut schnaubend stürzt Madison auf den Flur hinaus und schlägt die Tür so heftig hinter sich zu, dass die kleine Scheibe oberhalb deutlich hörbar klirrt.

"Und jetz zu dir, Alice. Ich kann nicht ignorieren, dass auch du mit dem Streit den Unterricht gestört hast. Du wirst heute nach Unterrichtsschluss in der Cafeteria mithelfen beim Putzen und Aufräumen. Hast du verstanden?"

Das braunhaarige Mädchen verzieht schmollend das Gesicht, nickt aber.

"Dann kannst du jetzt auch gehen. Deine Freunde warten sicher draußen auf dich."
 

"Ah, da ist ja Miss Alice." Break schaut auf, als sie aus dem Büro kommt. "Nun, deinem Gesichtsausdruck nach scheinst du wohl auch eine Strafe aufgebrummt bekommen zu haben."

"Was musst du denn machen?", traut Oz sich zu fragen. "Doch nichts schlimmes, oder?"

"Sie ist nachher in der Cafeteria zum Putzdienst eingeteilt", antwortet Oscar an ihrer Stelle. "Also im Grunde eine einfache Arbeit, die sie schnell erledigt haben wird."

"Klingt wirklich nicht zu schwer, das sollte selbst sie bewältigen können." Mit dem noch halben Lolli im Mund steht Break auf, wobei ihn ein leichtes Schwindelgefühl schwanken lässt. "Hoppla."

"Alles in Ordnung?" Instinktiv fasst Oz ihn am Arm, um ihn zu stützen. "Geht es dir nicht gut?"

"Kein Grund zur Sorge", winkt Break ab. "Nur die stickige Luft hier drin und die hohen Temperaturen machen einem Mann in meinem Alter wohl ein wenig zu schaffen. Draußen wird es mir sicher gleich wieder besser gehen."

"Hier." Rayne stellt ein Tablett aus der Cafeteria neben Sarah auf die Bank. Darauf sind zwei Teller mit Hamburgern und Pommes, dazu für jeden eine Dose Cola. Das andere Tablett trägt er zu Break, der es sich auf der nächsten Bank bequem gemacht hatte. "Du solltest auch etwas essen."

Oz und Alice setzen sich auf den Boden, ebenfalls mit je einer Portion. Alice beginnt auch gleich, ein goldbraunes Stäbchen nach dem anderen zu futtern.

"Okay, jetzt erzählt mir bitte von euren Chains." Sarah nimmt einen Bissen von ihrem Hamburger. "Warum habt ihr Verträge mit ihnen geschlossen? Ist das nicht gefährlich?"

"Das ist es." Elliot steht mit dem Rücken an der Lehne der Bank. "Ich habe auch nie verstanden, warum Xerxes Break dazu bereit war. Er hätte eine andere Wahl treffen können, als er vor zwölf Jahren in unserer Stadt auftauchte. Doch er hat sich bereitwillig darauf eingelassen."

"Und du, Oz? Warum hast du es getan?"

"Für mich war es notwendig, um in diese Welt zurückkehren zu können. Weißt du, Sarah, ich wurde vor einiger Zeit in den Abyss gezogen. Dort traf ich B-Rabbit, sie hat mein Leben gerettet. Und als sie mir den Vertrag anbot, habe ich angenommen, weil es der einzige Weg war, aus dem finsteren Abgrund zu entkommen. Aber ich bereue es auch keine Sekunde, diese Entscheidung getroffen zu haben."

"Hey, Oz." Alice hat ihren Teller inzwischen bis zum letzten Krümel geleert. "Ich hab noch Hunger, gib mir dein Essen."

"Äh, aber ich..."

"Du kannst meins haben." Break hatte nur die Hälfte seines Hamburgers gegessen, die Pommes waren unberührt. "Ich bin satt."
 

Vincent stellt die letzte Tüte mit Einkäufen zu den anderen auf den Küchentresen. "Kann ich noch beim Einräumen helfen?"

"Nein, nicht nötig." Gil nimmt drei Pakete mit Eiern, um sie in den Kühlschrank zu stellen. "Du brennst doch darauf, in der Bibliothek an der Uni weiter nach Informationen über den Wolfchain zu suchen."

"Ist es denn für dich wirklich in Ordnung, wenn ich mit Fang noch einmal hinfahre, Nii-san?"

"Ja, wirklich."

"Na gut, dann bis später." Vincent verschwindet aus der Küche.

Gil stößt einen leisen Seufzer aus, während er Mehl und Zucker in die Vorratsdosen füllt. "Es sollte eigentlich keine Probleme geben, schließlich hat Break ja gesagt, er wollte Sarah gleich zur Schule zurückbringen. Es besteht also überhaupt kein Grund, weshalb ich mir Sorgen machen müsste. So, dann werd ich mir mal überlegen, was ich für heute Abend koche - vielleicht..."
 

"Wir sollten langsam reingehen." Rayne stellt die bereits leeren Teller zusammen. "In 10 Minuten fängt die nächste Unterrichtsstunde an."

Alice nuschelt etwas unverständliches mit vollem Mund.

"He, erst essen und dann sprechen!" Elliot schießt einen ungehaltenen Blick auf sie ab. "Hat man dir nicht beigebracht, was sich gehört und was nicht?"

"Halt die Klappe, du nervst." Alice schiebt sich die restlichen Pommes zwischen die Zähne. "Kümmere dich um deine Angelegenheiten."

"Wie bitte?" Elliot läuft erneut rot an.

"Ganz ruhig, Hitzkopf, geh nicht schon wieder in die Luft." Break bringt sich in eine aufrechte Haltung. "Miss Alice hat eben einfach einen gesunden Appetit."

"Das ist doch auch gar nicht schlimm", lächelt Sarah. "Wenn es dir schmeckt, kannst du ruhig essen."

"Ich habe auch nichts dagegen, aber jetzt wird es wirklich Zeit. Wir müssen ja noch das Geschirr wieder in die Cafeteria bringen."

"Du hast Recht, Rayne." Oz steht auf und streckt Alice die Hand hin. "Komm, lass uns reingehen."

"Nur einen kleinen Moment noch." Sarah geht zu Break hinüber. "Ich will mich noch einmal für ihre Hilfe bedanken. Ohne sie hätte ich wohl noch gar nichts herausgefunden."

"Ist schon gut, Miss. Ich habe ja auch eine gewisse Neugier, was es mit diesem Wolf auf sich hat. Jetzt gehen sie mit ihren Freunden. Ich bleibe noch eine Weile hier sitzen und werde mich dann auf den Weg zu Reim machen."
 

"Mr. Reim? Miss Sharon?" Vincent und Fang sind zu ihrem zweiten Besuch in die Bibliothek der Pandora-Universität gekommen. "Wo sind sie? Wir würden sie gern bitten, uns im Archiv weiter nach Informationen suchen zu lassen."

"Mr. Lunettes und Miss Rainsworth sind nicht hier." Eine junge Frau, Studentin im ersten Semester, kommt die Treppe von der Ballustrade herunter. "Verzeihen sie, Mr. Vincent, ich würde ihnen gern helfen. Doch leider bin ich nur eine Aushilfskraft und habe keinen Zugang zum Archiv."

"Miss Ada." Er schenkt ihr ein Lächeln. "Sie müssen sich doch für nichts entschuldigen. Aber sagen sie", er beugt sich ein wenig vor und lässt seine Finger durch ihre Haarsträhnen gleiten. "Wann könnte ich Mr. Reim und Miss Sharon denn hier wieder antreffen? Das werden sie mir doch sicher gern verraten, nicht wahr?"

"E-erst am Montag wieder", stammelt sie. "H-heute ist ja Freitag und...i-ich räume jetzt nur noch die Bücher ein, die von den Studenten liegen gelassen wurden und gehe dann in mein Wohnheim."

"Lass uns gehen. Wir kommen einfach nächste Woche wieder hierher und führen unsere Untersuchungen fort."

"Das sind drei Tage, die wir untätig bleiben müssten." Vincent dreht sich zu Fang um. "Ich bezweifle, dass Sir Rufus damit einverstanden wäre. Deshalb schlage ich vor, dass wir einfach an der Wohnung von Mr. Reim vorbeifahren. Vielleicht können wir ihn überreden, uns am Wochenende Zutritt zum Archiv gestattet."

"Meinetwegen", stimmt Fang zu, obwohl ihm der Gedanke, zwei Tage mit Vincent in den stickigen Kellerräumen zu verbringen, gar nicht gefällt. "Dann los."
 

"Nanu?" Vor seiner Wohnungstür hebt Reim verwundert die Augenbrauen, als er feststellt, dass sie nicht verschlossen ist. "Ich bin mir sicher, dass ich heute Morgen abgeschlossen habe."

Zögernd betritt er den kleinen Flur, stellt den Korb mit einigen Einkäufen auf den Boden und drückt die Tür leise ins Schloss. Mit vorsichtigen Schritten bewegt er sich vorwärts, bis er zur Küche kommt. Auf dem kleinen Tisch in der Sitzecke steht eine offene Flasche Wasser und ein benutztes Glas. "Das ist ganz bestimmt nicht von mir. Jemand ist hier eingedrungen."

Ein kaum hörbares, dumpfes Geräusch lässt ihn zum Wohnzimmer schauen. Hektisch schnappt er sich den Wischmob, hält ihn mit beiden Händen vor sich und geht weiter.

Vor der Wohnzimmertür bleibt er stehen, schluckt nervös und umfasst den Plastikstiel fester. Ehe er den Mut aufbringt und langsam um die Ecke blickt.

Sogleich weiten sich seine Augen, der Mob landet klappernd auf dem Boden.

"Xerxes!"

"Bitte sei nicht so laut, Reim."

Break liegt ausgestreckt auf der Couch. Sein Gesicht ist schweißbedeckt und auf seinen Wangen liegt ein, für ihn unnatürlicher Rotschimmer.

"Was ist mit dir?" Reim lässt sich neben ihm in die Hocke sinken. "Du siehst gar nicht gut aus. Fühlst du dich nicht wohl?"

"Ich vertrage die Sommerhitze nicht, das ist alles."

"Du lügst." Reim streckt die Hand aus und legt sie ihm auf die Stirn. "Deine Haut glüht ja, du hast eindeutig Fieber. Ich werde dir Medizin holen."

"Mach dir keine Umstände", winkt Break ab. "Lass mich einfach hier eine Weile ausruhen, ok?"

"Rühr dich nicht von der Stelle, ich bin gleich wieder da." Reim erhebt sich und geht in die Küche. Er füllt eine Schüssel mit Wasser und holt ein Handtuch. Während er in den Schubladen nach Fiebertabletten sucht, klingelt es.

"Wer kann das sein?" In Gedanken macht er sich auf den Weg zur Wohnungstür und streckt die Hand nach dem Türgriff aus. Doch bevor er sie öffnen kann, hört er von draußen Stimmen und schaut durch den Türspion. Seine Augen weiten sich, als er zwei Personen sieht. "Oh nein!"

"Glaubst du, dass er uns ins Archiv reinlassen wird?"

"Es würde auch reichen, wenn er uns den Schlüssel übergibt. Und ich bin sicher, dass ich ihn dazu bringen kann. Also, sind sie bitte so nett und lassen uns herein, Mr. Reim?"

"Das ist gar nicht gut. Ich habe keine Wahl, ich muss die Tür aufmachen. Doch zuerst hole ich Xerxes aus dem Wohnzimmer, damit Vincent ihn nicht entdeckt."

So schnell er kann, kehrt er zu seinem Freund zurück. "Xerxes! Wach auf!"

"Lass mich", murmelt Break. "Ich bin so müde."

"Nein, du musst dich verstecken!" Reim versucht, seinen Freund in eine aufrechte Haltung zu bringen. "Vincent Nightray und Fang Baskerville stehen im Hausflur!"

"Was?" Bei diesen Worten öffnet Break sein Auge. "Die Ratte ist hier?"

"Ja! Und jetzt komm! Du kannst dich in meinem Bett weiter ausruhen, dort werden sie dich auch nicht so schnell entdecken!"

"Ok." Mit stolpernden Schritten lässt sich Break ins Schlafzimmer führen, zu dem breiten Doppelbett. Dort angekommen, sinkt er gleich auf die weiche Matratze.

"Gut, bleib hier. Ich werde versuchen, die beiden schnell wieder loszuwerden. Und dann besorge ich dir auch Medizin." Reim verlässt den Raum und schließt die Tür hinter sich. Dann wendet er sich zur Wohnungstür, um die beiden ungebetenen Gäste hereinzulassen.
 

Am Ende der letzten Schulstunde, legt Oz den Kopf auf seine verschränkten Arme auf der Tischplatte. "Bin ich froh, dass wir jetzt das Wochenende vor uns haben."

"Dafür, dass du dich freust, siehst du aber ziemlich schlapp aus." Rayne nimmt seine Schultasche und steht auf. "Passt eigentlich nicht zu dir, sonst bist du doch immer so energiegeladen."

"Es ist einfach beinahe unerträglich warm hier drin", stöhnt Oz. "Nicht einmal durch die offenen Fenster kommt etwas frische Luft. Oh, ich habe eine Idee. Warum gehen wir nicht jetzt in das Eiscafe, drei Straßen von hier?"

"Nein! Das kommt überhaupt nicht infrage!" Alice verschränkt die Arme vor der Brust. "Oz, du wirst nicht ohne mich ein Eis essen gehen! Du bist mein Knecht und wirst mir gefälligst bei der Strafarbeit helfen!"

"Äh...aber..."

"Oz!" Alice beugt sich vor, ihre Augen blitzen.

"O-okay." Rasch hebt er beschwichtigend die Hände.

"Und wir können ja schon einmal vorgehen." Rayne hebt auch Sarahs Tasche auf. "Kommst du, Sarah?"

"Warte, lass uns doch auch mithelfen", schlägt sie vor. "Dann ist die Arbeit schneller geschafft und wir können zusammen ins Cafe gehen."

"Na gut, wie du meinst."

Nachdem es beschlossen ist, räumen sie ihre Schulsachen in die Spinde und machen sich dann auf den Weg zur Cafeteria.
 

"Mr. Reim", lächelt Vincent, als sie ins Wohnzimmer geführt werden. "Ich hoffe, sie verzeihen unser unangekündigtes Erscheinen. Aber wir haben ein wichtiges Anliegen - gewähren sie uns den Zutritt zum Archiv der Universität. Wir wollen während der beiden Wochenendtage unsere Suche nach diesem besonderen Chain fortsetzen."

"Eigentlich ist es nicht erlaubt, dass sich jemand im Archiv aufhält, wenn Miss Sharon oder ich nicht dabei sind. Und ich habe dieses Wochenende keine Zeit, will aber auch keinen Ärger mit Mrs. Rainsworth bekommen."

"Darüber brauchen sie sich nun wirklich keine Sorgen machen." Vincent lehnt sich gemütlich zurück. "Geben sie uns den Schlüssel, wir werden mit der alten Lady reden. Und Miss Sharon kann ja mit uns in die Bibliothek kommen und aufpassen. Was meinen sie?"

"Dann geht es wohl in Ordnung. Wenn Miss Sharon einverstanden ist, habe ich auch keine Einwände mehr. Vielleicht könnten sie jetzt gleich zu ihr fahren und sie fragen? Und danach geben sie mir einfach Bescheid." Reim steht von seinem Sessel auf und macht eine auffordernde Handbewegung.

"Sag, willst du uns etwa loswerden?" Fang stellt sein Limoglas auf den Tisch, aus dem er gerade getrunken hat. "Irgendwie macht es gerade so einen Eindruck."

"Aber nein, natürlich nicht", beeilt sich Reim zu sagen. "Ich habe hier nur noch etwas zu tun und deshalb..."

"Ist gut, ich verstehe. Wir werden es so machen, wie sie vorgeschlagen haben, Mr. Reim." Auch Vincent war aufgestanden und geht in den kleinen Flur. Dort bleibt er stehen und dreht sich um. "Bevor wir gehen, darf ich aber noch einmal ihr Bad benutzen?" Er streckt die Hand nach dem Griff der Tür aus, hinter der das Schlafzimmer liegt und drückt ihn herunter.

"Das ist nicht das Bad!" Reim greift hektisch an ihm vorbei und zieht die Tür wieder ins Schloss. "Es liegt da vorn links."

"Ach, entschuldigen sie, mein Fehler." Vincent geht weiter und verschwindet für einige Minuten in dem gekachelten Raum. Danach verabschieden sich er und Fang.

Reim lehnt sich erleichtert mit dem Rücken an die hinter ihnen zugefallene Tür und stößt einen tiefen Seufzer aus. "Gott sei Dank, es ist gut gegangen."

Rayne wirft die Müllbeutel in den großen Container auf dem kleinen Hinterhof. "So, erledigt." Mit Schwung lässt er den Deckel zufallen und macht sich auf den Rückweg zur Cafeteria.

"Du hast lange gebraucht", empfängt Alice ihn ungeduldig. "Können wir jetzt endlich gehen?"

"Klar, wir sind ja hier fertig." Rayne hängt sich seine Tasche über die Schulter und sie verlassen das Schulgebäude.

Etwa 20min später erreichen sie das Eiscafe.

"Wir werden auf jeden Fall reingehen", bestimmt Alice. "Es ist einfach zu heiß hier draußen."

Drinnen sind alle Plätze belegt, doch Oz entdeckt an einem Tisch ein Mädchen mit schulterlangen weißen Haaren. "Seht mal, sie trägt die Uniform unserer Schule. Vielleicht können wir uns ja zu ihr setzen? Kommt, fragen wir." Er steuert bereits in ihre Richtung und Alice folgt ihm.

"Unglaublich. Sobald er ein hübsches Mädchen sieht, ist er nicht mehr zu halten."

"Rayne." Sarah fasst ihren Freund an der Hand. "Komm jetzt." Sie zieht ihn mit zu den anderen beiden, die bereits Platz genommen haben.

"Das ist Echo", stellt Oz das Mädchen vor. "Sie hat nichts dagegen, dass wir uns zu ihr setzen."

"Es ist ja genug Platz", antwortet Echo mit merkwürdig ausdrucksloser Stimme.

"Hört auf zu quatschen und sucht euch endlich was aus", mault Alice. "Ich will den großen Erdbeerbecher."

Oz entscheidet sich für den Krokantbecher, Sarah wählt den Schwarzwälder-Kirschbecher und Rayne einen Milchshake Mokka. Ein Kellner kommt, um die Bestellung zu notieren.

"Was ist mit dir, Echo?" Oz lächelt sie an. "Ich lade dich ein."

"Warum? Wir kennen uns doch nicht..."

"Was macht ihr hier?"

"Oh." Oz blickt erstaunt auf. "Du? Ist Echo etwa deine Freundin?"

"Wir gehen in die gleiche Klasse." Elliot setzt sich auf den einzigen noch freien Stuhl am Tisch.
 

"Ich bin wieder da, Xerxes." Reim öffnet die Tür zum Schlafzimmer. Da er keine Tabletten in seiner Wohnung hatte, war er zu einer Apotheke gefahren, um welche zu holen.

Der Brillenträger legt die Packungen auf das Nachtschränkchen und beugt sich über seinen Freund. Break atmet keuchend durch den leicht geöffneten Mund.

"Xerxes." Behutsam rüttelt Reim an seiner Schulter. "Wach auf. Ich habe ein Mittel gegen Fieber und Erkältung. Davon wirst du dich bald wieder besser fühlen."

Stöhnend öffnet der Weißhaarige sein Auge. "Reim..."

"Ja." Reim hilft ihm, sich ein wenig aufzurichten und hält ihm eine blassgrüne Kapsel und zwei runde weiße Pillen hin. "Hier, du musst sie schlucken."

Gehorsam steckt Break sie in den Mund und greift nach dem Glas. Doch seine Hand zittert so stark, dass etwas von dem Wasser über den Rand schwappt.

"Lass mich das machen." Reim nimmt das Glas und setzt es ihm an die Lippen. Als sein Freund genug getrunken hat, stellt er es auf das Nachtschränkchen. "Und jetzt schlaf, ich werde später wieder nach dir sehen."

"Okay." Break sinkt zurück auf die Kissen und schließt sein Auge. "Tut mir leid, dass ich dir solche Sorgen mache", murmelt er mit leiser Stimme.

Mit einem wehmütigen Lächeln wäscht Reim das verschwitzte Handtuch aus und legt es ihm erneut auf die Stirn.
 

Oz lehnt sich zufrieden auf seinem Stuhl zurück. "Hier gibt es einfach die besten Eisbecher in der Stadt."

"Das stimmt, aber es ist auch ziemlich viel." Sarah schiebt ihren leeren Becher zur Seite. "Ich finde es erstaunlich, dass Alice die doppelte Portion von uns verdrücken kann."

"Was ist daran beeindruckend, wenn jemand ein Vielfraß ist?"

"Lass sie in Ruhe, Schulsprecher. Ist doch nicht schlimm..." Rayne verstummt, als eine Frau die Arme eng um Oz´s Schultern legt und ihre Wange in seinen blonden Haarschopf schmiegt. "Hallo, Oz-Boy. So schnell sehen wir uns wieder."

"Was fällt dir ein, blöde Baskerville-Tussi?" Alice funkelt Lotti über den Tisch an. "Oz ist mein Eigentum, also nimm gefälligst deine Hände von ihm!"

"Du bist ja ein richtiger Wildfang." Lotti lächelt amüsiert. "Vielleicht brauchst du jemanden, an dem du dich mal richtig abreagieren kannst. Und zufällig habe ich genau den Richtigen - soll ich ihn rufen?"

"Lass ihn doch herkommen!" Alice springt auf, mit wütend blitzenden Augen. In der Hand hält sie die Gabel umklammert, mit der Echo ihre Eistorte gegessen hatte. "Ich habe keine Angst vor deinem kleinen Schoßtierchen!"

"Nun gut. Leon!"

Das Erscheinen des Chain sorgt für sichtlichen Aufruhr. Als er dann noch ein lautes Brüllen ausstößt, drängen die Gäste zum Ausgang. Innerhalb von wenigen Minuten ist das Cafe leer, selbst die Bedienung hat sich verkrochen.

"Geh aus dem Weg!" Elliot schiebt Alice zur Seite und hält sein schwarzschimmerndes Schwert vor sich.

"Was hast du vor?"

"Was wohl, Kleiner?" Er wirft Oz einen kurzen Blick zu. "Ich bin der einzige mit einer Waffe, also werde ich es mit dem Chain aufnehmen."

"Tu das nicht." Rayne greift nach seinem Arm. "Du kannst nicht gewinnen."

"Was weißt du denn schon?"

"Passt auf!" Sarahs Warnschrei kommt beinahe zu spät - Leon hatte zu einem Sprung angesetzt. Rayne kann Elliot noch wegstoßen, doch er wird von den Pfoten des Chain erwischt und zu Boden geworfen.

"Rayne!"

"Wie schade, der Hübsche ist schon fertig. Aber du kannst noch mit den anderen spielen, Leon."

"Nein." Aus dem Nichts steht plötzlich der Wolfchain vor Oz, Alice und Sarah und knurrt drohend. "Du erinnerst dich sicher noch an die Warnung deines Partners, dass dein Chain besser nicht gegen mich kämpfen sollte. Also nimm ihn und geh."

Lotti bläst zischend durch die Zähne, ruft Leon aber zurück. "Es wird bestimmt mal eine Situation geben, wo du im Nachteil bist."

"Darauf kannst du natürlich gern hoffen."

"Danke, du hast uns wieder geholfen." Oz geht auf den Wolf zu und streckt die Hand aus, will sie ihm auf den Rücken legen. Doch seine Finger gleiten durch ihn hindurch, als wäre er aus Luft. "Was...?"

"Wieso kann man dich nicht anfassen?" Alice bewegt ihre Hand auf&ab und von rechts nach links, immer durch den körperlosen Wolf.

"Das hier ist nur ein Abbild von mir. Ich habe es euch geschickt, um euch zu helfen. Um Lotti davon abzubringen, Leon auf euch zu hetzen."

"Es ist also nur eine nutzlose Illusion?" Elliot hat sein Schwert wieder in die Scheide geschoben, hält es aber noch in der Hand. "Und was hättest du gemacht, wenn die Baskerville ihrem Chain doch befohlen hätte, uns anzugreifen?"

"Ich habe einfach gehofft, dass dieser Schatten von mir ausreicht, damit Lotti sich zurückzieht. Wie sie es ja auch getan hat. Und ich muss jetzt auch wieder verschwinden."

"Warte." Sarah drängt sich zwischen Oz und Elliot. "Ich will dich auch noch etwas fragen. Bist du ein ursprünglicher Chain? Aus der Zeit, als der Abyss noch nicht in eine düstere und verzerrte Welt verwandelt wurde?"

"Ein ...ursprünglicher Chain?" Der Wolf legt seinen Kopf ein wenig schief. "Diese Bezeichnung kenne ich nicht. Aber du hast Recht - ich bin, was du vermutest."

"Woher weißt du denn das?" Oz schaut sie fragend an.

"Ich habe in der Bibliothek der Uni einige alte Schriften gefunden, als ich mit Break dort war", erklärt Sarah.

"Zeig sie mir", fordert Elliot sie auf. "Ich möchte diese Berichte sehen."

"Tut mir leid, ich hab sie nicht. Break hat sie mitgenommen, er wollte mit seinem Freund versuchen, noch mehr herauszufinden."

"Das könnte ihm aber schwerfallen. Dieses Wissen über uns war schon sehr lang keinem Menschen mehr bekannt. Ich bin ehrlich überrascht, dass du überhaupt etwas erfahren konntest."

"Und wie stark bist du eigentlich?" Alice´s Augen leuchten begierig auf. "Ob du wohl ein würdiger Gegner wärst?"

"Tut mir leid, ich kann jetzt wirklich nicht länger bleiben." Die Gestalt des Wolfes beginnt zu verblassen und wird immer durchsichtiger, bis sie völlig verschwunden ist.

"Wir sollten auch gehen." Echo wirft ihren Rucksack über die Schulter. "Bevor jemand kommt und uns unangenehme Fragen stellt."

"Ok. Schauen wir, wie es Rayne geht und dann verschwinden wir."

"Mit mir ist soweit alles in Ordnung, Oz." Rayne erhebt sich hinter einem Tisch, über den er von Leon geschleudert wurde. "Ich habe mir nur den Kopf angeschlagen und war wohl eine Weile weggetreten."
 

"Reim? Reim."

Die Rufe locken Reim aus der Küche, wo er gerade eine Lauch-Suppe zubereitet. Als er das Schlafzimmer betritt, sieht er Break auf dem Bettrand sitzen. "Was machst du denn da? Du sollst doch nicht aufstehen."

"Ich hab Hunger."

"Du bekommst gleich Suppe." Reim schiebt seine Beine zurück unter die Decke. "Und ich habe auch Tee für dich aufgegossen."

"Aber ich will was süßes. Du wirst mir doch bestimmt gern Pudding oder Eis bringen, nicht wahr?"

"Erst wirst du etwas vernünftiges essen. Du willst doch schnell wieder gesund werden?"

"Aber ja doch, Doktor Reim. Nun geh schon und hol sie."

Kopfschüttelnd blickt Reim auf Break hinunter, dessen Gesicht hat einen schmollenden Ausdruck. "Selbst wenn er krank ist, bleibt sein Verhalten das gleiche."

Rasch kehrt er in die Küche zurück und nimmt den Topf vom Herd. Nachdem er eine Suppenschale gefüllt hat, stellt er sie mit der Teekanne, einer Tasse und dem Zuckertöpfchen auf das Tablett und geht wieder ins Schlafzimmer.
 

"Mit diesem Regal bin ich jetzt fertig." Fang stellt den letzten Ordner zurück in die Reihe. "Aber es ist wirklich absolut nichts zu finden, was auf diesen Wolf hinweist, den wir gesehen haben. Vielleicht vergeuden wir hier einfach unsere Zeit."

"Na gut, machen wir mal eine Pause." Vincent kommt aus dem nächsten Gang, mit seinem Handy in der Hand. "Ich will auch noch kurz einen Anruf machen, um herauszufinden, ob Mad Hatter inzwischen bei Mr. Reims Wohnung aufgetaucht ist."

Schon nach dem dritten Klingeln meldet sich eine Stimme.

"Ja."

"Hallo, Lily. Kannst du mir etwas gutes berichten?"

"Nein, gar nichts. Der Typ mit der Brille ist nur einmal weggefahren und kam eine Weile später mit einer weißen Papiertüte zurück."

"Eine weiße Papiertüte?", wiederholt Vincent. "Er war also in einer Apotheke. Aber er hat überhaupt nicht den Eindruck gemacht, als bräuchte er Medizin."

"Keine Ahnung. Muss ich noch länger hier herumsitzen? Es ist furchtbar langweilig und viel zu warm."

"In Ordnung, du kannst gehen. Ich schätze, diese Information von dir hilft uns weiter." Vincent beendet das Gespräch und steckt sein Handy in die Tasche. "Fang, eine kleine Änderung hat sich ergeben. Wir fahren jetzt noch einmal zu Mr. Reim. Ich habe da so eine Ahnung..."
 

"Wisst ihr was?" Oz stößt sich ausgelassen mit einer Reifenschaukel ab. Er und die anderen waren einige Straßen vom Eiscafe auf einen Spielplatz gegangen.

"Morgen ist Samstag, da müssen wir nicht in die Schule."

"Ja, das wissen wir auch." Elliot hatte sich auf eine der Bänke gesetzt, mit Echo neben sich. "Und?"

"Naja, ich dachte, wir könnten doch alle wieder ins Wonderland gehen. Was haltet ihr davon?"

"Auf jeden Fall!" Alice sitzt oben auf der Rutsche, mit übergeschlagenen Beinen. "Da gibt es so leckeres Essen!"

"Ich würde gern, aber Rufus lässt mich vielleicht nicht aus dem Haus."

"Gilbert könnte dir helfen, Sarah", schlägt Rayne vor. "Er ist doch ein guter Freund."

"Das stimmt. Ok, ich werd ihn fragen."

"Und ihr beide?", wendet Oz sich wieder an Elliot und Echo.

"Ich glaube, das könnte Spass machen", meint das weißhaarige Mädchen. "Ich möchte auch mitkommen."

"Na schön, einverstanden", stimmt der Schulsprecher schließlich auch zu.

"Großartig." Oz hüpft von seiner Schaukel und läuft zu ihm. "Dann können wir doch auch richtige Freunde werden. Ich halte dich nämlich für einen netten Kerl."

"Was?"

Reim wäscht das benutzte Geschirr im heißen Spülwasser und stellt es zum Abtrocknen auf das Spülbrett. Während er Putenfleisch in Curry-Sahne-Soße zubereitet und auf kleiner Stufe köcheln lässt. Anschließend misst er Reis ab und gibt ihn mit Wasser in einen Topf, lässt es unter Rühren garkochen.

"Was kochst du denn leckeres?"

"Xerxes, ich hab dir doch gesagt, du sollst im Bett liegen bleiben." Seufzend wendet Reim sich ihm zu. "Kannst du nicht wenigstens mal auf einen Rat hören, wenn du krank bist?"

"Sei doch nicht so streng." Schmollend schlurft Break zu der Sitzecke und sinkt auf einen der Stühle. "Es riecht einfach so köstlich."

"Nimm erst noch mal deine Medizin." Reim füllt ein Glas mit Wasser und reicht es ihm. "Das Essen ist in ein paar Minuten fertig."

"Ok." Break schiebt sich die Tabletten zwischen die Zähne und spült sie mit reichlich Wasser runter. Das leere Glas stellt er auf den Tisch, dabei fällt sein Blick zufällig auf eine Überschrift in der Zeitung.

Mysteriöses Verschwinden im "Magic Wonderland"

"Was?" Hastig nimmt er die Zeitung in beide Hände und überfliegt den kurzen Artikel.

In der letzten Woche sind einige Personen verschwunden, während sie den Vergnügungspark "Magic Wonderland" besucht haben. Zwischen den Leuten konnten keine Gemeinsamkeiten festgestellt werden, weshalb man wohl annehmen muss, dass sie zufällig als Opfer ausgewählt wurden.

Bedauerlicherweise scheiterte der Versuch, Rufus Barma zu befragen. Der Eigentümer des Vergnügungsparks weigerte sich, nähere Informationen preiszugeben.

Trotzdem werde ich alles mir mögliche versuchen, die Wahrheit über diese Vorfälle ans Licht zu bringen.
 

Vanessa Nightray
 

"Was ist los, Xerxes?" Reim schaut über Breaks Schulter und liest ebenfalls. "Das ist ja furchtbar. Glaubst du, dass ein Chain dahintersteckt?"

"Ich bin mir sogar sicher." Break faltet die Zeitung zusammen. "Bleibt die Frage, welcher und warum er Leute angreift?"

"Nein."

"Was?"

"Ich weiß genau, was du denkst, Xerxes." Reim schiebt seine Brille zurecht und schaut seinen Freund streng an. "Du überlegst doch gerade, ins "Magic Wonderland" zu gehen und die Sache zu überprüfen. Aber das schlägst du dir ganz schnell wieder aus dem Kopf. Du bist noch krank, auch wenn es dir schon besser geht. Und außerdem sind immer noch die Baskervilles und auch die Leute von Rufus auf der Jagd nach dir."

"Das weiß ich doch alles. Und ich bin ja nicht lebensmüde. Also, ist dein Essen jetzt fertig?"
 

"Du bist ziemlich spät dran, Sarah." Gil steht an den Eingangstüren, mit einer qualmenden Zigarette in der Hand. "Rufus hat sich ziemlich aufgeregt, als du um vier Uhr immer noch nicht hier warst."

"Oh je. Dann werd ich mir am besten gleich das Donnerwetter von ihm abholen."

"Nein, du kannst jetzt nicht zu ihm." Gil wirft den Zigarettenstummel auf den Boden und tritt drauf. "Ein unerwarteter Besucher ist gekommen. Er hat ihn in sein Büro gebeten und will nicht gestört werden. So, ich muss wieder in die Küche."

"Kann ich mitkommen?" Sarah folgt ihm ins Innere des Hauses. "Ich will dich um einen Gefallen bitten. Und ich habe auch eine Frage an dich."

"Na gut, komm."

In der Küche holt sich Sarah eine Dose Cola aus dem Kühlschrank, während Gil nach den Aufläufen im Backofen schaut. "Sie brauchen noch eine Weile. Dann fange ich schon mal mit dem Salat an."

"Gilbert?" Sarah setzt sich auf einen Hocker am Tresen. "Ich habe heute in der Schule erfahren, dass Break mit einem mächtigen Chain einen Vertrag geschlossen hat. Und dass er früher in Rufus´s Auftrag andere dieser Kreaturen vernichtet hat. Warum hat er aufgehört, für ihn zu arbeiten? Und warum muss er sich ständig vor seinen Leuten verstecken?"

"Wir sollten hier nicht über ihn reden." Gil gibt die geschnitteten Tomaten in eine Schüssel und nimmt sich die Paprika vor. "Jemand könnte uns dabei hören."

"Erzähl mir nur irgendwas." Sarah fasst über den Tresen nach seiner Hand. "Mir ist klar geworden, dass ich gar nichts über ihn weiß. Aber ich würde wirklich gern etwas erfahren ... er scheint so eine ungewöhnliche Person zu sein..."

"Meistens ist er einfach nur nervtötend und albern." Gil vermengt die Paprikastreifen mit den Tomaten und gibt noch Mais dazu. "Ich habe vier Jahre mit ihm zusammengearbeitet, doch ich weiß eigentlich auch nur, was du bereits weißt. Und er ist vor zwölf Jahren praktisch aus dem Nichts bei uns aufgetaucht, aber aus der Zeit davor ist nichts, absolut nichts über ihn bekannt. Und er hat auch niemals, mit keinem Wort seine Vergangenheit erwähnt. Es ist beinahe so, als wäre er..."

"Nii-san, ist das Essen fertig?" Vincent betritt die Küche. "Oh, Miss Sarah. Schön, dass sie auch da sind, ihr Vater hat bereits ungeduldig ihre Heimkehr erwartet. Gehen sie doch am besten schon zu ihm, er will ihnen auch unseren besonderen Gast vorstellen."

"Sie sind auch fertig." Gil öffnet erneut den Backofen und holt die beiden großen Auflaufformen heraus, stellt sie auf zwei Holzbretter mit Tragegriffen. "Vincent, kannst du eins nehmen?"

"Aber natürlich." Vincent trägt sein Brett durch die Tür.

"Ich zieh mich nur noch eben um." Sarah schnappt sich ihre Schultasche und eilt die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer. Einige Minuten später betritt auch sie den Speisesaal.

"Da bist du ja endlich", empfängt Rufus sie mit hochgezogenen Augenbrauen. "Es ist äußerst unhöflich, uns so lange warten zu lassen."

"Sei nicht so streng mit ihr. Sie ist ja noch rechtzeitig gekommen und wir können jetzt alle gemeinsam essen."

Die Stimme kommt ihr bekannt vor und Sarah geht leicht zögernd vorwärts. Bis sie die Person sehen kann, die gesprochen hat. Vor Überraschung öffnen sich ihre Lippen. "Du? Was machst du hier?"

"Guten Abend, Sarah." Leo schaut sie mit einem freundlichen Lächeln an. "Komm, setz dich zu mir."

"Wer ist er?" Sarah rutscht zögernd auf den Stuhl neben Leo. "Wieso wird er hier als besonderer Gast bezeichnet? Bei unserem kurzen Gespräch an der Schule hat er jedenfalls nicht erwähnt, dass er mit Rufus bekannt ist."

"Sarah." Rufus´s Stimme dringt in ihre Gedanken. "Wenn du fertig bist zu träumen, lass dir von Gilbert Auflauf geben. Dann kann er sich auch setzen und essen."

"J-ja." Rasch nimmt Sarah ihren Teller hoch und dreht sich halb herum. Gil füllt ihr eine reichliche Portion der Gyros-Lasagne auf. "Danke."

"Du trinkst Cola, nicht wahr?" Leo öffnet die Flasche und gießt in ihr Glas ein. "Ein Schulmädchen wie du darf ja noch keinen Alkohol."

Äh...nein..."

"Nun, wollen wir jetzt darüber reden, weshalb sie hierher gekommen sind?" Rufus schaut Leo über den Rand seines Weinglases an. "Oder besprechen wir das später in meinem Arbeitszimmer?"

"Sie können mir ruhig hier erklären, warum Xerxes Break noch nicht eingesperrt ist." Leo erwidert seinen Blick. "Schließlich habe ich ihnen meine Leute zur Verfügung gestellt, damit sie ihn endlich wieder einfangen können."

"Was?" Die Gabel mit dem Stück Fleisch, das Sarah gerade in den Mund schieben wollte, stoppt vor ihren Lippen.

"Er ist leider sehr gerissen und versteht es, immer wieder zu entwischen." Rufus legt sein Besteck auf den Tellerrand. "Doch er muss ja auch essen und schlafen. Deshalb lasse ich jetzt die Wohnung seines Freundes Reim beobachten. Wenn er dort auftaucht, werden Fang und Lily ihn empfangen. Und dann kommt er für den Rest seines Lebens in das dunkle Loch, doch das wird ohnehin nicht mehr lang dauern."

"Das können sie nicht ernst meinen! Ich weiß nicht, was Break getan hat, dass sie ihn so sehr verachten! Aber er hat es bestimmt nicht verdient, so von ihnen behandelt zu werden!"

"Ich kann mich nicht erinnern, dass ich gesagt hätte, ich will deine Meinung hören, Sarah." Rufus blickt sie mit kalten Augen an. "Worüber ich mich mit Lord Glen unterhalte, geht dich nichts an."

"Verzeiht, Sir Rufus", mischt Gil sich ein. "Aber dann hättet ihr nicht hier im Speisesaal euer Vorhaben besprechen dürfen."

"Ich habe ihn dazu aufgefordert. Allerdings hätte ich nicht erwartet, dass sich Sarah darüber aufregen würde." Leo füllt sein Glas erneut mit Wein auf. "Vielleicht sollte sie sich jetzt zurückziehen, offenbar ist das alles zu viel für sie. Vincent, bring sie nach oben."

"Selbstverständlich, Lord Glen." Vincent erhebt sich und umrundet den Tisch.

"Er kann bleiben, wo er ist." Sarah schiebt ihren Stuhl mit einem Ruck zurück. "Ich geh allein in mein Zimmer."

"Eins muss ich zugeben." Leo schaut auf die hinter ihr zufallende Tür des Speisesaals. "Sie ist ein energisches Mädchen. Und anscheinend hatten sie Recht mit ihrer Einschätzung, Rufus. Sie hat eine Verbindung zu Mad Hatter, das beweist ihre Reaktion."

"Und genau das können wir zu unserem Vorteil nutzen. Mit Sarahs unfreiwilliger Hilfe werden wir ihm eine Falle stellen. Schließlich hat er ihr schon einmal geholfen und sie vor einem Chain gerettet."
 

"Das war wahnsinnig lecker." Break kratzt die letzten Reiskörner mit Soße von seinem Teller. "Du kannst genauso gut kochen wie Gilbert."

"Freut mich, dass es dir geschmeckt hat." Reim räumt sein bereits gespültes Geschirr in den Schrank. "Du hast dir schließlich zwei Portionen nachgenommen. Also geht es dir schon wieder so gut, dass dein Appetit zurückgekehrt ist."

"Ein bisschen schlapp fühle ich mich noch." Break trinkt den Rest Wasser aus seinem Glas. "Ich werd mich auch gleich wieder schlafen legen. Übrigens, denkst du, die Wachhunde da unten werden die ganze Nacht im Auto sitzen bleiben? Den beiden muss doch irgendwann mal langweilig werden."

"Es sind Baskervilles und die werden bestimmt nicht aufgeben. Aber noch haben sie nicht versucht, in meine Wohnung einzudringen. Und das bleibt hoffentlich so."

"Wenn sie es tun sollten, müssen wir eben ganz schnell verschwinden. Du stehst doch in Verbindung zu Sharon, nicht wahr? Sie kann uns dann ganz einfach mit Eques zu sich holen." Break öffnet den Mund zu einem Gähnen. "Ich geh jetzt auf jeden Fall schlafen. Kommst du auch ins Bett?"

"A-aber das geht doch nicht." Reims Gesicht nimmt einen leicht rötlichen Ton an. "D-du und ich, wir können doch nicht..."

"Stell dich nicht so an. Es ist genug Platz für uns beide - und ich werde schon nicht über dich herfallen, keine Angst. Und es ist doch auch besser, wenn wir in einem Zimmer sind, oder nicht?"

"Naja, schon..." Reim zögert noch ein wenig. "Also gut, meinetwegen. Aber vorher spül ich noch dein Geschirr."

"Okay, ich geh dann schon mal rüber." Break verlässt die Küche und verschwindet noch kurz im Bad. Als Reim eine Weile später, nachdem er alle Lichter gelöscht hat, ebenfalls das Schlafzimmer betritt, liegt der Weißhaarige bereits schlafend unter der Decke.
 

"Vielleicht hätte ich nicht hierher kommen sollen." Rayne steht vor dem eisernen Tor des Rainsworth-Anwesen. "Aber es geht um Sarah. Ich muss mit Sheryl sprechen, ob wir sie nicht von Rufus Barma wegholen können. Nachdem bereits die Baskervilles und jetzt sogar auch Leo Glen Baskerville aufgetaucht sind, könnte es bei ihm wirklich gefährlich für sie werden." Er öffnet einen der Torflügel und folgt dem Weg bis zu den Eingangstüren, wo er den Türklopfer betätigt. Nach einigen Minuten öffnet ihm ein Dienstbote. Er führt Rayne in den ersten Stock bis zum Salon und lässt ihn eintreten.

"Eric." Sheryl schaut ihn lächelnd an. "Es ist schön, dich zu sehen. Sag, was führt dich so spät am Abend zu uns?"

"Ich möchte sie um etwas bitten." Rayne nimmt auf dem Sessel Platz. "Könnten sie dafür sorgen, dass Sarah nicht mehr bei Rufus Barma leben muss? Sie besitzen doch ein großes Haus mit genügend Zimmern, von denen sie ihr eins geben könnten."

"Es tut mir leid, aber leider geht es nicht." Sheryl schüttelt bedauernd den Kopf. "Wenn ich Sarah zu mir hole, würde Rufus sie schnell wieder zurückfordern. Aber in einem Konflikt zwischen ihm und mir, würde ich unterliegen. Und ich will nicht riskieren, dass meiner Tochter und Enkeltochter etwas zustößt."

"Das verlange ich natürlich auch nicht. Dann werde ich eine andere Möglichkeit finden, um sie da rauszuholen." Rayne erhebt sich aus dem Sessel. "Jedenfalls danke ich ihnen, dass sie mir zugehört haben."

"Warum hältst du dich nicht an Gilbert und Xerxes? Ich bin mir sicher, die beiden werden dir helfen."

"Und ich auch, Grandma." Sharon hatte den Salon betreten. "Wirst du es mir erlauben? Dann könnte ich auch wieder mehr Zeit mit Break verbringen und ihm zur Seite stehen."

"Selbstverständlich habe ich nichts dagegen, Liebes." Sheryl lächelt ihre Enkelin an. "Wenn es dir so wichtig ist."

"Vielen Dank."

"Wo sind wir?" Break blickt sich verwundert um und versucht, in dem dunklen Zimmer etwas zu erkennen. "Wohin hast du mich gebracht?"

"Dies ist das Krankenzimmer von Sarahs Schule. Du solltest hier sicher sein, von den Baskervilles wird dich bestimmt keiner hier vermuten. Ein paar Schritte rechts von dir steht ein Bett, das kannst du benutzen. Für diese Nacht und für die nächste, und wenn du hungrig bist, kannst du dir etwas aus der Cafeteria holen."

"Das hört sich ja beinahe so an, als wolltest du mich bis Montagmorgen in diesem Gebäude festhalten. Aber wenn ich nicht bleiben will?"

"Dann sag mir, wo du hingehen willst. Die Baskervilles sind dort aufgetaucht, wo dein Freund lebt. Und wahrscheinlich beobachten sie auch die anderen Personen, die eine Verbindung zu dir haben."

"Möglich, vielleicht hast du Recht. Aber im Wonderland habe ich mich jahrelang verstecken können, dort werden sie mich nicht finden. Das ist ihnen in all der Zeit nicht gelungen."

"Gut, dann bringe ich dich dorthin. Solange ich mich darauf verlassen kann, dass du dort bleibst. Dann steig jetzt wieder auf meinen Rücken."
 

"Gilbert, hey. Guten Morgen."

"Sarah?" Gil hört für einen Moment auf, Brötchen aus einem Teigkloß zu formen. "Was machst du so früh hier? Du bist doch sonst immer nur schwer aus dem Bett zu kriegen, wenn Wochenende ist."

"Ich weiß. Ich wollte aber mit dir reden, solange die anderen noch schlafen." Sarah klettert auf einen Hocker und lehnt ihre verschränkten Arme auf den Küchentresen. "Würdest du mir bei einem Ausbruch helfen? Ich will mich mit meinen Freunden im Wonderland treffen, aber Rufus wird mich sicher nicht gehen lassen."

"Es tut mir leid, ich kann nicht."

"Was? Wieso nicht?" Sarah schaut fragend zu Gil auf.

"Weil..." Gil legt ein weiteres Brötchen auf das Blech. "Im Augenblick befinde ich mich nicht in einer besonders sicheren Position. Ich kann es mir nicht leisten, gegen den Befehl von Sir Rufus zu handeln."

"Was soll das heißen? Welcher Befehl?"

"Bitte frag mich nicht, Sarah." Gil schiebt das Blech in den Ofen. "Warum gehst du nicht wieder ins Bett und schläfst noch ein bisschen?"

"Wie wäre es, wenn ich dich stattdessen ins Wonderland begleite?" Leo hatte die Küche betreten. "Rufus kann nichts dagegen sagen, wenn wir gemeinsam das Haus verlassen. Und ich würde gern deine Freunde kennenlernen."

"Naja...ich weiß nicht..."

"Du kannst auch in deinem Zimmer bleiben, wenn du keinen Wert auf meine Gesellschaft legst. Wir sehen uns dann, wenn es Zeit zum Frühstücken ist." Leo wendet sich in Richtung Küchentür. "Ich hoffe, es gibt Rührei mit Speck."

"Warte - okay. Wenn du mir helfen kannst..." Sarah fasst nach Leos Hand. "Bitte. Ich will auf keinen Fall hier festsitzen."

"Sarah, vielleicht solltest du besser nicht..."

"Sei still, Gilbert." Leo schaut den schwarzhaarigen Nightray scharf an, bis er den Blick senkt. "Schön. Dann gehe ich jetzt zu Rufus und in einer halben Stunde brechen wir auf."
 

"Oz! Wir müssen doch jetzt bald losgehen, oder nicht?"

"Nein", seufzt der blonde Junge. "Wir treffen uns mit Sarah und den anderen um 10 Uhr. Es reicht also, wenn wir in einer Viertelstunde losgehen."

"Ich hab aber keine Lust mehr zu warten", knurrt Alice. "Und ich hab Hunger! Also beeil dich gefälligst!"

"Schon gut." Oz spült den letzten Teller in klarem Wasser und stellt ihn zum Abtrocknen in den Geschirrkorb. "Ich bin fertig."

"Na endlich! Dann beweg deinen Hintern!" Alice öffnet schwungvoll die Tür des Wohnwagens und springt die drei Stufen hinunter. "Na los!"

"Okay, okay." Oz schnappt sich seine Umhängetasche und folgt ihr nach draußen.

"Denkst du, der blöde Clown taucht auch wieder auf?" Auf dem kurzen Weg durch den Wald schlägt Alice mit einem Ast gegen die Bäume, an denen sie vorbeikommen.

"Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass er im Wonderland sein wird", meint Oz. "Bei unserem letzten Besuch haben wir ihn zwar kurz getroffen, doch er ist nicht dumm. Er weiß, dass es für ihn gefährlich ist, sich im Park aufzuhalten."

"Lauf doch mal ein bisschen schneller!" Alice schaut ungeduldig zu ihm zurück, sie war bereits ein ganzes Stück vor ihm. "Ich will so ein leckeres Ding essen, wie beim letzten Mal - das mit den roten Früchten!"

"Aber der Crepesstand liegt in der entgegengesetzten Richtung vom Eingang. Lass uns doch erst mit den anderen treffen..."

"Nein! Wenn du zu faul bist, hol ich mir eben selbst einen!" Alice stürmt so schnell los, dass Oz nur einen tiefen Seufzer von sich geben kann.

"Jetzt muss ich mich wohl erst auf die Suche nach ihr machen. Hoffentlich verirrt sie sich nicht auf dem Gelände."
 

"KYYAAAA"

Ein schriller Schrei reißt Break aus seinem unruhigen Schlaf. Mit schmerzenden Gliedern setzt er sich auf und stößt mit dem Kopf gegen den Arm eines Skelettmannes. In einem leicht verborgenen Winkel in der Geisterbahn, wo er sich in sein Versteck hinter einer Schreckgestalt zurückgezogen hatte.

Ein zweiter, etwas leiserer Schrei hallt durch die Gänge, gefolgt von Gelächter. "Ach so, da ist nur ein Waggon vorbeigefahren." Mit einem leisen, nervösen Kichern lehnt er sich gegen die Wand und wischt sich den Schweiß von der Stirn. "Ganz schön stickig hier drin. Vielleicht sollte ich mal eine Weile nach draußen gehen. Mit dem Hut und der Sonnenbrille und wenn ich mich unauffällig verhalte, wird es schon gutgehen. Außerdem wollte ich ja hier auch noch etwas untersuchen."

Einige Minuten später tritt er durch den Personaleingang ins Freie und mischt sich unter die Besucher.
 

"Hallo, Schulsprecher. Hallo, Echo." Rayne tritt zu den beiden, er hatte sie vor dem Eingang zum Park stehen sehen. "Habt ihr Sarah oder Oz und Alice schon gesehen?"

"Nein, wir sind die ersten. Dabei ist unser vereinbarter Treffpunkt schon seit fünf Minuten verstrichen." Elliot verschränkt die Arme. "Warum können die nicht pünktlich sein?"

"Da kommt Sarah." Echo zeigt auf den Wagen, der ein Stück entfernt gehalten hatte. "Aber sie ist nicht allein."

"Wer...?" Rayne dreht sich um, als Leo gerade die hintere Tür schließt. "Das ist...Glen Baskerville. Warum ist er bei Sarah?"

"Hey", begrüßt Sarah ihre Freunde, als sie mit ihrem Begleiter bei ihnen ankommt. "Das ist ..."

"Ich denke nicht, dass ich mich vorstellen muss." Leo schaut lächelnd die kleine Gruppe an. "Ihr wisst wahrscheinlich schon, wer ich bin."

"Lord Leo Glen Baskerville." Elliot streckt ihm die Hand hin. "Ich bin Elliot Nightray, das ist Echo und ..."

"Eric Rayne", stellt Rayne sich selbst vor. "Es war sehr nett, dass du Sarah zu uns gebracht hast. Aber ein hochangesehener Adliger wie du hat doch sicher besseres zu tun, als mit ein paar einfachen Schülern ins Wonderland zu gehen."

"Nein, es macht mir nichts aus", erwidert Leo. "Denn eigentlich hätte Sarah das Haus nicht verlassen dürfen. Doch ich wollte nicht, dass sie in ihrem Zimmer bleiben muss. Deshalb habe ich mit Rufus gesprochen und wir haben uns geeinigt - sie darf den Tag mit euch verbringen, wenn ich als ihr Aufpasser dabei bin."

"Dann können wir ja jetzt reingehen." Echo fasst Elliots Hand. "Komm."

"Moment, wo sind Oz und Alice?", wirft Sarah ein. "Sollten wir nicht noch auf sie warten?'"

"Sie sind nicht da, das ist ihr Pech", entgegnet Elliot. "Ich habe jedenfalls nicht die Absicht, noch länger hier herumzustehen." Er folgt dem weißhaarigen Mädchen zu den Kassenhäuschen.

"Sarah?" Leo schaut sie erwartungsvoll an. "Wenn du willst, können wir für deine beiden Freunde, die noch fehlen, eine Nachricht an der Kasse hinterlegen. Mit einem Treffpunkt, in einer Stunde irgendwo im Park."

"Ja...vielleicht an der großen Achterbahn", meint Sarah. "Die können sie nicht verfehlen."

"Eine gute Idee. Ich werde Shelly bitten, es ihnen auszurichten, wenn sie Oz und Alice sieht."

"Es gefällt mir nicht, dass er hier ist." Rayne beobachtet Leo, wie er sich zu dem kleinen Fenster am Kassenhäuschen vorbeugt. "Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er dir nur aus reiner Freundlichkeit geholfen hat."

"Ich denke, es ist wegen Break. Er und Rufus haben gestern Abend darüber geredet, dass sie ihn fangen und einsperren wollen", erzählt Sarah. "Vielleicht hofft er auf eine Gelegenheit, ihn zu erwischen, wenn er sich an mich dranhängt."

"Ja, das würde einen Sinn ergeben... aber wie hoch stehen die Chancen, dass wir Break begegnen? Der Park ist so groß, das müsste es schon ein unglaublicher Zufall sein."
 

"Vielen Dank." Break nimmt den Crepe und entfernt sich von dem Stand, sucht sich eine Bank und setzt sich. "Mhhh, das ist mal ein gutes Frühstück", schwärmt er nach dem ersten Bissen und verschlingt die Teigrolle in wenigen Augenblicken. "Und jetzt, hole ich mir noch einen...? Eigentlich keine schlechte Idee."

Zum zweiten Mal studiert er die Karte und entscheidet sich diesmal für einen Crepe mit Schokopudding. Doch als er in seinen Taschen nach Geld sucht, fehlt ihm eine Münze. "Oh je, wie ärgerlich."

"Wenn sie nicht bezahlen können, gehen sie zur Seite", fordert ihn die Verkäuferin auf.

"Er kann bezahlen, hier." Eine Hand legt ausreichend Geld auf den Glastresen.

"Oz. Du brauchst doch nicht..."

"Wenn es dich so stört, kannst du mir das Geld ja später zurückgeben." Oz zwinkert ihm zu. "Komm mit, Alice sitzt dahinten."

"Nein, lieber nicht." Break leckt etwas Pudding auf, der an einer Seite herausquillt. "Falls ich erkannt werde, sollte besser niemand mit mir zusammen sein."

"Na gut, wie du meinst." Oz zuckt mit den Schultern. "Sarah hätte sich bestimmt gefreut, dich zu sehen. Wir wollen uns jetzt mit ihr treffen."

"Sie ist hier?" Break hört kurz auf zu kauen. "Wenn ihr euch den ganzen Tag im Park aufhalten wollt, solltet ihr gut die Augen offenhalten."

"Wieso? Was...?"

"Oz!" Alice stürmt auf sie zu, sie hatte sie miteinander sprechen sehen. "Was quatscht du denn da mit dem doofen Clown?"

"Miss Alice, es ist eine Freude, dich zu sehen. Leider trennen sich unsere Wege schon wieder - richtet Miss Sarah einen Gruß von mir aus."

"Warte, Break. Du hast gerade gesagt..."

"Oz, Oz, Oz." Break tippt ihm auf die Nasenspitze. "Es gibt nichts, worüber du dir Gedanken machen musst."

"Doch, ich denke schon. Sag mir, was los ist."

"Ein Chain..." Alice blickt sich alarmiert um. "Ich spüre ihn... ganz schwach, aber - seine Kraft scheint irgendwie seltsam..."

"Und wo ist er?" Oz blickt seine Freundin gespannt an.

"Das weiß ich nicht", muss sie zugeben. "Ich kann es nicht genau erkennen. Er ist irgendwie überall..."

"Dann werde ich ihn suchen." Break wirft das Papptablet in den Mülleimer neben der Bank. "Ihr trefft euch mit Miss Sarah und passt auf sie auf."
 

"Habt ihr Lust, in den Tower zu gehen?" Sarah deutet auf den 40m hohen Turm vor ihnen, der gerade langsam nach unten fährt.

"Ich hätte Lust", meldet sich Echo.

"Ich nicht", lehnt Elliot ab. "Ist doch dämlich, nur rauf und runter zu fahren."

"Dann geh ich auch nicht rein", ändert Echo ihre Meinung.

"Das ist doch Unsinn. Wenn du gern mitfahren willst, kannst du es ruhig."

"Na gut."

"Dann sind es also wir drei." Leo schaut Sarah und Echo an. "Wollen wir einsteigen?"

"Eine gute Idee, Sarah und ich stellen uns schon mal in die Reihe." Rayne nimmt die Hand seiner Freundin und zieht sie mit sich durch das Drehgitter.

"Offenbar kann er mich nicht leiden, aber das ist auch nicht wichtig. Schließlich geht es mir ja nur darum, Sarahs Vertrauen zu gewinnen." Leo geht als letzter durch die Absperrung.

"Bitte." Der Mitarbeiter zeigt auf die Reihe auf der linken Seite. Rayne nimmt den ersten Platz, dann kommt Sarah. Als Echo sich neben sie setzen will, legt Leo seine Hand auf ihren Arm. "Würdest du den Platz mir überlassen?"

"Meinetwegen." Sie zuckt mit den Schultern und geht nach ganz außen. Die Sicherheitsbügel senken sich und es geht aufwärts.
 

"Sie sind nicht hier." Oz und Alice waren am Eingang angekommen. "Wir sind zu spät gekommen und haben sie verpasst. Sie können jetzt überall im Park sein, wie sollen wir sie finden?"

"Das ist kein Problem für mich." Sharon nähert sich den beiden lächelnd. "Meine Mutter hat mir gesagt, dass Miss Sarah euch um halb elf an der großen Achterbahn treffen will. Aber bis dahin ist es noch eine halbe Stunde, also werde ich die Kraft meines Chain nutzen, um sie sofort zu finden."

"Gilbert." Rufus betritt die Küche. "Du wirst mit Lotti und Doug heute im Park patrouillieren. Wie du vielleicht auch schon gehört hast, gibt es dort wohl ein Problem mit einem Chain. Ihr fahrt dorthin und seht euch um, aber bleibt unauffällig. Es sollte möglichst vermieden werden, dass die zahlenden Besucher davon erfahren."

"Ich wollte aber gerade diesen Braten schon mal..."

"Du wirst für heute Abend einfach etwas anderes zubereiten, was nicht so viel Aufwand erfordert." Rufus geht wieder durch die Tür hinaus. "Die anderen warten bereits am Wagen."

"Na toll." Wenig begeistert trägt Gil den Fleischbrocken zurück ins Kühlhaus und macht sich dann auf den Weg zu seinem Zimmer, um seine Pistole zu holen. Mit der Waffe, gut verborgen unter seinem Hemd, steigt er neben Lotti auf den Beifahrersitz und sie gibt Gas.
 

"Das hat Spass gemacht." Echo geht als letzte durch den Ausgang des Tower. "Ich will das nochmal machen."

"Okay, aber es gibt ja noch andere Geräte, mit denen wir fahren können. Die noch viel mehr Spass machen. Wie den Predator oder den Konga oder ... da, Shake." Sarah deutet auf das Fahrgeschäft ein Stück vor ihnen, dessen Gondeln wild herumwirbeln.

"Das finde ich aber mutig von euch, dort hineinzugehen."

"Es ist gar nicht so schlimm..." Sarah dreht sich um und blickt in ein lächelndes Gesicht. "Du bist doch..."

"Es ist schön, dass wir uns so schnell wiedersehen." Sharon ergreift ihre Hände. "Zum Glück hat meine Großmutter dir keine Strafe gegeben, weil du gestern einfach dem Unterricht ferngeblieben bist."

"Deine Großmutter?"

"Du bist wirklich dumm, was?" Elliots Blick drückt seine Mißbilligung aus. "Das ist Sharon Rainsworth, die Enkelin unserer Rektorin. Und außerdem die Erbin einer angesehenen adligen Familie."

"Das konnte Sarah nicht wissen. Wir haben uns gestern das erste Mal getroffen, aber ich habe mich ihr nicht vorgestellt." Sharon streicht sich eine Haarsträhne zurück. "Und nun -

wer von euch traut sich, mit Echo und Sarah in den Shake zu gehen?"

"Auf keinen Fall", lehnt Elliot entschieden ab. "Mich kriegt da keiner rein."

"Für mich ist das auch nichts", gibt Oz zu.

"Und ihr beide?" Sharon wendet sich an Rayne. "Du wirst Sarah doch sicher nicht allein fahren lassen, nicht wahr? Und sie, Lord Glen, können Echo begleiten."

"Ehrlich gesagt wäre es mir lieber...", beginnt Leo.

"Einverstanden." Rayne fasst nach Sarahs Hand. "Komm, es hat gerade angehalten."
 

"Wo könnte sich hier ein Chain versteckt halten?" Break schaut aus den Fenstern einer Kabine des Riesenrads. "Die meisten Fahrgelegenheiten sind im Freien, es bleibt also nur "Midnight-Coaster", der "Stardust-Simulator" und "Magical Mirrors". Am besten seh ich mir mal alle drei Geräte an." Er verlässt die Gondel, kaum dass sie wieder den Boden erreicht und macht sich auf den Weg zu der Achterbahn, die in einer großen Kuppel durch völlige Dunkelheit fährt. Davor ist nur eine kurze Schlange, weshalb er schnell an die Reihe kommt und einen Waggon für sich allein hat. Doch die knapp 10minütige Fahrt bleibt ergebnislos und leicht enttäuscht schlägt er danach die Richtung zum Simulator ein. Dort angekommen, erlebt er eine Überraschung...
 

"Das ist eine schwachsinnige Idee! Welchen Sinn soll es machen, wenn wir in das blöde Ding einsteigen?" Sichtlich genervt deutet Gil auf das längliche Gehäuse des Simulators. "Der Chain wird sich wohl kaum genau jetz zeigen - falls er überhaupt da drin ist."

"Das werden wir nicht herausfinden, wenn wir es nicht wenigstens überprüfen." Lotti hängt sich an seinen Arm. "Nun sei nicht so ein Miesepeter, wir können doch auch ein bisschen Spass haben."

"Kommt nicht infrage, wir sind hier um einen Auftrag zu erledigen. Und nimm deine Hände weg." Mit einem Ruck befreit er sich aus ihrem Griff. "Wenn du unbedingt in das dämliche Gerät gehen willst, mach es allein. Ich bleib hier draußen und pass auf, ob sich irgendwas tut."

"Na schön, ganz wie du willst." Sichtlich schmollend geht Lotti zu den Absperrungen und schwingt sich einfach über das Metallgitter - was dutzende Protestrufe unter den wartenden Besuchern verursacht.

Gil geht zu einer Sitzbank und schraubt den Verschluss von seiner mitgebrachten Wasserflasche, um etwas zu trinken. Während die kühle Flüssigkeit seine Kehle hinabrinnt, wandert sein Blick über die vorbeigehenden und herumstehenden Leute und bleibt an einer Person hängen - mit einer Sonnenbrille und einem Schlapphut, unter dessen Rand weiße Haarsträhnen herausschauen.

"Break!" Hastig setzt er die Plastikflasche ab und steuert auf den Weißhaarigen zu. "Hast du den Verstand verloren? Weißt du nicht, was im Park gerade vorgeht? Wie kannst du so blöd sein und einfach hier herumlaufen?"

"Ich freue mich auch, dich zu sehen, Gilbert." Break schiebt seinen Schlapphut ein wenig nach hinten, um sich den Schweiß von der Stirn wischen zu können. "Und wenn du es unbedingt wissen willst, ich bin auf der Suche nach dem Chain, der sich im Park herumtreibt. Er hat bereits einige Menschen auf dem Gewissen. Doch hier scheint er nicht zu sein und auch nicht im "Midnight-Coaster", das habe ich bereits überprüft. Also werde ich jetzt zum Spiegellabyrinth gehen. Es wäre nett, wenn du Lotti von dort fernhältst."

"Glaubst du, dass er dort ist?" Gil schiebt die Schachtel Zigaretten, die er gerade hervorgeholt hatte, zurück in seine Hosentasche. "Dann werde ich dich besser begleiten..."

"Nein, du musst hier sein, wenn Lotti wieder herauskommt." Break wickelt langsam ein Kaubonbon aus und schiebt es zwischen seine Zähne. "Ich verschwinde jetzt, und du hast mich nicht gesehen, wenn du aus irgendeinem Grund danach gefragt wirst."

"Aber..."

"Hör zu, Gilbert." Break nimmt seine Sonnenrille ab. "Du darfst nichts tun, was deine Stellung bei Rufus gefährden könnte - Miss Sarah braucht einen Freund in dem Anwesen."

"Und was ist mit dir?" Gil blickt ihn besorgt an. "Du siehst nicht gut aus, du solltest die Sache heute vielleicht doch nicht allein angehen."

"Nicht nötig. Tu einfach, was ich dir geraten habe." Break setzt seine Brille wieder auf. "Und mach dir keine Sorgen, ich fühle mich nur wegen der hohen Temperaturen ein wenig unwohl. Jetzt werd ich aber wirklich gehen, das Simulationsgerät hat angehalten."

"Warte, nur eine Minute noch..."

"Gil-bert." Lotti drängt sich durch die Menge der aus dem Simulator kommenden Besucher. "Du hast wirklich etwas verpasst."

"Schon möglich." Gil schaut sich noch einmal rasch um, doch Break ist nicht mehr zu sehen. "Und was ist jetzt mit dem Chain? Lass mich raten, es gibt hier keine Spur von ihm."

"Richtig." Sie bleibt neben ihm stehen. "Ob Doug mehr Glück hatte? Wir sollten uns mit ihm treffen."

"Was ist denn das?" Alice betrachtet fasziniert die verspiegelten Außenflächen des Spiegellabyrinths. Über die glatten Scheiben rinnt Wasser, welches von rasch wechselnden bunten Lampen angestrahlt wird. "Das gefällt mir, da will ich jetzt rein."

"Das Spiegellabyrinth", erklärt Oz. "Es macht wirklich Spass, den Weg hindurch zu finden, auch wenn es nicht ganz einfach ist."

"Du hast Recht." Sarah lächelt ihren Schulfreund fröhlich an.

"Dann lass uns doch gemeinsam hineingehen." Leo versucht eine neue Chance, Sarah nahe zu kommen.

"Du kannst dich uns natürlich anschließen." Rayne fasst Sarahs Hand. "Oz, Alice, kommt mit."

"Ich auch", meldet sich Echo. "Und Elliot."

Der Schulsprecher schüttelt den Kopf. "Ich finde dieses Labyrinth einfach nur albern."

"Warum bist du überhaupt in den Park mitgekommen?" Rayne wirft Elliot einen stirnrunzelnden Blick zu. "Du wartest doch immer nur und gehst nirgendwo rein."

"Und? Das ist meine Sache."

"Streitet euch nicht." Sharon streicht sich eine Haarsträhne zurück. "Ich bleibe auch hier. Amüsiert euch dort drinnen."

"Danke, bis später." Sarah geht hinter den anderen zum Eingang des Labyrinths.

"Es kann eine ganze Weile dauern, bis sie wieder herauskommen." Elliot seufzt leicht genervt. "Ich werde mir mal etwas zu trinken holen." Er entfernt sich rasch.

Sharon steuert auf eine Bank zu, zieht ein Spitzentaschentuch hervor und tupft sich den Schweiß von der Stirn.

"Ganz schön heiß, was? Du kannst sicher eine kleine Erfrischung gebrauchen."

Etwas kaltes wird ihr seitlich an den Hals gedrückt, ein erstickter Laut kommt über ihre Lippen und sie dreht rasch den Kopf zur Seite. "Bitte schleich dich nicht so an."

"Was tust du im Park?" Break steigt über die Lehne und setzt sich neben sie. "Ich habe vorhin auch Elliot Nightray gesehen - er ist ja ziemlich gutaussehend. Hast du mit ihm eine Verabredung?"

"Natürlich nicht." Sharon faltet ihr Taschentuch zusammen und schiebt es in ihre Tasche. "Ich bin wegen Miss Sarah hier. Ihr Freund Eric hat meine Großmutter gebeten, sie von Lord Rufus wegzuholen..."

"Eric? Das ist der junge Mann mit den schwarzen Haaren mit silbernen Strähnen, nicht wahr?" Break nimmt einen Schluck von seinem Slush-Eisgetränk. "Er scheint wohl ziemlich besorgt um Miss Sarah zu sein, wenn er sich sogar an die Rektorin

seiner Schule wendet." Er lehnt sich zurück und legt einen Arm auf die Rückenlehne der Bank. "Und wo sind die junge Dame und ihre Freunde jetzt?"

"Sie wollen das Labyrinth durchqueren", erklärt Sharon. "Oz und Alice und ein anderes Mädchen, Echo - und ... Lord Glen ist auch dabei, Break."

"Tatsächlich? Hmmm... dann muss ich aufpassen, dass ich ihm im Labyrinth nicht begegne." Break wirft den leeren Becher zielsicher in den Abfallkorb neben der Bank.

"Warte." Sharon läuft ihm hinterher. "Warum willst du in das Labyrinth? Geh nicht rein."

"Doch, ich muss. Es kann sein, dass dort drin ein Chain ist - er hat sich bereits einige Menschen geholt." Er blickt mit einem frechen Grinsen über die Schulter. "Keine Sorge, er wird sicher mit Leichtigkeit zu besiegen sein. Ich bin bald wieder da."

"Sei vorsichtig." Sharon bleibt vor dem Eingang stehen, durch den der Weißhaarige ins Innere verschwunden ist.
 

"Geht es hier wirklich nicht weiter?" Sarah drückt noch einmal gegen die hintere Glaswand. "Anscheinend nicht."

"Lass uns zurückgehen zu der Kreuzung, wo wir uns von den anderen getrennt haben. Und dann entscheiden wir uns für einen der Wege, denen sie gefolgt sind."

"Na gut." Sarah dreht sich um, dabei glaubt sie eine Bewegung neben sich zu sehen und blickt zur Seite - in ihr eigenes Gesicht. Ein nervöses Lachen kommt über ihre Lippen. "Hab ich mich jetzt erschreckt..."

"Komm da weg, Sarah." Rayne drängt sich zwischen sie und ihr Spiegelbild. "Wir müssen von hier verschwinden."

"Wieso denn? Rayne, das ist doch nur..."

"Ein Chain, er ist also tatsächlich hier. Ziemlich clever, er lauert hinter den Spiegeln und holt sich immer wieder jemanden, wenn er etwas zu fressen braucht. Aber nun ist Schluss."

"Break."

"Miss Sarah, sie und ihr Freund sollten das Labyrinth schnell verlassen." Break öffnet den Verschluss seines Schwertes. "Ich werde mich um das kleine Problem hier kümmern."

"Ihr alle werdet jetzt sterben." Die Gestalt im Spiegel nimmt sein wahres Aussehen an - mit wirr abstehenden schwarzen Haaren, aus denen ein paar Spitze Ohren herausragen. Das einzelne rote Auge blickt feindselig, statt normalen Händen besitzt er riesige Klauen mit scharfen Krallen und ein langer Schwanz peitscht hinter seinem Rücken hin und her. "Du hast es gewagt, in mein Reich einzudringen und nun werde ich dich und die anderen beiden töten." Mit einem kräftigen Satz, beide Klauen nach vorn gestreckt, springt er auf die Spiegelwand zu - sie explodiert bei dem Aufprall und überschüttet die drei Personen mit einem Scherbenregen.

"Rayne?" Sarah öffnet die Augen und hebt den Kopf, schaut zu ihrem Freund auf. Er hatte beide Arme um sie gelegt, um sie mit seinem Körper zu schützen. "Warum hast du das getan? Meinetwegen verletzt zu werden..."

"Mir ist nichts passiert." Er löst seinen Griff und tritt einen Schritt zurück. "Wahrscheinlich hatte ich einfach Glück."

"Das ist wirklich erstaunlich", stellt Break fest. "Es sieht beinahe so aus, als wären die Glassplitter irgendwie von dir abgeprallt." Er deutet auf den Boden, wo die Scherben in einem unförmigen Halbkreis um Rayne´s Füße liegen. "Hast du dafür eine Erklärung?"

"Nein." Rayne schaut den Weißhaarigen ausdruckslos an. "Du solltest dir jetzt auch mehr Gedanken um den Chain machen. Er ist verschwunden, wird aber bestimmt schon sehr bald wieder angreifen. Bist du darauf vorbereitet?"

"Es wird für mich kein Problem sein, ihn auszulöschen", erwidert Break. "Schließlich verfüge ich über die Macht eines mächtigen Chain. Bring jetzt Miss Sarah nach draußen."

"Oz." Alice war stehen geblieben und hatte ihre Hand auf eine Spiegelfläche gelegt. "Ich spüre den Chain, er ist im Labyrinth..." Sie rennt los, Oz holt sie erst ein, als sie an der Kreuzung stehen bleibt, wo sie sich von ihren Freunden getrennt hatten. "Warum hast du nicht auf mich gewartet? Es ist nicht gut, wenn du allein nach ihm suchst..."

"Ich weiß nicht, welche Richtung." Alice schaut nach rechts, wohin Sarah und Rayne gegangen waren und dann auf den linken Weg, den Echo und Leo genommen hatten. "Er könnte überall sein."

"Oz! Alice!" Sarah kommt ein wenig atemlos bei ihnen an. "Wir sind von einem Chain angegriffen worden... Er ist aber wieder in einem Spiegel verschwunden - Break will sich um ihn kümmern..."

"Also ist er dahinten." Alice will wieder losstürmen, doch Rayne breitet die Arme aus und versperrt ihr den Weg. "Du darfst dich da nicht einmischen. Wir tun, was Break uns geraten hat und suchen den Ausgang aus dem Labyrinth."

"Ein vernünftiger Vorschlag." Sarah wendet sich an Oz. "Wir sind in einer Sackgasse gelandent, es gab auch keine weiteren Abzweigungen. Also bleibt euer Weg oder der von Echo und Leo."

"Wir sind bis zu einer Gabelung gekommen, als Alice den Chain erspürt hat", erklärt Oz. "Wir könnten es erst einmal dort weiter versuchen."

"Ihr seid solche Feiglinge!" Alice versucht, an Rayne vorbei zu kommen. "Geh gefälligst zur Seite, ich werde schon mit dem blöden Vieh fertig!"

"Nein, du bleibst bei uns." Rayne drängt sie zurück. "Dieser Chain kann jeden Spiegel durchqueren, und es könnte ihm gelingen, Break abzuhängen. Wir sollten ihm keine Gelegenheit geben, uns wieder anzugreifen. Oz, geh du mit Alice voraus, Sarah und ich bleiben hinter euch."
 

"Du bist schnell." Mit einem anerkennendem Lächeln blickt Break auf das katzenähnliche Wesen. "Es hat mich ein wenig Mühe gekostet, dich zu verfolgen. Doch nun lass uns langsam zum Ende kommen."

"Cheshire wird dich töten!", knurrt der Chain. "Dich und den anderen!"

"Den anderen?" Der Weißhaarige legt fragend den Kopf schief. "Von wem sprichst du?"

"Du weißt es! Cheshire hat dich mit ihm gesehen!"

"Wen meint er? Die einzigen, die ich im Labyrinth getroffen habe, waren Miss Sarah und ihr Schulfreund..." Breaks Überlegungen werden unterbrochen, als Cheshire sich auf ihn stürzt. Mit einer schnellen Drehung und einem gezielten Schwerthieb durchtrennt er eine Krallenpfote - sie beginnt sich bereits aufzulösen, während sie zu Boden fällt. Grinsend dreht er sich wieder zu einem Gegner um und sieht ihn gerade noch in einen Spiegel eintauchen.

"Er will also noch nicht aufgeben? Na dann..." Erneut nimmt Break die Verfolgung auf.
 

"Hey, Doug." Lotti winkt ihren Kollegen zu der Bank, wo sie und Gil sitzen. "Und, warst du erfolgreicher als wir?"

"Weiß nicht", brummt er mit seiner tiefen Stimme. "Bei dem Spiegellabyrinth hab ich eine Gruppe gesehen, die offenbar einen da drin verloren haben."

"Klasse, wir können uns gleich auf den Weg machen..."

"Nein!" Gil hatte hatte unbeabsichtigt zu laut gerufen - die beiden Baskervilles schauen ihn irritiert an. Frustriert beisst er die Zähne zusammen. "Break wollte sich im Labyrinth um den Chain kümmern - und es ist noch nicht so viel Zeit vergangen, seit ich ihn getroffen habe. Was soll ich machen, wenn er noch in der Spiegelwelt ist und wir ihm begegnen?"

"Was ist?" Lotti beugt sich zu ihm. "Es ist dir doch nicht egal, dass sich hier ein Chain herumtreibt, oder? Aber, hmm... stört es dich vielleicht, im Labyrinth nach ihm suchen zu müssen? Hast du etwa Angst, du könntest dich da drin verirren?" Sie zwinkert ihm amüsiert zu. "Keine Angst, die große Schwester Lotti wird auf dich aufpassen."

"Rede nicht so einen Blödsinn." Innerlich noch beunruhigt, wirft Gil seine halbgerauchte Zigarette auf den Boden. "Bringen wir es einfach hinter uns."

"Ich muss darauf achten, ob ich Break irgendwo sehe und meine Begleiter dann irgendwie ablenken."
 

"Der Ausgang." Leo deutet auf die vor ihnen liegende Holztür. "Wir haben das Labyrinth erfolgreich durchquert."

Echo zuckt mit den Schultern. "Es war gar nicht so schwer."

"Nun ja, aber ob die anderen es auch schon geschafft haben?" Leo legt seine Hand auf den Türgriff. "Komm, wir schauen nach..."

Klirr - In einem Scherbenregen stürzt Cheshire durch eine Glasfläche und prallt gegen die gegenüberliegende Wand. Während seines Kampfes mit Break hatte er auch einen Fuß verloren und sein Schwanz war nur noch ein kurzer Stummel.

"Es scheint, du bist am Ende. Soll ich dir jetzt den letzten Schlag verpassen?"

"Cheshire wird nicht aufgeben!" Mit einem grollenden Knurren richtet das Katzenwesen sich auf. "Cheshire muss stärker werden, um wieder bei Alyss sein zu können!"

"Das ist dein Ziel, ich verstehe. Leider kann ich nicht erlauben, dass du..." Die Stimme verstummt, als sich Cheshire kräftig abstößt und durch die leere Öffnung springt. Von der anderen Seite der Spiegelwand dringen Kampfgeräusche zu Leo und Echo.

"Xerxes Break - er kämpft gegen Cheshire." Leo geht auf die Öffnung zu. "Das ist eine Gelegenheit, auf die wir schon lange gewartet haben."

"Was willst du denn machen?" Echo war ihm einige Schritte gefolgt.

"Ich werde warten, bis er sich an dem Chain ausgetobt hat." Leo steigt über den Rahmen. "Geh du nach draußen und warte auf deine Freunde."
 

"Rayne?" Sarah blickt zu ihrem Freund, der plötzlich stehen geblieben war. "Was ist los? Komm weiter, wir müssen den Ausgang finden."

"Ich weiß, aber..." Rayne dreht sich halb um und schaut in den Gang hinter ihnen. "Da war ein Aufschrei... es schwang unterdrückte Wut und Hass darin mit..."

"Was redest du denn da für einen Unsinn?" Alice runzelt die Stirn. "Es war doch gar nichts zu hören. Und ich will jetzt endlich hier raus - wir können doch von hier zum Ausgang durchbrechen."

"Das könnten wir tun - wenn wir wüssten, in welcher Richtung wir nach draußen kommen." Rayne schüttelt den Kopf. "Uns bleibt nichts anderes übrig, als unseren Weg auf normale Weise fortzusetzen."

"Dann lasst uns zurückkehren zu der Gabelung." Oz war bis zum Ende des Gangs gelaufen. "Dies ist wieder eine Sackgasse."

"Gut." Rayne folgt den anderen in kurzem Abstand - bis sie sich der Abzweigung nähern, wo sich seine Schritte verlangsamen. "Wartet mal."

"Wieso denn jetzt schon wieder." Alice verschränkt genervt die Arme. "Was hast du für ein Problem? Du..." Sie bricht den Satz ab, ihre Augen weiten sich. "Der Chain... ich kann ihn wieder spüren... Er ist ganz nah..."

"Echo? Du bist auch hier?"

"Ja." Das weißhaarige Mädchen dreht sich zu Lotti um. "Master Leo hat gesagt, ich soll hier warten, bis die anderen herauskommen."

"Master Leo - Lord Glen ist im Spiegelland?" Lottis Augen weiten sich etwas.

"Ja. Er hat mich nach draußen geschickt und wollte dem Chain und Master Break folgen, als sie ihren Kampf fortsetzten."

"Xerxes Break ist auch da drin?" Doug´s Stimme dringt unter seiner Kapuze hervor. "Was stehen wir dann noch hier? Gehen wir rein und helfen Lord Glen, ihn zu schnappen."

"Augenblick, lasst uns nichts überstürzen", wendet Gil ein. "Ihr vergesst wohl, dass es ein Labyrinth ist. Was glaubt ihr, wie unsere Chancen stehen?"

"Besser als draußen zu bleiben", entgegnet Lotti. "Also, wirst du mitkommen oder ziehst du es vor, die ganze Sache uns zu überlassen?"

"Nein, ich meinte nur..."

"Vielleicht willst du ja auch nicht, dass Hatter gefangen wird." Der hünenhafte Baskerville schaut auf Gil herab. "Immerhin wart ihr befreundet, als er noch für Lord Rufus gearbeitet hat."

"Das hat sich aber geändert, als er zum Verräter wurde. Ich bin nicht so dumm, mein Leben zu riskieren wegen ihm", beteuert Gil.

"Dann wirst du die Gelegenheit haben, das zu beweisen - und jetzt lasst uns auf die Jagd gehen." Lotti deutet auf den Eingang der Spiegelwelt - durch die in diesem Augenblick Oz, Alice und Sarah herausgerannt kommen.

"Da stimmt was nicht." Gil bewegt sich rasch auf die drei zu, die anderen folgen langsamer. "Was ist passiert? Wurdet ihr von dem Chain angegriffen? Wie sieht er aus?"

"Wissen wir nicht." Oz wischt sich über die verschwitzte Stirn. "Alice hat ihn gespürt, dann sind die Spiegelwände eingestürzt und wir mussten rennen."

"Ich habe ihn gesehen", erzählt Sarah. "Zuerst sah er aus wie ich, dann hat er sich verändert und kam durch die Scheibe gesprungen. Rayne und ich hatten Glück, dass wir nicht verletzt wurden."

"Wo ist er eigentlich?" Alice blickt sich mit gerunzelter Stirn um. "Ist er nicht mit uns rausgekommen?"

"Was?" Erschrocken dreht Sarah sich um. "Wir müssen ihm helfen!" Sie will losstürmen, doch Doug verstellt ihr den Weg. "Du bleibst hier. Wenn er noch lebt, bringen wir ihn mit, wenn wir fertig sind."
 

"Er scheint jetzt wirklich am Ende zu sein." Leo schaut zu Cheshire, der mittlerweile beide Krallen und auch den zweiten Fuß verloren hatte und nur noch reglos auf der Seite liegt. "Du hast ganze Arbeit geleistet, von ihm haben wir jetzt sicher keinen Ärger mehr zu erwarten. Und ich muss mich jetzt nur noch um dich kümmern, Hatter. Komm raus - ich weiß, dass du hier irgendwo steckst."

"Sie, Lord Glen, sind mir persönlich hinterher gelaufen?" Break hockt im Schatten einer noch stehenden Spiegelwand. "Was für eine Ehre - aber wollen sie mich wirklich ganz allein gefangen nehmen?"

"Für dich brauche ich keine Unterstützung." Leo dreht sich langsam in Richtung der Stimme des Weißhaarigen. "Wo du dich auch versteckt hast, ich werde dich finden. Jabberwock." Seine schwarzgeflügelte Kreatur erscheint über ihm.

"Auch das noch. Wenn ich ihn mit Mad Hatter´s Kraft vernichte, wird mich das so sehr schwächen, dass ich nicht mehr entkommen kann." Ein Hustenreiz steigt in ihm auf, mit einer Hand auf den Mund gepresst versucht er, ihn zu unterdrücken.

"Alles okay? Das hört sich nicht sehr gesund an."

"Was - Wie kommst du denn hierher?" Sichtlich überrascht blickt Break zu Rayne auf, der plötzlich neben ihn getreten war. "Du solltest bei Miss Sarah sein."

"Ich wurde von ihr und von Oz und Alice getrennt, als die Wände um uns herum einstürzten. Du und Cheshire habt das wahrscheinlich verursacht bei eurem Kampf. Also habe ich einen anderen Weg gesucht und hier bin ich angekommen." Rayne lässt sich auf die Knie sinken. "Wie ist deine Verfassung? Du bist wahrscheinlich nicht mehr in der Lage, einen weiteren Kampf gegen Jabberwock zu bestehen, oder? Ich schlage vor..."

"Wie kommt es, dass du die Namen der Chains kennst?" Break betrachtet den jungen Mann neben sich aufmerksam. "Und du bist ziemlich ruhig für jemanden, der eigentlich noch nie mit solchen Kreaturen zu tun hatte - es sei denn, du..."

Langsam dreht Rayne den Kopf zu dem Weißhaarigen, für eine Sekunde scheinen seine Augen silbrig aufzuleuchten. Dann steht er mit einem Ruck auf und wendet sich in die andere Richtung. "Er kommt - lauf, wenn du nicht entdeckt werden willst. Ein wenig weiter hinten ist ein Loch, durch das kannst du klettern. Beeil dich."
 

"Du?" Leo runzelt die Stirn, als er Rayne hinter der Spiegelwand hervortreten sieht. "Was machst du denn hier? Sag nicht, du hilfst Hatter."

"Wer? Ich hab keine Ahnung, von wem du redest." Rayne spielt den Unschuldigen, er setzt ein ängstliches Gesicht auf. "Ich bin nur auf der Suche nach dem Ausgang hier gelandet - und nun steh ich einem furchtbaren Monster gegenüber. Hat diese Kreatur das Spiegelland zerstört?"

"Nein, das war er." Leo schaut über die Schulter zu Cheshire. "Er kann aber keinen Schaden mehr anrichten. Und jetzt will ich von dir die Wahrheit wissen - ich glaube nämlich, du hast mich vorhin angelogen."

"Das sieht nicht gut aus." Break wischt seine blutbefleckte Handfläche an der Hose ab und steht auf. "Miss Sarahs Freund hat wahrscheinlich gehofft, Lord Glen ablenken zu können. Aber wie es scheint, klappt das nicht. Ich muss also selbst etwas unternehmen, um nicht gefangen zu werden - schließlich will ich mich auf keinen Fall noch einmal in das "dunkle Loch" einsperren lassen."

"Wieso sollte ich lügen?" Rayne geht einen Schritt zur Seite und noch einen. "Ich weiß wirklich nicht..."

"Ich bitte vielmals um Entschuldigung." Break bringt sich mit einem Satz hinter den jungen Mann und umfasst seinen Arm. "Du solltest besser mit mir kommen. Diese Kreatur, die du vor dir siehst, ist ein Chain - und er wird angreifen, wenn wir nicht sofort verschwinden."

"Halt sie auf, Jabberwock", befiehlt Leo, als der Weißhaarige mit Rayne im Schlepp losrennt. Der schwarzgeflügelte Chain öffnet sein Maul, zwischen seinen Zähnen dringt ein gebündelter Energiestrahl hervor, der auf Break und Rayne zielt.

"Runter!"

Break spürt einen kräftigen Stoß im Rücken, der ihn aus der Schusslinie befördert. Er stürzt nach vorn, dicht neben seinen Füßen reißt der Energiestrahl ein mehrere Meter tiefes Loch auf.

"Das war knapp." Break richtet sich langsam wieder auf. "Rayne, wenn du nicht..." Er verstummt, als er den jungen Mann ein Stück entfernt liegen sieht.

Rayne´s Kleidung ist geschwärzt und qualmt.

"Es hat ihn erwischt - der Angriff, der mich treffen sollte..."

Klick

"Da siehst du, was mit Leuten geschieht, die dir nahe kommen." Leo war neben ihn getreten und richtet eine Pistole auf seinen Kopf. "Dieser junge Mann könnte noch am Leben sein, hätte er nicht versucht, dir zu helfen."

"Sie können mir keine Schuldgefühle einreden, Lord Glen! Ich war es nicht, der seinen Chain von der Leine gelassen hat." Break blickt über die Schulter zu Leo auf. "Sie allein sind für seinen Tod verantwortlich."

"Sarah wird etwas anderes glauben. Sie wird von mir erfahren, dass ihr Freund auf der Suche nach einem Ausgang in den Kampf zwischen dir und Cheshire geriet und umgekommen ist." Leo holt ein paar massive Handfesseln hervor und wirft sie dem Weißhaarigen in den Schoß. "Leg sie dir an", fordert er Break auf, während er den Hahn seiner Waffe spannt. "Du wirst jetzt mit mir kommen - freiwillig oder ich lasse dich von Jabberwock zu Rufus schaffen."

"Anscheinend haben sie vergessen, dass ich einen Vertrag mit dem Chainkiller Mad Hatter eingegangen bin." Break steht langsam auf. "Ich brauche ihn nur zu rufen..."

"Das hättest du schon längst getan, wenn du es wolltest", unterbricht Leo ihn. "Ich weiß, was mit dir geschieht, wenn du seine Kraft benutzt. Also warum ersparst du uns nicht deine würdelose Verzweiflungstat?"

"Würdelos? Warum sollte er nicht alles versuchen, um sein Leben zu retten?"

Die Stimme lässt Break und Leo zur Seite blicken - Rayne steht ein Stück entfernt. In der Hand hält er Breaks Schwert, der Weißhaarige hatte es verloren, als er von ihm zu Boden gestoßen worden war.

"Du lebst noch?" Überrascht wendet Leo sich ihm zu. "Ich habe gesehen, wie du von Jabberwocks Angriff getroffen wurdest. Wie konntest du das überstehen? Wer bist du?"

"Ich bin..." Rayne macht einen Schritt vorwärts und gerät ins Stolpern.

"Er sieht gar nicht gut aus - aber das ist wohl kein Wunder nach einem Angriff von Lord Glens Chain. Allerdings ist es wirklich erstaunlich, dass er sich überhaupt noch auf den Beinen halten kann - Hoppla."

Rayne hatte Leo´s Handgelenk ergriffen, um ihn am Gebrauch der Waffe zu hindern. "Break! Komm hierher und hol dir dein Schwert! Und dann beeil dich und verschwinde endlich!"

"Du gehst nirgendwohin, Hatter! Jabberwock, schnapp ihn dir!"

"Das wird dein Chain nicht können, Lord der Baskervilles." Der Wolf war erschienen, hatte Jabberwock an seinem langen Hals gepackt und zu Fall gebracht. Mit seinen vier Pfoten hält er ihn nun am Boden fest.

"Wie es scheint, hat sich ihre Situation zum schlechten gewandelt, Lord Glen." Auf Breaks Gesicht ist ein breites Lächeln erschienen. "Vielleicht haben sie ja beim nächsten Versuch, wenn sie mich fangen wollen, mehr Glück."
 

"Sie sind immer noch nicht wieder rausgekommen." Sarah schaut besorgt zum Eingang des Spiegellabyrinths. "Hoffentlich ist mit Rayne alles in Ordnung."

"Es geht ihm gut", versichert Sharon ihr. "Er ist jetzt bei Break - nachdem er von euch getrennt wurde, hat sein Weg ihn dorthin geführt, wo Break sich um Cheshire gekümmert hat."

"Und was ist mit der Tussi? Die ist doch mit Seaweed-Head und dem anderen Typen reingegangen, um den Clown zu finden", wirft Alice ein. "Und die können ihn ja auch überhaupt nicht leiden."

"Alice."

"Was?" Das braunhaarige Mädchen wirft Oz einen Blick zu. "Ich sag doch nur, wie es ist."

"Du könntest aber auch einfach mal den Mund halten", mischt Echo sich ein.

"Wie bitte?" Mit hochgezogenen Augenbrauen wendet Alice sich ihr zu. "Hab ich dich etwa nach deiner Meinung gefragt?"

"Wenn ich etwas sagen will, tu ich das", erwidert Echo. "Nur weil dir das nicht gefällt, muss ich nicht..."

"Sharon?" Sarah lenkt ihre Aufmerksamkeit von den beiden Streitenden zu dem anderen Mädchen. "Wie konntest du sehen, was im Spiegelland vorgeht? Besitzt du auch einen Chain?"

"So ist es", bestätigt Sharon. "Ich habe Eques in Breaks Schatten geschickt, seit er das Spiegelland betreten hat. In dem Fall, wo es notwendig geworden wäre, hätte ich ihn schnell von dort wegholen können. Aber das brauche ich wohl nicht zu tun."

"Warum nicht?"

"Weil der Wolf, über den du und Break in der Bibliothek der Universität Informationen gesucht habt, dort erschienen ist. Er hat den Kampf gegen den Chain von Lord Glen aufgenommen und scheint ihn tatsächlich besiegen zu können. Du brauchst dir also keine Sorgen machen."

"Vermutlich hat sie Recht. Dieser Wolf hat uns ja auch schon geholfen - und jetzt wird er Break und Rayne ebenfalls retten. Ich wünschte nur, ich wüsste mehr über ihn..."
 

"Break!" Rayne zittert vor Anstrengung, während er darum kämpft, Leos Arm weiter festzuhalten. "Geh doch endlich!"

"Ohne dich? Was würde Miss Sarah wohl dazu sagen?" Break klopft mit der Schwertscheide auf seine rechte Schulter. "Außerdem bin ich nicht so ein Mensch, der einfach jemanden in einer gefährlichen Situation zurücklassen würde. Halt ihn nur noch einen Moment fest, bis ich ihm die Pistole abgenommen habe."

"Wenn du glaubst, dass ich dir meine Waffe einfach gebe, liegst du falsch!" Leo befreit sich mit einem heftigen Ruck und schwenkt den Lauf herum, drückt den Abzug durch.

Rayne stolpert zurück und fällt auf die Knie - und der Wolf gibt ein schrilles Heulen von sich. Als Break sich zu ihm umdreht, sieht er zu seinem Schrecken, dass es Jabberwock mit seinem langen Hals gelungen war, sich in die Schulter seines Gegners zu verbeißen.

"Argh." Sarah beugt sich nach vorn und presst beide Hände auf ihre Brust. "Was ist mit dir?" Sharon legt ihr besorgt eine Hand auf die Schulter. "Hast du Schmerzen?"

"Ja..." Sarah atmet keuchend gegen den heftigen Schmerz, den sie spürt.

"Einfach so? Du bist doch nicht von dem Chain verletzt worden, oder?" Alice schiebt sich ein Pommesstäbchen zwischen die Zähne. Sie hatte Oz dazu gebracht, ihr welche zu kaufen.

"Nein." Sarah schüttelt mühsam den Kopf. "Ich habe keine Ahnung, wieso... es tut furchtbar weh..."

"Vielleicht sollten wir dich nach Hause bringen." Oz kniet sich vor sie. "Wenn es dir so schlecht geht..."

"Nein - nein. Rayne und Break sind noch im Spiegelland... Ich kann hier nicht weggehen, ohne zu wissen ob es ihnen gut geht."

"Du bist ganz schön dämlich." Elliot schiebt Oz zur Seite und plaziert sich vor Sarah. "Wenn du hier bleibst und umkippst, hilfst du damit niemandem. Also hör gefälligst auf deine Freunde, sie machen sich auch Sorgen um dich."

"Der Schnösel hat Recht, du siehst ziemlich krank aus." Alice zerknüllt die Papiertüte und wirft sie auf den Boden.

"Wen nennst du einen Schnösel?", braust Elliot auf.

"Na, dich", erwidert das braunhaarige Mädchen. "Wen könnte ich denn sonst meinen?"

"Gut, das reicht", mischt Sharon sich ein, als Elliot mit wütendem Blick auf Alice zustapft. "Dies ist nicht der geeignete Zeitpunkt zu streiten. Ich bitte euch höflich, sofort aufzuhören - tut es Sarah zuliebe."

"Schon okay, das ist nicht nötig." Sarah lächelt ein wenig gequält. "Ihr braucht auch nicht bei mir bleiben, geht ruhig und amüsiert euch."

"Kommt nicht infrage, wir lassen dich nicht allein." Oz legt seine Hände auf Sarahs Knie. "Du bist unser Freund und genauso gilt das für Rayne. Und wenn du warten willst, bis er aus dem Spiegellabyrinth kommt, werden wir bei dir bleiben. Danach bringen wir dich nach Hause."

"Vielen Dank, Oz."
 

"Break." Der Wolf war zwischen dem Weißhaarigen und Leo erschienen. Er hatte seinen Platz bei Jabberwock verlassen, nachdem er den schwarzgeflügelten Chain beinahe völlig bewegungsunfähig gemacht hatte.

"Ich werde ein Tor öffnen, durch das du entkommen kannst. Und du musst jetzt wirklich hindurchgehen."

"Tu es." Rayne hatte den Kopf gehoben. Seine Hände waren auf seine Brust gepresst, wo er von dem Schuss getroffen wurde. "Du solltest schon gar nicht mehr hier sein, das hätte uns einige Probleme erspart. Vielleicht kannst du ja jetzt auf uns hören."

"Okay..." Break´s Blick wandert zwischen dem jungen Mann und dem Wolfchain hin und her - und nach einem Moment schließt er sein Auge und nickt. "Ihr beide habt sicher Recht... In Ordnung, schick mich an einen anderen Ort. Und ihn, Sarahs Freund."

"Du wirst bleiben, wo du bist!" Leo war in einem Bogen um den Wolf herumgelaufen und zielt erneut auf sie. "Ich werde dich nicht entkommen lassen! Bei Rufus Barma erwartet dich deine Hinrichtung, Hatter!"

"Nein, das wird nicht geschehen, Lord der Baskervilles." Der Wolf gibt ein drohendes Knurren von sich. "Xerxes Break steht unter meinem Schutz, solange er für Sarah da ist und ihr hilft. Ich werde ihn aus deiner Reichweite bringen - dagegen kannst du nichts mehr tun. Selbst dein mächtiger Chain konnte nicht gegen mich bestehen. Er ist kein reines Geschöpf des wahren Abyss, so wie ich."

"Ich bin nicht überzeugt von deinen Worten", entgegnet Leo. "Was für ein Wesen du auch sein magst - ich bin sicher, man kann dich besiegen. Und wir werden herausfinden, wie. Wir werden deine Schwäche finden und gegen dich verwenden."

"Das verspricht interessant zu werden." Break hatte sich Raynes Arm um die Schultern gelegt und ihm auf die Füße geholfen. "Ich bin schon sehr gespannt, ob es ihnen tatsächlich gelingt, Lord Glen."

"Break." Der Wolf lässt seine Augen aufleuchten und direkt vor ihm entsteht ein kreisrundes, silbrig-schimmerndes Tor. "Es ist Zeit."

"Also dann...." Break deutet eine Verbeugung in Leos Richtung an. "Auf ein nicht so baldiges Wiedersehen."
 

Durch das Tor gelangen Break und Rayne in den Salon des Rainsworth-Anwesen. Dort hält sich auch Reim auf - er hatte in den frühen Morgenstunden festgestellt, dass sein Freund nicht mehr in der Wohnung war. Und beim Verlassen des Wohnhauses hatte er auch die zerstörte Feuertreppe entdeckt.

"Xerxes! Geht es dir gut? Wie kommst du hierher und wer ist das?"

"Ein Freund von Miss Sarah." Break setzt Rayne in dem Sessel ab, der ihm am nächsten steht. "Wir hatten im Wonderland eine kleine Auseinandersetzung mit Lord Glen."

"Was?!"

"Beruhige dich, ich bin okay. Aber Rayne hatte nicht so viel Glück." Break sinkt auf die Couch. "Ohne die Hilfe des Wolfes wäre es wohl ziemlich eng geworden."

"Der Wolf? Hat er euch hierher gebracht?" Reim schaut sich um. "Und wo ist er?"

"Hier." Der Wolf erscheint vor den Türen, die auf den Balkon hinausführen - doch seine Gestalt ist durchscheinend wie Nebel. "Ich bin nur kurz gekommen, um euch um etwas zu bitten. Könntet ihr Sarah informieren, dass Break und ihr Freund in Sicherheit sind? Sie wartet immer noch vor dem Spiegellabyrinth."

"Das werden wir natürlich tun." Sheryl stellt ihre Teetasse auf den Tisch. "Und ich werde veranlassen, dass für Xerxes und Eric Gästezimmer hergerichtet werden."

"Dann verabschiede ich mich jetzt. Vielleicht könnt ihr in Zukunft besser auf Break achten. Er scheint sehr oft unnötige Risiken einzugehen und sich damit in Schwierigkeiten zu bringen. Ich habe ihn schon zweimal retten müssen, beim nächsten Mal bin ich dazu vielleicht nicht in der Lage. Die Konfrontation heute hat mich ziemlich angestrengt."

"Das kann ich leider nicht versprechen." Break macht eine wedelnde Handbewegung. "Die Baskervilles und die Leute von Rufus Barma werden ihre Suche nach mir sicher nicht aufgeben, nur weil ich mich irgendwo verkrieche."

"Ja, das ist anzunehmen", stimmt Sheryl zu. "Doch jetzt solltest du dich ausruhen, Xerxes. Reim hat mir erzählt, dass du gestern noch mit hohem Fieber im Bett gelegen hast. Und dass du dich trotz deines Zustandes aus seiner Wohnung geschlichen hast, um den Chain im Wonderland zu jagen." Die alte Dame schaut den Weißhaarigen streng an. "Du bleibst auf meinem Besitz, bis es dir wieder richtig gut geht."

"Okay, okay, von mir aus."

"Wie sieht´s bei ihm aus?" Break hatte das Zimmer betreten, wohin Rayne gebracht worden war. "Seine Verletzungen sind doch nicht zu schlimm, oder?"

"Er hat eine Schusswunde in der Brust." Reim befestigt den Verband, den er Rayne angelegt hatte. "Und er ist noch ohne Bewusstsein."

"Ah ja, er wurde von Lord Glen Baskerville angeschossen." Break sinkt auf einen der Stühle an dem kleinen Tisch in der Ecke. "Und er wurde von Jabberwocks Angriff getroffen, aber davon scheint er keinen Schaden abbekommen zu haben..."

"Du kannst mir erzählen, was geschehen ist, während ich mir deine Wunden ansehe." Reim packt das Verbandszeug in den Beutel. "Komm mit, für dich wurde auch ein Zimmer hergerichtet."

"Ich bleibe nicht hier." Break war hinter seinem Freund auf den Flur getreten und schließt die Zimmertür. "Lord Glen weiß, dass mich der Kampf mit dem Chain Cheshire geschwächt hat. Und nachdem deine Wohnung in der letzten Nacht bereits von den Baskervilles ausspioniert wurde, wird er vermuten, dass ich mich in dieses Anwesen geflüchtet habe."

"Aber du kannst doch gar nicht sicher sein, dass man dich hier suchen wird." Reim dreht sich um und runzelt die Stirn - Break steht seitlich zu ihm und lehnt mit der Schulter an der Tür. "Xerxes..."

"Sei doch nicht so dumm - natürlich muss ich damit rechnen, dass die Baskervilles oder die Leute von Rufus Barma kommen." Break hustet und wischt sich über den Mund. "Nachdem ich ihm so knapp entwischt bin im Spiegellabyrinth, wird Lord Glen jetzt garantiert keine Ruhe geben."

"Selbst wenn das der Fall ist - Lady Sheryl wird sie hier nicht einfach eindringen lassen. Und du musst dich ausruhen." Reim fasst den Weißhaarigen am Arm und legt ihm eine Hand auf die Stirn. "Du glühst - weil du dich heute so überanstrengt hast, ist dein Fieber wieder gestiegen. Ich bringe dich jetzt zu deinem Zimmer und dann legst du dich schlafen. Und komm ja nicht auf die Idee, dich wieder in der Nacht wegzuschleichen. Wenn es sein muss, binde ich dich in deinem Bett fest und halte die ganze Nacht Wache."

"Ja, schon gut." Mit einem Seufzen folgt Break dem Brillenträger. Reim bleibt an der Tür stehen, bis Break seine Kleidung gegen einen Schlafanzug getauscht hat und und sich ins Bett gelegt hat. "Ich fahre jetzt zum Park und informiere Miss Sarah über den Aufenthaltsort ihres Freundes. Danach werde ich wieder nach dir sehen."
 

"Lord Glen!" Lotti und ihre Begleiter finden ihr Oberhaupt in dem zerstörten Bereich, wo Break und Rayne vor ihm und seinem Chain geflohen war. "Wo ist Hatter? Wir haben gehört, sie hätten ihn hier drin aufgespürt und verfolgt."

"Das war er, aber er ist mir entwischt." Leo wischt etwas Staub von seinem Hemd. "Mit der Hilfe des Schulfreundes von Sarah."

"Der Schulfreund - ah, das ist der hübsche junge Mann mit den schwarzen Haaren." Lotti verzieht die Lippen zu einem Lächeln. "Er hat eine interessante und ungewöhnliche Augenfarbe."

"Aber wieso hätte Rayne Break helfen sollen?" Gil geht einen Schritt vor. "Er kennt ihn doch überhaupt nicht..."

"Ich habe keine Ahnung, warum - aber er hat es getan. Wegen ihm und dem Wolfchain, der dann auch noch plötzlich auftauchte, konnte ich Xerxes Break nicht gefangennehmen." Leos Augenbrauen ziehen sich zusammen. "Auf jeden Fall werde ich noch einmal mit diesem Rayne sprechen wegen seiner Einmischung - findet heraus, wo er lebt und bringt ihn zu mir. Und was Xerxes Break angeht - er wird sich jetzt irgendwo aufhalten, wo er sich erholen kann von dem Gebrauch der Kraft seines Chain, während er mit Cheshire gekämpft hat. Dafür könnte er in die Wohnung seines Freundes zurückgekehrt sein oder er ist..." Leo wendet sich an den großgewachsenen Baskerville, der bisher kein Wort gesagt hatte. "Doug, du rufst Fang und Vincent an und triffst dich mit ihnen vor Reim´s Wohnung. Lotti und Gilbert, ihr begleitet mich zum Anwesen Rainsworth."
 

Zur gleichen Zeit kommt Reim vor dem Spiegellabyrinth an und entdeckt Sarah mit ihren Freunden auf der anderen Seite an der Bank. "Sie ist mit Miss Sharon zusammen - dann scheinen sie sich wohl angefreundet zu haben."

"Oh, guten Tag Reim." Sharon erhebt sich, als er auf sie zukommt. "Was machen sie im Park?"

"Ich habe eine Nachricht für Miss Sarah." Reim blickt das rotblonde Mädchen an. "Ihr Freund Rayne befindet sich nicht mehr im Labyrinth, er ist im Anwesen von Mrs. Rainsworth. Sie brauchen sich keine Sorgen mehr um ihn machen."

"Und... Break?" Sarah hebt den Kopf. "Er hat doch diese Kreatur verfolgt... den Chain, der hinter dem Spiegel erschienen ist. Und außerdem..."

"Ihm geht es auch gut, das kann ich ihnen versichern." Reim nimmt seine Brille ab und wischt sich mit seinem Taschentuch den Schweiß aus dem Gesicht. "Miss Sharon, ich werde auch gleich wieder zu ihrer Großmutter zurückkehren - wenn sie wollen, können sie mich begleiten."

"Ja, vielen Dank."

"Ah - wäre es in Ordnung, wenn ich auch mit ihnen komme?", bittet Sarah. "Ich will mich selbst davon überzeugen..."

"Miss Sarah", unterbricht sie eine Männerstimme. Einer von Rufus´s Leuten steuert auf die Gruppe zu. "Ich bin gekommen, um sie zu holen. Sir Rufus wünscht, dass sie in sein Anwesen zurückkehren."

"Was? Aber..."

"Geh heim." Sharon legt Sarah eine Hand auf den Arm. "Du hast es ja gehört, es ist alles in Ordnung. Und vielleicht kannst du uns morgen besuchen, wenn Lord Barma es erlaubt."

"Das würde ich wirklich sehr gern", lächelt Sarah.

"Und wir auch", fügt Oz hinzu.

"Aber natürlich, ihr seid uns alle willkommen. Ich werde meiner Großmutter sagen, dass ihr um drei Uhr kommt." Sharon blickt zu Reim auf. "Vielleicht könnten sie dafür sorgen, dass er dann auch noch anwesend ist?" Auf ihrem Gesicht erscheint ein furchteinflößendes Lächeln.

"Das - kann ich nicht versprechen... sie kennen ihn ja, Miss Sharon...", murmelt der Brillenträger.

"Ich verlasse mich auf sie, Reim."
 

"Gut, dass du wieder da bist." Rufus empfängt Sarah, als sie durch die Eingangstüren tritt. "Ich habe von dem Vorfall gehört, der im Spiegellabyrinth geschehen ist - du bist dort einem gefährlichen Chain begegnet. Aber zum Glück ist dir nichts passiert."

"Ja... meine Freunde und ich konnten unverletzt entkommen."

"Das ist erstaunlich, dass ihr ihm davonlaufen konntet. Man könnte denken, jemand hat dafür gesorgt, dass ihr von der Kreatur nicht verfolgt wurdet." Rufus geht langsam vorwärts. "Jemand, der geübt darin ist, Chains zu vernichten - wie Xerxes Break. Ich will eine ehrliche Antwort von dir hören - hast du ihn dort getroffen?"

"Nein." Sarah schüttelt den Kopf. "Ich glaube, es ist am besten, wenn ich nichts über Break sage...er ist ja in Sicherheit."

"Ich verstehe." Rufus wendet sich von ihr ab. "Du kannst auf dein Zimmer gehen, bis es Zeit wird für Abendessen."

"Sie sind gegangen." Einige Minuten nach der Abfahrt von Lotti und Leo kehrt Rayne in das Zimmer zurück, wo sich Break und Reim aufhalten. "Die alte Dame Rainsworth meint, ihr könnt jetzt auch zum Tee in den Salon kommen."

"Sie sind einfach wieder weggefahren?" Reim hebt überrascht die Augenbrauen. "Das kommt mir merkwürdig vor... wenn Lord Baskerville überzeugt ist, dass du hier bist, warum hat er dann so schnell aufgegeben?"

"Das hat er ganz sicher nicht, das würde ihm wirklich nicht ähnlich sehen." Break war bereits zur Tür gegangen. "Wir werden abwarten, wie seine nächsten Schritte aussehen - und jetzt erst einmal die freundliche Einladung von Lady Sheryl annehmen. Ich hatte schon längere Zeit keine Gelegenheit, Tee und Kuchen zu genießen."

"Dann kommt mit." Rayne macht eine auffordernde Handbewegung. "Die Rektorin wartet und es gibt auch etwas zu bereden."

Der Schüler und die beiden Männer legen den kurzen Weg zum Salon zurück, wo Sharon inzwischen ihre Grandma auf den Balkon geschoben hatte.

"Bitte, nehmt Platz."

"Gut, erzählen sie uns von Lord Glen´s Grund für seinen Besuch hier." Break schlägt auf der Balkonbrüstung seine Beine übereinander. "Ich vermute, es ging nicht um mich, nicht wahr?"

"Wie kommst du denn da drauf?" Reim runzelt die Stirn. "Welchen anderen Grund sollte er denn haben?"

"Mich."

"Was?" Überrascht blickt der Brillenträger über den Tisch zu Rayne. "Wieso..."

"Weil er mir geholfen hat im Spiegellabyrinth", erklärt Break. "Und weil er sich auf eine gewisse Art so auffällig verhalten hat, dass er die Aufmerksamkeit von Lord Glen erregt hat." Er blickt ebenfalls zu dem Schüler. "Vielleicht wäre es allmählich Zeit für die Wahrheit."

"Ja, vielleicht." Rayne stellt den großen Krug Eistee, den er in Gläser füllt, auf den Tisch. "Allerdings weißt du doch schon längst Bescheid, hab ich Recht? Du bist schließlich alles andere als ein Dummkopf, sonst hättest du dich nicht so lange erfolgreich vor den Baskervilles verstecken können."
 

"Doug." Vincent parkt den Wagen, mit dem er und Fang gekommen waren, neben dem anderen Baskerville auf dem kleinen Parkplatz gegenüber des Wohnhauses. "Wie sieht´s aus? Hat sich hier irgendwas getan?"

"Nein." Der riesenhafte Mann schüttelt unter seiner Kapuze den Kopf. "Es ist nirgendwo Licht in der Wohnung, es scheint wohl keiner da zu sein."

"Ach so?" Vincent beugt sich vor und schaut zu den dunklen Fenstern hinauf. "Vielleicht sollte ich mal hochgehen und nachsehen, ob sich der Hatter wirklich nicht in der Wohnung aufhält." Er öffnet die Fahrertür und setzt seine Füße auf den Asphalt.

"Das ist keine gute Idee." Fang war ebenfalls ausgestiegen. "Du kannst da nicht einbrechen, es leben noch andere Leute in dem Haus."

"Ich werde nicht erwischt werden, keine Sorge." Mit zuversichtlichem Lächeln überquert Vincent die Straße und macht sich an dem Eingangstürschloss zu schaffen. Kaum eine Minute später verschwindet er im Inneren des Wohnhauses.

Die Treppe zu Reims Wohnung legt er in ruhigem Tempo zurück, um dann die dunkle Holztür zu knacken. Der schmale Flur liegt in schattigem Dunkeln, nicht das geringste Geräusch dringt an sein Ohr. "Es ist tatsächlich niemand hier." Um wirklich sicher zu sein, wirft er prüfende Blicke in alle Räume, dann verlässt er die Wohnung wieder.

Auf halbem Weg nach unten klingelt sein Handy. "Hallo."

"Vincent, ihr braucht die Wohnung von Reim nicht weiter beobachten. Trefft mich und Lotti 200m rechts vom Anwesen Rainsworth."

"Gut, wir sind auf dem Weg." Vincent steckt sein Handy wieder in die Hosentasche. Bei seinen Kollegen angekommen, klopft er an das Beifahrerfenster, bis Fang es herunterfährt. "Da oben ist niemand, wir können verschwinden. Lord Glen erwartet uns in der Nähe von Lady Sheryls Anwesen."

"Gut, steig ein." Fang dreht die Scheibe wieder hoch. Vincent umrundet den Wagen und rutscht auf den Fahrersitz.
 

"Das... das ist einfach..." Reim wandert mit aufgeregten Schritten durch den Salon. "Ich... kann das nicht glauben..."

"Kannst du bitte damit aufhören? Dein Herumlaufen macht mich nervös." Rayne seufzt. "Ich verstehe ja, dass es etwas überraschend ist, aber..."

"Etwas überraschend?", wiederholt Reim. "Wie kannst du so etwas sagen, nachdem du uns ... das erzählt hast?"

"Reim, setz dich." Break klopft auf den freien Platz neben sich auf der Couch. "Du darfst dich später so lange und viel darüber aufregen, wie es dir gefällt - jetzt sollten uns überlegen, wie wir Miss Sarah helfen können. Da wir nun wissen, dass sie mit dem Wolfchain verbunden ist und nur aus dem Grund bei Rufus festsitzt, müssen wir sie von dort wegholen."

"Das reicht nicht, Xerxes", gibt Sheryl zu bedenken. "Ich habe es Eric schon einmal gesagt - Rufus wird sie sich zurückholen wollen und er hat die Unterstützung von Glen. Es wäre zu gefährlich für meine Familie und die Menschen, die für mich arbeiten, wenn ich Sarah in meinem Haus wohnen lasse."

"Aber Grandma..."

"Nein, Sharon, das kann ich nicht verantworten. Es tut mir leid."

"Das verstehe ich, Sheryl und ich hätte auch nicht darum bitten dürfen bei meinem früheren Besuch." Rayne schüttelt den Kopf. "Wenn es uns gelungen ist, Sarah zu befreien, bringe ich sie weit weg."
 

"Fang, steig aus. Du wirst mit Lotti und Doug dieses Anwesen beobachten." Leo rutscht auf die Rückbank des Wagen, mit dem Vincent und Fang zu ihm gefahren waren. "Vincent, du begleitest mich zum Abendessen bei Rufus."

"Ich will aber lieber auch hier bleiben und aufpassen, ob Xerxes Break..."

"Xerxes Break ist nicht dein Problem - er wird für sein Handeln bestraft werden auf angemessene Weise." Leo macht eine auffordernde Handbewegung. "Starte jetzt den Motor, man erwartet uns für sieben Uhr."

"Hallo, Nii-san." Vincent betritt die Küche, nachdem er mit Leo in Rufus´ Anwesen angekommen war. "Das duftet hier ja wieder richtig köstlich."

"Was willst du?" Gil streut feingehacktes Rosmarin über die Kartoffelspalten in der großen Pfanne. "Du kommst nur hierher, wenn du mit mir über etwas sprechen willst."

"Hier sind wir nun einmal ungestört um diese Zeit." Vincent setzt sich auf einen Hocker an den Tresen. "Und es gibt tatsächlich etwas, worüber wir reden sollten."

"Was?" Gil rührt mit einem hölzernen Pfannenwender die Kartoffeln um. "Worüber?"

"Xerxes Break." Vincent greift nach der Wasserflasche seines Bruders, um einen Schluck zu nehmen. "Bist du froh, dass wir ihn heute im Park nicht erwischt haben?"

"Red keinen Unsinn, natürlich nicht."

"Wenn du das sagst, glaube ich dir." Mit einem Lächeln lehnt sich Vincent zurück. "Du bist ganz sicher nicht so dumm, ihm helfen zu wollen, wenn wir ihn tatsächlich zu fassen kriegen."

"Was meint er damit?" Gil war zum Backofen gegangen, um nach den überbackenen Schnitzeln zu sehen - sein Blick flackert ein wenig. "Gibt es womöglich einen Plan, um Break in eine Falle zu locken? Ob ich nachfragen sollte...?"

"Nii-san."

"Ja - ich meine, auf keinen Fall." Gil dreht sich wieder zu Vincent. "Das Essen ist fast fertig, könntest du allen Bescheid sagen?"

"Klar." Der blonde Nightray macht sich auf den Weg, die Küche zu verlassen. "Brauchst du gleich noch Hilfe?"

"Nein, ich schaff das allein - ich bring die Speisen gleich mit dem Wagen in den Speisesaal."

"Okay." Nach einem letzten Blick auf seinen Bruder geht Vincent durch die Tür hinaus.

In der Eingangshalle wird er von Leo und Rufus erwartet, die an der Treppe zu den oberen Etagen stehen. "Wie sieht es aus?"

"Ich habe das gesagt, was ich sollte." Vincent lehnt sich an das Treppengeländer. "Falls mein Bruder irgendeine Verbindung zum Hatter hat,

könnte er ihm eine Nachricht zukommen lassen - was ich aber nicht glauben will."

"Nun, das werden wir dann sehen." Leo blickt die Treppe hinauf. "Ich werde jetzt Sarah zum Abendessen herunterholen."
 

Sarah sitzt auf ihrer Couch vor dem geöffneten Fenster, mit ihrem Tagebuch auf dem Schoß. Sie hatte die letzten Stunden damit verbracht, alle Ereignisse seit ihrer ersten Begegnung mit Break niederzuschreiben. Mit einem Seufzen liest sie noch einmal den Eintrag vom heutigen Tag. "Das kommt mir alles so verrückt vor - es ist so viel passiert in dieser kurzen Zeit, seit..."

"Seit du Xerxes Break getroffen hast?" Leo war dicht hinter die Couch getreten. "Du scheinst einiges Vertrauen zu diesem Mann zu haben - aber du weißt nicht, wie er wirklich ist, was er in seiner Vergangenheit für furchtbare Dinge getan hat. Glaub mir, du solltest nicht..."

"Ihm vertrauen?" Sarah erhebt sich. "Einem Mann, der mich vor einem Chain gerettet hat und der mich immer freundlich behandelt?" Mit ihrem Buch in den Händen dreht sie sich um. "Ich muss nichts über seine Vergangenheit wissen, um ihn als den Mann zu sehen, den ich kennengelernt habe. Das ist doch nicht falsch, oder?"

"Nein - du hast natürlich ein Recht auf deine eigene Meinung." Leo macht eine Handbewegung zur Tür. "Willst du mit hinunter kommen? Es ist Zeit für das Abendessen."
 

"Das war großartig." Break schiebt sich den Rest Steak mit Pfifferlingen in den Mund. "Ich komme ja leider nur noch selten in den Genuss solches guten Essen."

"Xerxes." Reim schüttelt den Kopf. "Wie oft habe ich dir schon angeboten, die Nacht bei mir zu verbringen? Ich könnte immer für dich mitkochen, was ich zu Abend esse."

"Und ich habe dir schon oft genug erklärt, dass es ein zu großes Risiko für dich wäre", erwidert der Weißhaarige. "Du hast doch gesehen, was geschehen ist, als ich nach langer Zeit mal wieder bei dir in der Wohnung gewesen bin - die Baskervilles hätten mich beinahe erwischt."

"Denkst du, das weiß ich nicht?"

"Hört auf, ihr könnt ein anderes Mal über eure Beziehung streiten", mischt sich Rayne ein. "Denn falls es euch interessiert, die drei Baskervilles haben sich auf das Grundstück geschlichen - sie haben auch schon vorher eine ganze Weile in einem Auto vor dem Anwesen verbracht."

"Und was denkst du, Eric?" Cheryl schaut von ihrem Sitzplatz am Ende des Tisches zu ihm hinüber. "Sollten wir etwas gegen sie unternehmen?"

"Das halte ich für unnötig, solange sie außerhalb des Hauses bleiben."

"Ich stimme Rayne zu - wozu einen Kampf riskieren, bei dem es von unserer Seite wahrscheinlich viele Opfer geben würde?" Reim rückt seine Brille gerade. "Am besten wird es sein, wenn wir uns einfach so verhalten, als wüssten wir nichts von ihrer Anwesenheit auf dem Grundstück."

"Zur Sicherheit sollten Break und ich uns jetzt auch in unsere Zimmer zurückziehen", schlägt Rayne vor. "Bei geschlossenen Vorhängen können wir dort nicht von den Baskervilles entdeckt werden - hier dagegen sind wir durch die hohen Fenster deutlich sichtbar."

"Ich denke nicht, dass wir so übertrieben vorsichtig sein müssen", wiederspricht Break. "Es ist doch fast unmöglich, von außen zu diesen Fenstern hochzuklettern. Sie müssten schon einen fliegenden Chain haben."
 

"Das ist wieder sehr gut." Leo kaut langsam eine Kartoffelspalte. "Ich bin froh, dass wir jemanden mit deinen Fähigkeiten für die Küche haben, Gilbert."

"Schön, dass es ihnen schmeckt." Gil greift nach seinem Glas Rotwein.

"Und dir, Sarah?" Der Lord der Bakervilles blickt zu dem Mädchen neben sich. "Willst du noch ein paar Kartoffeln?"

"Nein, ich bin satt - danke." Sarah gießt sich noch etwas Orangensaft in ihr Glas. "Aber es war wirklich lecker - wie immer."

"Ach, Sarah." Rufus wendet sich an sie. "Ich habe aus zuverlässigen Quellen erfahren, dass du für morgen von Sharon Rainsworth auf ihrem Anwesen eingeladen bist - aber ich bin nicht sicher, ob ich es dir erlauben soll."

"Warum nicht? Ich durfte doch heute auch mit meinen Freunden ins Wonderland gehen."

"Geben sie ihr die Erlaubnis - ich werde sie wieder begleiten und diesmal die ganze Zeit bei ihr bleiben." Leo dreht sich wieder zu Sarah. "Du bist doch einverstanden?"

"Ja, vielen Dank:" Sarah erwidert sein Lächeln zögernd. "Ich weiß nicht, was ich von seinem Angebot halten soll - will er mit mir kommen, um Break zu fangen? Er hat ja mit Rufus schon darüber gesprochen... ich glaube, ich sollte ihm besser nicht vertrauen..."
 

"Es läuft alles nach unseren Plänen." Einige Zeit nach dem Abendessen sitzen Leo, Vincent und Rufus im Salon. "Wenn ich mich morgen im Anwesen Rainsworth aufhalte, kann Hatter sich dort nicht verstecken. Und in die Wohnung von Reim wird er nicht zurückkehren, weil er damit rechnen muss, dass wir sie noch beobachten."

"Also wird er wahrscheinlich an den Ort gehen, wo er sich schon vorher lange versteckt hielt und sicher fühlt." Rufus lehnt sich in seinem Sessel zurück. "Wir müssen dann nur dafür sorgen, dass er sich zeigt - und das wird er, wenn es einen wichtigen Grund dafür gibt."

"Verhalten die Baskervilles sich immer noch ruhig?"

Rayne zuckt zusammen, als er die Stimme neben sich hört. Rasch öffnet er die Augen und richtet sich auf. "Wieso bist du hier? Du solltest jetzt schlafen."

"Das habe ich, aber es ist zu warm und ich bin nicht mehr müde." Break spielt mit der Verpackung eines Eishörnchen. "Und da dachte ich, mal schauen ob draußen etwas passiert. Du hast doch gerade noch nachgesehen, oder?"

"Sie beobachten nur das Anwesen - sie versuchen nicht, in das Haus einzudringen." Rayne erhebt sich von der Couch und geht zu den offenen Balkontüren. "Und jetzt sag, warum du wirklich in den Salon gekommen bist."

"Na gut." Break legt die Verpackungsfolie auf den Tisch, die er mittlerweile von dem Hörnchen abgewickelt hatte. "Ich würde gern erfahren, wie es zu der Verbindung zwischen Miss Sarah und dir gekommen ist. Sie ist der wichtigste Mensch für dich, und das offensichtlich nicht erst seit kurzer Zeit - ich weiß, dass du bereits bei ihr warst, als sie noch ein Baby war."

"Du wirst es sicher verstehen, wenn ich nicht darüber reden will - unsere Vergangenheit geht dich nichts an."

"Dann brauchst du wohl auch keine Hilfe mehr bei der Befreiung von Miss Sarah." Mit einem Knacken beisst Break von dem Hörnchen ab. "Du hast sicher einen guten Plan, wie du sie allein aus dem Haus von Rufus Barma herausholen kannst."

Langsam dreht sich Rayne um und blickt den Weißhaarigen einige Minuten schweigend an. "Ich dachte, dass dir Sarah zumindest ein wenig bedeutet - immerhin hast du etwas Zeit mit ihr verbracht und ihr geholfen."

"Vielleicht habe ich das nur getan, um an dich heranzukommen." Der Weißhaarige schleckt genüsslich an dem Eis. "Nachdem ich herausfand, dass sie Kontakt zu einem ungewöhnlichen Chain hat, war ich natürlich neugierig."

"Ich verstehe - du bist einfach so ein eigennütziger Mensch. Wenn ich nicht auf dich angewiesen wäre, würde ich nichts mit dir zu tun haben wollen." Rayne nähert sich dem Tisch, bleibt davor stehen. "Ich werde dir keine Informationen über mich und Sarah mitteilen - da ich dich schon einige Male vor den Baskervilles gerettet habe, bekommst du keine andere Gegenleistung."

"Darüber lässt du wohl nicht mit dir reden?" Break knabbert weiter an dem Hörnchen. "Und wenn es mir nicht reicht, was du anbietest?"

"Das ist dein Problem, wenn du nicht zufrieden bist." Rayne wendet sich zu den Salontüren. "Ich verbringe den Rest der Nacht in meinem Zimmer..."

Klirr

Verursacht durch Schüsse, stürzen die Glasscheiben rechts und links von der Türöffnung in sich zusammen. Und eine Pistolenkugel schießt ganz dicht an Raynes Gesicht vorbei und bohrt sich in eine Türhälfte des Salon.

"Sieh mal an, wenn das nicht Lotti Baskerville ist." Break war von der Couch aufgestanden und schaut zu der rotgewandeten Frau, die auf der Brüstung des Balkon steht. "Wie nett, dass du uns besuchen kommst."

"Selbstverständlich", erwidert sie mit einem Zwinkern. "Die Gelegenheit, euch beide zu unserem Lord zu bringen, kann ich mir doch nicht entgehen lassen."

"Das wird nicht passieren." Rayne hatte sich ebenfalls zu Lotti gedreht. "Wenn

du hier bist, müssen wir wohl auch mit deinen Partnern rechnen. Leider können wir nicht warten, bis sie kommen..."

"Aber wo bleibt denn dann der Spaß?", unterbricht ihn Break. "Wenn wir einfach verschwinden, bekomme ich doch keine Gelegenheit, einen äußerst spannenden Kampf zu beobachten."

"Du - du bist wirklich..." Rayne blickt den Weißhaarigen mit flackernden Augen an - und Lotti betätigt erneut den Abzug ihrer Waffe...
 

In ihrem Zimmer bewegt sich Sarah unruhig schlafend in ihrem Bett.

"Pass auf!" Rayne wirft sich auf Break und reißt ihn zu Boden, während über ihren Köpfen Kugeln durch den Raum fliegen und sich in die Wände bohren.

"Hör zu, wir müssen aus dem Salon rauskommen - ich kann uns keinen Ausweg schaffen, solange diese Baskerville weiter auf uns schießt."

"Na gut, unter diesen Umständen folge ich deinem Rat." Auf Händen und Knien krabbelt Break in Richtung Salontüren - als Leon mit einem gewaltigen Satz über ihn hinwegfliegt und sich vor den Türen postiert.

"Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, dass es so einfach sein würde, oder?" Lotti lacht auf. "Leon, lass sie nicht vorbei."

"Jetzt habe ich wohl keine andere Wahl mehr." Rayne richtet sich auf die Knie auf - dann scheint seine Gestalt zu verschwimmen, wie unter Wasser und verwandelt sich in die Gestalt des Wolfchain...

Mit einem Ruck schreckt Sarah auf, keuchend atmend. "Was... Wieso träume ich, dass sich Rayne in diesen Wolfchain verwandelt? Das ist verrückt - sie haben doch überhaupt nichts miteinander zu tun..."

Da sie sich immer noch unruhig und zittrig fühlt, holt sie sich eine Wasserflasche von der Fensterbank und trinkt mit langen Schlucken bis zur Hälfte.
 

"Hast du das gehört?" Fang schiebt seinen Kopf durch das offene Fenster der Fahrertür. "Es klang nach Schüssen."

"Lass uns nachsehen." Doug öffnet bereits die hintere Wagentür. "Wir hätten Lotti gar nicht erst allein gehen lassen sollen."

"Sie sagte uns doch, dass sie nur etwas auskundschaften wollte", erwidert Fang. "Sie weiß schließlich, wie gefährlich Xerxes Break mit der Macht seines Chain sein kann..."

Weitere Schüsse hallen durch die Nacht.

"Das reicht, wir müssen uns beeilen." Die beiden Baskervilles laufen rasch über das dunkle Anwesen und gelangen über einen Baum zu dem Balkon hinauf, wo Lotti inzwischen ihren Leon gerufen hatte.

"Gut, dass ihr da seid", begrüßt sie ihre Partner. "Ihr werdet nicht glauben, was ich entdeckt habe."

"Was ist los?" Fang schaut ins Innere des Salon, in dessen Mitte sich der Wolfchain befindet. "Wurdest du von ihm angegriffen?"

"Nein, dazu hatte er keine Gelegenheit - wenn vor nur wenigen Minuten war er noch..."

"Stimmt das wirklich?" Fang runzelt die Stirn, nachdem er und Doug Lotti zugehört hatten. "Dieser Wolfchain und der junge Schüler, an dem unser Lord solches Interesse hat, sind eins?"

"Warum sollte ich mir so etwas ausdenken?", erwidert Lotti. "Ich versichere euch, dass es stimmt - ich habe es selbst mit angesehen."

"Okay, wir glauben dir - und was machen wir jetzt?" Doug schwingt seine schwere Dornenkeule. "Greifen wir gemeinsam an?"

"Was sonst?", erwidert Lotti. "Wir wollen sie ja nicht wieder entwischen lassen, oder?"
 

"Break, komm her - es wird Zeit zu verschwinden." Wolf-Rayne lässt seine Augen aufleuchten und vor seinen Pfoten erscheint ein schimmerndes Tor. "Es wäre nicht klug, einen Kampf mit ihnen zu riskieren. Also los, spring hinein - ich folge direkt hinter dir."

"Ihr bleibt hier - wir lassen euch nicht gehen." Fang springt vorwärts, mit seinem gewaltigen Schwert zu einem Schlag ausholend. Gleichzeitig gibt Lotti einige gezielte Schüsse auf Wolf-Rayne ab.

"Das bringt nichts, mit einer Pistole könnt ihr mich nicht verletzen. Und du wirst auch nicht nah genug an mich herankommen, um mir einen Schaden zufügen zu können." Mit einem Hieb seiner krallenbewehrten Pfote schleudert der Wolf Fang zu Boden. "Wir werden uns jetzt verabschieden und ihr könnt das nicht verhindern."

"Ja, so ist es." Break tritt bereits in das Tor hinein. "Aber ihr könnt eurem Lord einen netten Gruß von uns bestellen - Macht´s gut, ihr Baskervilles."

Der Wolf verschwindet direkt nach ihm mit einem Sprung.
 

"Guten Morgen, Sarah", begrüßt Leo sie, als sie zum Frühstück in den Speisesaal kommt. "Du hast lang geschlafen, es ist schon kurz vor 11 Uhr."

"Es ist Sonntag." Das rotblonde Mädchen rutscht auf einen Stuhl auf der anderen Tischseite von ihm und nimmt sich eins der frischgebackenen Brötchen aus dem Korb. Mit einer Portion Rührei mit Speck, Quark mit frischen Kräutern und Kirschmarmelade genießt sie ihr Frühstück.

"Hier." Lächelnd reicht ihr Leo ein Glas Orangensaft. "Oder willst du lieber Kakao?"

"Nein - Danke." Sarah stellt das Glas neben ihren Teller.

"Übrigens, du hast kein Mitbringsel, oder? Wir könnten zum Einkaufscenter fahren, wenn du aufgegessen hast, vielleicht findest du etwas passendes als Geschenk für die Einladung."

"Ja, eine gute Idee", stimmt Sarah seinem Vorschlag zu. "Ich kenne einen kleinen Laden mit hübschen Sachen - aber ich kann allein gehen. Ich werde bestimmt nicht lang brauchen, du kannst im Wagen auf mich warten."

"Ich kann dich auch begleiten", bietet er an. "Zufällig kenne ich Mrs. Rainsworth sehr gut, ich könnte dir bei der Auswahl helfen."

"Warum... " Sarah unterbricht ihren Satz, trinkt einen Schluck Saft. "Ob ich ihn fragen soll, warum er ständig Zeit mit mir verbringen will? Eigentlich kenne ich ja den Grund - zumindest denke ich, dass ich es weiß, aber..."

"Was ist los?" Leo beugt sich nach vorn, legt seine Hände auf den Tisch. "Ist dir meine Gesellschaft unangenehm? Ich dachte, du würdest dich freuen - solang ich mich in deiner Nähe aufhalte, kannst du Zeit mit deinen Freunden verbringen und genießt einen gewissen Freiraum."

"Das stimmt... - aber ich bin einfach nicht sicher, ob du nicht..." Sie verstummt wieder und senkt den Blick auf ihren halbleeren Teller.

"Ich kann mir denken, was du sagen wolltest - du fragst dich, wieso ich so freundlich zu dir bin, nicht wahr?" Er lächelt amüsiert, als ihr Gesicht sich vor Verlegenheit rötlich färbt. "Fällt es dir so schwer zu glauben, dass ich dich einfach nett finde?"

"Ja - ich meine Nein.... ich..."

"Guten Morgen, Miss Sarah - Lord Glen." Vincent betritt den Speisesaal. "Das Frühstück sieht ja wieder köstlich aus."

"Vincent." Leo richtet seinen Blick auf den Blonden. "Ich war gerade dabei, ein privates Gespräch mit Sarah zu führen."

"Bitte entschuldigt, Lord Glen - doch Lord Rufus bittet euch in sein Arbeitszimmer", erklärt Vincent.

"Ich verstehe." Leo erhebt sich von seinem Stuhl. "Sarah, wenn du einverstanden bist, können wir in einer halben Stunde losfahren. Dann bleibt genug Zeit, ein passendes Geschenk für Lady Rainsworth zu finden."

"Na gut, ich werde mich in meinem Zimmer fertig machen." Mit raschen Schritten verlässt das Mädchen den Speisesaal.
 

"Bist du wach?" Rayne schiebt das Gewand eines übergroßen Skeletons zur Seite, um in die Nische dahinter zu gelangen - dort hatten er und Break die Nacht verbracht. "Ich habe uns Frühstück besorgt." Er stellt eine große Papiertüte auf den Boden und holt zwei Baguettebrötchen mit Schinken und Käse und zwei große schwarze Kaffee heraus. "Hier." Er reicht je eins an den Weißhaarigen.

Schweigend nimmt Break beides und beginnt zu essen - dann setzt er den Becher an seine Lippen, nimmt einen Schluck - um ihn sogleich wieder auszuspucken. "Das schmeckt furchtbar."

"Ich wusste nicht, dass du keinen Kaffee magst."

"Jedenfalls nicht schwarz - du hättest wenigstens Milch und Zucker mitbringen können", beschwert sich Break. "Aber noch lieber wäre mir ein Cappuchino mit Caramelsirup und Sahne."

"Das klingt zwar ekelhaft süß, aber heute musst du eben darauf verzichten. Ich kann dir morgen einen mitbringen." Rayne lässt sich gegenüber von dem Weißhaarigen auf dem Boden nieder. "Für die nächsten Tage wäre es auch vernünftig, wenn wir so wenig wie möglich irgendwo herumlaufen."

"Schlägst du vor, dass wir uns einfach nur hier aufhalten sollen?" Break schüttelt den Kopf. "Das halte ich für ziemlich übertrieben - immerhin konnte ich mich jahrelang unbemerkt in der Stadt bewegen, ohne entdeckt zu werden. Außerdem, wenn wir uns hier verstecken, wie sollen wir dann Miss Sarah helfen?"

"Du willst ihr helfen?" Rayne, der gerade trinken wollte, lässt den Becher sinken. "Aber gestern Nacht hat sich das ganz anders angehört."

"Das habe ich eigentlich nur gesagt, um dich ein wenig zu ärgern." Break gibt ein leises Lachen von sich. "Ich war neugierig auf die Beziehung zwischen dir und Miss Sarah - und jemanden zu provozieren, ist meiner Meinung nach immer ein guter Weg, um etwas herauszufinden."

"Das klingt beinahe, als wolltest du dich entschuldigen", bemerkt Rayne, er runzelt die Stirn. "Gibt es etwas, dass ich wissen sollte? Hast du irgendwas vor?"

"Ach, nein - gar nichts."

Leo wartet an der Treppe, als Sarah herunterkommt. "Bist du bereit zu fahren?"

"Ja." Sie zieht den Träger ihrer kleinen Umhängetasche zurecht. "Wir können aufbrechen."

"Das ist übrigens ein hübsches Outfit", bemerkt er ihre weiße ärmellose Bluse und den blauen Rock. "Es steht dir sehr gut."

"Danke."

"Und, hast du dir Gedanken gemacht, über ein mögliches Geschenk für Mrs. Rainsworth?" Er geht ihr voraus in die geräumige Garage und steuert auf die Limousine am Ende der Reihe mit fünf Autos zu.

"Fährst du nicht selbst?", wundert sie sich, als er die hintere Tür öffnet.

"Aber nein, natürlich nicht. Komm, steig ein." Er macht eine einladende Handbewegung. "Unser Fahrer ist sicher gleich hier."

"Na gut." Sie rutscht auf die weiche Lederbank. "Wow, diese Sitze sind ja richtig bequem."

"Wenn man es sich leisten kann, sollte man auf keine Annehmlichkeiten verzichten." Leo war auf der anderen Seite eingestiegen. "Ich kann auch gleich die Klimaanlage einschalten, wenn wir losfahren."

"Nicht nötig", lehnt Sarah ab. "Ich kann die Sommerhitze gut aushalten."
 

"Break, du musst hier bleiben." Rayne´s Stimme lässt den Weißhaarigen, der sich gerade aus der kleinen Nische schleichen wollte, zusammenzucken. "Es ist zu gefährlich draußen..."

"Aber es ist zu heiß und stickig hier, ich brauche einen richtig kalten Drink oder ein Eis." Break greift nach dem Gewand des Skeletons, um es zur Seite zu schieben - ein plötzlich aufkommender starker Windzug weht es ihm ins Gesicht, hüllt ihn in den dunklen Stoff ein. Erstickte Schreie hallen durch den dunklen Tunnel.

"Du solltest wirklich vernünftig sein." Rayne hilft Break, sich zu befreien. "Mit deinem Aussehen bist du zu auffällig."

"Darauf bin ich vorbereitet." Break holt den Schlapphut und die Sonnenbrille aus seiner Umhängetasche. "Die Sachen haben mir früher auch schon geholfen."

"Davon bin ich nicht überzeugt - ich habe dich schließlich schon damit gesehen und dich trotzdem erkannt." Rayne schüttelt seufzend den Kopf. "Aber ich weiß auch, was für ein Sturkopf du sein kannst und dir von niemandem etwas sagen lässt - deshalb habe ich wohl keine andere Wahl, als dich zu begleiten. Um in der Nähe zu sein, wenn wir auf Schwierigkeiten stoßen."
 

"Wir sind da." Sarah deutet auf die Fassade eines unscheinbar aussehendes kleines Lädchen. "Hier kann man wirklich tolle Sachen finden."

"In Ordnung, gehen wir hinein." Leo lässt ihr den Vortritt.

Gleich hinter der Eingangstür befinden sich auf beiden Seiten Tische mit Metallfiguren in verschiedenen Formen und Größen.

"Hey, die sind neu." Sarah nimmt eine kleine Metalleule mit großen runden Augen in die Hand. "Die ist ja niedlich."

"Ich bin nicht sicher, ob Mrs. Rainsworth so etwas gefallen würde", gibt Leo zu bedenken.

"Nein, den kaufe ich für mich." Sarah legt die Figur in ihren Einkaufskorb. "Ich habe schon eine Idee, was ich für unsere Rektorin mitbringe." Sie geht an einer Regalreihe entlang in den hinteren Bereich des Laden. "Ich weiß, dass sie gern Tee trinkt, deshalb wird sie sich bestimmt über dieses Geschenk freuen." Sie deutet auf ein japanisches Teeset, verziert mit feingearbeiteten Kirschblütenzweigen.

"Gut, dann geh zur Kasse und wir treffen uns gleich draußen. Ich werde auch noch etwas besorgen, es dauert nicht lang." Während Leo sich entfernt, stellt sie das Set vorsichtig in ihren Korb und geht in Richtung Kasse.

Auf dem Weg dorthin kommt sie an einer Wand vorbei, wo Spiegel hängen - als ein merkwürdiges Gefühl sie stehen bleiben und zur Seite blicken lässt, in einen großen ovalen Wandspiegel. Ein erschrockenes Keuchen kommt über ihre Lippen. "Du - du bist der Chain aus dem Spiegellabyrinth..."

"Hey, Sarah, führst du Selbstgespräche mit deinem Spiegelbild?" Mit einem spöttischen Lächeln nähert sich Madison von der linken Seite. "Oder fürchtest du du dich etwa vor deinem eigenen..." Sie verstummt und ihre Augen weiten sich. "Was ist das denn? Irgendein blöder Trick?"

Eine von Cheshires großen Krallenpfoten hatte sich durch die Spiegeloberfläche hindurch gestreckt, befindet sich nur noch wenige Zentimeter von ihnen entfernt. Instinktiv stößt Sarah ihre Mitschülerin so heftig zur Seite, dass beide Mädchen gegen ein Regal prallen.

"Au! Bist du verrückt geworden?" Wütend gibt Madison ihr einen Schubs. "Deinetwegen hab ich mir..."

"Madison, wir müssen hier weg!", unterbricht Sarah sie. "Schnell! Er - Es ist..."

Mit einem lauten Klirren und Knacken überzieht ein feines Muster die Spiegelfläche, um dann in einem Scherbenregen auf die Mädchen herabzufallen. Und dann landet Cheshire direkt vor ihnen...
 

"Ich nehme einen großen Becher mit sieben Kugeln", erzählt Break der Verkäuferin an einem Eisstand. "Banane, Kirsch, Mango, Joghurt, Ananas, Apfel und Heidelbeer mit Schokoladensoße und Krokantstreuseln."

"Das ist ziemlich übertrieben." Rayne wirft einen aufmerksamen Blick in die Umgebung. "Lass wenigstens die Toppings weg."

"Willst du auch etwas?", fragt Break ihn, seinen Einwand ignorierend. "Ich kann bezahlen, Reim hat mir großzügigerweise Geld gegeben."

"Du meinst, du hast es von ihm genommen." Rayne schüttelt den Kopf. "Ich will nur einen Eisshake Kirsch und ich bezahle selbst."

Von dem Eisstand steuern sie eine Bank in der Nähe an, als Rayne stehen bleibt. Der Becher rutscht aus seiner Hand, bei dem Aufprall löst sich der Deckel und der Inhalt ergießt sich über den Boden. "Sarah... Break, wir müssen sofort zu ihr."

"Denkst du, ihr ist etwas passiert?"

"Ich weiß es. Also komm mit, ich kann dich hier nicht allein lassen."

"In Ordnung." Mi einem Seufzen wirft Break seinen kaum gegessenen Eisbecher in den Mülleimer neben der Bank. "Suchen wir uns einen Platz, wo wir ungesehen verschwinden können."
 

Nicht einmal 10 Minuten später erscheinen die beiden in dem Lagerraum des Laden. "Sie war gerade noch hier." Rayne legt seine Hand auf den Griff der Tür vor ihnen. "Wir müssen herausfinden, was geschehen ist." Er öffnet die Tür einen Spalt. "Niemand zu sehen, komm schnell."

Die beiden bewegen sich leise durch einen Gang bis in Hörweite der Mitarbeiter, die sich alle um zwei uniformierte Polizisten versammelt haben.

"Ich verstehe einfach nicht, was passiert ist", erzählt eine Verkäuferin. "Ich habe sie vor den Wandspiegeln gesehen, als der große ovale ganz plötzlich zersplittert ist. Und dann war da so etwas wie ein Schatten, er hat sich blitzschnell bewegt - und dann waren die beiden Mädchen verschwunden."

Ein zerbrochener Spiegel und ein schneller Schatten ..." Rayne dreht sich zu Break um, der verstehend nickt und eine wedelnde Handbewegung in die Richtung, aus der sie gekommen waren...

"Ihr da, wo kommt ihr her?" Einer der Polizisten nähert sich hinter Rayne. "Wir haben alle Kunden nach draußen gebracht und aufgepasst, dass niemand den Laden wieder betritt - wie seid ihr also hereingekommen?"

"Meine Freundin scheint eins der Mädchen zu sein", erklärt Rayne. "Wir wollten uns hier treffen."

"Ist das wahr?" Der Polizist wirft einen mißtrauischen Blick auf Break. "Sind sie auch ein Freund? Bitte nehmen sie den Hut und die Brille ab, ich will ihr Gesicht sehen. Und ich brauche eure Namen und eine Beschreibung des Mädchen, die werde ich mit der Aussage der Verkäuferin vergleichen, die sie gesehen hat."

"Verzeihen sie, Officer, aber sie sind nicht mehr zuständig. Ich werde diesen Fall übernehmen."

"Wie bitte?" Der Polizist dreht sich zu Leo um. "Du bist doch nur ..."

"Ich bin Leo Glen Baskerville", unterbricht ihn Leo. "Ich nehme doch an, dass ihnen mein Name bekannt ist. Und nun fordere ich sie und ihren Kollegen höflich auf, zu gehen."

Während der Polizist kopfschüttelnd zu seinem Partner geht, wendet sich Leo an Rayne und Break. "Ich denke, wir alle wissen, wer Sarah verschleppt hat."

"Was machst du hier?" Rayne starrt Leo feindselig an. "Du kennst sicher inzwischen mein Geheimnis von deinen Leuten - willst du mich jetzt einfangen?"

"Wenn Sarah nicht entführt worden wäre, würde ich mir euch beide schnappen." Leo blickt an Rayne vorbei. "Du hast doch nicht geglaubt, mit deiner lächerlichen Aufmachung würde ich dich nicht erkennen - Hatter?"

"Eigentlich hatte ich es gehofft." Break nimmt seine Sonnenbrille ab. "Aber für so dumm darf ich sie wohl nicht halten."

"Lass uns gehen." Rayne fasst Break am Arm. "Wir müssen das Versteck von Cheshire aufspüren."



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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Neko_Sell
2014-04-25T11:04:20+00:00 25.04.2014 13:04
Juhuu *.*
Ein neues Kapitel!
Spannend wie immer ~.^
(Nicht ironisch gemeint ^^")
Vielen Dank für die Benachrichtigung -^.^-
Von:  Neko_Sell
2014-04-14T17:06:43+00:00 14.04.2014 19:06
Ieeks! >.<
Ist die Fanfic wirklich zu plötzlich vorbei oder ist sie noch nicht abgeschlossen?
Dabei ist sie doch so spannend *.*
Ich hab die letzten Stunden damit verbracht, sie zu lesen ~.^
Ich finde sie einfach wundervoll -^.^-
Du kannst echt schöne Fanfics schreiben ^^
Antwort von:  X-Breakgirl
14.04.2014 19:37
Nee, keine Sorge, sie ist noch nicht abgeschlossen.
Und das nächste Kapi wird bald kommen ^^

LG
Antwort von:  Neko_Sell
14.04.2014 19:38
Yay ^^
Dann freue ich mich jetzt schon ~.^


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