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Der verschollene Reinblüter

von

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Prolog

Prolog

"Ichio-sama." Der junge Mann schaut überrascht den Senator an, der sich bei seiner Rückkehr in die kleine Pension in Irland in seinem Zimmer aufhält. "Was führt sie hierher?"

Asato Ichijo mustert ihn mit kühlem Blick. "Ich habe einen neuen Auftrag für dich. Hier steht alles drin, was du wissen musst." Er reicht ihm einen dicken Umschlag.

Neugierig holt Ryu die Unterlagen heraus und überfliegt die erste Seite. "Sie verlangen, dass ich den Reinblüter Kaname Kuran an der Cross-Academy ausspioniere?"

"Ich brauche jemanden, der dort als meine Augen und Ohren fungiert. Wie du vielleicht weißt, hat Kaname die alleinige Kontrolle über die Schule übernommen. Und seitdem dringen absolut keine Informationen mehr zum Senat durch. Ich habe bereits alles in die Wege geleitet, dass du dich umgehend auf den Weg machen kannst. Verhalte dich unauffällig, dass niemand den wahren Grund deines Aufenthaltes dort herausfindet."

Einige Stunden später sitzt Ryu bereits in einem Flugzeug und fährt anschließend mit dem Zug weiter zu seinem neuen Zielort.

"Da bin ich also." Ryu steht am Fuß der langen Treppe, die zum Schulgelände hinaufführt. "Ob man mich wohl schon erwartet? Na, ich werde es einfach herausfinden." Er nimmt seinen Koffer und steigt Stufe für Stufe hinauf.

Als er oben ankommt, tauchen vor ihm zwei Personen auf. Ein Mann mit lockigen schwarzen Haaren und irgendwie stechendem Blick. Über einem Auge trägt er eine Augenklappe, auf dem Kopf einen Cowboyhut und einen langen Mantel. Der Andere sieht noch recht jung aus. Er hat silberne Haare und blasslila Augen. Von beiden spürt er eine gewisse Gefahr ausgehen, weshalb er vermutet, dass sie die Vampirjäger sind. Toga Yagari und Zero Kiryu, ihre Namen hatten auch in den Unterlagen gestanden.

"Bist du der neue NightClass-Schüler?" Yagari mustert ihn eingehend. "Na los, komm mit."

Die beiden führen ihn bis vor das Büro des Rektors. Yagari öffnet die Tür. "Er ist da."

"Schön, lass ihn reinkommen."

Beim Eintreten schaut Ryu sich rasch um und richtet seine Aufmerksamkeit dann auf den Mann, der hinter dem Schreibtisch sitzt. Kaien Cross - der legendäre Vampirjäger, der sich aber offiziell aus dem Gewerbe zurückgezogen hat.

"Wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Ryu Tsubasa. Es freut mich, dass sie mich an ihrer Schule aufgenommen haben."

"Und wir freuen uns über jeden Zuwachs in unserer NightClass", erwidert der Rektor mit fröhlich klingender Stimme. "Zero, wärst du so freundlich, ihn zum Mondwohnheim zu begleiten? Kaname wird sich dann um alles weitere kümmern."

Zero murmelt etwas unverständliches, macht aber eine auffordernde Geste.
 

"Du scheinst nicht begeistert davon zu sein, dass Vampire an dieser Schule unterrichtet werden", bemerkt Ryu, während er ihm über das Schulgelände folgt. "Liegt es daran, weil deine Eltern von der Reinblüterin Shizuka Hiou umgebracht wurden? Und dein Bruder, Ichiru..."

"Halt die Klappe." Zero hat sich blitzschnell umgedreht und ihn am Kragen gepackt. "Kein Wort mehr davon, verstanden?"

"Schon gut, tut mir leid." Ryu befreit sich vorsichtig aus seinem Griff. "Ich kann verstehen, dass du eine Abneigung gegen uns hast. Aber warum gehst du dann nicht von hier weg? Gibt es einen Grund, warum du bleibst?"

"Das geht dich gar nichts an." Zero wendet ihm wieder den Rücken zu. "Dahinten musst du hin, das schaffst du sicher auch allein." Ohne ein weiteres Wort lässt er ihn stehen.

Seufzend setzt Ryu seinen Weg allein fort, bis er vor dem Mondwohnheim steht und öffnet einen der beiden Türflügel. Die Eingangshalle liegt verlassen vor ihm. "Hallo, ist jemand hier?"

"Oh, du bist schon da?" Ein junger Mann mit blonden Haaren und grünen Augen kommt eilig die Treppe herunter. "Entschuldige, ich wusste nicht genau, wann du ankommen würdest, sonst hätte ich dich natürlich begrüßt. So, komm bitte mit, ich bringe dich zu Kaname."

Auf dem oberen Flur vor einer Tür bleibt er stehen und klopft. "Kaname?" Er wartet einige Minuten und klopft dann erneut. "Kaname, der neue Schüler ist angekommen. Du wolltest doch Bescheid wissen."

Wieder passiert nichts.

"Äh, das tut mir jetzt wirklich sehr leid." Der Blonde wirkt eindeutig verlegen. "Ich war mir sicher, dass..."

"Zeig mir doch einfach mein Zimmer", schlägt Ryu vor. "Dann kann ich meine Sachen schon mal auspacken."

"Ja...na gut, hier entlang." Er führt ihn zu der letzten Tür auf der linken Seite. "Deine Schuluniformen hängen im Schrank, der Unterricht beginnt in drei Stunden. Und wenn du noch irgendwas brauchst, sag es mir einfach."

"Danke." Ryu schließt die Tür und dreht den Schlüssel im Schloss, um nicht gestört zu werden. Nachdem er den leeren Koffer auf dem Schrank verstaut hat, streckt er sich auf dem Bett aus. "Ich werde wohl erst heute Abend Kaname Kuran treffen. Auf die Begegnung freue ich mich schon."
 

"Yuki." Kaname streicht seiner Schwester sanft über die langen braunen Haare. "Es wird Zeit aufzuwachen. Der Unterricht beginnt bald."

"Hmmm." Sie öffnet schläfrig die Augen und blinzelt ein paar Mal. "Kaname..." Dann setzt sie sich erschrocken auf, als sie das Licht der untergehenden Sonne erblickt. "Oh je! Ich habe schon wieder verschlafen, nicht wahr?"

"Nein." Er legt seine Arme um sie und drückt sie an sich. "Ein bisschen Zeit haben wir noch."

"Tut mir leid." Sie schmiegt ihr Gesicht an seine Brust. "Ich habe mich einfach noch nicht an die Umstellung gewöhnt."

"Du brauchst dich für nichts entschuldigen."

Einen Moment hält er sie noch fest, dann löst er sich von ihr und steht auf. "Zieh dich in Ruhe an, ich warte draußen auf dich."

Auf dem Flur lehnt er sich an die Wand, nur ein paar Minuten später kommt auch Yuki durch die Tür.

Ryu steht ein wenig abseits von all den anderen Vampiren unten in der Eingangshalle. Er schaut zur Treppe, als Kaname und Yuki nebeneinander herunterkommen. "Das ist er. Er ist wirklich etwas besonderes, das spürt man. Und das Mädchen bei ihm hat die gleiche Ausstrahlung. Aber wer ist sie? Den Berichten nach gibt es hier an der Schule doch nur einen Reinblüter."

"Wer ist denn der da?" Aido schaut stirnrunzelnd zu dem Neuling hinüber, betrachtet ihn kritisch. Ryus feine, silberne Haare fallen lang über seinen Rücken, sie sind im Nacken zusammengebunden. Er ist auffallend hellhäutig, sein linkes Auge ist eisblau, sein rechtes kobaltblau.

"Das muss wohl der neue Schüler sein", meint Kain achselzuckend. "Sag bloß, du weißt noch nichts davon?"

"Und wenn schon, so wichtig ist das ja wohl nicht." Demonstrativ dreht Aido sich mit dem Rücken zu Ryu. "Der Typ ist schließlich nichts besonderes, oder?"

"Aber Yuki-sama scheint ihn nett zu finden, ihrem Lächeln nach."

"Was?" Luca´s Worte lassen Aido wieder herumfahren. Er macht ein entrüstetes Gesicht, als Ryu Yukis Hand nimmt und eine leichte Verbeugung vor ihr andeutet. "Was fällt dem denn ein?"

Kain schüttelt seufzend den Kopf. "Komm, es ist Zeit für den Klassenwechsel." Er fasst seinen Cousin am Arm und zieht ihn mit in Richtung Eingangstür.
 

"Es ist mir eine Ehre, euch kennenzulernen, Yuki-sama und Kaname-sama." Ryu verneigt sich leicht vor den beiden Reinblütern. "Und ich bin dankbar, dass ich an dieser ehrwürdigen Schule aufgenommen wurde."

"Nun, ich nehme an, Ichijo hat dich schon willkommen geheißen?", erkundigt sich Kaname, woraufhin Ryu zustimmend nickt.

"Und du wurdest auch über die hier herrschenden Regeln informiert?"

"Natürlich, und ich werde mich daran halten", versichert Ryu.

"Kaname, es warten schon alle", macht Ichijo ihn auf die an den Eingangstüren stehenden Vampire aufmerksam.

"Gut, dann lasst uns gehen."

Ryu folgt ihnen ein wenig langsamer und lässt seinen Blick unauffällig über die anderen wandern. Dabei fällt ihm auf, dass Aido ihn abweisend, beinahe ein wenig feindselig anstarrt. "Hanabusa Aido, bei ihm muss ich vorsichtig sein. Nach dem, was ich weiß, ist er ein Genie und ausgeprochen klug. Und er ist Kaname treu ergeben. Nicht, dass er mich durchschaut und auffliegen lässt."

Wie üblich beginnen die DayClass-Schülerinnen zu kreischen, als sie das Wohnheim verlassen. Und wie üblich zieht Aido seine kleine Show ab. "Wer will von mir erschossen werden? Peng, peng."

"Was veranstaltet der denn für ein Theater? Ich schätze, ich sollte mir wohl noch mal eine neue Meinung über ihn bilden."

Auch Ryu selbst erregt Aufsehen. "Seht mal, da ist ein Neuer. Und er sieht ja auch richtig gut aus."

"Sein Name ist Ryu Tsubasa, meine Damen", stellt Ichijo ihn vor. "Er geht seit heute mit in unsere Klasse."

"Ist das hier etwa jeden Tag so?", wendet sich Ryu mit leiser Stimme an ihn, während sie weitergehen.

"Ja, wir sind eben ziemlich beliebt. Mit der Zeit wirst du dich schon daran gewöhnen."

"Am besten ignorierst du es einfach, wenn es dir zu nervig wird", mischt Kain sich in das Gespräch ein.

"Danke für den Tipp."
 

"Was hältst du von diesem Ryu?" Yagari steckt sich eine Zigarette an, nachdem er und Zero den Klassenwechsel hinter sich gebracht haben. Da Yuki jetzt selbst in die NightClass geht, ist ihre Aufgabe als Vertrauensschülerin vorübergehend an ihn übergegangen. Sehr zu seinem Missfallen.

"Ich weiß nicht, er scheint nicht anders zu sein als die anderen Vampire. Wieso fragen sie?"

"Ich bin nur misstrauisch. Als das letzte Mal eine Schülerin aufgenommen wurde, hat das ja ziemlichen Ärger verursacht. Ganz besonders für dich."

"Maria Kurenai, sie hatte ihren Körper der Reinblüterin Shizuka Hiou überlassen. Um an mich heranzukommen." Bei der Erinnerung daran ballt Zero unwillkürlich die Faust. "Das habe ich nicht vergessen."

Yagari sieht ihn noch einen Moment an, dann bläst er den Rauch in die Luft. "Vielleicht ist der Neuling diesmal ja wirklich so harmlos, wie er tut. So, ich muss gleich Unterricht geben, du wirst also alleine patrouillieren. Oder du fragst den Rektor, ob er dich unterstützt."

"Bloß nicht", schnaubt Zero, was auf dem Gesicht seines früheren Masters ein Grinsen erscheinen lässt.

Bei seinem Rundgang bleibt alles ruhig, und so nimmt er schließlich seine Position vor den Fenstern des Klassenraums ein. Während er dort steht und über das Gelände schaut, tauchen in seinem Kopf Bilder von früher auf, als Yuki ihm hier oben noch Gesellschaft geleistet hat.

"Ist das nicht ein wunderbarer Abend, Zero?" Mit einem strahlenden Lächeln schaut sie ihn an. "Auch heute scheint wieder alles ruhig zu bleiben. Es sind keine Nachtschwärmer unterwegs."

"Yuki", murmelt er leise.

"Tut mir leid, ich bin es nur", dringt eine Stimme in seine Gedanken und lässt ihn zusammenzucken. Kaien hält ihm einen Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit hin. "Ich dachte, du könntest vielleicht etwas zum Aufwärmen gebrauchen."

"Danke." Zero setzt den Becher an seine Lippen und nimmt einen Schluck. "Apfeltee, den hätten sie nicht extra für mich aufbrühen müssen."

"Ach, ich weiß doch, dass du ihn gern magst." Kaien dreht den Verschluss wieder auf die Thermoskanne und stellt sie auf den Boden. Sein Blick wandert zu Zero, der in den Klassenraum hinunterschaut. "Ich glaube, ich werde heute für dich die Rundgänge über das Schulgelände übernehmen. Bleib du hier und beobachte weiter deine liebe Yuki."

"Reden sie nicht so einen Unsinn." Mit einem Ruck wendet sich Zero von den Fenstern ab.

"Ich meine es ernst, Zero. Nimm dir einfach mal ein bisschen Zeit für dich heute und überlass mir deine Aufgabe für diesen Abend."
 

"So, hier sind eure Tests, die ihr letzte Woche geschrieben habt." Yagari legt einen Stapel dreiseitiger Bögen auf den Lehrertisch. "Einer von euch kann sie verteilen."

"Los, geh und hol sie", fordert Luca Aido auf.

"Warum soll ausgerechnet ich das denn machen? Der da, der Neue kann doch genausogut..."

"Aido", unterbricht Kaname ihn.

"Nein, schon gut. Ist überhaupt kein Problem." Bereitwillig steht Ryu auf, um die Testbögen zu holen.
 

"Oh nein." Yuki schaut seufzend auf ihr Ergebnis. "Weniger als die Hälfte Punkte. Dabei habe ich doch so viel gelernt."

"Yuki-sama." Ryu steht noch neben ihrem Sitzplatz. "Ihr solltet nicht so niedergeschlagen sein. Wenn es euch Recht ist, könnte ich euch ein wenig Nachhilfe geben. Dann schafft ihr es beim nächsten Mal bestimmt besser."

"Das kommt überhaupt nicht infrage!", mischt Aido sich ein. "Ich werde Yuki-sama beim Lernen helfen! Schließlich habe ich die volle Punktzahl erreicht!" Demonstrativ hält er seinen Test hoch und deutet auf die rote Zahl in der oberen rechten Ecke. "Keiner ist besser geeignet, Nachhilfe zu geben als ich!"

"Oh je, er läuft ja gerade richtig heiß." Senri knabbert an einem Mikado.

"Ja, das ist beinahe beängstigend." Rima angelt sich ebenfalls ein Stäbchen. "Wenn er nicht aufpasst, geht er noch in die Luft."

"He, ihr beiden!" Aido schaut sie empört an. "Ich kann jedes Wort hören!"

"Seid ihr jetzt endlich fertig?" Yagari verschränkt ungeduldig die Arme. "Dann setzt euch alle auf eure Plätze, wir fangen mit dem Unterricht an."
 

Das Geräusch von Schritten knirscht auf dem Kiesweg. Kaien legt seine Hand um den Griff des Schwertes, das er vorsorglich mitgenommen hat. "Wer ist da?"

"Verzeihen sie die späte Störung." Ein junger Mann tritt ins Licht der Laterne am Wegrand. "Ich bringe eine Nachricht vom Vampirjäger-Verband für sie, Cross-san."

"Ich dachte, der Verband wurde aufgelöst, nach dem Verschwinden des Vorsitzenden."

"Nein. Wir, ich und einige andere, haben uns beraten und entschieden, den Verein weiterzuführen", erklärt der Gesandte. "Demnächst findet auch eine Versammlung statt, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Und wir hatten gehofft, sie würden sich vielleicht für die Stelle zur Verfügung stellen."

"Tut mir leid. Ich bin lediglich der Leiter dieser Schule, mit euresgleichen habe ich nichts mehr zu tun."

"Warten sie, Cross-san. Denken sie noch einmal darüber nach, bevor sie endgültig ablehnen. Ich komme in ein paar Tagen wieder und..."

"Das brauchen sie nicht, ich werde meine Meinung nicht ändern. Und jetzt möchte ich sie bitten zu gehen. Ich werde sie noch zum Schultor begleiten."
 

Ryu seufzt lautlos, als Yagari sein Buch zuklappt und sich zur Tür wendet. "Für heute hab ich´s hinter mir. Bei dieser Mission ist es ja leider notwendig, am Unterricht teilzunehmen. Also werde ich einfach das beste daraus machen."

"Ryu-senpai." Yuki hat sich umgedreht und lächelt ihn offen an. "Wir wollen jetzt in unser Wohnheim gehen. Komm mit uns."

"Gern."

"Was soll das?" Aido verzieht das Gesicht. "Warum lädt Yuki-sama diesen Typen ein, sich uns anzuschließen?"

"Jetzt hör schon auf, dich zu beschweren, Hanabusa. Er scheint doch eigentlich ganz nett zu sein."

"Aber, Akatsuki..."

"Aido." Ryu tritt auf ihn zu. "Ich will hier keinen Ärger verursachen. Also lass uns doch versuchen, miteinander auszukommen - auch wenn du mich nicht leiden kannst."

"Ich denke, er ist einverstanden." Kaname legt dem Blonden eine Hand auf die Schulter - was ihn sichtlich zusammenzucken lässt. "Oder?"

"Na-natürlich, Kaname-sama."

"Wow." Ryu spürt einen kalten Schauer auf seinem Rücken. "Der Wuschelkopf kann einem ja beinahe leid tun. Hoffentlich komme ich nie in eine Situation, wo ich Kaname Kuran gegen mich aufbringe. Er hat wirklich eine ziemlich furchteinflößende Ausstrahlung, wenn er ärgerlich wird. Und wahrscheinlich wird er richtig sauer, wenn er die Wahrheit über mich herausfindet. Das muss ich unter allen Umständen verhindern."

"Ryu." Ichijo ruft ihn, als er die Treppe im Wohnheim hinaufgehen will. "Du musst doch jetzt noch nicht in dein Zimmer gehen." Er deutet auf die Sitzgruppe in der Eingangshalle, wo er mit Yuki, Aido und Kain Platz genommen hatte. "Setz dich doch und erzähl ein bisschen von dir. Wo hast du gelebt, bevor du zu uns gekommen bist?"

"In Irland, ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen", erzählt Ryu von seiner Vergangenheit, bevor er in den Dienst des Vampirsenats getreten ist. "Ich war noch sehr jung und wusste nichts von meiner wahren Natur. Dann traf ich eines Tages ein Vampir. Er erkannte, was ich bin und hat mich mitgenommen. Von ihm erfuhr ich von dieser Schule, und meine Neugier hat mich veranlasst, hierher zu reisen."

"Das ist doch vollkommener Blödsinn!", mault Aido. "Wie kann ein Vampir keine Ahnung haben, dass er ein Vampir ist?"

"Ich wusste es auch zehn Jahre lang nicht." Yuki lässt zwei Bluttabletten in ihr Wasserglas fallen.

"Das war etwas anderes", widerspricht Aido. "Deine - ich meine eure Erinnerungen wurden doch gelöscht. Aber davor war euch eure wahre Natur bewusst."

"Das stimmt. Oh, könnte es nicht sein, dass deine Eltern dich aus einem guten Grund ausgesetzt haben? Vielleicht blieb ihnen keine andere Wahl, um dich vor einer Gefahr zu schützen, Ryu-senpai."

"Leider irrt ihr euch, Yuki-sama. Zu der Zeit, als man mich vor dem Waisenhaus aussetzte, wurde keine Vampirfamilie getötet. Ganz offensichtlich wollten mein Vater und meine Mutter mich einfach nicht." Ryu will einen Schluck von seinem Blutgetränk nehmen, muss aber feststellen, dass die Flüssigkeit tiefgefroren ist. "Was ist das?"

"Bitte lass das doch, Aido", bittet Ichijo ihn.

"Was denn?"

"Ärgere ihn nicht, Aido-senpai", ermahnt Yuki ihn. "Lass Ryu-senpais Getränk wieder auftauen."

Sichtlich schmollend folgt der blonde Vampir der Aufforderung.
 

"Was ziehst du für ein Gesicht?" Yagari steht rauchend vor den Eingangstüren, als Kaien zum Sonnenwohnheim kommt. "Ist irgendwas vorgefallen?"

"Yagari." Der Rektor stößt einen Seufzer aus. "Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du auf dem Schulgelände nicht rauchen darfst."

"Jetzt sag schon, was los ist."

"Na gut. Es war jemand gekommen, ein Bote der übriggebliebenen Vampirjäger", erklärt Kaien. "Sie wollen den Verband wieder aufbauen und suchen einen neuen Vorsitzenden."

"Sag bloß, sie wollen, dass du das machst?" Der schwarzhaarige Hunter bläst eine Qualmwolke in die Luft. "Und, was hast du geantwortet?"

"Ich habe natürlich abgelehnt. Sie werden sicher jemanden finden, der besser geeignet ist als ich."

"Ich bin der Meinung, sie hätten es annehmen sollen, Kaien." Kaname taucht aus der Dunkelheit auf. "Es wäre sicher hilfreich, wenn sie Vorsitzender des Vampirjäger-Verbands werden würden."

"Tut mir leid, Kaname, aber ich habe nicht die Absicht, meine Meinung zu ändern."

"Es ist eben einfach mehr dein Ding, hier den Schulleiter zu spielen." Yagari lässt den Zigarettenstummel auf den Boden fallen und tritt ihn aus. "So, ich geh jetzt schlafen."

"Yagari", ruft der Rektor ihm nach, als er bereits durch die Eingangstüren getreten ist. "Heb doch bitte den Zigarettenstummel wieder auf und wirf ihn in den Müll."
 

"Yuki-sama, ihr solltet allmählich auf euer Zimmer gehen."

"Noch nicht, Aido-senpai", widerspricht sie. "Ich will gern noch mehr über Ryu-senpai erfahren."

"Verzeiht, aber ich würde mich jetzt gern zurückziehen." Ryu leert sein Glas und stellt es auf den Tisch. "Wenn ihr mich bitte entschuldigen wollt?"

"Ich denke, wir alle legen uns jetzt schlafen." Ichijo ist aufgestanden. "Es ist ja schon sehr spät."

"Na los, Hanabusa." Auch Kain erhebt sich und fasst seinen Cousin am Arm.

"Jaja, okay." Aido folgt ihm zur Treppe, dann bleibt er aber noch einmal stehen und dreht sich um. "Kommt ihr jetzt bitte auch, Yuki-sama. Wenn Kaname-sama sieht, dass ihr noch wach seid..."

"Ich weiß, ich weiß. Dann wird er wahrscheinlich mit dir schimpfen, weil du mich nicht schon eher ins Bett geschickt hast. Keine Angst, ich werde ihm sagen, dass ich einfach nicht auf dich hören wollte." Fröhlich lächelnd läuft sie die Stufen hinauf.

Aido gibt ein tiefes resignierendes Seufzen von sich.

"Yuki-sama hat ein ziemlich ungewöhnliches Wesen." Ryu ist neben ihn getreten. "Für einen Vampir und erst recht für einen Reinblüter, nicht wahr?"

"Das geht dich nichts an." Der blonde Vampir wirft dem Silberhaarigen einen kurzen abweisenden Blick zu und stapft ebenfalls nach oben.

"Warte, Aido." Ryu folgt ihm und hält ihn am Arm fest. "Warum bist du so abweisend? Habe ich irgendwas getan, dass du mich nicht leiden kannst?"

"Du gehst mir einfach auf die Nerven", erwidert der Blonde. "Du bist neu hier, tust aber so, als würdest du schon zu uns gehören. Und wie du dich an Yuki-sama herangemacht hast, gehört sich einfach nicht!"

"Tut mir leid, ehrlich. Ich habe nur versucht, Anschluss zu euch zu finden. Wenn ich mich falsch verhalten habe, entschuldige ich mich dafür."

"Äh..." Ein wenig überrumpelt sucht Aido nach passenden Worten. "Achte einfach darauf, dass du dich in Zukunft angemessen verhältst. Und lass mich los, ich will in mein Zimmer."
 

"Das lief doch gar nicht so schlecht." Ryu drückt die Tür hinter sich ins Schloss und dreht den Schlüssel herum. "Zumindest habe ich Aido aus der Fassung gebracht, das ist ein Anfang. Und wenn es mir gelingt, sein Vertrauen zu gewinnen, kann ich viel leichter meinen Job erledigen."

Langsam geht er zum Bett, setzt sich und öffnet die Schublade des Nachtschränkchens. Darin befindet sich ein Buch mit einem kleinen Vorhängeschloß. Er nimmt es heraus, entfernt das Schloß und beginnt zu schreiben.

Die reinblütige Prinzessin Yuki Kuran - Kaname´s jüngere Schwester, wird hier an der Schule versteckt gehalten. Ich kenne die genauen Hintergründe noch nicht, aber offensichtlich wurde wegen eines Vorfalls ihr Gedächtnis gelöscht und sie lebte zehn Jahre lang als Mensch."

Er lässt den Stift sinken, überfliegt noch einmal den kurzen Text und verstaut beides wieder in der Schublade.

"Ich denke, Ichio-sama wird mich kontaktieren, wenn er einen ersten Bericht von mir erwartet", murmelt er leise, während er sich für die Nacht umzieht.
 

"Kaien." Kaname ist dem Rektor in seine Wohnräume gefolgt und hat Platz auf dem Sofa genommen. "Ich werde die Academy heute Nacht für einige Zeit verlassen. Halten sie bitte während meiner Abwesenheit ein Auge auf Yuki."

"Natürlich werde ich das tun, sie ist schließlich meine Tochter." Kaien dreht seinen Becher Tee in den Händen. "Meinst du denn, ihr könnte Gefahr drohen?"

"Das weiß ich nicht, aber womöglich könnte der Senat der Vampire etwas planen. Sie haben sich für meinen Geschmack zu ruhig verhalten in letzter Zeit. Ich werde einige Nachforschungen anstellen, vielleicht gelingt es mir, etwas herauszufinden." Kaname leert seinen Becher und stellt ihn auf den Tisch. "Es wird auch Zeit, dass ich aufbreche. Die anderen NightClass-Schüler und Yuki schlafen jetzt. Sie brauchen nicht zu erfahren, wohin ich gehe und was ich tun werde."

"Pass auf dich auf, Kaname." Kaien schaut ihm nach, als er die Wohnung verlässt. "Und komm auf jeden Fall unversehrt wieder hierher zurück."
 

Nachdem Kaname das Sonnenwohnheim verlassen hatte, schlägt er die Richtung des kleinen Waldstücks ein. Während er zwischen den Bäumen entlanggeht, verlangsamt er seine Schritte und bleibt schließlich stehen. "Ich würde es begrüßen, wenn du einfach sagst, was du von mir willst."

"Was ist mit diesem neuen Schüler, Kuran-senpai?" Zero tritt hinter einem Baum hervor. "Ich weiß, dass der Rektor ihn nicht aufgenommen hätte, wenn du nicht damit einverstanden gewesen wärst. Gibt es etwas, dass ich über ihn wissen sollte?"

"Nein. Es genügt, wenn du einfach weiter deine Aufgabe als Guardian erfüllst. Und jetzt entschuldige mich, ich habe etwas wichtiges zu erledigen."

"Verfluchter Reinblüter", knurrt Zero. "Ich lass mich von dir nicht mehr herumkommandieren, die Zeiten sind vorbei."

"Ach ja?" Langsam dreht Kaname sich um. "Und ich dachte, Yuki bedeutet dir noch etwas, auch wenn sie ihr wahres Wesen wieder entdeckt hat. Dass du sie trotzdem noch beschützen würdest, wenn es notwendig sein sollte. Aber da habe ich mich wohl geirrt."

"Was soll nun wieder heißen? Droht Yuki etwa Gefahr? Rede!"

"Mir fehlt jetzt leider die Geduld und auch die Zeit, dir irgendetwas zu erklären." Kaname wendet sich wieder um. "Tu einfach deine Pflicht, bis ich wieder da bin." Ohne Zero weiter zu beachten, setzt er seinen Weg fort und ist bald in der Dunkelheit verschwunden.
 

"Das ist nicht wahr! Unmöglich! Kaname muss noch auf dem Schulgelände sein!"

Die laute Stimme auf dem Flur weckt Ryu am nächsten Tag am frühen Abend. "Was ist denn da los?", wundert er sich und steht auf, um nachzusehen.

"Ich habe schon überall gesucht", erklärt Ichijo gerade, als er die Tür öffnet. "Aber ich habe ihn nirgendwo gefunden. Tut mir leid."

"Es ist ja nicht deine Schuld." Yuki senkt betrübt den Blick. "Ich verstehe nicht, warum er mir nichts gesagt hat. Wenn er vorhatte, wegzugehen, hätte er doch mit mir darüber reden können."

"Warst du schon beim Rektor? Vielleicht weiß er, wo Kaname-sama ist", schlägt Aido vor. "Kommt, Yuki-sama, lasst uns zu ihm gehen."

"Ja, in Ordnung."

"Was ist denn passiert?", wendet sich Ryu fragend an Ichijo, der noch auf dem Flur steht.

"Oh, guten Morgen, Ryu", begrüßt Ichijo ihn. "Kaname hat anscheinend das Gelände der Cross-Academy verlassen. Wir haben keine Ahnung, wohin er gegangen sein könnte."

"Ach so, ich verstehe. Deshalb ist Yuki-sama so aufgeregt, weil sie sich Sorgen macht. Und Kaname-sama hat wirklich nichts gesagt?"

"Nein, kein Wort. Aber das ist eigentlich nichts ungewöhnliches, er spricht selten über seine Pläne. Nun ja", Ichijo räuspert sich. "Du ziehst jetzt besser deine Schuluniform an, bald ist Unterrichtsbeginn."

Als sich die Tore des Mond-Wohnheims öffnen, beginnt sogleich wieder das Gekreische.

"Idol-senpai! Heute will ich erschossen werden!"

"Nein! Ich!"

Eine Gruppe Schülerinnen drängt sich um Aido, dabei wird ein Mädchen mit honigblonden Haaren und haselnussbraunen Augen zur Seite gestoßen. Sie prallt gegen Ryu, verliert das Gleichgewicht und stürzt zu Boden. "Au."

"Ist alles in Ordnung?" Er hilft ihr aufstehen, sie stolpert aber gleich wieder gegen ihn. "Tut mir leid, aber mein Fuß tut so weh."

"Vielleicht hast du dir den Knöchel verstaucht", meint er, während er sie am Arm hält und stützt. "Lass ihn dir am besten auf der Krankenstation verarzten."

"Warum bringst du sie nicht dorthin, Ryu?", schlägt Ichijo vor. "Sie kann den ganzen Weg unmöglich laufen."

"Wäre es nicht besser, wenn Yagari-Sensei sich um sie kümmert?"

"Nein, das will ich nicht." Das Mädchen schüttelt den Kopf. "Er schaut immer so finster, das macht mir Angst. Bitte, Ryu-senpai."

"Okay, in Ordnung. Halt dich fest, ich werde dich tragen."

Sie nickt und legt die Arme um seinen Hals, als er sie hochhebt.

"Und ihr anderen geht gefälligst in euer Wohnheim", fordert Zero. "Für euch beginnt jetzt die Sperrstunde. Los, macht dass ihr wegkommt."

Nicht wenige von den Mädchen geben Protestrufe von sich, bis Yagari sich einmischt. "Wer in fünf Minuten noch hier steht, bekommt morgen von mir eine Stunde Nachsitzen aufgebrummt."
 

"Warum durfte sich eigentlich der Neue um das Mädchen kümmern?" Aido setzt sich schmollend auf seinen Platz im Klassenraum. "Sie war doch einer von meinen Fans, ich hätte sie ins Krankenzimmer bringen sollen."

"Du hättest doch sicher versucht, sie anzuknabbern. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie du früher immer hinter den DayClass-Schülerinnen her warst. Und dann hast du auch immer Ärger mit Kaname-sama bekommen."

"Das ist Blödsinn! Erzähl nicht so einen Mist, Luca!"

"Tu ich nicht, weil es stimmt", erwidert sie. "Sogar Yuki-sama hast du, als sie noch ein Mensch war..."

"Halt doch den Mund!" Erregt springt Aido auf und macht einen Schritt auf Luca zu.

"Hanabusa." Kain fasst ihn am Arm. "Beruhige dich, lass dich nicht ärgern. Komm, setz dich wieder hin."

Widerstrebend folgt Aido der Aufforderung seines Cousins, jedoch nicht ohne Luca noch einen wütenden Blick zuzuwerfen.
 

Wie üblich hatte Zero nach dem Klassenwechsel seinen Platz außen vor dem Klassenraum eingenommen. Durch die Fenster beobachtet er die NightClass-Schüler.

"Na, ist mit deiner kleinen Schülerin alles in Ordnung?" Yagari steht am Rande des Vordachs, mit einer Zigarette in der Hand.

"Ich denke schon", murmelt Zero abwesend. "Und wenn nicht, ist es mir auch egal. Sie ist ja jetzt eine von denen."

"Und trotzdem machst du dir immer noch Sorgen um sie." Yagari bläst eine Qualmwolke in die Luft. "Du brauchst gar nicht so ein überraschtes Gesicht zu machen. Mir ist schon längst aufgefallen, dass du sie immer beobachtest, wenn du hier oben stehst."

"Ich mach jetzt einen Rundgang." Zero wendet sich von den Fenstern ab und schwingt sich über das kleine Mäuerchen am Rand des Dachs, lässt sich fallen.
 

"Warte jetzt hier, ich hole den Rektor." Ryu wendet sich zur Tür, nachdem er das Mädchen auf einem Bett im Krankenzimmer abgesetzt hat.

"Danke." Sie lächelt schüchtern. "Ich heiße Rika."

"Dann bis gleich, Rika."

Vor den Räumen des Rektors klopft Ryu und bekommt eine undeutliche Antwort. Versuchsweise drückt er den Griff, die Tür ist unverschlossen und er betritt die Wohnung. "Rektor Cross?"

"Hier", dringt Kaiens Stimme aus seinem Badezimmer. "Ich nehme ein Bad. Wer ist denn da? Ist irgendwas nicht in Ordnung?"

"Ich bin der neue Schüler, Ryu Tsubasa. Ein Mädchen aus der DayClass hat sich den Fuß verstaucht. Ich dachte, sie könnten sich um sie kümmern."

"Leider bin ich dazu gerade nicht in der Lage. Sei doch bitte so gut und leg ihr einen Verband an. Und mach dir keine Sorgen wegen dem versäumten Unterricht, das werde ich später schon regeln."

"Na gut, dann geh ich jetzt wieder." Ryu verlässt die Wohnung, auf dem Flur bleibt er kurz stehen und schüttelt den Kopf. "Was denken sich die an dieser Schule nur? Wie konnte Ichijo mich einfach so bitten, einen Menschen ins Arztzimmer zu bringen? Und Kaien Cross, als ehemaliger Hunter sollte er doch nicht so vertrauensvoll zu einem Vampir sein. Aber gut, dann werde ich das Spiel eben mitspielen."
 

Rika hebt den Kopf, als sich die Tür des Krankenzimmers öffnet. Sie hatte bereits Schuh und Strümpfe ausgezogen, ihr Knöchel war gelbgrünlich verfärbt und ein bisschen angeschwollen.

"Ryu-senpai."

"Tut mir leid, der Rektor kann nicht kommen, er ist auf andere Weise beschäftigt. Ich werde deinen Fuß verbinden, wenn du nichts dagegen hast."

"Äh, nein....."

"Gut." Er geht vor in die Hocke und wickelt geschickt den Verband, knotet das Ende fest. "Fertig. Versuch, ob du aufstehen kannst."

Zögernd stellt sie beide Füße auf den Boden und richtet sich vorsichtig auf. "Ich glaube es ist okay. Danke, Senpai. Jetzt will ich dich aber auch nicht länger aufhalten, dein Unterricht hat doch schon angefangen."

"Nein, so wichtig ist das nicht." Ryu streift ihr vorsichtig den Stiefel über den Fuß. "Ich kann ruhig noch ein wenig länger fernbleiben."

"Was, ehrlich?" Rika blinzelt verblüfft, dann beginnt sie leise zu kichern. "Ich hätte nicht gedacht, so etwas mal von einem NightClass-Schüler zu hören."

"Warum findest du das so überraschend?"

"Na ja, ihr alle habt eine besondere Ausstrahlung und irgendwie so ein vornehmes Wesen..." Sie verstummt, eine leichte Röte überzieht ihre Wangen. "Entschuldige, ich rede Unsinn - schließlich seid ihr ja auch nur Menschen..."

"Ich werde dich zu jetzt deinem Wohnheim bringen." Ryu richtet sich auf und wendet sich zur Tür, geht auf den Flur hinaus.

"Warte." Sie läuft leicht humpelnd hinter ihm her.
 

Als sie nach draußen treten, geraten sie in strömenden Regen. Schweigend zieht Ryu seine Uniformjacke aus und hängt sie über ihren Kopf.

"Vielen Dank." Rika hält sie mit einer Hand fest, damit sie nicht herunter rutscht. "Das ist wirklich nett von dir."

"Du würdest ja sonst ganz nass werden."

"Ja, aber du doch auch", erwidert sie. "Und es ist ziemlich kalt - du könntest dich erkälten..."

"Nein, ich werde nicht krank. Aber du, wenn du noch länger hier herumstehst. Komm mit."

Während sie dem Weg über das Schulgelände folgen, wird der Schmerz in Rikas Fußgelenk allmählich stärker. Schließlich muss sie stehen bleiben. "Ryu-senpei, ich kann nicht mehr auftreten, es tut zu weh."

"Na gut, dann werde ich dich tragen." Ryu geht zu ihr zurück, doch plötzlich dreht er sich wieder um. "Was willst du hier? Du hast hier nichts zu suchen."

"Was für eine unfreundliche Begrüßung." Ein Mann in einem Anzug taucht aus der Dunkelheit vor ihnen auf. "Ich hab mir extra die Mühe gemacht, herzukommen und nachzusehen ob du dich hier gut eingelebt hast."

"Wer ist das?" Rika schaut neugierig auf den Fremden.

"Oh, was für ein hübsches Fräulein." Der Mann macht ein paar Schritte vorwärts. "Sie sieht ja richtig zum Anbeissen aus."

"Mach, dass du verschwindest." Ryu stellt sich zwischen ihn und das Mädchen. "Wenn man dich entdeckt und herausfindet, dass ich eine Verbindung zu euch vom Senat habe, ist alles vorbei."

"Nur keine Eile, es spricht doch sicher nichts dagegen, wenn ich mir noch einen kleinen Snack genehmige, oder?" Mit einem Sprung setzt der Mann über ihn hinweg und landet hinter Rika, packt sie an den Schultern. "Dann kann sie auch nichts von unserem Treffen erzählen. Und keine Sorge, ich lasse dir selbstverständlich etwas übrig."

"Was soll das?" Rika versucht sich gegen den festen Griff zu wehren. "Was ist hier los, Ryu-senpai? Was wollt ihr von mir?"

"Halt still, Mädchen." Der Mann streicht die Haare von ihrem Hals zur Seite und entblößt seine Vampirzähne.

"Lass das, du wirst hier nicht dein Verlangen stillen. Was denkst du, wie man reagieren wird, wenn es auf dem Schulgelände zu so einem Vorfall kommt? Ich fürchte, dagegen muss ich etwas unternehmen." Ryu´s Augen glühen rot - und ein Dutzend Dornenranken schießen aus dem Boden, wickeln sich um den Körper des Mannes und durchbohren ihn. Mit einem durchdringenden Schrei löst er sich in Staub auf.
 

"Was war das?" Aido hebt den Kopf, den er auf der Tischplatte vor sich hatte liegen lassen. "Ihr habt es doch auch gehört, oder?"

"Wir sind ja nicht taub", murmelt Senri ein paar Reihen hinter ihm. "Da hat einer geschrien, na und? Ist doch egal."

"Nein, ich denke wir sollten nachsehen, was da vorgeht." Yuki springt auf und läuft auf die Tür zu.

"Wartet, ich begleite euch." Aido steht ebenfalls auf. "Solange Kaname-sama nicht da ist, werde ich auf euch aufpassen."

"Was ist mit dir, Luca?" Kain schaut die hellhaarige Vampirin an. "Willst du nicht auch mitkommen?"

"Meinetwegen." Sie folgt ihm aus dem Klassenzimmer und auch Ichijo schließt sich an.
 

"Senpai?" Rika sitzt zitternd am Boden, mit schreckgeweiteten Augen schaut sie zu ihm auf. "Was ist mit diesem Mann passiert? Was hast du mit ihm gemacht?"

"Mach dir darüber keine Gedanken." Er legt seine Hand auf ihre Stirn, löscht ihre Erinnerung an den Vorfall und versetzt sie in Schlaf. "Morgen wirst du alles vergessen haben."

Mit dem bewusstlosen Mädchen auf den Armen erhebt er sich, um seinen Weg fortzusetzen. Als die anderen Vampire bei ihm ankommen.

"Du!" Aido missversteht die Situation. "Du mieser Kerl, was hast du ihr angetan? Glaubst du, weil Kaname-sama nicht hier ist, brauchst du dich nicht an unsere Regeln zu halten?"

"Beruhige dich, du siehst das falsch", verteidigt Ryu sich. "Lass mich erklären..."

"Halt den Mund!" Aido benutzt seine Fähigkeit und friert Ryu´s Beine mit Eis ein. "Du wirst..."

"Hanabusa." Kain deutet auf den Staubhaufen. "Sieh dir das an. Anscheinend hat sich ein anderer Vampir hierher verirrt."

"Das stimmt. Er hat sich ganz plötzlich auf Rika gestürzt und wollte ihr Blut", erzählt Ryu seine vereinfachte Version. "Das hätte ich doch nicht zulassen dürfen, also habe ich ihn vernichtet. War das falsch?"

"Nein, du hast richtig gehandelt." Yuki geht auf ihn zu. "Dank dir ist dieses Mädchen noch am Leben. Aido", sie wendet sich an den blonden Vampir. "Lass ihn wieder auftauen."

"Aber..." Ihr intensiver Blick lässt ihn verstummen. "Wie ihr wünscht, Yuki-sama", gibt er klein bei.

"Ok, dann bringen wir sie jetzt in ihr Zimmer im Wohnheim der DayClass." Ichijo legt Ryu diel Hand auf die Schulter. "Könnt ihr mit Yuki zum Rektor gehen und ihm von diesem Vorfall berichten?" Er schaut Aido, Kain und Luca an.

"Ja, sicher. Na los, ihr beiden, bewegt euch."

"Wieso glaubst du eigentlich, uns herumkommandieren zu können?" Luca verschränkt trotzig die Arme. "Der Einzige, dessen Befehle ich befolge, ist Kaname-sama. Auf dich Blödmann werde ich bestimmt nicht hören."

"Was hast du gesagt?"

"Bitte, keinen Streit." Yuki stellt sich zwischen Luca und Aido, als die beiden Blitze aufeinander abschießen. "Eigentlich kann ich ja auch allein zum Rektor gehen, von euch braucht mich keiner begleiten."

"Nein, ich werde euch auf keinen Fall allein lassen", beteuert Aido. "Wenn die blöde Kuh das nicht für nötig hält, ist das ihr Problem. Kommt, machen wir uns auf den Weg."

"Ich bin ein wenig überrascht." Ichijo bleibt an der Tür stehen, während Ryu die bewusstlose Rika auf ihr Bett legt. "Du hattest scheinbar überhaupt kein Verlangen nach ihrem Blut. Es wäre für dich ein leichtes gewesen, von ihr zu trinken, als du mit ihr allein warst."

"Ich habe es nicht getan, weil die Schulregeln es verbieten." Ryu zieht die Decken über Rika. "Obwohl es mir durchaus für einen Moment schwergefallen ist, zu widerstehen. Doch schließlich will ich mich möglichst gut an das Leben an der Academy anpassen, während ich hier bin."

"Eine vorbildliche Einstellung, wenn auch wirklich ziemlich ungewöhnlich."

"Darf ich dich auch etwas fragen?" Ryu nimmt den Mantel, den er Rika vorher ausgezogen hatte, um ihn in den Schrank zu hängen. "Dieser Vampir, der sich auf das Schulgelände gewagt hat - geschieht es häufiger, dass welche von außen hier eindringen?"

"Nein, zu unserem Glück nur selten. Wollen wir gehen? Bei diesem Mädchen gibt es nichts, was wir jetzt noch tun könnten. Kehren wir in unser Wohnheim zurück."

"Gut." Ryu schließt die Schranktüren und folgt Ichijo aus dem Zimmer.
 

"Ich verstehe, so ist das."

Kaien sitzt mit den anderen an seinem Küchentisch. "Dann müssen wir Ryu wirklich dankbar sein, dass er diesen Vampir gleich vernichtet hat. Wäre dieses Mädchen getötet worden, hätte es sicher das Misstrauen und die Zweifel bei den DayClass-Schülern erneut wachgerufen. Es hat uns in den vergangenen Wochen viel Mühe gekostet, um sie den schrecklichen Vorfall mit Rido Kuran und seinen Anhängern allmählich vergessen zu lassen."

"Wir hätten damals einfach die Erinnerungen von ihnen allen löschen sollen."

"Hanabusa." Kain wirft seinem Cousin einen Blick zu.

"Was? Ich meine, das wäre doch die einfachste Lösung gewesen."

"Nein." Yuki schüttelt entschieden den Kopf. "Ich wäre damit nicht einverstanden gewesen. Und ich glaube auch nicht, dass Kaname das getan hätte."

"Da bin ich deiner Meinung, Yuki." Kaien legt seine verschränkten Hände auf die Tischplatte und stützt das Kinn auf. "Nun ja, ich danke euch für euren Bericht über diesen kleinen Zwischenfall - ich werde auch Yagari darüber informieren. Ihr könnt jetzt in euer Wohnheim gehen."

"Ich hoffe, er und der andere Vampirjäger werden etwas unternehmen. Zumindest könnten sie den Neuen mal richtig befragen."

"Sei still, Aido-senpai." Yuki schaut den blonden Vampir streng an, während sie über das Schulgelände gehen. "Du hast wirklich keinen Grund, Ryu-senpai gegenüber so misstrauisch zu sein. Er hat nichts getan, womit er es verdient hätte. Du wirst ihn in Ruhe lassen, hast du verstanden?"

"Ja, Yuki-sama." Aido macht ein sichtlich kleinlautes Gesicht.

"Gut. Ich werde jetzt schlafen gehen. Gute Nacht."
 

"Was hat sich Ichio-sama nur dabei gedacht, jemand von seinen Männern zu mir zu schicken?" Ryu steht an seinen Zimmerfenster und schaut in die Nacht hinaus. "Hat er nicht bedacht, dass dieser Vampir hätte entdeckt werden können? Und bestimmt halten sich auch welche in der Stadt auf. Ich muss einen finden und ihn eine Nachricht überbringen lassen. Damit sich so etwas wie heute nicht noch einmal wiederholt. Und am besten mache ich mich gleich auf die Suche, die anderen schlafen jetzt alle."

Rasch wechselt er seine Schuluniform gegen dunkle Kleidung und zieht einen langen schwarzen Mantel über. Er kommt ungesehen die Treppe hinunter, doch als er die Eingangstüren erreicht und öffnen will, hört er eine Stimme. "Wo willst du denn jetzt noch hin?"

"Kain." Ryu schaut zu ihm hinauf. "Ich dachte, ihr liegt schon alle im Bett."

"Ich war duschen." Kain schiebt das Handtuch von seinen feuchten Haaren in seinen Nacken. "Und warum bist du noch wach? Willst du irgendwohin?"

"Nur einen kleinen Spaziergang machen", schwindelt Ryu. "Ich bin einfach noch nicht müde. Es spricht doch nichts dagegen, wenn ich noch ein wenig rausgehe, oder?"

"Nein. Pass aber auf, dass du nicht versehentlich von Kiryu oder Yagari erschossen wirst." Kain bleibt noch stehen, bis die Eingangstüren wieder geschlossen sind. "Schon eigenartig, dass er sich extra umgezogen hat. Aber was soll´s, ist schließlich seine Sache."
 

In der Stadt herrscht noch reges Treiben, doch Ryu hält sich in den wenig bevölkerten dunklen Nebengassen. Mit seinen vampirischen Sinnen versucht er die Anwesenheit eines anderen Vampirs zu erspüren.

Doch auch nach zwei Stunden hat er immer noch keinen gefunden. "Das verstehe ich nicht. Ich war mir so sicher, dass ich sie finden würde."

"Und wen?"

Erschrocken wirbelt Ryu herum, sein Blick fällt auf die Gestalt in einem langen hellbraunen Mantel und mit einem Cowboyhut auf dem Kopf. "Yagari-sensei. Was machen sie hier?"

"Das könnte ich dich auch fragen." Der schwarzhaarige Vampirjäger schnippt seine Zigarette auf den Boden. "Ich bin dir gefolgt, seit ich beobachtet habe, wie du vom Schulgelände geschlichen bist. Eigentlich hättest du mich bemerken müssen, doch du warst offenbar abgelenkt. Wen oder was hast du hier gesucht?"

"Was soll ich ihm antworten? Mir muss schnell etwas einfallen...Am einfachsten ist es, wenn ich so nah wie möglich an der Wahrheit bleibe. Desbalb werde ich ihm zumindest erzählen..."

"Was ist? Hast du die Sprache verloren?"

"Nein... Ich wollte die Vampire finden. Der eine, der in die Academy eingedrungen ist, ließ eine Bemerkung fallen, dass noch weitere in der Stadt sind. Ich dachte, ich könnte sie vernichten, damit sie nicht ebenfalls zu uns kommen."

"Tatsächlich? Na, das kannst du dann ja gleich erledigen. Schau mal hinter dich."

Als Ryu sich umdreht, sieht er einen Mann in einem offenen Ledermantel und einer schwarzgetönten Sonnenbrille auf den strähnigen Haaren. Und am anderen Ende der Gasse sind einige schemenhafte Gestalten auszumachen, mit rotglühenden Augen.

"Eine schöne Nacht, nicht wahr?" Der Mann bleibt in wenigen Schritten Abstand stehen. "Hervorragend geeignet, um durch die Straßen zu streifen und sich unter das Völkchen zu mischen. Sag, Kollege, wie wär´s wenn du dich uns anschließt? Wir wollen später noch mit einigen von diesen Menschen eine nette kleine Party veranstalten."

"Wieso denkst du, ich würde bei euch mitmachen wollen?" Ryu schaut den anderen Vampir direkt an. "Wir sind uns schließlich völlig fremd."

"Stimmt, aber das spielt doch keine große Rolle. Weißt du, ich habe dich eingeladen, weil du mir gefällst. Noch nie ist mir jemand wie du vor die Augen gekommen. Aber wenn du keine Lust hast, musst du nicht mitfeiern." Der Vampir nimmt seine Sonnenbrille und schiebt sie in den Kragen seines Hemdes. "Ich bin Kyle Chance, meine Truppe und ich werden uns in einer verlassenen Kirche außerhalb der Stadt aufhalten. Du kannst gern hinkommen, wenn du deine Meinung noch änderst. Also dann..." Er tippt mit einem Finger gegen seine Schläfe und wendet sich um, geht zu seinen Freunden.

"Interessant, so sieht es also aus, wenn du Vampire töten willst. Wirklich sehr beeindruckend."

"Ich hatte keinen Grund, sie anzugreifen." Ryu dreht sich zu Yagari um. Der Vampirjäger hatte sich ein wenig zurückgezogen, doch jetzt war er wieder aus der Dunkelheit vorgetreten. "Diese Gruppe scheint doch keine Gefahr für die Cross-Academy darzustellen. Wahrscheinlich werden sie auch in ein paar Tagen weiterziehen, wenn sie sich in dieser Stadt beginnen zu langweilen."

"Dir ist aber schon klar, dass sie Menschen töten werden?" Yagari zündet sich eine Zigarette an. "Doch das hat für dich wohl keine Bedeutung."

"Warum sollte es?", entgegnet Ryu. "Ich bin schließlich kein Vampirjäger. Und solange sie sich keine DayClass-Schüler schnappen, geht es mich auch nichts an. Ich werde jetzt zur Schule zurückkehren, wenn sie nichts dagegen haben."

"Tu dir keinen Zwang an." Yagari bläst eine Rauchwolke in die Luft, während Ryu an ihm vorbeigeht. Schritt für Schritt entfernt er sich von dem Vampirjäger, bis er das Ende der Straße erreicht und um die Ecke biegt.

"Er geht wohl wirklich zurück. Na, dann kümmere ich mich um die Beseitigung."
 

"So ein Mist." Ryu schließt die Tür zu seinem Zimmer und dreht den Schlüssel. "Es ist mir gar nicht aufgefallen, dass Yagari mich verfolgt hat. Wenn ich nun tatsächlich einen Boten vom Senat getroffen hätte und er hätte beobachtet, wie ich mit ihm rede... dann wäre alles aus gewesen."

Wütend über sich selbst, schlägt er mit der Faust gegen eine Wand - und mit einem knirschenden Geräusch zieht sich ein gezackter Riss bis zu den Fenstern.

"Was...?" Überrascht schaut Ryu auf den entstandenen Schaden und senkt den Blick auf seine Hand. "Hab ich das getan? So eine Kraft besitze ich doch eigentlich gar nicht...sehr seltsam..."

Immer noch nachdenklich, streift er den Mantel von den Schultern und wirft ihn über die Stuhllehne. Nachdem er seine Kleidung gegen den Pyjama gewechselt hat, schlüpft er unter die Decken.
 

Eine Klippe, hoch aufragend über dem Meer. Stürmische Wellen schlagen gegen die Steilwand und die Gischt sprüht bis zu der Frau hinauf, die beinahe am äußersten Rand steht. Ihr dünnes Gewand ist von dem feinen Wassernebel bereits völlig durchnässt und lässt sie vor Kälte zittern.

"Nein!" Ihre Stimme dringt wie eine scharfe Klinge durch die eisige Luft. "Nein! Ihr bekommt ihn nicht!" Sie presst das in Stoff gehüllte Bündel in ihren Armen noch fester an sich. "Niemals werde ich ihn euch übergeben!"

"Du hast keine Wahl." Ein dunkel gekleideter Mann geht auf sie zu. "Es gibt für dich keine Möglichkeit mehr, zu entkommen. Und dein Geliebter ist tot, er kann dir auch nicht mehr helfen."

"Bleib stehen, keinen Schritt weiter!" Sie weicht zurück, noch näher an den Rand der Klippe. "Ich werde hinunterspringen, wenn du nicht verschwindest!"

"Das tust du nicht." Er ignoriert ihre Drohung. "Du wirst dein einziges Kind nicht einfach umbringen, er ist schließlich alles, was dir noch bleibt. Und jetzt sei vernünftig und gib ihn mir, dann kannst auch du am Leben bleiben."

"Ich..." Sie schaut auf das schlafende Kind hinunter, streicht mit den Fingern über sein Gesichtchen. Dann richtet sie ihren Blick wieder auf den Mann vor ihr. "Ich nehme ihn lieber mit mir, als dass ich zulasse, dass er euch in die Hände fällt." Sie wendet sich um - und der Mann springt mit einem kräftigen Satz auf sie zu...
 

"Ryu! Was ist passiert? Ist alles in Ordnung?"

Von Ichijos lauter Stimme und seinem hämmernden Klopfen aus dem Traum geweckt, setzt Ryu sich auf. Er braucht einen Moment, um zu begreifen, wo er sich befindet.

"Ryu!" Der Türgriff wird mehrmals heruntergedrückt. "Mach auf!"

"Ja...nur einen Moment..." Mit zitternden Fingern schlägt Ryu die Bettdecken zur Seite, stolpert mit unsicheren Schritten zur Tür und öffnet sie einen Spalt. "Was willst du? Es ist doch mitten am Tag."

"Ich habe einen furchtbaren Krach gehört, es kam eindeutig von hier!" Ichijo versucht, seinen Kopf ins Zimmer zu schieben, doch Ryu drängt ihn zurück. "Bei mir ist alles okay. Du kannst wieder schlafen gehen, und ich auch."

"Geht es dir wirklich gut?" Ichijos grüne Augen drücken Besorgnis aus. "Du siehst ziemlich mitgenommen und blass aus."

"Ich sagte doch, es ist alles okay. Außer, dass ich noch richtig müde bin und gerade erst unsanft geweckt wurde. Also lass mich jetzt wieder schlafen gehen." Ryu drückt die Tür ins Schloß und dreht wieder den Schlüssel. Doch statt sich noch einmal ins Bett zu legen, tastet er sich im Halbdunkel in Richtung Bad. Auf halbem Weg tritt er auf etwas scharfkantiges und schneidet sich die Fußsohle auf. "Au. Was war das denn jetzt?"

Leicht humpelnd bewegt er sich zum Lichtschalter, betätigt ihn - als die Deckenlampen aufleuchten, bietet sich ihm ein erschreckender Anblick.

Zu dem einen Riss an der Wand sind viele weitere entstanden, ebenso an der Decke. Und an nicht wenigen Stellen hat sich Putz gelöst, dass nun den Boden bedeckt.

"Was...verdammt, ist hier nur los?"

"Wie soll ich den anderen nur erklären, wie diese Schäden entstanden sind?" Ryu schiebt die Trümmerstücke zu einem Haufen zusammen. "Ich verstehe ja selbst nicht einmal, wie ich das tun konnte."

"Ryu-sama?" Eine Frauenstimme dringt durch die Tür. "Verzeihen sie bitte die Störung, doch eine DayClass-Schülerin hat nach ihnen gefragt - ihr Name ist Rika Tomoe."

"Schick sie weg." Er öffnet die Tür einen Spalt. "Egal, was sie von mir will, es ist egal."

"Wie sie wünschen."

"Halt, einen Moment noch." Ryu tritt auf den Flur hinaus. "Mein Zimmer ist verwüstet und ich muss umziehen. Könntet ihr meine Sachen in ein anderes Zimmer bringen?"

"Selbstverständlich, wir kümmern uns darum. Aber wenn es um die Renovierungsarbeiten geht, sprechen sie mit dem Rektor und dem stellvertretenden Hausvorstand Ichijo-sama." Die junge Frau verabschiedet sich mit einer knappen Verbeugung.

"Gut, und ich werd am besten gleich zu Kaien Cross gehen. Es ist doch schließlich üblich, dass um diese Zeit alle Vampire noch schlafen - und Ichijo ist sicher auch wieder ins Bett gegangen. Also wird dieses Mal bestimmt keiner mitbekommen, dass ich rausgehe."

Rasch schlüpft er in seine Kleidung, die er in der vergangenen Nacht bereits getragen hatte.
 

"Schade." Rika schließt die Eingangstüren hinter sich. "Ich wollte mich doch gern noch einmal bei Ryu-senpai bedanken, weil er sich so nett um mich gekümmert hat gestern." Sie schaut auf die kleine Stoffmaus in ihren Händen. "Wahrscheinlich war es sowieso eine dumme Idee, ihm das schenken zu wollen. Er hätte es doch nur albern gefunden und darüber gelacht."

Mit einem leisen Seufzen lehnt sie sich gegen die Eingangstüren des Mondwohnheim. "Was mach ich jetzt? Geh ich zurück oder ... Aber es dauert nicht mehr so lang bis zum Klassenwechsel ... ich könnte hier warten, bis er herauskommt ..." Ihre Überlegungen werden unterbrochen, als sich die Türhälfte in ihrem Rücken öffnet. Mit einem überraschten Laut stolpert sie nach hinten, in ein paar Hände, die sie auffangen.

"Hatte ich dir nicht ausrichten lassen, du sollst gehen?"

"R-ryu-senpai..." Vor Verlegenheit färben sich ihre Wangen rot. "T-tut mir leid, ich..." Ohne den Satz zu beenden, dreht sie sich um und rennt davon.

"Seltsames Mädchen." Mit einem Schulterzucken macht Ryu einen Schritt vorwärts und tritt auf etwas weiches - Rika hatte die Stoffmaus fallen lassen. "Was ist das denn?" Stirnrunzelnd hebt er es auf und betrachtet es kurz, ehe er es nachlässig in die Tasche seines Mantels schiebt und seinen Weg fortsetzt.

Vor dem Büro des Rektors angekommen, klopft er und tritt unaufgefordert ein. "Rektor, ich habe ihnen etwas mitzuteilen..." Er verstummt, als er zwei Männer vor dem Schreibtisch stehen sieht, mit Waffen - und dem Jüngeren war er vor etwa einem Jahr begegnet. "Oh, verdammt."

"Ryu, komm ruhig rein." Der Rektor winkt ihm, bevor er Gelegenheit hat, die Tür wieder zu schließen. "Mit diesen Herren bin ich fertig."

"Das sehe ich anders." Der Ältere - Kenneth, verschränkt die Arme vor der Brust. "Warum weigerst du dich so stur, den Posten anzunehmen?"

"Ich habe euch die Gründe bereits genannt und nun bitte ich euch zu gehen." Der Rektor macht eine auffordernde Handbewegung.

"Na gut, lass uns verschwinden." Der Jüngere - Thomas, wendet sich zur Tür, dabei streift sein Blick Ryu und er bleibt stehen. "Du... Dich kenne ich doch..."

"Ich glaube nicht." Ryu bleibt äußerlich gelassen. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dir schon einmal begegnet zu sein."

"Nein, ich irre mich nicht! Du bist der Vampir, der mir vor einem Jahr in England solche Schwierigkeiten gemacht hat! Wegen dir konnte ich meinen Auftrag nicht erfüllen!"

"Ist das wahr?" Kenneth schaut nun auch weniger freundlich. "Bist du dir sicher, dass der da dir deinen Schwertarm gebrochen und dir die anderen Verletzungen zugefügt hat?"

"Als könnte ich das vergessen!", schnauft Thomas. Er zieht sein Schwert und richtet es auf Ryu.

"Aufhören." Kaien hatte den Schreibtisch umrundet und stellt sich seinen ehemaligen Kollegen in den Weg. "Ich werde das an meiner Schule nicht erlauben. Dies ist ein friedlicher Ort."

"Ich kann nicht glauben, dass du dich auf die Seite von einem Vampir stellst und gegen uns." Kenneth schüttelt verständnislos den Kopf. "Was ist nur aus dir geworden, Kaien Cross?"

"Ich bin der Rektor der Cross Academy und verantwortlich für jeden einzelnen Schüler. Egal, ob er aus der Day- oder der NightClass ist und egal, was er in der Vergangenheit getan hat." Kaien deutet erneut auf die Tür. "Ich fordere euch jetzt noch einmal in aller Freundlichkeit auf zu gehen."

"Gut, wir haben verstanden. Wir wollen dich nur ungern zum Feind haben." Kenneth fasst seinen Kollegen am Arm und schleift ihn mit auf den Flur hinaus.

"Ich danke ihnen, Rektor. Ganz offensichtlich haben diese beiden Jäger mich verwechselt..."

"Sag mir die Wahrheit, Ryu", unterbricht Kaien ihn. "Ich kenne die beiden gut und weiß, dass sie dich nicht verdächtigt hätten, wenn sie nicht wirklich sicher wären."

"Und ich sage ihnen, dass ich - bis ich an diese Schule gekommen bin - Irland noch nie verlassen habe", entgegnet Ryu. "Übrigens, mein Zimmer im Mondwohnheim muss renoviert werden. Darüber wollte ich sie eigentlich nur informieren."

"Eine Renovierung?" Kaien blinzelt hinter seiner Brille. "Was ist passiert?"

"Nichts schlimmes, nur ein paar Schäden an den Wänden und der Decke." Ryu zuckt mit den Schultern. "Eine Erklärung dafür habe ich nicht, aber es ist alles geregelt, dass ich ein neues Zimmer bekomme."

"Dann geh jetzt und mach dich für den Klassenwechsel fertig." Kaien setzt sich wieder auf seinen Stuhl. "Oder gibt es noch etwas, dass du mit mir besprechen willst?"

"Nein." Ryu wendet sich zur Tür. "Ich hoffe, sie bekommen keinen Ärger mit ihren früheren Kollegen - weil sie mich beschützt haben."

"Du hast gesagt, du wärst nicht verantwortlich für das, was sie dir vorwerfen." Der Rektor verschränkt seine Hände auf dem Schreibtisch. "Deshalb konnte ich nicht zulassen, dass sie dich angreifen. Ob nun Vampire oder Menschen, ich achte auf meine Schüler."

"Ich verstehe..."

"Sag mal, warum waren die beiden Hunter bei dir?" Yagari betritt das Büro. "Ging es wieder darum, dass du der neue Vorsitzende werden sollst? Deine erneute Weigerung scheinen sie ja nicht gut aufgenommen zu haben. Oder haben sie aus einem anderen Grund so sauer ausgesehen?" Er bläst eine Rauchwolke in die Luft und blickt Ryu nach, der an ihm vorbei auf den Flur hinaus geht.

"Schließ die Tür - und mach bitte die Zigarette aus. Wie oft hab ich dich schon gebeten, auf dem Schulgelände nicht zu rauchen?"

"Lenk nicht vom Thema ab." Yagari nimmt noch einen Zug. "Sag mir, was die Hunter so aufgebracht hat. Ich könnte mir vorstellen, dass es wegen dem neuen Vampir ist."

"Wieso denkst du das?"

"Ich vertraue ihm einfach nicht. Zuerst kam Maria Kurenai, die in Wahrheit Shizuka Hio war, danach Rido Kuran in der Gestalt von Senri Shiki - und jetzt soll Ryu Tsubasa nur ein gewöhnlicher, harmloser Schüler sein?" Der schwarzhaarige Hunter schnippt den Zigarettenstummel in die leere Tasse auf dem Schreibtisch. "Sag mir nicht, dass du nicht auch Zweifel hast."

"Womöglich, aber ohne Beweise werde ich ihn nicht schuldig sprechen." Kaien geht zu den Fenstern seines Büro. "Kaname hat die Academy verlassen, um Informationen zu beschaffen. Wir verhalten uns ruhig, bis er zurückkehrt und uns vielleicht auch etwas über Ryu erzählen kann."

"Das kann dauern und ehrlich gesagt, will ich mich nicht auf den Reinblüter verlassen." Yagari nimmt seinen Hut ab und sein Gewehr von seinem Rücken. "Auf mich wartet jetzt eine Unterrichtsstunde in der NightClass, danach geh ich in die Stadt. Du willst mir ja offensichtlich nicht verraten, was die beiden Hunter so wütend gemacht hat, also red ich selbst mit ihnen, um es zu erfahren."
 

"Warum musste das jetzt passieren?" Nachdem Ryu das Büro verlassen hatte, war er in das Waldgebiet gegangen. "Was soll ich tun, wenn herauskommt, dass ich vor einem Jahr wirklich im Norden Englands war und den jungen Hunter so übel zugerichtet hab. Das könnte ziemliche Schwierigkeiten für mich bedeuten - ich muss schnellstens etwas unternehmen. Am besten heute Nacht, während die NightClass Unterricht hat. Oder lieber erst danach..."

"Wieso treibst du dich um diese Zeit hier herum?"

"Was?" Ein wenig erschrocken schaut Ryu auf und entdeckt Zero. Der silberhaarige Hunter steht neben einem Baum ein paar Meter vor ihm und schaut ziemlich verärgert. "Es gefällt mir nicht, wenn ihr aus der NightClass tagsüber auf dem Schulgelände unterwegs seid. Ich muss mich mit den DayClass-Schülerinnen herumschlagen, wenn sie bei deinem Anblick ausflippen."

"Ich werde aufpassen, dass ich ihre Aufmerksamkeit nicht auf mich ziehe, wenn ich in mein Zimmer zurückkehre." Ryu bringt ein kleines Lächeln auf sein Gesicht. "Wir sehen uns dann gleich beim Klassenwechsel." Mit langsamen Schritten geht er in Richtung des Mondwohnheim.
 

"Yuki-sama." Aido klopft an ihre Zimmertür. "Seid ihr fertig? Gleich beginnt der Unterricht."

"Ich brauche noch eine Minute", dringt Yuki´s Stimme aus ihrem Zimmer. "Wo ist denn - nein, so ein Mist ... ... ... ... ... Au."

"Yuki-sama!" Mit Schwung reißt der blonde Vampir die Tür auf und findet sie am Boden liegend. "Was ist passiert?"

"Ich hab mir den Kopf gestoßen." Mit geröteten Wangen setzt sie sich auf. "Artemis ist unter mein Bett gerollt, ich wollte sie wieder hervorholen."

"Ah...äh, ich kann sie für euch aufheben."

"Nein, ich hab sie." Triumphierend hält Yuki den Stab hoch, während sie aufsteht - dann befestigt sie die Waffe an ihrem Oberschenkel. "Gut, wir können nach unten gehen."

In der Eingangshalle sind bereits die anderen Vampire versammelt. "Wir sind heute die letzten." Aido setzt seinen Fuß auf die oberste Stufe.

"Guten Abend, Yuki-sama, Aido."

"Ryu-senpai." Die braunhaarige Vampirin dreht sich lächelnd zu ihm. "Du bist ja auch spät dran."

"Aber immer noch rechtzeitig fertig." Er deutet eine Verbeugung vor ihr an. "Habt ihr von eurem Bruder schon etwas gehört?"

Yuki schüttelt den Kopf, ihr Gesicht nimmt einen ernsten, besorgten Ausdruck an.

"Nichts."

"Sorgt euch nicht, bestimmt geht es ihm gut..."

"Natürlich geht es Kaname-sama gut", mischt Aido sich ein. "Alles andere wäre undenkbar!"

"He, Hanabusa", ruft Kain von unten. "Hör auf, den Neuen zu ärgern und komm endlich, es ist Zeit."

"So, das war´s für heute." Yagari klappt sein Buch zu und wendet sich zur Tür. Ryu atmet erleichtert aus, als der Hunter - nach einem letzten Blick auf ihn - den Raum verlässt. Auch während des Unterrichts hatte er bemerkt, wie Yagari mehrmals zu ihm gesehen hatte. "Cross hat ihm wahrscheinlich von dem kleinen Vorfall in seinem Büro erzählt. Er war vorher schon misstrauisch mir gegenüber ... Ich werde besonders vorsichtig sein müssen, wenn ich mich in die Stadt schleiche und mich um ..."

"Wir fahren heute fort mit der Geschichte unserer Rasse." Ein älterer Vampir in vornehmer Kleidung war hereingekommen. "In Kapitel 13 seht ihr..."

Ryu versinkt wieder in seinen Gedanken, während er auf die Abbildungen im Buch heruntersieht. Scheinbar eine Ewigkeit später beendet auch der vampirische Lehrer seinen Unterricht.

"Na endlich." Rasch klappt Ryu sein Buch zu und steht auf. Sein Blick wandert zu der kleinen Gruppe, die sich noch an Yukis Sitzplatz aufhält. Die reinblütige Prinzessin schaut noch immer auf die Abbildungen, über die während des Unterrichts gesprochen worden war. "Ich weiß einfach noch zu wenig über die Gesellschaft der Vampire. Davon, dass es außer Kaname und mir und Shirabuki noch weitere lebende Reinblüter gibt, hatte ich keine Ahnung."

"Es sind aber nicht alle Familienwappen dort zu sehen." Aido lehnt sich mit verschränkten Armen zurück. "Ich habe mich früher ausgiebig damit beschäftigt - das hielt ich für meine Pflicht als Erbe meines Vaters. Und dabei bin ich auf Hinweise auf eine reinblütige Familie gestoßen, die vor über 150 Jahren bis zum letzten ausgelöscht wurde."

"Ausgelöscht?" Yukis Augen werden ein wenig größer. "Warum hat man das getan?"

"Das konnte ich nicht herausfinden und auch den Namen dieser Familie konnte ich nicht erfahren, so sehr ich auch gesucht habe. Es war anscheinend - aus irgendeinem Grund - notwendig, sie völlig in Vergessenheit geraten zu lassen. Dahinter kann ja eigentlich nur der Senat stecken, wer sonst hätte solche Macht, sämtliche Informationen über jemanden verschwinden zu lassen?"

"Und warum hätten sie das tun sollen?", mischt Ryu sich ein. "Was auch mit dieser Familie vor so langer Zeit geschehen ist, wieso sollte der Senat dafür verantwortlich sein? Das ergibt überhaupt keinen Sinn, allein der Gedanke ist völlig absurd und lächerlich."

"Das ist überhaupt kein Unsinn!", entgegnet Aido. "Du hast ja keine Ahnung... - Hey!" Er springt auf, als Ryu sich einfach abwendet und auf die Tür zusteuert. "Bleib gefälligst stehen! Ich rede mit dir!"

"Entschuldige, aber ich bin müde und will in mein Zimmer." Ryu öffnet die Tür und tritt hindurch. "Gute Nacht."
 

Den Weg zu seinem Zimmer legt er in eiligem Tempo zurück, wechselt rasch seine Kleidung und verlässt es über die Fensterbank. Er schafft es, ungesehen über das Schulgelände - an der langen Treppe schiebt er seine Haare unter eine mitgebrachte Wollmütze und setzt eine Brille mit rotgetönten Gläsern auf.

In der Stadt hält er sich, wie bei seinem ersten Besuch, auf den wenig bevölkerten Gassen, während er sich dem ersten Gasthaus nähert. Doch er hat kein Glück, ebenso bei dem zweiten.

Vor dem dritten liegt seine Hand bereits auf dem Türgriff, als er sich noch einmal umdreht und in beide Richtungen die Straße entlangschaut. Dass er von drei rotglühenden Augenpaaren - eins hinter einer Hausecke und zwei auf nahen Hausdächern - beobachtet wird, bemerkt er nicht.

Im Inneren sitzt eine junge Frau hinter dem Empfangstresen. Sie ist nach vorn gebeugt und hält den Kopf gesenkt. Ihre Augen sind geschlossen.

"Aufwachen." Ryu schlägt auf den Klingelknopf auf der Tischplatte. "Ich brauche eine Auskunft", erklärt er, als das Mädchen verschlafen blinzelt. "Sind hier zwei Männer abgestiegen?" Er beschreibt ihr das Aussehen der Hunter.

"Ja..." Sie unterdrückt ein Gähnen. "Sind unsere einzigsten Gäste, Zimmer 21 - aber sie sind nicht da. Keine Ahnung, wohin sie wollten oder wann sie wiederkommen."

"Wenigstens habe ich sie gefunden. Aber jetzt werde ich wohl warten müssen, bis sie hierher zurückkehren. Hoffentlich dauert das nicht zu lang." Ryu wendet sich zur Eingangstür und bleibt wieder stehen. "Kyle."

"Du scheinst überrascht zu sein, mich zu sehen", bemerkt der Vampir mit den strähnigen Haaren. "Hast du gedacht, ich wäre auch getötet worden?"

"Ich weiß nicht, wovon du redest."

"Ach, weißt du nicht?" Langsam geht Kyle weiter in den Raum hinein. "Das ist aber wirklich merkwürdig. Denn nachdem ich mit dir gesprochen hatte, noch in der gleichen Nacht kam ein Vampirjäger in unser Lager und hat beinahe alle von uns umgebracht. Nur ich und zwei Freunde von mir konnten entkommen."

"Damit habe ich nichts zu tun."

"Du lügst." Eine dunkelhäutige Vampirin kommt die Treppe herunter, die zu den Zimmern im oberen Stock führt. "Wir haben inzwischen erfahren, dass du zu der Schule gehörst, wo Vampire, Jäger und Menschen miteinander leben."

"Was? Vampire? Das ist doch ein Witz, oder?" Das Mädchen am Empfangstresen macht ein ungläubiges Gesicht. "So etwas gibt es doch gar nicht wirklich - das ist doch nur eine Erfindung aus Filmen und Büchern ..."

"Wie niedlich, sie glaubt nicht an unsere Existenz. Sollen wir sie davon überzeugen, dass wir real sind?"

"Sie gehört dir, Lany." Kyle nickt seiner Begleiterin zu. "Hol sie dir."

"Great." Mit einem Sprung überwindet Lany das Treppengeländer und stürzt vorwärts. Als sie das Mädchen erreicht, packt sie ihre Schultern und gräbt gleich ihre Zähne in ihren Hals.

"Und nun zu dir", wendet sich Kyle an Ryu. "Als ich dich traf, hielt ich dich für etwas besonderes - aber du bist nichts weiter als ein Verräter, der seinesgleichen an einen Hunter ausgeliefert hat. Und dafür bezahlst du jetzt."

"Bedauerlicherweise habe ich andere Pläne." Ryu weicht langsam zurück, in Richtung einer Tür, die er gesehen hat.

"Rupe, wo bleibst du?" Lany wischt sich den Mund ab, nachdem sie das Mädchen fallen gelassen hatte. "Komm schon her, dann können wir ihn endlich fertig machen."

"Alles klar." Der andere Begleiter von Kyle - ein Vampir mit bereits grauen Haaren, kommt aus der Tür, die Ryu ansteuert. "Legen wir los."

"Dann fang ich mal an." Lany springt auf Ryu zu, ihre langen Fingernägel reißen jedoch nur seinen Ärmel von der Schulter abwärts auf. "Mist, verfehlt."

"Du bist zu langsam, Miststück." Ryu versetzt ihr einen Schlag, der sie gegen das Treppengeländer schleudert. Der hölzerne Aufbau zerbricht unter ihrem Aufprall und sie landet auf den Stufen.

Doch schon stürzen sich Rupert und Kyle beinahe gleichzeitig auf ihn. Es beginnt ein blitzschneller Schlagabtausch zwischen den drei Vampiren, bei der einiges von der Einrichtung zu Bruch geht.

Ryu fügt seinen Gegnern einige Wunden zu, er selbst bekommt allerdings auch einiges ab und gerät langsam in Bedrängnis. Dann mischt sich auch Lany wieder in den Kampf ein und seine Situation verschlechtert sich noch mehr.

Schließlich fügt Kyle ihm tiefe blutige Kratzspuren quer über den Rücken zu.

Mit zusammengepressten Zähnen sinkt Ryu auf die Knie und macht eine Rollbewegung über den Boden, um sich ein Stück von seinen Angreifern zu entfernen.

"Machst du etwa schon schlapp?" Kyle bewegt sich bereits wieder auf ihn zu - zu schnell, als das Ryu reagieren könnte. Der blonde Vampir packt ihn am Kragen seines Mantels und zerrt ihn auf die Füße. "Wir sind noch lange nicht fertig mit dir."

"Hey, überlass ihn jetzt mir. Ich will ihm den Rest geben."

"Okay, Lany, er gehört dir." Kyle tritt zur Seite, hält Ryu aber weiter mit einer Hand fest. Seine dunkelhäutige Partnerin lässt an beiden Händen ihre spitzen krallenförmigen Nägel wachsen und gräbt sie in Ryus Unterleib. "Na, wie gefällt dir das?"

"Ich bin noch nicht am Ende." Ryu packt Lanys rechtes Handgelenk und wirbelt sie herum, dass sie gegen Kyle stolpert. Er selbst weicht zurück und fällt erneut auf die Knie, legt beide Hände auf den abgenutzten Holzboden.

"Ich habe meine Fähigkeit noch nicht eingesetzt, aber jetzt werdet ihr sie kennenlernen." Seine Augen glühen rot auf, doch zunächst geschieht nichts.

"Das ist doch nur ein Bluff, du..." Rupert beendet den Satz nicht, als die Holzdielen unter seinen Füßen aufbrechen und einige bläulich-grüne Ranken herauswachsen. Der grauhaarige Vampir wird von den Schlingpflanzen innerhalb von wenigen Augenblicken in Stücke gerissen.

"Rupe!" Lany reißt sich aus Kyles Griff los und will sich wieder auf Ryu stürzen, doch auch sie wird von Ranken eingewickelt. Die Schlingpflanzen ziehen sich immer enger um ihren Körper, bis sie bewegungslos zu Boden fällt.

"Du mieser Scheißkerl!"

"Du und deine Freunde habt mich angegriffen." Ryu blickt zu Kyle auf. "Ihr habt mich unterschätzt und gedacht, ihr könntet mich besiegen. Doch offensichtlich habt ihr euch geirrt und jetzt bist nur noch du übrig."

"Dafür wirst du bezahlen, das schwör ich." Den Ranken geschickt ausweichend, bewegt sich Kyle schnell auf die Tür zu und verschwindet aus Ryus Blickfeld.

Der silberhaarige Vampir rutscht bis zur Wand, wo er sich anlehnt. In dieser Haltung bleibt er sitzen, bis er einige Zeit später das Geräusch von Schritten und Stimmen hört. Auf der Straße nähern sich Leute dem Gasthaus.

"Scheint, als müsste ich jetzt von hier verschwinden." Eilig richtet er sich auf und stolpert zur Treppe, um das Gebäude über die obere Etage zu verlassen.
 

"Was ist hier passiert?" Thomas betrachtet die Zerstörungen im Empfangsbereich des Gasthauses. Er und Kenneth hatten den Abend in einer Bar in der Stadt verbracht.

"Ganz offensichtlich wurde hier ein Kampf ausgetragen." Kenneth geht neben dem blutleeren Körper der jungen Frau in die Hocke und dreht sie auf den Rücken. "Bissspuren - sie wurde von einem Vampir getötet. Aber..." Sein Blick wandert zu den Staubhaufen, die Überreste von Lany und Rupert. "Wer hat die beiden erledigt?"

"Sieh mal hier." Thomas hat die Wollmütze und die rotgetönte Brille entdeckt, die in verschiedenen Ecken liegen. Ryu hatte sie während des Kampfes verloren und zurückgelassen, als er verschwunden war. "Ob das einem von denen hier gehört hat?"

"Wer weiß?" Kenneth zuckt mit den Schultern und steht auf. "Vielleicht ist es auch von dem, der sich um diese beiden gekümmert hat. Jetzt lass uns mal nachsehen, wie´s oben aussieht und unsere Sachen holen. Wir suchen uns ein anderes Quartier, hier sollten wir nicht bleiben."

"Okay." Thomas steckt Mütze und Brille in seine Jacke und folgt seinem Kollegen auf die Straße.
 

"Rika?" Ihre Zimmernachbarin Ayano blinzelt verschlafen, als Rika früh am Morgen ihre Schuluniform anzieht. "Es ist doch noch nicht die Zeit zum Aufstehen."

"Ich will in die Bibliothek." Die honigblonde Schülerin nimmt ihren Mantel vom Kleiderhaken. "Für die Klassenarbeit nächste Woche muss ich noch lernen."

"Na dann, du Streberin, sehen wir uns zum Unterrichtsbeginn." Ayano kuschelt sich wieder in ihr Kissen.

Rika schließt die Knöpfe an ihrem Mantel, während sie dem Flur folgt. Als sie das Wohnheim verlässt, erwartet sie strömender Regen. Sie spannt ihren Schirm auf und nimmt die Abkürzung zum Schulgebäude, die durch das Waldstück führt. Während sie mit raschen Schritten vorwärtsläuft, hätte sie Ryu beinahe nicht gesehen - wenn sie nicht über eine Baumwurzel gestolpert und gestürzt wäre.

Rika zuckt zusammen, als eine Hand ihren Arm umfasst und ihr aufstehen hilft. Sie dreht sich um und weicht zurück, schaut erschrocken zu der Gestalt kaum einen Meter entfernt. "Ryu-senpei?"

Ryu hatte sich nach seiner Rückkehr aus der Stadt an diesem Baum niedergelassen, um sich noch ein wenig von dem Kampf zu erholen und war hier sitzen geblieben, bis Rika ihn aus seinem Dämmerzustand geholt hatte.

"Ist alles in Ordnung?" Zögernd geht Rika auf ihn zu, mit großem Augen betrachtet sie seinen Zustand. Sein Mantel war an vielen Stellen zerrissen und seine langen Haare, die er immer zu einem Zopf gebunden hat, fallen offen über seine Schultern. Sein Gesicht ist leichenblass und wirkt erschöpft und angespannt. "Was ist passiert?"

"Du solltest schnell weitergehen, sonst wirst du noch völlig durchnässt." Ryu wendet sich von ihr ab. "Nimm deinen Schirm und geh."

"Aber..." Ohne nachzudenken, greift sie nach ihm - und stößt einen leisen Schrei aus. "Au." Bei ihrem Sturz hatte sie ihre Handfläche an einem spitzen Stein aufgeschnitten und Blut sickert heraus.

Der Geruch dringt in Ryus Nase und versetzt ihn in einen tranceähnlichen Zustand. Wie unter Zwang packt er ihr Handgelenk und zieht es an seinen Mund, presst seine Zähne in die blutige Wunde.

"Verdammt." Ryu schaut mit schmalen Augen auf Rika hinunter. Das Mädchen liegt seitlich zu seinen Füßen, ihr Arm war ausgestreckt und ihre blutverschmierte Handfläche zeigt nach oben. "Das hätte nicht passieren dürfen. Ich wurde doch darauf trainiert, meinen Blutdurst zu kontrollieren. Außerdem hätte ich in dieser Situation auch die Vampirschüler alarmieren können - doch zu meinem Glück scheinen sie nichts bemerkt zu haben. Das einzige Problem ist jetzt dieses Mädchen... es wäre das Beste, wenn ich sie einfach loswerde und mich nicht mit ihr belaste..."

Mit einer wenig sanften Bewegung richtet er Rika auf und streicht ihre Haare am Hals zur Seite. Doch als seine Vampirzähne in ihre Haut eindringen, gibt sie ein leises Stöhnen von sich. "Senpai..."

Ryu zögert kurz, dann streckt er die Hand aus und legt sie kurz auf ihre Stirn. Anschließend hebt er sie hoch und läuft rasch in Richtung Wohnheim der DayClass-Schülerinnen. Dort legt er sie neben der Eingangstür ab, dann macht er sich auf den Weg zu seinem Zimmer.
 

Rika öffnet langsam die Augen und blinzelt einige Male. Zu ihrem Erstaunen liegt sie in einem Bett und über ihr befindet sich eine helle Zimmerdecke. "Ich bin in der Krankenstation..."

"Ri-chan." Ayano´s Gesicht taucht in ihrem Blickfeld auf. "Ist mit dir alles okay? Du hast vor unserem Wohnheim gelegen, als ich zum Unterricht gehen wollte."

"Aya-chan." Verwirrt blickt Rika ihre Freundin an. "Wie bin ich denn dorthin gekommen? Und was mache ich jetzt hier?"

"Was?" Ayano hebt erstaunt eine Augenbraue. "Du warst ohne Bewusstsein - bist du etwa auf den Stufen vor der Eingangstür ausgerutscht und hast dir den Kopf angestoßen?"

"Nein, ich war auf dem Weg zur Bibliothek und in dem kleinen Wäldchen... " Rika verstummt und blickt auf ihre Hände auf der Bettdecke.

"Was ist los?"

"Ich kann mich nicht erinnern, was in dem Wäldchen passiert ist - es liegt alles hinter einer dunklen Wand..." Rika schließt die Augen und schüttelt leicht den Kopf. "Vielleicht bin ich ja wirklich umgekippt und jemand hat mich zum Wohnheim getragen... ich weiß nur nicht, wer es war."

"Wer weiß, ob es nicht die Person war, für die du seit kurzem Interesse entwickelt hast." Ayano beugt sich mit leuchtenden Augen vor. "Ryu-senpai sieht ja auch sehr gut aus und da er neu an unserer Schule ist, wirkt er noch mysteriöser als die anderen NightClass-Schüler. Und er ist doch auch richtig nett, nicht wahr? Schließlich hat er dir schon einmal geholfen, als du dir den Fuß verstaucht hast."

"Das stimmt..." Eine leichte Röte überzieht Rika´s Wangen. "Aber - wenn er mich zurückgebracht hat, warum ist er dann danach verschwunden?"

"Du kannst ihn ja fragen, wnn du ihn das nächste Mal beim Klassenwechsel siehst." Ayano steht von dem Stuhl auf. "Ich muss jetzt gehen, ich hab schon die ersten Stunden verpasst und dir geht es ja schon wieder besser. Aber bleib ruhig noch länger hier liegen - du solltest es genießen, einen Tag Unterrichtsfrei zu haben."

"Aya-chan..."

"Ich komm dich heute Nachmittag wieder besuchen." Ayano war bereits auf dem Flur vor dem Krankenzimmer. "Bis später."

Während das Mädchen zu den Unterrichtsräumen läuft, erreichen Kenneth und Thomas das Schulgebäude.
 

"Ich verstehe." Yagari schiebt sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Er, Kaien und Zero hatten von Kenneth und Thomas die Ereignisse der letzten Nacht erfahren. "Da keiner von uns zu eurem Gathaus gekommen ist, liegt der Verdacht nahe, dass es einer aus der NightClass war."

"Lasst den Kerl hierher bringen, der bei unserem ersten Besuch in das Büro gekommen ist." Thomas verschränkt die Arme. "Ich finde es ziemlich verdächtig, dass es in unserem Hotel einen Vorfall mit Vampiren gab - nur ein paar Stunden nachdem wir ihn hier getroffen haben." Er greift in seine Jacke und holt die Mütze und die Brille hervor, legt sie auf den Schreibtisch. "Das haben wir ihn den Trümmern gefunden - es muss ihm gehören."

"Sagt mal, habt ihr euch eigentlch gefragt, wer die beiden Vampire waren, deren Überreste ihr gefunden habt?" Yagari bläst eine Rauchwolke in die Luft. "Und wieso sie in eurem Hotel aufgetaucht sind?"

"Das wissen wir nicht." Kenneth legt nachdenklich eine Hand unter sein Kinn. "Ehrlich gesagt, ich habe auch nicht weiter darüber nachgedacht."

"Dann sollte ich euch wohl sagen, dass ich in der Nacht vor diesem Zwischenfall in der Stadt auf eine Gruppe Vampire aufmerksam wurde", berichtet Yagari. "Ich habe sie bis zu ihrem Unterschlupf verfolgt und mich um sie gekümmert. Möglicherweise gehörten die anderen beiden dazu und konnten entkommen. Und dann sind sie zu eurem Hotel gegangen, um sich für ihre Freunde zu rächen."

"Ja, das ergibt Sinn", stimmt Kenneth zu. "Aber das erklärt nicht, wieso auch ein Vampirschüler von dir zu unserem Hotel gekommen ist, Kaien. Derjenige konnte ja nicht wissen, dass zwei andere Vampire dort sein würden."

"Er muss es gewusst haben, sonst hätte er doch nicht mit den beiden gekämpft und sie vernichtet", meldet sich Thomas zu Wort. "Lasst uns einfach zu dem Typen gehen, der neu an der Schule ist - dann werden wir schon herausfinden, dass die Mütze und die Brille ihm gehören."

"Zero und ich gehen zum Mond-Wohnheim und reden mit den Schülern der NughtClass." Kaien erhebt sich und umrundet den Schreibtisch. "Yagari, bleib du mit Kenneth und Thomas hier:"

"Meinetwegen", stimmt der schwarzhaarige Hunter zu.
 

"So viele?" Yuki schaut auf den mit Büchern beladenen Tisch. Sie hatte Aido und Ichijo gebeten, mit ihr nach Hinweisen auf die unbekannte Reinblüter-Familie zu suchen.

"Das sind alles Aufzeichnungen über die Geschichte der Vampire." Aido nimmt ein großes, in dunkles Leder gebundenes Buch von einem Stapel. "In diesem beispielsweise steht einiges über den Urahn der Familie Kuran, Kaname-sama."

"Wirklich?"

"Das kannst du später noch lesen. Wir haben jetzt ein paar Fragen an euch."

"Zero - Rektor." Erstaunt blickt Yuki zu den beiden. "Wieso seid ihr hier?"

"Das habe ich doch gerade gesagt." Zero seufzt. "Hast du mir nicht zugehört?"

"Hey, wenn du Yuki-sama etwas fragen willst, sprich gefälligst nicht so unhöflich zu ihr." Aido funkelt Zero an.

"Eigentlich haben wir an euch alle ein paar Fragen", mischt sich Kaien in das Gespräch ein. "Es ist so, in der letzten Nacht wurde in der Stadt eine junge Frau von Vampiren getötet. Und diese beiden Vampire wurden danach in einen Kampf verwickelt und dabei vernichtet. Nun würden wir gern wissen, ob jemand von euch sich darum gekümmert hat?"

"Ich hatte keine Ahnung, dass sich Vampire in der Stadt herumtreiben", erklärt Yuki. Sie blickt Aido und Ichijo an, beide schütteln den Kopf. "Natürlich werden wir noch mit unseren Mitschülern reden und euch dann mitteilen, ob jemand von ihnen das Schulgelände verlassen hat."

"Was haben die hier gewollt?" Von seinen Zimmerfenstern beobachtet Ryu, wie Rektor Cross und Zero das Mond-Wohnheim verlassen. Er hatte auch bereits gesehen, wie die beiden angekommen waren. "Eigentlich kann ihr Besuch nur eines bedeuten - sie wissen von dem Vorfall mit den Vampiren, der in der letzten Nacht in der Stadt geschehen ist. Ich muss herausfinden, welche Informationen sie haben... Sicher werden sie Nachforschungen anstellen, daran sollte ich mich beteiligen..."

Rasch tritt er vom Fenster zurück und verlässt sein Zimmer. Als er sich der Treppe zur Eingangshalle nähert, hört er die Stimmen von Yuki, Aido und Ichijo und blickt nach unten zur Sitzecke.
 

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass Senri oder Rima in der Stadt Vampire gejagt haben, ohne etwas davon zu sagen. In jedem Fall hätten sie uns informiert."

"Akatsuki wäre auch nicht ohne mich gegangen", fügt Aido zu Ichijo´s Worten hinzu. "Und Luca - nein, auf keinen Fall. Es kann nur eine Person dahinter stecken. Er hat ja auch schon einen Vampir hier auf dem Schulgelände umgebracht. Zumindest hat er das behauptet."

"Das war die Wahrheit, auch wenn du es nicht glauben willst." Ryu kommt die Treppe herunter. "Ihr habt doch selbst seine Überreste gesehen - ein Haufen Staub, der nur von einem besiegten Vampir hinterlassen werden kann."

"Er hat Recht, wir haben es gesehen", bestätigt Ichijo. "Du kannst diese Tatsache nicht abstreiten, Aido."

"Ach, sei doch still! Wir haben uns doch gerade erst darüber unterhalten, dass niemand von unseren Freunden es getan haben kann!" Aido deutet mit dem Finger auf Ryu. "Er kommt als einziger in Frage!"

"Wofür komme ich in Frage?" Ryu macht ein ahnungsloses Gesicht. "Ist etwas passiert?"

"Das weißt du doch ganz genau..."

"Schluss jetzt, Aido-senpai", fordert Yuki ihn mit strenger Stimme auf. "Wir wissen, dass du Ryu nicht leiden kannst. Aber das ist kein Grund, ihn..."

"Ist schon gut, Yuki-sama. Es ist nicht so schlimm, dass er etwas gegen mich hat. Ich werde es einfach akzeptieren, wie es ist." Ryu zuckt mit den Schultern. "Was jetzt auch wichtiger ist - würdet ihr mir bitte erzählen, was geschehen ist? Wenn ich es weiß, könnte ich euch helfen."

"Vielen Dank für dein Angebot." Yuki berichtet ihm, was sie von Zero und Rektor Cross erfahren hatte. "Und deshalb wollen wir jetzt herausfinden, wer das getan hat - ob es jemand von uns aus dem Mondwohnheim war."

"Ich verstehe... Das ist eine furchtbare Sache..." Ryu nimmt auf einem Sessel Platz. "Ihr könnt in jedem Fall mit meiner Unterstützung rechnen. Sagt mir, was ich tun kann."
 

"Das hat ja nicht viel gebracht."

"Wieso sagst du so etwas, Zero? Sieh das doch nicht so schwarz, immerhin wird Yuki mit uns zusammenarbeiten. Darüber kannst du dich doch freuen."

"..."

Kaien seufzt. "So wie du reagierst, könnte man denken, sie wäre dir völlig egal. Dabei weiß ich genau, dass das nicht stimmt... - Wo willst du hin?"

"Weg. Ich schau mich in der Stadt mal ein bisschen um." Zero schlägt eine andere Richtung ein und entfernt sich rasch.

Kaien setzt seinen Weg allein fort. Als er sein Büro betritt, hält sich nur Yagarin noch dort auf.

"Wo sind Kenneth und Thomas?"

"Zurück zu ihrem Gasthaus - sie schienen nicht so begeistert davon zu sein, die Vampire von dieser Schule um Hilfe zu bitten." Yagari erhebt sich von dem Stuhl hinter dem Schreibtisch und legt sich den Gurt seines Gewehrs über die Schulter.

"Willst du jetzt auch weggehen?"

"Ich bin der Meinung, die beiden Hunter sollten im Auge behalten werden." Yagari zieht eine Schachtel Zigaretten aus der Manteltasche. "Nicht, dass sie auf dumme Ideen kommen."

"Yagari! Nicht hier!"

"Ist ja schon gut - ich werd mir draußen eine anzünden." Noch ehe Kaien etwas erwidern kann, hatte der schwarzhaarige Hunter das Büro schon verlassen.

"... Yagari..."
 

"Zum Teufel mit Kaien Cross!" Thomas schlägt die Tür des Zimmers zu, dass er und Kenneth in einem anderen Gasthaus gemietet hatten. "Er und die verdammten Vampire an seiner Schule!"

"Sprich nicht so laut." Kenneth war auf sein Bett gesunken. "Wer weiß, ob uns nicht jemand zuhört?"

"Blödsinn! Außerdem ist es mir egal!"

"Sei kein Idiot, Thomas. Nicht, nachdem du dein Misstrauen so deutlich gezeigt hast in Kaiens Büro, gegenüber dem neuen Vampirschüler."

"Na und? Ich weiß es ganz genau, dass er vor einem Jahr bei dem Vampirnest war, um das ich mich mit zwei Kollegen kümmern sollte." Thomas hatte mit einer Wanderung durch das Zimmer begonnen. "Seth und Shane sind dabei gestorben und ich wäre es auch beinahe."

"Ja, das weiß ich alles aus den Berichten." Kenneth nimmt einen Schluck aus seiner Bierflasche. "Aber auch wenn er dort war - er ist doch nur ein einzelner Vampir, der Glück hatte und überlebt hat. Genau wie du."

"Nein, Kenneth - mit ihm war es ganz anders." Thomas lehnt sich seitlich ans Fenster. "Was in den offiziellen Berichten steht, ist nicht die Wahrheit - der damalige Vorsitzende hat es nur anders dargestellt. Er meinte zu mir, die Wahrheit würde dem Ansehen des Verbandes schaden."

"Der Vorsitzende", wiederholt Kenneth. "Derjenige, von dem wir inzwischen wissen, dass er ein Verräter war. Dass er für den Senat der Vampire gearbeitet hat und uns regelmäßig manipuliert hat." Der ältere Hunter schnaubt abfällig. "Wenn er nicht bereits erledigt worden wäre, hätte ich das getan. Was soll´s, jetzt erzähl mir mal, wie es damals wirklich war."

"Klar. Also... es waren nicht Shane, Seth und ich, die das Vampirnest beseitigt hatten. Es stimmt zwar, dass wir uns darum kümmern wollten - aber während wir kämpften, gab es auf unsere beiden Seiten auch unvorhersehbare Angriffe... aus dem Erdboden."

"Wie?"

"Es waren Pflanzenranken mit scharfen Dornen, die immer ganz plötzlich aus dem Boden kamen. Wir hatten keine Chance, uns dagegen zu verteidigen. Ich habe gesehen, wie Shane und Seth von den Dingern getötet wurden. Auch ich lag bereits bewegungsunfähig da und dachte, ich würde meinen Partnern jeden Augenblick folgen - da habe ich IHN gesehen, wie er noch die letzten Vampire beseitigte! ER hat die unheimlichen Ranken gesteuert!"

"Hey, Ri-chan." Ayano öffnet die Tür zu dem Krankenzimmer. "Du kannst doch jetzt aufstehen, oder? Ich will dich zum Klassenwechsel mitnehmen."

"Ist es schon so spät?" Rika richtet sich von dem Kissen auf, wo wie erst kurz vorher aufgewacht war. "Ich habe den ganzen Tag geschlafen."

"Seit ich dich heute morgen besucht habe?" Mit besorgtem Gesichtsausdruck setzt sich Ayano zu ihr auf das Bett. "Geht es dir nicht gut? Vielleicht hast du dir was eingefangen, als du im Regen gelegen hast. Ich kann es verstehen, wenn du lieber noch hier bleiben willst."

"Nein, ich fühle mich nicht krank", versichert Rika ihrer Freundin. "Ich komm gern mit zum Klassenwechsel."

"Okay."

Nachdem Rika ihr Schuhe und ihren Mantel übergezogen hatte, folgt sie ihrer Freundin aus dem Gebäude. Die beiden Mädchen machen sich auf den Weg zum Mondwohnheim, wo sich auch schon wieder viele DayClass-Schülerinnen versammelt hatten.
 

^"Es ist wieder soweit." Ryu richtet seine Kravatte und streckt die Hand nach der Schuluniformjacke aus, die über der Stuhllehne hängt. Gerade als er sie überziehen will, klopft es an seine Zimmertür. "He du, beeil dich gefälligst. Du bist mal wieder der Letzte, alle anderen sind schon in der Eingangshalle."

"Aido?" Ryu runzelt die Stirn, als er die nörgelnde Stimme erkennt. "Das war bestimmt nicht seine Idee, mir Bescheid zu sagen..."

"Hast du mich gehört?" Aido klingt noch ein wenig genervter. "Komm endlich raus."

"Du hättest nicht kommen brauchen - ich weiß selbst, wie spät es ist." Ryu tritt auf den Flur hinaus und zieht seine Tür hinter sich ins Schloß. "Bis zum Unterrichtsbeginn ist noch genug Zeit."

"Yuki-sama hat mich gebeten, dich zu holen", erklärt Aido. "Sie war besorgt, du könntest nicht rechtzeitig fertig werden. Also beweg dich, verstanden?"

"Reicht es nicht langsam?" Ryu schüttelt den Kopf. "Ich habe es verstanden, dass du mich nicht leiden kannst - obwohl ich dir nichts getan habe, seit ich hier bin. Vielleicht könntest du wenigstens aufhören, so unfreundlich zu mir zu sein?"

"Halt den Mund", giftet Aido. "Du hast mir nicht zu sagen, was ich zu tun habe."

"Na schön, ich habe es versucht. Dann muss ich ihn eben als Ärgernis ansehen, dass mir Probleme bei meinem Auftrag bereiten könnte." Ohne ein weiteres Wort zu sprechen, folgt Ryu dem blonden Vampir hinunter in die Eingangshalle.
 

"Da ist Ryu-senpai." Ayano stupst ihre Freundin an. "Los, versuchen wir nach vorn zu kommen, dass du mit ihm sprechen kannst."

"Ich weiß nicht", zögert Rika. "Vielleicht will er ja nicht..."

"Jetzt sei doch nicht so ein Feigling." Entschlossen umfasst die schwarzhaarige Schülerin Rika´s Arm und drängt sich mit ihr zwischen den anderen Schülerinnen hindurch. "Ryu-senpai!"

Ayano´s Ruf dringt undeutlich über dem Gekreische ihrer Mitschülerinnen an das Ohr von Ryu. Er wirft einen kurzen schnellen Blick in ihre Richtung. "Wer ist das? Ich kenne sie nicht - aber sie ist mit Rika zusammen. Offensichtlich sind sie befreundet, das ist für mich ein Grund mich von ihnen fernzuhalten."

Ayano war inzwischen bis zur vordersten Reihe ihrer Mitschülerinnen gelangt - wo sie jedoch von Zero aufgehalten wird. "Nicht weiter, ihr kennt die Regeln."

"Komm schon, Zero - mach eine Ausnahme. Meine Freundin will Ryu-senpai etwas fragen", versucht die schwarzhaarige Schülerin ihn zu überreden. "Du kannst ja aufpassen, dass wir Abstand zueinander halten."

"Bin ich etwa euer Babysitter?" Zero verzieht das Gesicht. "Ihr beide werdet hier stehen bleiben und die NightClass-Schüler in den Unterricht gehen lassen."

"Gut, dass Zero ihnen den Weg versperrt hat - ich kann jetzt einfach weitergehen, als hätte ich sie nicht gehört." Mit raschen Schritten folgt Ryu den anderen Vampiren.
 

"Wieso hat er nicht reagiert?" Ayano und Rika hatten sich auf den Weg zu ihrem Wohnheim gemacht. "Er muss mich gehört haben, ich habe laut gerufen - aber er ist nicht einmal stehen geblieben."

"Es ist schon in Ordnung." Rika verlangsamt ihre Schritte ein wenig. "Ehrlich gesagt, bin ich sogar froh, dass wir nicht vor den ganzen Schülern miteinander gesprochen haben. Es ist mir lieber, wenn wir dann allein sind."

"Ri-chan ..." Ayano schüttelt lächelnd den Kopf. "Okay, also dann warten wir, bis der Unterricht der NightClass beendet ist und du fragst Ryu-senpai wegen heute früh."

"Das geht nicht", widerspricht Rika. "Wir haben jetzt Sperrstunde, wir dürfen nicht mehr auf dem Schulgelände herumlaufen."

"Weißt du, es würde dir nicht schaden, mal ein wenig mutiger zu sein - es ist bestimmt aufregend, einmal gegen die Schulregeln zu verstoßen. Was soll denn passieren? Dass wir erwischt werden und eine Strafarbeit bekommen? So schlimm wäre das doch nicht." Ayano seufzt, als sie den unsicher-zögernden Gesichtsausdruck ihrer Freundin bemerkt. "Ich verstehe, das willst du nicht - du bist einfach kein Abenteuertyp. Dann gehen wir morgen direkt nach unserem Unterricht zum Mondwohnheim. Und jetzt wartet das Abendessen auf uns."

"Abendessen? Ich habe gar keinen großen Appetit..."

"Das wird dir aber gut tun." Ayano fasst nach Rika´s Hand. "Ich werde dafür sorgen, dass du eine ordentliche Portion isst."
 

"Ich meine es ernst." Thomas schaut seinen Kollegen mit schmalen Augen an. "Es ist mir egal, welche Meinung Kaien Cross dazu hat - ich werde mir diesen elenden Vampir schnappen und ihn erledigen! Hilfst du mir nun dabei oder nicht?"

"Natürlich begleite ich dich." Kenneth greift nach seinem Gewehr und hängt es sich über die Schultern. "Wir sind schließlich Partner und außerdem, warum sollst du den ganzen Spaß allein haben?"

"Okay, dann lass uns aufbrechen und auf das Schulgelände schleichen." Thomas schiebt sein Schwert in die Scheide auf seinem Rücken. "Geben wir dem Mistkerl, was er verdient!"

Die beiden Vampirjäger verlassen das Gasthaus und bewegen sich rasch durch die nächtlichen Straßen. Ohne die schattenhafte Gestalt zu bemerken, die sie von einem Hausdach beobachtet.

"Ich werde diesen Beiden auf keinen Fall den verräterischen Vampir überlassen. Er ist dafür verantwortlich, dass ich all meine Gefährten verloren habe!"

Mit einem Sprung landet Kyle auf der Straße und folgt den Männern in ausreichend Abstand.

"Na sieh mal an." Auf der Suche nach Thomas und Kenneth war Yagari schließlich an ihrem neuen Gasthaus gelandet - gerade als die beiden auf die Straße hinaustreten. Und er sieht Kyle von dem Hausdach herunter springen. "Noch ein Vampir - er muss zu den anderen gehören, die bereits erledigt wurden und will sich wohl jetzt an denen rächen, die er dafür verantwortlich hält. Ich behalte die Sache besser im Auge." Mit einer Bewegung nimmt er sein Gewehr von den Schultern und folgt nun seinerseits dem Vampir.
 

"Tsubasa-san." Der Lehrer, der die Geschichte der Vampire unterrichtet, schaut Ryu durchdringend an. "Sie sind offensichtlich gedanklich abwesend. Darf ich sie bitten, ihre Aufmerksamkeit meinem Unterricht zu widmen?"

"Entschuldigung." Ryu richtet seinen Blick vom Fenster auf das Buch vor sich und versucht sich auf den Text zu konzentrieren, doch schon nach wenigen Minuten kehrt das Geschehen des frühen Morgen zurück - in seinen Gedanken sieht er Rika mit der blutigen Bisswunde auf dem Boden liegen. "Verdammt, wieso krieg ich dieses Mädchen nicht aus dem Kopf?"

"Was ist los mit ihm?" Yuki sitzt einige Bankreihen weiter vorn auf der rechten Seite des Klassenraumes. "Ihn scheint etwas zu beschäftigen."

"Ist doch völlig egal." Aido blickt mit gerunzelter Stirn zu dem silberhaarigen Vampir hinüber. "Wegen dem Typ sollten wir uns keine Gedanken machen."

"Ruhe!" Der Vampirlehrer klopft mit seinem Gehstock auf den Holzboden. "Das gilt für euch alle, bis ich meinen Unterricht beendet habe."
 

"Lass uns gehen." Rika legt ihre Gabel auf den Teller, von dem sie kaum etwas gegessen hatte. "Ich bin fertig, ich habe keinen Appetit mehr."

"Okay." Ayano trinkt den Rest Saft aus ihrem Glas und stellt es auf den Tisch.

Die beiden Mädchen machen sich auf den Weg vom Speisesaal zu ihrem Zimmer, wo sie ihre Mäntel an die Garderobenhaken neben der Tür hängen.

"Hey, wir beide sollten noch duschen..." Mit frischer Kleidung, die sie aus dem Schrank genommen hatte, dreht sich Ayano zu ihrer Freundin um - Rika hatte sich bereits auf ihr Bett gelegt. "Heute nicht, ich bin so müde."

"Na gut, ich bin schnell wieder da." Mit ihren Sachen geht Ayano auf den Flur hinaus. "Hoffentlich ist Ri-chan nicht ernsthaft krank - vielleicht hätte ich sie nicht überreden sollen, die Krankenstation schon zu verlassen."
 

"Wo ist er hin?" Stirnrunzelnd blickt Yagari in eine dunkle Seitengasse. "Er war doch gerade noch zu sehen." Er richtet seinen Blick wieder auf seine Kollegen, die einige Meter entfernt weitergehen. "Was jetzt - soll ich den beiden folgen oder nach dem Kerl suchen?"

"Ich bin hier." Die Stimme kommt von oben - Kyle hockt auf einer Balkonbrüstung über ihm. "Und ich weiß, dass du auch ein Hunter bist - wie die beiden da hinten. Was ich jetzt noch wissen will, wer hat meine Leute erledigt? Warst du es oder deine Kollegen? Ist eigentlich auch egal, ich mach euch alle fertig - und danach den verräterischen Vampir, von dem ihr den Tipp gekriegt habt."

"Keine Ahnung, wovon du redest." Yagari richtet den Lauf seines Gewehrs auf Kyle, der mit einem Sprung jedoch bereits hinter dem Hunter gelandet ist. "Ich bin nicht so leicht zu besiegen, dank meiner Fähigkeiten bin ich noch schneller als andere Vampire." Um seine Worte zu bestätigen, bringt er mit einer raschen Bewegung das Gewehr in seinen Besitz. "Siehst du?"

"Er hat Recht - ich konnte nicht einmal verhindern, dass er meine Waffe nimmt." Mit dem Blick auf seinen Gegner gerichtet, verändert Yagari die Stellung seiner Füße.

"Was, willst du dir das Ding hier zurückholen?" Kyle klopft mit seiner freien Hand auf das Gewehr. "Du hast keine andere Waffe bei dir - aber selbst wenn du eine hättest, würde dir das auch nicht helfen." Mit einer weiteren schnellen Bewegung verschwindet er aus dem Sichtbereich des Hunters und stößt ihn mit dem Gewehrlauf in das linke Knie. Während Yagari noch um sein Gleichgewicht kämpft, verpasst ihm Kyle weitere Schläge bis zur Bewusstlosigkeit.
 

"Ryu-senpai." Als der Vampirlehrer das Klassenzimmer verlassen hatte, geht Yuki zu dem silberhaarigen Vampir hinüber. "Ist alles in Ordnung? Du warst während des Unterrichts ziemlich abgelenkt und wirkst auch ein wenig beunruhigt..."

"Nein, es ist nichts." Ryu rutscht an den Rand der Sitzbank. "Ich habe nur Durst, ich habe heute noch keine Bluttabletten genommen."

"Dann solltest du das schnell nachholen." Ichijo war dazu gekommen. "Der Unterricht ist für heute vorbei, gehen wir gemeinsam ins Mondwohnheim und dort trinkst du eine doppelte Dosis."

"Ja, das werde ich gleich in meinem Zimmer tun."

"Du kannst uns auch Gesellschaft leisten, Ryu-senpai", schlägt Yuki vor. "Wir alle werden in der Eingangshalle noch etwas trinken."

"Das ist freundlich von euch, Yuki-sama..."

"Natürlich, du bist schließlich auch ein Schüler unserer NightClass", unterbricht ihn die reinblütige Prinzessin. "Du gehörst zu uns, deshalb werde ich kein Nein akzeptieren."

"Es würde mir auch nie einfallen, eure Einladung abzulehnen", versichert Ryu mit einem Lächeln. "Es ist schließlich mein Auftrag, euch nahe zu kommen und dem Vampirsenat möglichst viele Informationen über euch zu geben. Nur darauf muss ich mich nun noch konzentrieren, nichts darf mich mehr ablenken.."
 

"Ich denke, das reicht." Kyle blickt auf Yagari herunter, der vor ihm auf dem Pflaster der Straße liegt. "Ich werde ihn jetzt nicht töten, der verrräterische Vampir soll von ihm erfahren, dass ich noch eine Rechnung zu begleichen habe. Und dass hier gehört ihm." Er holt etwas aus seiner Jackentasche - die kleine Stoffmaus, die Rika an Ryu verschenkt hatte. Während des Kampfes mit dem silberhaarigen Vampir war sie in Kyles Hände geraten. "Hiermit werde ich ihm eine persönliche Botschaft vermitteln." Mit einem kräftigen Biss schafft er eine offene Wunde an seinem Arm und lässt Blut auf die Maus träufeln.

"Und jetzt muss ich diesen Kerl noch auf das Schulgelände schaffen."
 

"Yuki-sama, habt ihr schon etwas von eurem Bruder gehört?" Ryu geht neben Yuki, auf dem Weg zum Mondwohnheim. "Es ist jetzt schon eine Weile her, dass er die Cross-Academy verlassen hat."

"Warum willst du das wissen?", meldet sich Aido. "Es kann dir doch egal sein, ob Kaname-sama eine Nachricht geschickt hat."

"Ich habe nur gefragt, weil ich mir Sorgen mache", schwindelt Ryu. "Er könnte doch in Schwierigkeiten geraten..."

"Auf keinen Fall!", keift Aido wieder. "Kaname-sama ist ein mächtiger Reinblüter, er wird mit allem fertig."

"Ja, das hoffe ich auch", stimmt Yuki zu. "Und ich wünschte, er würde bald wieder hier sein."

"Ich bin sicher, das wird er und ich entschuldige mich, wenn ich..." Ryu unterbricht den Satz und bleibt stehen. "Ist das... der Geruch von Blut?"

"Was?"

"Er hat gesagt, er riecht Blut." Ichijo und Kain treten näher. "Aus welcher Richtung kommt es, Ryu? Ich kann es nicht feststellen."

"Ich glaube..." Ryu dreht sich halb im Kreis. "Von dort." Er zeigt in die Richtung, wo die lange Treppe vom Schulgelände führt.

"Gut, gehen wir und sehen nach, was dort geschehen sein könnte", bestimmt Yuki und läuft bereits los.

"Wartet, Yuki-sama." Ryu folgt ihr.

"Warum läuft er ihr nach?" Aido blickt zu seinem Cousin. "Komm, Akatsuki - wir sollten Yuki-sama nicht mit ihm allein lassen." Er setzt sich ebenfalls in Bewegung.

"Was hat er nur gegen Ryu?" Ichijo runzelt die Stirn. "Ich verstehe nicht, warum er ihn nicht leiden kann."

"Ich nehme an, er ist einfach eifersüchtig, weil Ryu als neuer und gutaussehender Schüler Aufmerksamkeit von den DayClass-Schülerinnen bekommt." Shiki gähnt. "Dabei sind die Mädchen doch einfach nur laut und lästig. Komm, lassen wir die anderen und gehen schon zu unserem Wohnheim."



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  salmaknb
2016-06-24T21:46:16+00:00 24.06.2016 23:46
Schreib unbedingt weiter die FF ist so toll❤❤
Von:  Kiko19
2015-10-25T16:26:38+00:00 25.10.2015 17:26
Klar hab ich Interesse daran weiter zu lesen. :)
Von:  Kiko19
2015-07-08T12:20:42+00:00 08.07.2015 14:20
Würde nur zu gern weiter lesen, irgendwie kann ich mir die Handlung der Geschichte gut vorstellen. LG. Kiko.
Antwort von:  X-Breakgirl
24.10.2015 18:41
Neues Kapitel ist on, wenn du noch Interesse hast :-)


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