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Das Schicksal der Orks

von

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Das letzte Bündnis

Fast reglos stand Lugbûrz auf der Ebene von Gorgoroth, an den Hängen des Schicksalsberges und starrte in den Himmel. Es war Nacht, das wusste er, auch wenn er den Himmel nicht sehen konnte. Zu dicht war der Rauch des Schicksalsberges in Lugbûrz Rücken. Vor dem Ork versammelte sich eine gewaltige Streitmacht von Elben und Menschen. Sie waren gekommen um Lugbûrz‘ Herrn, Sauron zu töten und die Orks zu vernichten. Hinter Lugbûrz hatte sich das Heer Mordors versammelt. Bereit zu kämpfen. Bereit zu töten. Jahrelang hatten Elben und Menschen den dunklen Turm belagert. Jenen Turm, dem Lugbûrz seinen Namen verdankte, denn nichts anderes bedeutete der Name. Lugbûrz: dunkler Turm. Dies war sein Name.

Natürlich hatte man ihm den Namen nachträglich gegeben. Denn er war ein großer Ork. Und in seiner schwarzen Rüstung sah er tatsächlich aus wie ein dunkler Turm, wenn er unter seinesgleichen stand. Langsam rückten seine Feinde vor. In diesem Kampf würde es keine Gnade geben, dass wussten alle. Bei den Elben und Menschen hieß es, die Orks würden alles Schöne und gute hassen. Das stimmte nicht. Sicher, die Orks empfanden schöne Dinge nicht als Schön. Das war eine Frage des Geschmackes. Und gut und böse gab es für sie nicht. Orks taten was zum überleben notwendig war. In Mordor hieß das, Sauron zu gehorchen. Was Lugbûrz hasste waren die Elben. Er wusste, dass diese Spitzohren so gut und rein taten. Sie waren Heuchler, fand der Ork. Er hatte gesehen, wozu Elben in Schlachten fähig waren. Sie waren noch größere Schlächter, als der grausamste Ork. Das war es, was Lugbûrz hasste. Und diesen hass würden seine Feinde heute zu spüren bekommen.

„Stellung einnehmen!“, brüllte er. Rasch war er von seinesgleichen umzingelt. Visiere wurden heruntergeklappt, Schwerter wurden gezogen. In einiger Entfernung wurden weitere Befehle gebrüllt. Auch Lugbûrz klappte das Visier seines gehörnten Helms herunter und zog sein Krummschwert. In einigen Hundert Metern nahmen auch ihre Feinde Stellungen ein.

„Sie warten auf uns.“, knurrte ein Orkkrieger.

„Wir greifen erst an, wenn das Signal ertönt.“, erinnerte ihn Lugbûrz. „Vorher schüchtern wir sie noch ein wenig ein.“ Daraufhin fing er an zu brüllen und mit dem Knauf seines Schwertes gegen seinen Schild zu klopfen. Die umstehenden Ork taten es ihm gleich und schon bald brüllte die gesamte Armee ihren Zorn heraus. Dann ertönte das Hornsignal.

„ZUM ANGRIFF!“, brüllte Lugbûrz und stürmte los, dicht gefolgt vom Rest der Orks. Sie stießen wildes Kriegsgeschrei aus, während sie auf die Elben, welche an vorderster Front kämpften zustürmten. Plötzlich hörte Lugbûrz das sirren von tausenden Pfeilen. Sie waren in Reichweite der Bogenschützen. Unzählige Orks kreischten und stöhnten vor Schmerz, als sie von Elbenpfeilen durchbohrt wurden. Doch Lugbûrz und die seinen ließen sich davon nicht abbringen. Sie stürmten weiter auf den Feind zu. Schließlich erreichten sie ihre Feinde. Die Elben schlugen zu. Viele Orks starben. Doch Lugbûrz wehrte den Angriff ab und streckte den Elb nieder. Schon sprang der nächste Elb auf ihn zu doch auch ihn tötete der Ork rasch. Den dritten Elb tötete er ebenfalls schnell. Lugbûrz vierter Gegner war ein weitaus besserer Kämpfer. Der Elb war eine Herausforderung. Er war schnell und geschickt. Lugbûrz langsamer, aber stärker. Mit mehreren heftigen Schlägen bezwang er schließlich auch diesen Gegner.

Unbarmherzig kämpften sich die Orks durch die Schlachtreihen der Elben. Allerdings starben in dieser Schlacht mehr Orks, wie Elben, oder Menschen. Die elbischen Bogenschützen hatten sich auf eine erhöhte Position zurückgezogen und schossen Pfeil um Pfeil in die orkischen Reihen. Die Bogenschützen der Orks taten es ihnen gleich. Leider hatten Orkbögen eine weitaus geringere Reichweite und so starben auch viele von ihnen durch die Pfeile der Elben. Lugbûrz wusste, dass sie diesen Kampf nicht gewinnen konnten. Es müsste schon ein Wunder geschehen. Diese Gedankengänge hätten dem Ork fast das Leben gekostet. Geradeso konnte er noch den Schwerthieb eines Elben abwehren. Rasch ging er auf den Elb zu. Nun waren ihre Schwerter unnütz. Lugbûrz ließ seine Waffe fallen und schlug dem Elb mit seinem Panzerhandschuh ins Gesicht. Der Krieger wich zurück. Lugbûrz sprang ihm hinterher und rammte ihm die Kante seines Schildes in die Kehle. Noch während der Elb zu Boden fiel lief Lugbûrz zurück und klaubte sein Schwert vom Boden. Da sah er das Wunder, an das er eben erst Gedacht hatte.

Sauron, der dunkle Herrscher hatte das Schlachtfeld betreten. Lugbûrz wusste nicht, welches Wesen sich unter der Rüstung des dunklen Herrschers verbarg. Er wusste nur, dass Sauron nicht nur den Orks gewaltige furcht einjagte. Auch ihre Feinde wichen erschrocken zurück, als sie Sauron erblickten. Der dunkle Herrscher erhob seine gewaltige Keule und fing an auf seine Feinde einzuschlagen. Dutzende Elben und Menschen starben durch Saurons angriffe. Angespornt von Saurons erscheinen, verstärkten auch die Orks ihre Attacken. Wie wild stürmte Lugbûrz nach vorne und schlug auf seine Feinde ein. Dabei machte er seinem Beinamen „Der Berserker“ alle Ehre. Er war in einen Kampfrausch verfallen. Sein Blick hing hinter einem roten Vorhang verschleiert, während er seine Gegner erschlug. Er merkte noch nicht einmal den Pfeil, der sich zwischen seine Schulterplatten in sein Fleisch bohrte. Brüllend schlug er auf einen Elb nach dem anderen ein. Den Orks an seiner Seite erging es nicht anders. Angestachelt von Saurons erscheinen und Lugbûrz Kampfrausch drängten sie die Elben immer weiter zurück.

Plötzlich zog sich die Luft in der Mitte des Schlachtfeldes zusammen. Sie zog an den Orks, ebenso wie an den Elben und Menschen. Dann ertönte ein knall und eine starke Druckwelle warf die Krieger zu Boden. Lugbûrz rappelte sich auf. Der Schleier vor seinen Augen verschwand. Mit ungetrübten Blick sah auf die Stelle, von der er glaubte, dass von dort der knall kam. Er erstarrte, als er feststellte dass die Druckwelle von der Stelle kam, an der eben noch Sauron gestanden hatte. Doch nun war der dunkle Herrscher verschwunden. Sauron war vernichtet worden. Jetzt gab es keine Hoffnung mehr.

„Rückzug!“, befahl Lugbûrz. „Zieht euch zurück!“

Kreischend ergriffen die Orks die Flucht. Jetzt, wo Lugbûrz ebenfalls fliehen wollte, bemerkte er den Pfeil in seiner Schulter. Er zog ihn hinaus und folgte den Orks. Die Elben und Menschen nahmen die Verfolgung auf und erschlugen jeden Ork den sie einholten. Auf seiner Flucht erblickte Lugbûrz einen Elb und einen Menschen, die auf den Weg zu der Sammath Naur, den Schicksalsklüften, waren. Lugbûrz wurde neugierig und verließ die fliehende Streitmacht. Er verbarg sich hinter großen Felsen, wenn Elben seine Position passierten. Der Ork wusste, dass er den Elb und den Mensch einholen konnte, wenn er wollte. Er kannte dieses Land. Sie nicht. Dennoch war er immer darauf bedacht, hinter den beiden zurückzubleiben. Erst als beide die Kammer betraten holte Lugbûrz auf. Er verbarg sich am Eingang und schaute in die Kammer hinein. Am Rand der Schicksalsklüfte stand der Elb. Der Mensch war auf halbem Wege stehengeblieben. Der Elb wandte sich zu dem Menschen um.

„Wirf ihn ins Feuer!“, rief er.

Der Mensch antwortete nicht, sondern spielte mit etwas in seinen Händen, was Lugbûrz nicht sehen konnte.

„Vernichte ihn!“, drängte der Elb.

„Nein.“, erwiderte der Mensch, wandte sich um und verließ die Kammer. Lugbûrz zog rasch seinen Kopf zurück und versteckte sich hinter einem großen Fels. Aus der Kammer hörte er noch wie der Elb „Isildur!“ rief.

Lugbûrz hatte eine vage Ahnung, um was es sich bei diesem Gespräch gehandelt hatte. Sauron war vernichtet worden. Doch seine Macht war an den Ring gebunden. Dieser Ring musste vernichtet werden. Und genau das war gerade schiefgelaufen. Schon bald würden sich die Menschen gegenseitig, des Rings wegen umbringen. Als er sich sicher war, dass Sowohl der Mensch, als auch der Elb die Sammath Naur verlassen hatten, kam auch Lugbûrz aus seiner Deckung. In der Ferne sah er, wie seine Brüder und Schwestern erbarmungslos niedergemetzelt wurden. Die Elben und Menschen hatten die Orkarmee bis zum dunklen Turm verfolgt. Ein Teil der Feinde stürmte bereits die Burg, die Lugbûrz und viele andere Heimat nannten. Der Ork wandte den Blick und lief in Richtung Südwesten. Dort gab es eine große Orksiedlung, in der Nähe eines Passes, der aus Mordor hinausführte. Wenn er Glück hatte, konnte er dort noch einige Orks retten, ehe der Feind die Siedlung erreichte. Danach müsste er, ob mit anderen Orks, oder auch alleine, in die Höhlen wagen und die Treppe nach Minas Ithil nehmen. Die Feste war schon lange zerstört und verlassen, also durfte man dort nicht mit Gegenwehr rechnen. Danach würde Lugbûrz versuchen, sich in ein Gebirge durchzuschlagen. Dabei hoffte er inständig, dass die große Spinne ihn nicht erwischte.

Aufbruch

Die Siedlung bestand hauptsächlich aus Zelten, aber auch ein paar Hütten die aus verkohltem Holz und Steinen gebaut worden waren. Die Planen der Zelte waren aus Leder und Fellen gefertigt. Die Zelte waren wild durcheinander aufgeschlagen worden. An vielen Stellen stieg Rauch auf. Dabei konnte man sich nie sicher sein, ob der Rauch von einer Feuerstelle stammte, oder aus dem Boden aufstieg. Die Siedlung war umgeben von einer Wand aus zwischen Holzpfählen gespanntem Leder. Und tatsächlich stieß Lugbûrz in der Siedlung auf weitere Orks. Schon am Eingang wurde er von zwei Wachorks empfangen. Beide hatten eine dunkle Haut und trugen eine geflickte Rüstung aus Ketten, Platten und Leder. Ihre Speere erinnerten an Mistgabeln und Sensen. Typisch orkische Schmiedearbeit. Nicht schön, aber effektiv. Beide musterten Lugbûrz mit starren, gelben Augen. Ihre Blicke fielen auch auf das Blut, welches an seinem linken Arm entlang lief. Seinen Schild hatte er schon lange fallen gelassen.

„Wie viele Orks sind noch hier?“, fragte Lugbûrz.

„Etwa zwei Dutzend.“, antwortete einer der Wachorks verdutzt.

„Wie viele davon weiblich?“, fragte der große Ork eindringlicher.

Die Wachen schauten sich kurz verwirrt an. Dann antwortete der andere Wachork: „Etwas weniger als die Hälfte. Zehn, oder so.“

„Trommelt alle Orks zusammen. Und sammelt alles an Lebensmittel ein.“, ordnete Lugbûrz an.

„Augenblick mal.“, widersprach der erste Wachork. „Was glaubst du, wer du bist?“

Zornig zog Lugbûrz sein Schwert und knurrte: „Ich bin Lugbûrz, der Berserker. Anführer der Berserkerorks des dunklen Turms. Und einziger Überlebender der Schlacht auf der Ebene von Gorgoroth.“

Die Wachorks wichen zurück. Sie wussten wohl von der Schlacht und sie kannten auch die Berserker. Als sich die beiden nicht weiter rührten, sagte Lugbûrz: „Ich glaube, ich habe euch gerade einen Befehl erteilt. Befolgt ihn.“

Hals über Kopf stürzten die Orks in die zwischen die Zelte. Dabei riefen sie die übrigen Wachen zusammen. Was genau sie riefen konnte Lugbûrz nicht verstehen. Der Blutverlust hatte ihn sehr geschwächt, und so konnte er den Wachen nur langsam folgen. Er würde schon bald medizinische Hilfe brauchen.

 

 

Schweigend betrachtete Lugbûrz das, was die Orks gesammelt hatten. Proviant würden sie nach seiner Einschätzung für mehrere Jahrzehnte haben, wenn sie denn alles mitnehmen könnten. Von Waffen und Rüstungen hatten sie ebenfalls mehr als genug. Sie hatten auch einige, große Zelte, Schlaffelle und Felldecken. Ein Ork hatte sogar eine alte Karte von Mittelerde gefunden, die auf ein großes Lederstück eingebrannt worden war. Diese würde bei ihrer Reise sehr hilfreich sein.

Der große Ork wurde aus seinen Gedanken gerissen, als eine Orkfrau an ihn herantrat und ihm einen nassen Lappen reichte. Lugbûrz nahm ihn und wischte sich das Gesicht. Er war noch immer nassgeschwitzt von seinem Marsch. Seine schwarzen Haare klebten ihn im Gesicht und im Nacken auf seiner dunkelbraunen Haut. Er grunzte dankbar, als er der Orkin den Lappen zurückgab. Dabei schweifte sein Blick ihr Gesicht. Es war die gleiche Orkin, die vor kurzem ihren Arm verbunden hatte. Sie hatte braungraue Haut. Ihre Haare waren wie Lugbûrz‘ Haare schwarz. Allerdings durchzogen mehrere weiße strähnen ihre Frisur. Sie hatte große, gelbe Augen und eine platte Nase, so wie viele Orks, so auch Lugbûrz. Ihre Ohren waren lang, spitz und ausgefranst. Außerdem hatte sie ausgeprägte Wangenknochen und ein spitzes Kinn. Orks würden sie als attraktiv bezeichnen.

„Wie war noch ihr Name?“, überlegte er. Da fiel ihm ein, dass sie sich gar nicht vorgestellt hatte. Also fragte er: „Wie ist dein Name?“

„Orzâ.“, antwortete die Orkin. Sie schwieg einen Moment, dann fragte sie: „Stimmt es, dass niemand die Schlacht überlebt hat?“

Lugbûrz sah sie erstaunt an. Anscheinend hatten die beiden Wachorks ausgeplaudert, dass er von sich als einziger Überlebender gesprochen hatte.

„Nein.“, antwortete er. „Es gibt noch andere. Aber es sind wenige und sie sind zerstreut. Die meisten wurden nach Saurons Tod niedergemetzelt.“

Orzâ riss die Augen auf. „Sauron ist tot?“

Lugbûrz nickte. „Deswegen müssen wir schnell aufbrechen und Mordor verlassen. Wer weiß wann unsere Feinde hier sein werden um auch uns zu töten.“

„Ich werde mich darum kümmern.“, versicherte Orzâ und verschwand zwischen den Zelten.

 

 

Orzâ hielt Wort. Keine zehn Minuten später hatten die Orks alles in Rucksäcke und Taschen verstaut, was sie benötigten und tragen konnten. Das hieß, dass jeder Ork Futterrationen für einige Wochen bei sich trug. Außerdem nahmen sie zwei große Zelte mit, deren Einzelteile auf alle Orks verteilt worden waren. Die Felle zum Schlafen trug jeder selbst. Waffen und Rüstungen trugen sie am Körper, dadurch wären sie leichter und sie verstopften auch nicht die Taschen.

Lugbûrz ließ die Orks vor dem Eingang zur Siedlung antreten. Der Ork besah sich die Truppe ganz genau. Wie die beiden Wachorks, trugen auch die übrigen Krieger eher notdürftig zusammengestellte Rüstungen. Die Rüstungen bestanden aus Leder, Kette oder auch Platten. Allerdings passte kein Teil zum anderen. Manch einer besaß nicht mal einen Helm. So auch Orzâ. Das machte es für Lugbûrz leicht, die Orkin ausfindig zu machen. Er entdeckte auch drei weitere weibliche Orks. Auch ihnen fehlte der Helm. Die restlichen sechs Orfrauen versteckten sich irgendwo unter den anderen und somit machte sich Lugbûrz nicht die Mühe nach ihnen zu suchen. Früher oder später würde er erfahren, wer weiblich und wer männlich war.

„Also“, begann Lugbûrz, „dank zwei Plappermäulern wisst ihr, dass wir den Krieg verloren haben.“, dabei sah er die Wachorks an, die ihn am Tor empfangen hatten. „Der Feind ist nunmehr dabei, ganz Mordor nach Orks abzusuchen und auch sie zu töten. Uns wird er aber nicht finden. Wir werden Mordor durch den Pass verlassen und uns nach Norden durchschlagen. Da die alte Menschenfestung verlassen ist, wird uns dort niemand aufhalten.“

„Und was ist mit der alten Dame?“, fragte einer der Orks. „Wir können nicht so einfach durch den Pass, solange sie dort lauert.“

„Solange ihr nicht anfangt den Berg zu bearbeiten, oder sonst irgendwie Lärm macht, wird sie uns nicht so schnell bemerken.“, erklärte Lugbûrz.

„Und wer sagt uns, dass wir im Norden sicher sein werden?“, hakte eine der Orkfrauen nach.

„Niemand. Aber wenn du lieber hier bleiben willst, dann bleib.“, knurrte Lugbûrz. In Gedanken fügte er aber hinzu: „Bleib bloß nicht. Wir haben auch so schon zu wenig Frauen.“

Die Orkin schwieg jetzt. An ihrem Gesicht konnte Lugbûrz sehen, dass sie mitgehen würde. Zu groß war die Angst vor den Elben und den Menschen.

„Gibt es sonst noch Einwände?“, fragte Lugbûrz. Schweigen. „Nun gut. Dann brechen wir auf.“

Der Pass

Die Orktruppe verließ die Siedlung und schlug schnellen Schrittes den Weg zum Pass ein. Ein gefährlicher Weg, den sie wagen mussten, da sie nicht wussten, inwieweit die Elben und Menschen schon in Mordor eingedrungen waren. Die alte Dame würde sicherlich ihren Tribut fordern, wenn sie ihr begegneten. Daher mussten sie aufpassen, dass sie ihr nicht über den Weg liefen und auch nicht in einem ihrer Netze gefangen wurden.

Lugbûrz schickte die beiden Wachorks in die Vorhut. Sie sollten den Weg auskundschaften und nach der alten Dame ausschauhalten. Er selbst blieb mit Orzâ in der Mitte der Truppe.

Es dauerte nicht lange, bis sie den Pass erreichten. Nachdem die Wachorks bestätigt hatten, dass die alte Dame nicht in der Nähe war, begaben sie sich in die gefährlichen Untiefen des Passes.

 

 

Die Höhlen waren beinahe stockfinster. Ein Mensch wäre hier verloren. Die Orks, denen zu viel Licht und vor allem grelles Licht in den Augen wehtaten und ihnen Kopfschmerzen bereiteten, kamen in dieser Finsternis ausgezeichnet zurecht. Nur so gelang es den Wachorks, ihre Kameraden sicher um die klebrigen Netze der alten Dame herumzuführen. Mehrmals mussten sie umkehren, weil ein Netz einen Durchgang unzugänglich gemacht hatte. Langsam wurde Lugbûrz nervös. Je länger sie in den Höhlen verweilten, desto größer war die Gefahr, der alten Dame in die Fänge zu laufen. Auch seine Mitorks wurden sichtlich nervöser. Immer wieder sahen sie sich hektisch um. Mehr als einmal griffen die Orks nach ihren Waffen, weil sie dachten die alte Dame stünde direkt hinter ihnen. Meistens war aber auch nur einer von ihnen auf einen Knochen getreten, der daraufhin unter dem Stiefel des Orks zerbrochen war.

„Wir hätten nie herkommen dürfen.“, flüsterte Orzâ.

„Wir hatten keine Wahl.“, antwortete Lugbûrz ebenfalls im Flüsterton. „Die Menschen hätten uns alle abgeschlachtet, wären wir geblieben.“

Orzâ schnaubte verächtlich. Sie glaubte mittlerweile nicht mehr daran, dass ihnen in Mordor so große Gefahr drohte, wie Lugbûrz es geschildert hatte. Aber der Ork wusste, dass das nur daran lag, weil sie noch mehr Angst vor der alten Dame hatte, als vor den Menschen und den Elben. Er wusste auch, dass dies daran lag, weil alle wussten, dass man Menschen und Elben töten konnte. Bei der alten Dame war sich da niemand so sicher. Bisher war kaum ein Ork, der sich in den Pass gewagt hatte je wieder zurückgekehrt.

Nach mehreren Stunden des Umherirrens befahl Lugbûrz eine kurze Rast. Ihm war unbehaglich dabei, in den Höhlen der alten Dame zu rasten, doch ihnen allen taten die Füße weh und sie hatten keinen Schimmer wo sie waren, oder wann sie endlich den Ausgang finden würden. Aus Sicherheitsgründen verzichteten sie auf ein Lagerfeuer. Jeder aß ein wenig Trockenfleisch und trank einige Schlucke Wasser aus ihren Wasserschläuchen.

Unruhig sahen sich die Orks um. Keiner hatte sich wirklich hingesetzt, sie hockten nur auf dem Boden. Falls die alte Dame auftauchen sollte, würden sie Orks entweder schnell fliehen, oder angreifen können. Lugbûrz wäre ein Kampf zwar am liebsten, doch wusste er nur zu gut, wie gefährlich die alte Dame war. Er hatte bereits viele Kameraden an sie verloren. Er selbst wäre ihr vor einem Jahr beinahe zum Opfer gefallen. Damals ist er ihr nur mit knapper Not entkommen. Noch immer lief es Lugbûrz kalt den Rücken herunter, wenn er daran dachte. Mit zitternder Hand fasste er sich an den Rücken. Zwar konnte er durch die Handschuhe und die Rückenplatte seine Haut nicht fühlen, aber trotzdem spürte er die Narbe auf seinem Rücken. Jedes Mal, wenn er seinen Rücken anspannte, konnte er sie spüren.

„Wir sollten weiter.“, flüsterte Orzâ ihm ins Ohr. „Hier ist es zu gefährlich.“

Lugbûrz stimmte ihr zu. „Ich weiß.“, knurrte er.

Plötzlich klackerte es hinter ihnen. Alarmiert sprangen die Orks mit gezogenen Waffen auf und verharrten. Angespannt warteten sie, ob sich etwas in der Dunkelheit bewegte. Als nichts weiter geschah, sagte Lugbûrz: „Wir gehen sofort weiter.“

Sofort setzten sich die Orks in Bewegung. Diesmal machten sie sich nicht die Mühe, Späher auszusenden. In ihren Köpfen befand sich die alte Dame hinter ihnen. Demzufolge musste die Flucht nach vorne die beste Lösung sein. Leider wussten sie nicht, wo genau vorne eigentlich war. So tief in Kankras Tunneln war ein lebender Ork noch nie gewesen. Auch diesmal mussten sie mehrmals umkehren, weil ein großes Netz einen der Tunnel verstopfte.

„Verflucht, was ist das für ein Ort!“, brüllte einer der Orks urplötzlich.

„Halt dein Maul, du wahnsinniger!“, knurrte Lugbûrz, doch es war zu spät. Aus dem Schatten eines kleinen Tunnels schoss eine große dunkle Gestalt und sprang den Ork an, der soeben gebrüllt hatte. Dieser schrie auf und fiel, um sich schlagend und zappelnd zu Boden. Sofort eilten ihm die anderen Orks zu Hilfe. Einer von ihnen, ein großes und schweres Exemplar eines Berg-Orks, schlug mit einer Keule nach dem Wesen. Es gab ein schmatzendes Geräusch, als die Keule das Tier traf. Ein weiteres schmatzen ertönte, als es gegen eine Felswand prallte. Nun lag es mit angezogenen Beinen, acht an der Zahl auf der Erde. Die Spinne war tot.

„Das ist nicht gut.“, hauchte Lugbûrz.

„Das sehe ich ganz anders.“, feixte der dicke Ork mit der Keule. „Die beißt so schnell keinen mehr.“

„Zum Glück.“, sagte der angegriffene Ork und stand wieder auf.

„Eben nicht.“, korrigierte Lugbûrz. „Jetzt hat die alte Kankra wirklich einen Grund uns zu jagen.“

Wie aufs Stichwort ertönte aus den Tunneln eine seltsame Mischung aus kreischen und fauchen, vermischt mit dem lauten klackern von riesigen Greifzangen. Die alte Dame war erwacht. Lugbûrz ließ nun alle Vorsicht fahren, indem er rief: „Lauft!“

Panisch rannten die Orks los. Hinter sich konnten sie die große Spinne hören, wie sie immer näher kam, um im nächsten Moment wieder weit entfernt zu sein. Dazwischen vernahmen die Orks das Getrappel, von vielen kleinen Beinen: Kankras Kinder.

Mehrmals stießen die Orks auf die kleinen Spinnen, die nichtsdestotrotz halb so groß waren wie ein Ork. Zum Glück griffen die Spinnen immer nur zu dritt, oder zu viert an. Dadurch waren die Orks immer in der Überzahl und konnten diese Biester ohne große mühen umbringen.

Nach einer weiteren Gangbiegung konnten sie am Ende des Ganges ein Licht erkennen.

„Da, ist der Ausgang.“, rief Orzâ erleichtert.

„Da haben wir die alte Kankra ordentlich ausgetrickst.“, stieß der Ork aus, der eben von dem Spinnenkind angegriffen wurde und rannte los. Vier weitere Orks folgten ihm.

„Nein, wartet!“, rief Lugbûrz, doch es war zu spät. Als der vorderste Ork an einer Abzweigung vorbeilief, schoss ein großes, dünnes Bein daraus hervor und zerquetschte ihn an der Wand. Eine Orkfrau, die dicht hinter dem Ork gelaufen war, schrie überrascht auf und sprang zurück.

„Los, zurück!“, brüllte Lugbûrz. „Kommt wieder zurück!“

Das ließen sich die Orks nicht zweimal sagen. Hals über Kopf flohen sie vor der riesigen Spinne, die nun in den Gang geschritten kam. Hasserfüllt sah sie die Orkmeute an. Kankra ließ ein wütendes brüllen hören und griff an. Mit ihren vorderen Beinen schlug sie nach den Orks. Schreiend fiel ein Orkkrieger zu Boden. Kankra baute sich über ihm auf und stach ihn mit ihrem Giftstachel. Danach ließ sie von ihm ab. Den Rest würden ihre Kinder erledigen.

„Golb! Bruder!“, rief ein Ork und sprang auf Kankra zu. Er schwang seine Axt nach der Spinne. Aber noch bevor er ihr etwas antun konnte, wurde auch er von ihr an der Wand zerquetscht. Als Kankra ihre Aufmerksamkeit wieder der Orkmeute widmete war diese schon in den Gängen verschwunden. Die Spinne schrie verärgert und folgte ihnen.

Was die alte Dame nicht mitbekam war, wie die Orkmeute aus dem Tunnel wieder durch den Gang betraten, durch den sie eben gekommen war. Die Orks liefen zu dem betäubten Ork und warfen ihn dem dicken Ork über die Schulter. Danach sahen sie noch einmal zu ihren gefallenen Kameraden, dann verließen sie Kankras Höhlen.

Reise ins Ungewisse

Nachdem die Orks den Pass verlassen hatten, machten sie eine kurze Rast. Der Ausgang war zu klein für Kankra, somit waren sie vor weiteren Übergriffen der Spinne sicher. Das Plateau, auf dem sie rasteten, bot gerade genug Platz für alle. Obwohl der morgen schon längst angebrochen war, war es immer noch dunkel. Das Licht der Sonne war zu schwach, um durch die dicken, dunklen Wolken zu dringen, die den Himmel über Mordor bedeckten. Unter sich konnten sie das verlassene Minas Ithil sehen. Die Festung war bis auf die Grundmauern niedergebrannt worden. Lugbûrz selbst war vor zwölf Jahren bei dessen Zerstörung dabei. Viele Orks sind in dieser Schlacht gefallen, doch am Ende hatten sie es geschafft, die Menschen zu besiegen und Minas Ithil zu zerstören. Seitdem war er nicht mehr hier gewesen. Es war ein seltsames Gefühl wieder hier zu sein.

„Ganz sicher, dass die Festung verlassen ist?“, fragte Orzâ Lugbûrz, als sie den Abgrund hinab sah. Nach der Begegnung mit Kankra hatte sie keine große Lust mehr auf irgendwelche Überraschungen.

„Ganz sicher.“, knurrte der Ork. „Dort unten lebt nichts mehr.“

„Wenigstens etwas.“, bemerkte Orzâ. „Was ist eigentlich dein Plan? Wo sollen wir jetzt hingehen?“

„Ich denke, wir ziehen ins Nebelgebirge.“, überlegte Lugbûrz. „Dort sollen ebenfalls Orks leben. Vielleicht finden wir dort eine Heimat.“

Orzâ nickte zustimmend. „Das wird ein langer Weg.“

„Wir müssen es versuchen.“, sagte Lugbûrz entschieden. „Du, ähm…“

„Ratznêk.“, flüsterte Orzâ ihm ins Ohr.

Er nickte kurz und fragte dann: „Ratznêk, wie geht es Golb?“

„Der hält ein gemütliches Nickerchen.“, antwortete der Dicke. „Sobald er aufwacht, ist er so gut wie neu.“

„Kannst du ihn tragen?“, fragte Lugbûrz. Der Ork nickte. Da sagte Lugbûrz: „Gut, wir brechen auf.“

Murrend begannen sie den gefährlichen abstieg. Die Treppe die sie nehmen mussten, war lang und steil. Stellenweise gab es nicht einmal Stufen, sodass sie auf blankem Fels kletterten. Für Orks war das aber kein großes Problem. Sie waren ausgezeichnete Kletterer. Sogar im Tunnelbau konnten sie sich mit den Zwergen messen. Zumindest was die Größe ihrer Tunnel und Gänge anging.

Gegen Nachmittag erwachte Golb aus seiner Betäubung, sehr zur Freude Ratznêks. Der Ork hatte keine Lust gehabt, Golb den gesamten Weg nach unten zu tragen. Nicht zuletzt deswegen, weil er wegen des zusätzlichen Gewichts, mehrmals beinahe abgestürzt wäre.

Nach zwei Tagen hatten sie den gefährlichen Abstieg hinter sich gebracht. Zu ihrer linken befanden sich die Ruinen der alten Menschenstadt. Die steinige Straße auf der sich die Orks nun befanden, führte von den Ruinen zwischen den hohen Felsenklippen durch nach Gondor.

Die Orks folgten der Straße bis sie nach zwei weiteren Tagen die Felsenschluchten hinter sich ließen. Auch die dunkle Wolke, die den Himmel Mordors verdeckte, war nun deutlich schwächer. So schwach, dass die Nachmittagssonne die Knie der Ork weich werden ließ und ihre Köpfe anfingen zu dröhnen. Schnell befestigten sie ihre Zeltplanen an vorstehenden Felsen, spannten sie und fixierten sie mit schweren Steinen. Um ihre Zelte richtig aufschlagen zu können, fehlte ihnen die Kraft. Doch selbst wenn sie noch kräftig genug dafür gewesen wären, hätten sie es nicht geschafft. Zu hart und zu steinig war es hier. Eigentlich kein guter Platz zum Lagern, doch den Orks blieb keine andere Wahl. Sie mussten warten bis die Sonne unterging, ehe sie weitergingen.

Lugbûrz war bei diesem Gedanken gar nicht wohl. Obwohl er sich selbst immer wieder sagte, dass die Menschen und Elben niemals an der alten Dame vorbei kämen und auch seit Jahren diese Straße nicht mehr benutzten, fürchtete er einen Angriff ihrer Feinde. Jetzt in ihrem geschwächten zustand würden sie nicht sehr lange überleben.

Als sie die Zeltplanen gespannt hatten, verkrochen sich die Orks darunter. Einige schliefen sofort ein. Andere waren ebenso unruhig wie Lugbûrz und wurden daher vom Schlaf gemieden.

 

Schon nach wenigen Stunden war die Sonne soweit untergegangen, dass die Orks nicht mehr allzu sehr von ihr geschwächt wurden. Den Rest erledigte die schwache Aschewolke des Schicksalsberges, welche zwar schwächer, aber noch nicht gänzlich verschwunden war. Schnell packten sie ihre Planen ein und machten sich wieder auf den Weg.

Als sie die Felsen endgültig hinter sich gelassen hatten, bogen sie nach Nordwesten ab. Das Land Ithilien in dem sie sich nun befanden war dank den Orküberfällen, von vor zwölf Jahren weitestgehend verlassen. Nur noch wenige Menschen lebten hier und Lugbûrz hatte vor, ihnen so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Er wollte ihre Reise solange er konnte geheim halten. Sicher, früher oder später würden sie auf Menschen treffen und vermutlich auch gegen sie kämpfen, aber je länger er einen solchen Kampf hinauszögern konnte, desto besser. Aus diesem Grund führte er die Meute durch die immer dichter werdenden Wälder von Ithilien. Während des Marsches durch diese Wälder besserte sich Lugbûrz Laune. Das dichte Blätterdach und die untergehende Sonne waren eine gute Kombination. Die dadurch entstehende Dunkelheit bot den Orks einen guten Sichtschutz. Um nicht gehört zu werden, mussten sie sich langsam bewegen.

 

Nach Nächten des Wanderns erreichten sie den großen Strom, welchem sie weiter folgten und nach etwas mehr, als einer Woche erreichten sie die Ausläufer der Emyn Muil, nachdem sie die Fennfelder durchquert hatten. Während der ganzen Reise fanden sie nur zwei Mal die Spur ihrer Feinde. Sie kreuzten die Spuren von einigen Elben und Menschen, diese waren jedoch schon mehrere Tage alt.

„Sieht nicht so aus, als würden sie nach uns suchen.“, hatte Orzâ bemerkt.

Lugbûrz gab ihr Recht. Aus diesem Grund ließ er mit seiner Wachsamkeit nach, nachdem sie die Emyn Muil betreten hatten. Ach dabei hielten sie sich an den Fluss und nach nicht einmal einer Nacht hatten sie den See erreicht, an dem die Wasserfälle des Rauros lagen.

Während die eigentlichen Emyn Muil ein karges und trostloses Gebirge waren, wuchsen am Ufer des Sees Bäume und Sträucher.

Der Morgen graute bereits, als die Orks ihre Zelte aufschlugen. Bevor sie sich schlafen legte, aßen sie noch eine Kleinigkeit. Besorgt besah sich Lugbûrz ihre Vorräte. Sie waren beinahe zwei Wochen unterwegs. Diese Wochen hatten ihre Spuren in ihren Vorräten hinterlassen. Vielleicht würden sie noch eine weitere Woche halten. Sie mussten schon bald auf die Jagd gehen.

Noch bevor die Sonne das Lager der Orks erreicht hatte, befanden sie sich auch schon in den Zelten und schliefen friedlich. Lediglich ein Ork aus jedem Zelt blieb wach um wache zu halten.

Überraschungen

Als Lugbûrz am nächsten Abend erwachte war die Sonne noch nicht ganz untergegangen. Leichte Lichtstrahlen leuchteten durch die Spalten des Zelteingangs. Neben ihm lag Orzâ und schlief noch fest. Der Berg-Ork sah der Orkin eine Zeit lang beim Schlafen zu. Er wusste nicht warum, aber der Anblick beruhigte ihn. Doch dann überwältigten ihn wieder seine sorgen. Er fragte sich, wie es weitergehen sollte. Er wusste, dass sie in jedem Fall Boote brauchten. Um ins Nebelgebirge zu gelangen, mussten sie den großen Strom überqueren. Die Frage war jedoch, ob sie einfach nur ans andere Ufer übersetzen, oder den gesamten Strom entlang fahren sollten.

„Bist du schon lange wach?“, fragte Orzâ plötzlich. Die Orkin war aufgewacht, während Lugbûrz in Gedanken war.

„Nein, noch nicht.“, antwortete der Ork. „Ich bin auch gerade erst wach geworden.“

Um die beiden Orks herum erwachten allmählich ihre Kameraden. Ein ruhiges Gespräch wurde somit unmöglich. Und wie es bei Orks auf engem Raum so ist, kam sehr schnell der erste Streit auf. Nur Lugbûrz schnelles Eingreifen verhinderte schlimmeres. Er schnappte sich die beiden Streithähne und warf sie brüllend aus dem Zelt. Sofort versammelten sich alle Orks vor den Zelten. Die beiden streitenden hatten ihre Meinungsverschiedenheit schnell vergessen, zogen ihre Schwerter und griffen Lugbûrz an. Der Berg-Ork wich den Angriffen aus und zog sein eigenes Schwert. Rasch hatte er seine Gegner entwaffnet und schließlich besiegt. Nachdem sich die beiden Kampforks unterworfen hatten, eröffnete Lugbûrz allen anwesenden seinen Plan Boote zu bauen.

Wie er erwartet hatte, kam sein Plan nicht sehr gut an. Orks hassten Wasser. Aufgrund des Mangels an Wasser hatten sie nie Schwimmen gelernt. Auch wussten sie nicht sehr viel über das bauen von Booten.

Aber die Orks wagten keinen Widerspruch und machten sich daran Bäume zu fällen, um daraus Boote zu bauen.

 

Sie brauchten etwa zwei Wochen, ehe sie vier lange Boote aus den Holzstämmen geschnitzt hatten. Ihre Nahrungsrationen hatten sie, trotz Rationierungen aufgebraucht. Am Ende mussten sie sich kleine Nagetiere fangen und hatten sogar begonnen Wurzeln, Nüsse und sogar Beeren zu essen. Doch die Arbeit hatte sich gelohnt. Alle vier Boote waren groß genug, um jeweils sechs Orks aufzunehmen. Lugbûrz hoffte nur, dass die Boote auch schwimmen würden.

Langsam ließen sie die Boote zu Wasser und tatsächlich blieben sie oben. Aber nun mussten sie die Probe aufs Exempel machen. Wie sah es mit Gewicht aus? Lugbûrz ordnete an, dass sich die schwersten Orks in ein Boot setzen sollten. Zwar waren die betreffenden Orks nicht sehr begeistert darüber, aber sie gehorchten. Das Boot schwankte gefährlich, als sich die Orks hineinsetzten, aber es hielt das Gewicht.

Dann sagte Lugbûrz: „Gut, raus da. Wir teilen uns auf.“

Danach teilte er die Meute auf die vier Boote auf. Jeder Berg-Ork erhielt das Kommando über ein Boot. Nur das letzte stand unter dem Kommando eines gewöhnlichen Kampforks.

Als alle Boote voll besetzt waren, stießen sich die Orks mit langen Ästen vom Ufer ab. Mit den Ästen ruderten sie zuerst zum Westufer. Dabei ruderten sie angestrengt gegen die starke Strömung der Wasserfälle an.

Am Westufer angekommen, begaben sie sich sogleich auf die Jagd nach Wild. Diese Seite des Flusses war wesentlich fruchtbarer, als die andere. Somit gab es hier auch mehr Wild. Binnen zwei Stunden hatten sie zwei Hirsche erlegt, welche sie sogleich zerlegten und aufteilten. Damit würden sie zumindest ein paar Tage auskommen. Danach ruderten sie den Fluss hinauf nach Norden. Sie kamen nur langsam voran, da sie entgegen der Strömung fuhren. Außerdem mussten sie tagsüber rasten, da die Sonne sie zu sehr schwächte. Dazu kam noch die Nahrungsbeschaffung. Dies alles führte dazu, dass sie fünfzehn Nächte brauchten, um die Reise auf dem Fluss zu bewältigen. Am Ende bogen sie in einen Nebenfluss des Anduin ab: den Limklar. Sie folgten dem Fluss bis die Sonne aufging. Dann legten sie am Nordufer an und schlugen ihr Lager auf. Im Osten konnten sie bereits das Nebelgebirge sehen. Das Land auf dem sie sich befanden war karg. Das Gras war von der prallen Sonne im Laufe der Jahre gebleicht worden. Auf der Erde lagen überall kleine und große Felsen verstreut. Sanfte Hügel umgaben die Anlegestelle der Orks. Neben den Nebelbergen in der Ferne, sahen sie auch die Ausläufer des Fangorn Waldes und der Wälder von Lorien. Zu jener Zeit waren beide Waldreiche sehr viel größer als zu Zeiten des Ringkrieges. Sie wuchsen dicht beieinander und nur eine schmale Gasse trennte die beiden. Diesen Weg würden die Orks nehmen.

Kaum hatten sie das Lager aufgeschlagen und sich in die Schlaffelle gelegt, schmiegte sich Orzâ wieder an Lugbûrz, so wie an jedem Tag. Dem Ork war klar, dass sie seine Gefährtin würde, sobald die Meute eine Heimat gefunden hatte. Er fand diesen Gedanken seltsam. In Mordor waren Orkpaare sehr selten. Das Land war zu groß und die Orks zu sehr von Sauron beeinflusst. Die Orkfrauen wurden vor allem dazu benutzt, um neue Orks zu gebären. Monogamie war dort fehl am Platz. Sauron wollte das Blut aller Orks so gut es ging vermischen. Aber in der Einsamkeit des Nebelgebirges würde sich Lugbûrz Orzâ als Gefährtin nehmen.

 

Er lauter schrei holte Lugbûrz aus seinen Träumen und sogleich fand er sich Auge in Auge mit einer Schwertspitze. Geradeso schaffte er es seinen Kopf zur Seite zu legen, sodass das Schwert neben ihm in die Erde fuhr. Lugbûrz brüllte auf, packte den Attentäter, einen Menschen, und warf ihn zu Boden. Dann trat er mit seinem Fuß auf den Kopf seines Gegners ein, bis dieser zerbarst. Die anderen Orks kämpften ebenfalls mit Menschen. Da Lugbûrz bereits einen getötet hatte, waren die Menschen nur noch zu dritt und somit hoffnungslos in der unterzahl. Sie hatten keine Chance gegen eine wütende Orkmeute, selbst wenn sie noch halb im Schlaf kämpfte, anzukommen.

Als die Menschen niedergestreckt waren, verließen die Orks das Zelt. Sofort gingen sie in die Knie. Zu stark war die Sonne, als das sie auch nur einen vernünftigen Schritt machen konnten. Auch aus dem anderen Zelt kamen die Orks gelaufen. Ihre Kleidung war ebenfalls blutverschmiert. Demnach hatten auch sie es mit den Menschen zu tun bekommen. Vor den Zelten lagen die beiden erschlagenen Wachen. Ihre Schädel waren gespalten worden.

„Verluste?“, fragte Lugbûrz Ratznêk, welcher im anderen Zelt schlief.

„Eine Orkfrau ist tot.“, antwortete er. „Ansonsten nur leichte Verletzungen.“

„Gut. Ab in die Zelte und versorgt die Wunden.“, befahl Lugbûrz.

In der Dunkelheit der Zeltplanen ging es den Orks sogleich besser. Endlich konnte Lugbûrz wieder klare Gedanken fassen. Er fragte sich, woher diese Menschen auf einmal gekommen waren und ob es noch mehr von ihnen in der Nähe gab. Vielleicht hatten sie ja auch ein Lager. Der Ork beschloss, sobald die Sonne schwächer wurde einen Suchtrupp aufzustellen, der die Umgebung erkunden sollte. Es wäre doch gelacht, wenn sie auf diese Weise nicht herausfänden, wo die Menschen hergekommen sind.

 

Es war früher Abend als Lugbûrz der Ansicht war, dass die Orks sich in die Sonne wagen konnten, ohne gleich der Ohnmacht nahe zu sein. Rasch stellte er einen Erkundungstrupp zusammen, der aus insgesamt fünf Orks bestand. Er selbst und auch Orzâ gehörten natürlich dazu.

Die übrigen Orks sollten unter der Aufsicht Ratznêks das Lager abbauen und sich Reise fertig machen.

Lugbûrz führte seine Orks über die umliegenden Hügel. Dahinter entdeckten sie das Lager der Menschen sofort. Nur wenige hundert Meter standen drei Zelte. Sie waren im Kreis aufgestellt. In der Mitte befand sich eine Feuerstelle, die allerdings schon lange erloschen war. Lugbûrz vermutete, dass Lager der Menschen deswegen nicht bemerkt hatten. Langsam schlichen sie auf das Lager zu. Als sie näher kamen, erkannten sie, dass die Zelte zu klein waren, um noch weitere Menschen zu verstecken. Alle drei Zelte waren auf zwei Personen zugeschnitten und getötet hatten die Orks sieben. Somit war es in einem der Zelte ziemlich eng geworden. Trotzdem ließen sie Vorsicht walten. Erst als die die Zeltplanen zur Seite schlugen, sahen sie, dass die Zelte verlassen waren. Auf der Erde lagen Schlafsäcke und Taschen herum. Die Taschen wurden sofort nach etwas brauchbarem durchsucht. Was sie fanden war lediglich etwas Trockenfleisch, ein paar Wasserschläuche und, zu ihrem großen entsetzen, Halsketten aus Orkzähnen und sogar Orkohren. Sie hatten also gerade eine Gruppe von Orkjägern ausgeschaltet.

Lugbûrz brüllte seinen Schmerz über diese sinnlosen Tode seiner Brüder und Schwestern in die Ödnis hinaus. Es war das schreckliche Gebrüll eines wütenden Orks. Tobend schlug der Berg-Ork auf die Zelte ein und zerlegte sie binnen kürzester Zeit in ihre Einzelteile. Orzâ und die übrigen Orks wichen zurück.

Erst als alle Zelte zerstört und Lugbûrz sich abreagiert hatte, kamen die Orks wieder auf ihn zu. Der Berg-Ork befahl zwei Orks, ins Lager zu gehen und die übrige Meute zu holen.

Als sie mit Ratznêk und den anderen Orks zurückkehrten, gab Lugbûrz den Befehl zum Aufbruch.

Eine neue Heimat

Nach zwölf weiteren Nächten Reise erreichten Lugbûrz und seine Orks die Ausläufer des Nebelgebirges. Der Baumbestand wurde deutlich weniger, je höher die Orks kletterten, bis er schließlich ganz aufhörte.

Die Orks waren bei bester Laune. Im Gebirge liefen sie keine Gefahr mehr, auf ganze Horden von Menschen oder Elben zu treffen. Dennoch war ihre Reise noch nicht zu ende.

Nahrung fanden sie im Überfluss. Das Gebirge war voll mit Steinböcken und sonstigen Gebirgstieren. Ihre Zelte waren auf dem steinigen Boden nutzlos, doch fanden sie mehr als genug Höhlen, die zwar nicht zum dauerhaften wohnen taugten, aber zum einmaligen schlafen allemal.

In der neunten Nacht bedeutete Lugbûrz den Orks plötzlich anzuhalten.

„Was ist los?“, fragte Orzâ.

„Hörst du es nicht?“, fragte er.

Sie spitze die Ohren. Da hörte sie, was Lugbûrz meinte. Etwas großes bewegte sich auf sie zu.

„Macht euch kampfbereit.“, befahl der Berg-Ork und zog sein Schwert. Die übrigen Orks taten es ihm gleich. Nun bebte die Erde geradezu. Kurz darauf wussten sie auch warum. Es waren Trolle. Dem Geruch nach zu urteilen, den nun alle Orks deutlich wahrnehmen konnten, waren es drei. Plötzlich sprangen die Trolle, es handelte sich um Steintrolle, von einem hohen Felsvorsprung herab. Laut brüllend landeten sie, Keule schwingend zwischen den Orks. Vor Überraschung brüllend stoben die Orks auseinander. Während die meisten vor den Trollen flohen, sprang Lugbûrz auf einen zu und hieb mit seinem Schwert nach dessen Bein. Die scharfe Klinge des Orks drang kaum durch die Hautschicht seines Gegners. Dennoch bereitete der hieb dem Troll schmerzen. Er schlug mit der Pranke nach Lugbûrz, doch dieser duckte sich weg und schlug nach dessen Fuß.

Nun sprangen weitere Orks herbei und eilten ihrem Anführer zu Hilfe. Sie schlugen mit Schwertern, hieben mit Äxten und stachen mit Speeren nach den Trollen, bis sich diese zurückzogen. Doch Lugbûrz ließ sich nicht abwimmeln. Er sprintete den Trollen hinterher, sprang einem auf den Rücken und kletterte an ihm hoch. Als er den Nacken des Trolls erreichte, hob er sein Schwert und stach zu. Er trieb seine Klinge zwischen die Halswirbel des Trolls, bis sie seine Luftröhre erreichte und auch sie durchstieß. Schwarzes Blut sprudelte aus der Wunde, als Lugbûrz sein Schwert wieder herauszog. Der Troll röchelte und begann zu taumeln. Der Ork sprang gerade rechtzeitig vom Rücken des Monsters, ehe es tot zu Boden fiel. Die Orks jubelten triumphierend.

Nachdem Lugbûrz mehrmals tief durchgeatmet hatte, fragte er: „Wie viele Verluste?“

Orzâ sah sie um. Dann antwortete sie: „Fünf Tote, darunter eine Frau. Ansonsten fehlen noch acht Orks. Fünf Männer und drei Frauen.“

Erschrocken sah sich Lugbûrz um und zählte ebenfalls nach. Tatsächlich: von einst fünfundzwanzig Orks, welche aus Mordor aufgebrochen waren, waren nur noch neun übrig. Er selbst und Orzâ mitgerechnet. Von nun an mussten sie wirklich aufpassen. Einen weiteren Troll angriff überlebten sie gewiss nicht.

Sofort gab Lugbûrz den Befehl zum Aufbruch. Um die geflohenen Orks kümmerte er sich nicht. Er hoffte, dass sie die Trolle, sollten noch weitere in dieser Gegend leben von ihnen ablenken würden.

 

 

In der zweiten Nacht, nach dem Angriff der Trolle hörten sie zum ersten Mal das bekannte stampfen großer Füße hinter sich. Sie wurden verfolgt. Sofort trieb Lugbûrz seine geschrumpfte Truppe noch mehr zur Eile an. Er ließ sie bis weit in den Tag hinein laufen und noch lange vor und Sonnenuntergang wieder aufbrechen. Zwar kamen sie in der Sonne nur langsam voran, doch sie wollten den Abstand zwischen sich und den Trollen soweit vergrößern wie es ging. Und die Trolle mussten noch vor der Morgendämmerung eine Höhle gefunden haben, wenn sie nicht zu Stein werden wollten. Dies gereichte den Orks nur zum Vorteil. Ein Vorteil der Trolle waren jedoch ihre längeren Beine, mit denen sie schnell aufholen konnten. So kam es, dass sich Orks und Trolle eine Wochenlange Verfolgungsjagd lieferten, ohne dass sich der Abstand zwischen beiden Gruppen groß veränderte.

Als schließlich der zweite Monat, nachdem die Orks das Gebirge betreten hatten anbrach, trafen sie auf ein neues Hindernis.

Die Trolle noch immer im Rücken, sahen sie sich plötzlich Auge in Auge mit einem ganzen Ork-Clan. Die Hauptleute des Clans bestanden aus Berg-Orks. Den Hauptteil des Clans machten die kleinen Snagas aus. Sie wurden für alle gröberen Arbeiten missbraucht, die anfielen. Sie bauten Tunnel, bedienten die großen Berg-Orks und zogen auch in den Kampf, sofern dies nötig war. Kampforks gab es keine.

Ein wahrhaft großer Berg-Ork, mit pechschwarzer Haut und verfilzten Haaren und in einer alten Lederrüstung kam auf sie zu geschritten und grinste. „Sieh mal an, was haben wir denn da?“, höhnte er. „Ein paar Reisende, ohne Essen und ohne Wasser und mit Trollen im Genick.“

Der Clan lachte grölend. Als sich die Orks wieder beruhigt hatten, fuhr der große Ork grinsend fort: „Ihr sitzt ganz schön in der Scheiße, wisst ihr das?“

„Ihr ebenso.“, entgegnete Lugbûrz. „Schließlich haben wir die Trolle genau zu euch gelockt.“ Er bemühte sich nicht anmerken zu lassen, wie angespannt er war.

Der Orkhäuptling grinste noch breiter. „Wirklich?“ Er hielt drei Finger in die Luft. Im Sekundentakt klappte er einen Finger nach dem anderen ein. Als der letzte Finger eingeklappt war, bebte die Erde und es polterte und krachte so laut, als würde der Schicksalsberg ausbrechen. Lugbûrz und die seinen hatten sichtliche Probleme, das Gleichgewicht zu halten. Gleich drei von ihnen fielen zu Boden.

„Was…?“, fragte Orzâ erschrocken.

„Die Trolle sind in eine unserer Fallen getappt. Die stören uns nicht mehr.“ Nun grinste er bis über beide Ohren. „Und was euch angeht“, fuhr er fort, „ein paar neue Sklaven kann ich immer gebrauchen und eine neue Frau ebenso.“, fügte er hinzu und schaute Orzâ lüstern an.

Die Orkin fauchte abwehrend. Lugbûrz brüllte laut, zog sein Schwert und schlug nach dem Orkhäuptling. Dieser schaffte es auszuweichen und streckte eine Hand nach hinten aus. Ein anderer Berg-Ork warf ihm einen großen Hammer zu, den er sogleich packte und mit ihm nach Lugbûrz schlug. Der Ork wich zur Seite aus und hieb erneut nach dem Häuptling. Dieser parierte den Schlag mit dem Griff des Hammers. Danach schlug er nach Lugbûrz Kopf. Der Ork duckte sich unter der Waffe weg und hieb gleichzeitig nach dem Bauch des Gegners. Problemlos schnitt die scharfe Klinge durch das alte Leder, die Haut und das Fleisch des Orkhäuptlings. Dieser jaulte vor Schmerz auf und ging in die Knie. Bei dem Versuch, seine Gedärme davon abzuhalten seinen Körper zu verlassen, ließ er den Hammer fallen. Nun war es Lugbûrz der grinste, als er seinem Gegner den Schädel spaltete.

Der siegreiche Berg-Ork baute sich über dem toten Körper seines Gegners auf und brüllte: „Ich bin Lugbûrz, der Berserker! Kommandant der Berserker des dunklen Turms! Ich habe euren Anführer getötet und mir das Recht erworben diesen Clan zu führen! Wer möchte mich herausfordern?!“

Zwei Berg-Orks meldeten sich. Lugbûrz tötete die beiden Clan-Orks schnell. Ihr Tod sollte ein Exempel sein. Nach diesen kämpfen wagte keiner mehr Lugbûrz herauszufordern. Damit wurde sein neuer Status als Häuptling bestätigt.

„Wir haben es geschafft.“, sagte Orzâ, als sie zu Lugbûrz geschritten kam. „Wir haben ein zuhause.“

„Ja.“, bestätigte der Ork. „Ein zuhause.“

Rache

Seit ihrer Ankunft im Nebelgebirge sind beinahe zwei Jahre vergangen. Jahre, die Lugbûrz gut genutzt hatte. Seine Gefährtin Orzâ hatte ihm einen Sohn geboren. Ein Prachtexemplar der orkischen Rasse. Dunkelbraune Haut, rote Augen und ein kräftiger Körper. Auch kannten sich Lugbûrz und seine zugewanderten Orks mittlerweile gut in der Umgebung ihrer Heimathöhlen, die sich tief in die Berge erstreckten, aus. Sie wussten nun, dass sie sich nahe dem Fuße des Gebirges, in der Nähe der Schwertelfleder befanden. Auch hatten sie ihre Rüstungen an die neue Umgebung angepasst. Ihre alten Metallrüstungen bewahrten sie in morschen Truhen auf. Ihre neuen Rüstungen bestanden aus Leder. Gefertigt aus der Haut jener Trolle, welche Lugbûrz und die seinen einst durch das Gebirge gejagt hatten. Lugbûrz trug einen Lendenschurz, Arm- und Beinschienden und Schulterplatten, welche mit Lederriemen an Armen und Brust festgeschnallt wurden. Dazu einen gewölbten Ovalschild aus Holz. Sein altes Schwert trug er noch immer.

Seine Kameraden aus Mordor trugen nun ähnliche Rüstungen. Unterschiede gab es nur in den Details, was das Aussehen der Schulterplatten oder der Schienen anging. Die weiblichen Orks ließen meist die Schulterplatten weg und trugen dafür lederne Oberteile. Manche von ihnen, sowie Orzâ trugen bauchfrei. Seine Orks hatten sich wunderbar in die Hierarchie des Clans eingefügt. Ratznêk hatte als Berg-Ork einen Kommandoposten inne. Orzâ, als die Gefährtin des Häuptlings sowieso. Die Kampforks standen zwar nicht auf einer Stufe mit den großen Berg-Orks, aber immer noch über den kleinen Snagas. Diese waren tüchtige Arbeiter. Unter Lugbûrz‘ Leitung hatten sie die Wohnhöhlen ausgebaut. Sie hatten die Böden und die Wände glattgeschliffen, sodass sie nun selbst für Menschen und andere Rassen Mittelerdes recht wohnlich aussahen. Zwar waren die Höhlen nicht so imposant wie die Bingen der Zwerge, aber für einen Ork-Clan reichte es vollkommen.

Ein weiterer von Lugbûrz‘ Verdiensten war der rege Austausch von Informationen mit den benachbarten Clans. Auf diese Weise erfuhr Lugbûrz, dass eine große Gruppe Menschen im Osten des Nebelgebirges nach Norden reiste. In nicht einmal zwei Wochen würden sie an den Schwertelfeldern sein. Diese würden die Orks in acht Nächten erreichen. Unter normalen Umständen, würde Lugbûrz diese Menschen in Frieden lassen, doch etwas erregte seine Aufmerksamkeit. Diese Menschen trugen ein Königliches Banner. Die Orks des Nebelgebirges wussten das nicht, doch Lugbûrz erriet es, nachdem sie ihm das Wappen beschrieben hatten. Es war jenes Wappen, welches auch vor zwei Jahren auf der Ebene von Gorgoroth wehte. Ein Wappen, welches für den Tod unzähliger Orks verantwortlich war. Somit befahl er den Orks: „Macht eure Waffen bereit, packt Essen und Trinken für drei Wochen ein. Wir marschieren in die Schwertelfelder.“

Der Clan tat wie ihm geheißen. Noch in derselben Nacht, packten die Orks alles zusammen, was sie brauchten. Ebenso Orzâ.

„Nein, du nicht.“, sagte Lugbûrz, als er sah, wie sie gerade Vorräte einpackte. „Du musst hierbleiben und dich um unseren Sohn kümmern.“

„Das kann nicht dein Ernst sein.“, rief sie aus. „Ich habe ebenso das Recht, an diesem Kampf teilzunehmen wie du. Auch ich habe Verwandte und Freunde an diese Kreaturen verloren.“

„Ja, hast du.“, gestand Lugbûrz. „Aber unser Sohn braucht dich jetzt. Dies werden nicht die letzten Menschen sein, gegen die wir kämpfen. Und außerdem muss einer von uns den Clan führen, solange ich weg bin.“

„Was ist mit Ratznêk?“, fragte Orzâ.

„Der kommt mit mir. Ebenso wie alle Berg-Orks. Nur die Kampforks und die Snagas bleiben. Damit will ich vor allem verhindern, dass sie sich gegen uns verbünden und dich töten, während ich weg bin.“

Sie stritten noch lange weiter, doch am Ende konnte sich Lugbûrz behaupten und Orzâ dazu bewegen, nicht mitzugehen.

Schon in der nächsten Nacht brachen die Berg-Orks auf.

 

 

Die Orks lagen gut verborgen im Hinterhalt und beobachteten die Menschen, die auf ihren Pferden einen Weg durch das sumpfige Gebiet suchten. An der Spitze des Trupps ritt ein Mann in prächtiger Rüstung um dessen Hals etwas leicht golden schimmerte. Auf seiner Brust prangte das Königliche Wappen. Ebenso auf den nicht weniger prächtigen Rüstungen von drei jüngeren Reitern. Lugbûrz erkannte den Mann an der Spitze. Es war derselbe Mensch, der einst die Gelegenheit hatte, den Einen Ring zu vernichten und sie nicht genutzt hatte. Er nahm zu Recht an, dass es sich bei den drei jüngeren Reitern um dessen Söhne handelte.

Brüllend sprang Lugbûrz aus seiner Deckung. Im folgten dutzende Berg-Orks zu beiden Seiten des Weges. Sie stachen und hieben mit ihren Waffen nach Reitern und Pferden und brachten sie so zu fall. Doch es waren viele Menschen. Viele schafften es, sich aufzurichten und den Kampf aufzunehmen. Lugbûrz kämpfte sich zu der Spitze des Menschentrupps durch. Er wollte die Anführer. Und da standen sie auch schon. Die drei jüngeren wehrten sich tapfer gegen die Berg-Orks. Doch sie hatten nicht mit Lugbûrz gerechnet. Der große Ork stürzte sich wild brüllend auf sie und trieb sie mit seinen Hieben immer weiter zurück. In seiner Wildheit nahm es Lugbûrz mit allen drein auf. Er wehrte Angriffe ab, wich ihnen aus, trat und schlug nach den Menschen. Zwei schleuderte er zu Boden, dem dritten rammte er sein Schwert in den Bauch, sodass dieser röchelnd zusammensackte.

„Aratan!“, rief einer der beiden übrigen und sprang auf. Sogleich wurde er von Lugbûrz enthauptet.

Der letzte schrie laut „Nein!“, ehe er auf Lugbûrz zustürmte. Es war ein vergeblicher angriff. Der Ork schlug ihm mit dem Schild das Schwert aus der Hand und spaltete ihm den Schädel. Dann begab er sich auf die Suche nach dem wahren Anführer der Menschen. Er sah dessen totes Pferd, aber keine Leiche des Mannes. Wut entbrannt sah sich Lugbûrz um und warf sich wieder in die kämpfende Meute. Auf seiner Suche nach diesem Mensch erschlug er so manchen Soldaten. Dann streifte sein Blick den Fluss und da sah er plötzlich den Körper dieses Mannes auftauchen. Er lebte noch.

Lugbûrz brüllte wütend auf und suchte nach Pfeil und Bogen. Er fand beides bei einem toten Menschen. Danach rannte er zum Fluss und schoss mehrere Pfeile ab. Drei davon trafen, töteten den Mann und färbten das Wasser um ihn herum rot.

Es dauerte nicht lange, da hatten die Orks jeden Menschen und jedes Pferd erschlagen. Sie selbst hatten zwei Brüder verloren und fünf waren verletzt. Lugbûrz fand, dass es weitaus schlimmer hätte kommen können. Schließlich waren die Menschen in der Überzahl gewesen. Lugbûrz befahl seinen Orks ihre toten ins Moor zu werfen. Die Menschen sollten sie liegen lassen. Danach kehrten sie heim ins Nebelgebirge.



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