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Roulette

Eine OneShot-Sammlung zu UtaPri-Pairs
von

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Ill will

I. Ill Will
 

“Each relationship nurtures a strength or weakness within you.”

-Mike Murdock
 


 

Es drehte sich alles nur ums Gewinnen oder Verlieren in ihrer Beziehung.

So war es schon immer gewesen, so würde es immer sein. Sich in diesem Bezug Illusionen zu erschaffen, war reine Energieverschwendung.

Sowieso war es Hijirikawa Masato nicht möglich, sich eine andere Konzeption zwischen Jinguji Ren und ihm vorzustellen.

Sie pflegten eine tiefe Feindschaft, die niemals zu verhungern schien und das war alles. Nichts weiter. Keine anderen Emotionen, die sie auf irgendeiner Weise verbanden. Die längst vergangenen Kindertage waren schon lange erstickt unter dem Berg der Antisympathie.

Masato glaubte fest daran, dass dies ein vorgeschriebenes Naturgesetz war.

Und dann kam Nanami Haruka.

Sie sprengte alle Ketten, alle Gesetze dieser Welt – und in ihrem Glanz fand er eine neue Musik in sich selbst. Eine Musik, die ihn nicht nur berührte, sondern eine neue Welt ermöglichte.

Eine Welt, die zu seiner eigenen Verwunderung, eine Tür öffnete, die nicht nur mit dem Wort „Feindschaft“ behängt war.
 

Missbilligend schaute Masato über sein Buch hinweg zu seinem Zimmergenossen. Dieser hatte es sich zur persönlichen Tagesaufgabe gemacht, alle möglichen laute Geräusche zu erzeugen, nur um ihm vom Lesen abzuhalten. Zumindest nahm der Blauhaarige dies an, denn sein selbsterklärter Erzrivalen, der eine ausgeprägte narzisstische Ader besaß, hatte es sich zu seinem eigens ernanntem Hobby gemacht, ihm das Leben schwerer zu gestalten als es eh schon war.

Außerdem gab es kein Mensch auf der Welt, der halbnackt durchs Zimmer lief und dabei staubsaugte. Dessen war sich Masato sicher. Er war sich nur noch nicht sicher, was ihn mehr vom Lesen abhielt. Das Geräusch der Saugers oder der halbnackte Körper Rens.

Genau in diesen Augenblick hielt besagtes Störobjekt inne, warf sich elegant eine Strähne aus dem Gesicht – was natürlich hundertprozentig nicht aufgesetzt war – und schaute mit einem herausfordernden Blick zu ihm hinüber.

Masato ignorierte Ren.

In all den Jahren, und besonders in den letzten Monaten, war dem Jüngeren klar geworden, dass bellende Hunden nicht nur nicht bissen, sondern ignorieren derselbigen, auch nach einigen Minuten zu angenehmen Schweigen führte. Zwar gelang dieser Plan nicht immer und der Ältere wurde danach noch aufdringlicher als vorher, dennoch war es die beste Methode Streit zu vermeiden.

Sich wieder auf sein Buch konzentrierend, versuchte er bestmöglich das nervige Geräusch zu überhören und den Anblick Rens aus seinem Gedächtnis zu löschen.

Einige Minuten gelang es Masato tatsächlich. Jedoch nur einige Minuten.

Miteinmal spürte er etwas Hartes gegen seinen Fuß knallen und ein riesiger Schatten baute sich vor ihm auf. Verärgert und mit schmerzenden Fuß blickte er auf. Frech und hochmütig lächelte ihm der Ältere entgegen.

„Was soll das denn?“, fragte er scharf nach. Doch der Andere signalisierte nur mit einer Handbewegung zu seinen Ohren, dass er ihn angeblich nicht höre und saugte gemächlich weiter um den Stuhl des Jüngeren herum. Seine Beine anziehend, um von einer weiteren Attacke bewahrt zu werden, starrte Masato den anderen mordlüsternd an.

Für einen kurzen Moment überlegte er, ob er Ren das Buch an den Kopf werfen, oder ihn anschreien sollte, er solle doch bitte in seiner Ecke des Raumes den nicht vorhandenen Staub aufsaugen. Jedoch entschied er sich dagegen, zählte bis zwanzig und versuchte möglichst nicht auf den wackelnden, nur von einer Unterhose bedeckten Hintern Rens zu achten, der ihn provokant entgegen gestreckt wurde.

Als der Ältere noch immer nicht die Anstalt machte, in den nächsten zehn Jahren mit dem albernen Getue aufzuhören, entschied Masato sich dafür, etwas zu unternehmen. Er würde zwar das Spiel verlieren, aber es war ihm recht, solange er endlich sein Buch weiter lesen konnte. Ganz zu schweigen davon, einen halbnackten, gelangweilten, egozentrischen Schönling vom Saugen abzubringen und hoffentlich in weniger aufreizendem Outfit wieder vorzufinden.

Schwungvoll stand Masato von seinem Stuhl auf, tänzelte über eine weitere, kindische Attacke des Staubsauger hinweg und lief zielsicher auf die Steckdose zu. Bevor sein Zimmergenossen etwas unternehmen konnte, zog er mit all seiner gerade vorhandenen Macht den Stecker.

Angenehmer Ruhe kehrte ein. Zumindest bis Ren den Mund öffnete und alles in ein finsteres Loch aus Nervenzusammenbruch und Mordgedanken stürzte.

„Würdest du die Güte besitzen und ihn wieder reinstecken, Hijirikawa?“, fragte der Ältere mit einem nicht zu überhörenden anzüglichen Ton. Masato seufzte.

„Nein.“ Auf seine Verneinung hin, lehnte Ren sich lässig auf den Staubsauger, schaute ihn herausfordernd an.

„Nein?“

„Nein.“

Ein tonloses Kichern entglitt seinem Zimmergenossen, schüttelte gespielt ungläubig den Kopf.

„Dabei bin ich so sozial und sauge sogar deinen Teil des Zimmers.“

„Niemand hat dich darum gebeten.“

„Oh, sieht so also dein Dank aus?“

„Du erwartest ein Dankeschön dafür, dass du mich nicht nur störst, sondern auch noch die Frechheit besitzt in meine Privatssphäre einzudringen?“

Kaum hatte Masato diese bissige Bemerkung abgelassen, wusste er, dass es nicht nur ein Fehler gewesen war, sondern er direkt in die Falle des Älteren getappt war. Dieser legte mit einer flüssigen Bewegung den Staubsauger an die Seite und war in wenigen Schritten bei ihm. Die Hände in die Hüfte gestemmt, beugte er sich zu dem Jüngeren hinunter. Sofort schlug Masato ein süßlicher Duft entgegen, der ihn manchmal noch in seinen Träumen verfolgte.

„Eindringen, klingt so...harsch“, raunte Ren, worauf Masato nur die Augen verdrehte und das Kribbeln in seiner Bauchgegend ignorierte. Plötzlich war da die Hand des Älteren unter seinem Kinn, hob es sachte an.

„Aber ein kleines Dankeschön wäre...erwünscht.“

Masato antwortete zuerst nicht, starrte nur in die eisblauen Augen, in denen der Schalk und etwas ihm Unbekanntes förmlich stand.

Diese Situation war dem Jüngeren nicht neu. Zumindest war sie nicht mehr so verwirrend, wie zu Beginn. Irgendwann hatte Ren einfach angefangen, alle persönlichen Grenzen zu ignorieren und ihn anzumachen, wie eines der vielen Mädchen, die für ihn schwärmten oder Haruka. Zuerst war ihm das mehr als unangenehm gewesen und mehr als einmal hatte sich der Ältere über seinen Scharm und seine Befangenheit köstlich amüsiert. Doch nach einiger Zeit hatte er gelernt damit umzugehen, das unruhige Gefühl und das sonderbare Ziehen im Magen zu kontrollieren. Doch kaum hatte er es geschafft, war Ren dazu übergangen diese Situationen noch provozierender und unangenehmer zu gestalten. Zum Beispiel wie jetzt, halbnackt und so dicht, dass er dessen Atem auf seiner Haut spüren konnte.

Es waren diese Momente in denen sich Masato nicht mehr sicher war, warum er eigentlich so nervös wurde und sich still fragte, wie weit der Andere seine Spielchen noch treiben würde. Und manchmal fragte er sich, ob Ren überhaupt sich selbst Grenzen setzte oder ob ihm alles Recht war, solange er diese kindischen Streitereien zwischen ihnen gewann.

„Die da wäre?“, fragte er betont desinteressiert und gefasst. Sich eine Blöße zugeben, wäre ein fataler Fehler, wenn man sich mit Jinguji maß. Dieser lächelte jetzt spöttisch.

„Oh, ich wüsste da eine Kleinigkeit...“, dabei verringerte er nur noch mehr den Abstand zwischen ihren Gesichtern. Alles in Masato schrie nach Flucht. Doch sein Stolz ließ ihn stur bleiben und in der hintersten Ecke spürte er eine gewisse Aufregung, ein gewisses Verlangen dies hier nicht zu stoppen.

„Was für eine Kleinigkeit?“ Seine Frage war emotionsloser, als der Blauhaarige sich eigentlich fühlte und war für seinen Teil selbst erstaunt darüber. Die Antwort blieb in Form von Worten aus.

Miteinmal spürte er die weichen, warmen Lippen Rens gegen seinen eigenen Lippen. Für einen Moment setzte sein Herz aus und seine ganze Welt verschwamm in einer Explosion aus Farben. Als sich die Lippen Rens anfingen gegen seine zu bewegen, stürzte jedes Gefühl auf ihn mit einer Härte zurück, die überwältigend war.

Zuerst war da Freude. Dann Verwirrung über die Freude. Dann ersetzte Panik die Verwirrung. Die Panik wurde zu einem Akt der Flucht. Alles in seinem Kopf schrie nur noch: „Lauf! Lauf! Um Himmels Willen, lauf!“ und sein Herz starb tausend Tode.

Mit einer wirschen Handbewegung, stieß er den Älteren von sich, machte ein paar Schritte rückwärts um Abstand zwischen sie beide zu bringen. Zuerst schaute Ren verwundert, so als hätte ihn noch nie jemand von sich gestoßen, noch hätte er jemals mit so einer Reaktion gerechnet. Dann fasste dieser sich, fuhr sich einmal gelangweilt durch die Haare und wandte ihm den Rücken zu.

„Was sollte das?“, brachte Masato nur aufgebracht und mit weniger fester Stimme hervor, als es der Plan gewesen war.

Sein Zimmergenosse zuckte nur mit den Schultern.

„Ein Witz. Nicht mehr.“

Da war es. Ein Witz. Nicht mehr. Natürlich. Was auch sonst?

Schweigend starrte er den Rücken von Ren an.

Ein Witz.

Ein verdammter Witz.

Wie alles in ihrer verkorksten Beziehung.

Ein Witz der auf seine Kosten ging. Ein Witz, der ihn jedes Mal verlieren ließ. Ein Witz, der nur in Rens Welt lustig war und ihm so viele Schmerzen bereitete, dass er manchmal glaubte, es nicht zu überleben.

„Verstehe.“

Ohne noch ein weiteres Wort des Anderen abzuwarten, marschierte er aus dem Zimmer.

Ihm war die Gesellschaft nach bittersüßen Witzbolden eindeutig vergangen.
 

Sie verloren kein Wort über die Kuss-Eskapade.

Nicht, dass es etwas darüber zu sagen gab, zumindest aus Rens Sicht, da war sich Masato sicher. Zudem war sich Masato mit seinem Kopf einig darüber, dass es besser war, nicht weiter auf die Materie einzugehen, um des Heil seiner eigenen Seele zu gewährleisten.

Immer öfters fragte sich Masato, ob der Irrglaube, dass die Beziehung zwischen Ren und ihm jemals hätte auf freundschaftlicher Basis stattfinden könnte, nicht mehr Wunschdenken als alles andere gewesen war.

Es war nicht so, als würde er den anderen hassen. Nein, dieses Gefühl hatte er niemals verspürt. Es war eher ein leichter Hang zwischen Neid, Anbetung und Rivalität gewesen. Und manchmal, tief in seinem Inneren, da wusste er, dass es noch etwas ganz anderes Unausprechliches war.

Dennoch hatte er nie geglaubt, dass der Andere dies alles nur als einen riesigen Witz sah. Ein Witz, der zum Zeitvertreib diente. Immer hatte er angenommen, dass der Ältere auch eine gewisse Rivalität, eine gewissen Neigung verspürte, immer wieder mit ihm aneinander zu geraten, aus welchen Gründen und Gefühlen auch immer.

Aber nicht ein Witz.

Seufzend hörte er auf, auf dem Klavier zu spielen. Wenn man sein seit einer Stunde wahllos Geklimper wirklich Spielen nennen konnte. Finster stierte er die Tasten an, so als wären sie Schuld an all dem Übel. Hin und wieder wünschte Masato sich, dass er einfach nur ein Lied spielen musste, um all dieses Wirrwarr an Gefühlswelt aufzulösen. Ein Lied, um alles zu heilen und alles zu richten, was so unendlich falsch lief.

Leider funktionierte die Welt nicht so simpel und traumhaft, wie er zu oft festgestellt hatte. Alles was blieb, war die harte Realität, egal wie trist und grau sie auch aussah.

Gerade als er anfing, erneut wahllos einige Töne dem Klavier zu entlocken, betrat jemand den Musikraum. Fragend schaute er auf und erblickte Haruka. Das Mädchen stand unschlüssig an der Tür und schaute ihn besorgt an.

„Nanami?“, fragte er sanft, nicht wissend, was sie hier suchte. Zuerst rührte sie sich nicht, da sie einen inneren Konflikt mit sich selbst zu führen schien. Dann jedoch trat etwas Entschlossenes in ihren Blick und sie schritt auf ihn zu. Erst als sie direkt vor ihm stand, schien ihre Zuversicht zu schwinden.

„Alles in Ordnung, Nanami?“, fragte er erneut, sanft und ruhig. Haruka war wie eine Note, die weich gespielt werden musste, damit sie nicht zerbrach. Das war eine schöne Seite an ihr, die Masato reflektierend immer selbst zu einer inneren Ruhe verhalf. Das erste Mal seit Tagen spürte er wieder etwas wie inneren Frieden. Haruka hatte diesen Effekt bei Menschen – und wusste selbst nicht einmal davon.

Ohne Vorwarnung wurde Harukas Gesichtsausdruck ernst.

„Das wollte ich dich fragen, Hijirikawa!“Verwundert über die Lautstärke, blinzelte Masato. Haruka dagegen wurde vor Scharm rot wie eine Tomate. Nervös spielte sie mit ihren Fingern herum.

„I-Ich meine, uhm...du bist...du scheinst...in letzter Zeit irgendwie, ähm, deprimiert zu sein“, stammelte sie unsicher, ihn hin und wieder in die Augen schauend und dann wieder auf das Klavier vor ihnen.

Zuerst wollte Masato Haruka erzählen, dass es ihm wirklich nicht gut ging. Dass die Sache zwischen Ren und ihm jetzt nicht nur kompliziert, sondern erschreckend verletzend war. Schließlich entschied er sich jedoch dagegen. Einerseits aus Scharm und andererseits, weil er es schlicht und einfach nicht preisgeben wollte. Es war ein Teil von ihm, ein Teil seiner Seele, die nicht einmal Haruka berühren dürfte.

Alles was er auf ihre Frage tat, war an die Seite zu rutschen und ihr den Platz neben sich anzubieten.

„Spiel mit mir ein bisschen.“

Haruka schaute ihm verwundert an.

„Bitte“, hakte er flehender nach.

Sie lächelte nur leicht darauf, nickte und kam der Bitte nach. Es dauerte keine Minute und sie ließen zusammen ihre Finger über die Klaviertasten fliegen und versanken in ihrer ganz eigenen Welt. In dieser Welt, wo nur die Musik herrschte, die Musik, die Haruka und er spielten. Eine Welt in der alles besser war. Eine Welt, die Masato sich mehr als alles wünschte und für deren Existenz er Haruka für immer dankbar war.

Eine Welt, in der sein Herz ganz automatisch Ren gehörte, ohne gewinnen oder verlieren zu müssen.
 

Masato erklärte ganz offiziell allen Staubsaugern dieser Welt den Krieg.

Zumindest allen Staubsaugern, die sich von Jinguji Ren benutzen ließen. Verärgert senkte er sein Buch und starrte zu dem Monstrum samt Beiwerk hinüber.

Abermals befand sich der Ältere nur in Unterhose und schleuderte das Gerät umher, als würde er einen wilden Tango tanzen. Nicht wissend, ob er seinen Augen recht traute oder sich selbst zwicken sollte, beobachtete der Jüngere das Schauspiel einige Minuten.

Schließlich entschied er sich, dass ihm das zu bunt wurde und Deja-vus waren im Grunde auch nicht so seine spezielle Vorliebe. Daher klappte er sein Buch mit mehr Energie als notwendig zu und stand auf. Doch kaum war er wenige Schritte Richtung Tür gegangen, immerzu der Freiheit entgegen, tauchte der Staubsauger vor seiner Nase auf. Gerade noch so konnte er seinen linken Zeh vor einer weiteren Beule bewahren.

Verärgert schaute er zu Ren hinüber, der pfeifend so tat, als hätte er mit diesen Zwischenfall rein gar nichts zu schaffen. Masato seufzte nur, wollte nach links ausweichen. Staubsauger. Machte einen Ausfallschritt nach rechts. Staubsauger. Einen Seitwärtsschritt nach hinten. Staubsauger. Hob den Fuß an. Staubsauger.

Langsam aber sicher die Nerven verlierend, wandte er sich jetzt dem Älteren zu. Dieser hob nur eloquent eine Augenbraue. Einige Sekunden starrten sie sich nur so an. Dann zeigte Masato auf die Tür, auf sich und wieder auf die Tür.

Das war der Moment, wo der Ältere los lachte.

Das Lachen von Ren war eine Seltenheit. Eigentlich, um es genau auszudrücken, war es eine Rarität, die nur sehr, sehr wenige Menschen jemals zu Gesicht bekommen hatten. Es lag nicht daran, dass Ren nicht lachen konnte, denn das konnte er sehr wohl. Auch nicht daran, dass er ein strikter oder ernster Mensch war, denn dies war er keineswegs. Er tat es einfach nur sehr selten, da es wenig gab, was ihn wirklich zum Lache brachte. Ihn amüsierte, ja, aber nie als lustig empfand. Denn dazu gehörte immer ein gewisses Glücksgefühl, welches über all die Jahre irgendwo im Sand der Zeit begraben wurde.

Deswegen war Masato zuerst nicht dazu fähig, die Chance seiner Flucht zu nutzen, da er viel zu gefesselt von dem Lachen seines Gegenübers war. Erst als der Ältere sich langsam von seinem Lachanfall erholte, fingen die Schaltkreise des Jüngeren wieder an zu funktionieren. Rasch setzte er sich in Bewegung. Seine Flucht endete je, als er gerade mal zwei Schritte von der Tür entfernt war.

Gerade als er den lauten Aufprall von Stahl auf Holz hörte, wurde er grob am Arm gepackt und zurück in Richtung Mitte des Zimmers gezerrt.

„Jinguji?!“

Ohne Vorwarnung fand er sich mit einmal auf seinem Stuhl wieder, einen verstimmt aussehenden Ren über sich, der sich an den Armlehnen abstützte.

„Wohin des Weges?“ Jeder Anflug von Freude war verschwunden.

„Nach draußen.“

„Stört dich mein Saugen?“

„Was denkst du denn?“

Ein schwaches Lächeln huschte über die Lippen des Größeren.

„Dabei bin ich so sozial und sauge sogar deinen Teil des Zimmers.“

Der Satz war wie bittere Medizin. Sofort verkrampfte sich Masato Inneres, spürte den Hauch der Erinnerung auf seinen Lippen.

Schweigend schaute er den Anderen nur ins Gesicht, nicht fähig irgendein Wort zu sagen. Ren dagegen rührte sich ebenfalls nicht, dann griff er nach Masatos Gesicht. Strich mit seinem Daumen über die Lippen.

„Ein kleines Dankeschön wäre erwünscht.“

Masato spürte wie sein Herz schneller schlug und sein Körper anfing an zu zittern. Dennoch brachte er keine Silbe heraus.

Langsam aber sicher beugte Ren sich vor, hielt wenige Zentimeter vor den Lippen des Jüngeren an.

„Ein Witz...“, flüsterte er, bevor er ihn zum zweiten Mal küsste.

Dieses Mal stieß Masato den Älteren nicht fort. Dieses Mal fühlte er auch kein unglaubliches Glück oder Panik. Sondern alles was er fühlte, war wie sein Herz zerbrach. Zerbrach im Moment der Erkenntnis. Er wollte weinen, er wollte schreien.

Er wollte zu Haruka und in ihre Musikwelt eintauchen, wo dies alles hier kein schlechter Scherz war, der ihn verhöhnte und auslachte.

Langsam löste Ren seine Lippen wieder von seinen. Erschöpft schloss er die Augen, konnte dem Älteren jetzt nicht in dessen blicken. Das einzige Geräusch, was ertönte, war der Staubsauger, der noch immer lief.

Miteinmal spürte er etwas Warmes. Überrascht riss er die Augen auf, nur um zu sehen, wie Ren vor ihm auf die Knie ging und ihn umarmte. Verwirrt über die plötzliche Nähe, tätschelte er unbewusst den Kopf des Schönlings.

Dann vernahm er ein leises Genuschel. Blinzelte. Abermals das Genuschel, lauter als zuvor. Beugte sich hinab zu dem Älteren – und verstand schließlich, was der Andere ihm als Geheimnis anvertraute.

„Ein Witz, Idiot. Ein Witz, dass es du bist, den ich küssen möchte und nicht jemand anderes auf der Welt, Masato.“

Ungläubig verharrte Masato in jeder seiner Bewegung. Doch als Ren den Satz, wie ein Mantra immer und immer wiederholte, konnte er nicht anders, als zu lachen. Verwundert schaute der Ältere auf, nur um einige Augenblicke später in das Gelächter mit einzufallen.

Es drehte sich alles nur ums Gewinnen oder Verlieren in ihrer Beziehung.

So war es schon immer gewesen und wird es immer sein. Da machte sich Masato keine Illusionen. Sie würden niemals Freunde werden und würden niemals ihre Feindschaft zueinander beilegen.

Doch das machte ihm nichts aus. Denn in ihrer Feindschaft lag ihre Liebe verborgen.

Verliebt in den Feind war eine Melodie, die nie an Spannung verlor, da sie immer wieder neue Facetten aufwies. Auch wenn diese Musik, ihnen wie ein riesiger, kosmischer Witz vorkam.
 

Ein Witz, der vom Herzen erzählt wird, während der Staubsauger leise Bass spielt.

Gold forever

II. Gold forever
 

“Sometimes life is like jazz, and goes in an unexpected direction…”

-Nishimi Kaoru
 


 

Liebe ist wie Jazz.

Sie trägt ihren ganz eigenen Rhythmus und ist von einer unermesslichen Spontanität erfüllt, die unglaubliche viele Facetten aufweist. Man weiß nie im Vornherein, wohin sie führt, welche Instrumente hinzukommen oder auf halber Strecke aussteigen, noch welcher Rhythmik sie unterliegt. Jazz ist Musik, die aus dem Augenblick entsteht und einem entweder mitreißt oder für immer verliert.

Genau aus diesem Grund liebte Ittoki Otoya den Jazz. Er hätte nur nie erwartet, ihn einmal am eigenen Leib und in einer abstrusen Situation zu erleben.

Und so vollführte der Jazz seinen ganz eigenen Groove, dem er versuchte zu folgen.
 

Otoya wusste, dass er nicht das hellste Licht in allen existenten Kronleuchter dieser Welt war. Dennoch verstand auch er, dass es keine normale Situation war, wenn einen sein Zimmergenosse und guter Freund küsste.

Nicht das es ihn störte. Auch nicht, wenn der Kuss ziemlich viel Spucke enthielt und eher ein zitterndes Gegeneinanderdrücken ihrer Lippen war. Dies lag wohl eher daran, dass Ichinose Tokiya nicht jeden Tag irgendwelche Männer küsste, die im Grunde genommen zu seinem engsten Freundeskreis zählten.

Nein, stören tat es ihn wirklich nicht. Er überlegte nur, wie er auf den Kuss reagieren sollte. Denn je nachdem wie er reagierte, würde ihre zukünftige Beziehung aussehen. So naiv war er nicht zu glauben, dass das alles hier nur ein Aprilscherz war.

Jedoch, eigentlich, wenn man es genau betrachtete, hatte er nur zwei Optionen. Erwidern oder nicht erwidern. Würde er den Kuss nicht erwidern, würde ihre Beziehung zu irgendetwas Peinlichem und Unangenehmen werden, wo sie sich nicht mehr in die Augen schauen und ständig aus dem Weg gehen würden. Zudem wollte er den Kuss erwidern.

Andererseits würde er ihn erwidern, würden sie dann eine Art Freunde mit Extras sein? Würden sie dann Sex haben? Oder würden sie sogar ein Paar sein? Allein beim dem Gedanken wurden seine Ohren so rot wie sein Haar.

Plötzlich löste sich Tokiya von ihm, wobei seine Gesichtsmimik sowohl Scharm, als auch Unzufriedenheit ausdrückte. Wobei Otoya nicht sagen konnte, ob er mit sich selbst oder mit ihm unzufrieden war. Das konnte man bei dem Älteren nie so genau feststellen.

„Verzeih, das war taktlos von mir. Ich hätte wissen sollen, dass du das nicht möchtest.“

Rasch griff der Rothaarige nach dem Handgelenk seines Gegenübers, bevor dieser sich von ihm wegdrehen konnte.

„Nein!“, schrie er förmlich. Tokiya runzelte die Stirn, worauf er sich räusperte und noch einmal ruhiger und einige Oktaven tiefer seinen Satz wiederholte und mehr Worte hinzufügte.

„Also... nicht nein, dass ich es nicht mag. Nein dazu, dass du dich nicht entschuldigen musst. Also ich mein, es hat mir gefallen. Wirklich.“

Daraufhin warf ihm der Größere einen skeptischen Blick zu.

„Dafür hast du ihn geringfügig erwidert.“

Otoya spürte, wie seine Ohren wieder heiß wurden, was nicht nur allein an dem Gedanken lag, tatsächlich mit Tokiya herum zu knutschen, sondern auch daran, dass dessen Stimme einen tieferen Unterton bekommen hatte, der ihn immer einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte.

„Ich war am Überlegen“, erwiderte er jetzt zögernd. Fragend zog der Andere die Augenbrauen hoch.

„Du hast was überlegt?“

„Ob ich ihn erwidern soll oder nicht.“

Stille.

„Du hast ihn nicht erwidert“, stellte Tokiya nüchtern fest.

„Ich war noch nicht fertig mit Denken, als du aufgehört hast!“, nörgelte der Jüngere. Der Blauhaarige seufzte nur schwermütig und fuhr sich durch die Haare.

„Im Normalfall überlegt man bei so einer Tätigkeit nicht, Otoya.“

Angesprochener kratzte sich beschämt am Hinterkopf und entdeckte einen Punkt an der Decke, der gerade viel interessanter erschien als das ernste Gesicht Tokiyas.

Einige Sekunde herrschte ein bedrücktes Schweigen zwischen ihnen. Schließlich löste sich der Ältere von ihm und wandte ihm mit einer fließenden Bewegung den Rücken zu.

„Streng dich nicht weiter an.“

„W-Warte!“

Eilig schnitt Otoya dem Anderen den Weg ab, hob eine Hand um ihn am Weitergehen zu hindern.

„Gib mir noch eine Chance!“

Überrascht schaute Tokiya ihn an.

„Noch eine Chance?“

„Ja!“ Aufgeregt beugte sich der Rothaarige vor, wobei er ihre Gesichter wieder näher zueinander brachte, was dem Anderen einen leichten Rotschimmer auf den Wangen verlieh.

„Die da wäre?“

„Nun...“, stockend hielt der Jüngere an. Er war nur seinem inneren Impuls nachgegangen, der ihm förmlich befohlen hatte, den Älteren nicht einfach davonkommen zu lassen.

„Öhm...gib mir einen Tag zum Überlegen, ob ich dich auch küssen möchte?“

Tokiya blinzelte. Otoya lächelte breit und lieblich.

„Bitte?“

Auf seine Bitte hin, wendete Tokiya beschämt den Kopf ab, worauf Otoyas Herz einen Takt schneller schlug. Es waren diese Seiten, die den sonstigen Eisprinzen so unglaublich attraktiv gestalteten.

„...von mir aus.“ Jetzt schaute der Blauhaarige mit ernster Miene wieder zu ihm hin.

„Aber dann will ich eine klare Antwort.“

Spaßeshalber salutierte Otoya vor ihm.

„Aye, aye Sir!“
 

Jazz ist die spontane Antwort der Liebe, wenn eigentlich noch keine klare Struktur existiert und dennoch alles auf einen herzbewegenden Rhythmus hinweist.



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  mor
2017-06-08T14:38:18+00:00 08.06.2017 16:38
Das war ja mal wieder Typisch für den kleinen Rotschopf ^^
Von:  mor
2017-06-08T14:33:18+00:00 08.06.2017 16:33
diese dauernde Staubsauger Atacke hat mich sowas von zum Lachen gebracht ^^
Von:  Conny-chan
2015-05-02T12:58:44+00:00 02.05.2015 14:58
Kaum das ich den Satz "Es drehte sich alles nur ums Gewinnen oder Verlieren in ihrer Beziehung" las,
wusste ich um wenn es sich handelt. Ich les mal eben weiter, mit dem Wissen das ich die FF jetzt schon liebe weil du die Charakthere so toll rüberbringst. Eben so wie sie tatsächlich sind. Das kann nicht jeder ;-)
Antwort von:  Conny-chan
02.05.2015 15:14
Kommt da noch mehr?
Oder hast du abgebrochen?
Bitte nicht.....
Von: abgemeldet
2013-06-09T09:15:29+00:00 09.06.2013 11:15
Das war richtig schön zu lesen.
Hat mir wirklich gut gefallen!
Von: abgemeldet
2013-05-01T14:30:45+00:00 01.05.2013 16:30
Ein sehr schönes Kapitel mit sehr vielen Einblicken zur Vorstellung der Situation und Gesichtsausdrücke, sehr schön alles geschrieben ^^
Von:  Lantica
2013-05-01T06:43:28+00:00 01.05.2013 08:43
schönes kapi zu denn beiden.Besonders gut fand ich denn Teil der mich an die Blumenfrage erinnert: Erwiedere ich denn Kuss oder nicht. Alles in allem ein schöner One shout . Freue mich aufs nächste pair. XD
Von:  Shizana
2013-04-16T15:48:01+00:00 16.04.2013 17:48
So, dann hole ich mal noch mein Feedback nach. Ich war neulich nicht mehr fit genug, um eines zu schreiben, nachdem ich den OS gelesen hatte. Aber deswegen habe ich es noch lange nicht vergessen.

An sich ein sehr schöner OS, der sich sehr angenehm und flüssig lesen lässt. Lesespaß ist garantiert und die Waage stimmt. Mir sagt die Atmosphäre hier sehr zu und ich liebe diesen gewissen Witz, der sehr zu zu diesem Pairing passt. Auch sehr schön ist, wie du die Musik hier mit untergebracht hast - gern auch in der einen oder anderen kleinen Metapher. Sehr schön.
Was mir wirklich sehr gut gefallen hat, ist, dass du Haruka hier mit eingebunden hast. Und das ganz ohne sie zu bashen, wie es in anderen FFs gern getan wird. Sie mag im Anime eine Mary Sue sein, hatte dort aber auch keine andere Wahl, an sich ist sie ein angenehmer Charakter. Ich finde es gut, dass du sie hier entsprechend dargestellt hast.
Ren und Masato waren sehr gut getroffen. Für mich gesprochen stimmte auch hier alles.

Dein Schreibstil ist sehr angenehm. Man merkt, dass du schon viel Erfahrung im Schreiben hast. Gut gewählt, ausgeführt, und insgesamt treffend.
Rechtschreibung und Grammatik waren gut, mir sind nur wenige kleine Fehler aufgefallen. Unter anderem wird bei Vergleichen mit "wie" und "als" kein Komma gesetzt, also heißt es z.B.: "Er ist größer als sie." Ähnliche kleine Schwächen sind noch in der Kommasetzung vorhanden, aber man muss schon tief in der Materie drin stecken, um das zu bemerken. Sie sind, rein für den Lesespaß, leicht zu ignorieren.
Kleine Tipp- bzw. Formulierungsfehler waren auch noch vorhanden.

Was mir sehr missfällt, ist deine Auflistung in der FF-Beschreibung von Kommentaren und Favoriten. Die Kommentare sieht man auch so schon zwei Mal, einmal direkt bei der Kapitelauflistung und dann noch in dem Kommentare-Reiter. Man braucht sie nicht noch einmal vorgehalten zu bekommen.
Und die Auflistung der Favoriten kann sehr negativ empfunden werden. Ich bezeichne es gern als "Protz" oder auch "virtueller Schwanzvergleich", und das schreckt andere schnell ab, die FF unter die Favoriten zu packen.
Für mich gesprochen, hatte ich die FF auch nur in den Favoriten, damit ich meinen ausstehenden Kommentar nicht vergesse. Aber wenn die Auflistung bleibt, werde ich die FF wieder von der Favoritenliste nehmen. Ich möchte nicht zum Protz anderer beitragen; möchte keine fette Nummer sein, die man anderen zum Angeben vorhält. Da ist es mir auch egal, wie sehr ich eine FF eigentlich liebe und weiterempfehlen möchte. Ich kann sie mir genauso gut als epub auf meinen E-Reader packen und dort jederzeit wieder lesen, ohne das unangenehme Gefühl zu haben, das jemand mit mir als Leser angibt, ohne dass ich das möchte.
Dies nur als Anregung. Letztlich ist es aber deine Entscheidung, ob du es bei so einer guten FF wirklich nötig hast, dich in so ein verminderndes Licht zu stellen.

Insgesamt aber ein aufrichtiges Kompliment von mir an diese FF.
Ich freue mich schon sehr auf die anderen OS'.


Liebe Grüße
Shizana
Von:  _Genis_
2013-04-15T19:20:31+00:00 15.04.2013 21:20
das nenn ich mal eine wirklich schöne ff
ich kann mir die beiden richtig gut vorstellen
und der letze satz mir dem staubsauer der leise bass spielt einfach süße wunderschöbe worte^^

und irgendwie fühle ich mich ein kleines stück an meine kleine schwester erinnert
mit dem blöden staubsauer
ich verfluche das ding auch
aber wenn ich dann einen kuss von ren bekommen hätte
hätte ich dem staubsauer alles verziehen x3
*kicher*
aber soll er sie ruhig Masato schenken
den da gehören sie hin^^


Von:  Lantica
2013-04-15T19:19:23+00:00 15.04.2013 21:19
Niedlicher geht es doch garnicht. Dieser fanfic ist einfach nur süß. Freue mich auf die nächsten kapitel.


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