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Harvest Moon

The origins
von

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Warme Sommertage

Ich konnte mich nur allzugut erinnern, an die warmen Tage im Sommer, an denen ich als kleiner Junge auf der Farm meines Opas spielte und immer wieder neue Dinge erlebte.

Im Gegensatz zum Leben in der Stadt schien hier alles aufregend – und ich durfte so weit gehen, wie ich wollte, denn auf dem Land kannte jeder jeden und jeder passte auch auf den anderen auf.
 

Aber nach einigen Jahren verblasste auch diese Erinnerung, denn ich hatte nicht oft Zeit gehabt, noch einmal zu meinem Opa zurückzufahren. Meine Sommer wurden verplant mit Freunden, und nichts würde mich in die Einöde zurückbringen. Ich vermisste die Tage nicht, wie damals, als ich jedes Jahr auf den kleinen Urlaub ungeduldig wartete, ich dachte nichtmal mehr groß darüber nach.

Und wenn mich jemand fragen würde,was ich denn früher im Sommer getan hatte, wäre mir es vielleicht nichtmal mehr eingefallen.
 

Eines Tages kam die schockende Nachricht bei meinen Eltern und schließlich auch bei mir an.

Mein Opa war verstorben. Als ich das hörte, waren alle Bilder der unendlich heißen Sommertage wieder da, doch, so leid es mir tat, nicht eins von meinem Opa. Ich hatte vergessen, wie er ausgesehen hatte, und dass er starb, traf mich nicht großartig.

Er war ein lieber Opa gewesen (soweit ich mich erinnern konnte) aber schließlich tat es mir doch leid, dass ich ihn nicht mehr besucht hatte.

Die zweite Nachricht, wie meine Mutter mir ein paar Tage später mitteilte, sei, dass unser Opa ein Grundstück hinterlassen hatte.

„Die Farm“, murmelte ich und schwieg.

„Nunja. Hör zu. Wir müssen schauen, in wie weit alles dort noch in Ordnung ist. Das Haus, die Ställe..“

„Wozu?“

„Warum nicht? Schließlich müsste sich da wer drum kümmern. Aber dein Vater und ich haben schon besprochen, dass wir höchstwahrscheinlich verkaufen werden.“

Aber..! Beinah wäre es mir rausgerutscht – ein kleiner Protest. In letzter Sekunde fasste ich mich. Ich war dort nicht mehr gewesen, und nun, da mein Opa gestorben war, würde ich erst recht keinen Grund haben, dort wieder hinzugehen.

„Achso.“, sagte ich mit ruhiger Stimme und fuhr meinen Laptop hoch, setzte mich in einen Sessel am Fenster meiner Stadtwohnung. Es war Abend, aber trotzdem noch so viel los, wie zu jeder anderen Uhrzeit.

„Und wir dachten, du könntest hinfahren und dir alles anschauen...“, sagte meine Mutter kleinlaut.

„Aber ich..“, sagte ich und sah auf den Bildschirm meines Laptops.

„Du musst nicht allzu viel machen und es dauert auch nicht lange. Wir zahlen dir die Fahrt, und Proviant!“ Meine Mutter wusste wohl, womit man mich umstimmen konnte. Mein Magen grummelte böse und innerlich verfluchte ich ihre Taktik.

„Eigentlich hab ich gar keine Zeit...“

„Wir wissen, du bist momentan auf Jobsuche, aber ich und dein Vater sind beide auch sehr beschäftigt..“

„Also gut.“, ich atmete geräuschvoll aus und hörte mir erleichterte Lobsagungen auf meinem edlen Charakter an.
 

Telefonanruf und Schluss. Drei Tage später stand ich mit meinem Koffer auf dem Farmgelände, das völlig ausgerottet wirkte.

Das Ackerland war unbearbeitet und voller Unkraut, Zäune waren zerstört oder morsch. Der Fluss nicht weitab wurde an der einzigen erreichbaren Uferstelle dicht verwachsen und letzendlich doch unerreichbar geworden.

Auch die Gebäude sahen nicht besser aus. Das Farmhaus, in dem mein Opa gewohnt hatte, wo auch ich schlief, wenn ich im Dorf war..

Der Anstrich war fahl oder blätterte ab, an einigen Stellen wuchs grünes Moos an den Wänden, die Fenster waren teilweise vergilbt oder eingeschlagen, manche waren nach außen hin geöffnet und hingen raus.. Es war nicht schön mit anzusehen, und mir versetzte es einen Stich, meine, wenn auch blasse Erinnerung, so zu sehen.

Ich ließ mein Gepäck neben dem Farmhaus stehen, das in der Mittagssonne einen düsteren Schatten warf, und trampelte langsam über den Acker.

Die Tierställe waren ebenso heruntergekommen, das sah ich schon von Weitem.

Auch hier war die Farbe teilweise abgeblättert, das Dach vom Hühnerschuppen sogar eingebrochen...

Als ich eine der Türen öffnete, stieg mir ein modriger Gestank entgegen, und ein aufgeschrecktes, halbverhungertes und wütendes Huhn flatterte mir entgegen, dann an mir vorbei, hinaus in die Freiheit.

„...“

Ich hoffte nur, dass mich im Viehstahl keine wütende Kuh aufspießen würde.

Nach einer Stunde der Inspektion (ich hatte mir die wichtigsten Punkte notiert), öffnete ich mit ein wenig Gewalt die Tür zum Haus.

Von außen sah es zwar richtig heruntergekommen aus, von innen war es aber sogar noch ganz ansehnlich.

Mit meinem Eintritt bemerkte ich auch das laute Ticken einer typischen großelterlichen Uhr – ich wusste nicht, wie andere das empfanden, aber bei diesen Uhren, egal wo man sie hörte, kam ein Stück Gefühl und Erinnerung an Großeltern hoch. Wohl weil niemand sonst diese Art von energisch laut tickenden Uhren besaß.

Drinnen fand ich ein paar Utensilien, die wohl nötig waren, um die Nacht hier verbringen zu können. Zunächst klebte ich die Fenster mit Decken ab. Selbst wenn es auch in der Nacht minimal 20° hatte, wollte ich zumindest keine Nacht im Haus verbringen, während jeder der wollte, reinkam (irgendwie hatte ich die Illusion, festgeklebte Decken könnten daran was ändern).

Gegen Abend versuchte ich das Licht anzumachen, aber natürlich – kein Strom. Draußen stand der Mond hell und voll am Himmel und ich betrachtete ihn einige Minuten, bevor ich mich abwand.

Ich seufzte auf und fand irgendwann ein paar Kerzen, als es wirklich stockdunkel war (die verhängten Fenster taten ihr übriges..) und legte mich schlafen. Durch die lange Zugfahrt, die Märsche über das überwucherte Farmgelände hin und zurück hatten mich zusätzlich zur Hitze zu sehr angestrengt, als dass ich noch irgendwie hätte lange aufbleiben können.

Ich schlief ruhig und traumlos, ohne zu ahnen, was mich am nächsten Tag erwarten würde.

Der Grund, wieso wir sie gefangen halten.

Ich wachte mit der bulligen Sommerhitze auf, musste husten und stand notgedrungen auf, um schnell zu einer Flasche Wasser zu greifen. Die ersten Schlucke waren ganz und gar nicht so erfrischend, wie ich gehofft hatte, denn das Wasser hatte sich in den ersten Morgenstunden schon erheblich erhitzt, sodass ich es lauwarm trinken musste.

Zu allem Übel schüttete ich mir aus diesem Grund auch noch ein wenig Wasser über die Kleidung – was aber auch wenig ausmachte, denn mein Körper war auch so schon vom Schweiß feucht geworden.

Ich konnte mich nicht daran erinnern, damals so geschwitzt zu haben und das, bevor ich mich überhaupt körperlich betätigen konnte...!

Mit einem kurzen Griff hatte ich mein T-Shirt entfernt und wollte mich in meinen kurzen Hosen wieder auf die lieblose und kratzige Heumatratze legen, als ich einen Blick zum zugeklebten Fenster warf. Ein rundes, rotes und freundliches Gesicht blickte durch, als würde es mich seit einigen Minuten schon beobachten.

„Guten Tag!“, grunzte eine dunkle Stimme mit gewaltigem, kehligen Ton und übertraf damit jede mögliche Vorstellung der Stimme, wenn man rein vom Aussehen ging, „Ich hab mir doch gedacht, dass sie in den nächsten Tagen kommen..!“

Keine Ahnung, wer das war und wovon er redete, aber er sollte doch bitte draußen warten, bis ich wenigstens angezogen und geduscht sei.

„Verstehe..“, der ältere Herr räusperte sich, „Ich warte dann draußen.“ und mit einem Ruck zog er seinen Kopf zurück, woraufhin die sorgfältig angebrachte Decke vorm Fenster zurückfiel und schließlich runterkrachte. Ich sah dem überraschten Mann ins dicke Gesicht und seufzte. Beim darauf folgenden Einatmen reizte die dicke Luft schon wieder meine Atemwege und ich war für ein paar Sekunden zu, dass durch das 'offenen' Fenster nun ein wenig Luft reinzog. Allerdings war auch diese nicht gerade kühler.

Die Suche nach fließendem Wasser war mühsam, denn aus der uralten Dusche kam kein Tropfen mehr. Als ich in dem Haus schließlich einen Wasseranschluss entdeckte (wozu auch immer dieser innerhalb des Hauses gut sein sollte) beugte ich mich glücklich mit dem Kopf darunter um einen erneuten warm-Wasser-Schock zu bekommen. Auch hier musste die Sonne schon ordentlich geheizt haben, bevor ich dazu fähig gewesen war aufzustehen und ich beließ es bei den dampfenden Tropfen, die mir auf den Kopf gefallen waren. Mürrisch und nur mit einer Jeans bekleidet stolperte ich also nach draußen und traf den wartenden Mann wieder. Am Kopf kratzend und mit zu schlitzen verkleinerten, verschlafenen Augen blickte ich ihn an. Kurz fuhr ich über mein Kinn und merkte, dass der Bart anfing zu sprießen.

„Ja?“, fragte ich nun.

„Matthias..! ..Das sind Sie doch?“, fragte der Bürgermeister vorsichtig und langsam hatte ich das Gefühl, ihn irgendwie schonmal gesehen zu haben.

Ich nickte und sah ihn verwirrt an, doch bevor ich Fragen stellen konnte, redete er erhitzt schon weiter.

„Lassen Sie uns schnell in den Schatten.“, er legte eine Hand an meinen Arm und schob mich an ein geeignetes Plätzchen. Ich ließ mich kraft- und willenlos führen.

„Zunächst mein herzliches Beileid! Die Nachricht vom Tod ihres werten Großvaters hat uns alle zutiefst betroffen!“, er machte auch ein sehr betroffenes Gesicht, eben deswegen konnte ich zumindest seine Betroffenheit nicht für voll nehmen.

„Er war schon ein lieber, anständiger Mann...hat sich nett um den Hof gekümmert...naja, im Alter dann eher nicht mehr, aber er war ja auch nicht mehr ganz so fit..hat dafür immer geholfen, wenn irgendwelche Geräte im Dorf kaputt gingen. War der Einzige mit Erfahrung für die Maschinen..“

Der gute Mann schien noch länger in Erinnerungen zu schwelgen und Dinge aufzuzählen, die mein Großvater wohl getan haben musste. Ich konnte mir aber nun wirklich nicht alles merken und fing nach einer Weile auch an, andere Dinge mir durch den Kopf gehen zu lassen, bis er es schaffte, wieder meine Aufmerksamkeit zu bekommen.

„...und deswegen müssen Sie die Farm wieder herrichten..!“

Stopp. Wie bitte, was?

„Nunja, wir wollen ihnen natürlich keine Schwierigkeiten machen..“

„Reden Sie weiter.“, forderte ich. Keine Schwierigkeiten klangen nämlich gut.

„Allerdings gibt es Probleme, wenn sie das Grundstück verkaufen.“

„Wo soll es da Probleme geben?“, fragte ich und zuckte mit den Achseln, „Irgendwer kriegt das Grundstück, wir kriegen das Geld, alle sind glücklich.“, erklärte ich.

„Aber wie ich schon sagte, sie werden bei diesem Zustand keinen Käufer finden..höchstens eine große Firma, die hier alles plattmacht und dann ein riesiges Einkaufscenter baut!!“ Der Bürgermeister wurde am Ende seines Satzes laut und holte sich ein Taschentuch aus der Hosentasche, um sich den Schweiß von der Stirn zu tupfen.

„Ein Einkaufscenter hier? Klingt grandios. Sie müssen nie mehr den weiten Weg nach Mineraltown machen, um etwas Bestimmtes zu besorgen.“

„Aber wir machen gerne den Weg nach Mineral Town!“, er schimpfte laut und eine Ader an seinem Hals pulsierte heftig. Ich sah ja ein, dass man hier lieber unzivilisiert und wie die Affen lebte, aber das war ja wohl kaum mein Problem. Dachte ich zumindest.

„Wenn der Dorfrat einstimmig ablehnt, werden sie das Grundstück nicht los.“, er lächelte, trotz seines erröteten Gesichts, denn er hatte soeben sein Ass aus dem Ärmel gezogen. Ich wurde hellhörig.

„Blödsinn, wer soll uns daran hindern, zu verkaufen?“, ich pfiff eindruckslos durch die Zähne, doch innerlich befürchtete ich das Schlimmste.

„Wir.“, erwiderte der alte Sack breit grinsend und ich wollte ihm mit seiner Spitzhacke eins überziehen.

„Und wie lange sollte das dauern, bis ich verkaufen kann?“

„Nunja.“, sprach er gedehnt und genoss es sichtlich, die Überhand zu haben, „1-2 Monate dürften reichen.“

Ich atmete geräuschvoll aus. 1-2 Monate. So lange konnte ich wohl Urlaub machen. Ich ahnte so langsam, dass meine Mutter wusste, worauf der Besuch hinaus lief, aber sicher sein konnte ich nicht.

Eins war nur klar: Ich konnte nun kaum ablehnen. Das Grundstück würde vergammeln und uns einen Haufen kosten – wenn wir verkaufen würden, gäbe es zumindest die Möglichkeit mir noch ein bisschen was zu finanzieren...

„Ich kenne mich mit Farmarbeit nicht aus.“, warf ich einen letzten Anker in Richtung Festland.

„Kein Problem. Ich zeige ihnen alles. Und der Rest des Dorfes ist natürlich immer dazu bereit, ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.“

Wir gingen zusammen über den Acker, wobei ich mich ungefähr in Zeitlupengeschwindigkeit fortbwegte, während der beleibte Mann neben mir schwitzte und keuchte.

Geräte, die halb verschimmelt in irgendwelchen Schuppen rumstanden, Futtersilos, Zäune, die gerichtet werden mussten, Quellen, mit welchen ich bewässern konnte. Es war halb vier, bis er mir alles gezeigt zu haben schien und endlich verschwand. Völlig fertig und mit einem Hitzeschlag saß ich gegen einen alten Baum gelehnt im Schatten, um mich auszuruhen. Mein Kopf glühte und ich war nicht weit davon entfernt, sogleich das Bewusstsein zu verlieren, als mir ein Eimer Wasser über den Kopf geschüttet wurde – woraufhin ein helles Lachen erklang.

Unwillkommen

„Du hast die geballte Mittagssonne abbekommen, ich hab mir schon Sorgen gemacht, nachdem du nicht aufgewacht bist – ein paar Mal hab ich dich gerufen und geschüttelt, aber umsonst“

Meine Augen öffneten sich und betrachteten die junge Frau, die diese Worte zu mir gesagt haben musste. Ihr Haar war braun und lang, ihr Lachen ehrlich und ihre Augen freundlich – Attribute, die die abgenutzte Bauernkluft übertönten und das Gesamtbild aufwerteten. Ich hatte sie noch nie in meinem Leben gesehen, doch ihr unbekümmertes Lächeln machte sie mir auf Anhieb sympathisch.

„Wer..?“, formulierte ich meine Frage, während ich eine Hand gegen die grelle Sonne hob. Sie hatte ihren Kopf zur Seite geneigt, sodass die Strahlen direkt in meine Augen trafen, aber ich nahm an, dass das keine Absicht war, denn sofort nachdem sie es bemerkte, hielt sie den Kopf wieder gerade.

„..Cecilia! Kennst du mich nicht mehr? Wir haben früher hin und wieder zusammen gespielt, wenn du zu deinem Opa zu Besuch warst.“, sie wartete einige Sekunden, bis sie ein bedrücktes Gesicht machte und leise hinzufügte: „Mein Beileid, dass er nicht mehr ist.“

„Danke.“, antwortete ich und stand wacklig auf. Die Hitze kroch mir in die Glieder und die Müdigkeit machte mich fertig. Ich hoffte, dass ich mehr Energie bekam, je wacher ich wurde.

Cecilia legte eine Hand vertraut auf meine Schulter. Ich überlegte lange, doch ich hatte nur schwache Erinnerungen, wie wir früher miteinander gespielt hatten.

„Ich kann nicht glauben, dass du mich vergessen hast!“, sie klang entsetzt, aber war immernoch munter, „Aber an Muffy kannst du dich erinnern, oder? Und an Nami? Rock, an den kannst du dich noch erinnern, oder?“

„Leider nein.“, antwortete ich und leckte mit meiner Zunge über die trockenen Lippen, ich war fast vorm Verdursten.

„Ach du!“, schimpfte Celia weiter ohne viel Ernsthaftigkeit und führte mich vom Farmgelände, „Lass uns was trinken gehen, du bist doch sicher am Austrockenen..Und Muffy treffen wir in der Bar mit Sicherheit! ...Ach, ich freu mich so sehr, dass du doch endlich mal wieder da bist.“ Sie erötete leicht darüber, wie forsch sie war, doch ich machte mir nichts draus. Auf dem Land waren sie alle sehr prüde, dachte ich bei mir und fragte mich gleich darauf, wer Muffy war, und wieso wir sie in der Bar auf jeden Fall antreffen würden. Ob sie eine Trinkerin war?

Der Fußweg zur Bar ging nur wenige Minuten und Celia sprach zwischendurch ein paar Sachen an, wie lange ich bleiben würde, an wen ich mich noch erinnern konnte, ein wenig von meinem Opa, und was er getan hatte.

„Er hat oft von dir geredet, und wie schade er es findet, dass du so groß geworden bist. Er meinte, wenn du jünger wärst, hättest du mehr Zeit, ihn besuchen zu kommen.“

Ich schluckte geräuschvoll – ausgerechnet das wollte ich am wenigsten hören. Celia bemerkte ihren „Fehler“ und wandte schnell ein: „Aber du brauchst dir keine Gedanken zu machen, er wusste, dass du viel zu tun hast und hat es dir nie nachgetragen!“

Mein Gewissen wurde dadurch wenig beruhigt und ich nickte nur unamüsiert. Wir betraten schweigend die Bar, Cecilia lief vor und setzte sich direkt an den Tresen. Ich folgte ihr eher unwillig, auch wenn ich froh war, bald etwas trinken zu können. Daheim gingen die Leitungen nicht und aus dem Bach wollte ich kein Wasser trinken – auch wenn man mir versicherte, dass das Wasser rein war. Ich traute dem Braten einfach nicht.

„Cecilia!“, sprach eine hohe, feminine Stimme, sobald wir uns gesetzt hatten. Ich wühlte in meinen Hosentaschen nach ein wenig Geld und machte mir nicht die Mühe, aufzusehen.

„Hey!“, antwortete Celia, „Kannst du uns einen großen Krug Wasser bringen und für jeden ein Bier?“

„Kommt sofort! Aber Celia, was sehe ich da? Du gehst aus? Ist das überhaupt möglich mit deinem Gehalt?“

Diesen offensichtlichen Seitenhieb steckte Celia weg, und ich war mir nicht sicher, ob sie ihn überhaupt bemerkte, denn sie antwortete ganz frei und unbekümmert, dass heute eine Ausnahme wäre, weswegen sie sich etwas gönnte.

Mein Blick hob sich endlich und ich sah einer etwa gleichaltrigen Dame mit langen, blonden Locken in ihr fein geschminktes Gesicht. Die Augenbrauen waren gezupft, viel Wimperntusche aufgetragen. Für einen Stadtmensch war das Gesicht wohl ein wenig zu geschminkt und vor allem die Farben nicht sehr passend, aber hier auf dem Land musste sie eine Schönheit sein, allein schon, weil ihre Haare frisch gewaschen waren.

„Muffy“, wie der Name der Blondine war, hatte ein keckes Lächeln, das, obwohl es ebenso breit wie Cecilias schien, doch irgendwie durchtrieben war.

Sie hatte ein Bier gezapft und stellte es vor mir ab, das zweite vor Cecilia. Sie selbst nahm sich auch eins und stieß mit uns an. „Prost“, sagten sie und Cecilia, ich bediente mich ganz unabsichtlich einem „Cheers“ woraufhin die gesamte Bargesellschaft ihre Blicke in meinen Rücken zu stechen schien.

„Hier ist man Außenseiter nicht gewöhnt“, flüsterte Muffy hämisch und nippte an ihrem Bier. Im Gegensatz zu ihrem doch angenehmen Aussehen, schien sie charakterlich ein kleines Biest zu sein, aber ich erkannte nicht, ob sie es absichtlich oder unabsichtlich war.

„Mag gut sein“, stimmte Cecilia bedrückt mit ein und nahm einen großen Schluck, seufzte tief auf, lachte wieder. Dieses Lachen schien wirklich nie lange verschwinden zu wollen.

Muffy hatte ihre Ellenbogen auf den Tresen aufgesetzt und ihren Kopf in ihre Hände gestürzt – so war sie mir sehr nah gekommen. Abwartend musterten ihre grünen Augen mich, bis sie den Kopf schief legte und ein langezogenes „Naaaa?“, von sich gab. Ich hob die Augenbrauen, da ich nicht verstand, was sie wollte und die Blonde wechselte mit der Braunhaarigen einen kurzen Blick.

„Celia war überzeugt, du könntest dich an jeden erinnern“, grinste sie breit und durchtrieben, „doch ich hab dagegen gehalten. Ich bin überzeugt, du würdest nicht ein Gesicht hier erkennen.“

Da hatte sie wohl recht. Wie sollte ich mich auch an die Menschen aus meiner Kindheit erinnern können, wenn ich sie nur für einen Sommer im Jahr gesehen hatte?

„Dann hast du wohl die Wette gewonnen. Ich erkenne keinen mehr.“, auch ich nippte an meinem Krug und fuhr mit meiner Hand über mein Gesicht, rieb meine Augen. Die Müdigkeit wich nach und nach und im Kopf wurde ich um einiges fitter.

„Siehst du Celia? Hab ich's nicht gesagt? Er vergisst uns richtig schnell!“

Cecilia lächelte als Antwort darauf freundlich und schwieg. Muffy wurde von ein paar Gästen gerufen, weswegen sie keine Zeit mehr hatte, mit uns zu reden – oder letzten Endes kein Interesse daran.

Der Abend schleppte sich voran, bis ich schließlich ungeduldig austrank und mich verabschiedete. Jedes denkbare Augenpaar folgte mir bis ich raus aus der Bar war und meinen Heimweg antrat. Es wurde mir ganz einfach so bewusst: Zwar war ich nicht gerade freiwillig hier, aber willkommen geheißen hatte mich auch nicht gerade jemand.

Und so brach die Nacht an, in der mich ein neues Grauen erwartete.

Teichbegegnung

Wenn ich wohl etwas aus den Erinnerungen an die schönen Sommertagen vergessen hatte, dann waren es die negativen Dinge. Meine schönen Erinnerungen allein hatten mich vor Freude nicht aufschreien lassen, bei dem Gedanken, wieder zurückzukommen. Doch die schlechten Sachen würden mich nicht eher hierbehalten.

Die Nächte davor war ich zu erschöpft gewesen, weswegen ich keines bemerkte, aber diese Nacht hörte ich und spürte jedes dieser Biester.

In der Stadt nicht allzu präsent, auf dem Dorf aber gar nicht wegzudenken waren diese winzigen Blutsauger, die einem das Leben zur Hölle machten.

Ich schlief kaum. Alle paar Sekunden hörte ich das leise, gierige Surren und spürte erneut Panik in mir aufsteigen. Wer niemals in den Genuss von 28 Schnarkenstichen innerhalb einer Nacht kam, war ein glücklicher Mensch. Oder wuchs einfach nur in der Stadt auf und blieb sein Leben lang dort.

Fakt war, ich bekam in der Nacht kein Auge zu und fragte mich, wie ich diese Plage die vorherigen Nächte so einfach ausblenden konnte. Ich fand keine Antwort und auch keinen Schlaf mehr.
 

Der nächste Morgen kam schleppend und zum ersten Mal hatte ich kein Problem damit, aufzustehen. Jede Minute weiter von Schnarken umzingelt, war eine Minute zu viel. Mein Körper war schwach und hätte ich hier irgendwo in diesem Farmhaus einen Spiegel zur Hand, würde ich wohl feststellen, dass ich ätzend aussah. Ich beschloss recht schnell, dass ich heute sicher nichts leisten würde und ging los. Ich hatte Hunger und Lust auf ein Frühstück, aber die Lebensmittel, die ich erst vor zwei Tagen beim Dorfladen besorgt hatte, waren dank fehlendem Kühlschrank schon nicht mehr genießbar.

So richtig wusste ich nicht, wo ich lang wollte, denn abgesehen von dem Gedanken, dass ich heute auf Arbeit verzichten würde, hatte mich nichts dazu bewegt, mir die Umgebung anzuschauen. Im Grunde interessierte mich gar nicht die Welt ausserhalb meines Hofes, was wohl den gesunden Menschenverstandes eines typischen Bauern ausmachte. Für meine fehlende Abenteuerlust rügte ich mich innerlich und schritt forscher einen Weg entlang, von dem ich nicht wusste, wo er hinführen würde.

Zu weit dürfte ich mich nicht entfernt haben, als ich mich am Ufer eines kühlen Sees niederließ, die schweren, dreckigen Gummistiefel von den Füßen zog und diese zum kühlen ins Wasser streckte.

Ich hatte das seltsame Gefühl, als würde der See abgeneigt aufstoßen. Wieso genau diese Empfindung in mir hochkam, verstand ich nicht und starrte erschrocken aufs ruhige Gewässer. Neben meinen Füßen bewegten sich ein paar Wasserläufer und glitten auf der glitzernden Oberfläche entlang. Ich atmete tief durch, als ich meinen Oberkörper senkte und auf dem Rücken im Gras lag.

Meine Hände fühlten die grünen, geschmeidigen Grashalme und rupften ein paar aus. Ich erwischte durch Zufall ein Gänseblümchen, betrachtete es und warf es schließlich mit Schwung weg.

Ein paar Sekunden lag ich so zufrieden und mit wieder geschlossenen Augen unter dem wolkenklaren Himmel, als sich plötzlich ein dichter Schatten über mich legte. Überrascht öffnete ich die Augen, um die Wolke zu sehen, die sich das erlaubte.

Doch über mir war kein weisser Watteball, sondern eine junge Frau. Ihre grasgrünen Augen blickten mich an und ich setzte mich überrascht auf.

Sie lachte herzlich und ihre Zähne blitzten in der Sonne. Für einen Dorfmenschen sah sie ausgefallen aus und ich schätzte, so sah man hier aus, wenn man sich nicht in Holzfällerhemd und Latzhosen kleiden wollte.

Aber bauchfrei? Ich wusste ja nicht, wie ich das finden sollte. Sie trug auch eine von diesen seltsamen Haremshosen, wenn ich mich nicht irrte, allerdings war der Stoff durchsichtig. Wir blickten uns einige Sekunden still an und ich bemerkte, wie ihr ein Gänseblümchen im Haar steckte.

Musste ich mich nun vorstellen?

„Ich...“, begann ich nun schließlich, da mir die Stille unerträglich wurde, doch sie unterbrach mich. „Ich weiss wer du bist.“, sprach sie sanft und ihre Stimme war hell.

Achso war das. Kaum beunruhigend, dass nach ein paar Tagen schon alle hier mich kannten. Tratsch auf dem Dorf schien das Aufregendste für die Menschen hier zu sein. Ich seufzte auf.

„Ist das so?“, fragte ich und schwieg, sah auf meine Hände, dann auf den See. Das Gänseblümchen, das ich geworfen hatte, lag weder irgendwo am Ufer, noch im Wasser.

„Und was machst du so hier?“, fragte ich. Immerhin war hier keine Menschenseele sonst, und so früh morgens schien jeder Bauer im Dorf zu arbeiten.

„Ich wohne hier“, sagte sie und ich sah, wie sie sich ein Lächeln verkniff. Ich blickte unaufällig an ihr vorbei, dann wanderten meine Augen nach links und rechts. Hier war kein einziges Häuschen. Wollte sie mich verscheissern?

„Aha.“, sagte ich und legte mich schließlich wieder ins Gras zurück. Ich hatte gerade ernsthaft kein Interesse an Konversation.

„Erinnerst du dich gar nicht an mich?“, fragte sie, als sie sich neben mich setzte.

Ich blickte zu ihr hoch, musterte das weiche, kindliche Gesicht und schüttelte den Kopf. „Ich erinner mich an keinen der Dorfbewohner. Sorry.“, meinte ich und zuckte die Achseln. Das würde wohl der Satz sein, der mich noch die nächsten Wochen begleiten würde.

„Ich kenne dich, seit du ein kleiner Junge warst.“, sagte sie im vollen Ernst. Und das, obwohl sie nicht einen Tag älter als ich aussah. Ich schnaubte durch die Nase.

„Damals bist ebenfalls an einem Tag hergekommen, als dich die Mücken nicht in Ruhe lassen wollten. Du dachtest, den Juckreiz der Stiche wirst du los, wenn du in meinem Teich badest.“

Sie sagte 'mein Teich“ mit so einer Selbstverständlichkeit, dass ich den Kopf schüttelten und lachen musste. Als ich zu ihr blickte, sah sie mich lächelnd an.

„An dem Tag hättest du ertrinken sollen.“, sagte sie, ohne mit einer Wimper zu zucken.

Eine heftige Brise Wind blies plötzlich um uns, und ich glaubte kaum meinen Augen, als ich die Gänsehaut auf meinen Armen sah.

Es wurde schnell wieder warm und nach und nach verschwanden die einzelnen Pusteln und die Gänsehaut legte sich.

„Ich hab dich ans Ufer gebracht.“, fuhr die junge Frau mit dem ausgefallenen Outfit fort und sah auf's Wasser, das dunkel und unergründlich vor ihr lag.

Ich blickte zur Seite und konnte ihr grüngefärbtes Haar (eine Absonderlichkeit, von der ich nicht gedacht hatte, dass ich sie auf dem Dorf sehen würde), das kunstvoll geflechtet/eingedreht war und festgesteckt. Hatte was von Prinzessin Leia.

Ich sah aufs Wasser, schloss die Augen und genoss die Sonne. „Und das soll ich glauben?“, fragte ich in die Stille hinein. Für einen Moment war es so, als würden weder Zirkaden zirpen, noch in der Ferne Vögel zwitschern. Als hätte man den Ton der Welt für eine Sekunde abgestellt. Ich bekam als Antwort ein „Danke für die Blume.“, und als ich meine Augen erstaunt öffnete, war sie weg.
 

Eins war sicher. Die Leute hier waren seltsam. Und dass ich mich an niemanden erinnerte, bedeutete offensichtlich nicht, dass sie sich auch nicht an mich erinnerten.

Die Sonne prallte mittlerweile heftig auf den Kopf und auf die Gliedmaßen, dabei war es sicher nicht später als 10 Uhr.

Wackelig kam ich wieder auf die Beine und dachte über ihre Worte nach. Ich konnte mich an nichts von dem, was sie sagte erinnern und tat es als absoluten Blödsinn ab, stand auf und befreite meine Hosen von dem Gras. Vielleicht tat mir die viele Sonne hier auch einfach nicht gut..Ich hatte die Stiefel wieder an den Füßen und entschied, einen Ort für eine Mahlzeit aufzusuchen, falls es in diesem kleinen Dorf soetwas geben sollte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Atsusa
2014-01-11T17:23:09+00:00 11.01.2014 18:23
Geschichten über Sommerhitze im Winter, so hat man das doch gerne X3
Ich kenne ja nur die neueren Harvest Moon Spiele (das ganz alte nur vom Lesen diverser Websites), also bin ich schon gespannt, wie sich das hier entwickeln wird!
Matthias heißt also der Protagonist^^ Ob der alles schaffen wird?

Es ist wie das vorherige Kapitel gut geschrieben. Ich fände es aber nicht schlecht, wenn du die Gedanken und Einschübe in den Klammern vielleicht in Kursivschrift setzen würdest, damit sie sich etwas vom regulären Text abheben^.~
Sorry, dass mir solche Dinge auffallen, aber ich befasse mich in meinem Studium mit der Gestaltung von Büchern und achte seitdem auf solche Kleinigkeiten T__T
Antwort von:  CarterBrooks
12.01.2014 23:53
Ich hab grad sicher 'ne Viertel Stunde verwirrt danach gesucht, ob ich einen Zeitfehler in der FF bisher hatte 8D Hab gedacht, "Sommerhitze im Winter", sollte bedeuten, dass ich da was verwechselt hab. Bis ich das verstanden hab, man...

Ich kenn tatsächlich so wirklich nur 2 HM Spiele, unzwar das erste für den DS und dann Inselparadies, wo ich sagen muss, dass ich das erste irgendwie besser fand (es war irgendwie verdammt schwierig und im Prinzip konnte man da wirklich jahrelang dran spielen...:D) Ich wollte immer mal Mineral Town für den Gameboy haben, habs aber mir schließlich nicht besorgt D:
__
So, zur Kritik:D Also ich hab recht bewusst seine Gedanken und Gefühle und whatever nicht deutlich vom Text abgehoben. Es soll auch nicht deutlich werden, ob er das, was er denkt auch sagt (denn hin und wieder antworten andere auf seine Gedanken). Meine Intention war dabei, einmal die Spielperspektive wiederzugeben (wenn man HM Spiele spielt, sagt der eigene Charakter nahezu nie etwas von sich selbst aus).
:)

Darum will ich in der Hinsicht meine Art und Weise nicht ändern, wie ich die FF schreibe. Ich kann verstehen, dass das für einige Bücher und Texte Standard ist, den viele Leser für sich gewohnt sind, aber ich finde, es muss die Geschichte, die Sichtweise und das Feeling unterstützten, und nicht einfach eine Erleichterung für den Leser sein :)

Trotzdem danke für das Kommentar :) Wenn solche Sachen deine einzigen Kritikpunkte sind, kann ich mich ja recht glücklich schätzen :))
Gruß, Ritsu
Von:  Atsusa
2014-01-11T17:13:28+00:00 11.01.2014 18:13
Ein sehr schöner Anfang! Die Ich-Perspektive passt gut zur Handlung und du kannst alles hervorragend beschreiben. Konnte mir alles richtig gut vorstellen, wie es auf dem alten Hof aussieht!
Einzig und allein die Interpunktion hat mich an machen Stellen gestört. Entweder setzt du einen Punkt oder drei hintereinander (noch besser wäre natürlich das Sonderzeichen für die drei Punkte, aber das benutzen im Grunde nur die Typographen), aber zwei hintereinander ist wirklich störend.

Ich hoffe ja, dass das Huhn wieder eingefangen wird und dann so glücklich wird, dass es goldene Eier legt ^.~
Ich lese auf jedem Fall weiter!
Antwort von:  CarterBrooks
12.01.2014 23:35
Okay, zunächst mal danke für dein Kommentar :)
Ich musste selbst erst einmal nachschauen, was du mit der Interpunktion meinst. Ich wusste gar nicht, dass das Kapitel so oft diese 'auslaufenden Sätze' hat..
-> Hihi, zwei Punkte nur 8D
Ehm, es ist mir selbst vorher nicht aufgefallen, ich schätze, das war nichtmal im Sinne irgendwas damit stilistisch herbeizuführen :D Ich werd drauf achten, es sieht tatsächlich etwas seltsam aus D:

Okay, ich wünsch dir noch viel Spaß beim Lesen & freut mich, dass es dir ansonsten gefallen hat :)
Gruß, Ritsu


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