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Die Zeit deines Lebens

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben!
Zur Überraschung aller habe ich einen neuen Fanfic hochgeladen ;P
Die Idee dazu spukte mir schon längere Zeit in meinem Kopf herum und gestern hatte ich Zeit sie aufzuschreiben. Ich wollte mal euere Meinung dazu hören bevor ich mich dieser Story widme. Natürlich werde ich bei meinem anderen Fanfic weiterhin Kapitel hochladen! Im Monat März und April werden jeweils zwei Kapitel von L.O.V.E. erscheinen - so als kleines Dankeschön an meine fleißigen Leser ^^

Zu dieser Story muss ich sagen, dass die ganze Handlung noch recht wage ist, aber ich werde sie auf Dinge beziehen, die mir besonders in letzter Zeit sehr wichtig waren.
Diese Story beinhaltet nicht nur meine Lieblingsalben, sondern auch schöne Zitate aus Büchern, die ich lesen durfte (Siehe Charaktere).
Warum ich ausgerechnet jetzt eine neue Story beginge, obwohl die andere noch nicht fertig ist? Die Antwort ist für mich ganz klar. L.O.V.E. ist eine sehr dramatische Geschichte, die viele traurige Dinge in den Fokus hebt. Ich brauchte einfach einen Ausgleich, um noch ein bisschen Humor und Lebensfreude irgendwo einfließen zu lassen. Natürlich wird auch diese Geschichte ihre ernsten Seiten haben, aber ich denke sie wird um einiges humorvoller werden.

Okay ich glaube ich habe jetzt genug geredet und spanne euch nicht länger auf die Folter. Hier ist meine neue Story!
Viel Spaß beim Leben!
Ich freue mich selbstverständlich über euer Feedback :)

Liebe Grüße <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben.
Ich begrüße euch zu einem neuen Kapitel von "Die Zeit deines Lebens".
Mittlerweile weiß ich ungefähr in welche Richtung diese Story gehen soll und da das letzte Update schon vier Monate her ist, dachte ich das es Zeit für das zweite Kapitel wird ^^
Die Story gliedert sich in drei Handlungsstränge. Japan 2009. USA 2009. Und Gegenwart 2010.(Spielt hauptsächlich in Japan)
In den ersten Hälfte wird die Vergangenheit stark thematisiert werden und die Gegenwart wird nur ein bis zwei Sichten erhalten, was sich im Laufe der Story noch ändern wird.
Es wird auch einen kleinen Vorrausblick geben, der auch in diesem Kapitel zu finden ist. Wahrscheinlich wird er auch der einzige bleiben ;D Ich hoffe, dass die Zeitsprünge keinen verwirren werden. Jahreszahlen werden immer genannt und deutlich gemacht!
Ich möchte an dieser Stelle nochmals erwähnen, dass die Geschichte noch in den besagten Kinderschuhen steckt und sich auch noch in meinem Kopf entwickelt. Es steht also noch nichts fest. Und keiner meiner bisherigen Leser muss sich dazu genötigt fühlen, auch diese Geschichte von mir zu Lesen. Es wird bestimmt nicht meine Letzte sein ^^
Aber jetzt wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen und freue mich ganz herzlich über euer Feedback ;D

LG
dattelpalme11 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu ihr Lieben.
Da ich Kapitel drei jetzt fertiggestellt habe, möchte ich es euch auf gar keinen Fall vorenthalten ^^
Die Handlung setzt da ein, wo sie letztes Mal aufgehört hat. Dem 26. August 2009. Allerdings in New York. Ortswechsel werde ich innerhalb eines Tages nicht immer angeben. Ich denke man merkt von Sicht zu Sicht, wo man sich gerade befindet ;) Wird das Kapitel ohne ein Datum, Ortsangabe, etc angefangen, kann man davon ausgehen, dass es noch der gleiche Tag ist, wie im vorherigen Kapitel ;D Das nur um die Verwirrung etwas zu schmälern ^^
Ich wollte mich an dieser Stelle, bei meinen lieben Lesern und Kommentarschreibern für ihr Feedback bedanken ;) Ich finde es immer gut zu wissen, was ihr als meine Leser gerne lesen bzw. als nächstes wissen möchtet ^^
Das heutige Kapitel wird vllt sogar ein paar Fragen aus den Kommentaren beantworten können ;D
Ich freue mich selbstverständlich wieder sehr über euer Feedback und wünsch euch jetzt viel Spaß beim lesen ;)

LG
dattelpalme11 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :D
Mal wieder ein neues Kapitelchen von "Die Zeit deines Lebens" ;)
Heute mal ein ganz kurzes und knappes Vorwort. Ich wünsche euch jetzt einfach ganz viel Spaß beim lesen und freue mich auch über euer Feedback!
Es wird heute geklärt, wie Matt und Izzy auf die WG-Idee gekommen sind ^^ Und der Anfang setzt da an, wo das letzte Kapitel aufgehört hat ;)

LG
dattelpalme11 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu ihr Lieben :)
Nach ungefähr einer Woche Pause gibt's auch hier ein neues Kapitel ;)
Ich möchte euch daher nicht mit einem zu langen Vorwort nerven und euch jetzt einfach viel Spaß beim Lesen wünschen.
Das Kapitel steigt dort ein, wo das Letzte aufgehört hat ;) Es spielt also in der Gegenwart ^.^
Freue mich wie immer für euer Meinung ;P

Lg
dattelpalme11 <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,

ihr habt richtig gesehen, es gibt schon wieder ein neues Kapitel :) Ich war das letzte Wochenende ein bisschen fleißig gewesen ;) Mal gucken ob ich dieses wieder, fleißig sein werde :D
Dieses Kapitel ist bisher, dass längste meiner Story. Und ich bin manchmal ein bisschen unsicher, ob ich euch damit nicht ein wenig erschlage. Ihr könnt mir gerne in die Kommentare eure Meinung schreiben. Mögt ihr lieber längere Kapitel oder kurze knackige? (ungefähr 2000-4000 Wörter lang)
Bevor ich euch endlich lesen, lasse habe ich noch zwei kurze Sachen, die ich erwähnen möchte.
Viele haben mich bereits gefragt, wann es mit L.O.V.E. weitergeht und ich kann euch versichern, dass ich Anfang nächster Woche, endlich das neue Kapitel hochladen werde ;) Nicht vergessen, es spielt sieben Jahre später. Es ist also einiges passiert ;)
Das Zweite ist wirklich etwas, was mich wahnsinnig gefreut hat. Bestimmt haben es schon viele von euch mitbekommen: Digimon Adventure bekommt im Frühjahr 2015 eine Fortsetzung!! Endlich geht es weiter! Nach 15 Jahren! Voll krass, ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich freue :D
Bisher ist noch sehr wenig bekannt. Man weiß nur das Tai dabei sein wird und in der neuen Geschichte 17 Jahre ist und die High School besucht.
Daher frage ich euch: Was erhofft ihr euch für die neue Staffel?
Ich würde mir wirklich wünschen, dass sie das Meer der Dunkelheit noch einmal aufgreifen, da die ganze Geschichte wirklich nur am Rande erzählt wurde. Und ich will auch unbedingt wissen, WARUM TK und Kari am Ende nicht zusammen gekommen sind :(? Und ich hoffe, dass man auch alte Freunde wie Leomon, Elecmon und Piximon wiedersieht. Irgendwie sind sie in der zweiten Staffel gar nicht mehr aufgetaucht :/
Okay was denkt ihr? Schreibt mir eure Vermutungen ruhig in die Kommentare ;) Ich finde es irgendwie voll spannend zu lesen, was sich andere erhoffen ^-^
Aber jetzt wurde genug geschwallt. Jetzt geht es los mit dem Kapitel.
Kleine Info: Dieses Kapitel spielt NUR in der Gegenwart!

Viel Spaß beim Lesen!
LG dattelpalme11 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
heute kommt endlich mal wieder ein neues Kapitel zu „Die Zeit deines Lebens“ :)
Ich werde in der nächsten Zeit versuchen, regelmäßig ein neues Kapitel im Monat hochzuladen.
Natürlich möchte ich euch nicht zu lange warten lassen, aber im Moment komme ich einfach nicht zum Weiterschreiben x.x Aber keine Sorge, ich habe noch ein paar Kapitel auf Vorrat ^_^
Bevor ich euch zum Lesen entlasse, möchte ich noch zwei kleine Dinge erwähnen.
Ich habe am Wochenende einen kleinen OS hochgeladen, um nochmal ganz lieb DANKE zu sagen! Die Resonanz zu L.O.V.E. hat mich wirklich umgehauen und ich wollte auch eine Kleinigkeit schreiben, da mir aufgefallen ist, dass ich diesen Monat schon sechs Jahre auf Animexx dabei bin ^^
Die zweite Sache hat etwas mit meiner neuen Story zu tun. Meine verrückte, aber wirklich sehr liebenswerte Digimon-Autoren-Facebook-Gruppe hat mich soo ein bisschen danach ausgequetscht und ich dachte mir, dass ich euch einen kleinen Spoiler dazu liefere ;)
Ihr findet ein paar Infos im Nachwort ;) Reingucken auf einige Verantwortung :P
Na gut, aber jetzt wünsche ich euch wirklich viel Spaß beim Lesen!
Ich freue mich wie immer über eure Meinungen :)

P.S.: Das Foreshadowing von Kapitel 2 wird in diesem Kapitel aufgegriffen werden ;)

Liebe Grüße
dattelpalme11 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
ja diese Geschichte exisitiert noch, auch wenn ich sie in letzter Zeit sehr vernachlässigt habe.
Es tut mir daher sehr leid, dass viele von euch so lange warten mussten :/
Doch leider muss ich gestehen, dass ich hier so ein bissschen den Faden verloren habe, weil sie doch sehr komplex ist.
Ich muss auch zugeben, dass ich lieber an meiner anderen Story weitergeschrieben habe, als mich dieser zu widmen.
Das hatte mehrere Gründe.

Mittlerweile finde ich es einfacher und auch schöner, nur aus einer Perspektive zu schreiben, da bei mehreren Sichten meist immer irgendwer zu kurz kommt.
Mich hat es auch genervt, dass die Kapitel teilweise überlang geworden sind und ich sogar den Überblick verloren habe. Es ist echt verdammt schwer vergangene Ereignisse mit Gegenwärtigen zu verknüpfen, wenn sie so einen enormen Einfluss auf die Geschichte haben können.
Dennoch habe ich versucht, alles Vergangene im ersten Akt zu klären. Die folgenden Kapitel habe ich schon länger fertig und sie ein bisschen beiseite geschoben, da ich keine Ahnung hatte wie es hier weitergehen sollte.
Mir hat einfach das Interesse und auch der Spaß gefehlt, weshalb ich auch den zweiten Akt etwas anders gestalten werde, als eigentlich geplant.

Dennoch wollte ich euch die Kapitel nicht vorenthalten und freue mich immer sehr über eure Meinungen, da ich ja auch dann erfahre, was ihr vielleicht noch gerne wissen möchtet und euch an der Story interessiert.
Ich hoffe, dass ihr mir nicht all zu böse seid und die Geschichte dennoch gerne lest :>
Aber gut, ich wünsche euch jetzt viel Spaß beim heutigen Kapitel :)
Wie immer freue ich mich sehr über euer Feedback!

P.S.: Die nächste Empfehlung wird wieder im Vor-oder Nachwort von Bastard Child zu finden sein. Das neue Kapitel wird Mitte nächster Woche online kommen :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
BITTE NACHWORT BEACHTEN! Komplett anzeigen

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[Akt 1] Absturzgefahr.


 

Life, a beautiful and fragile thing.

Out Alive, Warrior. Ke$ha, 2012.
 


 

21. Juli 2009. Odaiba, Japan. Flughafen.
 

„Und du kommst auch wirklich ohne uns klar?“, fragte ihre Mutter und drückte Kari fest an sich. Kari schaute schon etwas peinlich berührt zu ihrem Bruder, der sie jedoch traurig anblickte. Heute würde die 18-Jährige einen wichtigen Schritt wagen.

Sie hatte sich für ein Auslandsstudium qualifiziert in der Metropole Amerikas. New York.

Kari konnte immer noch nicht fassen, dass ausgerechnet die Juilliard, die Hochschule für darstellende Künste, sie haben wollte. Ein Traum schien in Erfüllung zu gehen.

„Ich werde das schon alles schaffen“, wand sie sich zu ihrer Mutter und gab ihr ein aufmunterndes Lächeln.

Hikari sah in die kleine Runde, die sich zu ihrem Abschied versammelt hatte. Neben ihrer Familie, waren noch Tais Freundin Sora, sein bester Freund Matt und Takeru mitgekommen. Er und Kari waren schon seit Jahren die besten Freunde gewesen. Ganz klar hatte der junge Blondschopf Angst den Kontakt zu ihr zu verlieren. New York war nicht nur weit weg, sondern lag auch in einer anderen Zeitzone als Japan.

Etwas missmutig blickte der junge Takaishi drein, als sich seine beste Freundin herzlicher von seinem Bruder verabschiedete als von ihm. Natürlich wusste er, dass sie für Matt mehr als nur Freundschaft empfand. Er hatte es jedoch in den knapp eineinhalb Jahren kein einziges Mal bemerkt. Viel lieber, heulte sie seinem kleinen Bruder die Ohren voll.

All das wäre für TK kaum ein Problem gewesen, wenn er selbst nicht mehr für sie empfinden würde.

Er hatte nie etwas gesagt. Auch als sie in der zehnten Klasse eine kurze Zeit mit Davis zusammen war, hielt er seine eigenen Gefühle immer stets unter Verschluss.

TK wusste nicht wieso, aber er hatte das Gefühl, dass sie in ihm nie mehr als einen Bruder sah. Somit hätten seine unangebrachten Gefühle nur die Freundschaft der beiden gefährdet. Und das wäre für den jungen Mann eine viel größere Katastrophe gewesen, als ein wenig Liebeskummer zu haben. Vielleicht hatte er ja Glück und nach einem Jahr, oder nach zweien, würden sich seine Gefühle einfach in Wohlgefallen auflösen.

Taichi hingegen hatte ganz andere Sorgen. Jetzt wo seine Schwester ausgezogen war, hieß es für ihn, dass er noch mit einundzwanzig Jahren bei seinen Eltern lebte. Und das ohne jegliche Unterstützung. Natürlich hatte er immer noch die Möglichkeit mit Sora zusammen zu ziehen, aber wenn er ehrlich war, wusste er, dass die Beziehung zu Sora nicht mehr gut lief. Sie waren schon über drei Jahre zusammen und hatten sämtliche Höhen und Tiefen gemeinsam erlebt. Mittlerweile hatte sich der Alltag eingeschlichen. Manchmal vermisste er das gute alte Single-Leben.

Seine Freundin Sora bemerkte sein angestrengtes Gesicht, doch sie war zu traurig, um irgendetwas daraus zu entschlüsseln. Kari war in den letzten Jahren eine wirklich gute Freundin von ihr geworden.

Sie erinnerte sich an viele gemeinsame Mädels-Abende und an kleine Tanzwettstreite. Ganz klar, Sora würde sie vermissen. Jetzt verließ sie schon eine weitere Freundin, um in Amerika ihr Glück zu versuchen. Die erste war Mimi. Sie waren damals ungefähr zwölf, dreizehn, als Mimis Vater die Familie mit seiner neuen Stelle in Amerika überraschte. Es dauerte keine zwei Monate. Das Haus wurde verkauft, die Sachen zusammengepackt und dann wurde die Heimat hinter sich gelassen. Zwar besuchte Mimi sie manchmal in den Sommerferien, aber es war alles nicht mehr dasselbe seit sie sich eine „Eingefleischte Amerikanerin“ nannte.

Kaum hörbar seufzte sie, als Hikari sie umarmte. Natürlich hoffte, sie das es diesmal anders laufen würde.

Yamato beobachtete wie die junge Japanerin gerade ihren Bruder umarmte und er deutlich mit der Fassung rang. Matt wusste, dass es Tai sehr schwer fallen würde, sie loszulassen. Er war schließlich ihr großer Bruder. Der Beschützer. Der, der für Hikari wohl alles machen würde.

Doch jetzt hieß es auch für ihn Abschied nehmen. Für Yamato war Kari immer die kleine Schwester, die er Dank der Scheidung seiner Eltern, nie haben durfte. Früher unternahmen sie viel gemeinsam.

Er fand es wirklich Schade, dass diese Zeit wohl nun zu Ende war.

Besonders für seinen kleinen Bruder, tat es ihm Leid. Er musste nicht zweimal hinsehen, um zu erkennen, wie geknickt er war. Oft hatte er gedacht, nein vielleicht sogar gehofft, dass die beiden doch noch ein Paar werden würden. Leider blieb, das alles nur Wunschdenken. Und jetzt würde sie auch noch nach Amerika gehen.

„Ich werde euch wirklich wahnsinnig vermissen“, sagte Kari, als sie mit ihrem Reisepass zum Check-In ging. „Aber wir werden in Kontakt bleiben“.

Mit einem zuversichtlichen Lächeln drehte sie sich um und hörte gerade noch wie ihre Mutter ihr noch etwas nachrief.

„Pass gut auf dich auf. Und wenn du Probleme hast...du kannst immer wieder nach Hause kommen“.

Kurz wand sie sich noch einmal der kleinen Truppe zu und grinste über das ganze Gesicht. Sie war froh eine solch tolle Familie und Freunde zu haben. Doch jetzt war es an der Zeit ihr Leben zu leben.

„Macht euch keine Sorgen! Ich komme schon klar“.
 


 

22. Mai 2010. New York, USA. Nightclub.
 

Aufgebracht durchbrauste sie den Nachtclub, den die beiden häufig miteinander besucht hatten. Sie konnte nicht fassen, dass die junge Frau sich schon wieder ins Nachtleben stürzte. Dachte sie nun überhaupt nicht mehr nach? Angesäuert näherte sich Mimi den Rauchern. Einer studierte mit ihr zusammen. „Hey sag mal hast du Hikari gesehen?“

Der Kerl grinste nur und blies ihr den Rauch mitten ins Gesicht. „Keine Ahnung wen du meinst. Aber ich soll dir von Michael ausrichten, dass er dich vermisst“.

Mimi wedelte immer noch den Rauch aus ihrem Gesicht und blickte finster, als sie den Namen ihres Ex hörte. „Schön für ihn. Sag ihm das ich für ihn nicht mehr verfügbar bin“.

„Für dich doch immer wieder gern, Prinzessinchen“, feixte er und zog wieder kräftig an seiner Zigarette.

Mimi rümpfte nur die Nase und drehte ihnen den Rücken zu. Wahrscheinlich hätte sie aus denen wohl eh nichts heraus bekommen.

Sie stöckelte wieder zurück auf die Tanzfläche und bemerkte erst jetzt, was für eine schlechte Luft hier drinnen herrschte. Ihre Augen suchten immer noch nach der jungen Japanerin mit den braunen Haaren.

Plötzlich entdeckte sie die 19-Jährige – am Fummeln mit einem deutlich älteren Kerl. Mimi schüttelte nur den Kopf und ging schnurstracks auf sie zu.

„Okay ich darf sie mir doch bestimmt mal ausleihen“, meinte sie schnippisch und zog Kari von dem Kerl weg nach draußen.

„Sag mal bist du bescheuert?“, blaffte sie ihre Freundin an. Sie hatte wieder deutlich zu viel getrunken. Ihr Whisky-Atmen roch sie bis hier. Manchmal fragte sie sich wirklich, wie sie so ohne weiteres an Alkohol kam. Wahrscheinlich lag es an ihrem Outfit, dass nach Mimis Erachten eindeutig zu kurz geraten war.

„Ich weiß gar nicht was du willst“, antwortete sie beschwipst und tänzelte leicht umher.

„Wie kannst du nach so einer Sache nur feiern gehen? Ist dir das überhaupt nicht nah gegangen?“

Kari schaute zu Boden und versuchte einen festen Punkt zu finden, der sich nicht wie ein Karussell drehte.

„Ist doch nichts passiert“, murrte sie leise, um Mimi nicht noch wütender zu machen. Doch die Brünette kochte bereits und der Topf würde bei ihr definitiv überlaufen.

„Kari sagt mal bist du von allen guten Geistern verlassen? Du hattest letzte Woche eine Abtreibung und keine verdammte Zahnreinigung!“

„Shht, hör auf so zu schreien, nachher hört dich noch jemand“, ermahnte die Jüngere sie und zog an ihrem Arm.

„Vielleicht hört es ja der Kerl, der dich geschwängert hat“.

„Du weiß doch genau, dass ich ihn nicht kenne“, verteidigte sie sich und taumelte wieder. Mimi hielt sie fest und funkelte sie böse an. Sie konnte sich noch genau an den Tag erinnern, als die 19-Jährige vor ihrem Zimmer stand und ihr unter Tränen beichtete, dass sie wohlmöglich schwanger sei.

Mimi konnte nicht fassen, dass es sogar tatsächlich stimmte. Falscher Alarm hatte bestimmt schon jeder Mal zelebriert. Aber nachdem selbst der dritte Schwangerschaftstest ihren einen Smiley zeigte, wussten die jungen Frauen, dass sie direkt einen Frauenarzt aufsuchen mussten.

Dieser bestätigte nur dass, was sie schon wussten. Hikari war schwanger. Ungefähr in der zehnten Woche befand sie sich, als sie den Arzt aufsuchten. Ungefähr vor zehn Wochen hatte die 19-Jährige einen One Night Stand mit einem Unbekannten. Es war auf einer diesen zahlreichen Studentenpartys. Natürlich wurde viel getrunken und die ein oder andere verbotene Substanz eingenommen. Sie waren doch alle jung und konnten etwas Spaß ruhig vertragen. Das Studentendasein galt doch schließlich als die Zeit des Lebens, oder nicht?

Für Hikari hingegen war diese zwanglose Liebschaft leider nicht ganz ohne Folgen geblieben. Dennoch blieb sie nach der Erkenntnis relativ gelassen. In der elften Woche verkündete sie Mimi, dass sie einen Termin zu einer Abtreibung ausgemacht hatte – so als wäre es fast schon etwas Selbstverständliches.

Die 21-Jährige hatte sie zu dem Termin begleitet. Sie dachte schon, dass sie danach in Tränen zusammen brechen würde und die ganze Aktion bereue. Kari liebte schließlich Kinder.

Aber als sie nach dem Eingriff ins Wartezimmer kam, wirkte sie kein bisschen verändert. Als Mimi fragte, wie sie sich fühlte, antwortete sie mit einem knappen „Gut“ und schlug vor noch etwas essen zu gehen.

Allein schon diese Reaktion hätte sie stutzig machen müssen. Was war nur los mit ihr? Hatte sie wirklich den Verstand verloren?
 


 

„Igitt, Davis was ist das?“, fragte Yolei und beugte sich ungläubig über ihren Teller. Davis setzte sich zu seinen Mitbewohnern an den Tisch und begutachtete den Teller Gemüsesuppe.

„Das schmeckt lecker. Probier‘ doch mal“.

Misstrauisch rührte Yolei in der grünen Pampe und beobachtete Ken und TK, die ihren ersten Löffel zu sich nahmen.

„Schmeckt wirklich lecker“, sagte TK und nahm gleich einen weiteren Löffel zu sich. Auch Ken nickte zustimmend und sah auffordern zu Yolei.

Diese rührte immer noch in ihrem Teller, in der Hoffnung, die Farbe würde sich noch einmal ändern. Davis musterte sie haargenau. Er konnte nicht verstehen, warum sie sich immer so anstellen musste. Eigentlich funktionierte ihre Wohngemeinschaft recht gut – auch wenn sie wohl nicht unterschiedlicher sein könnten.

Yolei war wohl der Wirbelwind unter den Vieren und auch die einzige weibliche Person. Wer jetzt dachte, dass sie für den häuslichen Kram zuständig war, irrte sich gewaltig. Sie konnte noch nicht einmal Weiß- und Buntwäsche waschen, ohne sie miteinander zu vermischen. Seither musste TK zwangsweise rosa Hemden tragen und Yolei wurde selbstverständlich vom Wäschedienst subspendiert.

Ken hingegen war die gute Seele des Hauses. Er putzte, wusch die Wäsche, ohne Farbunfälle und war sozusagen die Mutti für alles. Auch Näharbeiten waren für ihn eine Leichtigkeit. Kaum zu glauben, dass er eine Ausbildung zum Polizisten machte.

„Ess das jetzt! Oder ich halte dir die Nase zu und schaufle es in dich hinein!“, meckerte Davis trotzig und versuchte Yolei den Löffel in den Mund zu schieben. Wiederwillig beugte sie sich seinem Willen und probierte einen halben Löffel Gemüsesuppe. Auch wenn ihr Gesichtsausdruck nicht unbedingt eine Geschmacksexplosion vermuten ließ, aß sie ohne weiteres Gezeter weiter. Meist konnte man Davis‘ Essen doch irgendwie essen. Unnötig zu erwähnen, dass er für die Beköstigung der Vier zuständig war.

TK war hingegen ein Mädchen für alles. Mal half er Davis beim Gemüse schnippeln, oder Ken beim Aufräumen der Wohnung. Manchmal richtete er auch mehr Chaos als Yolei an, indem er seine Uni-Bücher in sämtlichen Räumen verteilte.

Im Großen und Ganzen funktionierte das Zusammenleben der Vier relativ gut. Zwar war es seltenes Leise und das Chaos regierte größernteils der Zeit, aber bei ihnen wurde es nie langweilig. Jeden Tag bot sich eine neue Überraschung an, die förmlich danach schrie, von ihnen gemeistert zu werden.
 


 

23.Mai.2010. New York, USA. Studentenwohnheim.
 

Lautlos gingen die beiden jungen Frauen nebeneinander her. Mimi kramte ihre Schlüssel aus der Tasche und schloss die Tür zu ihrem Zimmer auf. Sie hatte ein Einzelzimmer, das ihre Eltern ihrer Prinzessin gerne bezahlten. Im Studentenwohnheim war mittlerweile Ruhe eingekehrt und Kari ließ sich erschöpft auf das Bett der 21-Jährigen fallen. Es war erst kurz nach zwölf, aber die junge Japanerin war sichtlich geschafft. Vielleicht hätte sie doch weniger trinken sollen.

„Bist du noch sauer auf mich?“

Mimi schaute in den Spiegel und zog ihre Ohrringe aus. Ihr Gesicht hatte sich kein bisschen verändert, seit sie den Club verlassen hatten. Immer noch begutachtete die Ältere ihre Freundin streng durch den Spiegel und fuhr sich währenddessen mit ihren Fingern durch die langen braunen Haare.

„Ich bin nicht sauer auf dich, aber ich kann dich einfach nicht verstehen“, sagte sie und drehte sich zu ihr. „Hat dir das ganze überhaupt nichts ausgemacht?“

Kari setzte sich auf und schielte zur Seite. Klar, sie liebte Kinder. Natürlich stellte sich die Frage, warum sie so eiskalt auf die Abtreibung reagierte. Die Tatsache, dass sie erst neunzehn Jahre alt war, schob sie eigentlich nur als Schutz nach vorne.

Sie konnte Mimi nicht erzählen, mit wem sie geschlafen hatte. Das würde sie ihr nie im Leben verzeihen. Noch immer wusste sie nicht, was sie dazu geritten hatte. Nach dem einen oder anderen Drink hatte sie ganz klar den Orientierungssinn verloren. Er war so nett, sie nach Hause zu bringen.

Schon vor dem Wohnheim begangen sie eine wilde Knutscherei, die wie zu Erwarten in seinem Zimmer endete.

Am nächsten Morgen schlich sich die Brünette schon vor Sonnenaufgang aus seinem Zimmer. Ihr Kopf dröhnte und sagte ihr immer wieder, dass sie einen Fehler begangen hatte.

Wie konnte sie auch nur so dumm sein und mit Michael schlafen? Er und Mimi waren jahrelang ein Paar gewesen. Schon auf der High School fing es bei den beiden an. Nachdem sie nach New York gegangen waren, wurden die ersten Spannungen deutlich sichtbar. Michael hatte es noch nie mit der Treue, doch in New York konnte er seine neuen Liebschaften nicht so gut unter Verschluss halten wie auf der High School. Dafür war ihre Universität sichtlich zu klein und privat.

Im Januar zog Mimi den endgültigen Schlussstrich und trennte sich von ihm in aller Öffentlichkeit. Mimi war eben eine Dramaqueen durch und durch.

Michael hingegen nahm die Trennung erst locker hin, doch innerlich brodelte er. Noch nie hatte ein Mädchen mit ihm Schluss gemacht. Das kratzte gewaltig an seinem Ego.

Seither hatte er zwar weiterhin mit irgendwelchen dummen Dingern Affären, während er zwischenzeitlich immer wieder versuchte bei Mimi anzubändeln. Doch Mimi blieb so hart wie ein Fels in der Brandung. Nur Kari wurde schwach und konnte sich zu den dummen Dingern der restlichen Universität zählen.

„Ach Mimi ich möchte jetzt wirklich nicht mehr über diese dumme Abtreibung sprechen. Lass es uns einfach vergessen“. Eigentlich wollte sie nur ihren eigenen Fehler vergessen.

„Es vergessen? Hast du etwa Drogen genommen? Es war immerhin ein Lebewesen und kein Spielzeug, auf das man einfach keinen Bock mehr hatte“.

Fassungslos starrte sie in die leeren Augen ihrer besten Freundin. Wie sollte das mit ihr nur weitergehen? Das gleiche konnte ihr in zwei Wochen wieder passieren.

Auch wenn es Mimi nur ungern zugab, aber ihre Freundin Hikari Yagami war außer Kontrolle geraten.
 


 

„Izzy? Bist du schon wieder am Küchentisch eingeschlafen?“ Matt rüttelte ihn leicht und sah ein regelrechtes Bücherchaos vor ihm. Sein Freund Izzy lag mit seinem Kopf mittendrin und sabberte auf die offene Buchseite.

„Hey! Aufwachen! Es ist bereits morgen“, forderte er und rüttelte ihn immer noch.

Erschrocken wachte der Rotschopf auf und sprang vom Stuhl. „WAS? MORGEN? Ich muss zur Uni“, ratterte er und schnappte sich das Buch, auf dem er noch vor paar Sekunden schlief. Hektisch versuchte er seine Sachen zusammen zu suchen und polterte durch den Wohnbereich.

Matt beobachtete das ganze Szenario mit Genuss. Schnell krallte er sich seinen Pulli und zog ihn über den Kopf. Seine roten Haare standen in alle Richtungen und auch die Kombination aus Pulli und Boxershorts war sehr interessant gewesen.

„Ich bin dann jetzt weg. Bis heute Mittag“, meinte er und wollte gerade die Wohnung verlassen, als Matt ihm grinsend hinter rief.

„Mach mal halblang. Heute ist Sonntag“.

„Und das sagst du mir erst jetzt?“ Erschöpft ließ er seine Tasche fallen und rutschte den Boden hinunter.

„Tut mir leid, es war einfach zu witzig gewesen“, verteidigte sich der Blonde und unterdrückte sein Lachen. Izzy war wirklich einzigartig. Mit ihm konnte man sich doch den einen oder anderen Spaß erlauben.

„Lass mich raten, Tai schläft dann bestimmt noch, oder?“

„Volltreffer“. Matt ging zur Küche und holte sich aus dem Kühlschrank etwas Milch für sein Müsli. „Wenn du willst kannst du ihn gerne wecken. Er kam heute Nacht mit Damenbesuch nach Hause“, feixte er und schob einen Löffel Müsli in seinen Mund.

Izzy und Frauen? Das war nie eine gute Kombi gewesen. Meistens bekam er kein einziges Wort heraus und stammelte nur unvollständige Sätze zusammen, die bei der Damenwelt eher nicht gut ankamen.

Kurze Zeit später kam der verschlafene Taichi aus seinem Zimmer. Seine Haare standen wie gewohnt zu Berge und er war nur in Boxershorts und T-Shirt bekleidet, als er Matt und Izzy in die Arme lief.

„Na ne wilde Nacht gehabt?“, witzelte Matt und grinste dreist.

„Klappe“, knurrte er und setzte sich an den Tisch. Izzy gesellte sich wortlos zu ihm und stellte seine Ellenbogen auf die Tischplatte.

„Ist sie etwa noch in deinem Zimmer?“, fragte Matt und zeigte mit seinem Löffel in die Richtung der Tür.

„Nein sie ist schon vor zwei Stunden gegangen“, antwortete der Wuschelkopf und gähnte herzlich.

Matts Grinsen hingegen wuchs ins Unermessliche. „Was war es etwa so schlecht?“

Tai sah ihn giftig an, wand aber schnell seinen Blick wieder von ihm an. Izzy sah nur unsicher zwischen den beiden hin und her.

„Vielleicht wollte sie dein dummes Gesicht nicht sehen“.

„Also kennen wir sie?“

„Möglicherweise“, kommentierte er und hielt sich den Kopf. Das eine Bier war wohl doch zu viel gewesen. Obwohl er langsam glaubte, dass es nicht allein am Bier lag.

Matt ging zum Tisch und stupste Izzy leicht an und gab ihm einen vielsagenden Blick. „Vielleicht war es ja die aus dem Seminar“, schlussfolgerte er.

Tai schüttelte nur leicht den Kopf und legte ihn auf die Tischplatte. Irgendwie ging es ihm heute gar nicht gut. Vielleicht sollte er sich lieber noch ein bisschen hinlegen.

„Ich glaube ich geh ins Bett“, erwiderte er und stand auf.

Matt hatte sich gerade hingesetzt und löffelte den Rest aus seiner Schüssel. „Uh, Uh war es die aus der Bibliothek?“, fragte der Blondschopf und wippte ungeduldig auf seinem Stuhl.

„Rat ruhig weiter. Ich gehe jetzt schlafen“, flüsterte er und verzog sich in sein Zimmer.

Izzy und Matt schauten sich gegenseitig an und mussten augenblicklich anfangen zu lachen. Auf Tais Beuteliste wollte wohl keiner der beiden stehen. Kaum zu glauben, dass er mit Sora knapp vier Jahre zusammen war.

Vielleicht hatte er einfach noch nicht die Richtige gefunden.

Gleichzeitig stand Tai in seinem Zimmer und hielt sich mit der Hand seine Stirn. Er hatte definitiv Kopfschmerzen. Nach dieser Nacht konnte er wirklich nicht mehr klar denken. Wieso musste er auch ausgerechnet Sora mit nach Hause bringen?
 


 

Müde und ausgelaugt erwachte die Brünette aus ihrem Schlaf. Sie schaute kurz zur Uhr und sah, dass es bereits nach elf war. Sie setzte sich auf und rieb den Schlafsand aus ihren Augen. Sie blinzelte ein paar Mal, um zu erkennen, dass ihre Freundin bereits an ihrem pinken Laptop saß.

In Mimis Zimmer dominierte diese Farbe eindeutig. Kari hatte seltenes jemanden gesehen, der freiwillig so viel Pink trug, wie es Mimi immer tat.

Der pinkte Laptop war wirklich noch recht harmlos gewesen. Im Winter trug sie einmal einen pinken Kunsthaarmantel, den sie ganz günstig in einer kleinen Boutique in der Nähe des Campus kaufte. Nebensächlich zu erwähnen, dass sie für eine Woche, dass Gesprächsthema Nummer eins war. Sie wusste einfach wie sie sich in den Mittelpunkt stellen konnte. Und jeder der Mimi, nur ansatzweise so gut kannte wie Kari es tat, wusste dass sie jeden einzelnen Moment im Scheinwerferlicht genoss. Eine wahre Diva eben.

„Was machst du da?“, fragte die Jüngere schlaftrunken und bewegte sich schwerfällig einige Zentimeter.

„Mhm ich schaue mich nach günstigen Flügen um“, gab sie knapp zu, ohne sich herum zu drehen.

„Willst du etwa verreisen?“ Etwas irritiert über die plötzlichen Reisepläne ihrer Freundin, stand die junge Yagami auf und schaute ihr über die Schulter. Sie erkannte trotzt eines etwas benebelten Kopfes, dass sich Mimi Flüge nach Tokio anschaute. Warum wollte sie ausgerechnet nach Japan? Kari hätte wohl eher auf die Karibik getippt. Als Mimi auch noch zwei Sitze buchte, sah Kari überrascht drein. Wollte sie etwa wieder versuchen, ihren Koffer ins Flugzeug zu schmuggeln?

„Du willst nach Japan fliegen? Hast du vor jemanden zu besuchen?“

Kari ließ sich wieder auf ihrem Bett nieder und schaute gespannt zu ihrer Freundin, die sich mit einem breiten Grinsen zu ihr rumdrehte.

Sie konnte ja nicht ahnen, welchen Plan sie in Wirklichkeit verfolgte. Um die Spannung zu steigern, schaute sie Kari zuerst einige Minuten mit diesem dämlichen Grinsen an und hob provokant ihre Augenbraue.

„Wieso hast du überhaupt für zwei gebucht?“, wollte die 19-Jährige wissen und starrte sie angestrengt an. Mimi kräuselte leicht die Lippen und stand auf. Die Überraschung brauchte doch ein großes Finale, oder etwa nicht?

„Wir fliegen morgen Nachmittag nach Japan“.

Kari lachte kurz auf und schüttelte den Kopf. „Was meinst du mir wir?“

„Ja du und ich natürlich“, sagte sie gelassen und setzte sich neben Kari aufs Bett.

„Das ist doch wohl ein Witz, oder?“

Mimis Blick verfinsterte sich. Sie wusste, dass Kari eine harte Nuss war. Aber morgen Nachmittag würden sie in diesem Flieger sitzen, der sie wieder zurück in die Heimat bringen sollte. Komme was da wolle. Kari musste rehabilitiert werden – und das ganz dringend.

„Du verarschst mich doch“, wiederholte sie grimmig und stupste ihre Freundin an.

„Seh ich wirklich so aus, als würde ich irgendwelche Scherze machen?“, fragte sie kritisch und deutete auf ihre gespielt ernste Miene. Kari stöhnt nur laut auf und versteckte ihr Gesicht unter ihren Händen. Mimi hingegen lächelte zufrieden und wollte sich am liebsten selbst auf die Schultern klopfen. Ihre Ideen waren wirklich einmalig genial. Und niemand würde sie von ihren Plänen je abbringen können – noch nicht mal eine aus dem Hause Yagami. Es war beschlossene Sache.

„Wir fliegen morgen nach Japan! Ende der Diskussion“.
 

Fortsetzung folgt...

Momentaufnahmen.


 

Guess things aren't always what they seem.

In Real Life, Unbroken. Demi Lovato, 2011.
 


 

Sie küssten sich wild und der Alkohol pulsierte durch ihre Adern. Sie vergrub ihre langen Finger in seinen langen blonden Haaren und stöhnte laut, als er ihren Hals liebkoste.

Hikari wusste nicht mehr was sie eigentlich noch tat. Ihr Gehirn war wie vernebelt und ihre Beine begangen langsam an zu zittern, als er an ihrer Unterwäsche zupfte. Ihr war heiß. Ihre Atmung wurde immer flacher und die Lust nach ihm wurde immer größer. Er küsste die auf den Mund und saugte leicht an ihrer Unterlippe, als er ihr gleichzeitig den BH öffnete. Sie zog ihm gierig sein T-Shirt über den Kopf und glitt mit ihren Fingern herab zu seiner Hose.

Sie hatte leichtes Spiel und öffnete zuerst den Knopf und dann den Reißverschluss, während sie seine Brust entlang küsste. Der Blondschopf atmete scharf ein, als sie immer weiter hinab glitt und seine Hose hinunterzog.

Er wusste selbst nicht, warum er das eigentlich tat. Es war einfach der Moment, der ihn in diese Situation getrieben hatte. Okay vielleicht auch das ein oder andere Glas Wodka, dass er gemeinsam mit ihr getrunken hatte.

Doch sie wusste genau, was sie hier tat. Das alles wünschte sie sich schon eine Ewigkeit. Sie wollte ihm nah sein. Ihn fühlen, berühren, küssen und in ihren Armen halten. Er sollte ihr gehören.

Yamato hingehen hatte ganz andere Gedanken, die er versuchte zu verdrängen. Immerhin war sie die kleine Schwester seines bestens Freundes und auch er wusste, dass sich TK und Kari ebenfalls wieder etwas näher gekommen waren, seit sie in Japan war. Kaum zu übersehen, dass sein kleiner Bruder sie immer noch liebte. Und was tat er? Er war gerade im Begriff mit ihr zu schlafen.

„Ich kann das nicht“, sagte er plötzlich und stieß sie sanft weg. Kari sah ihn erschrocken an und musterte ihn kurz.

„Was? Warum?“

„Du weißt genau, das TK das hier sehr verletzen würde und außerdem ist Tai dein Bruder und mein bester Freund“, antwortete er geleitet von seinem schlechten Gewissen.

Die junge Yagami verrollte die Augen und zog ihn wieder näher heran. „Vergiss sie. Dieser Moment gehört nur uns“, erwiderte sie und küsste ihn hungrig.

Doch er entfernte sich von ihr und drückte sie sanft zur Seite.

„Das ist ein Fehler. Wir sollten das nicht tun“, sagte er bestimmend und stand auf. Sie saß vor ihm, halbnackt. Noch nie hatte ein Mädchen so zerbrechlich gewirkt wie sie. „Du solltest besser gehen“.

In ihren Augen bildeten sich Tränen und sie zog beschämt ihr danebenliegendes Shirt vor ihren nackten Oberkörper. Sie bückte sich und raffte ihre Wäsche auf, als sie danach schnurstracks an ihm vorbei lief. Er konnte ihr noch nicht mal in die Augen schauen.

Auch sie schämte sich. Warum sollte auch gerade Matt auf sie stehen? In seinen Augen würde sie wohl immer, das kleine Mädchen bleiben.
 


 

31.Juli 2009. New York, USA. Universitätscampus.
 

Schon fast zwei Wochen war sie in New York. Schon fast zwei Wochen war sie von ihrer Familie und ihren Freunden getrennt. Nicht das sie Heimweh hatte, aber ihr war langweilig. Die meisten Studenten würden erst nächste Woche allmählich eintrudeln.

Sie war extra so früh geflogen, um sich schon ein wenig einzuleben. Das Semester würde nicht vor Mitte August beginnen.

Hikari wusste im Moment nicht, was sie sich dabei gedacht hatte. Sie befand sich auf dem Universitätscampus, der fast wie leer gefegt war. Nur ein paar Studenten liefen an ihr vorbei. Sie saß alleine am Brunnen und begutachtete ihre neuen Schuhe, die sich gestern ebenfalls aus der Langeweile heraus gekauft hatte. Sie waren schwarz und hatten einen leichten Keilabsatz.

Sie schlug die Schuhe an den Hacken zusammen – genauso wie Dorothy aus der Zauberer von Oz. Nur das ihre Schuhe rot und glitzernd waren. Und die magischen Kräfte besaßen, sie wieder nach Hause zu bringen.

Die Brünette wusste, dass bei ihr das Zusammenschlagen der Hacken nur ihre Fersen wund rieb. Sie würde dadurch nicht wieder nach Hause kommen. Eigentlich wollte sie das auch gar nicht. Aber sie wünschte sich, dass sie wenigsten ein paar nette Studenten kennen lernen würde. New York war wundervoll, doch auch sehr einsam, wenn man absolut niemanden kannte.

Sie setzte sich in den Schneidersitzt und legte ihr Kinn in ihre Handflächen und bemerkte gar nicht, wie sich ein blonder Mann neben sie setzte.

„Du siehst aber ganz schön mürrisch aus“, sagte er zu ihr und sie wand ihm ihre Aufmerksamkeit zu.

„Ich bin nicht mürrisch, mir ist nur langweilig“, verteidigte sie sich.

Der Blonde lachte nur und war sofort von ihrer Art fasziniert. Irgendwie war sie richtig süß, wenn sie „nicht mürrisch“ war.

„Warum unternimmst du nichts, wenn dir langweilig ist?“

„Ich kenne noch keinen. Ich bin erst seit zehn Tagen hier“, erklärte sie ihm und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.

„Oh verstehe. Bist wohl wie ich, auch etwas zu früh dran“. Wieder lachte er herzlich und schaute sich die Umgebung an. Der Campus hatte wirklich eine wundervolle Grünanlage, die in allen bunten Farben erstrahlte. Am Wasser schienen sie wohl wirklich nicht zu sparen.

Plötzlich wand sich der Blonde seiner Gesprächspartnerin wieder zu und streckte die Hand aus. „Ich bin übrigens Wallace“.

Verdutzt blickte sie auf seine Hand und ergriff sie einen kurzen Moment später. Wie höflich er war. Vollkommen ungewöhnlich zu den Zeiten von Facebook und Twitter.

„Ehm ich bin Hikari, aber du kannst mich gerne Kari nennen“.

„Schöner Name. Du kommst aus Japan richtig?“

Kari sah wirklich nicht wie eine typische Japanerin aus. Ihre Urgroßeltern waren damals nach Japan ausgewandet – ursprünglich stammten sie aus Europa. Bei ihren Vater und ihrem Bruder fiel es sogar noch mehr auf, da ihre Haut um einiges dunkler war, das bei den typischen Japanern. Sie hatte einfach einen guten Mix erwischt. Nur ihr Name konnte einigermaßen auf ihre Herkunft schließen, obwohl die Namen heutzutage immer verrückter wurden. Wer nannte schon sein Kind Apple? In Hollywood wohl üblich. Da war wohl normal derjenige, der einen verrückten Namen trug.

Erst jetzt merkte sie, dass Wallace sie ganz gespannt ansah. Sie hatte vollkommen vergessen, ihm zu antworten. „Oh ja! Ich komme aus Japan und wo kommst du her?“

Er grinste leicht und fuhr sich durch seine Haare. „Du bist ja echt verpeilt! Ich komme aus Chicago. Meine Tante heißt ebenfalls Hikari. Sie wohnt in Osaka“.

„Interessant“, sagte sie und nickte gespielt begeistert. Er erzählte wohl sehr gerne. Eine Eigenschaft, die ihr manchmal schnell auf den Wecker gehen konnte. Deswegen hatte sie auch mit Davis Schluss gemacht.

Ok gut. Auch Matt spielte eine größere Rolle bei diesem Entscheidungsprozess.

Irgendwie erinnerte Wallace sie ein bisschen an ihn. Die blonden Haare und diese ausdrucksstarken Augen...

„Hey! Wollen wir vielleicht etwas trinken gehen?“

Kari strich sich abermals die nervige Strähne aus dem Gesicht und lächelte verschmilzt. Wallace grinste breit.

„Klar, warum nicht. Dann ist es dir bestimmt auch nicht mehr so langweilig“, erwiderte er mit einem Lächeln und stand auf.

Hikari befreite sich selbst aus dem Schneidersitz und stieg schwungvoll von dem Brunnen.

Beide gingen ein Stückchen und lächelten sich gegenseitig zufrieden an. Vielleicht hatte sie in Wallace ihren ersten wahren Freund gefunden.

Allein war sie jedenfalls nicht mehr.
 


 

25.Mai 2010. Odaiba, Japan. Hotelzimmer.
 

Mürrisch blickte sie aus dem Fenster und verschränkte die Arme vor der Brust. Seit sie in Japan angekommen waren, regnete es unaufhörlich. Das Plätschern des Wassers war deutlich zu hören und weckte die junge Yagami aus ihrem Schlaf. Mimi schien mittlerweile auch wach geworden zu sein, auch wenn sich das Jetlag bei beiden Frauen bemerkbar machte.

„Wie fühlst du dich?“, fragte die Ältere und kletterte zur Bettkante.

Kari runzelte nur die Stirn und blickte immer noch aus dem Fenster. Wie sollte es ihr wohl gehen? Mimi hatte sie regelrecht überfallen. „Ich weiß es nicht. Es ist komisch“.

„Vielleicht solltest du mal jemanden anrufen. Deine Eltern und Tai freuen sich bestimmt über deinen Besuch“.

Die Brünette ließ ihre Füße aus dem Bett baumeln und hatte weiterhin nur die Rückansicht ihrer Freundin im Blick. Das Fenster spiegelte jedoch ihren angestrengten Gesichtsausdruck wieder. Wollte sie überhaupt wieder hier sein? Sie fühlte sich so fremd – obwohl sie hier aufgewachsen war.

„Wenn du darüber sprichst, wird’s leichter“, meinte Mimi und unterbrach ihre Gedankengänge.

„Das ist alles so falsch! Ich gehöre hier nicht mehr hin!“, nuschelte sie und wand ihr ihre Vorderansicht zu.

„Was redest du da? Du bist hier aufgewachsen. Deine Familie und Freunde wohnen hier!“

„Und weiter? Ich fühle mich hier so fremd“. Sie ging ein Stückchen auf sie zu, ließ sich jedoch auf dem anderen Bett nieder.

Mimi kräuselte die Lippen und wollte gerade etwas darauf erwidern, als Kari ihr zuvor kam.

„Ich glaube, es war ein Fehler wieder zurück zu kommen“.

Die 21-Jährige fuchtelte plötzlich wie wild mit ihren Armen und sprang wie von der Tarantel gestochen auf. „Nein! Es ist gut, dass du wieder hier bist. In Amerika bist du vollkommen außer Kontrolle geraten!“

„Und Japan soll das wieder ändern?“, fauchte sie spitz und ließ sich auf die Matratze fallen.

Mimi setzte sich sanft neben sie und fuhr ihr über ihr braunes, Haar.

„Nein nicht Japan. Aber die Menschen, die hier leben!“

Kari streckte wieder nach oben und schaute Mimi tief in die Augen. „Du darfst Tai und den anderen nichts von der Geschichte erzählen! Versprich mir das!“

„Das ist nicht meine Aufgabe. Und ich werde dich ganz sicher nicht bei deinem Bruder oder den anderen reinreiten. Ich möchte dich später wieder mitnehmen!“, witzelte sie und schloss sie in eine Umarmung. „Du bist doch meine beste Freundin und Freundinnen halten immer zusammen“.

Hikari drückte sie fest und beide jungen Frauen verweilten einen kurzen Moment in ihrer Umarmung.

Mimi war wirklich die einzige, der sie noch blind vertrauen konnte. Sie war für sie dagewesen, nahm sie in den Arm und hörte ihr zu, wenn sie mal wieder nicht mit den Dozenten oder Kommilitonen zurechtkam. Ihre Freundschaft war echt. Und das letzte, was sie wollte, war sie zu zerstören.
 


 

20. August 2009. New York, USA. Semestereröffnungsfeier.
 

Hikari stand am Rand. Vor ihr ersteckte sich ein Pool voller Menschen, die sich ausgelassen unterhielten und tanzten. Das Semester war noch keine drei Tage alt und die alljährliche Eröffnungsfeier war ein Ritual für eigentlich jede Uni.

Doch irgendwas störte die junge Yagami.

Wallace kam ihr gerade entgegengetänzelt und balancierte mit zwei Bechern Wodka-O, die er mit seinem gefälschten Ausweis geholt hatte. In Amerika anscheinend Gang und Gebe. Doch außer Wallace hatte die 18-Jährige noch keinen weiteren Anschluss gefunden. Und Wallace war noch nicht mal ein neuer Freund.

Nach einigen Gesprächen wurde schnell klar, dass sich beide vor Jahren schon einmal begegnet waren. Damals besuchte sie gemeinsam mit TK Mimi in New York. Sie hatte ihn nur kurz gesehen. Zweimal wenn sie sich recht erinnerte. Doch das hatte sie nach all den Jahren einfach vergessen. Damals war sie knapp zwölf gewesen. Mittelweile war sie achtzehn und hatte kaum Erfahrungen im Erwachsenenleben gesammelt.

Die einzige Beziehung, die sie hatte, war ein knappes Jahr her. Sie und Davis waren für ungefähr acht Monate ein Paar gewesen. Viele fragten sich damals nur, ob sie von allen guten Geistern verlassen war. Davis freute sich selbstverständlich wie ein kleines Kind mitten im Zuckerrausch. Er hatte sich diese Beziehung schon seit Jahren gewünscht, merkte jedoch schnell, dass Kari ihn nur als Mittel zum Zweck benutzte. Sie war in Matt verliebt. Den Musiker mit der blonden Wallemähne.

Diese Erkenntnis hatte ihn wahnsinnig verletzt, weshalb er die letzten Monate eher auf Abstand ging. Er hatte sie noch nicht mal richtig verabschiedet. Selbst auf ihrer Abschiedsparty glänzte er mit Abwesenheit. TK hatte er eine Stunde vorher eine SMS geschrieben, dass er sich den Magen verdorben habe. Komisch an der ganzen Sache war, dass er sich mit Takeru auf einmal blendend verstand und sie nur noch ignorierte. Sie hatte das Gefühl, dass Davis sie komplett aus seinem Leben verbannt hatte. Und jetzt war sie hier und trauerte ihren Freunden nach, weil sie in Amerika keinen Anschluss fand. Es war wirklich skurril.

„Hier ist dein Drink“, sagte Wallace lächelnd und reichte ihn an sie weiter. Sie nickte dankend und hoffte, dass der Alkohol ihre schlechte Stimmung mit hinunter spülte. Wahrscheinlich würde sie erst nach dem dritten Glas irgendeinen Effekt bemerken. Sie trank den bitteren Saft in einem Zug aus und zog ihr Gesicht zusammen, nachdem die Flüssigkeit brennend ihre Speiseröhre hinunter lief.

„Du scheinst ja wirklich Durst zu haben“, japste ihre Begleitung und nippte ebenfalls an seinem Getränk.

„Holst du mir noch was?“, fragte sie und hielt ihm den Becher vor die Nase.

„Klar, warum nicht“, meinte Wallace und tauschte mit ihr die Behältnisse, um sich gleich danach wieder in die Menge zu stürzen.

Ohne darüber nachzudenken trank sie einen Schluck aus seinem Becher.

Aus einem Schluck wurden schnell viele weitere. Nicht mal fünf Minute dauerte es und sie hatte auch den zweiten leer.

Langsam bemerkte sie den Alkohol. Er war warm und vernebelte ihr langsam den Kopf. Sie war es einfach nicht gewöhnt so harte Sachen zu trinken, besonders nicht direkt hintereinander. In Japan kamen sie meist nicht so leicht an Alkohol.

Dennoch wollte sie die eindeutigen Stoppsignale, die ihr Körper ihr sendete diesmal ignorieren. Sie war in New York. Da musste sie doch mal richtig auf den Putz hauen.
 


 

Gelangweilt stand sie neben ihrem Freund, der sich mit seinen Footballfreunden angeregt unterhielt. Sie war mal wieder Luft für ihn. Genervt stöhnte sie laut auf und tippte ihm auf die Schulter.

„Man Michael, wie lange müssen wir noch hier umstehen. Ich will endlich tanzen“, erinnerte sie ihn fordernd.

„Gleich, noch fünf Minuten“, gab er zurück und wand sich wieder seinen Kumpels zu.

„Das sagst du schon seit zehn Minuten“, knurrte sie grimmig und verschränkte die Arme vor der Brust. Doch er reagierte mal wieder nicht.

Mimi verrollte die Augen und stapfte ein paar Schritte weiter. So behandelte er sie schon seit sie hier waren. Als hätte er keinen Bock auf sie. Als wäre sie die nervige kleine Schwester, die man loswerden wollte.

Doch mit Mimi Tachikawa sollte man sich besser nicht anlegen. Neben ihrem Talent divenhafte Auftritte hinzulegen, war sie eins besonders: nachtragend.

Wenn er heute Abend wirklich noch auf Sex bestand, würde sie ihn eiskalt abblitzen lassen. So sprang man eben nicht mit ihr um.

„Ich geh jetzt tanzen“, verkündete sie und wand ihm und seinen Freunden den Rücken zu. Michael reagierte noch nicht mal.

„Was für ein Idiot“, grummelte sie und sah ihm nach, als sie plötzlich in jemanden hineinlief und prompt nassgespritzt wurde.

„Man, kannst du nicht aufpassen“, blaffte sie und schaute auf ihr nasses Shirt.

„Tut mir leid, war keine Absicht“, verteidigte sich die Person und kramte ein Taschentuch aus ihrer Tasche. „Hier bitte“.

Erst als ihr das Taschentuch hingehalten wurde, wand sie ihren Blick von dem Fleck und starrte in ein sehr bekanntes Gesicht.

„Oh mein Gott! KARI!“, kreischte sie und umarmte die Jüngere fröhlich. „Was machst du denn hier in New York“, wollte die Brünette wissen, nachdem sie ihr fast die Luft abgedrückt hatte.

Kari reichte ihr mit einem Lächeln das Taschentuch, was sie dankend annahm.

„Ich studiere hier. Also seit diesem Semester.“

„Wirklich? Hier? Nicht dein ernst!“, gackerte sie albern und tupfte sich den Fleck trocken.

„Doch, sieht wohl so aus. Ich studiere Tanz und Schauspiel!“

Mimi kicherte leise und nahm ihre Hand. „Ich fasse es nicht. Ich studiere ebenfalls Schauspiel und Gesang“. Kari grinste.

Etwas anderes hatte sie wohl auch nicht von Mimi erwartet. Sie war immer eine Dramaqueen gewesen. Das Rampenlicht rief förmlich ihren Namen.

Langsam fragte sie sich, warum sie sich nicht direkt an Mimi gewandt hatte. „Oh Scheiße. Der Fleck geht nicht raus. Ich denke, ich werde mich schnell umziehen gehen. Kommst du mit?“

Auffordernd sah sie zu ihr. Kari wusste, dass sie sich mit einem normalen Nein wohl nicht zufrieden gab. „Ehm, eigentlich warte ich noch auf einen Freund. Er wollte was zu trinken besorgen!“

Mimi wank schnell ab und schielte kurz zu ihrem Taugenichts von Freund. „Er wird schon klar kommen. Schreib ihm einfach ne SMS“.

„Aber ich..“.

„Kein Aber. Ich wohne nur fünf Minuten von hier. Also los!“, sagte sie und zog sie einfach mit sich.

Karis Blick suchte nebenbei immer noch nach Wallace, den sie nicht einfach so stehen lassen wollte. Es kam fast so rüber, als würde sie ihn für jemand besseren stehen lassen. Sie hoffte, dass er wenigstens nicht allzu böse auf sie war. Er war der einzige der sich für sie interessierte. Okay abgesehen von Mimi, die wohl hier anscheinend das Sagen hatte. Dennoch war sie gespannt. Denn mit Mimi würde es bestimmt nie langweilig werden.
 


 

Wo war sie nur hingegangen? Sie hatte ihn doch darum gebeten, noch etwas zu trinken zu holen. Und jetzt war sie auf einmal weg.

Wallace hielt die zwei Becher in der Hand und suchte die Mengen nach Hikari ab.

Wo war sie nur hingelaufen? Sie hatte bisher ja noch nicht sonderlich groß Anschluss gefunden. Wie auch. Die meisten waren gut betucht, Wallace und Kari waren da wohl eher die Ausnahme. Sie hatten das Glück ein Stipendium bekommen zu haben. Ganz ohne, hätte sich Wallace die Juilliard nicht leisten können, auch wenn seine Mom etwas für ihn gespart hatte.

Von Kari wusste er nur, dass sie sich über ihre Schule beworben hatte. So ein spezielles Förderprogramm für junge Talente. Getanzt hat sie schon seit Jahren. Bisher hatte er sie noch nicht tanzen gesehen, aber wenn sie genommen wurde, musste sie wohl sehr gut sein – besonders weil sie nur wenige Stipendiaten aus dem Ausland nahmen. Für sie sicher eine Ehre.

Schade, dass er sich wohl heute Abend nicht mehr mit ihr darüber unterhalten konnte. Sie war praktisch wie vom Erdboden verschluckt.

Plötzlich bemerkte er wie sein Handy vibrierte. Er stellte einen der Becher auf eine Mauer und kramte es aus seiner Hosentasche.

„Bin gleich wieder da. Habe eine alte Freundin getroffen. Warte bitte solange auf mich“.

Eine alte Freundin? Wahrscheinlich war er doch nicht der einzige, den sie hier kannte. Er verstaute sein Telefon wieder in der Hosentasche und wollte gerade nach dem zweiten Becher greifen, als er feststellte, dass er sich nicht mehr auf der Mauer befand.

„Was? Ich habe ihn doch da hingestellt?“ Er blickte sich verwirrt um. Hatte ihm wirklich jemand das Bier geklaut? Oder litt er an kurzweiliger Demenz?
 


 

„Ich kann es gar nicht fassen, dass du hier bist“, quietschte sie vergnügt und öffnete ihren Kleiderschrank. Kari staunte nicht schlecht, als sie ihr Zimmer sah. Es war wirklich sehr...pink.

„Wohnst du hier allein?“, fragte sie verblüfft.

„Ja, ich habe wirklich keine Lust, mit einer völlig fremden Person, das Bad zu teilen“, sagte sie Augenverrollend und kramte ein neues Shirt hervor, dass sie sich überzog.

Kari musste automatisch an ihre Mitbewohnerin denken. Sie hieß April und kam aus Connecticut. Sie war nicht der gesprächigste Mensch, sondern spielte meist auf ihrem Cello.

Kari würde lügen, wenn sie sagen würde, dass sie bereits einen Draht zu ihr gefunden hätte.

Mimi ließ sich auf einmal ganz galant auf ihrem Bett nieder und forderte sie auf sich neben sie zu setzen. Irgendwie waren diese Semesterfeiern immer gleich. Es wurde gesoffen, rumgehurrt und am nächsten Tag ganz grantig nach einer Kopfschmerztablette verlangt. Entweder war Mimi für so etwas zu alt, oder sie war es mit der Zeit einfach leid geworden.

„Erzähl doch mal. Wie kam es dazu, dass du dich hier angemeldet hast. Ich dachte du wolltest, immer Kindergärtnerin werden“.

Die junge Yagami setzte sich und hoffte, dass Wallace nicht ganz allein irgendwo herum stand und verzweifelt auf sie wartete.

„Wollte ich ursprünglich auch werden, aber ich war Jahrelang im Tanz- und Ballettverein unserer Schule tätig“, erklärte sie, während Mimi ihr gespannt zuhörte. „Und meine Trainerin hat eigentlich alles in die Wege geleitet“.

„Dann musst du ja verdammt gut sein. Und wieso hast du für dein Zweitfach Schauspiel gewählt?“

„Ich war zwei Jahre in der Theatergruppe. Yolei hat mich dazu gezwungen“, antwortete sie lachend. Auch wenn sie es nicht zugeben wollte, sie vermisste ihre Freunde. Besonders TK, der ihr auf ihre letzte E-Mail immer noch nicht geantwortet hatte.

Mimi bemerkte ihr nachdenkliches Gesicht sofort und schlussforderte ihre ganz eigene Theorie daraus. „Denkst du gerade an deinen Freund?“

Kari zuckte zusammen und schüttelte schnell den Kopf. „Ich habe keinen“.

Die Brünette zog provokant die Augenbraun nach oben. „Wirklich? Ich habe immer gedacht, das zwischen dir und TK mal etwas laufen würde“.

Augenblicklich lief sie rot an. Viele hatten ihr schon etwas mit TK angedichtet, doch sie waren wirklich nur Freunde. Eine rein platonische Sache.

„Er ist nur mein bester Freund“, sagte sie bestimmt.

„Das sagen sie alle und dann heiraten sie auf einmal. Freundschaft ist wirklich der wichtigste Grundbaustein für eine Beziehung, Schätzchen“.

Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und streckte sich. Auffällig gähnte sie und rieb sich über ihre Augen.

„Hey wie wär’s wenn wir einen Mädels-Abend machen? Ich denke wir haben uns noch viel zu erzählen“, schlug sie vor und schnellte nach oben.

„Aber Wallace wartet doch...“.

„Ach er wird das schon verstehen. Oder er kann auch einfach vorbei kommen, wenn er will. Ist er denn heiß?“, fragte sie lachend und rückte ein wenig näher an sie heran.

Kari verrollte nur die Augen und tippte eine Nachricht, die sie gleich versendete.

„Hast du eigentlich einen Freund?“

Mimis Gesicht veränderte sich auf einmal und sie ließ sich wieder auf die Matratze fallen.

„Ja. Er heißt Michael und ist anscheinend so helle wie ein Vollkornbrötchen“.

Michael. Der Name kam ihr bekannt vor. „Ist das DER Micheal, den du uns mal vorgestellt hast?“

Sie nickte knapp. Es war DER Michael. Damals waren sie nur miteinander befreundet gewesen. Okay sie waren auch vierzehn, da war besonders bei ihm das Interesse am anderen Geschlecht nicht sonderlich groß gewesen. Zusammen kamen sie als Mimi siebzehn wurde. Davor hatte er sich schon sehr verändert. Er war auf ihrer High School immer sehr beliebt gewesen. Ein richtiger Mädchenschwarm eben. Er konnte wirklich alle haben und er hatte auch die meisten. Nur Mimi hielt ihn immer auf Abstand, bis zu ihrem 17. Geburtstag.

Manchmal hatte sie wirklich das Gefühl, dass er nur mit ihr zusammen gekommen war, um sie als eine Art Prestigeobjekt vor der Schule vorzuführen.

Insgeheim war Mimi froh gewesen, dass sie ihr erstes Mal nicht mit ihm erlebt hatte. Er war nicht der Romantiker der sie auf Händen trug. Er war meist sehr rau und egoistisch. Obwohl ihr erstes Mal auch nicht in eine Top Ten Liste gehörte. Sie war betrunken. Er war betrunken. Mimi erinnerte sich an diese Nacht kaum noch. Was sie noch wusste war, dass es an Silvester passierte. Und das sie sich kurze Zeit vorher von ihrem allerersten Freund Ethan getrennt hatte.

Wahrscheinlich war sie deswegen so leichte Beute für ihn gewesen. Doch es lohnte sich kaum noch darüber nach zu denken.

Sie war mit Michael zusammen. Sie sollte glücklich sein.

Eigentlich.
 


 

26.August 2009. Odaiba, Japan. Wohnungsbesichtigung.
 

Er konnte es nicht fassen, das er ausgerechnet mit Davis auf Wohnungssuche ging. Die bescheuerte Idee hatte ihm sein Bruder in den Kopf gepflanzt. „Versuch es doch mal mit einer WG! Bei Tai, Izzy und mir hat es doch auch geklappt!“

Er war sich nicht sicher, ob diese Idee wirklich so gut war. Matt lebte erst kurz mit Tai und Izzy zusammen. Und keiner konnte wissen, ob sie miteinander harmonieren würden. Tai und Davis waren sich in vielen Dinge sehr ähnlich. Reibungspunkte waren ganz klar vorprogrammiert. Außerdem hatten Davis und er anfangs Probleme miteinander gehabt, die auf deren Zuneigung zu Kari zurückzuführen war. Als sie mit ihm zusammen kam, fragte sich Takeru manchmal, was das Ganze eigentlich sollte. Oft hatte sie ihm schöne Augen gemacht. Oft hatten sie in einem Bett geschlafen. Oft hatte er sie beschützt. Vielleicht zu oft.

Wahrscheinlich sah sie in ihm immer nur einen weiteren Bruder. Doch nachdem auch die Beziehung von Davis und Kari in die Brüche ging, änderte sich einiges.

Karis wahre Intension kam zum Vorschein. Erst wollte er gar nicht glauben, als sie ihm den Grund erzählte, warum sie sich von Davis trennte.

Takeru dachte wirklich sie wolle ihn verarschen. Davis ging es sicher genauso.

Da sagte sie tatsächlich, dass sie sich in seinen Bruder, Yamato, verliebt hatte. Er wusste noch nicht mal, dass sie viel Zeit miteinander verbracht hatten. Sie war abwechselnd mit ihm und Tai auf seine Konzerte gegangen. Manchmal war sie mit ihrem Bruder und Matt zusammen unterwegs gewesen. Aber es waren alles nur winzig kleine Momentaufnahmen, die sie mit ihm erlebte. Mit Takeru verbrachte sie mehr als die Hälfte ihrer Zeit. Selbst mit Davis verbrachte sie mehr Zeit als mit Matt.

Er konnte sie einfach nicht mehr verstehen und das brach ihm fast das Herz.

Oft heulte sie sich bei ihm aus, dass Matt sie ja nur als kleines Mädchen wahrnahm. Sein Herz zog sich jedes Mal schmerzlich zusammen und er verstand allmählich, warum Davis sich von ihr distanzierte. Als sie ihm berichtete, dass sie ihn den USA studieren würde, war er einerseits sehr traurig, da er seine beste Freundin nicht mehr Tag für Tag sehen konnte. Andererseits war er auch froh. Er konnte sich von seinem Schmerz erholen und vielleicht würde er sie nach vier Jahren wieder nur als seine beste Freundin sehen. Er hoffte es. Genauso wie Davis, der sich noch nicht mal von ihr verabschiedet hatte. Beiden wurde das Herz gebrochen. Eine Tatsache, die sie offensichtlich verband. Sie waren Kari-geschädigt.

„Also die Wohnung ist eindeutig zu teuer!“, motzte Davis und ließ sich auf der nächsten Bank nieder.

„Die Erste war doch recht schön“.

„Das zweite Zimmer war so groß wie ein Wandschrank“, kommentierte er und stöhnte laut.

„Wie wäre es mit der zweiten?“, fragte er und setzte sich neben ihn.

Davis wusch sich den Schweiß von der Stirn und verfluchte schon wieder den August für seine Hitze.

„Ich weiß nicht. Für uns beide ist sie zu groß!“

„Wir könnten doch Ken fragen, ob er zu uns ziehen will. Du hast selbst gesagt, dass er etwas sucht, das näher an seinem Arbeitsplatz ist.“

„Das stimmt, aber trotzdem wäre noch ein Zimmer übrig. Und Cody ist definitiv zu jung!“, bemerkte der Igelkopf ratlos.

Takeru rümpfte die Nase und dachte sofort an seine extravagante und laute Nachbarin. „Wie wäre es mit Yolei?“

„Auf gar keinen Fall. Mädchenfreie Zone!“, knurrte er und wedelte mit den Händen wild umher.

„Aber sie ist für ein Mädchen doch recht unkompliziert“.

„Ja und laut!“

„Hast du denn eine bessere Idee? Die anderen beiden sind entweder zu teuer oder zu klein“, erinnerte ihn den Blondschopf. „Gib ihr doch eine Chance. Nicht jedes Mädchen ist so wie...“.

Er stoppte abrupt. TK wusste, dass Davis immer noch sehr allergisch auf ihren Namen reagierte. Aber er fand, dass eine weibliche Komponente durchaus für den WG-Frieden förderlich sein konnte.

Yolei war ohnehin Chaos gewohnt, da sie jahrelang mit ihren älteren Geschwistern und ihren Eltern unter einem Dach wohnte. Warum also nicht?

„Okay. Wir werden sie fragen. Aber dafür bekomme ich das größte Zimmer. Das mit dem Balkon!“

TK grinste. „Typisch Davis“, dachte er.

„Abgemacht!“, sagte er und hielt ihm die Hand hin.

„Abgemacht“, wiederholte Davis und schlug ein.
 


 

Sie merkte, dass sie sich von ihm entfernt hatte. Zwar spürte sie dieses altbekannte Kribbeln, das sich in ihrem Bauch immer weiter ausbreitete, doch sie spürte es nicht länger bei ihm. Sondern bei seinem besten Freund.

Sora wusste nicht, wie sie damit noch länger umgehen sollte. Am besten wäre es wirklich, wenn sie und Taichi miteinander Schluss machen würden.

Seit seine Schwester nach Amerika gegangen war, hatte sie immer mehr das Gefühl, dass sie sich nicht mehr allzu viel zu sagen hatten. Manchmal verbrachte Sora auch die Nachmittage mit Kari, wenn er im Fußball Training war.

Doch das Blatt hatte sich komplett gewandelt. Tai hatte einen Job angenommen, um mit Izzy und Matt zusammen ziehen zu können.

Sie war sogar recht froh gewesen, dass er nicht auf die dumme Idee kam, mit ihr zusammen ziehen zu wollen. Dafür war sie einfach noch nicht bereit. Ihr Studentenzimmer war genügend Freiheit, die sie brauchte. Mit jemandem zusammen zu ziehen, bedeutete gleichzeitig auch immer eine Verpflichtung einzugehen.

Sie war zwar erwachsen, aber noch nicht erwachsen genug, um einen solchen Schritt zu wagen.

Eigentlich kam die WG Idee von Matt, der mit Izzy schon seit einem Jahr zusammen wohnte.

Ihr gemeinsamer Mitbewohner zog mit seiner Freundin zusammen und das dritte Zimmer stand leer. Irgendwie schon ein wenig ironisch.

Doch Tai konnte nicht mehr länger mit seinen Eltern unter einem Dach wohnen. Seit Kari nicht mehr da war, fühlte er sich wie im Belagerungszustand. Egal was er gerade machte, seine Eltern hatten andere Pläne mit ihm. Es war einfach nur nervig für den 21-Jährigen. Als Matt mit dem freien Zimmer und die Ecke kam, griff er selbstverständlich sofort zu. Da er noch etwas angespart hatte, konnte er sofort einziehen, was er auch tat.

Seit drei Wochen arbeitete Tai auf verschiedenen Messen, die meist bis in die Nacht gingen.

Zwar verdiente er reichlich Geld damit, aber Sora fühlte sich noch mehr vernachlässig als sonst. Irgendwie fand sie in Matt denjenigen, der sie ein wenig aufheiterte. Anfangs dachte sie sich auch wirklich nichts dabei. Sie hatten schon oft etwas gemeinsam unternommen, doch in den letzten paar Tagen häuften sich ihre Zusammentreffen. Izzy war zurzeit ebenfalls nicht da. Er besuchte mit seinen Eltern Verwandte in Yokohama und würde erst in einer Woche wiederkommen.

Es hieß also nur Sora und Matt.

Und beide hatten wirklich nur sehr wenig zu tun.

Sora arbeitete tagsüber in einem kleinen Café, während Matt seinen Nebenjob erst in ein paar Wochen anfangen würde. Zwischenzeitlich hatte er einige Auftritte mit seiner Band, wodurch er sich auch weitestgehend über Wasser halten konnte.

Die Abende verbrachten sie meist zusammen vor dem Fernseher mit alten schwarz-weiß Schinken und warteten auf den erschöpften Taichi, der meist gleich nach seiner Ankunft ins Bett verschwand.

Es war seltsam. Sie vermisste es noch nicht mal mit ihm Zeit zu verbringen. Manchmal fand sie es mehr verkrampft und gezwungen, als entspannt und freudig.

Deutliche Signale zeigten auf, dass sie ihn wohl nur noch als EINEN Freund liebte und nicht mehr als IHREN Freund. Die Gefühle für Tai hatten sich verändert, genauso wie die Gefühle für Matt. Knapp gesagt, sie befand sich mitten Chaos.

Und Sora hatte keine Ahnung, was sie noch tun sollte.
 

Fortsetzung folgt...

Gedankengänge.


 

My mind is a warrior.

Grade 8, +. Ed Sheeran, 2011.
 


 

Gelangweilt saß sie ihm gegenüber und stocherte in ihrem Salat herum. Er blickte auf und verzog seine Augenbraune. „Schmeckt es dir nicht?“

Kari erwachte aus ihrer Trance und schüttelte den Kopf. „Nein, alles super“, sagte sie und schaufelte zur Bestätigung, eine gut gefüllte Gabel in ihren Mund.

Wallace grinste nur und widmete sich seinem Burger. Die Brünette war sehr froh gewesen, dass er ihr die Sache mit der Eröffnungsfeier nicht sonderlich übel nahm. Er nahm es mit Humor und schlug vor demnächst als kleine Entschädigung einfach irgendwo etwas essen zu gehen.

Und hier saßen sie nun. Das Lokal war nicht sonderlich groß, aber das Essen war einfach zum niederknien, auch wenn Kari mit ihren Gedanken ganz woanders war.

Seit der Feier hatte sie viel mit Mimi und Wallace gemeinsam unternommen und so langsam hatte sie das Gefühl sich einzuleben. Zu ihrer Überraschungen verstanden sich Mimi und Wallace auf Anhieb. Fast so als wäre es Fügung gewesen – doch an solch einen Quatsch glaubte sie nicht. Jedenfalls nicht immer.

Doch als sie in einem ihrer Kurse einen schnuckeligen älteren Studenten entdeckte, der ihnen eigentlich nur das Angebot der Uni näher unterbreiten sollte, war es um sie geschehen.

Er war blond und seine Augen waren einfach unglaublich. Seegrün. Und erst diese Grübchen, wenn er lachte.

Hikari war eigentlich nicht eine, die an die Liebe auf den ersten Blick glaubte, doch bei ihm würde sie sicher eine Ausnahme machen. Irgendwie erinnerte er sie ein wenig an Matt, besonders nach dem er eine kleine Gesangseinlage darbot. Sie war einfach nur begeistert.

Solange bis Mimi ihr Michael vorstellte. „Hey Hika. Das ist Michael!“

Hika. So hatte sie TK meist genannt. Sie war nicht sonderlich überrascht gewesen, dass Mimi diesen überaus heißen und süßen Typen kannte. Wahrscheinlich war er in ihrem Alter und besuchte mit ihr einige Kurse. Doch der nächste Satz schleuderte sie wieder in die Realität zurück.

„Er ist mein Freund, von dem ich dir schon einiges erzählt habe!“

Oh ja. Sie hatte wirklich einiges über ihn erzählt. Gute Dinge waren bei ihr wohl nicht an der Tagesordnung, so wie sie ihn immer als egoistischen Footballarsch darstellte.

Sie nickte nur schwach, als sie hörte, dass Michael ihr Freund war. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, den sie nicht runterschlucken konnte. Sie hätte es doch eigentlich wissen müssen. Klar der Name Michael war nicht gerade selten. Irgendwie hieß jeder Zweite so. Aber Hikari hatte ihn beim besten Willen nicht wiedererkannt. Er hatte sich ganz schön verändert und glich gar nicht mehr dem Jungen aus ihrer Erinnerung. Sie hatte wohl ganz einfach Pecht gehabt.

Und Mimi? Sie konnte wohl wirklich alles haben.

Sie hatte ein Zimmer, das doppelt so groß war, wie das ihrige in Japan. Und dann musste sie ausgerechnet noch einen solchen Adonis abbekommen?

Hallo Welt? Unfair!

Mehr fiel ihr dazu nicht ein. Den einzigen Freund, den sie je hatte, war Davis gewesen. Über das unglückliche Ende brauchte sie nur so viel zu sagen, dass er sich komplett von ihr abgewandt hatte. Ein Happy End in Sachen Freundschaft stand wohl eher nicht auf dem Plan.

Und jetzt war der erste junge Mann, der sie interessierte ausgerechnet mit Mimi zusammen. Okay gut. Sie befand sich noch am Anfang. Wahrscheinlich liefen in New York dutzende solcher Kerle herum. Und wie man immer sagte, auf das Aussehen kam es gar nicht an. Und ein „egoistischer Footballarsch“ klang wirklich nicht sonderlich vielversprechend.
 


 

27.August 2009. Odaiba, Japan. Universität.
 

Niedergeschlagen wanderte er über den Campus. Diesmal hatte er es wirklich verkackt. Er hätte doch mehr lernen sollen.

Joe schnaufte kurz und ließ sich auf einer Mauer nieder. In den letzten zwei Wochen hatte er wirklich fast nur Prüfungen geschrieben. Er fragte sich wirklich langsam, wann sein Kopf explodieren würde.

Manchmal vermisste er das unbeschwerte Leben. Das, das er mit seinen Freunden hatte.

Doch sein Medizinstudium ließ ihm wirklich keine Luft zu atmen. Ein Blinder würde sogar merken, dass er mit der Situation mehr als unglücklich war.

Da war er mal Student und das einzige was er tat, war lernen, lernen, lernen. Er hatte es so satt.

Joe wollte auch einmal feiern gehen, seinen Spaß haben und neue Leute kennenlernen. Den einzigen neuen Freund, den er hatte war Ryou, einer seiner unzähligen Tutoren. Freund war vielleicht schon etwas zu viel gesagt. Ryou war eigentlich wie er – nur älter und weitaus verbitterter.

Auch er hatte das Medizinstudium angefangen, weil sein Vater Arzt war. Genauso wie Joe, nur dass er sogar noch seine zwei Brüder im Nacken sitzen hatte, die ebenfalls Ärzte waren.

Es war dieser Erfolgsdruck von dem heutzutage jeder sprach. Und Joe hatte das Gefühl sich diesem beugen zu müssen, um seiner Familie überhaupt noch gerecht zu werden.

Besonders sein Vater war stets hinten dran. In den Semesterferien, in denen er zwei Hausarbeiten schreiben muss, hat er ihm nebenbei ein Praktikum organisiert – in dem gleichen Krankenhaus, wo er arbeitete. Er hatte ja auch sonst nichts zu tun.

Vielleicht starb er ja irgendwann an Überforderung.

Aber selbst dann würde sein Vater, seinen toten leblosen Körper zu Vorlesungen schleifen, damit er ja auch die Punkte erreichte.

Er war gefangen. Im Kokon des Grauens. Nur seine Mutter merkte langsam, dass er alles andere als glücklich war. Immer wieder bekam er von ihr zu hören, er solle weniger Kaffee trinken und sich mal eine Auszeit nehmen. Doch wie sollte er dann noch dieses Pensum schaffen, dass ihm sein Vater auferlegt hatte?

Sie wusste doch wie er war, schließlich war sie ja mit ihm verheiratet.

Langsam stieg er von der Mauer, auf der er sage und schreibe fünf Minuten saß, hinunter und schleppte seinen müden ausgelaugten Körper über den Campus.

Heute Mittag hatte ihn sein Vater zu sich eingeladen, da er eine Operation am offenen Herzen durchführen würde. Eine Gelegenheit die Joe auf gar keinen Fall verpassen konnte. Oder eher durfte? Er wusste gar nicht mehr, was er eigentlich wollte.

Arzt? Als er elf war hatte er immer gesagt, dass er nie ein Arzt werden wollte. Er konnte ja schließlich kein Blut sehen. Doch trotzdem befand er sich hier. Mitten im Medizinstudium. In der Blüte seines Lebens. Unglücklich.

Er hatte das Gefühl, dass sein Hirn sich jeden Augenblick verabschiedete und die ganzen Informationen, die er über zwanzig Jahre gesammelt hatte, ihm dabei nicht sonderlich helfen konnten. Sein Kopf war eine tickende Zeitbombe. Bald würde sie explodieren.
 


 

Gehetzt stapfte sie die Treppen zu der Wohnung seiner Eltern hoch. Sie war fix und fertig. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie mit dem Fahrrad ihrer Schwester hier her geradelt war. Und Kens Wohnung lag wirklich nicht gerade um die Ecke.

Abgehetzt klingelte sie zweimal direkt hintereinander. Es dauerte nicht lang. Er hatte sie ja bereits schon erwartet.

„Wow du bist wirklich verdammt schnell“, kommentierte er und ließ sie rein.

„Ich bin mit dem Fahrrad gekommen und ja es war anstrengend!“

Er grinste leicht und signalisierte ihr, dass sie schon mal vorgehen konnte. „Ich hol uns noch schnell was zu trinken“, informierte er sie, doch Yolei war bereits in seinem Zimmer verschwunden.

Müde und erschöpft ließ sie sich auf sein Bett fallen, während er ein Tablett mit Getränken balancierte.

„Danke“, sagte sie, setzte sich auf und trank ihr Glas in einem Zug aus. Ken nippte nur kurz daran und setzte sich auf den Fußboden.

„Was hältst du von der Idee?“, fragte er nach einer Weile.

„Zuerst habe ich gedacht, dass mich Davis verarscht. Aber anscheinend meint er es wirklich ernst“.

„Also vom Preis her würde es gehen“, meinte er und trank einen weiteren Schluck.

Yolei verrollte jedoch die Augen.

Er war der einzige der arbeitete. Klar, dass es für ihn ginge. TK und sogar Davis bekamen genug Zuschüsse, um sich die Wohnung leisten zu können. Bei ihr würde fast das ganze Geld für die Miete drauf gehen. Und ihre Eltern konnten es sich nicht leisten, ihr das Studium zu bezahlen. Das konnten sie schon bei ihren Geschwistern nicht.

„Ich weiß nicht, ob ich das Finanziell hinbekomme“, erklärte sie auf einmal und brach das Schweigen, das sich durch den Raum zog.

„Oh“, war alles was Ken in diesem Moment heraus bekam. Yolei hatte es nicht leicht. Ihre Familie hatte ein Geschäft und mehrere Kinder. Klar das, dass Geld nicht auf Bäumen wuchs. Er konnte froh sein, dass er schon eine Ausbildung machte und seine Eltern damit nicht belasten musste.

Allerdings es musste doch noch eine Möglichkeit geben, um das Vorhaben „Zusammenziehen“ irgendwie realisierbar zu machen.

„Hey kennst du dieses Café, das sich in der gleichen Straße befindet, wo ich arbeite?“

„Was ist damit?“, knurrte sie brummig.

„Sie suchen Personal und anscheinend bezahlen sie auch nicht schlecht“.

Yolei ließ sich wieder auf sein Bett fallen. Arbeiten war sie schon immer gewöhnt gewesen. Schon als kleines Mädchen musste sie im Laden ihrer Eltern aushelfen. Doch im Moment fragte sie sich wirklich, wie sie ihr Studium und die Arbeit unter einen Hut bekommen sollte. Klar das Semester hatte noch nicht angefangen, daher wusste sie ja noch nicht wie ihr Stundenplan aussehen würde.

Dennoch war sie es leid, immer und immer wieder sich durch ihr Leben kämpfen zu müssen. Konnte es nicht einmal „einfach“ für sie laufen?

Wahrscheinlich gab es auf ihrem Lebensweg das Wort einfach nicht. Kompliziert war wohl das treffendere Adjektiv.

Schwerfällig richtete sie sich auf und zog die Stirn angestrengt zusammen.

„Okay. Wie heißt das Café?“

Ken grinste nur und schnappte sich einen Zettel. Er wusste, dass sie noch zur Vernunft kommen würde. Projekt „Zusammenziehen“ stand in den Startlöchern.
 


 

Heute war sein letzter Tag gewesen. Er war müde, ausgelaugt und seine Laune hing im Keller.

„Na wie war die Arbeit?“, fragte sein bester Freund, der entspannt auf der Couch saß und Eis schleckte.

„Fauler Arsch“, dachte Taichi und ließ sich erschöpft auf die Couch fallen.

Er war froh, dass er es hinter sich gebracht hatte. Auf Messen verdiente man zwar nicht schlecht, aber sie waren auch Ultra-anstrengend, besonders für jemanden, der nicht häufig in seinem Leben gearbeitet hatte. Tai brauchte irgendeinen Job, der entspannter war.

Er hatte meist noch nicht mal Zeit zum Mittagessen. Was war das nur für eine ungerechte Scheiße? Und sein lieber guter bester Freund verdiente mit seinem Hobby Geld. Tai würde wohl alles tun, um mit Fußballspielen Geld verdienen zu können. Doch so gut war er dann doch nicht. Verflixter Talentmangel.

„War Sora heute nicht da?“, fragte er und schaute zu ihm rüber.

Er schüttelte nur den Kopf und stopfte sich wieder eine extra Ladung Eis in den Mund.

„Pass auf das du nicht platzt!“

„Ich doch nicht. Mein Adoniskörper hält das bisschen Eis schon aus“, lachte er und reichte die Packung weiter. Doch Tai wank ab. Im Moment hatte wirklich keine Lust auf Eiscreme.

Ihn beschäftigten weitaus wichtigere Dinge.

Seine Schwester befand sich schon über einen Monat in Amerika. Sie schrieb ihm ab und zu eine Mail. Mehr nicht.

Da kannten sie sich achtzehn Jahre und seine kleine Schwester war noch nicht mal darum bemüht gewesen, ihn mal anzurufen. Besonders nach ihrer letzten Nachricht.

Tai wusste nicht, was er davon halten sollte, dass sie ausgerechnet Mimi wieder getroffen hatte.

Mit ihr verband er eine sehr komplizierte und schreiwürdige Vergangenheit. Er war recht froh diese laute Person, nicht mehr täglich ertragen zu müssen. Es langte ihm, wenn Mimi sie ab und an besuchen kam. Meist machte er drei Kreuze, wenn sie wieder weg war. Aber wenigstens hatte seine Schwester jemanden, den sie kannte, obwohl man bei Mimi nie wusste, wie sie drauf war. Dramaqueen eben.

Er hoffte wirklich, dass seine Schwester sich von ihrem Getue nicht anstecken lassen würde. Er mochte Hikari und das sollte auch so bleiben.

Doch wenn er ehrlich war, hatte seine Schwester reichlich wenig mit seinem inneren Gefühlschaos zu tun. Er war sich nun sicher. Wirklich hundert Prozent sicher.

„Ich werde mit Sora Schluss machen!“, platzte auf einmal aus ihm heraus.

Matt ließ den Löffel in die Eispackung fallen und runzelte die Stirn. „Bist du geistesabwesend? Ihr seid schon knapp vier Jahre zusammen!“

„Wir sind drei Jahre und ein paar Monate zusammen“, korrigierte er ihn.

„Ist doch egal! Meine längste Beziehung hielt nur ein halbes Jahr. Du kannst mir noch nicht sagen, dass du das alles wegwerfen willst!“

„Es fühlt sich nicht mehr richtig an“, meinte Tai gedankenverloren und starrte auf seine Hände, die sich verkrampften.

Erst als er weniger Zeit mit ihr verbracht hatte, merkte er, dass er sie kaum vermisste. Also als seine Freundin. Er vermisste die Zeit, in der sie nur Freunde waren. Denn eigentlich empfand er nur noch das für sie: Freundschaft.

Die Liebe wandelte sich mit der Zeit und er hatte es einfach nicht gemerkt. Vielleicht wollte er es nicht merken. Wahrscheinlich wollte er nur die gute alte Zeit festhalten.

„Du kannst mir doch nicht sagen, dass du dir das erst jetzt überlegt hast!“, warf Matt ein und nahm die Eiseinnahme wieder auf.

„Nein, ich habe es mir schon länger überlegt und jetzt bin ich mir sicher!“

„Ich fass es nicht! Ihr wart doch immer das Vorzeigepärchen!“, plusterte er sich von ihm auf.

„Gefühle verändern sich eben“, meinte er knapp.

Matt verzog das Gesicht. Er stellte sich das Horrorszenario vor. Tai und Sora trennten sich und keiner konnte mehr mit beiden etwas gemeinsam unternehmen. Auch wenn Tai sein bester Freund war, Sora war ein wichtiger Teil der Gruppe. Sie war ihm ans Herz gewachsen und das sagte ein Mensch, der seine Freunde immer mit Bedacht aussuchte.

Und Sora war eine seiner Freunde. Wie sollte das noch funktionieren, wenn die beiden Schluss machen würden? Das Ganze konnte doch nur im Streit enden. Das sah er doch bei seinen eigenen Eltern, die nach all den Jahren immer noch Probleme hatten miteinander zu reden. Die Unbeholfenheit fehlte. Die Vergangenheit drückte auf die „Nicht-Vergessen-Taste“. So etwas konnte doch nur schief gehen. Aber anscheinend stand sein Freund Taichi darauf, sich sein eigenes Grab zu schaufeln. Und er musste all das mit ansehen.

Sowas konnte man wirklich nur Freundschaft nennen.
 


 

28.August 2009. New York, USA. Studentenwohnheim.
 

Die Luft war stickig und der Rauch von Zigaretten zog ihr in die Nase. Sie hätte nie gedacht, dass sich einmal so viele Menschen in einem Wohnheim aufhalten würden.

Für Hikari definitiv Neuland. Generell wurden auf Universitäten viele Partys gefeiert. Eigentlich war sie gar nicht der Typ dafür, deswegen hatte sie sich mit Wallace an den Rand verzogen und beobachtete Mimi und Michael beim Tanzen.

Beide hatten deutlich Rhythmus im Blut, obwohl sie sich vor ein paar Minuten sogar noch in den Haaren hatten. Vielleicht half ihnen das Tanzen dabei, ihre Wut aufeinander loszuwerden. Jedenfalls sah es ganz danach aus.

„Ich glaube Mimi und ihr Freund liefern sich ein Tanzbattle“, flüsterte Wallace ihr zu. Kari grinste nur schwach und nippte an ihrer Cola.

Heute wollte sie auf Alkohol verzichten. Das letzte Mal hatte sie leider nicht sonderlich gut vertragen und wachte am nächsten Morgen mit höllischen Kopfschmerzen auf.

„Sie ist aber wirklich sehr nett“, meinte Wallace und riss sie aus ihren Gedanken. „Hast du wirklich nicht gewusst, dass sie hier studiert?“

Kari verneinte seine Frage. Sie wusste zwar das Mimi immer noch in New York wohnte aber von Sora hatte sie erfahren, dass sie sich eigentlich auf Universitäten in Los Angeles beworben hatte.

Und immer wenn man sie fragte, wie die Uni lief, antwortete sie meist sehr vage. Der Grund dafür war, dass Mimi auf ihren Traumuniversitäten abgelehnt wurde und erst seit letztem Jahr auf der Julliard studierten durfte.

Zum Teil ihres Talentens wegen. Zum Teil auch wegen Papas gut gefüllter Brieftasche.

Als Sora und die anderen ihr Studium anfinden, jobbte Mimi ein wenig bei verschiedenen Fast Food Ketten, bis sie endlich mit ihrem Studium anfangen konnte. Deswegen hielt sie sich mit Informationen immer stets bedeckt. Sie schämte sich irgendwie. So als wäre sie ein Loser, der nichts hinbekommen hat. Dabei wurde sie nur nicht in LA genommen.

Ihr Vater hatte sie daher bestärkt, sich an der Julliard zu bewerben. Natürlich mit Hintergedanken. Er wollte nicht, dass Mimi so weit von ihnen wegzog, deswegen bot er an, das Schulgeld und ihr Zimmer zu bezahlen. Nur damit sie Mimi noch weiterhin mit ihren Überraschungsbesuchen nerven konnten.

Aber sollte Mimi wirklich was dagegen sagen? Wohl eher nicht. Die meisten mussten nebenher arbeiten gehen, um sich das Studium beziehungsweise ihr soziales Leben finanzieren zu können. Mimi war eben ein Glückskind – in vielerlei Hinsicht.

Auch mit Michael schien sie Glück zu haben. Als egoistischen Footballarsch hatte Kari ihn eigentlich noch nicht erlebt. Er war immer höflich und zuvorkommend, wenn Wallace und sie dabei waren. Vielleicht konnte man Mimi einfach nur schwer zufrieden stellen. Sie war eben ein kleines Prinzesschen – so hatte sie jedenfalls ihr Bruder getauft und jedes Mal wenn sie sich am ersten August trafen, zog er sie damit auf. Typisch Tai eben.
 


 

Angesäuert bewegte sie sich rhythmisch zu Beat. Eigentlich wollte sie Wallace und Hikari nicht so vor den Kopf stoßen und sie einfach am Rand stehen lassen, aber sie kannte Michael.

Als sie vorhin mit den beiden dazu stieß, sah sie etwas, was ihr jedes Mal das Herz aufs Neue brach. Er stand mit einem anderen Mädchen an der Bar und gab ihr einen aus. Sie war groß, blond und hatte definitiv mehr Busen als sie. Und Mimi wusste genau, was passierte wenn sie nicht aufpasste.

Es endete so wie beim letzten Mal. Und das konnte sie nicht zulassen. Deswegen hatte sie sich gleich mit ihm auf die „Tanzfläche“ gestürzt. Sie konnte es einfach nicht ertragen, ihn mit anderen Frauen so eng beieinander stehen zu sehen.

Klar, manche würden jetzt denken sie hätte ein Rad ab oder wäre hochgradig eifersüchtig – doch dem war nicht so.

Sie wusste genau, dass er sie mindestens zweimal betrogen hatte. Das erste Mal war bereits auf der High School gewesen. Sie feierten bei Freunden ihren Abschluss und er betrank sich mal wieder.

Als sie ihn nicht mehr sah, machte sie sich auf die Suche nach ihm. Vielleicht ging es ihm ja schlecht und er müsste sich sogar übergeben...

Das waren jedenfalls ihre ersten Gedanken gewesen. Als sie ihn letztlich fand, gefror ihr das Blut in den Adern. Er machte gerade mit Tracy rum – einer ihrer Freundinnen. Vollkommen aufgebracht rannte sie zu den beiden, riss sie auseinander und machte ihm eine Szene.

Danach hatte sie zwei Wochen nicht mehr mit ihm geredet und Tracy komplett aus ihrem Freundeskreis verband. Doch irgendwann verzieh sie ihm. Sie redete sich ein, dass die Schuld ja irgendwie beim Alkohol lag und außerdem versprach er ihr nie wieder eine solche Dummheit zu machen.Sie glaubte ihm.

Als Mimi ihm damals freudestrahlend berichtete, dass sie auch auf der Julliard studieren würde, war seine Reaktion mehr als merkwürdig.

Er studierte bereits ein halbes Jahr dort und war irgendwie gar nicht begeistert sie hier zu haben. Mimi wusste ja nicht, dass er sich auch ganz prächtig ohne sie amüsierte.

Erst als die ersten Gerüchte herumgingen, wurde sie misstrauisch. Angeblich ließ Michael nichts anbrennen und hatte sich durch die halbe Uni gehurrt, bevor sie ebenfalls dort studierte.

Sie glaubte die Gerüchte nicht, da Michael beliebt war und viele einfach nur gewollt hätten, dass er ihnen mal näher kommt.

Doch einmal sah sie mit eigenen Augen, wie er mit einem anderen Mädchen rummachte. Es war jetzt ein gutes halbes Jahr her. Damals hatte sie mit ihm Schluss gemacht und verzog sich mehrere Tage mit Schokolade und Liebesschnulzen auf ihr Zimmer.

Doch er ließ es nicht auf sich sitzen und „kämpfte“ um sie.

Nach zweieinhalb Monaten und unzähligen Liebesschwüren hatte er sie wieder geknackt. Er wusste einfach wie man Mädels herum bekam. Sein verflixter Charme war einfach zum niederknien.

Jedoch war Mimi mittlerweile aufmerksamer geworden. Sie hatte Angst, dass er sie wieder betrügen könnte – auch wenn er nur Fremdknutschte.

In ihrem Inneren wusste sie, dass er es nie bei Knutschen beließ. Aber in flagranti hatte sie ihn nur beim Küssen erwischt. Und sie wollte diese Beziehung nicht aufgeben, dafür waren sie einfach schon zu lange zusammen. Als Single würde sie sehr wahrscheinlich gar nicht mehr zurechtkommen – jedenfalls dachte sie das.

Sie konnte ja nicht wissen, dass sie immer mehr ein Stück von sich selbst dadurch verlor. Denn aufrichtig war sie zu sich selbst schon lange nicht mehr.
 


 

Kari und Wallace beobachten sie noch eine Zeitlang. Die Musik wurde plötzlich sehr langsam und die Paare tanzten einen verträumten Stehbluse. Kari war richtig neidisch. Warum konnte sie nicht einen so lieben Freund wie Michael haben, der mit ihr romantisch tanzte?

Davis war als Freund eher eine mittlere Katastrophe gewesen. Er war Tai einfach zu ähnlich und sie brauchte wirklich nicht gleich zwei Brüder. Sie wollte jemanden, der sie auf Händen trug und auch ein wenig romantisch ist. Vielleicht mal ein Abendessen für sie vorbereitet, Kerzen aufstellt und das Zimmer mit Rosenblättern schmückt. Sie wusste, dass weder Tai noch Davis dazu in der Lage waren.

Bei Matt könnte sie sich solche romantische Züge gut vorstellen. Er war ein kreativer Mensch, der auch seine Lieder selbst schrieb.

Die einzige männliche Person, die mal für sie etwas gekocht hatte, war Takeru gewesen. Es war eine Lasagne, die ihm ein wenig angebrannt war, aber trotzdem recht gut schmeckte.

Doch TK sah nie als potenziellen Freund, auch wenn ihr viele eine Liebschaft zu ihm unterstellten. Sie fühlte sich einfach nur wohl bei ihm. Das gleiche Gefühl hatte sie auch bei Wallace. Sie wusste demnach schon, dass zwischen ihr und Wallace nie mehr als Freundschaft sein würde. Alles andere fühlte sich eben falsch an. Vielleicht war es seltsam, aber sie merkte schnell, wer für sie nur ein Freund war und bei wem sie sich mehr vorstellen konnte.

Okay Davis war die Ausnahme gewesen. Bei ihm hatte sie wirklich nur rein freundschaftliche Gefühle. Sie wollte diese Beziehung nur, um die Gefühle für Matt zu verdrängen. Sie wusste, dass es gemein war. Kari hatte ihm gegenüber immer noch ein schlechtes Gewissen. Sie hoffte, dass er ihr irgendwann verzeihen konnte.

Auf einmal fiel ihr auf, dass Mimi und Michael nicht mehr auf der Tanzfläche waren. Sie drehte sich verwirrt zu Wallace, der den letzten Schluck seines Getränks hinunterspülte.

„Wo ist denn Mimi hin?“, fragte sie zerknirscht. Sie würde sie doch nicht einfach so zurück lassen.

„Ich glaube sie ist mit Michael auf ihr Zimmer. Es ging gerade sehr heiß zwischen den beiden her“, antwortete er und spielte auf ihr wildes Zungenspiel an, der er noch vor ein paar Minuten beobachtet hatte.

„Oh. Okay“, meinte Hikari traurig. Mimi hatte sie wohl doch stehen lassen.

„Hey wollen wir vielleicht etwas spazieren gehen?“, fragte er aufheiternd. „Ich bekomme langsam Kopfweh!“

Wallace hüstelte gekünstelt und verwies indirekt auf den Rauch, der sich im Flur sammelte.

Kari nickte schwach und trank ebenfalls ihren Becher aus. Studentenpartys waren einfach nichts für sie.
 


 

Sie küssten sich leidenschaftlich, als er sie auf einmal unsanft auf ihr Bett warf. Sie hörte wie er den Reisverschluss seiner Hose öffnete und sie achtlos auf den Boden fallen ließ. Er zog sein Shirt über den Kopf und beugte sich über sie. Hungrig küsste er sie und machte sich gleich darauf an ihrem Kleid zu schaffen. Es dauerte keine zehn Minuten und beide saßen sich nackt gegenüber.

Er drückte sie aufs Bett und küsste ihren Hals, während er gleichzeitig in sie eindrang.

Mimi presste die Lippen aufeinander. Er bewegte sich schnell und stöhnte laut.

Ihre Augen wirkten immer trauriger. Sie hatte nicht den Mut ihm zu sagen, dass es ihr überhaupt keinen Spaß mehr machte, mit ihm zu schlafen. Sie fühlte nichts. Absolut nichts.

Er bewegte sich noch ein paar Mal, bis er sich erschöpft neben ihr niederließ. Sie starrte teilnahmslos an die Decke und hoffte wenigstens, dass er sie in den Arm nehmen würde – so wie er es früher immer getan hatte. Doch er lag mit einem selbstzufriedenen Blick neben ihr und rührte sich kein Stück. Es war wirklich frustrierend.

Immer wenn sie mit ihm schlief, fühlte sie sich danach so leer. Er machte keinerlei Anstalten, sie glücklich zu machen, er dachte immer nur an sich selbst.

So als wäre sie nur eine Art Ventil, an dem er seinen Frust ausließ. Erst als sie Kari wiedergetroffen hatte, merkte sie wie einsam sie eigentlich war. Freunde hatte sie in Amerika viele. Doch es waren alle keine Richtigen. Man redete nur über banale Dinge, nichts Ernstes eben.

Durch Kari hatte sie gemerkt, wie sehr sie ihre alten Freunde aus Japan vermisste. Selbst Tai – der ihr eigentlich immer neunzig Prozent der Zeit auf die Nerven ging.

Glücklich war sie wohl schon lange nicht mehr.

Plötzlich bemerkte sie, wie sich Michael aufsetze und vom Bett aufstand.

„Wo willst du denn hin?“, fragte sie fast schon wie ein kleines verunsichertes Kind. Er zog sich seine Unterhose über und suchte den Rest seiner Sachen zusammen.

„Ich geh wieder auf die Party. Ich habe Carter versprochen, mit ihm noch was zu trinken“.

„A-Aber wir könnten doch noch ein bisschen hier bleiben“, meinte sie in der Hoffnung, er würde es sich nochmal anders überlegen.

Er grinste leicht und zog sich die Jeans wieder an.

„Und was soll ich hier machen? Kuscheln?“

„Wäre doch eine Möglichkeit“.

„Sorry Mimi, aber darauf habe ich wirklich keinen Bock“, sagte er schroff und schnappte sich sein Shirt. „Kommst du nochmal mit?“

Mimi schüttelte den Kopf und knurrte ein bissiges „Nein“ zu ihm. Enttäuscht zog sie sich die Decke über ihren Körper und hörte noch wie er „Dann eben nicht“ zu ihr zischte und die Tür im gleichen Atemzug zuschlug.

Sie biss sich auf die Unterlippe und unterdrückte ihre Tränen, die ihr bereits in den Augen standen. Eigentlich war ihr Leben doch perfekt. Doch perfekt war definitiv das neue Synonym für Scheiße.
 


 

Gut gelaunt schlenderte Yolei zu dem Lokal, in dem sie mit ihren potenziellen neuen Mitbewohnern verabredet war. Sie zog die Tür auf und sah schon aus der Ferne, TK und Davis an einem Tisch sitzen. Fröhlich wank TK ihr zu und Davis drehte sich zu ihr herum und lächelte leicht. Er war immer noch nicht ganz begeistert von der Idee gewesen, ein weibliches Wesen einziehen zu lassen. Frauen brachten generell immer Chaos – Yolei war da sicher keine Ausnahme.

„Hey du strahlst ja richtig“, stellte TK fest, als sie sich zu ihnen setzte. „Hast du etwa den Job bekommen?“

„Ich bekomme erst nächste Woche Bescheid, aber ich habe gute Nachrichten“, trällerte sie fröhlich.

TK und Davis sahen sie verwundert an und warteten gespannt auf ihre Ankündigung.

„Ich denke wir warten noch auf Ken“, meinte sie zwinkernd, während Davis laut aufstöhnte. Konnten Frauen nie Klartext reden? Mussten sie wegen allem so ein Tamtam veranstalten? Er bereute es jetzt schon, eingewilligt zu haben.

Er hoffte nur, dass ihre Neuigkeiten auch wirklich gut waren. Am Ende wollte sie nur die Küche Schweinchen-rosa streichen oder wollte Anspruch auf sein Balkonzimmer erheben.

Zum Glück tauchte Ken in den nächsten zehn Minuten auf, ansonsten wäre Davis wohl vor Anspannung an die Decke gesprungen.

„Was ist denn jetzt?“, stichelte er ungeduldig und piekte Yolei mit dem Zeigefinger mehrfach in den Arm.

„Lass das“, giftete sie und schnippte seinen Finger weg. „Aua“. Er sah schmollend zu ihr und betrachtete seinen Finger, der gerade von ihr weg geschnipst wurde. Sie wand jedoch ihren Blick zu der normalen Mitbewohnerfront und versuchte zu ignorieren, dass Davis sie schon wieder piekte.

„Also ich habe mit meinen Eltern geredet und sie haben beschlossen mir die Miete für zwei Monate vorzulegen. Wir können also definitiv zusagen!“

„Wie sicher ist das mit dem Job denn?“, wollte TK wissen und legte sein Kinn auf seiner Handfläche ab.

„Ich denke sie fanden Yolei recht gut“, meinte Ken auf einmal. „Ich bin heute Mittag mal vorbei gegangen und Frau Minazuki meinte, dass sie dich sehr nett fand“.

„Sie haben Yolei ja auch noch nicht in Aktion erlebt“, lachte Davis und steckte von Yolei einen Tritt gegen sein rechtes Bein ein.

„Ist doch nur die Wahrheit“, verteidigte er sich und rieb sich seine wunde Stelle.

„Ich würde mich mit keinem anlegen, der bald wohlmöglich Zugang zu deiner Zahnbürste hat“, nuschelte Yolei und brachte die anderen beiden zum Lachen, während sich Davis Gesicht weiß verfärbte. Warum musste sie ihn immer gleich bedrohen? Er hatte überhaupt nichts Schlimmes gesagt und trotzdem war er immer der Buh-Mann der Gruppe.

Als sich TK wieder etwas eingekriegt hatte, erhob er sein Glas.„Dann gehen wir es jetzt also an?“, fragte er in die Runde. „Klar, wird sicher lustig“, meinte Yolei und wand sich zu Davis, der automatisch an seine Zahnbürste denken musste.

Wahrscheinlich musste er sie jetzt immer unter seinem Kopfkissen verstecken, um Yoleis Racheaktionen entkommen zu können. Auf eine Zahnbürste á la Klogeschmack hatte er wirklich keine Lust.

TK hielt immer noch sein Glas in die Höhe und animierte seine Freunde dazu, es ihm gleich zu tun.

„Auf gutes Zusammenwohnen“, prostete er, bevor sie auf ihre erste gemeinsame Wohnung anstießen. Es war Zeit die Vergangenheit hinter sich zu lassen und ganz ohne Altlasten in die Zukunft zu schauen.
 


 

31. August 2009. Odaiba, Japan. Restaurant.
 

Sora hatte sich heute schick gemacht. Es war recht ungewöhnlich, dass Tai sie montags zum Essen einlud – auch wenn sie noch Semesterferien hatten. Sie kam sich sogar richtig dumm vor, dass sie extra für ihn ein Kleid angezogen hatte. Aber wann gingen sie schon mal zusammen essen? Noch nicht mal an ihrem Jahrestag hatte er sich solche Mühe gemacht. Wahrscheinlich wollte er mit ihr über etwas Ernstes reden. Sie hoffte nur, dass er ihr keinen Antrag machen wollte. Dann würde sie wohl, das Restaurant panisch verlassen und die halbe Tischgarnitur vor lauter Schock mit sich reißen.

Er saß bereits am Tisch, als sie zur Tür hineinkam. Tai lächelte sie zaghaft an und stand auf. Sora lächelte zurück und ging zu ihrem Tisch. Sie begrüßten sich knapp und Tai zog ihr ganz Gentleman-like den Stuhl zurecht, damit sie sich setzen konnte.

„Ein wunderschönes Restaurant“, meinte sie und schlug die Karte auf. Tai grinste nur und blätterte ebenfalls in seiner.

Sora wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass er irgendetwas vorhatte. Er wirkte auf sie so nervös.

Immer wieder zuckte unbewusst seine linke Augenbraue. Ein klares Zeichen dafür, dass hier etwas nicht stimmte. Sora legte die Karte beiseite, nachdem sie sich für einen gemischten Salat entschieden hatte. Auch Tai wusste schnell, was er essen wollte und gab die Bestellung bei ihrem Kellner auf.

Die Rothaarige presste die Lippen aufeinander, nachdem sie merkte, dass er ihren Blicken immer wieder auswisch.

„Tai was ist los mit dir?“, fragte sie besorgt und ergriff seine Hand, die sich klatschnass anfühlte. „Geht es dir gut?“

Er nickte nur beiläufig und zog seine Hand weg. Eigentlich hatte er gar nicht vorgehabt, sie heute auszuführen, doch zu Hause brachte er es einfach nicht übers Herz mit ihr zu sprechen. Nicht wenn Matt da war und von seinem Zimmer aus lauschte. Er wusste genau, dass Matt mit seiner Entscheidung nicht zufrieden war, weil er dachte er müsste dann einen miesgelaunten Taichi ertragen. Doch er war sich sicher. Er wollte nach dem Essen mit Sora endlich darüber reden. Er konnte so nicht weitermachen.

Dennoch war er sich noch nicht sicher wie er dieses Gespräch überhaupt anfangen sollte. Er wollte ja noch weiterhin mit ihr befreundet bleiben. Wahrscheinlich kam es erst gar nicht dazu und Matt bekam insgeheim seinen Willen.

Er konnte ja nicht wissen, dass sie genauso fühlte wie er. Sora musterte ihn eine Zeit lang und als der Kellner ihnen ihr Essen servierte, wurde das Schweigen für sie unerträglich. Sie musste es ihm sagen.

Lautlos legte sie ihre Gabel auf den Teller und schaute ihn dringlich an.

„Tai ich glaube wir sollten miteinander reden“, sagte sie auf einmal und auch er hörte auf zu Essen.

Die Zeit war gekommen.

„Ja glaube ich auch“, meinte er ebenfalls.

Ein Schweigen überkam beide und sie wandten für einen kurzen Moment die Blicke voneinander. Sie wussten, dass sie beide viel miteinander erlebt hatten und keiner der beiden bereute irgendeinen dieser Momente, aber Gefühle änderten sich nun mal.

„Ich denke wir sollten Schluss machen“, eröffneten sie zeitgleich.

Tai blickte erschrocken in das Gesicht von Sora, die ebenfalls sehr verwirrt aussah. Damit hatte wohl keiner gerechnet.

Erleichtert atmeten beide aus und lächelten sich leicht an. Sora war froh, dass kein geheimer Heiratsantrag hinter dieser Aktion steckte und Tai war beruhigt, dass sie wohl das gleiche empfand wie er. Das Drama schien wohl auszubleiben.

„Es ist wirklich verrückt wie ähnlich wir uns sind“, stellte Taichi lachend fest.

„Ja schon etwas gruselig, oder?“

„Nur ein wenig“, sagte er mit einer beruhigenden Stimme. „Aber du hast auch gemerkt, dass es schon lange nicht mehr stimmt. Also ich meine wir als Paar“.

Sora nickte nur. Sie konnte ihm noch nicht sagen, dass sie wohlmöglich Gefühle für Matt entwickelt hatte. Auch wenn beide fanden, dass es nicht mehr lief – diese Erkenntnis wäre auch für Taichi zu früh gewesen.

„Okay. Wie geht es jetzt weiter? Müssen wir jetzt wie alle anderen getrennten Paare erst einmal Abstand zueinander halten oder wie?“

„Keine Ahnung. Vielleicht sollten erst Mal eine Nacht über die Trennung schlafen und dann entscheiden wie es weitergeht“, schlug Sora vor.

Eigentlich wollte sie auf Tai nicht verzichten. Er war ja immerhin ihr bester Freund und in den letzten paar Wochen hatten sie auch nicht mehr sonderlich viele Paaraktivitäten zelebriert.

Sie hatte das Gefühl, dass sich das „nur befreundet miteinander sein“ bei ihnen ganz klamm heimlich angeschlichen hatte. Sie hatten die Übergangsphase zwischen zusammen sein, getrennt leben und wieder Freunde werden, einfach übersprungen.

Obwohl...ein wenig Abstand würde ihnen beiden sicher gut tun, um sich zu sammeln. Wahrscheinlich würden sie es keine Woche aushalten, nicht miteinander zu reden.

Sie waren einfach dafür geschaffen beste Freunde zu sein. Nur beste Freunde zu sein.

Manchmal war das ebenso.
 


 

26.Mai 2010. Odaiba, Japan. Innenstadt.
 

Auch wenn das Wetter an diesem Tag definitiv besser war, hing die Laune bei den beiden Freundinnen im Keller.

Mimi konnte nicht verstehen, dass sich Hikari weigerte, sich bei ihren Eltern oder ihrem Bruder zu melden. Sie waren ja schließlich ihre Familie. Und die Abtreibung sah man ihr schließlich nicht an. Mimi hatte ihr sogar geschworen den Mund zu halten. Doch irgendwas hinderte sie daran, eine einfache SMS zu tippen.

Vielleicht hatte sie Angst, dass ihre Familie sie direkt durchschauen würde. Die 21-Jährige kannte das nur zu gut. Ihrer Mutter konnte sie auch seltenes was vor machen. Doch für eine junge Frau, die vor kurzem ein Baby abgetrieben hatte, wirkte Kari jedoch recht gefasst. Fast schon etwas eisern.

Mimi machte sich große Sorgen um sie. Wahrscheinlich setzte sie sich nur mit sich selbst auseinander. Möglicherweise eine normale Reaktion, bei einer Abtreibung. Sie konnte es ja schlecht wissen, da sie noch nie eine hatte.

Trotzdem wollte sie, dass es ihrer Freundin wieder besser ging. Und als Freundin musste man manchmal auch die Dinge selbst in die Hand nehmen.

„Hey wollen ein bisschen shoppen gehen? Das Kleid da vorne würde dir bestimmt super stehen“, sagte sie mit einem Grinsen und deutete auf das Schaufenster auf der gegenüberliegenden Seite.

Kari zuckte nur unbeeindruckt mit den Schultern und Mimi sah es als Aufforderung sie einfach in den Laden mitzuziehen.

„Du ziehst das jetzt gleich an“, forderte sie und drückte ihr das Kleid, das sie an der Schaufensterpuppe gesehen hatte, in die Hand. „Ich halte solange deine Tasche“.

Verwirrt schüttelte Kari den Kopf und ging mit dem Kleid in Richtung Umkleidekabine.

Als sie außer Sichtweite war, kramte Mimi Karis Handy hervor, umging ihre Tastensperre, die sie selbstverständlich wusste und suchte in ihren Kontakten nach dem Namen ihres Bruders. Mimi war alles andere als auf den Kopf gefallen.

Wenn Hikari sich nicht melden würde, dann musste sie ihr eben ein bisschen auf die Sprünge helfen. So konnte es doch nicht weitergehen.

„Hey kannst du mir vielleicht mal helfen, den Reisverschluss hochzuziehen?“, hörte sie Kari fragen.

Sie schreckte hoch und ließ das Handy wieder in ihre Handtasche gleiten. „Klar ich komme“, antwortete sie und raffte um sich herum einige Klamotten zusammen. „Die hier musst du auch noch anprobieren!“, sagte sie fordernd und übergab ihr den Klamottenberg in die Hände. Kari schüttelte wieder den Kopf und konnte nicht fassen, wie Shoppingverrückt Mimi doch eigentlich war.

Wahrscheinlich war Kari nur eine ihrer Anziehpüppchen, deren Kleiderschrank sie aufwerten wollte.

„Machst du mir jetzt den Reisverschluss zu?“, fragte sie, nachdem sie den Rest der Klamotten in der Umkleide verteilt hatte. Mimi nickte nur und Kari drehte ihr den Rücken zu.

„Wow das Kleid steht dir“, meinte sie begeistert, während Kari sich im Spiegel betrachtete. Irgendwie war es eher Mimis Stil, den sie hier trug. In diesem Kleid war auch definitiv zu viel Pinkanteil vorhanden. „Ich probiere nochmal was anderes an. Reißverschluss?“

Mimi öffnete den Verschluss und sagte ihr, dass sie noch nach ein paar Sachen stöbern wollte. Kari verschwand wieder in der Kabine, als Mimi sich etwas aus ihrem Sichtfeld distanzierte. In einem unbeobachteten Moment, holte sie das Handy aus Karis Tasche, entsperrte es wieder und tippte eine SMS an Tai, die sie vorhin angefangen hatte.

„Hey Tai, ich wollte euch mal besuchen kommen und bin mit Mimi nach Japan geflogen. Hast du ein wenig Zeit für deine Schwester? LG Kari“.

Okay das klang definitiv nach Kari. Sie drückte auf senden und merkte gar nicht, dass Hikari bereits fertig umgezogen war, da sie ihr den Rücken zugewandt hatte.

Sie verschränkte die Arme und zog ihre Stirn in Falten.

„Was machst du da mit meinem Handy?“, fragte sie aufgebracht. Mimi drehte sich erschrocken um und ließ es vor Schreck wieder in ihre Tasche fallen.

Sie wurde ganz klar ertappt. Dennoch war ihre Mission erfolgreich gewesen.
 

Fortsetzung folgt...

Spaßfaktor.


 

I'm not here for your entertainment.

U + Ur Hand, Greatest Hits...So Far. Pink, 2010.
 


 

Wütend lief sie vorne weg und las abermals die SMS die Mimi an ihren Bruder geschrieben hatte.

Wie konnte sie nur? Allein sie durfte entscheiden, wann sie sich mit ihrem Bruder treffen wollte.

Mimi hatte darüber eigentlich gar keine Entscheidungsgewalt. Und trotzdem hatte sie in ihrem Namen eine SMS an ihn geschrieben.

„Jetzt warte doch mal“, rief sie ihr zu und packte sie am Arm.

Ruckartig drehte sich Kari herum und funkelte sie böse an.

„Warum hast du das nur gemacht? Bist du von allen guten Geistern verlassen?“, blaffte die Jüngere sie vorwurfsvoll an.

„Du hättest dich doch von selbst nie dazu durchgerungen! Ich wollte dir nur helfen!“

„Tolle Hilfe“, knurrte sie und riss sich los.

Mit schnellen Schritten ging sie in die Richtung des Hotels, als sie auf einmal merkte, wie es in ihrer Tasche vibrierte. Sie fischte ihr Handy heraus und sah, dass ihr Bruder gerade anrief.

Sie drehte sich zu Mimi, die ein paar Meter hinter ihr stand und zeigte auf ihr Display.

„Geh ran!“, forderte sie ihre Freundin auf.

„Vergiss es, ich will nicht mit ihm reden. Außerdem hast du die SMS an ihn geschrieben“, verteidigte sie sich und wollte ihn gerade wegdrücken, als Mimi ihr das Handy aus der Hand riss.

„Hallo, Karis Sekretärin“, meldete sie sich gespielt fröhlich. Karis Kinnlade klappte nach unten. Das konnte doch nicht wahr sein. War heute Freitag, der dreizehnte? Fühlte sich ganz danach an. So viel Pech konnte man doch an einem normalen Tag gar nicht haben. Es musste Freitag, der dreizehnte sein.

„Es ist auch schön deine Stimme zuhören, Tai“, meinte Mimi augenverrollend. „Kari ist gerade duschen!“

Kopfschüttelnd stand ihr Hikari gegenüber. Im Lügen war Mimi schon immer gut gewesen. „Man Mimi“, zischte sie und forderte sie auf ihr das Handy wiederzugeben.

„Warte mal kurz, Kari kommt gerade aus der Dusche“, erklärte sie ihm und reichte das Handy zwinkernd an die junge Yagami weiter.

„Du bist so bescheuert“, knurrte sie flüsternd, bevor sie das Gespräch mit Tai aufnahm.

„Nichts zu danken“, antwortete sie belustig und drehte verspielt an ihren langen Haaren.

„Hey Tai“, sagte sie behutsam in den Hörer. Ihr Bruder flippte fast vollkommen aus und wollte sich am liebsten gleich mit ihr treffen. Doch sie hatte das Bedürfnis sich vor ihm zu verstecken. Sie wollte ihm nicht in die Augen schauen und ihn ebenfalls anlügen. Auch bei Mimi fiel es ihr schon von Tag zu Tag schwerer. Und wer konnte ihr garantieren, dass ihr Bruder ihre Lügen nicht gleich durchschaute. Er kannte sie immerhin am besten. Außerdem würde ein Treffen mit ihm, auch weitere Treffen mit den anderen implizieren.

Und sie wusste nicht ob sie schon bereit dazu war.

Erst als er fragte, wann sie Zeit hätte, fand sie zu ihren eigentlichen Gedankengängen zurück.

„Wann ich Zeit habe?“, wiederholte sie und sah fragend zu Mimi.

„Morgen“, flüsterte sie ihr zu und nickte mit dem Kopf. Doch morgen war zu bald. Sie hätte sich vielleicht erst die nächste Woche bei ihm gemeldet.

Er fragte sie wieder, doch sie bekam nur einige „Ähms“ und „Öhs“ heraus. Kopfschüttelnd grölte Mimi in den Hörer: „Morgen um drei. In der Innenstadt am Brunnen“.

„Was? Nein!“, nuschelte Kari und hielt den Hörer mit der Hand zu. „Ich bin noch nicht soweit“.

„Du wärst in hundert Jahren nicht soweit!“, sagte sie fordernd.

„Aber ich…“.

„Nichts aber, das ist jetzt beschlossene Sache“, meinte sie und schnappte sich wieder ihr Handy. „Ist drei Uhr okay? Ja? Gut. Dann bis morgen. Tschau!“

Sie legte auf und reichte ihr das Handy. „Du kannst mir später danken!“ Wütend riss sie ihr das Gerät aus der Hand und rannte zurück zum Hotel. Ihr danken? Das war wohl, das letzte was sie tun würde.

Wie sollte sie den Tag morgen nur überstehen? Tai würde sie sicher durchschauen.
 


 

03. September 2009. Odaiba, Japan. Cocktailbar.
 

Er war definitiv zu lange weg gewesen. Dabei war er nur für einen Kurztrip zu seinen Verwandten aufgebrochen und nicht zu einer Weltreise.

Doch als er gestern wiederkam, überfiel ihn Matt regelrecht mit der Trennung von Tai und Sora. Wie ein Känguru auf Speed sprang er in der Wohnung auf und ab. Tai hatte sich zurückgezogen und wollte am liebsten gar nicht über diesen Vorfall sprechen. Er sagte nur, dass sie sich freundschaftlich voneinander getrennt hatten, während Matt alles mit hochgezogener Augenbraue hinterfragte.

Manchmal war das Leben auch simpel. Paare trennten sich. Fremde verliebten sich.

Und dann gab es wieder Leute wie Izzy – ohne ein nachprüfbares Liebesleben. Nicht das er sich dafür nicht interessierte, aber irgendwie waren die meisten Mädels, die er kennen lernte einfach irre. Eine fragte ihn tatsächlich, ob er auf Fesselspiele stand. Beim ersten Date. Klar, dass es kein Zweites gab.

Natürlich war so ein Abenteuer bestimmt reizvoll, aber an Matt sah er, dass die wenigsten Frauen auch wirklich ein „Nein“ akzeptierten. In dem Jahr, indem er schon mit ihm zusammen wohnte, lernte er viele dieser „verzweifelten“ jungen Dinger kennen.

Eine war sogar so hartnäckig, dass sie einen Sitzstreik direkt vor ihrer Haustür zelebrierte, nur weil Matt ihr offen erklärte, dass er nichts Ernstes für sie empfand.

Schon oft hatte sich Izzy gefragt, wie er überhaupt auf die Idee kam mit dem Mädchenschwarm Schrägstrich Möchtegernrockstar zusammen zu ziehen. Eigentlich hatten sie in der Vergangenheit immer nur spärlichen Kontakt zueinander gehabt. Die Schlüsselperson bei dem ganzen war Shinji gewesen.

Nachdem Matts Bandkollege Akira wegzog, spielte Shinji für die Teenage Wolves vor und glänzte mit seinem musikalischen Feingefühl am Bass. Als Izzy mit Tai einmal einen Auftritt der Band besuchte, stellte er fest, dass Shinji gemeinsam mit ihm Physik studierte. Beide hatten sogar schon mal ein Experiment zusammen durchgeführt.

Zu diesem Zeitpunkt lebte Izzy noch bei seinen Eltern und musste fast jeden Tag mit der Straßenbahn circa eine Stunde zur Uni fahren. Das mit der WG war wirklich Dummenglück.

Nachdem Izzy und Shinji beim Konzert feststellten, dass sie sich bereits kannten, entwickelte sich mit der Zeit eine Freundschaft und Arbeitsgemeinschaft. Während einer Vorlesung erzählte er, dass er gerne aus seinem Wohnheim ausziehen wollte, um in einer WG zu wohnen. Mit Matt hatte er zwei Tage vorher scheinbar die gleiche Konversation geführt, denn auch er suchte zurzeit eine Wohnung, die näher an der Uni lag.

Anscheinend hatte Shinji die Wohnung schon vorab im Blickfeld gehabt, sonst hätte er es wohl kaum bei ihm und Matt erwähnt. Für Izzy war es auch eine Möglichkeit selbstständiger zu werden und eine WG war wohl für den Anfang der passende Einstieg gewesen. Ohne zu zögern setzten sich die drei zusammen und machten sich einen Überblick über ihre Finanzen und die anstehenden Ausgaben. Es dauerte nicht mal einen Monat, bis alles geklärt war. Einen weiteren Monat später lebten sie bereits zusammen. Simpel, oder?

Allerdings hatte keiner der drei gedacht, dass Shinji nach einem Jahr ihre feucht-fröhliche WG bereits verlassen würde. Der Grund war natürlich eine Frau gewesen. Genaugenommen Shinjis Freundin Yumiko, die schon seit Jahren darauf wartete endlich mit ihm zusammen zu ziehen. Doch Shinji wollte immer noch ein Stückchen Freiheit zurück behalten, bis sie ihm schließlich mit der Trennung drohte. Da er sie nicht verlieren wollte, beugte er sich ihrem Willen und Taichi zog in das freie Zimmer. So lautete die Kurzfassung.

Was neu hinzukam, war die Trennung von Tai und Sora, die wohl Matt weniger nachvollziehen konnte, als das Paar selbst. Man lebte sich nun mal auseinander. Das passierte eben.

Doch Matt hatte wohl eher Angst, dass das komplette Gruppengefüge zusammenbrach.

Für jemanden, dem Freundschaften sehr am Herzen lagen, wohl eine Zerreißprobe der Gefühle. Er glaubte nicht daran, dass sich Tai und Sora wirklich im Guten getrennt hatten. Das Misstrauen rührte daher, dass seine eigenen Eltern nach Jahren der Trennung immer noch so verkrampft wie am ersten Tag miteinander umgingen. Deswegen war Matt was Beziehungen anbetraf generell skeptisch. Izzy erinnerte sich an keine Beziehung, die bei ihm länger als drei Monate hielt. Matt war in dieser Hinsicht ganz klar ein Pessimist. Das erklärten auch die unzähligen gebrochenen Herzen, die sich vor ihrer Haustür befanden. Matt war nur für kurze Liebschaften geeignet. Trotzdem bedauerte er das Ende einer Beziehung, die zwei Menschen beinhaltete, die ihm beide sehr wichtig waren.

Eine Tatsache, die ihn auf die glorreiche Idee brachte, den Abend in einer Bar zu verbringen.
 


 

Was sollte er hier? Sah er etwa so deprimiert aus? Komisch sein Spiegelbild zeigte ihm eigentlich einen äußerst erleichterten Taichi. Er wunderte sich daher manchmal wirklich über seine Mitbewohner. Matt hatte ihn regelrecht gezwungen mit ihnen mitzukommen.

„Damit du in deiner Verzweiflung keine Dummheiten anstellst“. Das waren seine Worte gewesen. Welche Verzweiflung? Welche Dummheiten? Hatte er irgendetwas verpasst? War die Trennung von Sora nicht recht glimpflich abgelaufen, oder hatte er das etwa geträumt?

Er wusste wirklich nicht, warum seine beiden Mitbewohner dachten, dass er Ablenkung bräuchte. Ihm ging es gut. Natürlich zerrte jede Trennung in gewisser Weise an einem. Doch er konnte behaupten, dass er damit zurechtkam. Er musste kein Pokerface aufsetzen, um seinen Schmerz zu verstecken. Genaugenommen musste er gar nichts verstecken. Es war in Ordnung.

Und trotzdem befand er sich hier, in einer Bar. Matt hatte ihm bereits das zweite Getränk spendiert und musterte ihn seltsam.

„Geht es dir auch wirklich gut? Brauchst du wirklich nicht noch mehr Alkohol?“

Tai schüttelte den Kopf und trank einen Schluck. Was war nur los? Er wollte doch nur seine Ruhe haben.

„Mir geht es gut. Wirklich!“

„Das sagen sie alle und dann liegen sie irgendwann in der Ecke und heulen sich die Augen aus“, meinte Matt nachdenklich und schlürfte an seinem Strohhalm.

„Ich bin ganz sicher nicht einer deiner Groupies! Pass lieber auf das du heute Nacht keine zum Weinen bringst!“, giftete er und wand seinen Blick zu Izzy, der verstohlen grinste.

Matt hingegen verrollte nur die Augen. Er konnte doch auch nichts dafür, dass er eine solche Wirkung auf Frauen hatte. Klar das die ein oder andere weinte, wenn er ihr sagte, dass er eigentlich nur eine Nacht lang ihr Schmusebärchen war.

Er war einfach für eine Langzeitbeziehung nicht geschaffen. Er brauchte wahrscheinlich noch ein bisschen Zeit, um sich die Hörner abzustoßen.

„Ich geh eine Rauchen, kommt jemand mit?“, fragte er in die kleine Runde und zog eine Zigarette aus der Schachtel, die er in seine Hosentasche gesteckt hatte.

Beide schüttelten kaum merklich den Kopf. Tai war wenn nur der Partyraucher und Izzy hatte bisher nur zweimal an einer Zigarette gezogen.

„Ihr Spießer“, lachte er und steckte sich die Zigarette zwischen die Zähne. Tai tauschte mit Izzy vielsagende Blicke aus, bevor Matt nach draußen verschwand.

„Er geht mir heute ganz schön auf den Sack“, eröffnete Taichi und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Er macht sich nur Sorgen“, verteidigte ihn der Rotschopf.

„Aber mir geht’s gut!“ Tai fuhr sich durch seine voluminöse Frisur und rutschte seinen Stuhl hinunter.

Izzy rümpfte die Nase und betrachtete ihn genau. Traurig sah er wirklich nicht aus. Vielleicht machte sich Matt einfach zu viele Sorgen. „Er wird das sicher auch noch irgendwann kapieren. Wir sollten einfach ein bisschen Spaß haben. Schließlich haben wir bald wieder Uni“.

Tai verzog sein Gesicht. Immer musste Izzy seine gute Laune verderben. An die Uni wollte er noch gar nicht denken. Immerhin hatten sie noch einen Monat frei, der genutzt werden sollte. Morgen würden sie, TK und Davis beim Renovieren ihrer WG helfen. Das hatte ihnen Matt eingebrockt, der es großspurig seinem kleinen Bruder angeboten hatte.

Tai war ja wirklich gespannt, wie sich die neue Chaoten-WG schlagen würde. Mit Davis und Yolei würde er sicher nicht gerne unter einem Dach wohnen wollen.

„Man Leute, ihr sitzt hier wirklich wie bei einem Rentnerbrunch. Wo bleibt der Spaß?“, quietschte Yamato auf einmal hinter ihm. „Das ging ja schnell. Hast du deine Zigarette etwa gegessen?“, fragte Taichi ihn grinsend. „Sehr witzig“. Matt ging zu seinem Platz und setzte sich wieder. „Eure Gläser sind ja fast schon leer. Bedienung nochmal das gleiche, bitte!“, rief er der jungen Dame mit den schwarzen Haaren zu. „Findest du nicht, dass es langsam langt? Wir wollen doch morgen den anderen beim Renovieren helfen“, warf Izzy besorgt ein, doch Matt wank ab.

„Das klappt auch mit Restalkohol im Blut und seit wann seid ihr zwei so Pussys geworden? Jetzt wird der Schmerz weggefeiert!“

Tai schüttelte leicht den Kopf und massierte sich die Schläfen. Er würde sicher noch Kopfschmerzen bekommen und er wusste, dass es diesmal sicher nicht am Alkohol lag.
 


 

04. September 2009. Odaiba, Japan. Vierer WG.
 

„Wollte dein Bruder nicht um neun hier sein?“, fragte Davis genervt und schaute auf seine Uhr. 10:23 Uhr. „Man ist sein Wecker ausgefallen oder was?“

„Sie kommen sicher gleich“, versuchte TK ihn zu beruhigen und legte den Boden mit Zeitung aus, um ihn vor Farbe zu schützen.

„Das kann doch nicht wahr sein“, knurrte er und setzte sich auf den bereits ausgelegten Boden.

Ken kam gerade aus Yoleis Zimmer, dass sie bis jetzt gemeinsam gestrichen hatten.

„Was ist los? Warum schmollt er?“

„Ich schmolle gar nicht“, geiferte Davis und zog seine Unterlippe nach vorn.

„Okay...eigentlich wollte ich nur erwähnen, dass wir mit Yoleis Zimmer fast fertig sind“.

„Schon? Das ging aber schnell!“, stellte TK fest und legte die restlichen Zeitungen beiseite.

Ken lächelte zufrieden. Er und Yolei waren eben ein gutes Team. Sie strich gerade noch die letzte Wand zu Ende. Beide hatten für ihr Zimmer nur knapp eine Stunde gebraucht.

Wenn sie in allen anderen Zimmern auch so gut vorankamen, könnten sie sicher die nächste Woche einziehen.

Zum Glück hatte Yolei jetzt auch endlich die Jobzusage bekommen. Nächsten Mittwoch würde ihren ersten Tag im Café antreten.

„Okay die letzte Wand ist jetzt fertig!“ Kaum hatte man an sie gedacht, stand sie auch schon im Raum. Mit ihrem Pinsel bewaffnet stand sie schräg neben Davis. Etwas grüne Farbe befand sich noch auf der Pinselspitze.

„Hey du solltest den Pinsel noch sauber machen, sonst befindet sich die grüne Farbe gleich überall!“, warnte Takeru sie. Doch Yolei lachte nur und bewegte ihre Hand mit dem Pinsel schwungvoll. Ohne Vorwarnung klatschte sie Davis den Rest Farbe in sein Gesicht und seine Haare.

„Man Yolei, spinnst du?“ Er fuhr sich mit der Hand über seine Nase und seine Haare, um feststellen zu müssen, dass sie ihn knallhart erwischt hatte. „Sorry war wirklich keine Absicht, aber Grün steht dir wirklich, Davis!“, witzelte sie.

„Das gibt Krieg!“, brüllte er und sprang auf.

„Oh nein bitte nicht“, bettelten Ken und TK synchron. Doch es war zu spät. Davis hatte sich bereits eine Rolle geschnappt und tunkte sie in die hellbraune Farbe, mit denen sie eigentlich das Wohnzimmer streichen wollten.

„Leg sofort die Rolle hin!“ forderte Yolei hartnäckig und hielt den Pinsel zum Schutz vor sich.

„Vergiss es! Wie du mir so ich dir“, krächzte er und schwang die Farbrolle in ihre Richtung.

Sowohl Ken, als auch TK hielten augenblicklich die Luft an, als die braune Farbe Yolei direkt traf. Sie stieß einen schrillen Schrei aus und konnte auf dem einen Auge nichts mehr erkennen. Davis hatte ihre komplette linke Seite erwischt. „Du Idiot. Hast du zu heiß gebadet?“

„Sowas nennt man Chancenausgleich!“, erinnerte er sie und deutete auf seine Haare.

„Wie bitte? Aber gut wenn du auf Krieg bestehst, dann bitte!“ Sie tunkte ihren Pinsel ebenfalls in die braune Farbe und malte Davis einmal quer über sein Gesicht. „Jetzt sind wir definitiv quitt!“

Davis, der mit offenem Mund vor ihr stand und merkte dass allmählich Farbe in seinen Mund tropfte, konnte nicht fassen, dass sie gerade mit ihrem dreckigen Pinsel sein Gesicht verschönert hatte.

„Das war´s!“

Er legte die Rolle auf eine der Zeitungen und ging mit den Händen in die Farbe, die nicht mehr nach braun aussah und rannte Yolei hinterher, die vor ihm die Flucht ergriffen hatte. „Lass mich in Ruhe!“, zischte sie und rannte quer durch die Wohnung.

Die Zeitungen die TK zuvor ausgelegt hatte, wurden durch den gesamten Wohnraum verteilt. „Man jetzt hört gefälligst auf! Ihr macht alles dreckig. Hey!“

TK konnte es nicht fassen. Jetzt wurde er sogar selbst mit Farbe „beworfen“ und dann kam auch noch Davis, der sich hinter ihm und Ken versteckte, da Yolei mal wieder den Spieß umgedreht hatte.

„Bleib stehen“, zischte sie und erwischte prompt Ken, der im Gerangel direkt vor Davis stand.

„Ihh ich habe Farbe im Mund“, kommentierte Ken, leicht würgend.

„Boah jetzt echt...es reicht!“ Wütend nahm TK Yolei den Pinsel ab, während sich Ken immer noch über den Mund rieb.

„Geschieht dir recht!“, pustete Davis laut und streckte ihr die Zunge heraus. „Pass auf was du sagst. Ansonsten hat deine Zahnbürste bald einen Kloflug inklusive!“, drohte sie mit erhobenem Zeigefinger.

„Verdammt nochmal es langt! Guck mal was ihr für eine Schweinerei gemacht habt“, erinnerte sie TK, der fuchsteufelswild auf den Boden deutete.

„Das geht bestimmt wieder ab, oder?“

„Es sieht aus als hättet ihr einen Massenmord veranstaltet. Da sind manche Tatorte sauberer“, informierte sie Ken.

„Und was machen wir jetzt?“, wollte Yolei wissen und schaute verzweifelt zu den Jungs. Mit ihrer Farbbeschlagenen Brille sah sie aus wie ein Pirat. Es fehlte nur noch der Papagei auf ihrer Schulter.

„Dafür braucht man sicher Terpentin, sonst bekommt man es nicht richtig ab!“ TK fuhr sich durch die blonde Mähne und funkelte Yolei und Davis böse an.

„Mit Nagellackentferner geht´s sicher auch“, murrte Yolei unsicher und verteilte mit ihrem linken Fuß die Farbreste.

„Okay ich würde sagen, dass wir erstmal versuchen es so abzubekommen. Sie wird bestimmt nicht überall getrocknet sein“, warf der Blondschopf ein und rannte in die Küche, um einige Lappen zu holen.

Da wohnte er noch nicht mal mit ihnen zusammen und schon befanden sie sich im Chaos.

Wie sollte dann erst das Zusammenleben werden? TK rechnete bereits mit dem Schlimmsten.
 


 

Sie waren viel zu spät dran. Es war bereits nach zwölf, als sie an der Wohnung seines kleines Bruders ankamen. Eigentlich wollte Matt gar nicht so über den Durst trinken, doch er hatte das Gefühl, dass sein Freund Taichi die Abwechslung brauchte. Er traute der ganzen Sache noch nicht. Vielleicht lag es auch daran, dass Sora sich seither nicht mehr bei ihm gemeldet hatte, obwohl er ihr, unzählige SMS schrieb. Er könnte sicherlich schon als ihr Stalker durchgehen.

Wer weiß, vielleicht war sie mit der Trennung alles andere als Einverstanden gewesen. Tai konnte noch nie gut zwischen den Zeilen lesen. Möglicherweise saß sie alleine in ihrem Studentenzimmer und heulte sich die Augen aus. Er sollte besser besuchen gehen. Matt konnte doch nicht verantworten, dass sie in eine Posttraumatische Depression verfiel, nur weil sein bester Freund nicht im Stande war die Zeichen zu lesen. Er war einfach zu blind dafür.

„Mein Schädel“, knurrte Taichi und quälte sich die Treppen hoch. Okay. Und im Moment war er einfach zu besoffen, um die Tatsachen zu erkennen.

Die Idee, dass Alkohol für Herzschmerz gut sein würde, konnte hiermit deutlich wiederlegt werden.

Matt hatte einen Drink der „Black Panter“ hieß. Das einzige was dieser förderte, war sein Blackout zwischen halb eins und drei.

Tai hatte ihm heute Morgen grinsend gestreckt, dass er mit der Kellnerin, die sie bedient hatte, nach Dienstschluss rumgemacht hatte. Sie hatte ihm sogar ihre Nummer auf seine linke Hand geschrieben. Die Ziffern waren allerdings so verschmiert, dass man nichts mehr retten konnte. Laut Tai sah sie ohne hin nur „so lala“ aus. Wahrscheinlich hatte er sie sich schön gesoffen.

Zum Glück hatte er Freunde, die ihn vor peinlichen Abenteuern beschützten. Am nächsten Morgen hätte er sich bestimmt vor ihrem Gesicht erschreckt.

Okay, das klang vielleicht etwas eingebildet, aber Matt konnte wirklich alle haben. Als Musiker hatte man diese gewissen Anziehungskräfte auf die Frauen. Immer wenn er auf seiner Gitarre einige Takte spielte und in das Mirko grölte, fielen sie um wie Dominosteine. Er wollte ja nicht angeben, aber an sexueller Erfahrung mangelte es ihm sicherlich nicht. Und wieso sollte man sich festlegen, wenn die Frauen ihm zu Füßen lagen und ihn regelrecht anhimmelnden? Es war so leicht. Man(n) musste es einfach ausnutzen.
 


 

Izzy war wohl schon immer recht vernünftig gewesen. Deswegen hatte er heute auch keinen Kater. Er hörte immer rechtzeitig auf. Er kannte seine Grenzen. Überschritten hatte er sie nie.

Etwas was er im Nachhinein bereute.

In seinem Studium musste er immer voll da sein. Er lernte während des Semesters fast immer. Tag täglich. Und zweimal die Woche gab er an der Uni Computerkurse, damit er sich noch etwas Geld nebenbei dazu verdienen konnte. Nicht das er es brauchte. Seine Eltern hatten ihm für das Studium, eine gute Rücklage angespart. Was zu diesem Zeitpunkt niemand wusste, war das er sich für ein Stipendium qualifizierte. Er war der beste seines Jahrgangs und hatte es sich mehr als verdient.

Doch der Druck lastete weiterhin auf seinen Schultern. Er brauchte unbedingt gute Note, um sein Stipendium auch weiterhin behalten zu dürfen. Die Sache, die ihm das Studium eigentlich erleichtern sollte, setzte ihn umso mehr unter Druck. In seiner letzten Physikklausur hatte er nur mit befriedigend bestanden. Für Izzy die pure Katastrophe. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er ein Stück Joe gefrühstückt hatte. Eigentlich war nur er so versessen auf gute Note gewesen, was zum größten Teil daher rührte, dass sein Vater ihn unter Druck setze.

Izzys Eltern hatten dies nie getan. Seine Mutter machte sich sogar Sorgen, dass er zu viel Zeit an seinem Computer verbringen könnte.

Wahrscheinlich hatte sie nur Angst, nie Enkelkinder zu bekommen.

Aber eine Beziehung wäre für Izzy wirklich unmöglich zu führen. Selbst die einfachsten Dinge brauchten bei ihm exzessives Zeitmanagement. Er beneidete seine Freunde regelrecht um ihre Freizeit. Er hatte nicht so ein Glück. Und jetzt hatte er sich auch noch freiwillig zum Renovieren gemeldet. Naja was heißt freiwillig. Matt hatte ihn wohl eher dazu genötigt. Und mit der Person, die als einziger einigermaßen gut Kochen konnte, wollte er es sich definitiv nicht verscherzen. Taichis Fraß würde er kein zweites Mal hinunterwürgen.

Jedoch schrie sein Zeitplan förmlich nach einer Nachtschicht. Selbst mit Kaffee könnte dies schwierig werden.

„Ich bin so fertig“, meckerte Taichi und riss den Rotschopf aus seinen Gedanken. Er sah wie sein brünetter Freund sich müde und miesgelaunt gegen die Hauswand lehnte und mehrfach hintereinander die Klingel betätigte.

„Es reicht auch wenn du einmal draufdrückst!“, ermahnte ihn Matt, der bei dem schrillen Ton das Gesicht verzog.

„Sei nicht so eine Pussy“, erwiderte er und drückte nochmal. „Es war schließlich deine Idee in die Bar saufen zu gehen“.

„Ich bereue es jetzt schon“, knurrte der Blonde und fuhr sich ganz dramatisch durch die Haare. Man merkte beiden an, dass der Kater ihnen auf den Schädel drückte. Pech gehabt, nicht wahr?

Izzy grinste leicht, doch bevor er etwas daraufhin sagen konnte, wurde die Tür von TK aufgerissen.

„Da seid ihr ja endlich!“, begrüßte er sie und ließ sie rein.

Ein bestialischer Gestank breitete sich in ihren Nasen aus. „Man TK was stinkt hier denn so?“, fragte Tai aufgebracht und hielt sich die Nase zu.

„Das ist ein spezieller Bodenreiniger. Irgendwas mit Terpentin!“

„Okay. Und warum braucht ihr sowas?“, wollte Matt mit skeptischem Unterton wissen.

TK zog provokant die Augenbraue nach oben und ging ein Stück weiter rein. „Guck’s dir doch an! Sowas passiert nur wenn man mit Yolei und Davis umzieht!“

Er ging zur Seite und zeigte in den Wohnraum.

„Ach du heilige Scheiße“, kommentierte Matt, während seine Kinnlade automatisch nach unten klappte.

„Jap. Sowas hätte ich gerne mal meiner alten Kunstlehrerin vor die Nase gesetzt“, meinte Tai und lachte. „Darauf hätte ich sicher ne Eins bekommen!“

„Das sieht aus als hätte ein Marsmännchen gekotzt!“

„Danke für die nette Umschreibung, Izzy“, sagte auf einmal Yolei, die mit einem Mopp aus der Küche kam. „Zu meiner Verteidigung: Davis hat mich provoziert!“

„Stimmt gar nicht“, hörte man aus der Ecke rufen. Es waren alle da. Bis auf Ken. Davis saß in einer Ecke des Wohnzimmers, in der sie besonders gewütet hatten und versuchte mit einem Schwamm, dass zu retten was noch zu retten war. Sogar die Fenster waren betroffen.

„Wo ist eigentlich Ken?“

„Der holt noch Spezialreiniger für die Fenster. Das Schlamassel ist uns erst später aufgefallen“, erklärte TK und deutete in Davis‘ Richtung.

„Dann können wir das mit dem Tapezieren heute wohl vergessen“, nuschelte Tai verärgert und schlang die Arme hinter den Kopf.

„Ihr könnt euch ja einen Lappen schnappen und die Ecken schrubben“, erwiderte Yolei und funkelte die drei fordernd an. Tai verrollte nur genervt die Augen und signalisierte Matt deutlich, dass er hier weg wollte.

„Ihr könnt auch um vier nochmal kommen. Dann sind wir sicher fertig“, versicherte Takeru ihnen optimistisch, doch Matt schüttelte demonstrativ den Kopf. Er hatte versprochen seinem Bruder zu helfen. Komme was da wolle.

„So ein Quatsch. Jetzt, wo wir schon mal hier sind...“

„Matt“, zischte Tai und stieß ihm in die Rippen. „Ich bin keine Putze!“

„Stell dich nicht so an. Für deine Schwester würdest du sicher das Gleiche tun“.

Tais Gesicht entgleiste. Er bezweifelte wirklich, dass seine Schwester jemals die Wände, mit samt der Fenster und des Fußbodens braungrün sprenkelte.

Doch sie hatten versprochen, ihnen zu helfen. Und Tai war eigentlich immer jemand, der sich an Versprechen hielt. Auch wenn der Kater auf seinen Kopf drückte und die Dämpfe des Spezialreinigers bei ihm wohlmöglich Brechreiz anregen würden - schlimmer konnte es wohl kaum noch aussehen.
 


 

06. September 2009. Odaiba, Japan. Wohnung der Kidos.
 

„Schatz du siehst wirklich schlimm aus“, stellte seine Mutter besorgt fest und hielt ihre Hand an seine Stirn. „Du wirst doch hoffentlich nicht krank werden, oder?“

Joe presste die Lippen aufeinander und hoffte nicht jeden Augenblick losschreien zu müssen. Ob er krank war? Wohl eher nicht. Er war es leid. Zweiundzwanzig und sein ganzes Leben fühlte sich verpfuscht an. Durfte er eigentlich noch selbst entscheiden oder waren alle seine Entscheidungen von seinem Vater abhängig?

Er hatte definitiv den roten Faden verloren. Wahrscheinlich schon früher als ihm lieb war.

Schon als Kind drehte sich die Welt für ihn nur um eins: gute Noten, Aufnahmeprüfungen und das Medizinstudium. Mit Mühe und Not erreichte er all diese Dinge. Doch zu welchem Preis?

Er gab seine Kindheit auf. Seine Jugend. Noch nie hatte er eine Party besucht. Zu sehr war er mit dem Lernen und Weiterbilden beschäftigt, sodass alles an ihm einfach vorbei zog.

Er schaute zu seiner Mutter, legte ein Lächeln auf und schluckte den Schmerz, den er schon eine Zeitlang verspürte. Sein Vater war gerade in sein Arbeitszimmer verschwunden, um seinen Arbeitsplan für nächste Woche zu holen.

Am liebsten wäre es ihm, wenn Joe alle möglichen Operationen von ihm beiwohnen könnte – doch ein Tag hatte bekanntlich nur 24 Stunden zur Verfügung. Neben seinem Praktikum im Krankenhaus und den Hausarbeiten, die er schreiben musste, verbrachte er die restliche Zeit vor der Glasscheibe, die ihm vom Operationssaal trennte.

Mehrere Medizinstudenten sahen zu. Alle waren in einem viel höheren Fachsemester als er, weshalb er schon liebevoll als das „Küken“ bezeichnet wurde.

Manchmal fragte er sich, wie sein Leben laufen würde, wenn er es sich selbst ausgesucht hätte. Vielleicht hätte er nicht Medizin studiert, sondern irgendeine Geisteswissenschaft oder sogar Psychologie. Doch diese Optionen kamen für seinen Vater definitiv nicht in Frage.

Sein Sohn sollte Arzt werden, wie die anderen auch.

Eigentlich sollte er wie sein Vater werden.

„Ich glaube ich will mein Medizinstudium nicht weitermachen“, gestand er seiner Mutter langatmig.

Sie starrte ihn an, nachdem er die Bombe platzen gelassen hat. Ihre Augen waren geweitet und sie hatte ihren Kopf leicht schräg gelegt. „Okay. Ich glaube dein Vater wird davon nicht begeistert sein“.

Ihre Worte hämmerten sich in seinen Kopf. Klar würde er nicht begeistert sein. Er kannte seinen Vater gut genug, um zu wissen, dass er auf hundertachtzig polternd durch die Wohnung fegen würde. Noch nie hatte sich einer seiner Söhne ihm wiedersetzt. Und Joe war der Jüngste. Er war irgendwie noch auf seine Familie angewiesen. Seine Mutter wusch ihm immer die dreckige Wäsche und einmal in der Woche trafen sie sich zum gemeinsamen Mittagessen.

Joe befand sich noch mitten im Abnabelungsprozess. Auch wenn er während der Woche für sich alleine sorgte, wusste er dass er ohne seine Eltern verloren war. Vielleicht nicht verloren, aber er brauchte sie noch an seiner Seite.

„Ich weiß nicht was ich tun soll“, gestand er und biss sich auf die Unterlippe.

Seine Mutter lächelte ihn müde an und fuhr ihm über den Rücken. Sie wusste wie ihr Mann sein konnte. Er war sehr impulsiv, beruhigte sich allerdings recht schnell wieder.

Dennoch würde Joes Studienabbruch für ihn mit einem Vulkanausbruch oder einer anderen Naturkatastrophe gleich aufkommen. Es war unaufhaltsam und würde ein beschreibbares Chaos hinterlassen.

Deswegen kehrte man viele Dinge im Hause Kido einfach unter den Teppich. Selbst wenn dadurch Dellen oder irgendwelche Stolperfallen entstehen würden.

Und Joe wusste das. Er wusste, dass er nicht gegen seinen Vater ankommen würde, ohne einen dritten Weltkrieg innerhalb der vier Wände auszulösen. Er war eben jemand, der sich dem Willen anderer immer beugte.

Deswegen traf er ungern eigene Entscheidungen. Es war eben ein Spiel mit dem Feuer. Und jeder wusste wie heiß Feuer sein konnte und wie leicht man sich die Finger verbrannte. Es war unmöglich eine Entscheidung zu treffen, mit der jeder glücklich sein konnte. Daher entschied er sich, vorerst den Weg der Unglücklichen weiter zu beschreiten.
 


 

08. September 2009. New York, USA. Universitätscampus.
 

Sie saß gerade beim Mittagessen und stocherte in ihrem Salat, als Mimi wütend angestürmt kam.

„Er ist wirklich so ein Idiot!“, fluchte und ließ ihre Tasche geräuschvoll auf den Boden fallen.

Kari legte die Gabel beiseite und konnte sich schon denken, über wen Mimi sprach.

Sie hatte bereits gemerkt, dass die Beziehung der beiden nicht gerade einfach war.

„Was hat Michael nun schon wieder gemacht?“, fragte sie leicht genervt.

Ihren Unterton konnte sie nur schwer vor Mimi verbergen. Sie wusste ja nicht, was heute vorgefallen war.

„Sag mal welche Laus ist dir den über die Leber gelaufen?“

Kari verrollte die Augen und starrte auf ihren Salat. Eigentlich hätte sie im Moment wirklich Lust auf einen fettigen Burger gehabt, aber sie verkniff sich das Frustessen. Es würde ihr Problem sicher nicht verbessern, sondern eher verschlimmern.

„Eine, die bei mir im Ballettkurs ist, meinte ich wäre zu dick“, erzählte sie missmutig.

„WAS? Wer ist die Schlampe?“, blaffte Mimi und zog augenblicklich alle Blicke auf sich. Ihr Mund war mal wieder schneller, als ihr Kopf. „Sorry“, murmelte sie leise, während Kari leicht grinsen musste.

Mimi wirkte auf sie immer selbstsicher – so ein Kommentar hätte ihr sicherlich nichts ausgemacht. Sie hätte bestimmt zum Gegenangriff angesetzt.

„Ist kein großes Ding“, beruhigte Kari sie. „Sie meinte nur meine Oberschenkel wären breiter als der Rest“.

Ihr hätte es doch klar sein müssen, dass der Konkurrenzkampf auf einer Schule wie der Juilliard hart sein würde. Jeder wollte der Beste sein. Auch Emily, die die sie beleidigt hatte.

Wahrscheinlich hatte sie es nur getan, weil ihre Trainerin Mrs Fritzgerald, von Kari heute einfach nur begeistert war.

Sie studieren eine neue Nummer ein und Kari hatte nie irgendwelche Probleme gehabt, sich schwierige Schrittfolgen zu merken, selbst beim Ballett. Emily hatte allerdings einen schwierigen Start. Und Mrs Fritzgerald scheute sich nicht, ihr ins Gesicht zu sagen, was sie von ihrer heutigen Leistung hielt. „Das musst doch wirklich langsam sitzen. Emily entweder du konzentrierst dich jetzt oder du kannst für heute gehen. Nimm dir mal ein Beispiel an Hikari“.

Der letzte Satz hatte ihr wohl den Rest gegeben. Zwar bekam sie die Schrittfolge hin, doch die restliche Stunde strafte sie Kari mit einem vielsagenden Blick. Sie war es wohl nicht gewohnt gewesen, dass jemand besser war als sie. Das waren viele nicht.

In den meisten Fällen, waren sie immer der Star der Schule und sie bekamen für ihr Talent volle Aufmerksamkeit geschenkt, doch hier waren sie nur eine unter vielen, die gut waren. Man fiel eben negativ auf, wenn man etwas nicht so hin bekam wie all die anderen. Mittelmäßig gab es eben nicht.

„Was für ein Abschaum“, zischte Mimi und band ihre Haare zu einem Dutt zusammen. „Ist ja wirklich dreist. Aber wahrscheinlich hat sie voll den fetten Arsch und will davon nur ablenken“.

Kari lächelte und unterdrückte ihr Kichern. Mimi war einfach die beste. Sie wusste einfach wie sie Kari aufheitern konnte. „Isst du deswegen nur einen Salat?“, fragte sie fast schon schlussfolgernd.

Die Brünette nickte nur und schob den Rest beiseite. Ihr hing es langsam wirklich aus den Ohren.

Schon letzte Woche hatte sie sich fast nur von Grünzeug ernährt, da sie das Gefühl hatte mit diesen dürren Klappergestellen mithalten zu müssen. Emily war nicht die einzige, die gerne etwas über das Aussehen anderer Mädchen sagte. Viele machten es sich zum Hobby, über andere zu Tratschen. Wahrscheinlich fühlten sie sich dadurch besser. Es gehörte vielleicht auch einfach zum täglichen Nachmittagsplausch. Etwas, was Hikari nie ganz nachvollziehen konnte.

Es war einfach nicht ihre Art über andere Menschen hinter ihrem Rücken zu lästern. Mimi hingegen hatte sich von den dürren Klappergestellen etwas anstecken lassen, auch wenn ihr Frust sich hauptsächlich gegen Michael richtete.

„Ich hätte wirklich Bock auf Fast Food! Wie wäre es wenn wir uns einen Burger in der Innenstadt holen. Mit Chilifritten“.

„Klingt wirklich unfassbar lecker“, antwortete sie fröhlich und fragte sich langsam, ob Mimi ihre Gedanken lesen konnte. Es war wirklich gruselig, aber auch irgendwie schön, wenigstens eine Freundin zu haben, die das gleiche dachte wie sie.
 


 

Was zur Hölle wollte er eigentlich hier? Gut er brauchte sicherlich einige männliche Freunde, aber er wusste wirklich nicht ob er diese in Michael und seinem Idiotenclub finden würde.

Wallace wurde von Michael persönlich dazu aufgefordert bei ihnen zu Essen – so als wäre es eine ganz förmliche Einladung von der Queen persönlich zum Kaffeekränzchen. So kam es ihm jedenfalls vor. Wahrscheinlich hatte Mimi ihre Finger im Spiel gehabt, nachdem er ihr anvertraut hatte, dass er noch nicht sonderlich viel Anschluss gefunden hatte.

Sie hatte Michael bestimmt dazu überredet ihn zum Essen einzuladen. Und hier saß er nun, gemeinsam mit Peter, seinem Zimmergenossen. Beide fragten sich, was sie dazu geritten hatte.

Nachdem Michael Mimi äußerst unfreundlich weggeschickt hatte, redete er mit seinen Freunden über verschiedene Studentinnen, die er persönlich „mega geil“ fand. Mimi sollte das ganz sicher nicht hören, deswegen hatte er sie auch wegeschickt, als sie sich zu ihnen setzen wollte.

„Also deine Freundin ist wirklich heiß, aber ganz schön kratzbürstig“, kommentierte Michaels Freund Carter und stupste ihn leicht an, nachdem sie angesäuert die Gruppe verließ.

Sie lachten, machten dumme Witze und schauten bei jeder Gelegenheit irgendwelchen Ärschen hinterher.

Wallace wunderte sich allmählich, dass Mimi all das einfach so mitmachte. Bestimmt wusste sie nur ein Teil der Dinge, die er erfahren durfte.

Angeregt und unverblümt plauderte Michael intime Details aus ihrem Sexleben aus und regte sich auf, dass sie nicht immer so wollte wie er. Außerdem hatte er anscheinend Bock auf härtere Sachen, die ihm Mimi allerdings verwehrte. Bei den Schlagworten Fesselspielen und Handschellen schlug Peter Wallace leicht gegen die Schulter und weitete dramatisch seine Augen.

„Alter...was machen wir überhaupt hier?“, flüsterte er ihm zu und versuchte seine aufkommende Schamesröte zu verbergen. Er war noch Jungfrau, was ihm sichtlich peinlich war. Wer war schon gerne auf dem College noch Jungfrau? Nicht das Peter schlecht aussah, aber er war einfach verdammt schüchtern. Die Gespräche der erfahreneren Elite verunsicherten ihn nur. Bei seinem ersten Mal dachte man ganz sicher nicht an irgendwelche fetischen Sexfantasien.

Viele hatten wohl eher Angst im entscheidenden Moment keinen Hoch zu bekommen. Doch selbst Wallace, der alles andere als jungfräulich war, hatte sich über solches Zeug noch nicht mal Gedanken gemacht. Er mochte es eben „normal“.

Erst als sein Name fiel, streckte er auf und sah wieder in die kleine Runde.

„Ja was?“, fragte er und Peter verrollte zeitgleich die Augen. Er hatte die Frage bereits mitbekommen und konnte nicht fassen, wie primitiv manche Leute doch waren.

„Hast du sie schon flachgelegt? Die Kleine, die immer bei dir ist?“, wiederholte Michael und grinste schäbig. Wallace wurde auf einmal kreidebleich und wusste sofort, wen er meinte. „N-Nein. Wie kommst du auf sowas?“

„Die Kleine hat was. Und man sagt ja immer, dass stille Wasser bekanntlich sehr tief sein können“, antwortete er lachend und zwinkerte ihm zu.

„Wir sind nur miteinander befreundet“, klärte er auf, während Peter ihm schon zum zweiten Mal zuflüsterte, dass er jetzt gehen wollte.

„Gut zu wissen“, meinte Michael daraufhin und blickte zu seinem Freund Carter. „Vielleicht guckst du sie dir demnächst mal etwas genauer an. Du stehst doch auf unschuldig, nicht wahr?“

Carter lachte laut und nickte zustimmend. „Vielleicht ist sie ja noch Jungfrau, dann macht es sogar noch mehr Spaß“, posaunte er und fixierte seinen Blick zu Wallace, der förmlich vor Wut kochte.

Wie konnte man nur so über junge Frauen sprechen? Hatten diese Typen keinerlei Respekt vor dem anderen Geschlecht?

„Lass die Finger von ihr! Sie ist nicht der Typ Frau“, pflaumte er ihn an und sprang auf.

„Willst du mir ernsthaft Vorschriften machen, Kleiner? Wenn sie will, dann sage ich sicher nicht nein!“, erklärte ihm Carter mit einem schiefen Grinsen im Gesicht.

„Sie ist anständig und ich lasse nicht zu, dass du sie einfach so ausnutzt“.

„Sie ist doch alle immer so anständig, aber im Bett werden sie zu wilden Tieren, die ihrem animalischen Trieb freien Lauf lassen“. Carter lehnte sich lässig gegen die Wand und funkelte ihn herausfordernd an. Auch Michael zog provokant die Augenbraue in die Höhe, während Wallace seinen Blick zu Peter wandte. „Du hast Recht, wir sollten besser gehen“.
 


 

Nachdem sich Kari beim Mittagessen einen Burger mit Mimi genehmigte und sich nebenher anhören musste, wie scheiße Michael war, ging es ihr mittlerweile wieder richtig gut. Sie strotzte vor Energie. So sehr, dass sie sich abends ganz spontan mit Wallace zum Tanzen verabredetet hatte. Mimi wollte später auch noch nachkommen, falls sie Michael davon überzeugen konnte.

Ein Tanzabend gab es immer zweimal im Monat. Verschiedene Musikrichtungen wurden einfach wild miteinander gekreuzt, um möglichst viele verschiedene Leute anzulocken. Es sollte einfach Spaß machen, um den Unialltag für eine kurze Zeit vergessen zu können.

Das Tanzen hier hatte wenig mit dem Tanzen während des Unterrichts zu tun.

Man konnte man selbst sein. Einfach die Sau rauslassen. Spaß haben.

Doch etwas störte Hikari. Seit sie Wallace erzählt hatte, dass sie ein Kerl namens Carter vorhin angesprochen hatte und ihr ein Kompliment wegen ihres Kleides aussprach, verhielt er sich seltsam. Seine Miene wirkte finster und er zog seine Augenbraunen skeptisch zusammen.

Erst später merkte sie, dass er Carter die ganze Zeit beobachtet hatte, der wiederrum sie die ganze Zeit im Blick hatte.

„Magst du den Kerl nicht?“, fragte sie, bekam aber keine Antwort, sondern nur ein säuerliches Grunzen. Erst als Carter bei ihnen auftauchte, schien sich Wallaces Gesichtsausdruck zu verändern. Wohl eher sich zu verschlimmern. Mittlerweile sah er wirklich so aus als hätte er Blähungen.

„Na wie geht es denn meinem Bier?“, wollte er wissen und stellte sich zu den beiden.

Er hatte Kari auch noch ein Bier ausgegeben, bevor sich Wallaces Laune vollkommen verabschiedet hatte. Er musterte die Bierflasche seltsam und fragte, ob er ihr die Flasche angeboten oder ob sie sich das Bier selbst bestellt hatte. Das Zweite war der Fall gewesen, weshalb sich Wallace Gesicht wieder etwas entspannte.

Kari wusste ja nicht, dass Carter nicht-jugendfreie Absichten auf sie hatte. Er würde ihr bestimmt auch Drogen ins Getränk mischen um sie rumzubekommen. Deshalb durfte Wallace sie auch nicht aus den Augen lassen. Er fühlte sich irgendwie für sie verantwortlich.

Kari lächelte schüchtern, während Carter sie in ein Gespräch vertiefen wollte. Wallace biss sich auf die Unterlippe und überlegte wie er das ganze unterbinden konnte.

Der DJ spielte einen neuen Song ein und Wallace kam die Idee. „Hey der Song ist wirklich klasse, wollen wir tanzen?“, forderte er sie auf und wartete noch nicht mal ihre Antwort ab, als er sie schnurstracks auf die Tanzfläche zog. Irritiert sah sie ihn an, ließ sich jedoch dann von der Musik leiten.

Plötzlich zog Wallace sie näher an sich heran. Sein Mund befand sich neben ihrem Ohr und sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut. Langsam fragte sie sich wirklich was mit ihm los war?

„Lass besser die Finger von dem Kerl. Der ist nicht ganz sauber“, wisperte er ihr ins Ohr und spielte dabei auf Carter an. Perplex starrte sie in Wallace Gesicht, der ihr signalisierte, dass er es ernst meinte. Er wollte ihr nicht sagen, dass er sie nur flachlegen und irgendwelche sexuellen Fantasien mit ihr ausleben wollte. Wallace hatte das Gefühl, dass sie dadurch zerbrechen könnte, wie eine dieser filigranen teuren Porzellanpüppchen, die seine Mutter schon seit Jahren sammelte.

Er konnte ja nicht ahnen, dass das Zerbrechen für Hikari unvermeidlich war.
 

Fortsetzung folgt...

Veränderungsprozesse.


 

I wanna scream and I know why.

Quiet, Here We Go Again. Demi Lovato, 2009.
 


 

09. September 2009. Odaiba, Japan. Chichi’s kleines Café und Bistro.
 

Es war neun Uhr. Ihre typische Arbeitszeit. Sora trug eine schwarze lange Hose und ein schwarzes T-Shirt mit ihrem Namen, die sie von der Besitzerin gestellt bekommen hatte.

Sie arbeitete schon ein paar Monate in dem kleinen Café und immer wieder bekam sie mit, wie unzufrieden Frau Minazuki mit ihren Kollegen war.

Die Hälfte von ihnen hatte sie bereits entlassen und fast jede Woche schleppten sich neue Gesichter zu der nächsten Schicht. Die meisten wollten schnell Geld verdienen und kaum etwas arbeiten.

Etwas was Frau Minazuki gar nicht gerne sah. Sie war bereits 62 Jahre alt und zu einer ganz anderen Zeit wie ihre Mitarbeiter aufgewachsen. Sie kannte die Welt von Smartphones und mobilem Internet gar nicht. Deswegen wurde sie meist fuchsteufelswild, wenn einer ihrer Schützlinge mit dem Handy herumspielte. Einer hatte sie sogar das Telefon aus der Hand gerissen und wollte es am liebsten in den Abfall-Zerkleinerer werfen. Zu Schade das, dass Mobiltelefon eindeutig zu groß dafür war.

Heute würde Sora schon wieder ein neues Gesicht begrüßen dürfen, dass in ihrer ohnehin schon wechselnden Mannschaft, zur Probe arbeiten durfte.

Frau Minazuki war von ihr sehr begeistert gewesen. Wahrscheinlich hatte sie ihr sogar schon zugesagt. Sie ließ sich leicht um den Finger wickeln und hinterher ärgerte sie sich, über die Faulheit, die die meisten während des Bewerbungsgesprächs gut verstecken konnten.

Sora verstand sie einfach nicht. Anstatt erstmal einen Probetag auszumachen, schlug sie immer gleich direkt zu. Kein Wunder, dass sie immer solche Schnarchnasen an Land zog.

Sie musste sogar eine Woche bei ihr kostenlos arbeiten, bevor sie sich für Sora entschied. Wahrscheinlich wurde sie wirklich allmählich senil.

„Sora kommst du mal bitte her?“, hörte sie sie rufen. Sie sollte wohlmöglich schon wieder die Neue einarbeiten.

Und täglich grüßt das Murmeltier, was?

Sie wusste jetzt schon, dass es in einer mittleren Katastrophe enden würde. Die meisten arbeiteten, um sich ein zusätzliches Taschengeld zu verdienen – sie musste es also nicht tun. Deswegen machten sie sich auch nur den geringsten Aufwand. Der Rest der Arbeit blieb selbstverständlich wieder an Sora hängen. Bei der Neuen würde es sicher nicht anders sein.

„Was gibt’s denn?“, fragte sie höflich und sah ein sehr bekanntes Gesicht sie anstrahlen.

„Yolei? Was machst du denn hier?“

Sie trug die gleiche Arbeitskleidung wie sie und hatte ihre langen Haare zu einem Zopf gebunden. Yolei war also ihre neue Kollegin. Na das konnte ja sicher witzig werden.

„Ich arbeitete hier. Heute ist mein erster Tag. Ich wusste gar nicht, dass du auch hier arbeitetest. Ken geht hier immer Mittagessen und hat mir nie von dir erzählt. Man das ist ja mal eine tolle Überraschung“, plauderte sie munter wie ein Wasserfall. Sora hatte ganz vergessen, dass sie äußerst gesprächig war. Mit ihr zu arbeiten würde sicher einer Herausforderung werden, denn Sora mochte es eigentlich immer ruhig.

„Ich arbeitete schon seit ein paar Monaten hier“, gab sie zu und strich sich die linke Haarpartie hinter ihr Ohr. „Das wundert mich aber, ich bin eigentlich immer hier. Außer von halb zwölf bis eins“.

Yolei nickte aufmerksam, so als würde sie jedem einzelnen Wort ihres Gespräches folgen.

„Ich glaube er war immer um zwölf da und ist nie länger wie eins geblieben.“

„Das erklärt schon mal warum er mich nie gesehen hat“, lachte die Rothaarige und merkte plötzlich, dass Frau Minazuki beide ungeduldig anstarrte.

„Schön. Ihr kennt euch also. Trotzdem seid ihr zum Arbeiten hier!“, sagte sie mit einem strengen Unterton. „Sora, dass Mittagsmenü muss noch draußen hingeschrieben werden und jemand muss die Toiletten nochmal wischen. Das ist ja eine Zumutung für unsere Gäste“.

Wohl eher eine Zumutung, für denjenigen der sie putzen musste.

„Du zeigst jetzt erstmal Yolei, wo alles ist und dann könnt ihr euch von mir aus, darum kloppen, wer das Klo putzt. Hauptsache es ist sauber“, mahnte sie die beiden jungen Frauen und ging zur Tür. „Ich gehe jetzt einkaufen. Solange hast du hier das Sagen“, drehte sie sich zu dem älteren Herrn um, der sich gerade die Schürze umlegte.

Er hieß Herr Chiba und war der Koch und ein alter Freund von Frau Minazuki.

Er nickte nur knapp, knotete die Schürze am Rücken zu und verschwand wortlos in die Küche. Er redete nicht viel. Er war ein stiller Zeitgenosse. Lag vielleicht auch daran, dass er im Krieg war, aber keiner traute sich ihn darauf anzusprechen. Man hatte eine Art Ehrfurcht vor ihm aufgebaut. Meist befand er sich eh nur in der Küche, aber trotzdem hatte man das Gefühl, dass er seine Augen überall hatte.

Sora hatte glaubte wirklich, dass er in seinem Hinterkopf ein zweites Paar Augen versteckte.

„Und wie geht es dir?“, fragte Yolei interessiert und riss sie aus ihren Gedankengängen.

„Ganz gut und dir?“

„Hey du brauchst mir doch nichts vorzumachen“, sagte sie und legte einen mitleidigen Blick auf.

„Wie bitte?“ Sora sah sie irritiert an und schüttelte leicht ihren Kopf. Ihr ging es doch gut, was machte sie ihr schon groß vor?

„Am Wochenende war Tai mit Matt und Izzy bei uns. Sie haben uns beim Renovieren geholfen. Und Tai hat erzählt, dass ihr Schluss gemacht habt. Das tut mir wirklich wahnsinnig Leid“, japste sie und zog Sora in eine Umarmung. Sie erwiderte sie leicht, zog aber dennoch ihre Stirn in Falten.

Es war doch alles in Ordnung. Beide wollten die Trennung.

Sie brauchten einfach noch ein wenig Zeit, um das Ganze zu verarbeiten. Obwohl Taichi anscheinend mit dem Verarbeiten schneller war als sie. Sora hatte noch nicht mal ihrer Mutter etwas von der Trennung erzählt und er posaunte es regelrecht durch ihren alten Freundeskreis.

Sora befreite sich aus der Umarmung und lächelte Yolei an. „Es geht mir wirklich gut. Wir beide wollten es so. Ich bin also überhaupt nicht traurig“.

Naja. Das war wohl eher eine Lüge gewesen. Natürlich war sie traurig, immerhin waren sie über drei Jahre ein Paar gewesen und das vergass man ja nicht so leicht. Aber sie war nicht traurig in dem Sinn, dass sie Zentnerweise Schokolade und traurige Lieder hören musste. Sie hatte noch nicht mal richtig geweint. Es war okay.

„Aber wenn du jemanden zum Reden brauchst, dann sag mir bitte Bescheid“, bot ihr Yolei mit großen Augen an.

Wenn sie genauer darüber nachdachte, waren sie noch die einzigen beiden weiblichen Wesen, die in ihrer Gruppe übrig geblieben waren.

Sowohl Mimi als auch Hikari waren in die USA gegangen. Eigentlich hatte sie ja wirklich nur noch einander. Yolei vermisste Kari bestimmt genauso, wie Sora anfangs Mimi vermisst hatte. Es war einfach scheiße, die beste Freundin nicht mehr hier zu haben. Und Amerika veränderte die Menschen. Sora war klar, dass auch Kari, das Ganze nicht erspart blieb. Das war eben so, wenn man ein anderes Land besuchte. Man passte sich an, um auch ja dazuzugehören. So war es bei Mimi gewesen und so wird es auch bei Hikari sein.

Bei dem ganzen Gedankenwirrwarr hatte Sora gar nicht bemerkt, dass Yolei weitergesprochen hatte und auf eine Antwort von ihr wartete.

„Was?“, fragt sie mit einem aufgeweckten Blick.

Yolei kicherte leise.

„Ich habe dich gefragt, ob du zu unserer Einweihungsparty kommen willst? Dann wäre ich nicht mehr so alleine“.

Einweihungsparty? Ach ja da war ja noch was. Matt hatte es ihr nebenbei mal erzählt. Yolei würde mit den Jungs zusammenziehen. Sie stöhnte leicht auf. Deswegen waren Tai und die anderen auch zum Renovieren gekommen.

„Ich sollte wirklich besser aufpassen“, tadelte sie sich selbst, bevor sie Yolei eine Antwort gab.

„Klar warum nicht. Wird sicher lustig“. Die Jüngere grinste zufrieden und sah zu dem Mopp, der in der Ecke stand. „Klasse, dass freut mich. Und wer von uns putzt jetzt das Klo?“
 


 

10. September 2009. New York, USA. Großer Tanzsaal.
 

Am liebsten wollte sie schreien. Heute klappte auch wirklich gar nichts. Anfang der Woche wurde sie noch gelobt und jetzt befand sie sich wieder auf dem Boden der Tatsachen. Und er war wirklich sehr hart.

Nun wusste sie, wie sich Emily gefühlt hatte. Jetzt war sie die vorübergehend Talentlose, die einfach nichts auf die Reihe bekam. Ihre Trainerin bewegte ihren Fuß im Takt, während Hikari und ihre Kommilitonen in der Mitte des Raumes tanzten. Ihr Blick war auf sie gerichtet und wieder schüttelte sie nur genervt den Kopf.

Freestyle war einfach nicht ihr Ding, aber trotzdem musste sie es können.

„Nein, nein, nein. Hikari deine Arme sind viel zu steif. Du musst sie locker machen“, blaffte sie die Brünette an und stellte sich direkt vor sie. „Nochmal von vorn“.

Kari schluckte hart, als sie sich wieder aufstellten. Ausgerechnet heute fiel sie negativ auf.

Emily, die ebenfalls in dem Kurs war, grinste sie verschwörerisch an. Sie hatte mit der heutigen Aufgabe keinerlei Probleme, da sie schon oft improvisierte Nummern auf dem Campus darbot.

Sie war locker – im Gegensatz zu Hikari, die sich darauf konzentrierte ihre Arme nicht anzuspannen.

Wieder und wieder setzte die Musik ein, doch ungefähr bei der Hälfte des Stücks wurde sie abgebrochen.

„Hikari jetzt streng dich mal ein bisschen an. So schwer ist das wirklich nicht!“

Sie nickte nur schwach und versuchte den Kloß, der sich in ihrem Hals bildete zu ignorieren, was ihr von Einsatz zu Einsatz immer schwerer fiel.

Sie hoffte wirklich, dass die Stunde bald vorbei sein würde. Länger hielt sie das ganze wirklich nicht mehr aus. Sie war den Tränen nahe.

Doch vor all den Leuten würde sie ganz sicher nicht weinen wollen. „Okay von Anfang an“, polterte ihre Trainerin und wartete bis jeder die Position eingenommen hatte, bevor sie die Musik andrückte. Sie stellte sich wieder auf ihren alten Platz, genau vor Hikari, die versuchte ihre Arme lockerer werden zu lassen.

„Hikari! Arme!“, brüllte sie wieder gegen die Musik, bis sie diesmal noch jemand anderen fand, den sie korrigieren musste.

Sie strengte sich wirklich an, doch heute sollte es einfach nicht sein. „Hikari!“, hörte sie wieder ihren Namen und zuckte augenblicklich zusammen, was einen erneuten Abbruch zur Folge hatte. „Emily kannst du Hikari nochmal zeigen, wie es geht?“

Sie nickte nur und ging triumphierend an ihr vorbei. Sie tanzte vor allen vor, während Kari ihr müde zuschaute. Sie versuchte es doch. Da konnte ihr Emily so viel vortanzten wie sie wollte. Sie bekam es eben nicht hin. Jedenfalls nicht heute.
 


 

„Man Mimi stell dich nicht so an“, blaffte er sie an, während er sie ruppig packte und gegen ihre Zimmerwand drückte. Er küsste ihren Hals und wollte gerade ihren Slip ausziehen, als sie ihn sanft von sich stieß.

„Ich will nicht. Nicht so“, gestand sie ihm und setzte sich auf ihr Bett. Michael grunzte und verrollte die Augen, während er sich geräuschvoll auf ihrem Schreibtischstuhl niederließ. Er fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht und versuchte wieder etwas runter zu kommen.

„Ich habe aber keinen Bock auf den Blümchensex, auf den du so stehst“. Er sah sie dringlich an, so als wolle er ihre Gedanken steuern, um sie doch noch davon zu überzeugen. „Ich mag es halt wild“.

„Ich aber nicht“, giftete sie ihn an und krallte ihre Fingernägel in ihre Bettwäsche.

„Du solltest wirklich mal lockerer werden. Andere Mädels sind offener“, warf er ihr vor.

„Woher willst du das den wissen?“, knurrte sie und wollte ihm am liebsten eine Reinhauen.

So etwas zu behaupten tat ihr nicht nur weh, sondern machte ihr auch Angst. Sie hatte Angst ihn an eine andere zu verlieren, die alles mit sich machen ließ. Inklusive sich auf dem Schreibtisch vögeln zu lassen.

Das hatte er schon mehr als einmal bei ihr versucht gehabt. Doch sie wollte nicht. Sie wollte Romantik und dass er auch mehr auf ihre Wünsche eingehen sollte.

Allerdings interessierte es ihn reichlich wenig. Wenn sie Sex hatten, war er immer derjenige, der sich volle Befriedigung beschaffte und sie einfach danach teilnahmslos auf dem Bett liegen ließ.

„Du weiß nicht was Carter alles schon mit den Mädels hier erlebt hat. Einmal hatte er sogar einen flotten Dreier mit zwei Freundinnen!“

Mimi verzog das Gesicht. „Carter kann viel erzählen wenn der Tag lang ist. Außerdem ist er ein Idiot!“

„Und du bist voll bieder und altbacken“, warf er ihr an den Kopf und stand auf.

„Wie bitte? Du Arschloch!“, brüllte sie ihn an und warf ein Kissen nach ihm, wodurch er nur zu Lachen anfing.

„Hau ab!“, zischte sie und deutete zur Tür.

Michael lachte immer noch und ging an ihr vorbei. „Ich weiß doch, dass du ohne mich nicht kannst“, waren seine letzten Worte an sie, als er aus dem Zimmer trat.

Wütend ließ sie sich mit dem Rücken auf die harte Matratze fallen und einzelne Tränen liefen ihr über die Wangen. Wie konnte er sie nur so behandeln? Liebte er sie überhaupt noch? Sicher war sie sich da nicht mehr gewesen.

Plötzlich klopfte es an ihre Zimmertür. Sie presste ein Kissen gegen ihren Brustkorb und atmete tief ein. Es konnte wohl nur Michael sein, der irgendetwas vergessen hatte. „Hau ab!“, fauchte sie und versuchte nicht gleich wieder in Tränen auszubrechen.

Erst als sie ein zartes Wimmern vernahm, wusste sie, dass es wohl kaum Michael sein konnte. Auf einmal meldete sich Kari mit gebrochener Stimme. „Mimi, ich bin’s. Lässt du mich bitte rein?“

Die Brünette sprang auf, fuhr sich mit ihrem Arm über ihr Gesicht, checkte kurz im Spiegel, ob etwas verschmiert war und öffnete danach die Tür.

Mit einem verheulten Gesicht stand Hikari vor ihr, fast wie ein Häufchen Elend.

„Was ist passiert?“, fragte sie und vergaß für einen kurzen Moment Michael und sein Arschlochgetue.

„Meine Trainerin hat mich gebeten früher zu gehen, weil ich die Schritte nicht hinbekommen habe!“

„Was? Nur dich oder was? Das ist voll die Schikane!“, meinte sie aufbrausend und ließ sie in ihr Zimmer.

„Jetzt weiß ich, was es heißt nicht gut zu sein“. Sie setzte sich schwerfällig auf ihr Bett und ließ den Kopf hängen. Kari war mit den Nerven vollkommen am Ende, dabei war es nur ein einziges Mal passiert. Was wäre wenn es öfters passieren würde?

Fühlte sie sich dann immer so schrecklich oder würde sie irgendwann daran wachsen?

Sie wusste es nicht. Alles was sie wusste, war das sie sich am lieben irgendwo verkriechen wollte. Am liebsten für immer.

„Hey, beruhig dich doch“, meinte Mimi sanft, setzte sich neben sie und strich ihr über den Rücken.

„Das ist mir auch in den ersten paar Wochen passiert. Nur bei mir hat es wesentlich länger gedauert, bis mich jemand gelobt hatte. Du wurdest es bereits!“, erläuterte sie ausführlich und spielte auf den Anfang der Woche an.

Kari schniefte kurz und sah sie an. „Ich weiß nicht. Im Moment fühlt es sich so an, als wäre es nichts wert gewesen“.

„Das ist vollkommen normal. Die Lehrer sind hier sehr streng und manche auch sehr verbittert. Du wirst nicht die einzige bleiben, die sie bittet zu gehen“, versprach sie ihr zuversichtlich.

Sie hatte auch nichts anderes erlebt. In einer Woche schmiss ihr Schauspielcoach, die halbe Klasse raus, nur weil sie sich etwas versprochen hatten.

Er brüllte herum, sein Kopf wurde knallrot und die Ader an seinem Hals schwoll an. Auch Mimi musste die Bühne verlassen, nachdem sie ein Wort vergessen hatte. Er war wirklich kleinlich. Hätten sie Zuschauer gehabt, hätte es niemand bemerkt, da ja nur sie die Texte konnten. Doch ihr Coach flippte vollkommen aus.

Künstler waren wohl ebenso.

Dramatisch und vollkommen unberechenbar. Auch Mimi hatte manchmal ihre Momente. Bei Michael könnte sie wirklich regelmäßig ausflippen, doch das kostete sie nur wertvolle Energie. Und jetzt musste sie für Hikari da sein.
 


 

19. September 2009. Odaiba, Japan. Einweihungsparty.
 

„Hast du auch wirklich genug gemacht?“, fragte TK skeptisch und betrachtete die Sandwiches die Davis für zehn Leute vorbereitet hatte.

„Klar, für jeden zwei, außerdem haben wir noch alle Zutaten in der Küche“.

„Mein Bruder isst ja schon mindestens vier. Sag mal ist das Brot geschrumpft oder was hast du damit gemacht?“

Takeru nahm sich eine Sandwichseite und schnupperte daran. Davis hatte sogar fein säuberlich die Brotrinde abgeschnitten.

„Kann ich mal probieren?“

„Sicher und wenn du willst kann ich noch ein paar mehr machen“, erklärte sich der Igelkopf bereit.

TK biss ab und schmeckte Tomaten, Majonäse, Gurke, Käse und verschiedene Wurstsorten. Er schluckte und Davis begutachtete sein Gesicht kritisch. „Und? Sind sie mir gut gelungen?“

Diese Frage stellte er bei jedem Essen, dass er für jemanden kochte.

„Ist wirklich lecker“, schmatzte der Blonde und hob den Daumen. „Mach trotzdem ein paar mehr, Tai und mein Bruder werden sich sicher nicht mit Zwei zufrieden geben“.

Davis verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Eigentlich hätte er es doch wissen müssen.

Jetzt stand er schon den lieben langen Tag in der Küche und trotzdem war es noch nicht genug. In nächster Zeit würden sie sicher keine Party mehr geben. Es war definitiv mit zu viel Aufwand verbunden.

Eigentlich wollten sie ja nur Izzy, Tai und Matt einladen, die ihnen auch beim Umzug geholfen hatten. Die Sauerei auf Boden, Wänden und Fenstern zu beseitigen hatte doch länger gedauert, als sie gedacht hatten. Sie brauchten insgesamt zwei Tage und sieben verschiedene Spezialreiniger, um den Schaden einigermaßen gering zu halten. Zwar befanden sich an der Fensterfront immer noch einige größere Farbspritzer, aber sie konnten es gut mit einem Sideboard und einigen Deko-Materialien verdecken.

Davis war sich jedenfalls sicher, dass er nie wieder mit Yolei etwas streichen wollte.

Yolei.

Sie war auch Schuld daran, dass die Gästeliste förmlich explodierte.

Nachdem sie herausgefunden hatte, dass sie und Sora Arbeitskolleginnen waren, musste der Wirbelwind natürlich sie auch zur Einweihungsparty einladen.

Ohne Rücksicht auf Verluste. Ohne Rücksicht auf Tai. Er wusste noch nicht mal, dass seine Ex-Freundin auch kommen würde.

Yolei hatte Sora hingegen erzählt, dass es für Tai vollkommen in Ordnung war. Sie gehörte ja immer noch zur Gruppe.

„Ich möchte nicht das einzige Mädchen sein! Das ist voll scheiße, Davis!“ Das war ihre Antwort gewesen, warum sie sich so dahinter klemmte. Natürlich verstanden die Jungs sie auch in gewisser Weise.

Sora war die einzige, nicht männliche Person, die von der Gruppe übrig geblieben war.

Da sich jetzt auch noch Kari in den USA befand, fühlte sich Yolei sehr allein. Schließlich war sie jahrelang ihre beste Freundin gewesen. Was hieß gewesen. Sie war es immer noch.

Auch wenn Yolei, Karis Verhalten gegenüber Davis nicht unbedingt gut fand. Trotzdem vermisste sie ihre brünette Freundin. Sora war sozusagen der Ersatz, für zu viel Testosteron.

Nachdem Yolei einfach Sora eingeladen hatte, bekam TK ein schlechtes Gewissen gegenüber Cody, der ja Jahre lang sein Nachbar war. Dieses schlechte Gewissen konnte er relativ leicht auf Yolei übertragen, da sie ja ebenfalls lange Zeit Tür an Tür wohnten.

Cody hatten sie mit den Jahren wirklich vernachlässigt. Er war immer der Jüngste gewesen, der sich nur für Kendo zu interessieren schien. Er war auch der Einzige, der immer noch zu Schule ging und noch zu Hause lebte.

Er hatte eigentlich zu keinem sonderlich viel Kontakt mehr, was TK besonders Schade fand, da er Cody mal sehr nah stand. Für ihn war er sozusagen, der kleine Bruder, den der Dank der Scheidung seiner Eltern nie haben durfte.

Nur Ken hatte „regelmäßigen“ Kontakt zu ihm, auch wenn er strenggenommen dafür bezahlt wurde.

Er gab ihm Mathenachhilfe. Schon seit zwei Jahren. Oft hatte der Schwarzhaarige erzählt, wie sehr Cody seine alten Freunde vermisste. Wahrscheinlich vermisste er die guten alten Zeiten der Abenteuer. Doch wenn man erwachsen wurde, änderten sich auch die Prioritäten. Jeder lebte sein eigenes Leben. Das würde auch in der WG bald so sein. Ken ging als einziger arbeiten und hatte einen streng geregelten Arbeitsablauf, den er sich mit Vorlesungen in Kriminologie zusätzlich befüllte.

Davis, TK und Yolei hingegen hatten sich an einen Stundenplan halten, den sie noch selbst zusammenstellen mussten. Bei den Älteren waren ebenfalls so gewesen.

Tai und der Rest sahen sich höchstens einmal in der Woche und gingen manchmal gemeinsam etwas essen. Joe war ab und an auch mal dabei gewesen.

Deswegen konnten sie auch nicht sagen, dass sie den Medizinstudenten nicht einladen würden. Er war auch ein Teil der Gruppe, auch wenn ihn das Studium sehr auslastete.

Matt hatte sogar einmal mitbekommen, wie unglücklich er damit war. Doch er wollte sich nicht einmischen, da er mit Joe kaum etwas zu tun hatte. Nur Izzy sah ihn regelmäßig, wenn er nicht auch gerade mit lernen beschäftigt war.

Der Rest von ihnen ging vor ein paar Monaten noch in die Oberschule und hatte mit dem ganzen Studi-Stress absolut nichts am Hut.

Der einzige Tag an dem sie sich alle, wirklich alle, trafen war der erste August. Jedenfalls war es immer so gewesen. Dieses Jahr fiel der Tag wegen mangelnder Organisation ins Wasser. Wahrscheinlich lag es auch dran, dass Kari erst vor kurzem nach Amerika gegangen war. Es fühlte sich beinahe so an, als würde die Gruppe sich in mehrere Lager spalten. Cody, Sora und Joe waren in dieser Spaltung eben die Außenseiter.
 


 

Sie lief hektisch durch die Wohnung, holte Becher, kalte Getränke, Häppchen. Als Gastgeberin hatte sich Yolei den Abend wohl etwas anders vorgestellt. Sie rannte die ganze Zeit von Punkt A zu Punkt B und wieder zurück. Egal was sie auch tat, an allen Ecken schien sich schon wieder etwas zu fehlen. Mal war es die Cola, die bereits leer war. Mal war es einfach ein Becher, der fehlte.

Langsam wurde sie es wirklich leid. Warum gab nur sie sich solche Mühe? Ihre Mitbewohner saßen bei den Gästen, tranken, aßen und hatten Spaß, während sie sich einen abquälte.

Nur Davis ging ab und zu mal in die Küche, um neue Sandwiches vorzubereiten. Yolei versuchte irgendwie jedem gerecht zu werden.

Vollkommen banal, wenn man sich wieder ins Gedächtnis rief, dass es sich eigentlich um eine Party handeln sollte. Jeder sollte einen Moment der Freude erleben.

Und so hörte Yolei auf, wie ein wildgewordener Flummi durch die Wohnung zu springen. Sie setzte sich laut stöhnend neben Ken aufs Sofa, der sie besorgt anschaute.

„Alles klar bei dir?“

„Ich brauche nur mal eine Pause. Ich bin ja nicht euer Dienstmädchen“, knurrte sie eingeschnappt und verschränkte die Arme vor der Brust.

Ken lachte und grinste schief. „Keiner hat von dir verlangt, allen hinterher zu räumen und ihnen in den Arsch zu kriechen“, meinte er locker und nippte an seinem Becher. „Die sind alt genug. Die wissen schon, wo die Sachen stehen“.

Yolei verrollte die Augen und schnaubte. „Ich sollte nicht so verbissen sein“, gestand sie sich ein.

„Korrekt!“

„Gut, dann kannst du mir auch was zu trinken holen, oder?“ Es war eigentlich keine Frage gewesen. Viel mehr war es eine Anforderung. Das merkte er an ihrem Unterton.

Yolei war schlichtweg genervt. Erst die Sache mit dem Farbdesaster und dann befanden sich zehn Leute in einer Wohnung, die für vier bereits recht eng war. Und an das sauber machen wollten sie erst gar nicht denken.

„Wäre ein Cola-Bier in Ordnung?“

Yolei lächelte nickend und Ken stand ohne weitere Worte auf.

Er hoffte, dass seine Nettigkeiten sie etwas milde stimmen würden – auch was das Aufräumen morgen anbetraf.

Mit Davis und TK konnte man morgen wohl nur noch den Boden wischen. Beide waren eindeutig schon sehr angetrunken und tänzelnd fröhlich durch die Wohnung. Ken fragte sich, wie Davis es immer noch schaffte sich beim Sandwich machen nicht in den Finger zu schneiden. Wahrscheinlich war es einfach Dummenglück, dass Davis nach all den Jahren immer noch beistand.

Ken fragte sich sowieso, warum beide Matt darum gebeten hatten, auch härtere Sachen zur Party mitzubringen.

Klar, die Älteren durften trinken was sie wollten, aber sie waren alle gerade mal achtzehn. Cody sogar erst sechszehn. Aber anscheinend wollten sie heute mal richtig die Sau rauslassen. Der Schwarzhaarige hatte jedoch eine andere Vermutung.

Auch wenn es beide nicht zugeben würden, aber jeder wusste, dass Kari ihnen das Herz gebrochen hatte. TK eher unbewusst.

Aber trotzdem befanden sich alle hier. Alle außer Kari und Mimi.

Besonders TK kam noch nicht gut damit zurecht, seine beste Freundin nur noch über E-Mail kontaktieren zu können – auch wenn laut seinen eigenen Aussagen, ihm die Trennung von ihr recht gut tat. Vielleicht schaffte er es ja wirklich und entliebte sich, bevor sie wieder zurückkam.

Davis hingegen befand sich in einem großen Zwiespalt. Er vermisste sie ebenfalls, auch wenn er immer das Gegenteil behauptete. Aber dennoch saß der Schmerz sehr tief. Auch wenn es schon ein Jahr her war. Davis hatte sich nie so recht davon erholt. Deswegen hatte er bisher auch noch eine neue Beziehung gehabt, auch wenn einige Mädchen für ihr schwärmten. Er wirkte manchmal richtig verbittert, was sie Sache mit Kari anbelangte.

Und heute war ein Tag, wo sich alle alten Freunde zusammen fanden. Dass man die vermisste, die nicht anwesend waren, war doch klar. Mimi wurde schließlich auch irgendwie vermisst, auch wenn man ihren Namen nicht erwähnte.

Es war immer noch eine andere Situation, wenn wirklich alle zusammen waren. Nur zu zwölft fühlten sie sich wirklich komplett.

Ken kehrte zu seinem Platz zurück und reichte Yolei das Cola-Bier weiter. Inzwischen hatte sie ein Gespräch mit Cody angefangen, der ihr erzählte, wie langweilig es ohne sie doch in ihrem Wohnblock sei. Er vermisste sie wirklich. Mehr als er je zugeben würde.

„Schade, dass wir uns so selten sehen“, meinte der Jüngste und quälte sich zu einem Lächeln.

„Bald habt ihr doch die Uni-Besichtigung, oder? Wenn du willst, kann ich dich und ein paar deiner Freunde rumführen“, schlug sie euphorisch vor und bitzelte das Etikett der Flasche an der Seite ab.

Cody nickte bestärkt, wusste jedoch gleichzeitig, dass es nur Gerede war. Außerdem war der Termin erst in ein paar Monaten. Wahrscheinlich hatte Yolei bis dahin eh keine Zeit mehr für ihn und würde sich lieber mit ihren neuen Kommilitonen treffen, die sie bald kennen lernen würde.

So war eben der Lauf des Lebens. Man lernte neue Leute kennen. Die Alten rückten demnach irgendwann in den Hintergrund.
 


 

Matt hatte sich auf den Balkon verzogen, als plötzlich sein jüngerer Bruder angeschlichen kam.

„Kann ich auch eine haben?“, fragte er und deutete auf die Zigarette, die sich Matt gerade angesteckt hatte.

„Seit wann rauchst du denn?“, wollte er wissen und warf Takeru einen skeptischen Blick zu.

Dieser verrollte nur die Augen und trat auf den Balkon, der direkt an Davis‘ Zimmer angrenzte. Sicher würde er sich beschweren, wenn seine ganzen Möbel nach Rauch stanken. Selbst schuld, wenn man unbedingt auf das Zimmer mit Balkon bestand.

„Gibst du mir jetzt eine oder willst du mir alle Gefahren des Rauchens aufzählen?“

Matt hielt ihm die Schachtel hin und sah wie sich TK eine herausnahm und sich zwischen die Zähne steckte.

„Feuer?“

Er holte das Feuerzeug aus seiner Hosentasche und steckte seinem kleinen Bruder eine Kippe an.

Wenn seine Mutter das sehen würde, hätte sie ihm schon längst beide Arme abgehakt.

Sie fand sowieso schon, dass Matt nicht das beste Vorbild für ihn war und jetzt standen beide auf dem Balkon und rauchten zusammen.

Es war wirklich kurios. Doch an seinem Blick sah er, dass etwas nicht stimmte. Takeru wirkte traurig.

„Stimmt was nicht?“

Er nahm die Zigarette zwischen zwei Finger und blies den Rauch aus seiner Lunge. Er hatte noch nicht oft geraucht, aber er wusste wie man es richtig machte. Wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit bis er abhängig war.

An Matt sah er ja schon, dass er kaum ohne ein Päckchen auskam, ohne einen halben Nervenzusammenbruch zu zelebrieren. Soweit würde es bei ihm hoffentlich nicht kommen.

„Bei mir ist alles gut“. Er kniff die Augen zusammen und seine Unterlippe zitterte leicht. Alles unter den strengen Augen seines Bruders, der alles andere als überzeugt aussah. Er zog die Augenbraue nach oben und starrte ihn förmlich nieder.

„Wirklich! Es ist alles okay“, versicherte er und zog wieder an der Zigarette.

„Du weißt, dass ich merke wenn du lügst. Also was ist los? Ist es wegen Kari?“

Bei ihrem Namen zuckte er leicht zusammen. Besonders wenn sein eigener Bruder ihn in den Mund nahm. Matt wusste nichts von ihrer Schwärmerei für ihn.

Insgeheim hatte er immer gehofft, dass Kari und TK irgendwann mal ein Paar werden würden. Er erinnerte sich noch gut an den Tag, als ihm der fast 16-Jährige Takeru erzählte, dass er sich in seine beste Freundin verliebt hatte. Er hatte ihn damals um Rat gebeten. TK wollte ihr seine Gefühle gestehen, wusste jedoch nicht wie.

Matt gab ihm damals, den Rat etwas für sie zu kochen und vielleicht einige DVDs zu schauen.

Einen gemütlichen Abend. Die perfekte Atmosphäre, jemanden seine Liebe zu gestehen. Jedenfalls dachte es Matt zu diesem Zeitpunkt. Er konnte ja nicht wissen, dass sich am Horizont dunkele Wolken zusammenzogen.

Der Abend endete im Nachhinein in einer Katastrophe. Und die angebrannte Lasagne war sicherlich nicht Schuld an dem ganzen Schlamassel.

Karis plötzlicher Sinneswandel war etwas mit dem TK nicht gerechnet hatte und was ihm fast das Herz brach.

An dem Abend, an dem er ihr eigentlich seine Gefühle gestehen wollte, verkündete sie ihm, dass sie mit Davis schon ein paar Mal ausgegangen sei. Sogar geküsst hatten sie sich schon.

Er verstand die Welt nicht mehr. Kari war nie ernsthaft an Davis interessiert gewesen. Sie benutzte Takeru sogar manchmal dazu, IHN eifersüchtig zu machen.

Erst nachdem sie mit Davis wieder Schluss gemacht hatte, zeigten sich ihre wahren Beweggründe. Und diese Tatsache brach wirklich sein Herz.

„Mein Leben dreht sich nicht nur um Kari!“, antwortete er schnippisch und schaute in den Sternenhimmel. Wieder zog er an der Zigarette.

Matt hatte seine bereits ausgedrückt und musterte nachdenklich seinen jüngeren Bruder.

„Es ist okay, sie zu vermissen“, meinte er bevor er wieder zurück in Davis’ Zimmer trat.

Er kannte ihn gut genug. Takeru wollte im Moment nicht mit ihm reden. Deswegen wollte er ihn auch nicht dazu zwingen. Wahrscheinlich würde er früher oder später von selbst zu ihm kommen.

Es war nur eine Frage der Zeit.

Takeru hingegen hatte erst gar nicht gemerkt, dass Matt sich wieder zu den anderen gesellt hatte. Gedankenverloren starrte er immer noch in den Sternenhimmel und zog an seiner Zigarette.

Was gefiel Kari nur so an Matt? Lag es daran, dass er in einer Band spielte? War das, dass einzige?

Oder war es seine blonden langen Haare und die blauen Augen, die sie zufälliger Weise auch noch miteinander teilten? Wieso liebte sie Matt und nicht ihn? Was hatte er, was Takeru nicht hatte?

Er presste die Lippen aufeinander, drückte die Zigarette aus und versuchte den aufkommenden Schmerz, den er spürte, wenn er an Kari dachte, zu ignorieren. Sie war so weit weg und trotzdem spuckte sie ihm nach wie vor im Kopf herum. Er wollte sie einfach nur vergessen. Nur für einen kurzen Moment.
 


 

„Und sie sind wirklich getrennt?“ Joe kratzte sich leicht am Hinterkopf und beobachtete Tai und Sora, die sich locker miteinander zu unterhalten schienen.

„Sie meinten, sie hätten sich in Freundschaft voneinander getrennt“, informierte ihn Izzy und trank an seiner Cola.

„Aha. Sehr interessant“.

„Matt ist davon noch nicht so ganz überzeugt. Er glaubt, dass beide uns nur etwas vorspielen“.

Er nickte nur beiläufig. Irgendwie konnte er schon lange nicht mehr mitreden.

Zu seinen Freunden hatte er eigentlich nur sehr selten Kontakt. Nachdem sein Vater ihm das Praktikum im Krankenhaus besorgt hatte, fühlte sich Joe noch mehr überfordert als vorher. Er wusste nicht, wie er das alles hinbekommen sollte.

Durch das laute Seufzen wurde sogar Izzy misstrauisch, der ihn nun fragwürdig begutachtete. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Joe sehr schlecht aussah. Richtig blass und seine Augen wirkten müde.

„Ist bei dir denn alles in Ordnung?“

Joe seufzte wieder und hielt sich die Hand an seine Stirn. „Im Moment bin ich einfach nur überfordert. Die letzten paar Nächten habe ich eigentlich gar nicht geschlafen, nur um meine Hausarbeiten noch fertigzuschreiben“.

„Okay. Wie schaffst du es denn so lange wach zu bleiben?“, wollte der Rotschopf gespannt wissen.

Er hatte zwar im Moment noch etwas Ruhe vor dem Stress, aber bei ihm würde es auch bald wieder losgehen. Vierundzwanzig Stunden waren einfach viel zu wenig für einen Tag.

„Meistens trinke ich Kaffee und nehme zusätzlich noch ein paar Koffeintabletten“, klärte er ihn auf und zuckte mit den Achseln. „Manche meiner Kommilitonen nehmen auch Ritalin, um wach bleiben zu können“.

„Ritalin? Was ist das?“ Izzy setzte sich auf und sah gespannt zu Joe, der sich gerade seine Brille zurecht rückte.

„Das ist ein Medikament gegen ADHS. Aber man kann dadurch auch mehrere Stunden am Stück durchlernen. Wieso fragst du?“

„Nur so“, log Izzy und ließ sich wieder zurückfallen.

„Das Zeug ist schweineteuer und außerdem macht es die Gesundheit kaputt“, ermahnte er ihn dringlich.

Er hatte es irgendwie im Gefühl. Niemand fragte solche Dinge einfach „nur so“.

Selbst Izzy sah nun ertappt nach unten und schwor, dass er so etwas nie nehmen würde, sondern nur aus Interesse heraus gefragt hatte. Neugierig war er ja schon immer gewesen.

Doch Joe kannte diese Verzweiflung in seinem Gesicht. Er hatte sie schon oft gesehen. Bei sich. Bei seinen Kommilitonen. Manchmal sogar bei seinem Vater.

„Ich hätte meinen Mund halten sollen“, murmelte er und schaute zu Izzy, der sehr nachdenklich aussah.

Er biss sich auf die Lippe und verfluchte sich innerlich dafür, einen solchen Gedanken in Izzy geweckt zu haben. Aus der Verzweiflung heraus, tat man viele dumme Dinge, deren Konsequenzen man sich gar nicht bewusst war. Er hoffte, dass Izzy diesen Gedanken schnell wieder vergessen würde. Er konnte ja nicht ahnen, wie verzweifelt der Rotschopf zurzeit war.
 


 

Nach langem hin und her hatte sich Matt dazu durchgerungen mit Sora unter vier Augen zu sprechen. Eigentlich war es schon lange überfällig gewesen, doch irgendwie hatte er sich nicht getraut sie aufzusuchen.

Immer wenn er es wollte, fühlte es sich so an, als würde er Taichi hintergehen. Vielleicht sollte er ihm einfach glauben, dass beide mit der Trennung einverstanden waren. Doch sein bester Freund war wirklich nicht der beste „Zwischen-den-Zeilen-Leser“.

Und heute war die perfekte Gelegenheit. Selbst Tai hatte schon mit ihr gesprochen und Matt musste zugeben, dass es nicht sonderlich gezwungen wirkte. Sie wirkten beide, sehr erleichtert.

Wahrscheinlich lief es wirklich nicht mehr so gut bei ihnen. Auch wenn Matt selbst nie etwas gemerkt hatte und Tai ihm auch nie etwas erzählte. Er war einfach ein Beziehungskrüppel. Schuld daran waren seine Eltern, die sich trennten, aber offensichtlich immer noch liebten.

Er hatte halt enorme Verlustsängste. Tai und Sora waren für ihn immer zwei gute Freunde gewesen, die ihn auch in schlechten Zeiten nicht aufgaben. Sie hielten ihn auf dem Boden der Tatsachen. Sie waren fast schon wie ein Eltern-Ersatz für ihn. Auch wenn es vielleicht schräg klang.

Er bewunderte immer ihre Beziehung, da er wusste, dass er sowas nie führen könnte. Dafür war er wohl zu geschädigt oder zu schwanzfixiert.

Okay. Er war auch noch recht jung. Aber mit seinen einundzwanzig Jahren, konnte er behaupten, noch nie richtig oder ernsthaft in jemanden verliebt gewesen zu sein.

Er war das komplette Gegenteil von TK, der heute schon drei Zigaretten von ihm erpresste, nur weil er sich seinem Liebeskummer nicht stellen wollte.

Für ihn gab es eben nicht die eine Frau, mit der er ein Leben lang zusammen sein wollte. Matt fand diese Vorstellung sowieso recht unlogisch. Machte das einen nicht auf Dauer unglücklich? Man musste sich zwangsläufig an den Partner anpassen, um wirklich so lange mit ihm gemeinsam leben zu können.

Individualität? Wohl eher Kollektivität.

Und dann gab es immer noch die Sache mit dem Tod. Als sein Großvater starb, war seine Großmutter Anfang siebzig. Mittlerweile lebte sie schon knapp zehn Jahre allein und trauerte immer noch um den Mann, den sie zu Grabe getragen hatte. Ihr Leben glich manchmal einem einzigen Schmerz. Das hatte sie jedenfalls Matt einmal in ihrer Trauer anvertraut. Wieso sollte man also, gemeinsam alt werden, wenn man nicht gemeinsam sterben durfte? Seine Großmutter war nun allein und wartete auf den Tag der Erlösung.

Seine Eltern trennten sich als Takeru und er noch recht klein waren. Glücklich war keiner der beiden. Liebe war daher eine Illusion. Wenn sie wirklich existierte, dann verletzte sie nur.

„Ist alles in Ordnung?“, wollte Sora behutsam von ihm wissen und berührte ihm leicht am Arm. Sie standen auf dem Balkon und beobachteten den Nachthimmel. Keiner der beiden hatte bis jetzt ein Wort zueinander gesagt, bis Sora das Schweigen brach.

„War die Trennung wirklich einvernehmlich?“

„Ja“, antwortete sie knapp.

„Ich habe gedacht, dass es wenigstens bei euch hält“, murmelte er und zündete sich eine weitere Zigarette an.

Sora fischte sich eine störende Strähne aus dem Gesicht und musterte ihn besorgt. Sie verstand nicht, warum er sich so einen Kopf darum machte. Schließlich war es eigentlich nur Tai und ihre Sache. Doch etwas schien den Blondschopf zu beschäftigen. Sora wusste nur noch nicht was.

„Wieso geht dir das so nah? Tai und ich werden immer noch miteinander befreundet bleiben“, erklärte sie ihm und erntete von ihm einen unsicheren Blick. „Es wird sich nichts ändern“.

„Eure Trennung ändert alles“.

„Warum?“ Ihr Atem stockte augenblicklich. Er hatte doch nicht gemerkt, dass sie sich in ihn verliebt hatte...

„Weil es immer so ist. Jemand trennt sich und man kann nur noch einzeln mit den Leuten, die man mag, etwas unternehmen. Aber ihr seid mir beide wichtig. Ihr seid meine besten Freunde“, stammelte er sich zurecht und ein bisschen Asche fiel von seiner Zigarette.

Soras Gesicht wurde auf einmal sehr ernst. Dieses Gespräch hatte sie schon mal mit ihm geführt. Damals ging es um seine Eltern. Wenn Matt ehrlich sein würde, müsste er zugeben, dass er die Trennung damals gar nicht gut verkraftet hatte. Er hatte sehr große Ängste.

Angst jemanden, der ihm wichtig war zu verlieren.

Deswegen war er auch immer so besorgt um seinen kleinen Bruder gewesen, als er noch jünger war. Doch mittlerweile brauchte Takeru ihn nicht mehr. Er war erwachsen und führte sein einiges Leben. Ein Leben in dem Matt möglicherweise nur noch eine Nebenrolle spielte.

Es stimmte schon, Tai und Sora waren immer die einzigen Konstanten in seinem Leben gewesen. Schon seit der Mittelschule gingen alle drei in eine Klasse. Und auch nachmittags unternahmen sie viel gemeinsam, wenn sie nicht gerade Tennis, Fußball oder Bandprobe hatten.

Sie waren eine Einheit. Bis Tai und Sora zusammen kamen. Es änderte eigentlich alles. Aus Freundschaft wurde Liebe und bei einer Trennung konnten schnell andere Gefühle entstehen.

Matt hatte sich zwar damals sehr für sie gefreut, aber äußerte relativ schnell seine Bedenken.

Er wollte nicht zwischen den Stühlen stehen, wenn sie mal stritten oder sich im gesetzten Fall trennten. Deswegen hielten beide, ihren besten Freund aus sämtlichen Streitigkeiten und der letzten endlichen Trennung heraus. Trotzdem blieb er misstrauisch.

Wahrscheinlich war es bei Scheidungskindern so. Er hatte sicherlich das Gefühl, alles nochmal zu durchleben. Sora und Tai mussten ihm wohl erst beweisen, dass sie auch wirklich wieder nur als Freunde zurechtkamen. Vorher würde er ihnen sicherlich nicht glauben.
 


 

20. September 2009. New York, USA. Studentenwohnheim.
 

Es war Sonntag und trotzdem spielte sie schon seit geschlagenen drei Stunden. Kari überlegte sich ernsthaft, die Ohren amputieren zu lassen. Länger konnte man es wirklich nicht mehr aushalten. Angesäuert legte sie das Buch, dass sie versucht hatte zu lesen, beiseite und stand auf.

April konzentrierte sich voll und ganz auf ihre Notenblätter und bemerkte Kari erst gar nicht, die mit beiden Armen in der Hüpfte stemmend vor ihr stand.

„Willst du nicht mal eine Pause machen?“, fragte sie leicht brüllend, damit April sie auch verstehen konnte. Sie schaute hoch und blickte in das wütende Gesicht ihrer Zimmergenossin.

„Wenn’s dich stört, kannst du auch rausgehen“, murmelte sie und wollte gerade wieder den Bogen ansetzen, als Kari ihr ihn aus der Hand riss.

„Das ist auch mein Zimmer, vergiss das nicht!“, erinnerte sie April und fuchtelte mit dem Bogen vor ihrer Nase herum.

„Man Hikari gib ihn wieder her. Ich muss wirklich üben, damit ich mit den anderen mithalten kann“.

„Boah scheiß doch auf die anderen! Willst du nicht mal etwas Normales unternehmen, wie shoppen?“

April funkelte sie böse an und stand auf. Das Cello hatte sie gegen ihr Bett gestellt. „Willst du sagen, dass ich nicht normal bin?“

„Naja...Mädels in unserem Alter gehen shoppen, auf Party und hören nicht unbedingt klassische Musik“, kommentierte sie kleinlaut. Bisher war ihre Mitbewohnerin immer ruhig geblieben. Heute war wirklich, dass erste Mal, dass sie laut wurde.

„Willst du mir wirklich einreden, ich sei seltsam, nur weil ich individuell bin?“

„W-Was? N-Nein. Natürlich nicht. Nur meine Ohren brauche mal eine Pause“. Kari wich ihren Blicken aus und wünschte sich gerade wirklich, sie hätte die Schuhe von Dorothy, um aus dieser Situation einfach zu verschwinden. Sie wusste ja, dass April sehr eigen war. Das letzte was sie wollte, war es sich mit ihr zu verscherzen.

Ihr Gesicht entspannte sich wieder und sie fuhr sich durch die langen blonden Haare. „Wenn das so ist, werde ich jetzt mal eine Runde spazieren gehen.“

„Warte“, sagte sie bevor sie zur Tür ging. „Wir könnten doch etwas zusammen unternehmen. Dann lernen wir uns auch etwas besser kennen“, versuchte Kari die Situation zu retten.

April hatte ihre Hand bereits auf die Türschlenke gelegt und schenkte ihr ein warmes Lächeln.

„Nett von dir. Aber ich bin sicherlich nicht hier um Freunde zu finden. Sorry“, erwiderte sie selbstsicher und ließ eine verdutzte Hikari im Zimmer zurück. Die Brünette hatte wohl mit vielem gerechnet.

Mit dieser Reaktion allerdings nicht.
 


 

„Machst du heute nichts mit Kari?“, fragte Peter neugierig und drehte sich auf den Bauch. Beide lagen auf ihren Betten und spielten gemeinsam ein Videospiel, dass sich Wallace erst neulich gekauft hatte. „Wir wollten heute Abend etwas essen gehen. Wenn du willst kannst du gerne mitkommen“.

Peter zog die Augenbraun zusammen und drückte auf die Tasten des Kontrollers, um einen Zombie zu eliminieren.

„Sehr witzig. Ich möchte euch wirklich bei eurem Date nicht stören“.

„Date?“, fragte er irritiert und drückte auf Pause. „Wir sind nur befreundet“.

„Klar und der Weihnachtsmann ist in Wirklichkeit der verkleidete Osterhase“, witzelte er und drückte wieder auf Play.

„Das meine ich ernst“, stellte er klar und stoppte das Spiel erneut.

„Du kannst viel sagen wenn der Tag lang ist. In meinen Augen bist du ganz schön verknallt in sie“.

„Bin ich überhaupt nicht!“, verteidigte sich der Blonde vehement.

„Ach Wallace“, stöhnte er laut und legte den Kontroller beiseite. „Du schmachtest sie regelrecht an“.

Der Angesprochene setzte sich in einen Schneidersitz und tauschte mit seinem Mitbewohner unschlüssige Blicke aus.

„Wie kommst du auf so einen Mist? Hat dir vielleicht jemand ins Hirn geschissen?“

„Hervorragende Ausdrucksweise“, applaudierte er lautstark und grinste dabei. „Gefällt mir“.

„Ich bin einfach nur mit ihr befreundet, klar?“

„Natürlich“, lachte er und rollte mit den Augen.

Er glaubte ihm nicht. Welch ein Wunder. Wahrscheinlich hatte Wallace seine Überzeugungskraft verloren. Bestimmt lag es daran, dass er sich selbst einfach gerade belogen hatte. Er war sich seinen Gefühlen nicht mehr sicher.

Er kannte Kari fast zwei Monate und fühlte sich in ihrer Gegenwart einfach wohl. Natürlich hatte er sich schon oft gefragt, ob nicht mehr daraus werden könnte, doch sie signalisierte ihm immer das komplette Gegenteil. Daher wollte er gar nicht erst darüber nachdenken, was wäre, wenn er sich tatsächlich in sie verliebt hätte. Lieber unterdrückte er das Kribbeln und das Bedürfnis sie küssen zu wollen, in der Hoffnung es würde von selbst wieder weggehen.

Wallace wollte das Risiko einfach nicht eingehen. Er war zwar verknallt, aber manchmal waren andere Dinge viel wichtiger.
 


 

27. Mai 2010. Odaiba, Japan. Hotelzimmer.
 

Sie stand vor dem Spiegel und begutachtete ihr Selbst kritisch. Sie sah traurig und blass aus. In ihr machte sich eine Welle der Unruhe breit. Taichi würde sicher etwas merken, da war sie sich sicher.

Ihm konnte sie einfach schlecht etwas vormachen. Schließlich war er ihr Bruder.

Hikari kramte in ihrer Schminktasche und hole ein rosafarbenes Rouge hervor, dass sie mit einem kleinen Pinsel auf ihr Wangen auftrug.

Sie hatte das Gefühl, etwas gegen ihre Blässe zu unternehmen.

Ihr entgegen zu wirken. Doch in Wirklichkeit malte sie sich nur an.

Sie beschönigte die Situation, die so sehr an ihr nagte.

Immer wieder schoss ihr das Gespräch zwischen ihr und Wallace kurz vor ihrer Abreise durch den Kopf.
 


 

„Vielleicht solltest du es ihr sagen“, meinte Wallace vollkommen unverblümt.

„Ihr was sagen? Das ich mit ihrem Ex geschlafen habe? Oder nein noch besser, das er der Vater ist?“

Ihre Verzweiflung stand ihr im Gesicht geschrieben. Den letzten Ort den sie zusammen mit Mimi besuchen wollte war Japan. Es fühlte sich nicht richtig an.

„Du meintest war, oder?“, erinnerte sie Wallace. In ihrem Hals bildete sich ein Kloß, den sie nicht fähig war hinunter zu schlucken. Nach einigen Minuten des Schweigens, meldete sie sich wieder zu Wort. Obwohl mal es eigentlich nicht so nennen konnte. Es war mehr ein Krächzen, dass sich aus ihrer Kehle befreite.

„Ich glaube das macht keinen großen Unterschied!“, sagte sie nach einer Weile und erntete von Wallace diesen Blick. Es war Mitleid. Etwas was Hikari gar nicht gebrauchen konnte.

„Ich finde du solltest ihr die ganze Wahrheit sagen. Und nicht nur einen Teil!“

„Wallace hör auf. Selbst wenn sie die ganze Wahrheit wüsste, was würde sich noch ändern? Gar nichts!“.

„Das weißt du nicht“, warf er ein und fuhr sich durch die blonden kurzen Haare. „Vielleicht würde sie dich dann eher verstehen.“

Kari schnaubte kurz und schüttelte gleich den Kopf. „Mich versteht keiner. Ich verstehe mich selbst noch nicht mal!“, gestand sie sich ein und setzte sich auf Wallaces Bett.

„Vielleicht will sie dich deswegen nach Japan bringen!“, schlussfolgerte er.

„Wie meinst du das?“, wollte sie von ihm wissen und strich ihre Haare aus dem Gesicht.

„Vielleicht will sie damit erreichen, dass du sich selbst wieder verstehst“.
 


 

Ob er Recht hatte? Würde sie sich hier wieder besser verstehen, als in Amerika?

Sie bezweifelte es. Sie zweifelte momentan an allem, was ihr passiert war.

Deswegen wollte sie es nur vergessen. Hikari konnte Mimi die Wahrheit nicht sagen, ohne sie zu tiefst zu verletzen. Und würde sie die Wahrheit über Michael sagen, müsste sie alles erzählen.

Nur so würde Mimi sie möglicherweise verstehen.

Doch sie wollte alles um sich herum vergessen, auch wenn sie wusste, dass das Vergessen alles andere als leicht war. Sie legte das Rouge mit dem Pinsel beiseite und fuhr sich mit der linken Hand durch ihre kurzen Haare, die sie zuvor gelockt hatte.

Sie war nicht mehr sie selbst.

Sie trug ein weiß geblümtes Top und eine rosafarbene dreiviertel Jeans, die passend zum Rouge passte. Manchmal hatte sie das Gefühl, Mimi hätte sie eingekleidet. Wahrscheinlich übertrug sich Geschmack, je nachdem wie viel Zeit man mit einer Person verbrachte. Mit Mimi hatte sie wirklich sehr viel Zeit verbracht. Doch trotzdem wusste sie nicht in welchem inneren Chaos sie sich befand.

Vielleicht war sie doch keine so schlechte Schauspielerin, wie sie immer dachte.

Doch sie wusste, dass sie ein gefährliches Spiel spielte, dass sie auf Dauer gesehen nur verlieren konnte.

Ihre Hand wanderte zu ihrer rechten Hosentasche und zog ein Bild heraus, das sie zweimal geknickt hatte. Tränen stiegen ihr in die Augen – immer dann wenn sie es sich ansah. Sie fühlte so viel Schmerz. Alles andere war schlichtweg eine Lüge. Sie war nicht mehr glücklich. Sie lebte einfach nur noch in den Tag hinein und versuchte ihn irgendwie zu überleben.

„Hey Kari bist du langsam fertig? Wir kommen sonst noch zu spät“, rief Mimi durch die Tür und wartete auf eine Antwort.

Hikari schluckte. Sie schaute ein letztes Mal auf das Bild, bevor sie es wieder in die Hosentasche steckte und trocknete ihre Tränen mit einem Taschentuch.

„Bin gleich fertig“, rief sie zurück, bevor sie die verschmierten Stellen in ihrem Gesicht ausbesserte.

Sie musste stark bleiben und die Wahrheit für ein paar Stunden einfach vergessen. Nur so würde sie den heutigen Tag überleben.
 

Fortsetzung folgt...

Herzenssache.


 

It's easy to fall in love.

Battlefield, Louder. Lea Michele, 2014.
 


 

„Und sie hat dir wirklich nicht gesagt, dass sie kommt?“, fragte der Blondschopf und legte seine Stirn in Falten. Sein bester Freund schüttelte kaum merklich den Kopf.

„Sie hat es noch nicht mal angedeutet. Wahrscheinlich war es so eine spontane Aktion. Ganz nach Mimis Willen.“

Er verrollt die Augen als er ihren Namen sagte. Matt konnte wirklich nicht verstehen, was für eine Abneigung er gegen Mimi hatte. Schließlich waren sie doch alle mal Freunde gewesen. Jedenfalls mehr oder weniger.

„Sag mal, was hast du eigentlich gegen Mimi?“

„Nichts. Sie nervt mich halt nur“, antwortete der Brünette und schlang die Arme hinter seinem Kopf zusammen.

„Weiß sonst noch jemand, dass sie kommen?“

Matt holte ein Päckchen Zigaretten aus seiner Hosentasche und zündete sich eine an. Er hasste es zu warten.

Es war schon viertel nach drei und von den beiden Damen fehlte jegliche Spur. Er fragte sich langsam, ob sie überhaupt noch auftauchen würden.

„Also bisher wissen es nur wir und Izzy. Aber er wollte ja lieber lernen, anstatt mitzukommen“, motzte Taichi und verzog das Gesicht. „Wissen es TK und die anderen schon?“

„Nein noch nicht“, schnaubte Matt und kaute auf dem Filter seiner Zigarette. „Es wäre sowieso besser, wenn sich Kari bei ihnen melden würde. TK freut sich sicher“.

„Denkst du, dass er immer noch in meine Schwester verknallt ist?“

„Keine Ahnung. Bei ihm blicke ich wirklich nicht mehr durch“, gab Matt zu und zog an der Zigarette.

Taichi wusste von was er sprach.

TK war wirklich nicht mehr der kleine süße Junge von damals, der ihn darum bat sein großer Bruder zu werden.

Nachdem Hikari wegging, hatte er sich verändert. Er wurde genaugenommen Matt immer ähnlicher. Natürlich gründete er keine Band oder sowas.

Aber er spielte in der Basketballmannschaft der Universität und war ungefähr genauso beliebt, wie sein großer Bruder. Auf Partys ließ er eigentlich kaum noch etwas anbrennen, auch wenn Taichi den Verdacht hatte, das hauptsächlich Davis dahintersteckte und ihn regelrecht dazu animierte, sich wie ein Arschloch zu verhalten.

Auch die Tatsache, dass Matt und TK sich im Moment nicht gut verstanden, förderte das ganze Arschloch-Getue.

„Was ist eigentlich mit dem Mädchen, das immer an ihm hängt? Haben die nicht was Ernstes?“

Matt lachte laut und hielt seine immer kleiner werdende Zigarette zwischen zwei Fingern.

„Ich glaube, sie ist ganz schön in meinen Bruder verknallt“, erklärte er Zähneknirschend.

„Und er?“

„Er hat seinen Spaß. Er wird mir wirklich immer ähnlicher“, jammerte der Blonde und fasste sich mit der anderen Hand an die Stirn.

„Vielleicht solltest du langsam mal deiner Vorbildfunktion gerecht werden“, stichelte der junge Yagami grinsend. Er wusste selbst, dass das als „Rockstar“ alles andere als einfach war.

Er bekam die Angebote zugeworfen. An seiner Stelle würde er sie auch nicht ablehnen wollen.

Doch Taichi wusste etwas, was er nicht wusste. Matt ahnte es bestimmt noch nicht mal. Und Taichi hatte Schweigepflicht auferlegt bekommen. Er würde sich sicher nicht...

„Da hinten kommen sie“, rief Matt und warf seine Zigarette auf den Boden, um sie mit seinem Schuh auszudrücken.

Tai sah hoch und erkannte seine kleine Schwester kaum wieder.

Sie trug ähnliche Sachen wie Mimi, die mit einem breiten Grinsen auf beide zusteuerte.

Ihre Haare waren etwas länger geworden und locken sich leicht.

In ihrem Gesicht befand sich ein Hauch Farbe, der sich Ton in Ton mit ihren Klamotten deckte.

Sogar Schuhe mit Absatz trug sie – passend zum Rest.

Er war schockiert.

Mimi hatte seine Schwester komplett „mimi“-siert.
 


 

Kari schluckte. Ihr war nicht bewusste gewesen, dass Taichi Matt mitbringen würde.

Eigentlich hätte sie es sich doch denken müssen, schließlich lebten sie ja zusammen. Eine Tatsache, die sie aus seinen unzähligen E-Mails entnahm – genauso wie die Trennung von Sora, die sie persönlich sehr schockierte.

Es hatte sich einiges verändert, seit sie weggegangen war.

Auch in Japan war die Zeit nicht stehen geblieben, sondern sie lief in einem rasenden Tempo weiter.

Sie stand gerade ihrem eigenen Bruder gegenüber und musterte ihn genaustens. Es war kaum zu fassen, wie braun er bereits war.

„Oh man komm her“, sagte er und nahm sie in den Arm. Ihr Gesicht vergrub sie in seinem Shirt und hoffte, dass sie nicht augenblicklich anfangen zu weinen würde.

In seinen Armen fühlte sie sich einfach nur geborgen. Wie sehr hatte sie seine Wärme doch vermisst.

Seit langem hatte sie das Gefühl, sich fallen lassen zu können.

Matt hingegen hatte inzwischen Mimi begrüßt und staunte nicht schlecht über ihre Erscheinung.

Sie trug ein knielanges, türkisfarbenes Kleid. Ihre Haare waren richtig gewachsen, seit dem letzten Mal, als er sie sah.

Sie gingen schon bis über die Brust und lockten sich wie Karis Haare.

„Schön dich zu sehen, Mimi“.

Sie lächelte leicht und fuhr sich mit der Hand eine Haarsträhne hinter ihr Ohr.

„Es ist auch schön dich zu sehen, Matt“.

Tai hatte Kari inzwischen wieder losgelassen und musterte Mimi skeptisch. Sie schien wohl wirklich zu versuchen, seine Schwester in einen Art Abklatsch von sich selbst zu verwandeln.

„Hallo Tai“, begrüßte sie ihn weniger herzlich als Matt.

„Hey. Wirklich lange nicht mehr gesehen. Hast du an den Hüpften etwas zugelegt?“

Er grinste frech, während Mimis Gesicht feuerrot anlief. Fünf Minuten mit Tai und schon wollte sie ihm am liebsten den Hals um drehen.

Kari stieß ihrem Bruder ihren Ellenbogen in die Rippen.

„Sei bitte nett“, zischte sie und funkelte ihn böse an.

„Ihr versteht wirklich absolut keinen Spaß“, grunzte er und Kari erkannte, dass er sich wohl doch nicht so verändert hatte, wie sie anfangs dachte.

„Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du kommst? Wissen Mama und Papa eigentlich schon, dass du da bist?“

„Ich wollte euch überraschen“, sagte sie lachend. „Nein, noch nicht. Ich wollte sie heute mal anrufen“.

„Okay, wo wohnt ihr denn überhaupt?“

„In einem Hotel, ganz in der Nähe von hier“, mischte sich nun auch Mimi ein.

„Und was habt ihr jetzt geplant zu machen? Tai hat mich einfach mitgeschleppt“.

Matt zündete sich gerade wieder eine Zigarette an, als Tai ihm einen bösen Blick zu warf. Einfach mitgeschleppt...hörte sich fast schon gezwungen an. Dabei hatte er angeboten mitzukommen.

„Wie wäre es, wenn wir irgendwo ein Eis essen gehen. Heute ist so ein schöner Tag“, schlug Kari vor.

Tai ging mit dem Kopf unsicher hin und her.

„Ich weiß ja nicht, ob ein Eis Mimis Figur so gut tut“, plusterte er sich auf und lächelte schief.

„Boah gleich drehe ich dir den Hals um“, geiferte Mimi und schlug ihm gegen den Arm.

„Aua, das hat weh getan“, beschwerte er sich gespielt aufgebracht und hielt sich die Stelle, die Mimi erwischt hatte.

„Idiot“, knurrte sie und ging provokant an ihm vorbei. „Pass lieber auf, dass ich dir nicht in dein Eis spucke“.

Bevor Tai etwas erwidern konnte, mischte sich Kari, als Streitschlichter ein. Sie hatte vollkommen vergessen, dass beide so allergisch aufeinander reagierten.

„Wir sollten jetzt besser losgehen“, wand sie ein und hakte sich bei Mimi unter. Sie sah Taichi fordernd an und hoffte, dass er sich die nächsten paar Stunden wenigstens ein bisschen zusammen reißen würde.

Dieser verrenkte die Arme hinter dem Kopf und seufzte laut. Matt und er gingen ein paar Meter hinter ihnen, während Kari ihn aus dem Augenwinkel heraus beobachtete.

Er schien nichts gemerkt zu haben. Wahrscheinlich war sie doch eine bessere Schauspielerin, als sie eigentlich dachte.
 


 

05. Oktober 2009. Odaiba, Japan. Universität.
 

Heute war endlich der Tag der Tage gekommen. Yolei fieberte schon ein ganzes Jahr darauf hin und jetzt war es soweit. Der erste Uni-Tag.

Eigentlich wollte sie schon letztes Jahr mit ihrem Studium anfangen.

Sie hatte sich auf sämtlichen Universitäten in der Umgebung beworben und hoffte, dass sie wenigstens eine nehmen würde.

Die Enttäuschung stellte sich schnell ein, als die ersten Ablehnungsbescheide bei ihr Zuhause ankamen.

Sie verstand die Welt nicht mehr.

Ihren Abschluss hatte sie mit zwei bestanden, jedoch waren andere anscheinend besser gewesen.

Der Schnitt lag bei 1,7 – Yolei lag demnach nur knapp drunter.

Als auch die letzte Uni, bei der sie sich beworben hatte, sie ebenfalls auf die Warteliste setzte, war die junge Frau mehr als verzweifelt gewesen. Ihre Mutter schlug vor, sich für ein anderes Fach zu bewerben, dass eben nicht zulassungsbeschränkt war, doch das führte dazu das Yolei umso mehr tobte.

Sie wollte Sozialpädagogik studieren, nichts anderes.

Das war ihr Ding. Sie konnte gut mit Menschen umgehen, was vielleicht auch daran lag, dass sie in einer Großfamilie aufwuchs und nebenbei noch im Laden ihrer Eltern aushalf.

Direkter Kontakt eben.

Etwas was die meisten wohl noch nie erlebt hatten. Sie war perfekt für diesen Studiengang geeignet, vielleicht sogar mehr als die 1,7-Absolventen.

Doch aufregen brachte sie in diesem Moment reichlich wenig weiter. Sie hatte keinen Studienplatz, sie brauchte also einen Plan B.

Die Idee für ihren lieferte mal wieder ihre Mutter, die durch das Getratsche und Geschwätzte ihrer Kunden, dazu inspiriert wurde.

„Mach doch ein freiwilliges soziales Jahr. Hier im Kindergarten suchen sie wieder Einige. Außerdem würde es deinem Lebenslauf guttun und bei deiner nächsten Uni-Bewerbung würde es dir auch einige Pluspunkte einheimsen“.

Ihre Mutter hatte Recht. Dadurch würde sie ihre Wartezeit prima überbrücken und zumal etwas lernen, dass in ihrem späteren Studium von Nutzen sein könnte.

Und Yolei war sicherlich ein Mädchen der Taten. Kaum hatte ihre Mutter, die Idee ausgesprochen, schon schrieb sie direkt eine Mail an den Kindergarten, druckte ihren Lebenslauf aus und bereitete sich auf ein Vorstellungsgespräch vor.

Im Nachhinein hätte sie nur die Hälfte ihrer Energie hineinstecken müssen. Es klappte diesmal wirklich alles wie am Schnürchen. Sie wurde eingestellt, arbeitete ein paar Tage zur Probe, bis ihr freudig mitgeteilt werden konnte, dass sie ihr soziales Jahr hier „verbüßen“ durfte.

Naja, größtenteils hatte sie wirklich Spaß bei der Arbeit, auch wenn kleine Kinder oft anstrengend sein konnten.

Ihr Traum war es mit Kari das Studium gemeinsam beginnen zu können.

Auch sie wollte sich für Sozialpädagogik bewerben. Die entsprechenden Noten hatte sie dazu.

Doch dann kam der ganze Mist mit der Juilliard. Ihre Tanztrainerin hatte ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt.

Mitte des Schuljahrs bekam sie die Bestätigung, sich für einen Vortanztermin qualifiziert zu haben.

Die Juiliard schickte sogar persönlich jemanden vorbei, der Hikari aufs Genauste beobachtete. Er kam zur Winteraufführung ihrer Schule.

Hikari hatte eine Hauptrolle und glänzte förmlich vor Talent. Später musste sie dem Talentscout noch eine Einzelvorstellung darbieten, die sie ebenfalls mit Bravour bestand. Kurz vor ihrem Abschluss erhielt sie die Zusage von der Juillard.

Ebenso wie Yolei, die endlich einen Platzt für ihr Studium in Sozialpädagogik ergattert hatte.

Ihr Traum mit ihrer besten Freundin studieren zu könnten, platzte jedoch und eine große Leere machte sich in ihr breit.

Eine Leere, die sie immer noch spürte. Klar war sie nicht allein. Sie hatte Freunde. Recht viele sogar. Aber eine neue beste Freundin war schwierig zu finden.

Und jetzt stand sie hier, mitten auf dem Campus. Allein.

Davis und TK hatten sich bereits von ihr verabschiedet und suchten ihre eigenen Veranstaltungsräume, während die 19-Jährige planlos durch die Gegend lief. Es war riesig und vor ihr befand sich ein Pool lauter Studenten, die ebenfalls so wenig Ahnung hatten wie sie.

Sie drückte sich durch die Masse hindurch und schaute auf den Lageplan, den sie sich gestern extra noch ausgedruckt hatte. Wenn sie geradeaus gehen würde und dann nach links abbog, müsste ihr Vorlesungssaal nicht mehr weit von ihr entfernt sein.

Es war ein grünes Gebäude, echt eckig und sehr groß. Das musste doch irgendwie auffallen.

Yolei entschied sich daher einfach loszugehen. Mehr als verlaufen konnte sie sich ja schließlich nicht.

Bevor sie jedoch von ihrem Plan hochschaute, bretterte sie prompt mit jemandem zusammen. Ihr Gegenüber strauchelte leicht, fiel jedoch nicht hin. Yolei hingegen hatte weniger Glück, denn sie landete direkt auf ihrem Hintern, den sie sich schmerzvoll rieb.

„Aua“, brummte sie und rückte mit der anderen Hand ihre Brille zurecht.

„Das tut mir wirklich wahnsinnig leid“, entschuldigte sich eine junge Frau mit braunen langen Haaren bei ihr. „Ich habe nicht aufgepasst“.

„Kein Problem. Heute ist wohl jeder etwas im Stress“, antwortete Yolei lachend. Die junge Frau hielt ihr die Hand hin und zog sie wieder auf die Beine.

„Ich weiß, dass ist vollkommen schrecklich. Ich suche auch schon seit einer Stunde den Campus nach dem Gebäude ab, wo ich als nächstes hin muss“.

„Geht mir genauso“, lachte sie und schaute erneut auf ihren Plan. „Wo musst du denn hin?“

„Ach irgendein Student meinte vorhin zu mir, dass das Gebäude grün und eckig wäre“, knurrte sie abwertenden und verzog ihre Augen zu Schlitzen. „Er hat mir nicht wirklich weiter geholfen“.

„Grün und Eckig? Das Gebäude für Sozialwissenschaften? Das suche ich auch“, eröffnete ihr Yolei erleichtert.

„Wirklich? Studierst du auch Sozialpädagogik?“

Sie nickte nur kurz, während sich die Brünette sichtlich freute.

„Ist ja klasse, dann können wir ja zusammen suchen“, meinte sie und schulterte ihre Tasche um. „Ich bin übrigens Mariko Matsumoto“. Sie reichte ihr wieder die Hand, diesmal um sich vorzustellen. Yolei lächelte und erwiderte den knappen Händedruck.

„Ich bin Miyako Inoue, aber eigentlich nennt mich jeder Yolei“.

„Nennt dich kennen zu lernen. Und glaubst du, dass wir gemeinsam das Gebäude finden werden?“

„Klaro. Immerhin sind wir jetzt schon mal zu zweit!“

„Dann mal los“, forderte Mariko sie auf und zerrte sie in prompt in die falsche Richtung.
 


 

Angesäuert räumte Davis den zusätzlichen Teller beiseite. Er hatte extra gekocht, um den ersten Uni-Tag in Ruhe ausklingen zu lassen. Doch sie ließ ihn und den Rest einfach hängen.

So als hätte sie jemand besseren gefunden, den sie mit ihrer Anwesenheit beglücken konnte.

Davis wusste, dass es ein Fehler war mit einem Mädchen zusammen in eine WG zu ziehen.

„Dämliche Ziege“, zischte er und ließ das Wasser ins Spülbecken laufen. „Ich komme heute später, treffe mich noch mit ein paar Kommilitonen“, äffte er sie nach und bemerkte nicht, dass TK bereits in der Küche war.

„Sei doch nicht so sauer. Sie hat es bestimmt nicht böse gemeint“, meinte er belustig und reichte seinen Teller an den Igelkopf weiter.

„Mit der hat man wirklich nur Probleme“, nörgelte er und ging mit dem Schwamm über die glatte Oberfläche. „Das ist alles deine Schuld! Du wolltest, dass sie hier einzieht!“

„Davis wir waren beide dafür. Und im Moment bist du eher die Zicke!“

„Ich? Hallo, wer hat denn extra für alle gekocht? Wer hat hier mehrere Stunden in der Küche...okay klingt wirklich nach Zicke“, räumte er ein und räusperte sich kurz.

„Ach der erste Tag war einfach nur scheiße“, gestand er endlich.

Noch nie hatte er so etwas in seinem Leben erlebt. Es war voll, man hatte keinen Überblick und die Veranstaltungspalette war riesig. Wie sollte er sich nur für die richtigen Veranstaltungen entscheiden, wenn ihn das Angebot fast erschlug?

Im Moment fühlte sich Davis wirklich überfordert.

„Das wird schon noch. Ich glaube, es waren einfach zu viele Eindrücke für einen Tag“, schlussfolgerte der Blonde und schnappte sich ein Handtuch.

Er hatte Recht. Wahrscheinlich ging es gerade jedem so. Neuerungen waren generell sehr kompliziert und verwirrend zu gleich.

Aber das war normal. Wäre ja schon seltsam, wenn uns neue Dinge oder Situationen nicht überraschen würden. Das gehörte zum Lebenszyklus.

Keiner konnte wissen, was in einem Jahr war.

Davis war sich noch nicht mal sicher, ob Ernährungswissenschaften überhaupt etwas für ihn ist. Das einzige was er wusste war, dass ihn Essen an sich sehr interessierte, seine heißgeliebte Nudelsuppe miteingeschlossen.

Daher entschied er sich für diesen Studiengang, auch wenn ihn seine Eltern samt idiotischer Schwester ausgelacht hatten.

„Was willst du denn damit machen? Den Leuten sagen, dass sie mehr Gemüse essen sollen, um einen Herzinfarkt vorzubeugen?"

Genau das hatte sein Vater zu ihm gesagt. Danach hatte er herzlich gelacht. Seine Mutter hatte nur den Kopf geschüttelt und immer wieder gefragt, warum ihr dummer Sohn nicht endlich mal etwas Anständiges auf die Beine stellen konnte.

„Den werdet ihr noch ewig an euer Backe kleben haben!“ Nicht wunderlich, das diese Aussage nur von seiner Schwester kommen konnte, die schon länger irgendetwas mit Medien studierte.

Er hatte langsam das Gefühl, dass er das schwarze Schaf der Familie war, auf dem jeder ohne Vorwarnung rumhacken konnte. Deswegen hatte es Davis vorerst vermieden, seiner Familie von seinem eigentlichen Traum, ein eigenes Restaurant zu eröffnen, zu erzählen.

Wahrscheinlich hätten sie sich dann auf dem Boden gekugelt vor Lachen.

Etwas was Davis ganz und gar nicht gebrauchen konnte. Kari hatte wirklich genug auf seinem Selbstwertgefühl herumgetrampelt, da brauchte seine Familie es ihr nicht gleich zu tun.

Er musste ihnen einfach beweisen, was er drauf hatte.

Nur so würden sie eines Tages, sein Talent wertschätzen lernen.
 


 

07. Oktober 2009. New York, USA. Parkgelände.
 

Sie saß angespannt neben ihm und sah in den Nachthimmel, der viele verschiedene Sternbilder zeigte.

Warum musste er nur darauf bestehen, ihr das Essen zu bezahlen? Sie waren doch nur befreundet, doch jetzt fühlte sich das Ganze eher nach einem Date an.

Was hatte sich Wallace dabei nur gedacht? Hatte er sich möglicherweise wirklich in sie verliebt?

Auch Mimi hatte diese Woche schon mehrfach darauf hin spekuliert.

„Er ist wirklich süß und guck‘ mal wie er dich immer anschaut! Ich wette er ist verknallt in dich!“

Kari wusste, dass sie es eigentlich nur als Scherz gemeint hatte, doch so langsam wurde sie selbst skeptisch.

Vielleicht sendete sie ihm wirklich falsche Signale. Unbewusst natürlich.

Er war schon ein lieber Kerl, doch irgendwie fehlte der gewisse Funke, der einfach nicht übersprang.

Das gleiche Problem war auch immer bei TK gewesen. Alle sagten, dass sie so toll zusammen passen würden, doch sie sah es ganz anderes.

Takeru war mehr ein Bruder für sie, mit dem sie über ihre Probleme und auch sonst alles reden konnte.

Bei Wallace war es genauso.

Es fehlte ganz klar, dass sexuelle Interesse. So hatte es Mimi öfters ausgedrückt. „Wenn du dir nicht vorstellen kannst mit dem Kerl zu schlafen, wird das nichts Süße! Entweder man steht auf ihn, oder man hat einen neuen besten Freund gefunden“.

Sie schmunzelte leicht. Mimi hatte wirklich ihre eigene Sprache, um Dinge klipp und klar zu erklären.

Offen und direkt. Genauso wäre Kari manchmal gerne. Dann würde sie sicher nicht, wie ein Häufchen Elend neben Wallace sitzen und lautlos die Sterne begutachten.

Sie würde mit ihm reden. Ihm sagen was sie fühlte, beziehungsweise wie sie eben nicht fühlte.

Doch jetzt befand sie sich in einer Situation, aus der sie am liebsten entfliehen wollte.

Auch er merkte, dass er mit dem Bezahlen des Essens und einigen unsicheren Flirtversuchen zu weit gegangen war.

Aber er hatte sich nun mal in sie verliebt und meinte es deswegen auch nicht böse. Wenn er ehrlich war, hatte ihn die Situation der Zweisamkeit dazu verleitet etwas mehr aus sich heraus zu gehen. Wallace hatte darüber noch nicht mal groß nachgedacht. Er merkte, dass es passte, auch wenn er die Freundschaft zu Kari nicht gefährden wollte.

Jetzt wusste er definitiv, dass es ihr unangenehm war und sie nur einen Freund in ihm sah.

Lektion gelernt – jedenfalls vorerst.

Sie schnaufte laut und blinzelte leicht. Wallace sah zu ihr und bemerkte ihr angestrengtes Gesicht.

Er sollte sie wohl beruhigen. Ihr sagen, er hätte es nur nett gemeint. Ohne Hintergedanken.

Doch er wusste selbst, dass er in solchen Situationen ein mieser Lügner war. Manchmal waren Gefühle eben zu intensiv, um sie in einer guten Lüge verpacken zu können.

„Du bist wirklich ein netter Kerl Wallace. Wahrscheinlich bist du der einzige Freund, den ihr hier wohl haben werde“, sagte sie fast schon flüstern. Sie sah ihn nicht direkt an, sondern blickte immer noch in den Sternenhimmel.

Er zwang sich zu einem leichten Lächeln, denn der Blondschopf wusste genau, dass sie ihn aus dem Augenwinkel heraus beobachtete.

„Vielleicht sollten wir langsam nach Hause gehen. Es wird allmählich frisch“, informierte sie ihn und stand auf. Sie wartete noch nicht einmal auf seine Antwort.

Kari wollte einfach so schnell wie möglich gehen.

Der Situation, die ihn so unangenehm war, einfach entfliehen.

Sie wollte den leichten Weg gehen.

Doch sie wusste nicht, dass Wallace im selben Augenblick einen Entschluss fasste.

Manchmal lohnte es sich doch für Menschen, die man liebte zu kämpfen, richtig?

Das hatte ihm seine Mutter, als kleiner Junge immer wieder eingetrichtert, dabei hatte sie selbst bis heute immer nur Beziehungen, die keine drei Monate überlebten.

„Ich glaube nicht an die Liebe auf den ersten Blick. Das ist Schwachsinn! Du musst, dass Mädchen erst von dir überzeugen, sie eben näher kennen lernen. Erst dann weißt du, ob es wirklich passt“.

Wahrscheinlich war es so. Vielleicht hätte er noch ein wenig abwarten sollen, bevor er ihr das Essen bezahlt und ein wenig mit ihr flirtet. Man verliebte sich auch unbewusst. Und Freundschaft war das beste Fundament für eine langjährige Beziehung. Alles andere war nur ein Strohfeuer, das wild aufloderte, aber schnell wieder ausbrannte. Er brauchte einfach nur noch ein wenig Zeit.
 


 

10. Oktober 2009. Odaiba, Japan. Hausparty.
 

„Mariko“, rief sie fröhlich und wank ihr zu. Das Mädchen mit den langen braunen Haaren lächelte und ging mit ihrem Getränk zu der kleinen Gruppe.

„Schön, dass du es geschafft hast“, begrüßte sie Yolei herzlich und sah sich um. „Ihr seid sicher ihre Mitbewohner. Ich bin Mariko Matsumoto“, stellte sie sich den dreien vor und reichte ihnen die Hand.

Nachdem sich alle untereinander vorgestellt hatten, führte Mariko sie durch die kleine Wohnung, die sie gemeinsam mit ihrer älteren Schwester und einer Freundin bewohnte.

Auf der Party befanden sich hauptsächlich ältere Studenten, die das neue Semester einläuten wollten. Klar, dass es nicht nur Bier zu trinken gab.

Yolei unterhielt sich eine knappe halbe Stunde mit ihrer Kommilitonin, als Davis den beiden anderen vorschlug, sich etwas Alkoholisches zu holen.

„Bei dem Weiberkram können wir eh nicht mitreden“, meinte er und ging zu dem Tisch auf dem die Getränke frei verfügbar für jeden standen. Er mischte Wodka und Energie zusammen und reichte die Becher an seine beiden Freunde weiter.

„Auf einen guten Start ins Semester“, sagte er und hob den Becher.

Ken und TK stießen wortlos an und tranken einen kräftigen Schluck. Irgendwie war keiner der beiden in richtiger Partystimmung.

Sie fühlten sich fast schon ein wenig von Yolei genötigt mitzukommen. Nur Davis schien seinen Spaß zu haben. Auch wenn er sich den halben Abend mit dem Mixen neuer exotischer Getränke beschäftigte.

Ken und Takeru standen praktisch im Abseits.

Keiner kannte jemanden, nur Yolei hatte einige Kommilitonen getroffen, mit denen sie sich über das Studium unterhalten konnte. Sie hatte Spaß. Das war wohl alles was zählte.

„Hey Ken, komm wir tanzen“, forderte ihn eine deutlich angetrunkene Yolei auf und zerrte an seinen Arm.

Ken hingegen sah hilfesuchend zu TK, der nur unschlüssig mit den Achseln zuckte.

„Vielleicht solltest du lieber mitgehen. Sie ist ganz schön voll. Nicht das sie irgendwelche Dummheiten anstellt“, erwiderte der Blonde lautstark, um gegen die Musik anzukommen.

Bevor Ken jedoch etwas antworten konnten, war er bereits von Yolei auf die Tanzfläche gezogen worden. Ein „Nein“ hatte sie so oder so nicht akzeptiert.

TK sah den beiden gedankenverloren nach und beobachtete sie eine Zeitlang beim Tanzen. Es erinnerte ihn, an die Zeit als alles noch unkompliziert war. Kari und er tanzten oft zusammen. Damals war Davis immer gleich rasend eifersüchtig geworden und funkte meist dazwischen.

Gerade als er an Daisuke denken musste, suchten seine Augen den Igelkopf in der Menschenmenge.

Vorhin hatte er ihn am Getränketisch gesehen, doch dort stand er nicht mehr. Allerdings musste Takeru nicht lange suchen, um seinen Freund zu entdecken. Seine Frisur war fast so auffällig wie die von Taichi. Da stach er automatisch aus der Menge.

Der Blonde musste leicht schmunzeln, als er Davis mitten in einer Knutscherei mit einer Fremden entdeckte.

Seit er Kari abgeschrieben hatte, war er Flirts gegenüber viel offener geworden. Zwar knutschte er nur mit ihnen rum, aber irgendwie tat es seinem Selbstwertgefühl recht gut. Nach Kari war er lange Zeit ein richtiger Trauerkloß gewesen. Jetzt entwickelte er sich so langsam zum Partytier.

Takeru hatte ihn anscheinend abgelöst. Denn er trauerte immer noch um seine beste Freundin Schrägstrich heimliche Liebe. Oft musste er sich gerade von Davis anhören, dass er sein Leben förmlich wegwarf.

Klar hatte er auch mal ein Mädchen geküsst, doch weiter ging es bisher nicht.

Er war achtzehn und noch Jungfrau. Sein Bruder würde ihn sicherlich auslachen, wenn er es je erfahren würde. Selbst Davis hatte seine Jungfräulichkeit bereits verloren. Nur von Ken wusste er, dass er mit ihm im gleichen Boot zu sitzen schien.

Immer wenn Takeru an das leidige Thema „Mein erstes Mal“ dachte, würde er automatisch wütend.

Es erinnerte ihn an die schmerzliche Zeit, als Hikari und Davis ein Paar waren. Es erinnerte ihn an den Tag, an dem Kari ihm berichtete, dass sie keine Jungfrau mehr war. Es erinnerte ihn daran, dass Davis derjenige war, der sie entjungferte und nicht er.

Doch was erwartete er? Beide waren zu diesem Zeitpunkt knapp sieben Monate ein Paar gewesen. Irgendwann hätte er eh damit rechnen müssen.

Einen Monat später war alles vorbei.

Von Davis wusste er, dass sie es nur einmal getan hatten, auch wenn er es öfters versucht hatte. Kari hatte jemand anderen im Auge gehabt und Davis eigentlich nur Tröster missbraucht.

Es war eine Tatsache, die immer noch sehr an Takeru nagte. Ab diesem Zeitpunkt hatte er wohl aufgehört sie zu verstehen. Nach und nach wurde ihm immer bewusster, wie weh sie Davis mit der ganzen Aktion getan hatte.

Sie hatten oft darüber gesprochen, auch wenn das Thema „Kari“ beiden sehr unangenehm war. Doch sie war eigentlich der Grund, warum sie sich heute so gut verstanden.

„Du solltest wirklich langsam mal aktiv werden. Sexuell meine ich. Deine jungfräuliche Aura kann man ja nicht mehr mit ansehen.“

Das waren seine Worte, wenn TK tausend Ausreden suchte, sich nicht mit einem schönen Mädchen zu unterhalten.

Davis hatte das Gefühl, dass der Blondschopf immer noch auf Kari wartete.

„Das wird nie passieren. Sie hat mit uns beiden gespielt, um an deinen Bruder heranzukommen. Zum Glück hat es nicht geklappt“.

Geklappt hatte es wirklich nicht. Matt interessierte sich nicht für Hikari, sondern mehr für seine Groupies, die einmal mit dem Sänger von den „Teenage Wolves“ in die Kiste springen wollten.

Kari war wie eine kleine Schwester für ihn. Mehr würde er wahrscheinlich nie in ihr sehen. Und mehr würde Hikari auch nie in Takeru sehen.

„Hey du stehst ja vollkommen alleine da. Ist dir nicht langweilig?“, quatschte ihn eine unbekannte Stimme von der Seite an. Er drehte sich in die Richtung und erkannte Mariko vor sich, die ihn angrinste.

„Ach geht schon“, erwiderte er lässig und nippte an seinem Getränk, das sich schon fast zu Ende neigte.

Ken und Yolei befanden sich immer noch auf der Tanzfläche, während Davis immer noch an den Lippen der Fremden hing.

„Lust zu tanzen?“

Takeru hielt krampfhaft den Becher in der Hand und schüttelte den Kopf. „Ich bin kein guter Tänzer. Außerdem will ich noch was trinken“, erklärte er und präsentierte seinen leeren Becher.

„Ich könnte dir was mixen. Ist mein Geheimrezept“, meinte sie lachend und sah ihn erwartungsvoll an. Er konnte doch nicht immer nein zu allem sagen. Da könnte er ja gleich ins Altersheim gehen.

„Klar warum nicht“.

„Sehr schön“, quietschte sie schrill und griff nach Takerus Hand. Dieser ließ sich von ihr führen und wagte das erste Mal seit langem einen Sprung ins Ungewisse.
 


 

„Hast du TK gesehen?“, fragte Davis und gesellte sich zu Ken, der sich an den Rand gestellt hatte. Er brauchte dringend eine Pause. Yolei hielt in ganz schön auf Trab und er musste knapp eine Stunde am Stück mit ihr tanzen. Seine Kehle war Staubtrocken und sehnte sich nach eine kalten Erfrischung.

„Keine Ahnung. Ich habe ihn schon länger nicht mehr gesehen“, antworte Ken beiläufig.

„Boah er wird doch nicht nach Hause gegangen sein?“, beschwerte sich Davis und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Vielleicht haben wir ihn ein wenig vernachlässig“.

„Ich bestimmt nicht“, verteidigte sich Davis lautstark, während Ken grinste.

Auch ihm war die Knutscherei nicht entgangen.

„Hast du wenigstens ihre Nummer bekommen?“

„Wer braucht die schon“, knurrte er und rollte mit den Augen. „Wir haben nur ein bisschen rumgemacht, mehr nicht“.

„Schon klar“, lachte Ken und trank noch einen Schluck.

Davis rümpfte die Nase und schielte aus dem Augenwinkel heraus zu seinem besten Freund.

Er sollte doch wirklich den Mund halten. Seit sie zusammen gezogen waren, bemerkte Davis die Blicke, die Ken der einzig weiblichen Person aus ihrer WG schenkte.

Er hatte schon länger diesen Verdacht gehabt, aber heute konnte er wirklich davon ausgehen, dass es der Wahrheit entsprach. Ken hatte sich in Yolei verliebt.

Das war eindeutig zu sehen. Genauso wie das Problem, dass sich offensichtlich zeigte.

„An deiner Stelle würde ich mir jemand anderen suchen, in den ich mich verlieben würde“, warf der Igelkopf in den Raum und beobachtete seine Reaktion, immer noch aus dem Augenwinkel heraus.

Prompt lief er rot an und stotterte sich irgendeinen Mist zusammen.

„Ken es wird langsam wirklich offensichtlich. Und du weiß, dass es nur Probleme geben wird. Also reiß dich zusammen!“

Er sagte nichts. Schließlich wusste er ja, dass Davis Recht hatte. Sie wohnten zusammen. Eine Beziehung würde alles nur unnötig kompliziert machen.
 


 

Er fuhr ihr durch die langen Haare und küsste sie leidenschaftlich, während sie sich immer näher an ihn presste. Sie waren in ihrem Zimmer, das sie hinter sich abgeschlossen hatte. Der Bass der Musik dröhnte durch die gesamte Wohnung und schien ihr Zungenspiel immer weiter anzuheizen.

Die junge Frau ließ kurz von ihm ab und steuerte ihn in die Richtung ihres Bettes. Sie küsste ihn wieder hungrig und knöpfte sein hellblaues Hemd auf, während seine Atmung immer unregelmäßiger wurde.

Er hatte keine Ahnung was er hier eigentlich tat.

Nachdem sie einige ihrer Spezialdrinks, die hauptsächlich aus Cola, Whisky und Eiswürfeln bestanden, getrunken hatten, landeten sie nach einem einfachen kleinen Kuss in ihrem Zimmer. Es endete in einer wilden Knutscherei.

Takeru wusste nicht ob es am Alkohol lag, oder daran das Mariko Kari etwas ähnlich sah, aber er ließ sich gehen. Er brach alle seine Prinzipien.

Er wollte gegen sie verstoßen. Er wollte mit dem Mädchen schlafen, nur um behaupten zu können es einmal getan zu haben. Er wollte wissen, wie es sich anfühlte und ob es ihn verändern würde.

Wäre er dadurch erwachsener? Könnte er endlich mitreden? Würde es ihm überhaupt gefallen?

Alles Fragen, die ihm durch den Kopf schossen.

Erst als sie seinen Gürtel entfernte und seine Hose aufmachte, wurde er in die Realität zurückgeworfen.

Doch er war bereits so erregt, dass anhören nicht in Frage kam.

„Soll ich ihr sagen, dass ich noch Jungfrau bin?“, fragte er sich selbst und öffnete wortlos ihr Kleid, das sie ohne weiteres zu Boden warf. Er entledigte sich seinem Hemd und merkte wie ihre zarten Finger seinen Bauch entlang fuhren und schließlich in seiner Hose verschwanden.

Schauer machten sich breit und er stöhnte genießerisch auf, während sie ihn sanft massierte.

Sie zog ihm die Hose mit samt der Unterhose nach unten und ließ ihn auf ihr Bett fallen, um die Kleidungsstücke besser entfernen zu können.

Sie sah ihn lustverschleiert an, griff nach hinten und öffnete ihren BH, den sie achtlos zu Boden gleiten ließ.

Takeru hatte sich halb aufgesetzt und schluckte. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er Brüste zu sehen bekam.

Sie zog ihren Slip aus und beugte sich zu ihm hinunter. Sie schenkte ihm einen lasziven Blick und küsste ihn wieder auf die Lippen. Diesmal waren sie jedoch komplett nackt und er entschied sich dagegen ihr die Wahrheit, über seine jungfräuliche Seite zu gestehen.

Er wusste irgendwie automatisch, was er zu tun hatte. Sie zeigte ihm zudem auch, was ihr gefiel. Mit kreisenden Bewegungen berührte er ihre geheimsten Stellen. Sie stöhnte laut, doch die Musik übertönte ihr Liebesspiel.

Als er in sie eindrang, hatte er das Gefühl endgültig den Verstand zu verlieren. Sie saßen mitten auf dem Bett und bewegten sich rhythmisch zu der Musik, die lautstark spielte.

Sie krallte sich in seinen Rücken und hinterließ einige leichte Kratzspuren auf seiner Haut.

Takeru bemerkte jedoch nichts, sondern wurde von einem Höhepunkt überrascht, den er noch nie so erlebt hatte.

Klar hatte er auch das ein oder andere Mal, an sich selbst herum gefummelt, doch das hier überstieg sämtliche Vorstellungen, die er von seinem ersten Mal gehabt hatte. Er wusste nicht wie lange es gedauert hatte. Allein schon das Vorspiel dauerte eine halbe Ewigkeit. Doch jetzt lag er zufrieden und erschöpft neben einem Mädchen – nein einer jungen Frau, die ihm zeigte, dass er nicht unbedingt auf Kari warten musste, um so etwas erleben zu dürfen.

Wahrscheinlich hatte Davis Recht. Kari und er würden nie ein Paar werden und solche Momente miteinander teilen.

Je früher er das einsah, desto besser.
 


 

12. Oktober 2009. New York, USA. Universitätscampus.
 

Sie saßen gerade beim Mittagessen und man hörte nur das Klappern der Gabeln, statt eines angeregten Gesprächs. Der Vorfall zwischen ihnen war schon knapp eine Woche her, doch trotzdem verhielten sie sich immer noch seltsam, wenn sie nur zu zweit waren.

Wallace war klar geworden, dass man Gefühle schlecht ignorieren konnte. Peter hatte von Anfang an recht gehabt. Er war in Hikari verliebt.

Nicht verknallt. So richtig verliebt mit Schmetterlinge im Bauch und diesem nervigen Kribbeln in der Magengegend.

Er konnte es einfach nicht abstellen, auch wenn ihre Kälte ihn im Moment eher auf Abstand hielt.

Sie redeten zwar noch miteinander, doch es war abgehakt und sehr unterkühlt. Meist kratzten sie nur an der Oberfläche und sprachen über belanglose Dinge.

Eine Situation, die Wallace sehr störte.

Zwar war er in sie verliebt, aber so würde er sicher nicht ihr Herz erwärmen. Deswegen entschloss er sich mit ihr zu reden und seine Gefühle erstmal runterzuspielen.

„Tut mir leid. Ich wollte dich letzte Woche ganz sicher nicht in eine unangenehme Situation bringen“, platzte plötzlich aus ihm hervor.

Karis Augen weiteten sich und starrten ihn an.

„O-Oh. Okay?“ Sie sah ihn unsicher an und signalisierte ihm dadurch, dass sie damit nicht gerechnet hatte.

„Ich wollte es dir nur sagen, weil ich das Gefühl habe, dass du dich von mir distanzierst“.

„Möglich“, sagte sie knapp und stocherte mit ihrer Gabel in ihren Kartoffeln.

„Wieso machst du das? Ich habe mir wirklich nichts dabei gedacht, als ich dir das Essen bezahlt habe“, log er und setzte ein leichtes Lächeln auf. „Ich gebe meinem besten Freund auch manchmal einen aus“.

Kari legte die Gabel beiseite und schnaufte kurz.

„Es liegt nicht an dir, sondern an der Situation. Ich habe dir doch schon mal von meinem besten Freund erzählt, oder?“

Er nickte nur kurz und sah ihr gespannt beim Reden zu.

„Es hat wirklich jeder gedacht, dass wir ineinander verliebt seien, weil wir uns so gut miteinander verstanden haben“. Sie machte eine kurze Pause und senkte ihren Blick. „Meine beste Freundin Yolei hat öfters versucht uns miteinander zu verkuppeln“.

„Echt? Wie hast du’s gemerkt?“, fragte Wallace gespannt.

„Sie hat mich einmal mit ihm eingesperrt. Im Lager ihres Supermarktes. Später hat sie es mir indirekt unter die Nase gerieben“.

„Oh das ist doof“, meinte er und fuhr sich durch die blonde Mähne. „Aber was hat das mit uns zu tun?“

Kari verrollte die Augen und sah Wallace direkt an.

„Mimi macht neuerdings solche Andeutungen. Du wärst in mich verknallt. Wir wären ja ein süßes Paar und bla bla bla.“

„Und du hast Angst, dass Mimi das Gleiche wie deine beste Freundin macht, wenn wir uns weiterhin so gut verstehen?“

„Ja und als du mir dann auch noch das Essen bezahlt hast, habe ich wirklich gedacht, dass Mimi recht haben könnte!“

„Wegen einem Essen? Komm schon Kari, es war wirklich ohne irgendwelche Hintergedanken. Außerdem kann uns doch egal sein, was andere denken. Hauptsache wir mögen uns“.

Die Schauspielausbildung schien bei ihm wirklich zu fruchten. So langsam glaubte er sogar selbst jedes einzelne Wort, dass er ihr auftischte. Im Moment konnte er ihr nicht sagen, dass er sich in sie verliebt hatte. Wahrscheinlich würde sie durchdrehen.

„Du hast Recht. Tut mir leid, ich habe dich wirklich blöd behandelt“, gab sie zu und presste die Lippen aufeinander.

„Kein Problem. Magst du vielleicht heute Abend zu mir kommen? Ich brauche dringend Hilfe. Peter macht mich beim Zombieschlachten wirklich fertig!“

„Sehr gerne. Wir werden es ihm sicher zeigen“, meinte sie optimistisch und lachte.

Wallace grinste und widmete sich wieder seinem Essen.

Er schien sie vorerst beruhigt zu haben.
 


 

„Bitte sag mir, dass es nicht stimmt!“, blaffte sie ihn an und ließ ihr Tablett auf den Tisch der beiden donnern. Sie stand mit den Händen in der Hüpfte stemmend vor dem Blonden und funkelte ihn böse an.

„Vor dir hat man auch nicht mal fünf Minuten Ruhe“, nörgelte Davis und rollte mit seinen Augen.

„Halt die Klappe Davis“, zischte sie und setzte sich neben TK. „Sag mal spinnst du? Was ist nur mit dir los?“

Die Frage war definitiv an Takeru gerichtet, der sie immer noch perplex anstarrte.

„Was willst du denn von mir? Ich habe nichts gemacht!“, verteidigte er sich ruppig. Er konnte sich schon denken, auf was sie hinaus wollte.

„Du tickst doch nicht mehr ganz richtig“, brüllte sie, wurde danach aber automatisch leiser. „Du schläfst mit ihr und meldest dich dann einfach nicht mehr? Was geht in deinem Kopf vor?“

„Hä? Was? Wer hat mit wem geschlafen“, mischte sich nun auch Davis ein.

„TK hat mit Mariko geschlafen“, stellte Yolei angesäuert klar.

Der Blonde lief allmählich rot an und blickte unsicher zu Davis, der sich das Grinsen nicht verkneifen konnte.

„Na endlich“, lachte er und klopfte ihm auf die Schultern. „Moment. Wann soll das passiert sein?“

„Am Samstag? Die Hausparty? Erinnerst du dich?“

„Oh. Du meinst als er weg war...hat er...uh. Verstehe!“

„Ach du verstehst gar nichts, Davis“, motzte sie ihn an und wand ihren Blick wieder zu TK, der sich vorerst zurückgehalten hatte. „Du hast zu Mariko gesagt, du würdest sie anrufen!“

„Ehm ja, aber ich wusste nicht was ich sagen sollte!“

Sein Gesicht war immer noch rot und er versuchte beiden nicht in die Augen zu schauen.

Diese Situation war mehr als nur peinlich. Es war ein Eingriff in seine Privatsphäre. Takeru hätte sie sicherlich noch angerufen, aber es war erst zwei Tage her. Durfte man sich etwa gar keine Zeit mehr lassen? Er hatte einfach noch nicht die richtigen Worte gefunden.

„Hey war wirklich super, aber trotzdem bin ich immer noch in meine beste Freundin verliebt, obwohl ich weiß, dass sie eigentlich nur meinen Bruder will.“

Das klang wirklich deprimierend. Und er wusste eben nicht, wie er mit einem One-Night-Stand umgehen sollte, zumal es noch sein erstes Mal war.

„Ich finde, du solltest dich umgehend bei ihr melden. Sowas macht man nicht, TK!“, tadelte ihn die Lilahaarige.

„Ach was. Warte noch ein bisschen. Du bist ihr doch keine Rechenschaft schuldig“, meinte Davis.

„Du bist wirklich ein Idiot. Hör bloß nicht auf ihn. Er ist ein Beziehungskrüppel!“

„Wie bitte? Und wem habe ich das Ganze zu verdanken?“, zischte er genervt, während Takeru nur den Kopf schüttelte.

Wahrscheinlich musste er wohl eher auf seine innere Stimme hören, als auf die beiden, die außerhalb seines Kopfes saßen. Nur er allein konnte entscheiden, wie das ganze weiter gehen sollte. Und Mariko etwas vorzumachen, kam für den Blondschopf keinesfalls in Frage.
 

Fortsetzung folgt...

Liebeskummer.


 

Tonight's the night when we forget about the heartbreaks.

22, Red. Taylor Swift, 2012.
 


 

28. Mai 2010. Odaiba, Japan. Vierer WG.
 

Taichi und seine dummen Ideen.

Das war der erste Gedanke, den Matt hatte, als sein bester Freund ihm eröffnete, er wolle eine Party für Kari und Mimi schmeißen. Eigentlich nur für Kari. Mimi musste er jedoch auch zufriedenstellen, da sie gemeinsam mit seiner Schwester angereist war.

Er hatte sich sicherlich schönere Wiedersehensmomente mit seiner Schwester vorgestellt, besonders nachdem sie gestern nach dem Eis essen so überstürzt aufgebrochen war.

Zwar hatten sie sich morgen bei ihren Eltern verabredet, aber dennoch störte Taichi etwas.

Wahrscheinlich kam er auch nur so auf die idiotische Idee eine Willkommensparty für sie zu schmeißen. Es war alles überstützt und Matt war sozusagen mitten im Geschehen.

Der Blondschopf stand gerade vor der Tür der WG seines Bruders. Tai hatte ihn darum gebeten, die Jüngeren ein wenig zu mobilisieren, da er sich in den Kopf gesetzt hatte, die Party direkt nach dem Kaffeeklatsch mit seinen Eltern steigen zu lassen.

Perfekte Ablenkung. Er wollte sogar Sora noch überreden, sich um Mimi zu kümmern.

Daher waren sie auch auf die helfenden Hände der zweiten Generation angewiesen. Izzy war nur bedingt einsetzbar, da die Uni ihn voll und ganz einspannte.

Und Joe? Er war dem ganzen Wahnsinn einfach entflohen. Von dem Rotschopf hatte Matt erfahren, dass er sich eine Auszeit nehmen wollte.

Keiner hatte so wirklich eine Ahnung, was es bei den Vorzeige-Medizinstudent bedeuten sollte.

Matt drücke auf die Klingel und schnaubte leise vor sich hin. Auch wenn er sich über den Besuch freute, fand er, dass es deutlich der falsche Zeitpunkt war.

Takeru war im Moment nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen. Wahrscheinlich lag es an seiner Reaktion, die seinen jüngeren Bruder so schockierte. Doch Matt konnte und wollte das ganze Drama in seiner bescheuerten Familie einfach nicht akzeptieren. Friede, Freude, Eierkuchen? Wer´s glaubt.

Es öffnete sich rasch die Tür und Davis streckte genervt seinen Kopf hervor.

„Hi, du willst sicher zu TK oder?“

„Eigentlich wollte ich zu euch allen“, verbesserte er ihn und ging an dem Igelkopf vorbei.

„Du musst doch langsam geschnallt haben, dass TK und ich freitags frei haben und ausschlafen wollen“, meckerte er grimmig und schloss die Tür hinter sich.

„Jaja, hab ich vergessen“, antwortete er und steuerte auf die Zimmertür seines kleinen Bruders zu.

„Er hat Besuch!“, meinte Davis warnend und setzte sich an den Küchentisch. Er gähnte herzlich und legte seine Wange auf seiner linken Handfläche sachte ab.

„Ich verstehe diese Beziehung immer noch nicht. Ist sie jetzt seine Freundin oder nicht?“

„Ich würde es eher als Fick-Freundin bezeichnen, aber ich schätze, dass sie es ein bisschen anders sieht“, erklärte er knapp. „Frauen eben“.

Matt schüttelte nur den Kopf und fuhr sich durch seine Haarpracht. Langsam fragte er sich wirklich, ob er einen schlechten Einfluss auf TK hatte. Früher war er nicht so rücksichtslos gewesen. Er war immer der kleine nette Junge von nebenan.

Vielleicht war es nur eine Phase. Vielleicht wollte er jedoch allen anderen beweisen, dass er eben nicht nur brav sein konnte.

„Ich habe Neuigkeiten für euch“, eröffnete Matt und schnappte sich den Stuhl gegenüber.

Davis zog nur die Augenbraune in die Höhe und musterte ihn skeptisch.

Er konnte sich wirklich nicht vorstellen, welche Neuigkeiten er für sie haben konnte. Möglicherweise lud er sie wieder zu einem seiner zahlreichen Konzerte ein, um damit anzugeben wie unwiderstehlich er doch war. Darauf konnte Davis gut und gern verzichten.

„Was gibt es denn schon wieder? Noch ein Konzert auf dem wir deine Schein-Fans spielen sollen?“

„Schein-Fans? Nein. Ich dachte ihr mögt meine Musik“.

„Ja nur wenn man ein Lied immer und immer wieder hört, geht es einem leider sehr schnell auf den Sack“, informierte ihn Davis ungeduldig. „Um was dreht es dich dann?“

„Kari ist zusammen mit Mimi zu Besuch gekommen!“

„Oh“, brachte er noch hervor und schluckte hart. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Sie war wohl die letzte Person, die er sehen wollte.

„Und weiter?“

„Tai will für beide eine Willkommensparty schmeißen!“

„WAS? Vergiss es! Ich komme nicht!“

„Sei doch nicht so kindisch, Davis!“, murrte der Ältere und gestikulierte mit den Händen. „Langsam musst du doch mal drüber hinweg kommen“.

„Ach muss ich das wirklich? Sie war nicht gerade nett zu mir!“, blaffte er ihn an.

„Du musst ja nicht groß mit ihr reden, sondern nur ein bisschen helfen. Ist doch auch für Mimi!“

Davis blies die Wangen auf und sah aus als würde er jeden Augenblick vor der Explosion stehen, doch er atmete laut aus und schüttelte den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein! TK wird sicherlich auch nicht hingehen wollen!“

„Wo will ich nicht hingehen?“

Beide wandten sich zu Takerus Zimmertür und sahen wie er mit Boxershorts und T-Shirt bekleidet vor ihnen stand. Leise schloss er seine Tür und gesellte sich zu ihnen.

„Pennt sie etwa noch?“

„Ja, hätte ich auch noch gerne, aber ihr brüllt hier einfach so rum! Um was geht es denn?“, wollte der jüngere Blondschopf wissen.

„Sie hat wirklich einen tiefen Schlaf“, kommentierte Matt fast flüsternd und erntete von seinem Bruder einen bösen Blick.

„Okay hier ist die Kurzfassung“, bereitete Davis ihn vor. „Kari und Mimi sind in Japan und dein Bruder will, dass wir ihnen eine Willkommensparty schmeißen“.

Takeru hatte sich noch nicht gesetzt, sondern stand mitten im Raum und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Kari war also wieder da. Sie hatte ihm noch nicht mal Bescheid gegeben.

Und dann war da noch Matt, der einfach so in seiner Wohnung saß und Veränderungsprozesse nicht akzeptieren konnte.

„Hast du Mama mal besucht?“, platzte plötzlich aus ihm hervor.

Matt wandte seinen Blick von ihm und presste seine Lippen aufeinander. Eigentlich hätte er mit dieser Frage rechnen müssen.

„Nein“, antwortete er nach einer kurzen Pause. „Habe ich noch nicht!“

„Man Matt, ich kann dich einfach nicht verstehen. Mama fragt jeden Tag nach dir! Du verletzt sie damit“, erklärte er wütend und funkelte ihn dringlich an.

„Ich komme mit der Situation einfach noch nicht klar!“

„Du hattest lange genug Zeit dich daran zu gewöhnen“, feuerte er zurück und sah zu Davis, der ihm nur ein Achselzucken schenkte.

„Das spielt doch gerade überhaupt keine Rolle. Tai hat mich gebeten, euch um Hilfe zu bitten. Also helft ihr mir jetzt, oder lasst ihr es bleiben?“
 


 

16. Oktober 2009. Odaiba, Japan. Zentralmensa der Universität.
 

Er hatte sich die ganze Woche davor gedrückt mit ihr zu reden. Doch Yolei saß ihm permanent im Nacken, sodass er sich dazu durchgerungen hatte ihr eine SMS zu schreiben.

Heute wollte er mit ihr reden. Ihr sagen, dass es wohlmöglich nur eine einmalige Sache war, da er immer noch seine beste Freundin liebte, die ihn wahrscheinlich niemals lieben würde.

Vielleicht hatte Mariko mit seiner Situation sogar Mitleid und beide könnten sich darauf einigen Freunde zu werden.

Okay er hatte sie nackt gesehen, aber das schloss eigentlich eine Freundschaft nicht gleich aus. Manche konnten Sex und Beziehungen gut voneinander trennen.

Und TK hatte das Gefühl, dass Mariko in solchen Dingen weniger Hemmungen hatte als er. Aber das weibliche Gehirn funktionierte meist anders als das männliche. Wer wusste schon, was ihn gleich erwartete. Ihre Antwort war nicht sonderlich aufschlussreich gewesen.

„Okay. Morgen in der Mensa? Um halb ein?“

Das kam auf die Frage hin, ob sie sich mit ihm treffen wollte. Mehr nicht. Keine Anzeichen eines psychischen Zusammenbruchs. Jedoch auch keine Anzeichen für das Gegenteil.

Erst als er sie in der Mensa erblickt hatte, konnte er ein wenig aufatmen.

Sie wank ihm zu und lächelte verhalten.

Takeru atmete tief durch, hielt seinen Tablett jedoch weiterhin in einem Klammergriff fest. Mit langsamen Schritten ging er auf sie zu. Seine Füße glichen zwei Betonklotzen. Was war, wenn sie sich darunter wirklich mehr versprach? Was war, wenn er sie verletzte?

Er wäre dann nicht besser als Hikari, obwohl sie es bei ihm noch nicht mal bewusst getan hatte. Er hatte ihr nie seine Gefühle gestanden. Er dachte, dass es wahrscheinlich eh nichts bringen würde.

Sie liebte Matt, aus welchen Gründen auch immer.

Takeru stoppte, grinste für seine Verhältnisse recht dämlich und ließ sich mit samt dem Tablett nieder.

„Hey, wie geht’s dir?“, fragte die Brünette, so als wäre zwischen ihnen nie etwas vorgefallen.

„Ganz gut, denke ich“, antwortete er und presste die Lippen aufeinander. „Sorry dass ich mich erst gestern bei dir gemeldet habe.“

Sie lächelte schwach und drehte die Flasche Orangensaft, die sie sich geholt hatte, auf.

„Normalerweise mache ich sowas nicht“, gestand er und blickte unsicher zu ihr.

Sie nippte an ihrem Getränk und zog automatisch die Augenbraue nach oben, als er seinen Satz beendete.

„Normalerweise?“

„Eigentlich habe ich sowas noch nie gemacht“, sagte er zähneknirschend und lief prompt rot an.

„Was heißt das denn jetzt? Warst du etwa noch…oh. Okay verstehe“. Sie schaute schüchtern zu ihm und lächelte unbeholfen. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet.

Ihm war das Ganze mehr als unangenehm. Er hatte gar nicht vorgehabt, ihr zu sagen, dass er an jenem Abend noch Jungfrau war.

Etwas Peinlicheres gab es wohl kaum, für einen Achtzehnjährigen, der bereits die Universität besuchte.

„Also ich finde es wirklich sehr süß, dass du mir das anvertraust“, durchbrach sie die Stille. „Ich hätte es jetzt nicht erwartet!“

„Das ich Jungfrau bin? Ehm ich meinte war“.

„Naja du siehst nicht gerade schlecht aus, ich dachte deswegen eher, das die Mädels bei dir Schlange stehen“, schlussfolgerte sie und zuckte locker mit den Schultern.

„Okay. Vielleicht habe ich es einfach noch nicht ausgenutzt. Ich bin ja nicht wie mein Bruder“, berichtete er und merkte erst gar nicht den unbewussten Seitenhieb gegen Matt.

„Dein Bruder? Ach Yolei hat mir erzählt, er sei der Sänger von den Teenage Wolves“.

„Ist er. Du kannst dir ja vorstellen, dass er sehr beliebt sein muss! Manche fragen mich sogar nach seiner Nummer“.

„Wirklich? Ist ja krass!“

Er nickte nur. Wahrscheinlich würde er für Ewigkeiten im Schatten seines großen Bruders stehen. Selbst Mariko klang begeistert, auch wenn sie noch nicht nach seiner Nummer gefragt hatte.

„Willst du sie haben? Ich kann ihn dir auch persönlich vorstellen! Du wärst sicher sein Typ“, witzelte er, doch in ihm brodelte es vor Wut.

Takeru würde ihm nie das Wasser reichen können.

Mariko biss sich auf die Unterlippe und schaute kurz zu Boden.

„Ich denke ich finde jemand anderen viel interessanter“, eröffnete sie und schaute ihm direkt in die Augen.

Takeru wurde es augenblicklich recht heiß. Jetzt sollte er wohl, „Ich-bin-immer-noch-in-Kari-verknallt-Karte ziehen. Doch seine Lippen bewegten sich nicht. Noch immer starrten sich beide wortlos an.

Erst jetzt viel ihm auf, dass sie noch nichts gegessen hatten. Allmählich fühlte er sich fast schon so ein wenig wie hypnotisiert.

Ihre Augen waren genauso karminrot wie die von Hikari. Auch die Haarfarbe war dieselbe, nur das Marikos Haare um einiges länger waren.

Er mochte lange Haare.

„Wie wäre es wenn wir uns nochmal so treffen? Morgen ist doch Samstag“, stellte sie fest und riss ihn aus seiner Hypnose.

„Die Kari-Karte“, schoss ihm plötzlich durch den Kopf. Sie war schon knapp drei Monate weg und noch immer spukte sie in seinem Kopf herum. Er musste sie doch irgendwann mal vergessen. Jedenfalls als potenzielle Geliebte.

Vor ihm saß tatsächlich ein Mädchen, dass Interesse an IHM hatte. Nicht an Davis. Nicht an Ken. Und vor allem nicht an Matt.

An ihm!

Wieso sollte er es nicht versuchen? Es war nur eine Verabredung. Und sie würden sicherlich nicht gleich wieder im Bett miteinander laden. Langsam sollte die Kari-Karte in den Hintergrund rutschen. Es würde ihm nichts bringen, sich an einer Traumvorstellung festzuhalten, wenn er genau wusste, dass nie etwas daraus werden würde.

Er musste nach vorne schauen.
 


 

Genervt stand sie an einer Mauer und tippte mit ihren Fuß auf und ab. Es war wirklich das letzte Mal, dass sie auf Davis und TK warten würde.

Schon seit fünfzehn Minuten, waren ihre Veranstaltungen aus und noch immer waren sie nicht in Sicht.

Da hatte sie sich so beeilt, um pünktlich am Treffpunkt anzukommen und im Nachhinein war sie es, die auf die beiden Herren warten musste.

Yolei wollte wirklich nach Hause. Sie hatte Hunger, ihre Füße waren in den neuen Schuhen angeschwollen und langsam aber sicher bekam sie Kopfschmerzen.

„Das kann doch nicht wahr sein“, knurrte sie, als ihre Uhr schon zwanzig nach sechs anzeigte.

Immer wieder ermahnte Davis sie, ja nicht zu spät zu kommen und immer wieder war sie diejenige, die sich die Beine in den Bauch stand.

Erst fünf Minuten später, sah sie den Igelkopf und Takeru langsam auf sie zu kommen.

„Man was dauert denn so lange?“, rief sie den beiden zu und biss die Zähne zusammen, als ihre neuen Schuhe auf eine wohlmögliche Blase drückten. Sie musste unbedingt aus diesen Schuhen raus. Das war ja zum wahnsinnig werden.

„Tut mir leid“, jammerte Davis. „Aber TK musste ja noch so lange flirten!“

„Man Davis, das stimmt gar nicht“, rechtfertigte sich der Blonde und wurde leicht rot um die Nase.

Flirten? Yolei wurde hellhörig. Wollte er sich heute nicht mit Mariko zum Essen treffen?

„Ich dachte du wolltest dich mit Mariko treffen. Und jetzt flirtest du? Sind wird in diesem komischen Paralleluniversum aus Davis‘ Traum?“

„Beruhig dich mal“, japste der Igelkopf und grinste schief. „Er und Mariko scheinen sich im Moment wirklich gut zu verstehen! Sie haben sich sogar morgen verabredet“.

„Du bist so eine Petze“, nuschelte der Blonde und verrollte die Augen.

Yolei hingegen musterte beide und verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse.

„Ich dachte du wolltest ihr sagen, dass du dir im Moment nichts vorstellen kannst“.

„Darf man seine Meinung nicht ändern?“, fragte er zynisch und drückte sich an beiden vorbei.

„Ja schon, aber du hast doch noch Gefühle für Kari“, unterstellte sie ihm und rückte ihre Brille zurecht.

„Boah lass ihn doch glücklich werden. Kari kann man in der Hinsicht doch vergessen!“, blaffte Davis sie an und Yolei bemerkte schnell, dass sein Gesicht zu entgleisen drohte. Das Thema Kari war immer noch hochgradig explosiv.

Auch wenn sie ihre beste Freundin war, wollte sie nicht weiter auf dem Thema herum hacken. Davis war als Trauerkloß einfach nicht ertragbar.

Sie schluckte daraufhin ihre aufkommenden Gegenargumente hinunter und murmelte ein „Ja vielleicht hast du recht“ ihm entgegen. Sein Gesicht entspannte sich daraufhin wieder und beide schritten in einem kleinen Abstand hinter TK her.

Doch Yolei wusste, dass diese Sache meilenweit gegen den Wind stank. Auch ihr war Marikos Ähnlichkeit zu Kari nicht entgangen. Kein Wunder das Takeru sich zu ihr hingezogen fühlte. Er sah Kari in ihr. Doch Mariko war nicht Kari.

Sie schien ihn wirklich zu mögen und Yolei wusste, dass Takeru sie früher oder später verletzen würde. Es war unvermeidlich. Seine Intension war sicherlich die Falsche. So würde er Kari nicht vergessen können.
 


 

17. Oktober 2009. New York, USA. Studentenwohnheim.
 

Mimi lag gerade ausgestreckt auf ihrem Bett und genoss die Ruhe, als es plötzlich klopfte. Sie schreckte hoch und sah automatisch auf die Uhr. Sie hatte sich mit Kari verabredet, um ein bisschen mit ihr shoppen zu gehen. Die junge Japanerin brauchte dringend ein paar weiblichere Klamotten – so empfand es jedenfalls Mimi.

Doch als sie die Uhrzeit sah, war sie schlichtweg verwundert gewesen. 13:21 Uhr.

Sie wollten sich doch erst in einer Stunde treffen? Was machte sie jetzt schon hier? Oder noch schlimmer: vielleicht war es Michael, der mal wieder körperliche Liebe suchte.

Sie stöhnte laut und stand langsam auf. Wieder klopfte es und Mimi verrollte genervt die Augen.

„Ich komme ja schon“.

Mittelweile war sie sich wirklich sicher, dass es nur Michael sein konnte. Kari klopfte meist nur einmal und wartete bis Mimi ihr die Tür öffnete.

Michael hingegen wurde in solchen Momenten immer leicht ungeduldig. Besonders wenn er diesen gewissen „Druck“ verspürte.

Fast schon wiederwillig drückte sie die Türschlenke nach unten und öffnete die Tür.

„ÜBERRASCHUNG!“, brüllten ihr, zwei sehr bekannte Gesichter entgegen und umarmten sie stürmisch.

Mimis Augen weiteten sich. Damit hatte sie heute wohl wirklich nicht gerechnet.

Sie befand sich immer noch in der Umarmung, die ihr drohte die Luft abzuschnüren.

„Mama? Papa? Was macht ihr denn hier?“, brachte sie gerade noch hervor und wurde abrupt von ihnen losgelassen.

„Wir wollten dich besuchen. Ich hoffe wir haben dich nicht bei irgendetwas gestört“, sagte ihre Mutter grinsend und ließ sich prompt selbst hinein.

„Ihr stört doch nicht“, meinte sie sarkastisch und schloss die Tür hinter sich, nachdem alle eingetreten waren.

Ihre Mutter lachte leise und setzte sich auf einen Stuhl. „Es hätte ja sein können, dass du und Michael beschäftigt seid. Dein Vater und ich konnten auch nie die Finger voneinander lassen, als wir noch jung waren“.

„Igitt Mama. Auf welche Ideen kommst du nur?“, fragte sie angewidert und schaute hilfesuchend zu ihrem Vater, der verlegen grinste.

„Ich weiß gar nicht was du hast. In deinem Alter ist es doch normal sexuell aktiv zu sein, meinst du nicht Keisuke?“

Dieser warf seiner Frau nur einen bösen Blick zu. Sie wusste genau, dass er als Vater auf dieses Thema äußerst empfindlich reagierte.

Er wollte einfach nicht, dass sein kleines Mädchen schon erwachsen wurde, geschweige denn schon Sex hatte.

Wenn er ehrlich war, war Michael ihm immer schon ein Dorn im Auge gewesen. Oft hatte er mitbekommen, wie sich seine Tochter wegen ihm die Augen aus dem Kopf weinte und ihn trotzdem immer wieder zurücknahm, wenn er sich bei ihr entschuldigte. Er hoffte wirklich, dass es Mimi eines Tages schaffte, ihm den endgültigen Laufpass zu geben.

Er sollte definitiv nicht sein Schwiegersohn und Vater seiner Enkelkinder werden.

Mimi hingegen stand immer noch mitten im Raum, während sich ihr Vater bereits setzte.

Warum mussten sie ausgerechnet über ihr Sexleben reden? Waren ihre Besuche nicht schon peinlich genug?

Sie fragte sich langsam wirklich, wann diese Überraschungsbesuche endlich aufhören würden. Wozu gab es heutzutage denn Telefone? Sie waren bestimmt nicht nur dazu da, ab und zu mal eine Pizza zu bestellen.

Hätte sie bloß nicht die Tür aufgemacht.
 


 

Kari ging den Flur entlang und bemerkte, dass sie eigentlich zehn Minuten zu früh dran war. Doch sie kannte Mimi mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass sie sowieso nie zu der verabredeten Zeit losgingen. Meist verquatschen sie sich und kamen meist überall viel zu spät an.

Klischeehaft, nicht wahr? Frauen, die immer zu spät kamen, weil sie sich noch über die neuesten Modetrends austauchen mussten.

Sie lächelte bei diesem Gedanken und blieb direkt vor Mimis Tür stehen. Sie klopfte wie immer nur einmal und wartete auf eine Rückmeldung ihrer Freundin.

Diesmal dauerte es ein wenig, bis sie die Tür mit hochroten Kopf öffnete.

„Gut das du da bist“, begrüßte Mimi sie und trat in den Flur.

„Was ist denn los? Du bist ja ganz rot“, stellte Kari sorgenvoll fest.

„Meine Eltern sind hier und treiben mich zur Weißglut! Du muss ihnen unbedingt glaubhaft versichern, dass wir jeden Augenblick los müssen und sonst spiel einfach nur mit, alles klar?“

Sie nickte nur und schenkte Mimi einen verwirrten Blick. Lange Zeit zum Überlegen hatte sie jedoch nicht, da sie von der Brünetten direkt mithinein gezogen wurde.

„Mama, Papa, das hier ist meine Freundin Kari“, stellte sie die junge Japanerin vor und hakte sich bei unter.

Das Gesicht ihrer Mutter entgleiste und auch ihr Vater verschluckte sich beinahe an seinem Saft.

Kari beäugte die Situation kritisch und zog ihre Stirn in Falten, während Mimi selbstgefällig grinste.

„Was ist hier los?“, flüsterte sie ihr zu.

„Ach ich genieße gerade den Moment der Überlegenheit!“, antwortete sie und funkelte ihre Mutter herausfordernd an.

„D-Das ist doch nicht dein E-Ernst, oder?“

„Was denn? Ich habe gedacht ihr wärt mit jedem Lebensstil einverstanden, den ich wähle!“, feuerte sie zurück.

Kari verstand nur Bahnhof. „Ich versteh gar nichts mehr“.

Mimi lachte nur und wank ab.

„Ich habe ihnen nur erzählt, dass ich lesbisch bin. Aber keine Sorge...ich bin immer noch die Alte“.

Jetzt war Kari diejenige, der das Gesicht entgleiste. War sie jetzt etwa die „Schein-Lesben-Freundin“?

Was ging denn nur in ihrem Kopf vor?

Kari blickte zu Mimis Eltern, die immer noch ungläubig aus der Wäsche schauten, während sich die 20-Jährige ganz nah an sie drückte.

„Wann ist das denn passiert?“, fragte Satoe Tachikawa fassungslos. „Und was ist mit Michael?“

„Ach der macht ab und zu auch gerne mal mit. Sowas nennt man dann einen flotten Dreier!“

„Mimi! Was redest du da?“, wollte Hikari wissen und befreite sich aus ihren Klammergriff.

„Man Kari, dass nennt man eine Improvisationsnummer! Außerdem musste ich doch etwas sagen, nachdem meine Eltern mich nach meinen Verhütungsmethoden ausgefragt haben“.

Die Jüngere verzog das Gesicht und betrachtete die Tachikawas, die sich beide in einer Art Schockstarre befanden. Mimis Vater war sogar weiß wie eine Wand.

„Ich habe ihnen nur gesagt, dass man sich als Lesbe nicht mehr solche Gedanken machen müsste“, berichtete sie fröhlich weiter. Kari nickte nur und Mimis Mutter merkte allmählich, dass Mimi sie nur verarscht hatte.

„Wieso erzählst du nur so einen Mist? Ich habe schon gedacht, ich müsste meinen Wunsch Oma zu werden komplett aufgeben!“, wetterte sie angesäuert.

„Als Lesbe kann man auch Kinder haben. Durch eine Adoption. Oder man sucht sich eben einen Samenmann“, berichtigte Mimi sie und sah zu ihrem Vater. Er war immer noch geschockt, von der Bombe, die seine Tochter vor wenigen Minuten platzen ließ.

Er hatte noch nicht mal richtig mitbekommen, dass Mimi sie nur veräppelt hatte. Erst als Satoe wiederholte, dass es sich um einen Scherz handelte, atmete er erleichtert aus.

„Das war jetzt die Rache für das peinliche Gespräch über Verhütung! Mama, ich bin zwanzig. Ich weiß schon, wie es richtig funktioniert. Ich brauche auch keine Demonstration an der Banane, okay?“

„Ja, ja schon verstanden. Und jetzt stell‘ uns erstmal anständig deine neue Freundin vor“, forderte sie ihre Tochter auf. Kari lächelte unbeholfen und hatte immer noch nicht alle Zusammenhänge, der letzten fünf Minuten zusammen bringen können. Mimi war eben eine Dramaqueen – durch und durch.

„Eigentlich müsstet ihr Kari noch kennen. Sie kommt auch aus Japan“, meinte sie skeptisch und zog die Augenbraue nach oben.

„Naja du warst eher mit Sora und meinem Bruder befreundet“, korrigierte Hikari sie.

„Mit Tai war ich nie befreundet!“, stellte die Brünette klar.

„Tai? Ach du bist die kleine Schwester von ihm, richtig?“ So langsam schienen auch bei ihrer Mutter die Erinnerungen, an ihre Zeit in Japan zurück zu kehren. „Mimi war ja eine Zeitlang ganz schön in ihn verknallt gewesen!“

Okay, jetzt erinnerte sie sich definitiv an zu viele Details.

„WAS? Bestimmt nicht!“, verteidigte sie sich und lief rot an.

„Ach Mimi, du hast doch Tag täglich von ihm geschwärmt.“

„Mama“, zischte sie und schaute zu Kari, die bis über beide Ohren grinste.

Mimi war also mal in ihren Bruder verknallt gewesen. Interessante Geschichte. Vielleicht verhielt sie sich deswegen ihm gegenüber so seltsam und überaus zickig.

Doch wenn Kari genauer darüber nachdachte, wurde ihr bewusst, dass es wohlmöglich schon Jahre her sein musste. Wahrscheinlich war es sogar noch vor Amerika gewesen. Und das würde sie ihm sicherlich nicht all die Jahre spüren lassen. So war Mimi einfach nicht. Sie war kein sonderlich nachtragender Mensch.

Tai und sie waren einfach zwei vollkommen verschiedene Persönlichkeiten. Kein Wunder, dass es ab und zu mal knallte. Bei Matt und ihm war es ja auch schon oft der Fall gewesen.

Es gehörte wohl zu der Freundschaft dazu, sich manchmal zu streiten.

Bisher waren Mimi und Kari davon verschont geblieben. Vielleicht war es nur eine Frage der Zeit, bis es bei ihnen auch das erste Mal so richtig krachte.

Kari hoffte jedoch, dass es nicht so schnell passierte.
 


 

„Und kommt deine Angebetete heute Abend wieder vorbei?“, stichelte Peter, während er entspannt auf seinem Bett einen Comic las. Wallace kam gerade aus dem Bad und hatte noch nasse Haar, die er mit einem Handtuch trocken rubbelte.

„Peter“, knurrte er und warf ihn mit dem nassen Handtuch ab.

„Was zur Hölle? Ein nasses Handtuch? Das ist doch wirklich nicht dein ernst?“, meinte er und hielt das nasse Stück Stoff in die Höhe. Sogar sein Comicheft war nass geworden.

Wahrscheinlich sollte er wirklich seinen Mund trainieren und Wallace nie mit Kari konfrontieren, wenn er direkt aus der Dusche kam.

Er warf es nun achtlos in die Ecke und schlug den Comic endgültig zu.

„Aber jetzt sag doch mal…wie geht es mit euch beiden weiter?“

„Ich denke wir werden vorerst weiterhin befreundet bleiben“, schlussfolgerte der Blonde und ließ sich auf seinem Bett nieder.

„Also willst du mit dem Schmerz der unerfüllten Liebe leben?“

„So ungefähr“.

„Klingt ja fast so, als wolltest du aufgeben“, stellte Peter missmutig in den Raum. Doch Wallace schüttelte den Kopf und legte sich auf die Matratze.

„Ganz im Gegenteil. Ich stehe ihr als Freund zur Seite, bis ich sie nach und nach von meinen positiven Eigenschaften überzeuge“, erklärte er und grinste schief.

„Dein Ernst? Wo hast du das denn aufgeschnappt?“

„So hat es mein Vater gemacht“, brummte er und schmollte leicht. „Er war jahrelang der beste Freund meiner Mutter gewesen, bis sie erkannte, dass er der perfekte Mann für sie ist“.

„Deine Eltern sind doch geschieden“, antwortete er stirnrunzelnd.

„Ach Papperlapapp. Du bist ein richtiger Pessimist!“

„Realist“, warf er ein.

„Wie auch immer. Es wird schon klappen!“, meinte er hoffnungsvoll und stieg schwungvoll vom Bett.
 


 

Der heutige Tag war für Hikari mehr als nur chaotisch verlaufen. Gerade befand sie sich auf dem Weg zu Wallace und Peter, die mit ihr gemeinsam ein paar Videospiele spielen wollten.

Nach diesem Tag war es wohl das einzige zu dem sie noch fähig war. Mimi schleppte sie in dutzende Läden und sie musste ein Kleid nach dem anderen anprobieren, während sie alle bis ins kleinste Detail inspizierte.

Auch ihre Eltern waren mitgegangen.

Wie Mimi es erwartet hatte, konnte selbst ihre „Schein-Lesben-Aktion“ ihre Eltern nicht aufhalten mit ihr den Tag zu verbringen. Gegen Abend wollten sie Mimi zum Essen ausführen und wahrscheinlich würde sie erst spät in der Nacht wieder nach Hause kommen.

Wenn Kari ehrlich zu sich war, hatte sie sicherlich tausend andere Ideen wie sie ihren Samstagabend verbringen wollte. Doch Wallace und Peter waren schlichtweg einfach keine Partytiere. Sie hockten lieber in einem kleinen Zimmer zusammen und killten Zombies.

Kari hingegen wollte einfach Spaß haben. Tanzen gehen und sich mit netten Leuten unterhalten. Wallace, Peter und Mimi waren bisher immer noch ihre einzigen Freunde gewesen.

Mit Emily befand sie sich immer noch mitten im Krieg und zwischen ihr und April herrschte Eiszeit. Warum konnte sie keine fröhliche, lebenslustige Mitbewohnerin haben, mit der sie auf Partys gehen konnte? Warum musste sie einen Cello-spielenden, verbissenen Karrierefreak als Zimmergenossin beherbergen?

War es nicht schon schwer genug, sich in einem fremden Land zurecht zu finden?

Wohl eher nicht.

In ihrer ganzen inneren Aufregung bemerkte sie erst gar nicht, wie jemand ihren Namen rief. Erst als sie fast schon vor ihr standen, erkannte Kari, dass sie gemeint war.

Es waren Michael und Carter, die sie beide freundlich begrüßten.

„Na das ist ja ein Zufall. Willst du auch auf die Party in der Studibar?“

„Ehm eigentlich wollte ich mit Wallace und Peter ein paar Videospiele spielen“, antwortetet sie wahrheitsgemäß.

„Echt? Klingt ja voll langweilig“, erwiderte Carter und blickte auf sie herab. „In der Studibar gibt es heute sogar Karaoke!“

„Okay. Ich kann leider nicht so gut singen!“

„Ach, das ist egal! Aber es macht bestimmt mehr Spaß, als den Samstagabend mit Videospielen zu verplempern, oder?“, meinte Michael verschmilzt und zwinkerte ihr zu.

„Ähm, das kann schon sein, aber die beiden warten ja auch mich“, sagte sie und zeigte in die Richtung der Wohnhäuser.

„Ach die werden das sicher verstehen und wenn sie keine Langweiler sind, würden sie sich dir sicher anschließen“.

Carter gestikulierte dramatisch und wartete danach Hikaris Reaktion ab. Schon bei der letzten Party hatte er sie versucht rumzukriegen, doch die ganze Zeit schwärmte dieser Wallace um sie herum und beobachtete ihn mit Argusaugen. Heute wollte er sich sicherlich nicht die Chance entgehen lassen, sie endlich ins Bett zu bekommen.

„Ich weiß nicht“, murmelte sie verunsichert.

„Komm schon Kari. Du bist nur einmal jung. Und Videospiele kannst du auch morgen mit einem Kater spielen“, spekulierte Michael und drängte sie regelrecht zu einer Antwort.

„Ach, was soll´s. Wird sicher lustig da oder?“

„Bestimmt“, meinte Carter und legte den Arm um Michaels Schultern. „Lustiger als du dir bisher vorstellen kannst“.
 


 

Sie saßen sich gegenüber und schlürften gerade an ihren Cocktails, als Mariko die Stillen zwischen ihnen unterbrach.

„Hier ist es wirklich schön. Bist du öfter hier?“, fragte sie fröhlich.

„Eigentlich nicht mehr, seit...“, er stoppte abrupt und biss sich auf die Lippe.

„Seit?“

Er stöhnte leise und verfluchte sich innerlich dafür, ihr Gespräch auf das leidige Thema gelenkt zu haben. Früher war er mit Kari öfters hier gewesen. Sie tranken alkoholfreie Cocktails und tanzten ausgelassen zusammen. Etwas was sie immer seltener taten, nachdem sie ihm gestanden hatte, dass sie sich in Matt verliebt hatte. Vielleicht hatte sie gemerkt, dass es ihm etwas ausmachte.

Schließlich war die Rede hier von Matt und nicht irgendeinem Unbekannten, der ihm egal sein konnte.

Takeru sah zu Mariko, die gespannt auf seine Antwort wartete. Was sollte er tun? Ihr die Wahrheit sagen? Seinem Date erklären, dass das Mädchen das er liebte, sich zurzeit auf einem anderen Kontinent aufhielt und obendrein in seinen Bruder verliebt war? Damit würde er sie sicher vergraulen.

„Ich war hier öfters mit einigen Freunden gewesen. War ganz lustig“, erwiderte er und versuchte besonders gelassen zu wirken, damit nicht noch mehr Fragen aufkamen.

„Es war lustig gewesen? Warum geht ihr nicht mehr zusammen hin?“

„Es haben sich ein paar Dinge verändert. Meine beste Freundin studiert zurzeit in Amerika und auch vorher gab es schon ein paar Probleme“.

„Probleme?“

Ups. Voll ins Fettnäpfchen getreten. Das mit den Problemen hätte er sich auch sparen können.

„Ä-Ähm ja...also. Davis und meine beste Freundin Kari waren für ein paar Monate ein Paar gewesen und ja...“, stammelte er sich zurecht und rührte mit seinem Strohhalm nervös in seinem Cocktail herum.

„Lass mich raten. Beide haben sich getrennt und wollen jetzt nichts mehr miteinander zu tun haben, richtig?“

„Kann man so sagen“, meinte Takeru und wisch ihren Blicken aus.

Er wollte nicht die ganze mitleidige Geschichte erzählen.

Dafür hatte er schlichtweg zu gute Laune gehabt, die allmählich zu schwinden drohte.

Auch Mariko merkte schnell, dass sich sein Gemütszustand verändert hatte. Takeru hingegen hoffte, dass sie bald ein anderes Thema einschlagen würden. Über Kari wollte er wirklich nicht mehr reden. Er war es leid geworden.

„Hey wie wäre es, wenn ich uns etwas Alkoholisches spendierte? Das hebt die Stimmung“, flötete sie und kramte in ihrer Tasche ihren Ausweis hervor.

„Ich glaube damit wirst du nicht viel Glück haben. Die schenken keinen Alkohol an unter 21-Jährige aus, selbst wenn du mit dem Barkeeper flirtest“.

„Laut des Ausweises bin ich aber sogar schon 22“, sagte sie und hielt ihm das Stück Plastik unter die Nase.

„Du hast einen gefälschten Ausweis?“, fragte er schockiert und betrachtete sich das Plastikkärtchen genauer.

Erst beim genaueren Hinschauen erkannte er, dass Mariko nicht die Person auf dem Foto war.

„Der Ausweis gehört meiner Schwester. Bisher hat es immer geklappt. Liegt wohl daran, dass wir uns so ähnlich sehen“, meinte sie lässig und stand auf.

TK gab ihr den Ausweis zurück und hörte gerade noch, wie sie ihm „Ich bin gleich wieder da“, zurief.

Dann verschwand sie zur Bar.

Takeru atmete erleichtert aus und ließ sich zurückfallen. Die weichen Schaumstoffstühle waren äußerst bequem, auch wenn er mit Kari meist nie lange auf seinem Hintern sitzen bleiben konnte.

Er war gespannt, ob Mariko ihn heute auch noch zum Tanzen zwang. Er grinste bei diesem Gedanken leicht, da er wirklich nicht gerade zu den besten Tänzern gehörte. Aber solange es Spaß machte, konnte man sich sicherlich einen Abend zum Trottel machen.

Er schlürfte geräuschvoll an seinem Getränk und beobachtete die Personen, die gerade zur Tür hineinkamen. Plötzlich weiteten sich seine Augen, als sein Blick zwei sehr bekannte Gesichter einfing.
 


 

Matt und Tai waren gerade durch die Tür gekommen, als der Brünette ein genervtes Gesicht aufsetzte. Angeblich wollte Matt nur etwas mit ihm trinken gehen, doch insgeheim wusste er, dass die Sora-Sache noch lange nicht abgeschlossen war.

Zwar hatten sie sich während der Einweihungsparty locker unterhalten und auch Matt hatte Gelegenheit gehabt mit ihr zu sprechen, doch trotzdem war er nach wie vor skeptisch.

Vielleicht lag es daran, dass sie momentan nicht viel Zeit miteinander verbrachten.

Sora war mit ihrem Studium voll und ganz ausgelastet. Besonders die ersten Wochen, waren immer recht hart für sie. Auch die Tatsache, dass sie mittlerweile mit Yolei zusammen arbeitete, zerrte an ihren Nerven. Tai hatte sie vorgestern kurz auf dem Campus gesehen. Sie war gerade auf dem Weg zu ihrer Schicht ins Café. Sie hatte nicht viel Zeit gehabt, doch ihren Unmut über Yoleis Lautstärke konnte sie dennoch loswerden.

Matt konnte jedoch nicht sehen, dass alles soweit in Ordnung war. Jeder hatte am Anfang des Semesters Stress.

„Sie sieht voll traurig aus“.

Das sagte er einmal zu ihm, als sie abgehetzt an ihnen vorbei lief. Eigentlich wollte Sora nur pünktlich zu ihrer nächsten Veranstaltung kommen und achtete gar nicht auf ihre Gesichtszüge, die bei Matt wohl alle Alarmsignale in Bewegung setzten.

In solchen Momenten war er einfach nur anstrengend. Tai wusste, dass er was Beziehungen anbetraf, nie unkompliziert war. Aber er würde sich freuen, wenn der Blondschopf sich nur um seine Eigenen kümmern würde.

Heute rief auch noch seine Mutter an, die ihn Anfang der Woche zum Essen einlud.

Keine typische Situation. Matt hatte schon den Verdacht, dass seine Mutter mal wieder umzog, besonders weil sie auch TK zu sich eingeladen hatte.

Wahrscheinlich hatte sie mal wieder einen neuen Job, der sie dazu zwang alles hinter sich zu lassen.

„Hey ist das da vorne nicht TK?“

Tai deutete auf den Blondschopf, der sich versuchte hinter einer Karte zu verstecken. Aber selbst Tai kannte mittlerweile die Mützen und Shirts, die er im Schrank hatte.

„Du hast Recht“, meinte Matt und steuerte schnurstracks auf den Jüngeren zu. Tai folgte ihm wortlos.

„Das ist ja eine Überraschung, nicht wahr kleiner Bruder?“, begrüßte er ihn grinsend und TK ließ die Karte auf den Tisch gleiten.

„Oh hallo Matt, ich hab dich gar nicht gesehen“, log er und schlug die Karte zu.

„Schon klar! Was dagegen wenn wir uns zu dir setzten?“, wollte der Ältere wissen. Er hatte jedoch, die Handtasche auf dem anderen Stuhl, aus dem Augenwinkel heraus bereits entdeckt.

Sein Brüderchen schien heute wohl ein Date zu haben.

Ach der Charme lag wohl einfach in der Familie.

„Ich bin nicht alleine hier“, knurrte er und machte beide auf die Tasche aufmerksam.

„Hast du etwa ein Date?“, fragte er grinsend und durchsuchte die Masse.

„Und wenn schon? Jetzt haut gefälligst ab!“

Tai verschränkte die Arme hinter dem Kopf und erspähte bereits einen freien Tisch, an den sich die beiden setzten konnten.

„Komm lass ihn. Da hinten ist etwas frei“. Tai berührte Matts Arm und zeigte in die Richtung des freien Tisches.

Matt folgte seiner Handbewegung, schaute danach aber gleich wieder zu TK, der immer ungeduldiger wurde und mit dem Zeigefinger auf dem Tisch tippte.

„Okay“, murrte er und drehte ihm kurz den Rücken zu. „Sehen wir uns am Dienstag bei Mama?“

Er drehte sich wieder zu ihm und bemerkte das Takeru bereits vor Wut kochte.

„Ja! Und jetzt verpisst euch!“, blaffte er beiden zu und signalisierte mit einer Handbewegung, dass sie sich in Bewegung setzen sollten.

Matt schüttelte nur den Kopf und wand sich Tai zu, der bereits den freien Tisch ansteuerte.

„Er ist ganz schön frech, findest du nicht?“

„Kannst du es ihm etwa verübeln?“, stellte Tai in den Raum und setzte sich auf den Stuhl. „Du bespringst ja alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist!“

„Das würde ich bei ihm nie tun!“, räumte er ein und setzte sich ebenfalls.

„Sag das lieber mal deinem betrunkenen Ich!“, forderte Tai ihn auf und schnappte sich eine Karte. „Sie ist übrigens wieder an ihrem Platz!“

Matt, der mit dem Rücken zu ihnen saß drehte sich fast schon auffällig zu ihnen hin, während Tai ganz gespannt die Getränkekarte durchging.

„Also ich finde, sie sieht deiner Schwester aber ganz schön ähnlich“, stellte der Blondschopf mit Entsetzen fest.

Sein Bruder suchte sich doch nicht im Ernst eine Ersatz-Kari?

„Sie hat viel längere Haare als Kari und außerdem ist sie größer“, räumte Tai nüchtern ein und entschied sich zu einem Tropical Sunrise. „Sei doch froh, wenn er mal glücklich ist!“

„Das bin ich doch“, nuschelte er und richtete seinen Blick wieder zu Taichi, der ihn sorgenvoll anschaute.

„Was ist?“

„Keine Ahnung, sag du’s mir! Seit dem Anruf von deiner Mutter verhältst du dich einfach nur komisch“, sagte Tai wahrheitsgemäß, in der Hoffnung er würde sich ihm endlich anvertrauen.

Matt hingehen presste die Lippen aufeinander und sagte vorerst nichts. Er bestellte zuerst die Getränke, bevor er auf die Aussagen von Taichi näher einging.

Wahrscheinlich brauchte er einfach etwas alkoholische Unterstützung.

„Ich habe das Gefühl, dass Mama einen neuen Job angenommen hat und hier wegzieht!“

„Und weiter? TK wird sie sicher nicht mehr mitnehmen!“, antwortete Tai und runzelte die Stirn.

„Aber TK hat schon Kari verloren. Wenn Mama auch noch geht...i-ich glaube das verkraftet er nicht“.

„Du tust aber gerade so als wäre er immer noch acht. Er braucht wirklich keinen mehr, der ihn beschützt. Er hat genug Freunde, die zu ihm stehen. Und dein Vater ist auch noch da“, erklärte Tai umfangreich und schnappte kurz nach Luft.

„Außerdem weißt du gar nicht was deine Mutter euch erzählen will. Vielleicht hat sie ja einen neuen Freund, den sie euch vorstellen will. Sei einfach nicht so dramatisch, Yama“.

„Deine Vorstellung ist ja noch schlimmer“, stellte Matt fest und raufte sich die Haare. „Ich glaube ich sollte mit TK vorher darüber reden“.

„Das muss leider warten“, lachte Taichi und deutete auf die Tür, aus der Takeru und Mariko gerade verschwanden.

„Na toll“, grummelte Matt und schlürfte angesäuert seinen Cuba Libre.

„Das wird schon alles. Sei einfach ein bisschen optimistischer. Die nächste Runde geht auch auf mich“, versuchte Tai ihn aufzumuntern. Matt schnaubte laut und verdrehte die Augen.

Vielleicht war er manchmal wirklich zu pessimistisch.
 


 

Wallace war wütend. Erst versetzte sie ihn und Peter und dann schrieb sie ihm eine äußerst beunruhigende SMS, die ihn dazu veranlasste, die Studibar aufzusuchen.

„Hast du sie schon gesehen?“, fragte Peter ihn und suchte die überfüllte Bar nach Hikari ab.

„Nein bisher nicht“, räumte er ein und las ihre SMS abermals.

„Wallce kanst u mik in dew Studibar abhoken? Isk jann nesch mek ufstehn“.

Das einzige Wort, das sie richtig geschrieben hatte war „Studibar“ gewesen. Trotz der vielen Rechtschreibfehler wusste er schnell, was sie ihm sagen wollte.

Sie war betrunken und konnte sich nicht mehr alleine fortbewegen. Deswegen hatte sie ihn um Hilfe gebeten.

Eigentlich hätte er sie ihrem Schicksal überlassen sollen. Es war bereits das zweite Mal, dass sie ihn versetzte. Irgendwann konnte sie es wirklich nicht mehr gut machen.

Doch die SMS beunruhigte ihn. Selbst Peter machte sich Sorgen, auch wenn er Kari noch nicht lange kannte.

Plötzlich hielt Peter ihn am Arm fest und zeigte in die Ecke des Raumes.

„Ich glaube da hinten ist sie!“

Beide quetschen sich durch die Menschenmengen durch und erkannten, dass es sich tatsächlich um Hikari handelte, die auf dem Boden saß und ihre Beine vor die Brust gezogen hatte.

„Kari!“, rief Wallace und beugte sich zu ihr hinunter.

Sie blinzelte ihn an und presste die Lippen aufeinander. Ihr Make up war von ihrer Heulerei ganz verschmiert.

„Was ist passiert?“, wollte er wissen und versuchte sie gemeinsam mit Peter hochzustemmen.

Ihre Beine wackelten und knickten wie Streichhölzer ein. Wieder schluchzte sie laut und ließ sich auf den Boden sinken.

Erst jetzt stieg Wallace der Geruch von Erbrochenem in die Nase. Er schaute zu ihr hinunter und saß, dass sie sich bereits übergeben hatte.

„Ach du scheiße...was hast du alles getrunken?“

„Keine Ahnung“, murmelte sie und merkte wie ihr wieder die Tränen ihre Wangen hinunter liefen.

Sie war in einer Bar am Campus und saß in ihrem eigenen Erbrochenen. Sie hatte die Blicke bemerkt, die ihr die anderen Studenten schenken. Keiner kam nur auf die Idee ihr zu helfen. Alle liefen nur an ihr vorbei und ignorieren ihre äußerst missliche Lage.

Wahrscheinlich zerrissen sie sich hinter ihrem Rücken das Maul über sie.

Michael und Carter hatten sie in dieser Situation einfach alleine gelassen, obwohl Carter derjenige war, der sie zum Trinken regelrecht animierte.

Als er merkte, dass es ihr immer schlechter ging, ergriff er mit Michael einfach die Flucht. Sie schaffte es gerade noch eine SMS an Wallace zuschreiben, als alles hochkam.

„Komm wir bringen dich jetzt nach Hause!“, meinte Wallace behutsam und brachte sie diesmal dank Peter zum Stehen.

In ihrem Kopf drehte sich alles und sie wünschte sich insgeheim endlich im ihren Bett zu liegen.

Wallace und Peter stützten sie auf dem gesamten Nachhauseweg, auch wenn sie sich so gut wie an nichts mehr erinnern konnte.

Auf einmal standen sie vor ihrer Zimmertür und klopften zweimal. Ihren Schlüssel hatte sie in ihrem Zimmer vergessen, da sie eigentlich nur für zwei Stunden zu Wallace und Peter verschwinden wollte.

April war meistens in ihrem Zimmer und übte Cello. Meist schlossen sie erst um elf ab, da sie um diese Zeit immer schlafen gingen.

Mittlerweile war es schon halb drei. Mitten in der Nacht. April schlief bestimmt schon.

Wallace klopfte noch einmal.

„April mach bitte auf! Kari hat ihren Schlüssel vergessen“.

Er sagte es fast schon flüsternd, um den Rest der Leute im Gang nicht zu wecken. Doch April schien ihn gehört zu haben.

Brummig wie immer öffnete sie in ihrem Pyjama die Tür und blickte alle drei angesäuert an.

„Man Kari wann lernst du endlich deinen Schlüssel mitzunehmen“, giftete sie.

Erst als sie sich ihre Zimmergenossin genauer anschaute, stellte sie fest, dass etwas nicht stimmen konnte. Auch ihr stieg der beißende Geruch von Erbrochenem und Alkohol in ihre empfindliche Nase.

„Hat sie etwa in Whisky gebadet? Sie stink ja bestialisch“.

„Sie hat uns erzählt, dass Carter und Michael versucht haben sie abzufüllen“, erzählte Wallace und sah sie mitleidig an.

„Na toll. Die beiden sind doch das Letzte!“, nörgelte sie und schaute zu Peter, der sie ganz begeistert anstarrte.

„Kann ich dir irgendwie helfen, oder warum glotzt du mich so seltsam an?“

„Oh tut mir leid. Du bist doch diejenige, die in Mister Landons Kurs Cello spielt oder?“

„Ja? Wieso?“, fragte sie ruppig und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ä-Ähm also d-du spielst wirklich f-fantastisch!“

April zog die Augenbraue nach oben und mustere Peter von oben bis unten. Auch ihr kam der Brünette sehr bekannt vor.

„Moment du bist doch der Klavier-Futzi oder?“

„Eigentlich ist mein Name Peter. Aber nett dich kennen zu lernen“, meinte er und streckte höflich die Hand nach ihr aus. April zögerte ein wenig, bevor sie seine Hand ergriff und sich knapp mit „April“ vorstellte.

Wallace hingegen stützte Hikari, die sich fast schon im Halbschlaf befand, ganz alleine und kämpfte mit den einen oder anderen Gleichgewichtsproblemen.

„Ich möchte eure Kennen-Lern-Phase wirklich nur ungern unterbrechen, aber ich glaube Kari sollte wirklich langsam ins Bett!“

April ließ sie ohne Worte hinein und beide schaffen es Kari auf ihr Bett zu hieven.

„Das war ein Kampf“, grummelte Wallace und rieb sich den Schweiß von der Stirn.

„Ich denke, den Rest schaffe ich allein“, meinte sie entschlossen. „Danke fürs Herbringen.“

Wallace nickte nur knapp und ging bereits zur Tür, als Peter sich kurz noch an April wandte.

„Ich hoffe man sieht sich wieder bei Mister Landon“.

Ein unsicheres Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht, während April seine Aussage weder bejahte noch verneinte. Sie zog ihre Mundwinkel leicht nach oben und wünschte beiden noch eine Gute Nacht. Danach schloss sie die Tür.

Wallace hingegen grinste bis über beide Ohren. „Nicht dein Ernst? Sie ist die Kleine, in die du dich verguckt hast?“

„Ach sei still“, knurrte er und wank ab.

„Das war ein Eingeständnis“, schlussfolgerte der Blonde und legte den Arm um ihn. Peter hatte ihm erst vor kurzem gestanden, dass er sich auch in jemanden verknallt hatte. Jetzt wusste Wallace sogar, wer sie war.

„Ich glaube, sie steht auf dich! Klavier und Cello. Das passt doch!“

Gut gelaunte flötete Wallace durch den Gang, während Peter nur den Kopf schüttelte. Geheimnisse sollte man wohl doch besser für sich behalten.
 


 

18. Oktober 2009. Odaiba, Japan, TKs Zimmer.
 

Die ersten Sonnenstrahlen durchströmten durch die Jalousien seines Fensters und erweckten ihn aus seinem ohne hin schon leichten Schlaf.

Takeru rieb sich die Augen und fasste sich augenblicklich an seinen Schädel, der nach gestern Abend sehr schmerzte. Nachdem er vor seinem Bruder praktisch geflohen war, gingen er und Mariko noch ein eine Disco, die besonders billige Cocktails anbot. Er hatte irgendwann den Überblick über die Menge verloren. Er hatte gar keine Ahnung, wie er nach Hause gekommen war.

Aber er befand sich definitiv in seinem Zimmer. Anscheinend war der Abend doch nicht so ausgeartet, wie bei der Hausparty von Mariko. Erleichtert versuchte er sich aufzusetzen, doch ein Arm hatte sich um seinen nackten Oberkörper geschlungen.

Nackter Oberkörper? Er schlief doch immer in einem T-Shirt.

Erschrocken drehte er sich zur Seite und erkannte das Mariko neben ihm im Bett lag und tief und fest zu schlafen schien.

„Das darf doch nicht wahr sein“, flüsterte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

Was war nur los mit ihm? Das war doch sonst nie seine Art gewesen.

Erst rauchte er zusammen mit Matt auf ihrem Balkon, dann verlor er, an eine für ihn Fremde, seine Unschuld und zum krönenden Abschluss befand er sich einer Woche später in haargenau der gleichen Situation.

Er mutierte zu Matt.

Er atmete tief ein und versuchte ihren Arm von seinem Körper zu befreien. Langsam hob er ihn an und legte ihn sachte auf die Matratze zurück, während er zeitgleich leise das Bett verließ.

Er schnappte sich seine Unterhose und krallte sich das Shirt, das er gestern Abend getragen hatte. Takeru streifte beides über und ging zu seiner Zimmertür.

Behutsam öffnete er sie und trat hinaus. Auf die gleiche Weise schloss er sie wieder hinter sich.

„Seit wann schleichst du dich aus deinem eigenen Zimmer?“

Takeru drehte sich ruckartig herum und sah auf einmal Davis mit einer Schüssel Müsli vor sich.

„Ähm, also...naja“.

„Nein. Das ist nicht dein ernst. Du hast sie mitgebracht? Yolei wird dich köpfen“, erwiderte er und zeigte mit seinem Löffel auf die Zimmertür.

„Ich kann nichts dafür. Es ist einfach so passiert!“, verteidigte sich der Blondschopf und setzte sich gemeinsam mit Davis an den Küchentisch.

„Yolei wird ausflippen. Ich dachte du wolltest nur mit ihr was trinken gehen!“

„Das war auch der Plan gewesen. Ich kann doch nichts dafür, dass es so dermaßen nach hinten losgeht!“

Der Blonden fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht und schnaubte laut, während Davis genüsslich sein Müsli weiter aß.

„Aber ihr habt jetzt nichts Ernstes oder etwa doch?“

„Nein“, stöhnte er und massierte sich die Schläfen.

Davis zuckte nur mit den Schultern und schaufelte einen weiteren Löffel in seinen Mund.

„So eine Fick-Freundschaft hat sicher seine Vorteile, aber passt auf, dass sie es auch genauso sieht wie du“, schmatzte er mit vollem Mund und ließ Takeru erblassen.

„Fick-Freundschaft? Tickst du noch ganz richtig?“

„Naja es kommt schon gerade ein wenig so rüber“, verteidigte sich der Igelkopf immer noch schmatzend.

„So ist das aber nicht!“

„Dann würde ich sie aber schnellstens aus der Wohnung schaffen, bevor Yolei es mitbekommt. Noch schlafen Ken und sie seelenruhig in ihren Betten“.

TK presste die Lippen aufeinander und sah zu seiner eigenen Zimmertür.

Was zur Hölle hatte er da nur angefangen?
 

Fortsetzung folgt...

Lebensweisheiten.


 

There's a part of me I can’t get back.

Warrior, Demi. Demi Lovato, 2013.
 


 

29. Mai 2010. Odaiba, Japan. Wohnung der Yagamis.
 

Sie blickte verstohlen zu ihrem Bruder, der sich gerade das zweite Stück Kuchen nahm.

Sie schluckte und konzentrierte sich darauf, was ihre Eltern alles fragten. Sie fühlte sich ein wenig wie bei einem Verhör. Aber wahrscheinlich war das so, wenn man ein Jahr im Ausland verbracht und nur wenig Zeit zum Reden hatte.

„Und sind du und deine Zimmergenossin endlich etwas warm miteinander geworden? Wie heißt sie noch gleich…ach ja. April!“

Kari schaut zu ihrer Mutter und schenkte ihr ein knappes Lächeln. Sie hatte ihr mal erzählt, dass sie mit April einfach nicht warm wurde – doch das war schon einige Monate her gewesen. Normalerweise erinnerte sie sich nicht an solche Details.

„Wir verstehen uns besser“, erzählte sie und nippte an ihrem Milchkaffee.

April war eigentlich ihr geringstes Problem an der Juilliard gewesen.

Das merkte sie, nachdem sie sich fürsorglich um sie kümmerte, als sie mitten in der Nacht von einer Party heim kam. Carter und Michael hatten sie abgefüllt und in ihrem eigenen Erbrochenen wortwörtlich liegen lassen.

Erst später fand sie heraus, das Carter sie nur ins Bett bekommen wollte. Deswegen hatte er ihr einen Drink nach dem anderen ausgegeben.

Doch das Schicksal wollte wohl, dass sie und April sich endlich ein wenig näher kamen.

Eigentlich war sie nicht der Cello-Freak, der jeden Tag fast vierundzwanzig Stunden probte.

April liebte auch Popmusik und war ein großer Fan von Katy Perry – etwas mit dem Kari nie gerechnet hatte. Wahrscheinlich musste man doch erst hinter die Fassade schauen, bevor man einen Menschen beurteilen konnte.

Sie war einer der wenigen, die in einer sehr schwierigen Zeit für sie da gewesen war.

Sie war einer der wenigen, die die Wahrheit wusste.

Sie war einer der wenigen, der sie vertrauen konnte.

„Wie läuft es eigentlich sonst bei dir? Hast du vielleicht jemanden kennen gelernt, den du uns mal vorstellen möchtest?“, fragte ihre Mutter fast flüsternd und grinste, während Tai und ihr Vater gespannt ihre Antwort abwarteten.

„Nein, da gibt es keinen“, antwortete sie wahrheitsgemäß und man merkte förmlich, dass sich die Anspannung von Tai und ihrem Vater legte.

Beide schienen immer noch diesen ausgeprägten Beschützerinstinkt zu besitzen. Doch leider konnte dieser ihr in Amerika nicht helfen.

Auch wenn Wallace die Aufgabe des Beschützers übernahm, konnte man niemanden vor allem schützen.

Das musste auch Kari einsehen. Sie war ungewollt schwanger geworden und versuchte die Wahrheit zu verdrängen.

Nein.

Sie versuchte sich das Ganze schön zu reden.

So als wäre es nur halb so wild. Doch wenn sie ehrlich war, musste sie fast sekündlich daran denken.

Hikari war nicht so taff wie sie sich gab. Auch wenn sie Mimi immer erzählte, dass alles in Ordnung war, es ihr gut ginge, schrie ihr Innerstes täglich vor Schmerz.

Sie hatte einen großen Fehler begangen. Einen Fehler den sie nicht wieder gut machen konnte.

Das Baby war weg. So als hätte es nie existiert. Alles was sie noch daran erinnerte, trug sie zusammengefaltet in ihrer Hosentasche.

Und jetzt war sie wieder in Japan und aß mit ihren Eltern und ihrem Bruder gemeinsam eine Schokoladentorte, die ihre Mutter frisch gekauft hatte.

Alles fühlte sich so verlogen und falsch an.

Am liebsten würde sie sich wieder in den nächsten Flieger setzen, um aus dieser Situation endgültig zu entfliehen.

Wahrscheinlich war es am besten für immer unterzutauchen und einen neuen Namen anzunehmen. Vollkommen anonym sein.

Einfach von vorne anfangen.

Eine Wunschvorstellung, der Hikari gerne nachgehen würde.

„Und was habt ihr heute Abend noch so geplant?“, fragte ihr Vater und wand sich an Taichi.

„Ehm…Matt hat mich und Kari eingeladen ein paar neue Stücke von ihm anzuhören. Du kommst doch sicher mit, wenn unser Möchtegern-Rockstar auf die Pauke haut, oder?“

„Ach wirklich? Davon wusste ich ja gar nichts“, erwiderte Kari und zog die Stirn in Falten.

„Ist eher so eine kurzfristige Geschichte. Aber du kommst doch mit oder?“

Kari hielt kurz inne. Eigentlich freute sie sich Matt so schnell wieder zusehen, vor allem wusste sie auch, dass Mimi sich den Abend mit Sora verabredet hatte.

Es sprach also soweit nichts dagegen.

„Klar, warum auch nicht“, meinte sie knapp und aß weiter.

„Klasse“, jubelte Tai und tippte eine Nachricht an Matt, während ihre Eltern, das erste Mal seit ihrer Ankunft schwiegen.

Dennoch belastete Kari auch noch eine andere Tatsache, mit der sie sich noch nicht auseinander gesetzt hatte.

Sie hatte weder Yolei noch TK eine Nachricht geschrieben, um ihnen Bescheid zu sagen, dass sie wieder da war.

Irgendwie war ihr die Sache mit Tai und ihren Eltern schon zu viel gewesen.

Am liebsten würde sie sich unsichtbar machen und die Tatsache ignorieren, dass sie sich gegenüber ihren Freunden unfair verhielt.

Aber möglicherweise hatte Matt bereits den anderen Bescheid gesagt.

Sie fragte sich, ob TK wohl sehr sauer wäre, wenn sie sich bei ihm nicht persönlich melden würde.

Kari wusste auch nicht was es war, aber sie hatte zu ihren Freunden den Kontakt verloren.

E-Mails waren wirklich nicht die beste Alternative den Kontakt zu halten.

Oft hatte sie TK oder Yolei erst nach mehreren Tagen, manchmal auch nach zwei Wochen erst geantwortet. Kein Wunder, dass der Kontakt von Mal zu Mal weniger wurde.

Seit drei Monaten war er komplett abgebrochen.

Wahrscheinlich auch wegen der Baby-Sache.

Sie hatte das Bedürfnis, auf Abstand zu gehen.

Die Brünette wusste nicht wieso, aber irgendwie hatte sie das Jahr komplett verändert.
 


 

„Und sie haben wirklich keine Ahnung?“ fragte Izzy abermals und stellte die Getränkekiste auf einem der Tische ab, die Davis und der Rest vorhin rangiert hatten.

„Nein. Es soll eine Überraschungsparty werden. Du weißt schon was Überraschung heißt oder?“

„Haha sehr witzig Matt. Und wo sind die anderen jetzt?“

Matt setzte sich auf einen der Tische und fuhr sich mit dem Handrücken über seine verschwitze Stirn.

„TK und die anderen sind noch ein paar Sachen einkaufen. Knabberzeug und so“, erklärte er knapp, während sich Izzy erschöpft gegen eine freie Wand lehnte.

„Sora ist mit Mimi unterwegs und bringt sie später her. Das Gleiche gilt für Tai, der mit Kari bei seinen Eltern ist.“

„Und was ist mit Cody?“, wollte der Rotschopf wissen.

„Der kommt nach seinem Kendo-Training her. Hast du eigentlich etwas von Joe gehört? Wo ist er nochmal?“

Izzy lachte leise, denn immer wenn er an Joe und seine Reisepläne dachte, musste er einfach schmunzeln.

Der Musterstudent schlecht hin bricht einfach so aus und hinterlässt seinen Vater, der fast einen Herzinfarkt bekommen hatte.

„Er ist in Fujishizuoka, um dem Fuji ein bisschen nahe zu kommen!“

„Aber er klettert doch nicht ernsthaft auf das Ding drauf? Da gibt es wirklich einfachere Wege dem Tod ins Gesicht zu blicken“, meinte Matt sarkastisch und zog die rechte Augenbraue nach oben.

„Er klettert nicht auf den Fuji. Im Moment ist doch gar keine Kletterseason!“

„Und was macht er dann da? Ihn anstarrten? Anbeten? Fotografieren?“

Izzy lachte wieder und schüttelte nur den Kopf.

„Es gibt auch ein paar Wanderwege, aber ich glaube er macht bei dieser Reise nur mit, um herauszufinden, was er eigentlich will!“

„Also will er gar kein Arzt werden“, schlussfolgerte der Blonde haarscharf.

„Nein nicht wirklich. Und vielleicht hilft ihm diese Selbstfindungsreise dabei, zu erkennen, was er will! Auch wenn er es nicht oft gesagt hat, war er mit dem Studium sehr unglücklich gewesen“.

Matt nickte verständnisvoll. Auch er hatte am Rande mitbekommen, dass er sich schon öfters darüber beschwert hatte.

Sein Vater drängte ihn hinein und hörte noch nicht mal zu, was er eigentlich wollte. Einmal hatte Matt einen riesengroßen Streit zwischen ihnen auf dem Campus mitbekommen. Er wusste nicht genau, weshalb sie sich stritten, aber es hatte mit dem Medizinstudium zu tun. Da war er sich so sicher, wie das Amen in der Kirche.

Vielleicht war es ganz gut, dass sich Joe eine Auszeit nahm. Auch wenn er, jetzt wohl die beste Überraschungsparty aller Zeiten verpassen würde.
 


 

Mimi schlenderte mit Sora durch die Einkaufmeile und blieb schon wieder direkt vor einem der Schaufenster stehen. Es war ein Brautmodengeschäft und ein wunderschönes Hochzeitskleid mit Rüschen und Perlen strahlte sie an.

„Oh ich will auch irgendwann so ein Kleid haben, wenn ich mal heirate“, schwärmte die Brünette und sah verträumt zum Schaufenster.

Sora lächelte nur müde und wand ihren Blick ab. Im Moment hatte sie für sowas wirklich nichts übrig. Sie war schon knapp ein Jahr Single und haderte immer noch mit ihren unerwünschten Gefühlen für Matt.

Mittlerweile wurde ihr auch immer bewusster, dass Matt in ihr nur eine gute Freundin sah. Die Mädchen, die er aufriss, hatten mit ihr wenig gemein.

Sie war eher der sportlich-gemütliche Typ Frau, während er sich nur nach Weibern mit einer üppigen Oberweite und knappen Röckchen umsah.

Und jetzt war auch noch Mimi da, die voll in Matts Beuteschema passte, abgesehen von den Brüsten.

„Gibt es bei dir eigentlich etwas Neues? Ich meine Beziehungstechnisch“, fragte Mimi sie unverblümt und wand ihren Blick zu ihrer besten Freundin, die sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte.

„N-Nein. Ich glaube ich bin noch nicht bereit für etwas Neues!“, log sie und wisch ihren Blicken gekonnt aus.

Mimi hingegen sah sie mitleidig an und legte ihre Hand auf ihre linke Schulter. „Das mit Tai und dir…es tut mir wirklich leid, dass es nicht geklappt hat!“

Die Rothaarige schüttelte jedoch nur unwirsch den Kopf und zwang sich erneut zum Lächeln.

„Es war besser so. Wir waren fast schon wie Geschwister“, sagte sie knapp. „Mit einer Beziehung hatte das nicht mehr viel zu tun“.

„Verstehe“, murmelte die Brünette und versuchte die aufkommenden Gedanken an ihren untreuen Ex zu verdrängen, als Sora ihr die Gegenfrage stellte. „Und wie läuft es bei dir?“

Mimi presste ihre Lippen aufeinander und schaute zur Seite.

„Michael und ich sind ebenfalls getrennt. Er hat mich wohl schon öfter betrogen“, gab sie verbissen zu. Eigentlich hatte sie vor, eine andere Geschichte zu erzählen.

Die Wahrheit wurde manchmal wirklich überbewertet. Was machte es schon groß, wenn sie erzählte, dass Michael und sie einfach gemerkt hatten, dass es nicht mehr passte? Indirekt war es sogar die Wahrheit. Wenn auch mit ein paar Auslassungen.

Doch Sora konnte sie schlecht belügen. Sie war jahrelang ihre beste Freundin gewesen. Es kam ihr falsch vor, sie belügen zu müssen.

Sora hatte sie auf ihr Geständnis hin, nur eine Zeitlang wortlos angestarrt.

Betrogen? Das konnte doch nicht ihr ernst sein?

Doch ihr Gesicht schien Bände zu sprechen.

Sie sagte definitiv die Wahrheit.

„Tut mir leid, Mimi!“

„Ich bin froh, dass ich ihn los bin. Er ist ein Idiot, der mich einfach nicht verdient hat!“, antwortete sie mit einem schmerzlichen Unterton.

Die gleichen zwei Sätze, hatte sie fast täglich zu sich gesagt, als sie morgens in den Spiegel schaute. Sie wollte stark sein. Nicht mehr weinen oder wieder schwach werden und in seine starken Arme fallen. Diesmal war er zu weit gegangen.

„Und was wollen wir noch machen? Lust auf Eis?“, wollte sie wissen und legte ihr überzeugendes Grinsen auf, sodass sich Sora prompt erschreckte.

Sie war wohl die geborene Schauspielerin.

„Also Matt hat uns heute Abend eingeladen. Er will uns ein paar neue Songs vorspielen“, erzählte die Rothaarige fast schon ein wenig zu euphorisch und hakte sich bei Mimi unter.

Diese hingegen zog nur skeptisch ihre Augenbraun zusammen. Songs vorspielen? Das konnte doch nicht sein Ernst sein.

„Müssen wir da hingehen oder ist das eher freiwillig?“

„Was wieso? Wird sicher lustig“, versuchte Sora sie zu überzeugen.

Doch Mimi hatte dieses ganze Rockstar-Getue bereits hinter sich gelassen. Wie oft saß sie bei Michael und seiner Möchtegern-Band und hörte ihnen zu, wie sie zweitklassische Musik von drittklassischen Künstlern spielte. Darauf hatte sie wirklich, absolut keine Lust.

„Wollen wir heute nicht ein bisschen feiern gehen. In ne Disko oder so?“

„Nein komm schon. Ich habe Matt bereits zugesagt!“

„Aber das klingt totlangweilig“, kommentierte Mimi leicht eingeschnappt. Sie konnte sich tausend bessere Dinge vorstellen, die sie heute Abend machen wollte. Und Matts Musik gehörte sicher nicht dazu.

„Ach Mimi, bitte!“, bettelte Sora übertrieben hartnäckig.

„Ich habe aber keine Lust.“

„Aber…“

„Nichts aber. Wir gehen heute tanzen oder betrinken uns mit Cocktails!“, schlug die Brünette freudestrahlend vor.

„Mimi…“, begann sie.

„Zip. Wir gehen tanzen basta!“

Die Rothaarige hatte wirklich vergessen, wie dominant Mimi doch sein konnte. Passte ihr etwas nicht in den Kram, wurden die Pläne einfach ihren Vorstellungen angepasst.

„Ich habe es Matt aber versprochen!“

„Das versteht er schon“, meinte sie fast schon gleichgültig. „Bestimmt wird sich Tai seine Musik anhören und begeistert brüllen wie toll er sie findet. Er braucht nur einen Affen!“

„Mimi.“

„Tut mir leid? Ex-Freund-Bonus?“

„Nein…aber du verstehst…“, doch weiter kam sie nicht. Mal wieder musste Mimi sie unterbrechen.

„Sora wo kommt denn das ABER schon wieder her? Wir gehen Tanzen, das ist beschlossene Sache!“

Die Angesprochene stöhnte laut auf und fuhr sich durch ihre kurzen Haare.

„Wir haben eine Willkommensparty für euch geplant, du Spielverderberin!“, blaffte sie ihre beste Freundin an und schaute in ihr überraschtes Gesicht.

„Nicht dein Ernst?“, vergewisserte sie sich grinsend.

„Doch. Und ich habe jetzt die Überraschung verdorben“, tadelte sie sich selbst und verzog das Gesicht.

„Ach was. Ich kann überrascht tun. Das kann ich gut, siehst du?“

Mimi legte ihr „Überraschungs-Gesicht“ auf und Sora musste prompt lachen. So etwas Gekünsteltes hatte sie noch nie zuvor gesehen.

„Ist gut, das üben wir noch!“, meinte sie immer noch lachend und zog Mimi weiter.
 


 

Genervt stand Davis im Supermarkt und klapperte die Gänge ab, um den Rest wieder zu finden. Er fragte sich langsam, warum er nur zugesagt hatte.

Er wollte Kari nicht wiedersehen. Davis hatte sich damals noch nicht mal von ihr verabschiedet gehabt.

Also warum tat er sich das Ganze an?

Die Antwort war klar – so klar wie Kloßbrühe.

Er wollte ihn vor ihr beschützen. Natürlich war Davis nicht entgangen, wie aufgeregt und nervös Takeru, nach dem Gespräch mit Matt war.

Er vermisste sie immer noch. Deswegen war die Sache mit Mariko auch so aus dem Ruder gelaufen. Sie sah Kari ähnlich. Deswegen verbrachte der Blondschopf auch so viel Zeit mit ihr.

Davis wollte sich am liebsten selbst Ohrfeigen.

Er hat ihn auch noch die ganze Zeit dazu ermutigt gehabt, da er dachte, dass er Hikari dadurch endlich vergessen würde.

Doch kaum hieß es, sie sei wieder da, sprang Takeru wie das brav dressierte Hündchen hervor, obwohl sie sich noch nicht mal bei ihm persönlich gemeldet hatte.

Mariko war auch prompt abgeschrieben. Jetzt brauchte er den Kari-Ersatz nicht mehr. Das Original war im Land und Davis stand kurz vorm Erbrechen.

Er konnte nicht fassen, dass sich alles wieder nur um Kari drehte.

Hatte sie nicht schon genug kaputt gemacht? Oder war er einfach nur zu nachtragend, was ihm Yolei schon die ganze Zeit vorwarf?

Er wusste es schon gar nicht mehr.

Davis hatte vollkommen vergessen, wie es war Hikari als Freundin zu haben. Eigentlich war sie immer nett zu ihm gewesen, bis sie ihn ausnutzte.

Sie hatte mit seinen Gefühlen gespielt, nur um ihre Gefühle für Matt unter Verschluss zu halten. Er fragte sich, ob sie wohl immer noch auf ihn stand, oder ob sie sich in den USA einen anderen Schönling angelacht hatte?

„Man Davis, wir suchen dich schon überall“, rief Ken ihm zu und riss ihn aus seinen Gedankengängen.

Davis verrollte nur kurz die Augen und rannte zu seinen Mitbewohnern, die mit einem vollbepackten Einkaufswagen auf ihn warteten.

„Ich hoffe Matt hat dir auch Geld gegeben“, meinte er, nachdem er das ganze Zeug vor sich sah. Sie hatten sogar Grillzeug geholt, da Matts Probenraum an einem Grillplatz mit Meeresblick lag.

„Natürlich hat er mir welches mitgeben. Yolei hat es in ihrer Handtasche“, entgegnete TK und deutete auf Yolei, die mit ihrem Handy beschäftigt war.

„Man wem schreibst du schon wieder? Du hängst ja wirklich nur noch an diesem Teil. Ist ja schrecklich“, kommentierte Davis genervt und wand seinen Blick zu Takeru, der unwissend mit den Schultern zuckte.

„Vielleicht hat sie ja einen geheimen Verehrer“, meinte er daraufhin und bemerkte nicht, wie sich Kens Blick auf einmal veränderte.

Er hatte auch schon daran gedacht, sich jedoch nie getraut es auszusprechen.

Alle schauten zu Yolei, die ihren Kopf immer noch gesenkt hatte und ihren Blick auf ihr Handydisplay fixierte.

„Hallo? Erde an Yolei?“

Davis fuchtelte ihr mit der Hand vor dem Gesicht herum, doch das verhinderte nicht ihr dumm-dämliches Grinsen, dass Davis meist noch mehr auf die Palme brachte.

„Oh man jetzt grinst sie auch noch. Da kann nur ein Kerl dahinter stecken!“, erwiderte er und ließ von ihr ab.

„Ist doch schön wenn sie jemanden gefunden hat, oder?“, fragte TK und wand sich zu Ken.

Er lächelte müde und bemerkte wie sich innerlich sein Herz zusammen zog.

Ihm war schon seit einigen Wochen aufgefallen, dass sich Yolei allmählich verändert hatte. Neuerdings trug sie Parfüm und zog viel öfters Kleider an.

Ken hatte schon damit gerechnet, dass ein Kerl dahinter steckte. Jetzt wusste er, dass er dieser Kerl nicht sein konnte.

„Habt ihr irgendetwas gesagt?“

Yolei blickte nach oben und verstaute ihr Handy in ihrer Tasche. Davis schüttelte nur den Kopf, während TK etwas schief grinste.

Ken hingegen ließ die Mundwinkel nach unten hängen und hoffte, dass dieser stechende Schmerz in seiner linken Brusthälfte bald verschwinden würde.
 


 

„Ich hoffe wirklich, dass sie bald auftauchen. Mimi und Kari kommen schon in einer Stunde“, nörgelte der Blonde und sah zu den beiden Anwesenden.

Cody war mittlerweile ebenfalls eingetroffen und saß neben Izzy auf einem der Tische. Matt hatte noch die Anlage angeschlossen und wartete ungeduldig auf die Rückkehr der anderen.

Tai hatte ihm gerade geschrieben, dass er nochmal mit Kari zum Hotel ging, da sie sich noch umziehen wollte.

Mimi und Sora befanden sich immer noch in der Stadt und würden wahrscheinlich mit unzähligen Shoppingtüten hier auftauchen.

TK hatte ihm vor zwanzig Minuten geschrieben, dass sie alles im Supermarkt bekommen hatten und sich jetzt auf dem Rückweg befanden.

Sie waren immer noch nicht da.

Obwohl der Weg vom Supermarkt bis zum Proberaum keine zehn Minuten dauerte.

Wahrscheinlich hatten sie sich mal wieder verquatscht.

Die Jugend von heute eben.

„Izzy kannst du ihnen nochmal eine SMS schreiben? Auf meine reagiert keiner!“

„Vielleicht liegt es daran, dass du schon gefühlte Zwanzig geschrieben hast. Sie werden sicher gleich da sein“, beruhigte ihn der Rotschopf und zuckte mit den Achseln.

„Wenn du meinst“, antwortete Matt und verrollte die Augen. Er war in solchen Sachen einfach ein Perfektionist wie es im Buche stand. Zum Leidwesen aller anderen Beteiligten.

„Und Joe kommt heute nicht?“, fragte der Jüngste an Izzy gewandt.

„Nein, er ist…“.

„Wahrscheinlich betete er gerade den Fuji an und hofft, dadurch eine Erleuchtung zu erhalten“, unterbrach Matt ihn unsanft, während ihm Izzy einen bösen Blick zuwarf.

„Er ist zum Fuji gefahren? Wieso das denn?“

„Also eigentlich ist es eine Reisegruppe und…“.

„Und Joe hofft dadurch endlich einen Sinn und Zweck in seinem Leben zu finden. Indem er einen dummen Berg anbetet!“

„Sag mal machst du dich lustig über ihn?“, wollte Izzy von dem Blondschopf wissen.

„Nein“, nuschelte er und schüttelte zeitgleich den Kopf. „Es ist nur mal wieder typisch.“

„Typisch?“, wiederholte Izzy mit hochgezogener Augenbraue und schaute skeptisch zu Cody, der ebenfalls ratlos wirkte.

„Ja typisch. Jetzt wo wir mal die Gelegenheit haben uns alle zu sehen, glänzt Mister Kido mit Abwesenheit“.

„Er wusste doch gar nichts davon?“, verteidigte Izzy ihn. „Sag mal seit wann bist du so dramatisch?“

„Ich bin nicht dramatisch!“, verneinte Matt überdrüssig.

„Klar, im Moment bist du voll die Drama Queen! Hat es vielleicht etwas mit deinen Eltern zu tun?“

„Man Izzy“, zischte er und wand den beiden den Rücken zu. „Halt gefälligst meine Eltern da raus!“

Izzy wollte gerade etwas sagen, als sie von Davis unterbrochen wurden, der ihre Rückkehr groß ankündigte.

„Da sind wir wieder“, pfiff er durch den Raum und stellte zwei Tüten auf den Tisch.

Auch die anderen waren schwer beladen und bemerkten gar nicht die angespannte Stimmung, die bei den dreien herrschte.

„Ich geh eine Rauchen!“, meinte Matt und verschwand kurz darauf.

„Welche Laus ist dem denn über die Leber gelaufen?“ Davis blickte ihm hinterher und auch TK merkte schnell, dass etwas nicht stimmte.

„Was war hier los?“, wollte er wissen und starrte zu den beiden, die die ganze Zeit über anwesend waren.

„Nichts…“, murmelte Izzy in einem Flüsterton und erntete von Cody einen vielsagenden Blick.

Warum konnte er nicht die Wahrheit sagen?

Jeder wusste von der Sache.

Jeder wusste, dass Matt sich nicht mit Ruhm bekleckert hatte.

Jeder wusste, das Takeru deswegen so sauer auf ihn war.

„Wir haben über eure Eltern geredet“, antwortete Cody direkt und ein leises Stöhnen überkam Takerus Lippen.

„Das ist nicht eure Sache, verstanden?“, brüllte er in die kleine Runde und verschwand ebenfalls nach draußen.
 


 

Angesäuert zog er an seiner Zigarette und blies den Rauch gleich wieder aus seiner Lunge. Er konnte nicht fassen, dass Izzy gerade dieses Thema angeschnitten hatte.

Klar als Mitbewohner bekam er sicher am meisten mit, doch selbst Tai ließ ihn allmählich damit in Ruhe.

Er kam einfach mit der ganzen Situation nicht klar.

Fertig. Punkt. Aus.

Das einzige was ihm zu schaffen machte, war das sein kleiner Bruder ihm genauso große Vorwürfe machte, wie seine Eltern.

Sie konnte es nicht verstehen, warum er es nicht akzeptierte. Man konnte es eben schlecht ändern. Jetzt sowieso nicht mehr.

„Warum bist du nur so?“

Erschrocken drehte sich Matt herum und entdeckte Takeru vor sich, der ihn mit einem traurigen Blick anschaute.

„Ach du bist es. Du hast mich ganz schön erschreckt!“ meinte er und lenkte vom ursprünglichen Thema ab. Doch Takeru kannte seine Masche. Und er wäre der letzte, der drauf hineinfallen würde.

„Wieso bist du nur so unfair zu unserer Familie?“, fragte er diesmal etwas detaillierter.

„Wir sind keine Familie. Das sind wir schon lange nicht mehr!“

„Warum sagst du nur so was? Die Hoffnung stirbt doch bekanntlich zu Letzt!“, erwiderte Takeru verbissen und merkte wie seine Gesichtspartien unkontrolliert zuckten.

Das passierte nur, wenn er wirklich verärgert war. Und am liebsten würde er Matt gerade eine reinhauen.

„TK unsere Eltern haben alles kaputt gemacht, als sie sich dazu entschieden haben, sich scheiden zu lassen“, versuchte der Ältere seinem Bruder ins Gedächtnis zu rufen.

„Aber die Situation hat sich geändert. Wann akzeptierst du es endlich?“

„Takeru es hat sich überhaupt nichts geändert. Oder sind unsere Eltern nach all dem wieder zusammen?“

Der Jüngere biss sich auf die Unterlippe und schüttelte zaghaft den Kopf. Mit Matt konnte man einfach nicht diskutieren.

„Siehst du. Und je schneller du dich von dieser Traumvorstellung verabschiedest, desto besser!“, antwortete er kühl und drehte ihm wieder den Rücken zu.

„Du bist so ein Idiot!“, brüllte er zu ihm und ging ohne ein weiteres Wort zu verlieren wieder in den Raum zurück. Er schloss die Tür und lehnte sich an sie.

Insgeheim wusste er, dass er nur einer Traumvorstellung nach jagte. Aber etwas sagte ihm, dass er die Hoffnung noch nicht aufgeben sollte.

Es war so viel passiert. Das Ganze musste doch bei seinen Eltern Spuren hinterlassen haben.

Er sah doch ihre Blicke und er war sicherlich nicht blöd.

Takeru wusste, dass seine Eltern immer noch etwas für einander empfanden.

Besonders nach der Geschichte vom letzten Jahr, war er sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie wieder zusammen kamen.

Er wollte nicht aufgeben. Er wollte weiter hoffen.
 


 

„Warum braucht ihr eigentlich immer so lang, um euch ein Outfit herauszusuchen?“

Tai ging neben seiner Schwester her und konnte es nicht fassen, dass sie für das Raussuchen eines dummen Kleides tatsächlich eine halbe Stunde gebraucht hatte.

Wahrscheinlich wurde sie doch so langsam zu einer zweiten Mimi.

Seine Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten.

„Ich will halt gut aussehen“, murrte sie angesäuerte und betrachtete ihr rotes Kleid, dass am Ende mit Rüschen verziert war.

„Für wen willst du gut aussehen? Etwa für Matt?“, witzelte er und grinste unverschämt.

Kari lief leicht rot an und schaute gerade aus.

Voll ertappt.

Für ihren Bruder würde sie sich sicherlich nicht eine solche Mühe geben.

„N-Nein?! Ich will für mich gut aussehen!“

„Für dich? Ist das so eine komplizierte Mädchensache?“

„So in etwa“, nuschelte sie kaum hörbar, während Tai sich fragend am Kopf kratzte.

Was sollte das schon wieder?

Würde er die Frauen eines Tages wirklich mal verstehen? Er glaubte nicht daran.

Obwohl er bei seiner Schwester eigentlich immer den Durchblick hatte.

Jedenfalls mehr oder weniger.

„Ist das da vorne nicht Mimi?“

Tai blieb stehen und grinste leicht, als er Mimi und Sora erkannte. Da hatte wohl alles wie am Schnürchen geklappt.

„Tai was ist hier los?“, fragte Kari verwirrt und ging auf die beiden zu.

„Ach Matt hat euch auch eingeladen“, stellte Mimi nüchtern fest.

„Sieht wohl so aus“, meinte Kari gespielt locker, um ihre aufkommende Enttäuschung vor den anderen zu verbergen. Eigentlich hatte sie ja gehofft, dass sie das einzige weibliche Wesen bleiben würde.

Pustekuchen.

Sora und Mimi waren auch eingeladen.

Dennoch begrüßte Kari Sora sehr herzlich und drückte sie fest an sich. Sie war ja schließlich jahrelang ihre Fast-Schwägerin gewesen. Insgeheim dachte sie immer, dass Sora und Tai einmal heiraten würden.

„Ach es ist so schön euch beide zu sehen!“ Sora wirkte fröhlich und begrüßte kurze Zeit später auch Taichi mit einer Umarmung.

Anscheinend kamen beide wirklich gut mit der Trennung zurecht.

Kari hatte wirklich mit mehr Drama gerechnet. Vielleichten konnten manche Paare wirklich nach einer Trennung noch miteinander befreundet sein, auch wenn es bei manchen nicht zu traf.

Mimi und Michael waren das perfekte Gegenbeispiel.

Doch heute wollte Hikari einfach nur Spaß haben und nicht an ihre leidige Vergangenheit denken, bei der Michael ebenfalls eine große Rolle spielte.

Sie hatte sich vorgenommen die Zeit in Japan einfach zu genießen. Vielleicht hatte Mimi ja Recht. Vielleicht war Japan genau das was sie brauchte.
 


 

Tai war auf Karis Gesicht gespannt. Damit würde sie sicher nicht rechnen. Er warf Sora einen vielsagenden Blick zu und sie setzten sich ohne weiteres in Bewegung. Sora und Tai gingen voraus und öffneten die Tür, während Mimi und Kari ihnen ahnungslos hinterher schlenderten.

„ÜBERRASCHUNG!“

Mimi und Kari blieben automatisch stehen und hielten sich beide die Hände vor den Mund und wirken wirklich überrascht. Auch Mimi, die von der ganzen Aktion bereits wusste.

„Oh mein Gott, das habt ihr wirklich alles für uns gemacht?“ Kari blickte sich in dem kleinen Raum um, der liebevoll dekoriert war.

Auch ein „Willkommen zurück“-Schild hing mitten im Raum. Nebenbei lief die neuste Popmusik, die Izzy mit Hilfe seines Laptops über eine größere Lautsprecheranlage laufen ließ.

„Wow ich bin wirklich beeindruckt“, meinte auch letztlich Mimi, die bis vor kurzem noch sprachlos neben Kari stand.

Tai grinste zufrieden und rückte näher an Sora heran.

„Da haben wir wirklich gute Arbeit geleistet. Sag mal hat unsere Shopping Queen nichts gekauft oder hast du die Tüten verschwinden lassen?“

Sora kicherte leise. Mimi wäre nicht Mimi, wenn sie nichts gekauft hätte.

„Ich bin mit dem Wagen meiner Mutter hier. Ihre Taschen liegen im Kofferraum“.

„Typisch“, grummelte er und sah das Izzy ihm auffällig zu wank. „Bin gleich wieder da“.

Er wand sich von Sora ab und ging zu Izzy rüber, der heute nur für die Musik zuständig war.

„Was ist los?“

„Ich glaube du solltest später mal mit Matt reden“, informierte er ihn genervt. „Er ist wegen der Sache schon wieder ausgeflippt!“

„Oh okay. Und was ist mit TK?“

Izzy presste die Lippen aufeinander und schaute ihm direkt in die Augen.

Er musste ihm nichts weiter sagen. Er wusste auch so, dass die Beziehung der beiden Brüder zurzeit recht schwierig war. Streitigkeiten inklusive.

„Ich rede mit ihm. Mach dir keine Gedanken“, versicherte er dem Rotschopf und machte sich auf die Suche nach Matt.

Natürlich musste er nicht lange suchen. Er wusste genau, dass er draußen war und mal wieder eine rauchte.

„Du wirst noch zum Kettenraucher“, kommentierte er, als sich Matt die nächste Zigarette anstecken wollte.

„Boah ist heute Tag des Erschreckens? Erst TK und dann du?“

„Izzy hat mir von dem Streit zwischen euch erzählt!“

„Und weiter? Willst du mir jetzt auch ne Moralpredigt halten?“ Er wand sich ihm zu und versuchte seine Zigarette anzustecken, doch der Wind brachte jeden Versuch zum Scheitern.

Vielleicht war es ein Omen.

„Will ich nicht“, seufzte er und trat näher an ihn heran. „Ich mach mir nur Sorgen um dich!“

„Wirklich? Da bist du sicher nicht der Erste. Also stell dich hinten an“, schnaubte er und schaffte es endlich seine Zigarette anzuzünden.

„Hey wir wollten doch alle heute einen netten Abend zusammen haben. Also vergiss den Streit. Nur für ein paar Stunden“, bat Taichi und lächelte aufmunternd zu ihm.

Er hingegen nahm seine Zigarette zwischen zwei Finger und etwas Asche fiel zu Boden.

„Okay, aber nur weil du es bist.“

„Gut, dann komm. Lass uns wieder reingehen!“, sagte er fröhlich und zog ihn mit sich.
 


 

Er schnaufte laut. Schon seit einer geschlagenen halben Stunde starrte er sie an.

Bisher hatte er noch nicht den Mut gefunden mit ihr zu sprechen.

Es fühlte sich alles so komisch an.

Sie war ein knappes Jahr weg gewesen und jetzt war sie ohne Vorwarnung einfach wieder da.

Gedankenverloren nippte Takeru an seinem Bier und betrachtete sie weiter, als Davis plötzlich hinzukam.

Auch er hatte Kari eine Zeitlang beobachtet und sah wie unbekümmert sie mit Sora und Yolei sprach, während einer seiner besten Freunde wie ein begossener Pudel einige Meter weiter weg stand.

Er sollte sie einfach vergessen, doch das schien wohl leichter gesagt, als getan zu sein.

Wehmütig blickte der Blonde immer noch zu seiner besten Freundin, die sich anscheinend keine Millisekunde für ihn zu interessieren schien.

„Vergiss sie endlich. Das tut dir nur unnötig weh!“

„Ich weiß aber…“, begann er mit einem schmerzverzerrten Gesicht.

„Nichts aber. Am besten hauen wir in der nächsten Stunde ab. Aber ich möchte auf jeden Fall noch ein Steak bekommen.“

Tai befand sich mit Matt und Mimi im Schlepptau am Grill und hatte gerade das Fleisch aufgelegt, das bald gut sein würde.

Wenn Davis ehrlich war, war er eigentlich nur wegen des Essens gekommen.

Dafür musste er heute Abend mal nicht kochen und konnte sich etwas zurücklehnen.

Etwas Positives hatte es doch irgendwie.

Er hatte heute definitiv weniger Arbeit.

„Hey wollen wir vielleicht mal nach dem Fleisch sehen?“

TK schüttelte mit dem Kopf und trank den Rest seines Biers in einem Zug aus.

„Ich werde jetzt zu ihr gehen. Ist doch Schwachsinn sich so zu verhalten. Schließlich waren wir die besten Freunde“, erwiderte er hoffnungsvoll und setzte sich in Bewegung, bevor Davis etwas daraufhin kontern konnte.

Wahrscheinlich musste er ihn einfach in sein Unglück laufen lassen. Er kapierte es anscheinend nicht anders.

Schulterzuckend betrachtete Davis, wie Takeru zu Yolei, Sora und Kari ging.

Möglicherweise hatte er sich zuvor etwas Mut angetrunken, da er sofort mit den drei Mädels ins Gespräch kam – obwohl Kari anwesend war.

Die Situation war mehr als nur merkwürdig gewesen. Davis verstand nicht, warum Takeru ihr einfach so wieder verzeihen konnte.

Schon heute Morgen sagte er immer wieder das gleiche: „Sie hat es sicher nicht böse gemeint. Außerdem kann man sich nicht aussuchen in wen man sich verliebt“.

Er verdrängte die Tatsache, dass sie sich NIEMALS in ihn verlieben würde, da sie bestimmt immer noch Gefühle für den falschen Bruder hatte.

Davis hatte das Gefühl, dass er trotz der Sache mit Mariko und dem einen Jahr Distanz, sie immer noch nicht aufgeben hatte.
 


 

„Bist du auch sicher, dass du das richtig machst? Mein Vater macht das immer anders“, kommentierte sie unverblümt und kassierte prompt einen angesäuerten Blick.

„Kannst du dir deine schlauen Ratschläge auch sonst wo hinstecken? Ich weiß wie man grillt!“

„Sicher? Das Stück sieht aber ganz schön angebrannt aus!“, provozierte sie ihn und deutete gleich darauf.

„Man kannst du vielleicht Matt auf den Sack gehen?“, fragte er und wand sich hilfesuchend an Matt, der sich immer wieder über die Streitigkeiten der beiden amüsierte.

„Auf Youtube wärt ihr beide wirklich der Hit. Wie ein altes Ehepaar!“, kommentierte er belustig und lehnte sich an die Wand.

„Sehr witzig“, zischte Tai Zähneknirschend und blickte wieder zu Mimi, die sein Fleisch immer noch auffällig musterte.

„Hau jetzt gefälligst ab“, maulte er und schubste sie leicht zur Seite.

„Was bist du denn für ein Spielverderber?“

„Verschwinde einfach. Unterhalt dich mit Matt. Er sieht gelangweilt aus!“, riet er ihr und wandte sich wieder seinem Fleisch zu.

„Ach leck mich doch, du Depp!“, zischte sie und verschränkte angesäuert die Arme vor die Brust.

„In deinen Träumen vielleicht“, nuschelte er, sodass es nur Mimi hören konnte.

„Ich hoffe dein Fleisch brennt jetzt erst recht an!“, geiferte sie und streckte ihm prompt die Zunge raus.

„Wie im Kindergarten“, kommentierte Matt, biss sich jedoch augenblicklich auf die Lippe, um nicht gleich laut los zu pusten.

„Also wirklich, da bin ich mal wieder da und schon wird man so unfreundlich behandelt“, säuselte sie und stellte sich neben Matt, der sie aus dem Augenwinkel heraus musterte.

Sie trug eine dunkelblaue Jeansjacke und hatte darunter ein gelb-geblümtes Kleid an, das perfekt zu den langen braunen Haaren passte.

Ihren Pony hatte sie mit einer farblich passenden Haarspange zurückgesteckt.

Alles war abgestimmt, selbst ihre Schuhe passten wie angegossen zum restlichen Outfit.

„Seit wann ist er überhaupt so zickig?“

„Keine Ahnung“, antwortete er lachend und betrachtete weiterhin ihre „perfekte“ Erscheinung.

„Ich kann euch immer noch hören“, knurrte Taichi und wendete das Fleisch.

Mimi schüttelte nur beiläufig den Kopf und starrte den jungen Yagami fast schon nieder, als Matt sie plötzlich aus ihren Gedanken riss.

„Du siehst heute wirklich hübsch aus!“

„Findest du?“ Unsicher strich sie sich eine Strähne hinter ihr Ohr und lächelte verhalten.

Matt nickte und Mimis Lächeln wuchs ins Unermessliche.

„Vielen Dank. Das ist wirklich süß von dir“.

„Schleimer!“, rief Tai ihm entgegen und grinste herausfordernd.

„Halt die Klappe, Tai“, gaben beide synchron zurück und mussten lachen.

„Verhext“, sagte Mimi und spielte verträumt an ihren Haaren.

Ihr war nie aufgefallen, wie aufmerksam Matt sein konnte.

Und er sah wirklich unfassbar gut aus. Ein wenig wie Michael, doch an diesen Idioten wollte sie wirklich nicht mehr denken. Matt war einer ihrer Freunde, den sie schon jahrelang kannte.

Er war sicherlich nicht so ein Arsch.

Während Mimi und Matt gegenseitig anschmachtende Blicke miteinander tauschten, schnaubte Tai säuerlich vor sich hin.

So schnell war mal also abgemeldet.

Tolle Freunde hatte er da.

Dennoch gefiel ihm diese Entwicklung ganz und gar nicht.

Mimi interessierte sich plötzlich für Matt?

Und umgekehrt?

Wo kam dieser plötzliche Sinneswandel her? Er musste das dringend unterbinden, ansonsten würden sie wahrscheinlich einer Person wehtun, die ihm immer noch sehr am Herzen lag.
 


 

Beide standen im Abseits und lauschten den Gesprächen der anderen.

Selbst Davis hatte sich mittlerweile zu dem Rest gesellt und machte gute Miene zum bösen Spiel.

Cody und er hingegen standen neben dem Pult auf dem Izzy seinen Laptop aufgebaut hatte und sahen den anderen beim Amüsieren zu.

Izzy unterhielt sich schon die ganze Zeit angeregt mit Yolei, die ebenfalls bei ihnen in der Nähe stand. Tai war immer noch am Grill, während Mimi und Matt sich zu Sora und dem Rest gesellt hatten.

„Ich fühle mich irgendwie fehl am Platz“, gab Cody kleinlaut zu und trank an seiner Cola.

„Hey das stimmt doch gar nicht“, meinte Ken aufmunternd und stupste ihn leicht an.

„Aber als Jüngster kann ich fast nirgends mitreden, außerdem habe ich mit allen gar nichts mehr groß zu tun.“

„Ehm wir sehen uns doch regelmäßig!“, konterte Ken fast schon etwas gekränkt.

„Du bist mein Nachhilfelehrer. Das zählt nicht“.

Ken zog die Mundwinkel leicht nach unten und schnaufte leise.

Er hatte Recht.

Privat machten sie sonst eigentlich nichts zusammen. Und Mathenachhilfe war wirklich nicht unbedingt Kommunikationsfördernd.

Selbst er wusste kaum, was in Codys Leben so los war.

Er schien immer noch Kendo zu machen und in den anderen Fächern keine Probleme zu haben, außer halt in Mathe. Sonst wusste er eigentlich nichts über ihn.

Er wusste noch nicht mal ob er eine Freundin hatte, ob er seine Mitschüler mochte oder was er sonst noch nach der Schule gerne machte.

„Tut mir leid. Wir scheinen dich alle ganz schön vernachlässigt zu haben“.

Cody nickte nur traurig und betrachtete sein Spiegelbild im Glas.

„Scheint so“.

Ken fragte sich, wie das alles nur passieren konnte? Sie standen sich früher doch alle immer so nah. Fast jedes Wochenende hatten sie gemeinsam verbracht.

Doch dann kam die Pubertät und puff.

Alles war anders.

Erst dieses Hick-Hack mit Davis, Kari und TK, dann der Abschied von Kari und jetzt auch noch seine äußerst überforderten Gefühle für Yolei.

Sie war verliebt.

Die Frage war in wen? Sie hatte nie irgendetwas in dieser Richtung erwähnt.

Doch diese unzähligen SMS.

Dieses „Ich-bin-ja-so-glücklich“-Grinsen.

Die geänderte Garderobe.

Es war eindeutig.

Ken hatte sie verloren, ohne richtig um sie gekämpft zu haben.

Er konnte sich wirklich nur selbst in den Arsch treten und verfluchte sich innerlich dafür auf Davis gehört zu haben.

Er riet ihm davon ab, mit Yolei über seine Gefühle zu sprechen.

„Das gibt nur Stress und dann haben wir den Salat. Versuch es einfach zu ignorieren. Vielleicht geht es ja auch wieder von alleine weg. Ist wahrscheinlich eh nur ein Strohfeuer“.

Doch Ken wusste, dass es nicht so war.

Er hatte diese Gefühle schon länger, ohne sie gleich bemerkt zu haben.

Anfangs war es ein unauffälliges Kribbeln. Später wurde er in ihrer Gegenwart immer nervöser, bis ihn die Erkenntnis beinahe traf wie ein Blitz.

Er hatte sich in sie verliebt und schleppte diese unerfüllten und vor allem unerwünschten Gefühle, weiß Gott schon wie lange mit sich herum.

Er tat wirklich alles, um sie loszuwerden. Er ging sogar mit verschiedenen Mädchen aus, die er durch Davis und TK kennen lernte.

Nichts half. Die Gefühle waren immer noch da.

Und er?

Er war tot unglücklich damit.
 


 

Er freute sich sie wiederzusehen.

Wirklich.

Im Moment hatte er das Gefühl, dass die letzten paar Jahre einfach nur ein böser Traum waren, aus dem er langsam zu erwachen schien.

Takeru hatte nicht damit gerechnet, dass Hikari und er sich auch nach einem Jahr der Distanz noch so gut verstehen würden.

Vielleicht lag es am Alkohol, aber sie unterhielten sich unbefangen bereits schon über eine Stunde. Selbst Davis hatte den Weg zu ihnen gefunden, auch wenn er sich zu neunzig Prozent nur mit Sora unterhielt.

Aber er erwartete von Davis ganz sicher keine Wunder.

Jedoch hatte er nicht erwartet, dass das Gespräch kurz vor der Eskalation stand.

Takeru hatte mal wieder ein Telefonat weggedrückt, diesmal hatte es Davis hautnah mitbekommen.

Mariko versuchte ihn schon die ganze Zeit zu erreichen, da er ihr zu ihrem nächsten Treffen nur eine äußerst unschlüssige Antwort gab.

Bisher hatte er alle Anrufe ignorieren können, doch diesmal hatte er die Rechnung ohne Daisuke gemacht, der prompt anfing zu sticheln.

Matt und Mimi hatten sich ebenfalls in der kleinen Gruppe eingefunden als Davis die Initiative ergriff.

„Sag mal war das Mariko?“

„Und wenn schon? Ich unterhalte mich gerade“, erklärte er deutlich und zeigte auf Kari.

„Findest du nicht, dass du sie etwas unfair behandelst? Kaum ist Kari wieder da, ist sie plötzlich abgeschrieben“, bohrte er weiter und weckte auch die Aufmerksamkeit von Matt, der sich ebenfalls in das Gespräch einmischte.

„Seid ihr zwei jetzt eigentlich zusammen? Du hättest sie auch ruhig mitbringen können“, warf Matt ein und schaute zu seinem Bruder, der vor Scham rot anlief.

„Wer ist Mariko?“, fragte nun auch Kari interessiert und brachte unerwartet Bewegung ins Geschehen.

„Schätzungsweise Takerus Freundin“, schlussfolgerte Matt und erntete von Takeru einen bösen Blick.

„Sie ist nicht meine Freundin“, knurrte er.

„Wahrscheinlich wohl eher deine Fick-Freundin“, ergänzte Davis sarkastisch.

„Halt deinen Mund“, zischte der Blonde.

Ihm war die Situation vor Kari mehr als nur peinlich. Diese blickte ihn fragend an. Mimi und Sora hatten das Gespräch gar nicht mitbekommen und plauderten munter weiter.

„Ich fass es nicht, dass du wirklich so abgebrüht bist“, flüsterte Matt ihm zu und heizte das Geschehen immer weiter an.

„Halt doch deine Klappe. Du bist wohl der Letzte der sowas behaupten sollte“, brüllte er und erweckte die Aufmerksamkeit der anderen um ihn herum.

„Was ist hier los?“, wollte Mimi wissen und zog Kari zu Rate, die nur unsicher mit den Schultern zuckte.

„Ich mache mir wirklich nur Sorgen um dich!“, versicherte ihm Matt und versuchte seine Hände auf seine Schultern zu legen, doch Takeru schlug beide von sich und ging einen Schritt zurück.

„Du bist doch Schuld daran, dass es unserer Familie so schlecht geht! Wann akzeptierst du es endlich?“

„TK, fang nicht wieder davon an!“, brüllte er zurück und ging einen weiteren Schritt auf seinen Bruder zu, während er einen weiteren zurückging.

Auch Davis hatte mittlerweile gemerkt, dass sein Manipulationsversuch, um Kari loszuwerden, wohl eher nach hinten losging.

Jetzt hatten sich tatsächlich die beiden Brüder in den Haaren.

„Warum kannst du es nicht akzeptieren? Ist es wegen Saya?“

Matts Blick veränderte sich auf einmal, als er ihren Namen nannte. Seine Miene verfinsterte sich und seine Mundwinkel hingen nach unten.

„Es ist nicht wegen…Saya“, antwortete er unschlüssig.

„Ach ja und warum hast du Mama seither kein einziges Mal besucht?“

„Ich konnte es nicht. Es fühlte sich irgendwie falsch an!“, antwortete er wahrheitsgemäß.

Die Wut in Takeru sprudelte hoch.

Es fühlte sich falsch an?

Was dachte sich Matt nur dabei?

Von seiner Wut geleitet stürzte er sich auf Matt und gab ihm einen Kinnhaken.

Aus einem wurden schnell zwei und aus zweien entstand eine heftige Prügelei unter zwei Brüdern.

„So eine Scheiße aber auch! Izzy? Tai? Kommt schnell her!“, rief Sora hilflos und versuchte TK von Matt runter zu reißen.

Izzy rannte raus und holte Tai zu Hilfe, der immer noch am Grill stand. Beide kamen wenige Sekunden später ins Gebäude gestürmt und rissen beide auseinander.

„Man was ist nur los mit euch?“, fragte Tai aufgebracht, während Matt sich sein Kinn hielt. Auch Takeru hatte einige Blessuren abbekommen.

„TK hört einfach nicht auf über dieses leidige Thema zu sprechen. Langsam geht es mir wirklich auf den Sack!“

„Du gehst mir im Moment auch ganz schön auf den Sack“, blaffte er zurück und wollte sich erneut auf ihn stürzten, wurde jedoch rechtzeitig von Izzy zurückgehalten.

„Müsst ihr das ausgerechnet heute klären? Wir wollten doch ganz in Ruhe Karis und Mimis Rückkehr feiern“, warf Sora enttäuscht ein und blickte zu ihren beiden Freundinnen, die immer noch ratlos im Halbkreis standen, der sich gebildet hatte.

„Ohne mich“, giftete Takeru, schnappte sich seine Jacke und verschwand nach draußen. Davis und Ken liefen ihm ohne ein Wort zu verlieren hinterher und ließen einen aufgebrachten Matt und eine vollkommen gekippte Partystimmung zurück.

„Was war das denn jetzt?“

Mimi stand immer noch neben Kari und blickte verwirrt in die kleine Runde, die übrig geblieben war.

Keiner der Anwesenden sagte ein Wort, bis Matt ein leises „Ich ertrag das nicht mehr“ hervorbrachte und ebenfalls verschwand.

Tai stöhnte und hielt sich die Hand an die Stirn.

„Na super. Das nennt man wohl eine ordentlich Party“.

„Ich denke, dass hat für heute keinen Sinn mehr“, meinte Izzy und wurde von Tais Nicken bestärkt.

„Willst du mit ihm reden, oder soll ich?“

„Ich mach das schon“, erklärte sich der Rotschopf bereit. „Danach werde ich noch ein bisschen aufräumen.“

„Ich kann dir gerne helfen“, bot sich Yolei an und Izzy nickte nur zustimmend.

„Dann bringe ich Cody und die Mädels heim“.

„Quatsch ich kann sie doch fahren. Ich bin doch mit dem Auto hier! Und getrunken habe ich auch nichts“, schlug Sora vor.

„Ich komme trotzdem mit, wenn du nichts dagegen hast“, erklärte Tai und warf einen Blick zu seiner Schwester, die immer noch verwirrt zu sein schien. „Tut mir wirklich leid, dass die Party so ein Reinfall war“.

Kari erwiderte daraufhin nichts, sondern holte ihre Jacke und ging danach direkt zu Soras Wagen.

Mit diesem Ausgang hatte wohl keiner gerechnet.

Was war nur in ihrer Abwesenheit zwischen Takeru und Matt passiert?

Wer Mariko?

Und wer war diese Saya, die Matt offensichtlich nicht mochte?

Zu viele Fragen und zu wenige Antworten strömten durch ihren Kopf.

Wahrscheinlich war es doch ein großer Fehler wieder zurückzukommen.
 


 

Sie befanden sich nur noch zu viert im Wagen. Cody hatten sie inzwischen heil zu Hause abgesetzt. Von Izzy hatten sie erfahren, dass Matt sich nicht mehr in der Nähe befand und er mit Yolei noch ein bisschen aufräumen würde. Tai hingehen saß auf dem Beifahrersitz von Soras Wagen und war froh, dass weder Kari noch Mimi irgendwelche Fragen stellten.

Beide saßen stillschweigend auf der Rückbank und starrten aus dem Fenster.

Sora bog gerade in die Straße ihres Hotels ein und suchte einen Parkplatz, als sich Mimi plötzlich zu Taichi vorbeugte.

„Tut mir leid, was ich vorhin zu dir gesagt habe. Wegen dem grillen!“

Tai drehte sich perplex zu ihr und schaute ihr in die braunen Augen. Sie schien es wohl wirklich ernst zu meinen. Woher kam dieser plötzliche Sinneswandel?

„Okay? Hast du noch was genommen oder warum entschuldigst du dich bei mir? Ist ja sonst nicht deine Art!“

Mimi presste die Lippen aufeinander und schloss für einen kurzen Moment die Augen, bevor sie sie wieder aufschlug.

„Keine Ahnung, vielleicht will ich einfach noch mehr Stress vermeiden“.

„Das ist nicht eure Schuld. Das ist eine Sache zwischen TK und Matt“, gestand der junge Yagami, auch wenn er leicht verwundert über Mimis Reaktion war.

„Okay“, gab sie zurück und ließ sich wieder nach hinten plumpsen.

Wahrscheinlich war sie einfach zu müde, um noch etwas zu entgegnen. Oder sie wollte wirklich keinen weiteren Stress heraufbeschwören.

Doch daran glaubte Taichi noch nicht so recht. Immer wenn er und Mimi sich in einem Raum befanden, war die Stimmung meist hochexplosiv.

Er war gespannt wie lange dieser vermeintliche Waffenstillstand anhielt.

Sora hatte inzwischen einen Parkplatz ergattert und parkte ohne Probleme ein. Sie stellte den Motor an und schnallte sich ab. Der Rest tat es ihr gleich und alle vier stiegen aus dem Wagen aus.

Sora ging zum Kofferraum und holte die Tüten hervor, die Mimi und sie heute Mittag geshoppt hatten.

Sie reichte sage und schreibe fünf der sieben Tüten an Mimi weiter und Tai musste sich buchstäblich auf die Zunge beißen, um nicht ein Kommentar loszuwerden.

„Danke fürs herbringen!“, sagte Mimi und verabschiedete sich von Sora indem sie, sie knapp umarmte. Selbst von Taichi verabschiedete sie herzlicher als sonst. Wohlmöglich lag es einfach nur am Schock.

„Gute Nacht“, wünschte Kari ihnen und verabschiedete sich ebenfalls. Beide blieben noch solange draußen stehen, bis sie den Eingang des Hotels erreicht hatten, danach stiegen sie wieder ins Fahrzeug.

Gerade als Sora wieder losfahren wollte, legte Tai seine Hand auf ihre und brachte sie augenblicklich zum Stoppen.

Die Rothaarige stöhnte genervt, denn sie wusste genau, was er ihr sagen wollte.

Auch er hatte ihre Blicke mitbekommen.

Wie verletzt sie war, dass Matt Mimi mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihr. Er hatte ihr regelrecht hinterher gesabbert, das war selbst Taichi nicht entgangen.

„Bitte Tai…lass es gut sein. Ich will nicht darüber reden!“

„Das sagst du schon seit ich dich vollkommen betrunken in dem Club aufgelesen und mit nach Hause genommen habe“, entgegnete er verständnislos. „Rede doch bitte mit mir!“

„Was soll ich denn noch groß sagen? Mein betrunkenes Ich hat dir wohl alles anvertraut, obwohl du der Letzte warst mit dem ich darüber reden wollte!“

„Aber Gefühle kann man eben nicht ändern und mir macht es wirklich nichts aus!“, gab er ihr zu verstehen. „Ich würde mich freuen, wenn es klappen würde. Für euch beide“.

Sora seufzte und die ersten Tränen bildeten sich in ihren Augen.

„Er bemerkt mich noch nicht mal. Und ich werde mich ganz sicher nicht so aufdackeln wie Mimi. Das bin ich nicht und das werde ich nie sein“, sagte sie und bemerkte erst gar nicht, wie ihr die Tränen die Wange hinunterflossen. „Sie ist doch sowieso viel hübscher als ich“.

„Red doch keinen Quatsch. Das stimmt doch gar nicht!“

„Ach und du findest sie etwa nicht hübsch? Anziehend? Sexy?“

„Ä-Ähm naja also…“, stotterte er und wand sein Gesicht von ihr. Was sollte er nur sagen, ohne in ein riesengroßes Fettnäpfchen zu treten?

„Ich finde die innere Schönheit viel wichtiger als die äußere Kulisse“, sagte er nach langem hin und her. Er wusste, dass sie ihm nicht glaubte. Wie auch…sie kannte ihn besser als jeder andere. Sie wusste Dinge, die selbst Matt nicht wusste.

Natürlich fand er Mimi hübsch, aber auch außerordentlich nervig. Und Schönheit lag sowieso im Auge des Betrachters.

Die Mädels die Matt meist abschleppte, waren nur für eine Nacht gedacht. Sora war die Sorte Mädchen, die man einmal heiraten wollte.

Selbst wenn er sie mochte, würde er sie von sich fern halten, nur aus Angst sie irgendwann zu verletzen. Matt war in dieser Sache schon immer komisch gewesen. Die Tatsache mit seinen Eltern und Takeru kam noch erschwerend hinzu.

Tai war sich nicht sicher, ob er wissen wollte, was ihn da zu Hause erwartete.

Aber im Moment dachte er noch gar nicht daran nach Hause zu gehen. Erstmal musste er Sora wieder etwas beruhigen. Das war er ihr schuldig.
 


 

Sie hatte bereits ihren Pyjama an und setzte sich auf ihr Bett, als Mimi mit ihrer Haarbürste bewaffnet im Raum herum lief.

„Das war heute ja `ne krasse Aktion“, meinte sie und fuhr sich mit der Bürste durch die langen braunen Haare. „Ich frage mich wirklich, was mit Matt und TK los ist. Irgendwie habe ich mich nicht mehr getraut zu fragen“.

„Ging mir genauso“, antwortete Kari und starrte auf den Boden.

Irgendwie fühlte sie sich seltsam, so als wäre sie nicht ganz bei Sinnen.

„Naja wir werden sicher rausbekommen, was da los ist“, erklärte Mimi optimistisch und verschwand kurze darauf ins Badezimmer.

Kari blickte immer noch zu Boden und ein Gefühl der Leere machte sich mal wieder in ihr breit.

Sie stand auf und kramte kurz in ihrer Tasche, bis sie das geknickte Bild wieder in ihren Händen hatte.

Sie legte es immer unter ihr Kopfkissen – so als wäre es eine Art Ritual, dass sie immer vor dem Schlafen gehen zelebrierte.

Die Wahrheit war, dass sie sich ohne dieses Bild verletzlich und schwach fühlte. So als würde etwas fehlen. Etwas, das sie nicht so einfach wieder zurückbekommen würde.

Sie schleppte sich wieder zum Bett und versteckte das gefaltete Stück Papier wie immer unter ihrem Kopfkissen. Danach kuschelte sie sich in ihre Decke und starrte an die Wand, an der ein Bild mit einem Sonnenuntergang hing.

Sie wusste, dass sich viel geändert hatte.

Dennoch hätte sie nicht damit gerechnet, dass sich in Japan während ihrer Abwesenheit, ebenfalls so viel verändert hatte.

Doch es war wohl sehr naiv zu glauben, dass hier die Zeit still stehen würde. Natürlich drehte sie sich weiter und hielt einige Überraschungen parat mit denen die junge Yagami nicht gerechnet hatte.

Aber anscheinend war nicht nur sie diejenige, die sich verändert hatte. Auch ihre Freunde wirken auf sie viel reifer. Besonders Takeru, der heute auf seinen Bruder losgegangen war.

Den Takeru, den sie kannte, hätte sowas nie getan.

Sie fragte sich, was alles dahinter steckte.

Doch auch Veränderungen verbargen nicht nur Vorteile, sondern mit jeder Veränderung hatte Hikari das Gefühl ein Stückchen von sich selbst zu verlieren.

Und sie musste machtlos mitansehen, wie alles in die Brüche ging. Wahrscheinlich würde sie nie wieder die „alte Kari“ werden.
 

Fortsetzung folgt...

Heimweh.


 

But I don't wanna miss home.

Runaway, X. Ed Sheeran, 2014.
 


 

30. Mai 2010. Fujishizuoka, Japan. Tempelanlage.
 

Er öffnete die Augen und ein leichtes Schmunzeln legte sich über sein Gesicht. Er war das erste Mal seit langem wirklich glücklich.

Er hatte allen getrotzt, sogar seinem Vater. Einfach auf den Tisch gehauen und sein Ding gemacht.

Joe war richtig stolz auf sich. All das war sein Verdienst gewesen. Er hatte hart gearbeitet, um sich diese Reise finanzieren zu können. Sogar Regale hatte er eingeräumt.

Und jetzt war es endlich soweit. Er befand sich mitten auf seiner Reise.

Eine Reise, die ihm die Augen öffnen sollte.

Sie sollte ihm zeigen, was er wollte.

Nicht sein Vater.

Nur er allein.

Heute war bereits der letzte Tag in Fujishizuoka. Die Gruppe hatte sich vorgenommen einen Wanderweg, der einmal rund um den Fuji ging, entlang zu wandern und unter den Kirschbäumen ein leckeres Abschlusspicknick zu veranstalten. Mit allem Drum und Dran.

Joe sprang freudig aus dem Bett und öffnete den Kleiderschrank, um sich seine Wäsche zurecht zu legen. Von seinem Fenster aus sah er bereits den Fuji in seiner vollen Pracht.

Seine Gruppe war in einer alten Tempelanlage untergebracht, die zu einem modernen Hostel umgewandelt wurde.

Joe schlüpfte in seine Badelatschen und nahm seine Klamotten mit ins angrenzende Gemeinschaftsbadezimmer. Auf dem Weg dorthin grüßte er ein älteres Ehepaar, das gemeinsam mit ihm reiste.

Eigentlich war diese Idee ursprünglich von seinen beiden Brüdern ausgegangen. Shun hatte ihm erzählt, dass jedes Jahr um diese Zeit eine kleine Reisegruppe die Gegend unsicher machte, um sich das schöne Japan genauer anzuschauen.

Die meisten waren bereits Rentner, aber auch zwei Studenten aus dem Ausland nahmen an dieser Fahrt teil. Auch die Tochter des Gruppenleiters schien ungefähr in seinem Alter zu sein. Vielleicht war sie zwei, drei Jahre älter.

Der Rest gehörte wirklich eher zum alten Eisen.

Doch an sich waren sie eine sehr lustige und aufgeschlossene Gruppe, die die Natur rund um den Fuji sichtlich genoss.

Die Reise dauerte insgesamt acht Tage. Am Freitag waren sie mit dem Bus von Tokio aus losgefahren und verbrachten das komplette Wochenende in Fujishizuoka. Gestern waren sie bereits ein wenig gewandert und machten an einem großen See in der Nähe des Fujis Rast. Da zurzeit keine Klettersaison war, durften nur erfahrene Wanderer die Spitze des Fujis erklimmen.

Aber allein schon hier zu sein, war für Joe Erfüllung genug. Vielleicht würde er eines Tages auch den Fuji hochwandern und auf seiner Spitze irgendwelchen Unsinn in die Gegend brüllen.

Aber es bedeutete ihm sehr viel, hier zu sein.

Seine Freiheit zu genießen.

Er selbst sein zu dürfen und nicht nach der Pfeife seines Vaters tanzen zu müssen.

Bereits morgen würden sie nach Hamamatsu aufbrechen, das knapp zwei Stunden von hier entfernt war. Die Stadt lag direkt am Hafen und war besonders für ihre Industrie bekannt. Aber sie hatte auch noch einen anderen Beinamen – Stadt der Musik.

Deswegen fuhren sie gemeinsam dort hin. Ein großes Musikfestival sollte stattfinden, bei dem die Gruppe natürlich nicht fehlen durfte.

Joe war bereits ganz euphorisch, da er noch nie ein Festival besucht hatte.

Doch es gab bekanntlich für alles ein erstes Mal.

Und er hatte sich geschworen sich zu amüsieren – bis der Arzt kommt.

In Hamamatsu wollen sie ebenfalls drei Tage verbringen, bevor sie ihr Endziel Nagoya ansteuerten.

Sie hatten viele verschiedene Haltestellen, die Joe wohl alle noch einmal nachlesen musste.

Er wusste jedoch, dass sie verschiedene Museen und Parkanlagen besuchen wollte, um die Kultur Nagoyas etwas besser kennen zu lernen. Zum großen Abschluss plante die Gruppe einen Tagesausflug auf den Berg Ena. Danach würden sie wieder den Nachhauseweg antreten, was bedeutete wohl über sechs Stunden mit Pausen in einem stickigen Bus zu verbringen.

Etwas auf das sich Joe eher weniger freute.

Aber er hatte noch einige Tage Zeit. Und diese wollte er in vollen Zügen genießen.
 


 

Hektisch kramte sie ihre Sachen aus dem Schrank und versuchte alles in ihrem Koffer zu verlagern, doch nichts schien richtig passen zu wollen. Dabei hatte sie weder etwas gekauft, noch viel schmutzige Wäsche angesammelt.

Doch alles was ihr durch den Kopf schoss, war dass sie hier schnell weg wollte.

Am besten packte sie für Mimi gleich mit.

Hikari konnte nicht länger hier bleiben. Den Alptraum, den sie in der Nacht hatte, bewegte sie zum Gehen.

In ihrem Traum hatte ihre Familie und ihre Freunde, alles herausgefunden und wollten mit ihr nichts mehr weiter zu tun haben.

Auch Mimi hatte sich von ihr abgewandt, nachdem sie erfahren hatte, dass Michael der Vater ihres nicht mehr existierenden Babys war.

Die junge Yagami konnte sich nicht mehr beruhigen. Sie war hysterisch und hektisch.

Sie fühlte sich hin und her gerissen. Wollte einfach nur noch weg. Sie wollte nach Hause, zu den Leuten, die sie verstanden.

Sie fühlte sich in Japan nicht mehr heimisch. Alles war ihr fremd geworden.

Auch ihre Freunde – selbst wenn sie es gestern nicht zugeben wollte.

Sie war doch recht geschockt darüber gewesen, als Davis irgendetwas über Takerus spezielle Freundin erzählte.

Sie konnte es nicht glauben. Den Takeru, den sie kannte war nie so drauf gewesen. Und dann schlug er sich noch mit Matt…auf Mimis und ihrer Willkommensparty.

Und Davis hatte ihr mit seinen Blicken deutlich signalisiert, dass sie hier unerwünscht war.

Jedenfalls bei ihm.

Es waren gestern zu viele Eindrücke, die ihr im Moment das Hirn vernebelten. Sie dachte nur noch an eins: die Flucht ergreifen, am liebsten für immer.

Ob es Mimi nun passte oder nicht.

Sie wollte nur noch zurück.

Als hätte sie haargenau diesen Moment abgewartet, kehrte Mimi viel zu verfrüht vom Frühstück zurück und stand mitten im Raum, während Kari unbeirrt weiter packte.

„Was machst du da?“, fragte sie verwirrt und schloss ihre Zimmertür hinter sich. „Erst wolltest du nicht mit mir essen gehen und jetzt packst du deine Koffer?“

Kari reagierte nicht. Mimi tat näher an sie heran und stellte sich ihr direkt in den Weg.

„Bitte Mimi, lass mich. Ich kann hier nicht bleiben“, nuschelte sie, doch Mimi bewegte sich keinen Zentimeter.

„Warum willst du gehen? Auch wenn die Willkommensparty gestern etwas scheiße gelaufen ist, brauchst du doch nicht gleich das Land zu verlassen“.

„Das ist es nicht“, sagte sie zögerlich und setzte sich auf ihr Bett. „Ich bin mir sicher, dass sie alles herausfinden werden und dann bin ich dran“.

„Kari keiner ahnt etwas. Selbst dein Bruder nicht“, beruhigte die Ältere sie und setzte sich ebenfalls.

„Ich fühle mich hier einfach nicht mehr wohl. Ich will hier weg!“

„Ach Kari…das sagst du doch jetzt nur so. In Amerika hattest du doch so großes Heimweh gehabt, erinnerst du dich nicht mehr daran?“

Sie verrollte automatisch die Augen. Natürlich erinnerte sie sich daran.

Zu diesem Zeitpunkt war sie noch unschuldig gewesen.

Und vor allem noch nicht schwanger.

„Ich habe das Gefühl, mich jeden Tag immer mehr selbst zu belügen“, gestand sie sich ein und wand den Blick komplett von Mimi ab.

„Dir ist dir Sache mit dem Baby doch näher gegangen, als du mir weiß machen wolltest, hab ich Recht?“

Sachte nahm Mimi sie in den Arm, während Kari erstmals ihren Tränen freien Lauf ließ.

Sie hätte sich doch denken können, dass sie nicht ewig die harte Schale aufrechterhalten konnte. Dafür war zu viel passiert.

Und Mimi wusste immer noch nicht die ganze Wahrheit.

Noch nicht mal die Hälfte wusste sie.

Kari hatte sie eigentlich von vorne bis hinten belogen.
 


 

20. Oktober 2009. Odaiba, Japan. Wohnung der Takaishis.
 

Es war Dienstag. Wie angekündigt befanden sich sowohl Takeru als auch sein Bruder Matt bei ihrer Mutter, die ihnen extra einen Kuchen gebacken hatte.

Zuvor hatte sie ein wahres Festmahl serviert.

Matt wusste wirklich nicht, ob noch Platz für ein Stück Kuchen in seinem Magen zu finden war.

Nachdem Natsuko den Tisch abgeräumt hatte und neu eindeckte, wurde sie sichtlich immer nervöser und starrte permanent zur Uhr.

Als sie noch ein viertes Gedeck auf dem Tisch platzierte, wurde selbst Takeru misstrauisch.

„Warum deckst du den für Vier? Wir sind doch nur drei?“, fragte der Jüngere und seine Mutter fuhr sich auffällig nervös durch ihre Haare. Sie schaute kurz zu ihren Söhnen, wisch aber gekonnt ihren fragenden Blicken aus.

Hatte Taichi vielleicht recht gehabt? Wollte seine Mutter ihnen wirklich einen neuen Mann an ihrer Seite präsentieren?

Yamato verwarf schnell den Gedanken und schüttelte sich unauffällig.

„Wir erwarteten noch einen Gast“, eröffnete sie ihnen und ging wieder in die Küche.

TK sah prompt zu Matt, der nur fragend mit den Schultern zuckte.

„Glaubst du sie hat einen neuen Freund?“, flüsterte der junge Takaishi ihm zu.

„Keine Ahnung. Werden wir sicher gleich sehen“.

„Na ich hoffe mal nicht“, kommentierte er und wand den Kopf wieder zu seiner Mutter, die gerade mal wieder auf die Uhr schaute.

Plötzlich klingelte es und Natsuko schreckte zusammen.

Die Zeit der Wahrheit war wohl gekommen.

Sie schnellte zur Tür und öffnete sie behutsam, während Matt und TK von ihren Stühlen aus in eine Art Beobachterposition gingen.

„Kannst du etwas sehen?“

„Nein, noch nicht“, meinte Matt, hielt danach aber kurz inne.

Diese Stimme.

Er hatte sie schon so oft in seinem Leben gehört. Es war definitiv seine.

Das durfte doch wirklich nicht wahr sein. Matts Augen weiteten sich augenblicklich, während TK anscheinend immer noch keine Ahnung hatte.

„Ach du scheiße“, entfuhr ihm kurzer Hand.

„Was ist los? Hast du ihn erkannt?“

Matt nickte nur und stand auf, während er gemeinsam mit seiner Mutter ihnen entgegen kam.

„Papa? Was machst du denn hier?“, fragte Matt verwirrt und auch TKs Kinnlade klappte nach unten als er plötzlich seinen Vater vor sich stehen sah.

Hatten sich seine Wünsche und Träume endlich erfüllt?

Waren seine Eltern etwa wieder zusammen?

Nun ja...Händchen hielten sie schon mal nicht. Vielleicht war auch etwas mit seinen Großeltern. Daran hatte Takeru noch gar nicht gedacht.

„Was ist hier los?“

Ihr Vater schnaufte und sah automatisch zu ihrer Mutter, deren Nervosität immer noch nicht abgeflacht war.

„Matt setzt dich bitte wieder hin“, sagte sie mit einem dringlichen Unterton.

Der Angesprochene zog skeptisch die Augenbraue nach oben, setzte sich dann aber rasch wieder, als auch seine Eltern Platz genommen hatten.

Sein Vater atmete einmal tief ein und wieder aus. Er verschränkte die Finger ineinander und legte diese auf die Tischplatte, während ihre Mutter fast schon geistesabwesend wirkte.

„Wir müssen euch etwas erzählen“, eröffnete er ihnen und Takeru rechnete wirklich schon damit, dass einer seiner Großeltern gestorben war, während Matt vollkommen planlos wirkte.

„Vor ungefähr einem Monat ist etwas passiert“, schilderte er weiter und Natsuko biss sich instinktiv auf die Unterlippe.

„Es war ungefähr zu der Zeit als Takeru hier ausgezogen ist“, erklärte sie etwas detaillierter, während sich Hiroaki etwas zurück hielt. „Ich habe mich wirklich sehr alleine gefühlt, da ich es wirklich nicht gewohnt war, vollkommen alleine hier zu wohnen“.

„Das tut mir leid Mama“, entschuldigte sich Takeru und griff nach ihrer Hand. Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln und rieb ihm leicht über die Handfläche.

„Ich habe einmal euren Vater angerufen, weil der Abfluss verstopft war und habe ihn danach zum Essen eingeladen“, erzählte sie weiter und Takeru ließ ihre Hand wieder los.

Matts Gesicht veränderte sich auf einmal…sie wollte doch nicht etwa sagen, dass…nein!

Niemals.

Dafür waren die beiden viel zu alt.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und klebte mit den Augen auf den Lippen seiner Mutter.

„Wir soll ich es am besten sagen?“, fragte sich Natsuko selbst und schaute hilfesuchend zu Hiroaki. Er räusperte sich kurz und beugte sich nach vorne.

„Was eure Mutter sagen will…an diesem Abend sind wir uns näher gekommen“.

„Näher gekommen?“, wiederholte Matt und versuchte zu verhindern, dass sein Gesicht komplett entgleiste.

Damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Sie waren doch schon mindestens über vierzig.

Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass seine Eltern „es“ noch taten.

Gut damals als sie noch jung waren.

Ohne „es“ gäbe es ihn und Takeru schließlich gar nicht. Aber jetzt doch nicht mehr…

„Was heißt das jetzt?“ Takerus Frage riss ihn komplett aus seinen Gedankengängen. Er schaute zu seinem Bruder und sah die Hoffnung in seinem Gesicht. Die Hoffnung, die seine Eltern jedes Mal aufs Neue zu Nichte machten.

„H-Heißt das etwa, dass ihr…“, er traute sich nicht die Frage zu Ende zu stellen. Auch die Gesichter seiner Eltern, verrieten Matt, dass das nicht der Grund war, warum sie Takeru und ihn zu sich herbestellt hatten.

„TK…es ist kompliziert.“

„Aber ihr kamt euch doch näher. Ihr müsst doch noch etwas füreinander empfinden“, schlussfolgerte er und hielt sich an seiner letzten Hoffnung fest.

Matt sah mitleidig zu Takeru, der immer noch so hoffnungsvoll aussah. Er hätte sich doch denken müssen, dass seine Eltern diese wieder zerstören würden.

„Es war eigentlich nur etwas Einmaliges“, gestand Natsuko. „Wir hatten zu viel Wein getrunken und dann ist es eben passiert“.

„Das schreit aber nach einem gewaltigen ABER“, stellte Matt nüchtern fest und schaute herausfordernd zu seinem Vater, der sich nicht traute ihn anzuschauen.

„Sagen wir mal so…es ist etwas gewaltig schief gelaufen“.

TK und Matt blickten sich gegenseitig an, konnten sich jedoch keinen Reim drauf bilden.

Dann schauten sie wieder zu ihren Eltern, um festzustellen, dass ihre Mutter weinte.

„Was heißt schief gelaufen?“, wollte Matt wissen.

„Ich habe eigentlich gedacht, dass ich in die Wechseljahre komme, deswegen habe ich mir anfangs nichts dabei gedacht“, schluchzte ihre Mutter vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen. „Aber dann ist es mir fast jeden Morgen schlecht geworden und mir war klar, dass etwas nicht stimmen konnte. Bei euch beiden ist es mir auch immer schlecht geworden“.

Yamatos Kinnlade klappte nach unten und sein Gesicht wurde kreideweiß.

Takeru hingehen zog die Stirn in Falten, da er immer noch nicht verstand, auf was seine Mutter hinaus wollte. Für ihn, sprach sie einfach nur in Rätseln.

„Das ist doch nicht euer Ernst? Ihr verarscht uns doch? Wo ist die versteckte Kamera? Sind wir hier bei `Wir verarschen Newcomer-Künstler`?“

Matt war vollkommen aufgebracht und stand vom Tisch auf, um wie wild durch die Wohnung zu laufen.

„Es ist unser Ernst!“, versicherte ihm sein Vater.

„Ich bin doch hier im falschen Film!“, nuschelte er und schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen.

Auch Takeru schien langsam zu verstehen, was seine Eltern mit dem ganzen sagen wollten.

„A-Aber wenn ihr noch ein Baby bekommt, warum könnt ihr dann nicht wieder zusammen sein?“, fragte er nach einer Weile und wirkte traurig.

„TK, wir wissen noch nicht was die Zukunft bringt, aber wir haben in der Vergangenheit einfach nicht miteinander harmoniert, jedenfalls nicht als Paar. Ich werde zu hundert Prozent für deine Mutter da sein, versprochen“.

„Versprich ja nicht etwas, was du nicht halten kannst!“, giftete Matt und brachte seine Mutter nur noch mehr zum Weinen.

„Yamato…jetzt setzt dich bitte!“

„Vergiss es! Das darf doch nicht wahr sein. Meine geschiedenen Eltern bekommen mit über vierzig noch ein Baby! Wie verantwortungslos seid ihr eigentlich? Ihr habt uns schon getrennt! Das Baby wird es ganz sicher nicht besser haben“, brüllte er aufgebracht und lief zum Fenster.

„Bei euch haben wir es doch auch irgendwie hinbekommen!“, stellte sein Vater fest und nahm seine weinende Ex-Frau in seine Arme.

Takeru sackte allmählich auf seinem Stuhl hinab und bemerkte, dass er zunehmend mit den neuen Erkenntnissen überfordert war. Er bekam noch einen Bruder oder eine Schwester. Damit hatte er nach 18 Jahren wirklich nicht mehr gerechnet.

„Was habt ihr bei uns hinbekommen? Ich bin doch vollkommen beziehungsunfähig! Und Takeru konnte noch nie aufrichtig zu seinen Gefühlen stehen!“

„Wie bitte?“ Er setzte sich auf und schenkte seinem Bruder einen bösen Blick.

Matt gestikulierte unwirsch und schüttelte offensichtlich den Kopf.

„Stimmt doch! Oder hast du Kari je gesagt, was du für sie empfindest? Lieber suchst du dir eine Ersatz-Kari, anstatt zu deinen Gefühlen zu stehen!“

„MATT!“, zischte der Jüngere und lief automatisch rot an. Wie konnte er nur sowas vor seinen Eltern sagen? Selbst seiner Mutter hatte er nie erzählt, dass er auf Hikari stand. Was sollten also diese Zwangsgeständnisse?

„Ach wisst ihr was? Ihr könnt mich mal! Spielt ruhig jedem eure Vorzeigefamilie vor! Ich bin raus!“, stellte er klar, schnappte sich seine Jacke und knallte bei hinausgehen die Tür lautstark hinter sich zu.

„Das ist wohl nicht so gelaufen, wie wir es uns erhofft hatten“, murmelte Hiroaki, der immer noch die weinende Natsuko in seinen Armen hielt.

Takeru schaute zu seinen Eltern und wusste nicht, was er daraufhin antworten sollte. Natürlich war es ein Schock, aber Matt musste doch nicht gleich so ausrasten.

Vielleicht brachte das Baby ihre Familie ja wieder zusammen.

Jedenfalls wollte er das glauben.
 


 

Er kam vor einer Stunde von der Uni nach Hause und hatte sich auf der Couch niedergelassen. Seither hatte er sich keinen Millimeter bewegt. Er war eben nicht so ein fleißiges Arbeitsbienchen wie Izzy, der sich vor einer Viertelstunde in die Bibliothek verabschiedet hatte.

Taichi brauchte auch ab und zu mal eine kleine Pause, um sich von dem ganzen Stress etwas zu erholen. Matt saß wahrscheinlich auch gerade bei seiner Mutter und aß ihren leckeren Kuchen.

Wenn er an die „Kunstwerke“, die seine Mutter ihm immer auftischte dachte, konnte einem sehr schnell der Appetit vergehen. Doch nicht jeder konnte so eine eins A Köchin Schrägstrich Bäckerin als Mutter haben wie Matt.

Vielleicht dachte der Blondschopf mal an ihn und brachte ihm ein Stückchen des leckeren Kuchens mit. Tai hatte es sich auch redlich verdient.

Und Matt konnte schließlich auch mal an ihn denken.

Doch plötzlich wurde die Tür aufgeschlossen und Taichi dachte direkt an Izzy, der irgendetwas vergessen hatte – doch es war Matt, der überaus miesgelaunt die Tür hinter sich zu schlug.

„Du bist ja schon wieder da“, stellte Tai fest und versuchte einen Teller oder eine Box zu erkennen, indem Yamato seinen Kuchen befördert haben könnte. „Hast du mir keinen Kuchen mitgebracht?“

Der Blonde schaute ihn jedoch böse an, warf seine Jacke über den Stuhl und setzte sich mit einem lauten Murren zu ihm auf die Couch.

„Was ‘n mit dir los? Hat deine Mutter keinen Kuchen gebacken?“

„Boah hör auf nur ans Essen zu denken! Das ist ja nicht mehr normal“, kommentierte er angesäuert und fuhr sich mit den Handflächen über sein Gesicht.

„Sorry“, murmelte er beiläufig. „Was ist denn passiert? Du wirkst richtig gestresst!“

„Frag lieber nicht“, gab Matt von sich und massierte sich mittlerweile die Schläfen.

„Ich frag aber“, grummelte Tai und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Was ist los?“

Matt schnaufte, ließ seine Arme nach vorne baumeln und beugte sich leicht vor.

„Anscheinend hatten meine Eltern was miteinander“.

Tais Augen vergrößerten sich und drohten ihm beinahe aus dem Kopf zu fallen.

„Was? Nicht dein Ernst? Ist doch klasse, vielleicht kommen sie ja wieder zusammen“.

„Schön wär´s“, meinte er und stützte sich mit seinen Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln ab. „Es war eine einmalige Sache, die leider nicht ohne Folgen geblieben ist“.

„Was heißt das?“, fragte er grinsend, doch sein Grinsen blieb ihm fast zeitgleich im Halse stecken. „Ist sie etwa…?“

„Ja, meine Mutter ist schwanger!“

„Aber sie ist doch alt…meine Mutter ist bereits in den Wechseljahren“, informierte er ihn, auch wenn er nicht wusste, was es bedeuten sollte. Doch jeden einzelnen Wutausbruch, schob sie auf ihre Wechseljahre. War wohl eine Ausrede für alles.

„Heißt das jetzt etwa, dass sie noch ein Baby bekommen, aber nicht wieder zusammen kommen?“

„Wow Tai, du bist wirklich ein Blitzmerker“, meinte er sarkastisch und verrollte spielerisch die Augen.

„Danke für deine netten Worte!“, lachte er und legte seine Hand auf seine Schulter. „Ich weiß, es klingt wirklich katastrophal, aber dadurch werden sie automatisch auch mehr Zeit miteinander verbringen“, schlussfolgerte er scharfsinnig wie immer. „Vielleicht wird es ja nochmal was!“

Matt schnaufte laut und ließ sich wieder zurückfallen.

„Weißt du Tai, diese Hoffnung habe ich schon lange aufgegeben!“
 


 

Erschöpft warf er den Schlüssel auf den Küchentisch, als ihm eine wütende Yolei entgegentrat.

„Du scheinst wirklich nicht mehr ganz dicht zu sein!“, warf sie ihm an den Kopf und er merkte, dass Davis automatisch seinen Kopf senkte.

Was hatte er nun schon wieder verpasst? Er hatte wirklich keine Lust auf weitere Überraschungen.

„Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte er genervt und verzog sein Gesicht.

„Ehm du und Mariko. Am Samstag. Davis hat mir erzählt, dass du sie mit nachhause genommen und sie am nächsten Morgen einfach rausgeschmissen hast.“

„DAVIS“, knurrte er und funkelte ihn böse an. Warum musste er auch nur so eine Petze sein?

„Sie hat mich unter Druck gesetzt und dann bin ich eingeknickt“, versicherte er und auch Ken nickte zustimmend.

„Das musste ich doch machen! Sie war gestern und heute voll komisch zu mir und wollte mir nicht sagen, was los ist!“

Takeru verrollte die Augen.

So war das also. Yolei war ganz in ihrem Element und spielte Detektiv.

Na das konnte noch heiter werden.

„Was ist nur los mit dir? Nur weil du Kari nicht haben kannst, nutzt du sie schamlos für deine Zwecke aus?“

„Das hat mit Kari rein gar nichts zu tun“, antwortete er gereizt und setzte sich schwerfällig auf einen Küchenstuhl. „Es ist einfach so passiert. Außerdem ist das ganz alleine meine Sache“.

„Aber ich bin gerade im Begriff mich mit ihr anzufreunden. Und du machst es mir voll kaputt!“

„Tut mir leid, dass ich so ein Arschloch bin, aber sie legt es auch ganz schön darauf an flachgelegt zu werden!“

Takeru verstummte. Er sah in Yoleis geschocktes Gesicht und auch Ken und Davis klappten die Kinnladen hinunter.

Da war wohl seine Zunge schneller als sein Gehirn.

Er hörte sich fast schon so an wie Matt, der ja bereits bei seinen Eltern erwähnt hatte, dass beide sehr verkorkst waren.

Vielleicht hatte er Recht. Es war doch nicht normal, dass seine geschiedenen Eltern noch ein Baby bekamen, nachdem sie sich einmal der Leidenschaft hingaben.

Es fühlte sich falsch an.

„Matt hat Recht. Ich bin verkorkst!“, meinte er und fuhr sich durch die Haare.

„Ach nur ein bisschen!“, witzelte Yolei und beugte sich zu ihm herab. „Du solltest ihr sagen, dass du nichts Ernstes willst. Alles andere wäre nur verlogen!“

„Ich weiß…“, murmelte er und fasste sich mit der Hand an die Stirn. „So langsam habe ich das Gefühl, dass alles nur bergab geht“.

„Wieso? War es bei deiner Mutter so schlimm?“, wollte Davis wissen und setzte sich von der Couch auf.

„Meine Mutter ist schwanger!“, platzte aus ihm hervor. „Von meinem Vater“.

„Und das ist schlecht weil?“

Davis kratzte sich unbeholfen am Hinterkopf. Eigentlich hatte sich Takeru doch immer gewünscht, dass seine Eltern wieder zusammen kamen. Doch Freude sah wirklich anderes aus.

„Es war ein Unfall“, erklärte er genauer. „Sie bekommen zwar das Baby, aber sind nicht wieder zusammen. Matt ist daraufhin ausgerastet und will mit der ganzen Sache nichts zu tun haben.“

Das erklärte wohl einiges.

Da setzen seine Eltern neues Leben in die Welt, obwohl alles noch so zerrüttet war. Sein Bruder oder seine Schwester würde doch niemals in geregelten Familienverhältnissen aufwachsen.

Es war ein ewiges Hin und her, so wie bei ihm und Matt.

„Mein Bruder ist vollkommen ausgeflippt und hat meinen Eltern vorgeworfen, dass sie der Grund wären, warum wir so verkorkst seien“.

„Ach was du bist doch nicht verkorkst. Vielleicht etwas verwirrt, aber nicht verkorkst“, meldete sich Yolei wieder zu Wort und legte beide Hände auf seine Schultern. „Rede doch einfach nochmal mit ihm. Er hat es sicher nicht so gemeint! Ich mein hallo, ihr bekommt ein Geschwisterchen, auch wenn es etwas seltsam klingt“.

Wahrscheinlich hatte sie Recht.

Matt und er mussten doch gerade jetzt zusammen halten und vielleicht würde dieser Zusammenhalt auch auf seine Eltern abfärben. Er hoffte es zu mindestens.
 


 

22. Oktober 2009. New York, USA. Campusgelände.
 

Kari saß alleine in der Nähe des Springbrunnes und schaute ins Leere.

Das Bedürfnis nach Hause zu fliegen, war noch nie so groß gewesen, wie jetzt.

Sie wollte nach Japan.

Hier hatte sie sich bis auf die Knochen blamiert.

Jeder aus ihrem Kurs redete schon hinter dem Rücken über sie. Eine hatte ihr tatsächlich eine Kotztüte angeboten, damit das nächste Mal auch „ja nichts daneben geht“.

Ihre sinnlose Sauferei hatte sich herumgesprochen.

Auch wenn Carter und Michael bei dieser Sache eigentlich die Übeltäter waren. Sie hatten Hikari einfach abgefüllt und alleine zurückgelassen.

Sie erinnerte sich nur noch dunkel daran, wie Wallace und Peter in der Studibar auftauchten.

Am nächsten Morgen lag sie in ihrem Bett und hatte ihren Schlafanzug an. April hatte ihr ihn angezogen.

Sie hatte sich nicht bedankt oder so – irgendwie war ihr die Situation mehr als nur unangenehm.

Sie schämte sich regelrecht für ihr Verhalten.

Aber April schien das Ganze sowieso abgehakt zu haben. Sie verlor kein Wort über die Sache und machte einfach so weiter wie bisher, indem sie den lieben langen Tag auf ihrem Cello spielte.

Die Welt hatte sich für alle anderen Beteiligten wieder normalisiert, nur für Kari begann ab Montag ein unaufhörlich scheinender Spießrutenlauf.

Es wurde hinter ihrem Rücken getratscht, gelacht und sogar auf sie gezeigt.

Kein Wunder das sie wieder nach Japan wollte.

Selbst Mimi hatte sie sich nicht anvertraut, sondern ging ihr lieber aus dem Weg. Es war ihr alles so peinlich, besonders weil Michael ebenfalls in die Sache verwickelt war.

Sie wollte keinen neuen Stress bei den beiden aufwirbeln, da sie wusste, dass sich Michael und Mimi im Moment nicht sonderlich gut verstanden.

Gestern hatte sie sogar tatsächlich überlegt ihre Mutter anzurufen, doch sie wusste gar nicht mehr wie spät es in Japan war. Wahrscheinlich war es sogar mitten in der Nacht.

Traurig schaute sich Kari die Gegend an. Es liefen viele Studenten an ihr vorbei, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Es war auch unmöglich nach drei Monaten schon alle zu kennen, auch wenn ihre Uni nicht unbedingt die größte New Yorks war.

Und obwohl sie in Wallace und Mimi gute Freunde gefunden hatte, vermisste sie ihr Leben in Japan.

Sie vermisste ihre Eltern, ihren Bruder, ihre Freunde.

Selbst Davis, der sie nicht mehr leiden konnte.

Doch sie konnte doch nicht alles hinwerfen. Sie war noch nicht mal ein Semester in den USA.

Heimweh hin oder her.

Sie musste sich doch irgendwie zusammen reißen.

Kari hätte sich doch denken müssen, dass es schwierig werden würde.

Sie ganz allein in einem für sie völlig fremden Land. Sie musste sich nicht nur eingewöhnen, sondern auch komplett ohne ihre Familie und Freunde zurechtkommen.

Sie konnte nicht mal kurz schnell nach Hause gehen, so wie es Mimi vergönnt war. Ihre Eltern lebten in New York, wenn auch nur in einem Vorort.

Wahrscheinlich hatte sie erst durch deren Besuch realisiert, was sie wohl am meisten vermisste.

Sie schnaufte leise und ließ den Kopf hängen.

In all ihrer Verzweiflung merkte sie gar nicht, dass Mimi plötzlich vor ihr stand und sie mit einem entsetzten Gesicht anschaute.

„Du wirst nicht glauben, was ich gehört habe!“, meldete sie sich zu Wort und erschreckte prompt die junge Yagami.

„Was machst du denn hier?“

„Ich hab dich gesucht. Überall“, antwortete sie und setzte sich dicht neben sie. „Diese komische Emily hat mir erzählt, dass du dich am Samstag vollgekotzt hast, weil zu vollkommen besoffen warst“.

Sie machte eine kurze Pause und warf dramatisch den Kopf nach hinten. „Das ist voll unverschämt solche Lügen über dich in die Welt zu setzen“.

Anscheinend hatte sie wirklich jetzt erst davon gehört. Sie wirkte so aufgebracht, fast so als würde es sich um sie selbst drehen.

„Es ist leider die Wahrheit“, gab Kari kleinlaut zu und sachte in sich zusammen.

„WAS? Wie ist das denn passiert?“

Die Jüngere atmete aus und kräuselte die Lippen. Sie sollte ihr wohl die Wahrheit sagen. Was hatte sie schon zu verlieren? Genaugenommen waren Michael und Carter die Idioten.

„Ich habe zufällig Michael und Carter getroffen…“, begann sie langsam, wurde aber prompt von Mimi unterbrochen.

„Oh nein. Haben die beiden dich etwa abgefüllt? Oh das ist so typisch. Ich wette das war Carters Idee“, giftete sie und stand auf.

„Wie kommst du darauf?“

„Naja...das ist seine Masche, um die Mädels ins Bett zu bekommen. Ich kann nicht fassen, dass Michael ihm dabei auch noch hilft. Dem werde ich was erzählen!“

Carter wollte sie also nur flachlegen.

Mehr nicht.

Der Alkohol sollte ihm nur dabei helfen, sie gefügig zu machen…

„Das darf doch nicht wahr sein“, murmelte sie an Mimi gewandt und blickte zu ihr.

Doch neben ihr stand niemand mehr.

Sie war bereits weg.
 


 

Michael und Carter standen bei ihren Kumpels und unterhielten sich angeregt, bis hinter ihnen plötzlich eine wütende Mimi auftauchte.

Der Springbrunnen war keine zwei Minuten von ihrem allseits bekannten Treffpunkt entfernt gewesen. Mimi musste nur einmal um die Ecke gehen und schon war sie bei den üblichen Verdächtigen angekommen.

„Ihr habt wohl auch nicht mehr alle Latten am Zaun“, begrüßte sie ihren Freund und Carter griesgrämig.

„Was ´n jetzt los?“, brummte der Blonde ihr entgegen und legte ein äußerst genervtes Gesicht auf. Konnte ihn seine Freundin nicht einmal in Ruhe lassen, wenn er mit seinen Jungs beschäftigt war?

„Kari hat mir erzählt, dass ihr sie abgefüllt habt!“

Eigentlich hatte sie ihr nur erzählt, sie getroffen zu haben, aber Mimi wusste, dass nur die beiden auf solche bescheuerten Ideen kamen. Besonders von Michael war sie sehr enttäuscht.

„Die kann auch nicht ihre Klappe halten“, nörgelte Carter fast schon flüsternd und verrollte dabei seine Augen.

„Halt deine Klappe, Carter! Jeder weiß, dass du die Mädchen erst betrunken machst, um sie danach flach zu legen“, knurrte sie, wand aber ihren Blick wieder schnell zu Michael. „Warum hilfst du ihm auch noch dabei?“

„Man Mimi nerv nicht“, war seine Antwort gewesen.

„Du bist ein wirkliches Arschloch!“

Er lachte laut und schaute zu Carter. „Gibt es denn auch Unwirkliche?“

„Du weißt wie ich das gemeint habe. Kari ist meine Freundin. Also sag Carter, dass er die Finger von ihr lassen soll“, forderte Mimi von ihm. Ein strafender Blick war an Carter gerichtet.

„Sie ist alt genug. Wenn sie für Carter die Beine breit machen will, ist es ihre Sache. Aber wahrscheinlich kotzt sie auch beim nächsten Mal wieder“, sagte er abfällig und brachte Mimi nur noch mehr zum Toben.

Was war nur aus ihm geworden? Er war ja schon früher ein Arsch gewesen, aber seit wann war er zum Super-Arsch mutiert?

„Ihr seid wirklich das Letzte! Schämt ihr euch denn kein bisschen?“

„Warum sollten wir? Wir haben nichts Schlimmes gemacht. Außerdem haben wir sie ganz sicher nicht zum Trinken gezwungen“, verteidigte sich Carter vehement.

„Aber ihr habt sie dazu animiert! Ihr könntet euch wenigstens bei ihr entschuldigen“.

„Klar wenn Ostern und Weihnachten zusammenfallen“, lachte Michael und stupste Carter leicht in die Rippen, bevor er ebenfalls laut lospustete.

„Du Arsch…du…blödes Arschgesicht!“

Ihr gingen allmählich die Beleidigungen aus. Zu oft hatte sie etwas zu ihm gesagt, immer wieder schaffte er es, dass sich die Wut wieder legte.

Dieser verdammte Charme.

„Man Mimi ist doch nichts passiert. Beruhig dich mal!“

„Beruhigen? Ihr hab sie in ihrer Kotze liegen lassen!“, erinnerte sie.

Carter stöhnte und beugte sich etwas vor. „Als wir abgehauen sind, hat sie noch nicht gekotzt. Nur zu deiner Info“.

„Man Michael? Carter? Wir wollen weiter“, rief einer ihrer Kumpels ihnen zu.

Beide nickten nur knapp und Carter ging schon zu ihnen hin, während Michael noch kurz bei Mimi stand, die wütend sie Arme vor der Brust verschränkt hatte.

„Jetzt beruhig dich erstmal. Ich komm dann später bei dir vorbei. Sie warten schon auf mich“, erklärte er und wollte ihr einen knappen Kuss aus die Stirn drücken als sie zurück wisch.

„Man Mimi was soll das?“

„Lass es einfach“, nuschelte sie und drehte sich ruckartig um. „Und wehe du tauchst auf. Ich will dich heute wirklich nicht mehr sehen“.

Als sie ihren Satz beendet hatte, lief sie wieder in die Richtung aus der sie gekommen war, während Michael dumm aus der Wäsche guckend am selben Fleck stand.

Das konnte sie doch nicht ernst meinen? Auch er brauchte ab und zu ein bisschen Liebe.

„Hey Michael...kommst du?“

„Ja ich komme“, erwiderte er zu Carter, dem sein niedergeschlagenes Gesicht nicht unbemerkt blieb.

„Oha. Sie hat dir wohl für heute auch ne Abfuhr erteilt“, stellte er grinsend fest.

Es war diese Woche nicht das erste Mal gewesen, das Mimi ihm ein deutliches „Nein“ signalisierte. Irgendwie wollte sie schon lange nicht mehr so wie er.

Und es nervte ihn. Sehr sogar.

„Ach lass mich doch“, maulte er und lief an ihm vorbei.

Wenn Mimi eben nicht wollte, musste er sich für heute Nacht wohl jemand anderen suchen.
 


 

Wallace ging einen schmalen Weg entlang, bis er den Springbrunnen fand, an dem Hikari wie ein Trauerkloß saß.

Sie hatte ihm eine SMS geschrieben, nachdem er sie gefragt hatte, wo sie wäre.

Er hatte beschlossen nochmal mit ihr zu reden, da sie ihm seit dem „Vorfall“ aus dem Weg zu gehen schien.

Schnurstracks lief er auf sie zu und setzte sich wortlos neben sie. Sie schaute kurz zu ihm, blickte dann jedoch lieber wieder zu Boden.

„Tut mir leid“, murmelte sie und kämpfte mit den Tränen.

Sie fragte sich wirklich, warum Wallace überhaupt noch etwas mit ihr zu tun haben wollte. Sie hatte ihn bereits mehrfach versetzt, da sie etwas „besseres“ vorhatte und trotzdem war er immer für sie da.

Selbst als sie vollkommen besoffen war und in ihrem eigenen Erbrochenen saß.

Eine wirklich abartige Vorstellung – wenn sie genauer darüber nach dachte.

Wallace hatte sich leicht vorgebeugt und schaute in die Ferne.

„Manchmal verstehe ich dich nicht“, gab er zu und beobachtete sie aus dem Augenwinkel heraus.

„Ich mich meistens auch nicht“, gab sie zurück und fuhr sich mit dem Handrücken über ihre Augenpartie. „Ich habe gedacht, ich würde dadurch ein paar neue Leute kennen lernen und…“

„Sag mal stehst du vielleicht auf Michael?“

„Wie bitte? Nein wie kommst du darauf?“, polterte sie und brachte sich dabei selbst aus dem Konzept.

Sie fand ihn schon recht anziehend, wenn sie ehrlich war. Aber er war auch Mimis Freund – somit ganz klar tabu für sie.

Doch Gefühle bahnten sich meistens ihren eigenen Weg. Manchmal schmachtete sie ihn aus der Ferne an oder freute sich zu sehr, wenn er mal mit ihr redete.

Wallace schien dies wohl nicht entgangen zu sein.

Er schaute sie mit diesem verständnislosen „Jetzt-hör-endlich-auf-mich-anzulügen-Blick“ an, während er seine Lippen fest aufeinander presste, sodass nur ein schmaler Strich entstand.

„Vielleicht hast du Recht. Ich finde ihn schon ein wenig attraktiv“, gestand sie ihm daraufhin.

Michael erinnerte sie an Matt, in den sie bereits drei Jahre verknallt war. Möglicherweise projizierte sie ihre alten Gefühle für Matt einfach auf eine neue Person, die sich bei ihr im Umfeld befand.

Für Wallace war diese Tatsache wie ein Schlag ins Gesicht.

Seit kurzem hatte er diesen Verdacht gehabt, da er manchmal ihre Blicke sah, die sie hoffnungsvoll zu Michael warf.

Jetzt hatte er sogar noch die Bestätigung. Kari würde wohl nie mehr als einen Freund in ihm sehen, so wie es Peter prophezeite.

Er war eben kein Arschloch wie Michael. Er war nett und einfühlsam, aber alle Mädels schienen wohl, den gleichen Typ zu bevorzugen.

Er verstand es einfach nicht. Würde er niemals Glück haben? Wahrscheinlich nicht bevor er zum Arsch mutierte.

„Na dann“, sagte er und ließ den Kopf hängen. Gerade als er aufstehen wollte, nahm Kari seine Hand und bewegte ihn dazu, sich wieder hinzusetzen.

„Das wird eh nichts werden. Er ist ein Depp und das ist mir nach dem Samstag auch klar geworden“.

Er lächelte schwach und befreite sich aus ihrem Griff. „Das freut mich, aber trotzdem solltest du langsam wissen, wer deine Freund sind und wer nicht“.

„Ich weiß, aber das ganze Uni-Leben überfordert mich. Eigentlich will ich im Moment nur noch nach Hause“.

Er wurde hellhörig. Hatte sie etwa Heimweh?

„Komm schon Kari, du kannst mich doch mit den Verrückten hier nicht alleine lassen“, meinte er aufmunternd und drehte sich mit seinem Gesicht zu ihr.

„Aber ich mache nur noch Blödsinn, seit ich hier bin“, murmelte sie. „Am besten ich wäre gar nicht erst her gekommen.“

„Dann hätte ich dich aber gar nicht mehr wiedergetroffen“. Wallace schmunzelte leicht und wusch ihr mit seinem Daumen aufkommende Tränen weg. „Und auch wenn es scheiße gelaufen ist, mag ich dich wirklich sehr gern. Deswegen ärgere ich mich auch immer so, wenn du mich versetzt“.

Das war wohl ehrlicher, als er geplant hatte. Am besten sagte er ihr gleich, dass er sich in sie verliebt hatte.

„Weißt du was, ich passte ab heute auf dich auf. Und ich werde immer sicher gehen, das du ja nicht zu viel Alkohol trinkst!“

Noch ein Aufpasser, dachte sie zuerst, war jedoch aber dann recht froh gewesen, dass er ihr so schnell verziehen hatte.

Wallace hingegen ärgerte sich darüber, dass ihre wundervollen braunen Augen ihn immer wieder zum Einknicken brachten.

Er hatte ein viel zu gutes Herz.
 


 

Es waren bereits zwei Tage vergangen. Die Veränderung lag deutlich in der Luft. Heute würde es geschehen.

Takeru wollte nicht mehr länger warten. Er musste mit Matt reden. Ihn davon überzeugen, dass es noch Hoffnung gab, wieder zu einer Familie zu werden.

Neuankömmling hin oder her.

Der Blondschopf stand direkt vor dem Gebäude, indem Matt seine Vorlesung hatte, die Hände tief in die Hosentasche gesteckt, den Blick starr auf den Ausgang gerichtet.

Er müsste jeden Augenblick auftauchen. Seine Veranstaltung war schon seit zehn Minuten vorbei, wahrscheinlich hatte er sich mal wieder verquatscht.

Ungeduldig wippte er auf und ab, behielt die Tür jedoch immer im Auge.

Dann entdeckte er ihn.

Sein blondes Haar wurde vom Wind durchweht und er machte diese typische Handbewegung, um seine Mähne wieder zu bändigen.

Takeru setzte sich in Bewegung und stellte sich Matt direkt in den Weg, auch wenn er nicht gleich von ihm beachtet wurde.

Er sah hoch und stoppte abrupt.

„Man TK erschreck mich doch nicht so“.

„Ähm sorry. Matt können wir vielleicht nochmal miteinander reden?“

„Über was?“, fragte er, obwohl er es sich eigentlich schon denken konnte.

Takeru druckste auch nicht herum, sondern brachte es gleich auf den Punkt.

„Na über Mama und Papa natürlich. Und das Baby!“

„Oh man…bitte verschon mich damit!“, grummelte er und trat einen Kieselstein von sich weg.

„Aber wer weiß, möglicherweise erkennen sie ja durch das Baby das sie doch zusammen gehören“.

Matt schüttelte den Kopf und ging an seinem Bruder vorbei. „Du bist wirklich viel zu naiv, TK“.

Dieser ging ihm ohne weiteres nach und blieb ihm auf den Fersen.

„Du bist so verdammt stur“, warf er dem Älteren an den Kopf.

„Und du lebst in einer Traumwelt“, geiferte er. „Sieht es endlich ein. Das wird nichts mehr!“

„Aber das Baby…“.

„Man TK“, blaffte er ihn an und drehte sich schwungvoll zu seinem jüngeren Bruder. „Das Baby ändert nichts an den Tatsachen. Es macht nur alles Ultra kompliziert“.

„Aber…“.

„Nichts aber. Wach endlich auf und sieh ein, dass es vorbei ist. Es gibt keine Hoffnung mehr für unsere Familie!“

TK blieb abrupt stehen und biss sich auf die Unterlippe.

Wie konnte er sowas nur sagen? Er wusste doch, dass es sein größter Wunsch auf Erden war. Warum machte er ihn einfach so kaputt?

„Du glaubst also nicht mehr an ein Happy End?“, fragte er mit zitternder Stimme. In seinem Hals wuchs ein Kloß heran, der ihm irgendwie die Tränen in die Augen trieb.

Er hatte schon lange nicht mehr geweint.

Doch das Ganze zerrte an seinem Nervenkostüm.

Er hatte das Gefühl jeden Moment zusammen zu brechen. Er hoffte, dass Matt ihm sagte, dass er noch daran glaubte. Dass er es wenigstens versuchte. Doch genau das Gegenteil geschah.

„Nein, ich habe aufgehört an Märchen zu glauben. Und du solltest es auch“.

„Du blöder Pisser“, entfuhr ihm und er rannte an Matt vorbei, bevor er seine Tränen sehen konnte.

Yamato blickte ihm sorgenvoll nach, doch was hätte er sonst sagen sollen?

„Hey es wird alles wieder gut? Das Baby rettet schon unsere Familie, auch wenn unsere Eltern bereits geschieden sind?“

Das hörte sich doch mehr als verlogen an.

Und Matt wollte sich gegenüber ehrlich sein. Auch wenn es bedeutete seinen Bruder dadurch zu verletzen. Er hatte keine andere Wahl…
 

Fortsetzung folgt...
 

Bitte Nachwort beachten!

Geduldsprobe.


 

I'm sick and tired of the mess you made me.

Blind, Animal/Cannibal. Ke$ha, 2010.
 


 

31. Mai 2010. Odaiba, Japan. Universität.
 

„Du triffst dich mit Davis?“, fragte sie verwirrt und verschränkte die Arme vor der Brust.

Mimi räumte gerade ihren Kram zusammen und packte alles in ihre Tasche.

„Ja, wir haben uns auf der Party ein wenig unterhalten…bevor alles eskaliert ist“, gab sie zu und stellte sich direkt vor Kari.

Diese zog die Stirn in Falten und versuchte durch Telepathie herauszufinden, was sich ihre beste Freundin nur dabei dachte. Sie wusste doch, dass Davis sie abgrundtief hasste.

„Warum gehst du ausgerechnet mit ihm zur Uni? Warum gehst du nicht mit Sora?“

„Ach Kari…Sora studiert Modedesign. Sie wird wohl den ganzen Tag zeichnen, Stoffe aussuchen und zusammennähen. Außerdem finde ich seinen Studiengang sehr interessant“.

„Bitte lass es einen Alptraum sein“, murrte sie und stampfte zornig auf. „Du weißt, dass wir beide uns nicht verstehen und außerdem willst du sowieso Schauspielerin werden. Warum also das Ganze?“

Hikari traute ihr nicht.

Sie hatte irgendetwas vor, dass hatte sie im Gefühl. Insgeheim verfluchte sie sich jetzt schon, sich dazu entschlossen zu haben, doch hier zu bleiben.

„Klar wäre es toll, wenn ihr euch wieder vertragen würdet, aber ich will´s mir wirklich einfach nur mal angucken. Ich habe früher mal mit dem Gedanken gespielt, das gleiche wie Davis zu studieren“.

„Wirklich? Und woher kam der Sinneswandel?“, wollte sie wissen, auch wenn sie ihr immer noch nicht glaubte.

„Keine Ahnung. Warum hast du dich gegen Sozialpädagogik entschieden?“, stellte sie die Gegenfrage.

Kari presste die Lippen aufeinander und wand ihren Blick zu Boden. „Weil es eine große Chance war“.

„Siehst du. Mir ging es genauso“, sagte sie knapp und ging zu dem großen Wandspiegel, der direkt neben dem Kleiderschrank hing, um ihr Erscheinungsbild nochmals zu checken.

Die Jüngere folgte ihren Bewegungen und betrachtete sie immer noch skeptisch.

Sie hatte ihr nie etwas davon erzählt. Sie wusste gar nicht, dass sie mal etwas anderes studieren wollte. Wahrscheinlich hatte Mimi selbst genug Geheimnisse, die sich hinter ihrer ach so perfekten Fassade versteckten.

„Aber wann hast du dich dafür beworben gehabt? Ich dachte in LA wolltest du ebenfalls Schauspiel studieren?“, hakte sie nach, während Mimi sich mit den Fingern durch ihre langen braunen Haare glitt. Sie drehte sich zu ihr und schenkte ihr ein müdes Lächeln.

„Das war gelogen. Ich habe mich für Ernährungswissenschaften und Ökologie beworben. Ich wurde aber abgelehnt und meinen Eltern war es sowieso zu weit weg“.

„Verstehe“, murmelte die Brünette. Sie hatte gar keine Ahnung gehabt, dass Mimi auch andere Träume neben der Schauspielerei hatte.

„Und deswegen möchte ich es mir mal ansehen. Nur zum Spaß“, erklärte sie und schritt näher an Kari heran. „Ich werde dich wohl nicht dazu überreden können, mitzukommen, oder?“

Kari schnaufte und legte den Kopf schief. „Die Frage kannst du dir sicher selbst beantworten“.

Sie und Davis? Das würde nicht funktionieren. Das endete wahrscheinlich in einer größeren Katastrophe als bei Tai und Mimi.

Jedenfalls dachte sie das.

„Okay Schade“, meinte sie und schaute sie traurig an. „Was willst du heute denn machen?“

„Ach so dies und das“, antwortete Hikari mit schriller Stimme und blickte zur Decke. „Ich werde wohl in die Stadt gehen“.

Mimi nickte und grinste sie wissend an. Sie legte ihre Hand auf ihre Schultern und übte leichten Druck aus. „Ja so ein Shopping-Tag wird dir sicher gut tun“.

Danach ließ sie von ihr ab und ging zur Tür. Sie nahm sie Schlenke in die Hand, drehte sich jedoch nochmal kurz zu ihr hin. „Und komm ja nicht auf dumme Gedanken! Dein Reisepass ist in meiner Tasche“, eröffnete sie ihr und verließ den Raum.
 


 

Davis stand gemeinsam mit Takeru auf dem Campus und wartete auf Mimi, die sich deutlich verspätet hatte.

„Warum will sie nochmal mitgehen?“, fragte TK und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf.

„Sie hat mir erzählt, dass sie es auch mal studieren wollte, aber nicht reinkam. Anscheinend will sie es sich einfach mal angucken“, schlussfolgerte Davis und zuckte beiläufig mit den Schultern.

„Okay…klingt zwar nicht unbedingt nach ihr, aber was soll´s. Kommt Kari auch mit?“

„Vergiss es Casanova. Mimi hat mir zum Glück geschrieben, dass Kari keine Lust hat. Ansonsten wäre ich vorher noch geflüchtet“, meinte er und schnaubte leise.

„Und was macht sie heute?“

„Sehe ich aus wie ihr Terminkalender? Vielleicht trifft sie sich mit Yolei oder Sora. Möglicherweise geht sie auch in den Park und beklaut ein paar Penner. Was weiß ich“.

Takeru grinste schief und schüttelte unwirsch mit dem Kopf.

„Deine Abneigung ihr gegenüber ist wirklich kaum zu bemerken“, erwiderte er sarkastisch.

„Jaja…hast du eigentlich schon mit Matt gesprochen?“

Der Blonde ließ die Arme sinken und sah ihn mit einem verständnislosen Blick an.

„Nein, wieso sollte ich? Er ist der Idiot!“

„Aber wenn man es genau nimmt, hast du die Party zerstört, nachdem du auf ihn losgegangen bist“, rief ihm Davis ins Gedächtnis.

TK rollte nur mit den Augen und sah plötzlich Mimi auf sie zukommen.

Perfekter Zeitpunkt.

„Da hinten kommt sie. Ich bin dann mal weg“, verabschiedete er sich knapp und lief in die andere Richtung.

Davis grunzte nur leise auf und blickte seinem Freund kurz nach.

Er konnte ihn wirklich nicht mehr verstehen.

Auch die Sache mit Kari stank gewaltig gegen den Wind.

Er tat fast so, als hätte sie nie etwas getan. So als wären ihre Sünden vergeben und vergessen.

Und dann prügelte er sich auch noch mit Matt.

Davis glaubte wirklich nicht, dass nur die Familiensituation hinter seinem Ausraster steckte.

Er wusste, dass er Matt insgeheim dafür ein wenig hasste, das er ihm Kari weggenommen hatte. Auch wenn er von seinem Glück nichts wusste.

Dennoch war es ebenso. Matt war jahrelang ihr heimlicher Schwarm gewesen und Takeru ging sie, seit er es wusste, fast sekündlich auf den Wecker.

Kein Wunder, dass irgendwann das Fass überlaufen würde.

Am Samstag war es eben soweit gewesen.

„Hey Davis“, rief ihm die glockenhelle Stimme von Mimi entgegen und wank ihm zu.

Er grüßte zurück und beide standen sich eine kurze Zeit gegenüber. Mimi hatte eine große Tasche dabei, aus der ein Block herauslugte.

Sie schien es wirklich ernst zu meinen.

Auch ihr Outfit war heute eher legere statt schick. Sie trug eine dunkelblaue Jeans mit rosafarbenen Ballerinas, die zu ihrem Top farblich passten. Darüber trug sie eine dünne cremefarbene Strickjacke.

„Und wo gehen wir zuerst hin?“, fragte sie interessiert und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.

„Ich habe zuerst eine Vorlesung über versteckte Fette in Lebensmitteln. Und danach eine in Wirtschaft, um mich ein bisschen über die Finanzierung eines Restaurants zu informieren. Aber wenn du willst, kannst du da gerne etwas essen gehen“, schlug er ihr vor, doch Mimi wank prompt ab.

„Das bisschen Wirtschaft halte ich schon aus“, meinte sie lachend. „Entweder ganz oder gar nicht“.

Davis grinste leicht, doch ließ sofort seine Mundwinkel wieder hängen als sie an ihm vorbei stolzierte.

Er hätte ihr wohl doch besser erzählen sollen, dass sie spätestens da auf Tai treffen würden.
 


 

Fast schon ein wenig hilflos lief sie durch die Fußgängerzone der Innenstadt.

Irgendwie traute sie sich nicht jemandem eine SMS zu schreiben. Vielleicht ihrem Bruder, aber von ihm wusste sie bereits, dass er heute fast nur Veranstaltungen hatte.

Sie war wohl ganz auf sich allein gestellt.

Jedenfalls bis Mimi die Lust verlor. Was schon öfters vorkam.

Auch die Tatsache, dass Mimi einfach ihren Reisepass mitgenommen hatte, zeigte nur zu gut, dass die Brünette sie wohl besser kannte, als jeder andere.

Wahrscheinlich hätte sie wirklich die Flucht ergriffen, wenn sie die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Am Sonntag hatte sie schließlich schon ihren Koffer gepackt.

Mimi hatte sie zum Bleiben überredet, auch wenn ein Teil von ihr immer noch an Flucht dachte. Doch ohne Pass, konnte sie Japan nicht verlassen und in die USA auch nicht einreisen.

Mimi war eben Mimi. Sie dachte an alle Eventualitäten.

Erschöpft setzte sich die junge Yagami auf eine Parkbank, die gegenüber von einer Bäckerei gelegen war. Sie schnaufte kurz und lehnte sich zurück.

Weglaufen? War das alles, an das sie noch denken konnte?

Früher war sie doch nie so feige gewesen.

Doch besonders nach dem Streit zwischen Matt und TK, wurde ihr bewusst, dass sie keinen Plan mehr hatte.

Sie wusste absolut nichts. Ihre Freunde waren ihr fremd geworden.

Eigentlich hatte sie irgendwann aufgehört zu fragen, was bei ihren Freunden los war. Einmal hatte Takeru ihr jedoch eine komische E-Mail geschrieben.

„Ich halte es im Moment wirklich nicht mehr aus. Alles scheint aus dem Ruder zu laufen und meine beste Freundin befindet sich auf einem anderen Kontinent. Ich glaube du weißt gar nicht, wie sehr ich dich hier vermisse“.

Sie hatte ihm nur knapp geantwortet. Ihm gesagt, dass sie ihn auch sehr vermisste und dass sich alles wieder einrenken würde.

Hikari lag wohl vollkommen falsch. Hätte sie nur ein wenig mehr Interesse gezeigt, sich einmal kurz hingesetzt und eine anständige Antwort formuliert, wäre es vielleicht gar nicht so weit gekommen.

Okay. Sie war sicher nicht Wonderwoman, aber dennoch hatte sie immer einen guten Einfluss auf Takeru gehabt.

Er hatte sich nie richtig geprügelt. Schon gar nicht vor ihren Augen.

Er wirkte fast wie ein ganz anderer Mensch auf sie.

Hikari schaute in den hellblauen Himmel und blinzelte gegen die Sonne, als auf einmal jemand direkt vor ihr stand.

„Ich wusste doch, dass du es bist“.

Ihr Herz stoppte augenblicklich. „Matt? Was machst du denn hier?“

Der Blondschopf lächelte und setzte sich direkt neben sie. „Ich war gerade beim Bäcker“, erzählte er munter und deutete auf den Laden gegenüber. „Ich gehe zwar mit Tai und den anderen später was essen, aber du kennst mich ja. Ich habe fast immer Hunger“.

„Stimmt“, bestätigte sie ihn und formte ihre Lippen zu einem Lächeln. „Wie geht es dir? Samstag ist…ähm ich habe dich kaum zu Gesicht bekommen“.

„Mir geht’s soweit ganz gut“, meinte er unsicher und wand seine Augen mehrfach von ihr ab. „Das mit Samstag tut mir wirklich wahnsinnig leid“.

„Ähm schon gut“, antwortete sie und ihr Lächeln verschwand. Stille machte sich zwischen ihnen breit. Matt ahnte wohl, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie die leidige Frage stellte.

„Was ist eigentlich zwischen Takeru und dir los?“

Volltreffer.

Er konnte es langsam wirklich nicht mehr hören. Alle nervten ihn damit. Alle sagten, er solle einen Schritt auf seine Familie zugehen. Alle hatten doch gar keine Ahnung.

Am liebsten würde er gar nichts sagen, doch Kari, die Schwester seines besten Freundes saß neben ihm. Sie hatte von all dem gar nichts mitbekommen.

Sie war vollkommen ahnungslos. Und sie konnte ganz sicher nichts dafür, dass sein Bruder die Realität zu verdrängen versuchte.

„Wir haben ein paar Auseinandersetzungen gehabt. Wegen unseren Eltern“, gestand er ihr schließlich.

Sie hingehen versuchte sich ganz auf ihr Gespräch zu konzentrieren, da sie das Gefühl hatte jeden Augenblick dahin zu schmelzen, wenn sie Matt nur in die Augen schaute.

Es war so lange her und dennoch spürte sie die Schmetterlinge in ihrem Bauch flattern. Er war wohl ihre erste große Liebe gewesen, auch wenn sie unerfüllt blieb.

„Reiß dich zusammen“, tadelte sie sich selbst. „Er wird nie mehr als nur eine Schwester in dir sehen“.

Das war leider so und damit musste sie sich langsam abfinden.

Sie brauchte keine Typen – jedenfalls nicht im Moment.

Erst musste sie, dass verkraften, was sie in der Vergangenheit erlebt hatte. Vielleicht würde dann eine neue Liebe auf sie warten, die sich auch erfüllen würde.
 


 

„Oh mein Gott. Das war der Wahnsinn. Sind eure Vorlesungen immer so interessant?“

„Ehm manchmal?“ Davis ging neben Mimi her, die begeistert ihre Arme in die Lüfte hob und schon seit Minuten ohne Punkt und Komma quasselte.

„Ist ja voll krass, dass so viele Leute in einen Vorlesungssaal passen“.

„Ja schon irgendwie, aber weiß du….“.

„Also bei uns sind wir immer sehr Wenige. Liegt vielleicht auch daran, dass wir mehr das Praktische üben“.

„Ehm vielleicht, aber ich sollte dir…“.

„Wo gehen wir als Nächstes hin?“, fragte sie und wand sich mit dem Gesicht zu Davis.

„Ich habe jetzt eine Vorlesung in Wirtschaft, aber…“, begann er, bevor er mal wieder von Mimi unterbrochen wurde.

„Super. Wirtschaft. Das klingt echt voll wichtig. Wir reden bei uns meist über drogensüchtige Möchtegernsternchen“, erzählte sie munter weiter, bis ihr eine sehr verdächtige Frisur ins Auge sprang. „Was macht der den hier?“

Sie blieb abrupt stehen, sodass beinahe andere Studenten in sie hineinliefen.

„Pass doch auf“, blaffte der eine sie an und schlängelte sich an ihr vorbei.

„Pass doch selber auf“, knurrte sie zurück und funkelte ihn an.

Der junge Mann ging kopfschüttelnd an ihr vorbei und steuerte prompt auf die verdächtige Person zu.

Davis kannte den Kerl. Normalerweise saß er immer bei Taichi und ihm. Sein Name war Juro und er sagte meist das was er dachte.

Nicht immer von Vorteil, besonders wenn man eine kannte, die wie Mimi war.

Tai hatte sie noch nicht bemerkt und lehnte sich lässig gegen die Wand, als Juro ihn mit Handschlag begrüßte.

Mimi betrachtete die Situation mit Skepsis, während Davis unsicher zwischen den drei hin und her schaute.

„Man ich glaube die Studentinnen werden immer verrückter“, meinte Juro augenverdrehend.

„Warum das?“ Tai zog seine Augenbraue nach oben und verschränkte die Arme vor der Brust.

Daher hatte Kari also diese Bewegung. Mimi hatte doch gleich gewusst, dass sie dieses Armeverschränken und blöd aus der Wäsche gucken irgendwo her kannte. Jetzt wusste sie sogar woher.

„Siehst du die Kleine dahinten? Sie ist einfach stehen geblieben. Mitten im Weg und dann schnauzt sie mich noch an, kannst du dir das vorstellen?“

Tai blickte seiner Bewegung nach und obwohl sie ihm gleich den Rücken zuwandte, erkannte er sie sofort. Er lockerte seine Pose und ging wortlos an Juro vorbei.

„Mimi? Was machst du denn hier?“

Diese drehte sich ertappt herum und lachte verhalten, während sich Juro neben Taichi quetschte.

„Sag mal kennst du die Zicke?“

„Zicke? Geht’s dir noch gut? Du kannst froh sein, dass ich überhaupt mit dir geredet habe“.

„Ohweier“, meldete sich nun auch Davis zu Wort und schlug die Hände vorm Gesicht zusammen.

„Ach du bist auch hier“, stellte Taichi fest. „Habe ich vielleicht irgendwas verpasst?“

Mimi drehte sich zu Davis und musterte ihn wütend.

„Warum hast du mir nicht gesagt, dass DER auch hier ist?“

„Ich wollte es dir sagen, aber du hast mich nicht zu Wort kommen lassen“, verteidigte sich der Igelkopf.

„DER?“ Taichi warf einen prüfenden Blick zu Mimi. Anscheinend waren die Worte von Samstag wirklich nur heiße Luft gewesen.

Der Waffenstillstand war also offiziell beendet. „Was machst du eigentlich hier? Und wo hast du meine Schwester gelassen?“

„Kari ist in die Stadt gegangen. Und der gute Davis hat mich eingeladen, eine Vorlesung über Ernährungswissenschaften zu besuchen“, sagte sie freudestrahlend und hakte sich bei dem Jüngeren unter, der genervt aufstöhnte.

Eingeladen war definitiv das falsche Wort. Wohl eher aufgedrängt.

„Du weißt schon, dass das hier eine Wirtschaftsvorlesung ist!“, informierte er sie zynisch und blickte zu Juro, der ihn immer noch fragend angaffte.

„Und eine Wirtschaftsvorlesung darf ich nicht besuchen? Du darfst doch auch da rein. Sie werden also keine hohen Richtlinien haben, die sie einhalten wollen“, giftete sie und sah ihn herausfordernd an.

„Wow heute bist du wirklich wieder eine widerliche Zicke. Willkommen im Alltag“.

„Was soll das bitte schön heißen?“, fragte sie und stemmte die Hände in die Hüpften.

Tai plusterte sich auf und wollte gerade zum Gegenangriff ansetzen, als Davis förmlich dazwischen sprang. „Wir sollten besser reingehen. Ansonsten bekommen wir nur noch die Scheiß-Plätze ab“.

„Er hat Recht. Komm lass uns gehen“, meinte auch Juro und zog Taichi mit sich.

Als Mimi und Davis außer Hörweite waren, fragte dieser Taichi erneut, wer Mimi war.

„Sie ist nur die nervige Freundin meiner Schwester. Mehr nicht“.

Juro grinste leicht und schielte zu der Brünetten. „Sie ist zwar sehr zickig, aber wirklich unheimlich heiß“.

„So heiß ist sie auch wieder nicht“, kommentierte Tai genervt und setzte sich auf einen der freien Klappstühle.

„Findest du? Hast du sie dir mal richtig angeschaut?“

„Ja das habe ich“, murrte er und packte seinen Kram aus.

„Naja Geschmäcker sind wohl verschieden“, murmelte Juro und schaute zu Tai der bereits einen Stift herausgeholt hatte.

Er merkte erst gar nicht, wie sich Davis genervt neben ihm niederließ. „Tut mir leid, es war nichts mehr anderes frei“, flüsterte er ihm zu.

Der junge Yagami schaute zur Seite und entdeckte Davis mit Mimi direkt neben ihm.

Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein...
 


 

Sie hatten sich viel zu erzählen. Jedoch redeten sich meist nur über belangloses Zeug.

Weder Matt noch Kari, wollten erzählen, was sie eigentlich bedrückte.

Kari hatte mittlerweile gelernt, wie sie anderen etwas vormachen konnte, so dass sie es auch glaubten.

Matts Gesicht veränderte sich hingegen, wenn ihn Kari auf seinen jüngeren Bruder ansprach. Er antwortete immer das gleiche.

„Es ist kompliziert“.

Mehr Informationen bekam sie einfach nicht aus ihm heraus. Auch wenn sie es noch so sehr versuchte.

„Hat Tai dir eigentlich vom Bandwettbewerb erzählt?“, fragte er sie plötzlich und vergrub seine Hände in seiner Hosentasche.

„Nein. Hat er nicht“, antwortete sie und versuchte gelassen zu wirken.

Ihr Puls hatte sich immer noch nicht normalisiert. Sie war mit Matt ganz alleine in der Stadt. Eigentlich war es ihre große Chance. Doch irgendetwas sagte ihr, dass er sie nur als seine kleine Schwester sah. Er schaute sie nicht mit diesem begehrenswerten Blick an.

Er wirkte vollkommen normal auf sie, während Hikari am liebsten durchdrehen würde.

„Ach dein Bruder wird langsam vergesslich“, erwiderte er lachend. „Ich hoffe trotzdem, dass ihr kommt“.

„Wir?“, wiederholte sie mit hochgezogener Augenbraue. Er meinte noch nicht etwa…

„Du und Mimi natürlich.“

Sie schnaubte leise und setzte ein gequältes Lächeln auf, was er nicht bemerkte.

Mimi…wie immer.

„Wir werden es sicher einrichten können“, meinte sie und knirschte mit den Zähnen.

„Das wäre wirklich klasse. Die anderen kommen auch. Vielleicht kann ich die Sache von Samstag wieder ein wenig gut machen“.

„Dir fällt sicher etwas ein“, japste sie und schaute wieder nach vorn.

Er hatte also alle eingeladen. Bestimmt auch TK. Wenn er kommen würde, hätte sie sogar die Möglichkeit ihm ein wenig auf den Zahn zu fühlen.

Aber wenn sie ehrlich war, wollte sie, dass Matt sie einmal als Frau wahrnahm und nicht als das unschuldige Mädchen von neben an.

Diesen Titel konnte sie ohne Gewissensbisse abgeben. Sie war alles andere als brav – auch wenn sie sich die gute alte Zeit manchmal zurück wünschte.

„Wollen wir vielleicht zum Campus gehen? Ich kann dich mal rumführen und später gehen wir mit Tai und den anderen etwas essen. Na was meinst du?“

Sie zuckte mit den Schultern und dachte kurz nach.

Mimi war mit Davis unterwegs und Mittagessen musste sie so oder so. Warum also nicht? Was hatte sie zu verlieren?

„Klar, warum eigentlich nicht“, sagte sie knapp.

Matt grinste und setzte sich in Bewegung.
 


 

Er hätte den Mund halten sollen. Jetzt hatte er den Salat. Sie war bereits rot angelaufen und fluchte leise vor sich hin.

Auch sein Dozent hatte sich schon mehrfach umgedreht und um Ruhe gebeten.

Doch da hatte Tai wohl die Rechnung ohne Mimi Tachikawa gemacht, die jetzt erst so richtig in Fahrt zu kommen schien.

Hätte er sie doch einfach in Ruhe gelassen. Doch als sie so fleißig am Aufschreiben war, konnte er sich ein Kommentar einfach nicht verkneifen.

„Sag mal raffst du überhaupt etwas davon was der Alte da vorne sagt? Du schreibst ja wie eine Wildgewordene“, stichelte er und setzte dem Ganzen ein unverschämtes Grinsen auf.

Mimi drehte sich zu ihm und sah ihn mit einem entsetzten Blick an. Davis saß zwischen beiden und schien seine Atmung komplett eingestellt zu haben.

„Willst du mich als dumm bezeichnen?“

„Nein, aber vielleicht als etwas schwer von Begriff“, flüsterte er ihr zu.

„Wie bitte?“, blaffte sie ihn an und erschreckte sich über ihre eigene Lautstärke. Prompt fielen die Blicke auf Mimi, die ein leises „Entschuldigung“ säuselte.

Auch der Dozent warf ihr einen bösen Blick zu und bat um Ruhe.

Mimi lief rot an, während sich Tai zusammenreißen musste, nicht gleich laut loszulachen.

„Perfektes Eigentor“, murmelte er, sodass es nur Davis und Mimi verstehen konnten.

„Ach halt doch deine Klappe“, nuschelte sie und versteckte sich hinter einem Haarvorhang.

„Sowas passiert dir sicher nicht auf deiner ach so tollen Elite-Uni. Aber was erwartet man schon von einer eingebildeten Prinzessin“. Oh ja. Heute war er einfach gut drauf.

Spiel, Satz und Sieg. Mimi hatte keine Chance gegen ihn.

„Lieber bin ich eine eingebildete Prinzessin, als ein Fußballdepp, der außer einem Ball nichts in der Birne hat“, konterte sie und lichtete ihren Haarvorhang.

„Hey wollen wir vielleicht die Plätze tauchen? Ihr habt euch sehr viel zu sagen“, stellte Davis fest und rutschte unsicher hin und her.

„Ach was bleib sitzen, Daisuke“.

„Steh auf“, forderte Mimi und stupste ihn leicht an. Davis sah verwirrt zu ihr und blickte wieder zu Tai, der ebenfalls unsicher mit den Schultern zuckte.

Wollte sie ihn etwa im Schlagradius haben?

Wohl kaum. Er wusste wie sie schlug. Das war mehr ein Witz, als eine Bedrohung.

Dennoch tauschte sie mit Davis den Platz und saß auf einmal neben ihm, breitgrinsend.

Davis schüttelte nur genervt den Kopf und sank seinen Stuhl hinab, während Mimi Tai immer näher kam.

„Was hast du jetzt schon wieder vor?“, fragte dieser und schaute sie skeptisch an.

Mimi hingegen machte erst Halt als sie an seinem Ohr angekommen war. Dann flüstere sie ihm etwas zu, das seinen Atem zum Stocken brachte.

„Was? Bist du noch ganz dicht?“

„Ich sage nur die Wahrheit“, meinte sie daraufhin, immer noch eng neben ihm sitzend.

„Einbilden kann man sich wirklich viel“, zischte er und wand sein Gesicht von ihr ab, damit sie nicht sah, wie er rot anlief.

Was bildete sich diese dumme Zicke nur ein?

„Na warte, das gibt Krieg“, dachte er sich und zückte einen grünen Textmarker.

Ohne Vorwarnung attackierte er sie mit ihm und male einen langen grünen Strich über ihren Arm.

„Bist du noch ganz dicht? Du kannst wirklich froh sein, dass ich meine Jacke ausgezogen habe“.

Oha. Was wäre wohl passiert, wenn er sie angemalt hätte?

Dann wäre sie wahrscheinlich gleich ausgeflippt. Mal sehen, was passierte, wenn er ein paar grüne Streifen in ihrem Gesicht hinterließ?

Er grinste dreckig, während sich Mimi immer noch entgeistert den grünen Strich auf ihrem Arm betrachtete. Erst als er ihrem Gesicht immer näher kam, wusste sie, dass sein Angriff noch lange nicht vorbei war.

„Untersteh dich!“, warnte sie ihn und rückte immer weiter zu Davis, der seinem linken Sitznachbarn ebenfalls immer näher kam.

„Ach komm schon. Ein bisschen Spaß muss sein“, liebäugelte er und erwischte sie prompt an der Wange.

„Du Idiot!“, zischte sie und hielt sich die Stelle, während er zu lachen begann.

„Geschieht dir recht“. Doch kaum hatte er seinen Satz beendet, zierte seine Stirn einen orangen Stich.

Da hatte sie einfach einen seiner Textmarker geklaut und verwendete ihn gegen IHN! Soweit kam noch!

„Das bereust du noch“, knurrte er bissig und schenkte ihr auch den Rest seiner Aufmerksamkeit.

Davis hingegen stöhnte genervt auf und hielt sich die Hand an die Stirn, während sich seine Freunde wie im Kindergarten bekriegten.

Erwachsen?

Tai und Mimi?

Wirklich? Davis erkannte keinen Zusammenhang.
 


 

„Man Tai lässt sich heute ganz schön Zeit“, meinte Matt und schaute ungeduldig auf sein Handy.

Kari saß auf einer Mauer und ließ ihre Beine locker vor sich hin baumeln, während Matt angestrengt zur Tür sah. „Eigentlich müsste er schon längst da sein“, informierte er die junge Yagami ungeduldig.

„Er wird sicher bald kommen“, erklärte sie auch wenn sich Hikari lieber noch ein wenig Zweisamkeit mit Matt wünschte.

Doch dieser hatte mittlerweile riesen Hunger und wollte einfach nicht mehr länger warten. Tai war doch sonst immer relativ pünktlich.

Warum heute nicht? Hörte er nicht seinen Magen knurren?

„Ich glaube da hinten kommen sie“, erkannte Kari und deute auf die Glastür.

„Na endlich“, polterte Matt und ging ein Stück auf sie zu. Kari blieb noch auf der Mauer sitzen, da sie auch Davis erkannt hatte. Ihm wollte sie lieber aus dem Weg gehen. Man wusste ja nie, wie er noch reagieren könnte.

„Man wo bleibst du denn Tai?“, richtete er sich an ihn und erkannte jetzt erst sein demoliertes Gesicht. „Scheiße, was hast du denn gemacht?“

„Das war Mimi“, knurrte er während Davis die Schultern hängen ließ.

„Wir wurden rausgeworfen und haben von dem Dozenten auch noch Anschiss bekommen“, informierte Davis ihn angesäuert. „Nur weil sich die beiden Spatzenhirne nicht benehmen konnten“.

„Pass auf was du sagst“, drohte ihm der Ältere, doch mit dem angemalten Gesicht konnte Davis ihn beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen.

„Und wo ist Mimi?“, wollte Matt wissen und schaute sich nach ihr um.

„Sie ist im Damenklo und versucht den Marker abzubekommen“.

„Ich habe ihr gesagt, dass es nicht funktionieren wird“, mischte sich Tai ein und deutete auf sein verunstaltetes Gesicht. „Moment ist das da hinten Kari?“

Matt drehte sich zu ihr und wank ihr zu.

„Ja ist sie. Ich hab sie in der Stadt getroffen und sie gefragt, ob sie mit uns Mittagessen gehen will“.

„Was? Och bitte nicht“, nörgelte Davis vehement. „Mein Tag war schon scheiße genug!“

„Stell dich nicht so an. Kommt TK auch mit?“, fragte Matt und lenkte das Gespräch auf ein anderes Thema.

„Er kommt, aber erwartete keine Wunder. Er hat mir gerade geschrieben, dass er Izzy und Yolei abgeholt hat und in fünf Minuten da sein wird“.

„Gut immerhin etwas“, schnaufte Matt erleichtert und rief Kari zu sich.

Sie kletterte von der Mauer hinunter und bewegte sich langsam zum Rest der Gruppe. Essen gehen hieß wohl auch, sich mit Davis auseinander setzen zu müssen.

„Was soll´s“, dachte sie sich und blieb direkt neben Matt stehen, als sie ihrem Bruder in sein angemaltes Gesicht starrte.

„Tai? Was hast du denn gemacht?“

„Oh ich war bei einem Malkurs, der sich auf Gesichtsmalerei spezialisiert“, antwortete er sarkastisch und stand kurz vom Explodieren. „Das war deine bescheuerte Freundin Mimi!“

„Das bescheuert gebe ich gerne an dich zurück!“, giftete Mimi, die gerade zur Tür hinaus kam.

Sie sah ebenfalls schlimm aus, auch wenn Tais Gesicht mit dem orange deutlich mehr auffiel.

„Was habt ihr getan?“

„Frag eher was sie nicht getan haben“, feixte Matt und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Er ist einfach nur bescheuert“.

„Sie ist einfach nur bescheuert“.

Beide warfen sich einen bösen Blick zu und Mimi streckte ihm zum krönend Abschluss noch die Zunge heraus.

„Siehst du! Immer fängt sie an“, beschuldigte er sie und deutete auf ihre Geste.

„Selbst schuld. Immer musst du mich provozieren!“

„Stimmt gar nicht“, bellte er ihr entgegen und eine Zornesader entstand auf seiner Stirn.

„Was sich liebt das neckt sich“, eröffnete Davis und bekam prompt einen Klaps auf den Hinterkopf.

„Halt die Klappe“, zischte Tai und blickte immer noch wütend zu Mimi.

„Ich denke wir sollten uns erstmal abreagieren und etwas essen gehen“, beruhigte Matt die Situation und richtete seinen Blick in Richtung Zentralmensa. „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen! Also jetzt hört auf zu streiten, ansonsten werde ich noch zum Kannibalen!“
 


 

Er atmete tief durch und wärmte sich am Lagerfeuer, das sie vor einer Stunde angezündet hatten. Sie befanden sich an einem Grillplatz, der sich in der Nähe des Hafens befand.

Joe hatte eine braune kurze Hose an und beobachtete wie sich die Sonne im Meer spiegelte.

Das erste Mal seit langem fühlte er sich so richtig erholt.

Er hatte das Gefühl, wieder richtig durchatmen zu können. Sich endlich ein wenig gehen zu lassen und das zu tun wozu er Lust hatte.

Kein Vater, keine Brüder oder leidige Mitstudenten, die ihm im Nacken saßen und sagten, er müsse sich weiter anstrengen.

Obwohl er seinen Brüder diese Reise zu verdanken hatte. Sie hatten ihn regelrecht darauf aufmerksam gemacht und ihn ermutigt sich gegen ihren Vater zu stellen.

Wahrscheinlich überlegte sich dieser, wie er Joe am besten aus seinem Testament streichen konnte.

Ein leises Stöhnen überkam ihn.

Ja vor Jahren hätte er das seinem Vater am wenigstens zugetraut, aber mit der Zeit hatte er bemerkt, wie verbissen er doch eigentlich war. Es konnte schon sein, dass er nur das Beste für seinen Sohn wollte, aber musste er dann ausgerechnet Arzt werden? War ein anderes Studium etwa weniger akzeptabel?

Joe wusste es nicht. Er hatte immer nach dem gelebt, was sein Vater für ihn anstrebte.

Er sollte eine bessere Schule besuchen. Joe setzte sich hin und lernte.

Er sollte einen sehr guten Abschluss erzielen. Joe setzte sich hin und lernte doppelt so viel.

Er sollte das Medizinstudium beginnen, dass seinem Vater so sehr am Herzen lag. Joe setzte sich hin und lernte dreifach so viel.

Auf dem Weg dorthin hatte er sich wohl einfach selbst verloren.

„Geht es dir gut Joe?“, fragte ihn Asuka, die Tochter des Gruppenleiters. „Du siehst aus, als wärst du mit den Gedanken ganz woanders“.

Sie setzte sich neben ihn und schaute ihn auffordernd an. Joe hingegen rückte sich die Brille zurecht und wirkte sehr verlegen.

Asuka hatte eine sehr gute Menschenkenntnis. Sie erkannte gleich, wenn etwas nicht zu stimmen schien.

„Ich habe nur an mein Studium und meinen Vater gedacht“, lenkte er ein und sie nickte nur kurz.

„Du studierst Medizin, richtig?“

„Ja“. Er machte eine längere Pause und schaute zum Himmel, der schon die ersten Sterne zeigte.

Auch der Mond schien bald seine volle Pracht zu zeigen. Das Universum zeigte ihm immer wieder, wie klein er doch war.

Er war nur ein Mensch der auf der Erde lebte und irgendwann starb. Würde er tatsächlich, dass Leben weiterleben, das sein Vater für ihn ausgewählt hatte, wusste er, dass er damit nicht glücklich werden konnte.

„Ich frage mich, ob wir eine Wahl haben“, murmelte er vor sich hin.

„Eine Wahl?“

Er schaute zu ihr und nickte zustimmend. „Die Wahl haben unser Leben zu ändern, wenn wir damit nicht glücklich sind“.

„Bestimmt. Schließlich bist du jetzt hier“.

„Stimmt. Doch was passiert, wenn diese Reise vorbei ist?“, wollte er von ihr wissen.

Sie lächelte sanft und fuhr sich durch ihre Haare. „Dann beginnt eine Neue. Das ganze Leben ist eine Reise. Das hier ist eigentlich nur eine Etappe“.

„Meinst du? Ich habe das Gefühl, dass ich danach wieder in der gleichen Sackgasse sitze“.

Traurig ließ er den Kopf hängen und schaute auf seine braune Hose, die sein Vater immer als „hässliches Ding“ bezeichnet hatte.

Jetzt trug er das hässliche Ding.

„Willst du mir vielleicht erzählen, was in der Vergangenheit passiert ist?“

„Das wäre aber eine ganz schön lange Geschichte“, grummelte der Student und richtete abermals sein Nasenfahrrad.

„Ich hab Zeit! Also schieß los!“

Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Er schaute wieder in den Sternenhimmel, atmete kurz durch und blickte wieder zu Asuka. Dann begann er zu erzählen...
 


 

27. Oktober 2009. Odaiba, Japan. Universität.
 

„Das ist doch nicht dein Ernst? Du bist durchgefallen“, blaffte er ihn an und der junge Mann schreckte zusammen. Die Ersten schauten bereits zu den beiden Streitenden.

Dem Medizinstudent war die Situation mehr als nur peinlich, aber was erwartete er auch, wenn er seine Hausarbeit, bei einem alten Studienkollegen seines Vaters schreiben würde?

Natürlich hatte er ihn sofort angerufen, um ihm die „schlechte“ Neuigkeit persönlich mitzuteilen.

Sein Vater war daraufhin sofort zu Uni gefahren und passte ihn auf dem Heimweg ab.

„Du hattest doch genug Zeit…wie konnte sowas nur passieren? Weiß du wie unangenehm mir das Ganze ist?“

Wohl nicht unangenehmer als ihm jetzt.

Er stand wie ein verschüchtertes Kind vor seinem tobenden Vater, dessen Halsschlagader vor Wut anschwoll. Joe konnte sich sicherlich etwas Schöneres vorstellen.

„Es tut mir leid, aber das Praktikum und die anderen Hausarbeiten…das war einfach zu viel“, erklärte er sich und versuchte die menschliche Seite seines Vaters zu erreichen. Vergeblich.

Vor ihm stand ein Mann, der vor Wut nur so tobte.

„Das sind doch alles Ausreden“, unterstellte er ihm. „Deine Brüder haben es doch auch geschafft!“

„Vielleicht bin ich aber nicht wie sie!“, entfuhr ihm emotionsgeladen. Er konnte nicht fassen, dass sein Vater nie ihn sah, sondern immer nur seine „Söhne“.

Er war nicht Joe, sondern nur eine Enttäuschung, die nicht mit den anderen mithalten konnte.

Dabei hatte er doch alles versucht. Das Praktikum hatte er mit Bravour absolviert, genau wie die anderen zuvor. Seine restlichen Hausarbeiten hatte er mit einer Eins bestanden.

Es ging nur um einen beschissen Fehler, der seinem Vater nur zeigte, dass er nicht perfekt war.

„Ich habe mit deinem Dozenten gesprochen. Wenn du bis Ende des Monats deine Arbeit überarbeitest, wertet er es immer noch als deinen ersten Versuch“.

„Bis zum Ende des Monats? Das sind nur noch vier Tage!“

Blankes Entsetzen machte sich in seinem Gesicht breit und seine Brille rutschte seine Nase herab.

Er konnte doch nicht ernsthaft verlangen, dass er innerhalb so kurzer Zeit eine Arbeit von über zwanzig Seiten korrigieren konnte.

Das war unmöglich – jedenfalls für ihn.

„Ich denke nicht, dass ich das schaffen werde“, gestand er sich ein, als sein Vater plötzlich seine Hand aus seine Schulter legte.

„Du wirst es schaffen“, sagte er und Joe dachte für einen Moment, dass er es sagte, weil er an ihn glaubte. Doch dieser Gedanke wurde gleich wieder zunichte gemacht. „Ansonsten brauchst du mir vorerst nicht mehr unter die Augen zu treten, haben wir uns verstanden?“

„Aber Papa…“.

„Nichts aber“, unterbrach er ihn schroff. „Halt dich ran, sonst wirst du nicht mehr rechtzeitig fertig werden“.

Joe nickte seinem Vater zu und kämpfte innerlich mich sich, um nicht gleich laut los zu schreien.

Er wünschte ihm noch nicht mal viel Glück, sondern ging einfach zu seinem Wagen und fuhr davon.

Keine aufmunternden Worte.

Kein „Ich glaub an dich“.

Es war so, als müsste er einfach nur funktionieren, um seinem Vater keine Schande zu bringen.

Ihn interessierte es nicht, dass er kaum geschlafen geschweige denn etwas gegessen hatte.

Für ihn war er nur eine Maschine, die auf Teufel komm raus funktionieren musste.
 


 

„Man Yolei du bist zum Arbeiten hier, nicht zum Starren“, motzte die Rothaarige und bewarf sie mit einem Geschirrtuch.

„Ich starrte gar nicht“, verteidigte sie sich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich versuche nur Takerus Lippen zu lesen“.

„Das ist nicht dein Ernst. Wieso hast du die beiden überhaupt hier her eingeladen? Du bist deswegen vollkommen abgelenkt“.

„Man Sora...ich hab dir doch erzählt um was geht“, knurrte sie und konzentrierte sich wieder auf das Paar, das am Fenster saß.

Sora schüttelte nur den Kopf und quittierte ihr Verhalten mit offensichtlichem Augenverdrehen.

Sie konnte wirklich nicht verstehen, was Yolei damit bezwecken wollte.

Man konnte doch niemanden zu einer Aussprache zwingen…doch genau das, war ihr hinterhältiger Plan gewesen.

Yolei hatte sowohl Takeru, als auch ihre neue Freundin Mariko ins Café bestellt und stellte sie sozusagen vor vollendente Tatsachen.

Dann lotste sie die beiden zu einem Tisch und begutachtete sie seither mit Argusaugen.

Natürlich konnte Sora verstehen, dass sie in gewisser Weise verzweifelt war.

Nachdem Kari gegangen war, war Mariko die einzige neue Freundin, die sie bisher gefunden hatte. Doch nach der Sache mit TK, von der Sora mehr Einzelheiten wusste, als ihr eigentlich lieb war, hatte sich Mariko von Yolei zurückgezogen.

Doch das konnte und wollte der allbekannte Wirbelwind nicht auf sich sitzen lassen und zwang die beiden Ahnungslosen zur Aussprache.

An manchen Tagen konnte Sora sie wirklich an die Wand klatschen. Besonders wenn Frau Minazuki nicht da war. Sie hielt alle zusammen und hatte die volle Kontrolle über den Laden und die Mitarbeiter.

Auch wenn Yolei eher schwer zu bändigen war.

Heute glich sie einem wildgewordenen Stachelschwein, das jeden Augenblick vorm Durchdrehen stand.

„Man warum passiert denn da nichts!“, meckerte sie und stampfte wütend mit dem Fuß auf.

„Zum Glück haben wir heute nicht so viel Kundschaft. Ist ja echt peinlich“, murmelte Sora und bemerkte wie plötzlich die Tür aufging.

„Joe?“

Auch Yolei wurde von dem plötzlichen Besuch augenblicklich abgelenkt und sah wie sich ein vollkommen aufgelöster Joe Kido an der Bar niederließ.

Er besuchte sie eigentlich nie. Er war nur einmal mit Izzy hier gewesen, aber er verschwand bereits nach zehn Minuten wieder.

„Ist alles klar bei dir? Du sieht wirklich beschissen aus“.

„Yolei!“, zischte Sora und wand sich zu Joe, der seinen Kopf auf die Tischplatte gelegt hatte. „Willst du etwas trinken?“

„Einen Kaffee am besten mit extra Koffein, damit ich die Nacht auch ja durchhalte“, seufzte er und setzte sich wieder auf.

Sora nickte verständlich und schnappte sich eine Tasse während sich Yolei sorgenvoll zu ihm rüber lehnte. „Was ist denn passiert?“

„Nichts. Ich bin nur durch eine Prüfung gefallen“.

„Was?“ Sora setzte die Tasse direkt vor ihm ab und musterte ihn geschockt.

Joe der Musterstudent, hatte eine Prüfung verkackt? In welcher Welt war das nur möglich?

„Ich bin ein seelisches Frack“, jammerte er und nippte an seinem Kaffee. „Man der ist ja viel zu heiß“.

„Tut mir leid. Die Maschine spinnt manchmal“, gab Sora kleinlaut zu, während Joe schmerzvoll seine Zunge nach Verbrennungspuren abtastete.

„Heute ist einfach nicht mein Tag!“

„Ach er wird doch nicht so schlimm gewesen sein“, mischte sich die Lilahaarige ein und bekam von dem Brillenträger einen bösen Blick zugeworfen.

„Nicht so schlimm? Mein Vater hat mir ein Ultimatum gestellt, dass ich ganz sicher nicht einhalten kann“.

„Was denn für ein Ultimatum?“, wollte Sora wissen und legte ihre Stirn in Falten. Manchmal sprach nicht nur Yolei in Rätseln.

„Ich soll meine Hausarbeit in vier Tagen verbessern und habe einfach keine Nerven mehr dazu. Ich werde wohl als Penner enden“.

Er ließ seinen Kopf wieder auf die Tischplatte gleiten und gab einen undefinierbaren Laut von sich.

„Ach Joe, das wird schon alles wieder“, meinte Sora optimistisch und strich ihm über seinen Kopf.

„Und selbst wenn du als Penner endest, werde ich meine Eltern sicher überreden könnten, dir täglich ein paar Reiskuchen zu spendieren“, sagte Yolei grinsend und tätschelte ihm ebenfalls gebührend über seinen Haarschopf.
 


 

„Ich glaube sie ist abgelenkt“, meinte Takeru und drehte sich wieder zu Mariko, die genüsslich an ihrem Eistee trank.

„Vielleicht können wir ja jetzt endlich mal abhauen“, sagte sie nachdem sie das Glas wieder abgesetzt hatte. „Auf weiteres Anschweigen habe ich wirklich keine Lust“.

„Man was soll ich denn noch sagen? Es tut mir leid“.

„Du hast mich beim letzten Mal regelrecht aus der Wohnung geschmissen“, erinnerte sie ihn und tippte ungeduldig mit dem Finger auf die Tischplatte.

„Ich weiß, das hätte ich nicht tun dürfen“.

„Aber du hast es getan“, murrte sie aufgebracht.

„Ich war überfordert okay? Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, wieder mit dir im Bett zu laden“, gestand er ihr wahrheitsgemäß.

„Das konnte wohl keiner voraussehen“, flüsterte sie und drehte ihr Glas in ihrer Hand einmal um die eigene Achse.

„Siehst du. Findest du nicht, dass diese Beziehung von Anfang an seltsam war?“

„Kann schon sein“, faselte sie knapp. „Aber manchmal ist doch gerade das Ungewöhnliche, der Beginn von etwas Neuem“.

Takeru kräuselte die Lippen und wollte gerade drauf etwas erwidern als sie plötzlich aufstand, etwas Geld herauskramte und auf den Tisch legte. „Ich sollte besser gehen“.

Sie ging an ihm vorbei, als er ihren Arm ergriff und leise seufzte. „Warte“.

„Was ist denn noch? Hast du mir nicht schon genug weggetan?“

Er stand wortlos auf, schaute ihr direkt in die Augen und drückte sanft ihre Hand.

„Ich weiß selbst noch nicht, ob ich schon bereit für sowas bin. Es gab mal jemanden, den ich sehr mochte, doch das wollte einfach nicht funktionieren“.

Er machte eine kurze Pause, fühlte dass ihr Puls immer schneller schlug und ihre Augen vor Sehnsucht flehten. „Ich möchte dir wirklich nicht wehtun, dafür mag ich dich viel zu sehr“.

Sie lächelte schwach und löste sich langsam aus seinem Griff. „Und was heißt das jetzt?“

„Keine Ahnung? Vielleicht das wir einfach unsere Sachen nehmen, vorerst auf Alkohol verzichten und uns im Kino einen Film ansehen?“

Sie schnaubte und biss sich auf die Unterlippe. „Kino?“

„Klar warum nicht? Ich glaube es wäre besser, wenn wir uns näher kennen lernen, bevor wir wieder…intim miteinander werden“.

„Intim?“, sie kicherte leise. „Sagen das die neuen Möchtegern-Schriftsteller heute so?“

„Ich möchte Journalist werden!“, stellte er lachend klar.

„Na wenn das so ist…Kino, also?“

Takeru nickte und folgte Mariko nach draußen. Eine kühle Brise kam beiden entgegen und der Blonde steuerte in Richtung Kino, als Mariko plötzlich stehen blieb, sich zum ihm drehte und ihn leidenschaftlich küsste.

Geschockt, aber gleichzeitig angetan von ihrer spontanen Geste, erwiderte er ihren Kuss, der bei ihm eine Gänsehaut hinterließ.

Er war süß, aber auch erotisch, die perfekte Mischung aus beidem. Als sie von ihm angelassen hatte, schaute sie ihn einige Sekunden an. Beide sagten keinen einzigen Ton, sondern ließen ihre Augen für sich sprechen.

Dann beugte sich Takeru zu ihr hinunter und verschloss seine Lippen mit den Ihrigen.
 

Fortsetzung folgt...

Herzensbrecher.


 

You were the only one I wanted.

Get Back, Don’t Forget. Demi Lovato, 2008.
 


 

01. Juni 2010. Odaiba, Japan. Konzerthalle.
 

„Oh man ich bin voll nervös“, meinte sie hibbelig und krallte sich in Soras Oberarm.

„Man Mimi, krieg dich mal wieder ein“, sagte diese mahnend. „Ist nur ein Wettbewerb, der über die Uni läuft“.

„Na und? Ich habe Matt noch nie spielen gehört. Das ist eine Weltpremiere“, polterte sie und schlug mit ihren Armen wild in der Gegend herum.

„Pass doch auf“, giftete Taichi, der mit Izzy Getränke geholt hatte. Er reichte zwei Becher an die beiden jungen Frauen weiter und musterte Mimi auffällig.

„Was ist?“, fragte diese und zog die Augenbraune nach oben.

„Hast du vielleicht was genommen oder warum bist du so überdreht?“

„Ich hab nur gute Laune“, antwortete sie eingeschnappt. „Ist das etwa verboten?“

Tai bereute es jetzt schon, sich zu den Mädels gesellt zu haben.

Warum musste auch Matt unbedingt alle einladen?

Auf Mimi hätte er wirklich verzichten können, besonders nach der Textmarker-Attacke.

Er musste sage und schreibe, drei Mal unter die Dusche steigen, um auch den letzten Rest abzubekommen.

Seiner Meinung nach, war sie wirklich irregeworden. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er sie in eine Zwangsjacke steckte.

Er schmunzelte bei dem Gedanken und nippte an seinem Bier. Tai bemerkte nicht, dass Mimi ihn nur kopfschüttelnd anstarrte.

„Warum grinst der wieder so dämlich?“, fragte sie sich selbst und verschärfte ihren Blick. Wahrscheinlich hatte er wieder ein Attentat auf sie geplant.

Zum Glück sah sie keinerlei Stifte oder andere Schreibutensilien, mit denen er sie verunstalten konnte.

Dann wand sie den Blick wieder zur Bühne. Matt und seine Band machten gerade den Soundcheck und würden in zehn Minuten mit dem Spielen beginnen.

Ihr Blick wanderte und blieb an Kari hängen, die sich angeregt mit Yolei zu unterhalten schien.

So langsam hatte Mimi das Gefühl, dass sie sich in Japan langsam wieder einlebte.

Sie war um einiges offener geworden und zeigte allmählich ihre wahren Gefühle.

Auch die Abtreibung schien sie immer noch zu beschäftigen.

Selbstverständlich, wenn man bedachte, dass sie noch nicht mal einen Monat her war. Natürlich ging einem so etwas sehr nahe.

Es war ein Teil von ihr, auch wenn sie noch nicht bereit war, sich darum zu kümmern. Kari liebte eigentlich Kinder, daher konnte sich Mimi auch nicht vorstellen, dass alles so spurlos an ihr vorbeigegangen war.

Wäre sie an ihrer Stelle gewesen, wüsste sie nicht, wie sie gehandelt hätte. Mit 19 war ein Baby eine sehr große Verantwortung, besonders wenn man auf sich allein gestellt war.

Der Vater war ja nur ein One-Night-Stand gewesen, der sich sicherlich nicht, um sie und das Kind gekümmert hätte.

Vielleicht war es die richtige Entscheidung gewesen. Und vielleicht halfen ihr ihre Freunde endlich dabei, das Vergangene hinter sich zu lassen.

„Weißt du schon welche Lieder er spielen wird?“ Sora hatte sich an Tai gewandt, der nur desinteressiert mit den Schultern zuckte.

„Keine Ahnung, aber bestimmt wieder irgendwas mit Herzschmerz und so ein Kram“.

„Klingt doch voll romantisch“, meinte die Brünette verträumt. „Er schreibt sicher wundervolle Songs, nicht wahr Sora?“

„Ähm…ja. Wundervolle…“, stotterte sie und blickte in die anderen Richtung. Mimi sah sie verdutzt an, aber sagte daraufhin nichts mehr.

Tai hingehen hielt sich die Hand an seine Stirn und schüttelte mit dem Kopf.

Sora sollte wirklich langsam mal in die Gänge kommen.

Matt machte mittlerweile immer wieder solche Andeutungen Mimi gegenüber.

Tai war sich nicht sicher, doch er hatte das Gefühl, dass sie ihn Sora noch vor der Nase wegschnappten würde.

Er war ganz fasziniert von der jungen Tachikawa und erzählte immer, wie hübsch er sie fand.

Auch die Tatsache, dass sie Gesang und Schauspiel studierte, imponierten Matt.

Tai hatte wusste, dass wenn es so weiter ginge, sie wie die Titanic auf einen Eisberg zu steuern und gnadenlos sinken würde.

Sora war in Matt verliebt und er war der einzige der davon wusste.

Sein bester Freund ahnte noch nicht mal etwas von seinem Glück. Daher würde er sicher keine Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen.

Tai musste deswegen Mimi verklickern, dass sie die zarten Finger von Matt lassen sollte, auch wenn es so aussah, als würde die Sympathie auf beiden Seiten bestehen.

Er musste sich dringend etwas einfallen lassen.
 


 

Kari stand neben Yolei, als Takeru auf beide zugesteuert kam. Er lächelte sachte und stellte sich neben die beiden.

„Und ist zwischen dir und Matt wieder alles klar?“, fragte Kari lauthals um gegen die Lautstärke in der Halle anzukommen.

TKs Lächeln verschwand daraufhin wieder und er gab nur ein knappes „Nein“ von sich. Danach wand er sich der Bühne zu und beobachtete seinen Bruder dabei, wie er an das Mirko trat.

„Hallo mein Name ist Matt und wir sind die Teenage Wolves“, kündigte er sich selbst an und setzte sich auf einen Hocker, der direkt hinterm Mirko stand. Er legt sich seine Gitarre um und spielte die ersten Akkorde.

Kari beobachtete immer noch Takeru, der verbissen zu Matt starrte.

Er kannte diesen Song.

Immer wenn er ihn spielte, erinnerte sich der Jüngere an die Zeit zurück, in der noch alles in Ordnung war. Zur der Zeit, wo Kari einfach nur seine beste Freundin und sein Bruder nicht sein größer Konkurrent war.

Er biss sich auf die Unterlippe und Matt begann zu singen.
 

I can't have you, no

Like you have me
 

Der Blonde lauschte seine Stimme und erinnerte sich an die unbeschwerte Zeit zurück. Für einen Moment schien alles in Ordnung zu sein, auch wenn dem nicht so war.

Genaugenommen stand alles Kopf.

Seine Eltern hatten sich immer noch nicht zusammengerafft, obwohl seine Schwester Sayuri, die sie alle liebevoll Saya nannten, bereits seit drei Wochen auf der Welt war.

Matt hatte sich seit ihrer Geburt nicht mehr bei seiner Mutter gemeldet.

Er ignorierte jeden ihrer Anrufe.

Immer wieder sagte er zu Takeru, dass er nicht ertragen konnte, wie seine Eltern ein weiteres Leben ins Unglück trieben.

Egal wie der junge Takaishi auch argumentierte, nichts half.

Er warf ihm immer nur das gleiche an den Kopf.

„Du bist zu naiv. Werd‘ gefälligst erwachsen und sieh ein, dass es vorbei ist.“

Doch es war noch nicht vorbei.

Noch lange nicht.

Es war doch erst der Anfang von etwas Neuem.

Wieso konnte er es nicht sehen?
 

And I want you in my life

And I need you in my life
 

„Hey?“ Kari stellte sich neben ihn und berührte sanft seine Schulter. „Du siehst so traurig aus. Ist alles in Ordnung?“

Er nickte nur und zog gequält seine Mundwinkel nach oben. Doch ihr mitleidiger Blick verschwand dadurch nicht.

Wahrscheinlich war sie wirklich die Einzige, die ihn zu durchschauen schien.

Okay, abgesehen von seinen Gefühlen zu ihr.

Die konnte er komischerweise immer sehr gut verstecken.

Doch wenn ihn sonst immer etwas bedrückte, war Kari die erste die es bemerkte.

Es hatte sich also nichts verändert.

Sie war immer noch die Alte.
 


 

Sie tanzten wild in der Menge, hoben die Arme und versuchten die Texte laut mit zu grölen.

Mimi sprang im Takt und nahm die Hand ihrer alten Freundin und animierte sie zum Mitmachen, auch wenn die Rothaarige nur schüchtern mitwippte.

Sie war eben kein Energiebündel so wie Mimi, die die Texte noch nicht mal kannte und trotzdem mitsang.

Sora sah zu Tai, der nur rhythmisch mit dem Kopf nickte und seine Hände tief in seiner Hosentasche vergrub.

Er und Izzy kannten wohl jedes Lied auswendig und waren mehr gelangweilt als amüsiert.

Der Rotschopf drückte sich gerade an der wildgewordenen Menge vorbei und verschwand in der Masse. Tai stand auf einmal alleine da und bemerkte Izzys Abwesenheit zuerst gar nicht.

Erst als er sich nach links wandte, fiel ihm auf, dass er gegangen war.

„Wo ist Izzy hin?“, rief er Sora fragend zu, die wegen des Lautstärkepegels nichts verstand.

„Was?“, antwortete sie und spitzte die Ohren.

Tai trat näher an sie heran und wiederholte seine Frage nochmals.

„Keine Ahnung wohin er gegangen ist. Er ist vorhin in der Menge verschwunden“.

„Na toll“, grummelte er und zog ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter.

Selbst Mimi war sein Blick nicht entgangen. Sie blieb auf einmal stehen und in ihrem Gesicht bildeten sich mehrere Fragezeichen.

„Man Tai, wenn man dich so sieht, kann einem wirklich die Lust vergehen“.

„Danke. Nicht jeder ist halt so hyperaktiv wie du“, konterte er und drehte sich weg.

Sie nuschelte etwas Unverständliches vor sich hin und wand sich wieder Sora zu.

Sollte er doch ruhig schmollen. Sie wollte ihren Spaß haben.
 

I'm still alive but I'm barely breathing

Just prayin' to a God that I don't believe in
 

„Er singt so unfassbar gut“, schwärmte die Brünette und schenkte ihm einen schmachteten Blick. Sora hingegen antwortete mit einem leisen „Mhm“ und blickte traurig zur Bühne.

Matt stand vor dem Mikrofon, der Schweiß tropfte von seiner Stirn hinunter und er lächelte ihnen zu. Doch seine Augen fixierten Mimi, die wie ein Teenager kreischte und sich wieder in Soras Arm krallte.

Selbst Tai hatte mittlerweile das Weite gesucht und stand etwas weiter abseits bei Ken und Davis.

Die Rothaarige blickte kurz zu dem Trio, wand ihren Blick aber wieder recht schnell zu Matt, der immer noch Mimi anstarrte.

Das durfte doch nicht wahr sein.

Auch wenn sie eine ihrer engsten Freundinnen war, es konnte doch nicht sein, dass Matt tatsächlich Interesse an ihr hatte.

Sora schaute zu Mimi, die vergnügt tanzte und ihre Haare umherschüttelte.

Sie war so vieles, dass Sora nicht war.

Sie war hübsch, immer gut angezogen und trat immer selbstbewusst auf – auch wenn sie sich zum Depp machte.

Es war ihr egal. Sie liebte es im Mittelpunkt zu stehen.

Sora hingegen agierte eher im Hintergrund. Genaugenommen hasste sie es im Vordergrund zu stehen.

Aus diesem Grund wollte sie Designerin werden. Sie musste ihre Kleider nur nähen und nicht präsentieren. Dafür hatte man ja schließlich die Models, die wahrscheinlich genau wie Mimi vor Selbstbewusstsein nur so überschäumten.

Doch jetzt veränderte sich etwas.

Mimi war auf dem besten Weg ihr etwas wegzunehmen, was ihr viel bedeutete.

Sie liebte Matt, auch wenn es bisher nur Taichi wusste.

Er hatte Recht, sie musste langsam in die Gänge kommen.

Sonst würde sie ihn verlieren.

Für immer.
 

'Cause I got time while she got freedom

'Cause when a heart breaks, no, it don't break even
 

Tai stand gelangweilt an der Wand und lauschte nur halbherzig der Musik seines besten Freundes. Davis und Ken schienen auch eher zwangsweise hier zu sein.

Sie unterhielten sich beiläufig und Davis blickte sogar ein paar Mal auf die Uhr.

„Sag mal hast du Yolei gesehen?“, fragte Ken auf einmal und suchte mit den Augen die Halle nach ihr ab.

Davis folgte seinem Blick, zuckte aber nach erfolgsloser Suche mit den Schultern.

„Vielleicht ist sie aufs Klo. Du kennst sie doch, wenn sie zu viel Rootbier trinkt“.

„Meinst du? Sie ist doch mindestens schon zwanzig Minuten weg“, erwiderte er sorgenvoll.

„Na und? Sie wird wohl ne lange Schlange erwischt haben“. Davis rümpfte die Nase und lockerte seine Beine, die vom vielen Rumstehen bereits wehtaten.

Er konnte nicht verstehen, dass er nach all der Zeit immer noch in sie verliebt war.

Damals während Marikos Hausparty und auch danach, haben sie ellenlang über die Problematiken, die eine Beziehung mit Yolei mit sich bringen würde, geredet. Doch Ken hatte wohl auf Durchzug gestellt.

Wie ein liebeskranker Hengst suchte er nach der brünstigen Stute, die nur gierig auf ihn zu warten schien.

Auch TK machte sich immer noch Hoffnungen auf eine Liebe, die immer einseitig bleiben würde. Davis schielte unbemerkt rüber zu ihm und sah, wie angeregt und belustigt er sich mit Kari unterhielt. Sie kicherte und hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht gleich laut los zu pusten, während er bereits lautstark lachte.

Zum Kotzen.

Wo war ein Eimer, wenn man mal einen brauchte?

„Man er fällt wieder voll auf sie rein“, nuschelte er, so dass es Tai nicht hören konnte.

Ken unterbrach daraufhin seine Suche und schaute ebenfalls zu TK.

„Lass ihn doch. Vielleicht hat er ja Glück und aus den beiden wird doch noch ein Paar“.

„In welcher Traumwelt lebst du denn?“, wollte er irritiert wissen und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. „Sie spielt nur mit ihm! Das weiß ich“.

„Und woher? Steht es ihr auf der Stirn geschrieben?“, witzelte er und lehnte sich mit der rechten Schulter gegen die Wand, an die sich schon Taichi gelehnt hatte.

„Ich seh´s in ihren Augen“, meinte er überzeugt und der Schwarzhaarige begann ohne weiteres zu Lachen.

„In ihren Augen? Ich erkenne ihre Augen von hier noch nicht mal oder hast du irgendeinen Röntgenblick von dem ich noch nichts weiß?“

„Witzig“, knurrte er eingeschnappt und verschränkte die Arme vor der Brust.

Warum konnte auch niemand ihn ernst nehmen?

Lag es an seiner Frisur oder an seinem Auge, das ab und zu komisch zuckte?

Doch er hatte sie gewarnt. Es war bestimmt nur eine Frage der Zeit, bis er wieder sagen konnte, „Ich habe es dir ja gleich gesagt“.
 


 

Mimi drückte sich durch die Massen durch, während sich Sora lautlos zu Taichi verzog.

Matt stand umringt von zahlreichen Mädels, die unbedingt ein Autogramm von ihm haben wollten.

Zwar waren sie nur Zweiter geworden, aber das schien ihrer Beliebtheit wenig auszumachen.

Sie waren eben die Sieger der Herzen und wenn Mimi ehrlich war, fand sie diese „Kids from Tokyo“ gar nicht mal so gut. Wahrscheinlich steckte doch Wahlmanipulation dahinter.

Doch was sollte man machen?

Mimi wollte daher erst einmal dem Sänger ihre Glückwünsche aussprechen.

„Hey Matt“, rief sie ihm zu und er krakelte die letzte Unterschrift auf ein Magazin, in dem sie einmal erschienen waren.

Seine Augen funkelten richtig, als er Mimi vor sich sah. Er hatte seine Gitarre umgelegt und steuerte freudestrahlend auf sie zu.

„Und hat dir der Auftritt gefallen?“

„Ja sehr sogar“, antwortete sie grinsend und stupste ihn leicht an. „Ich hätte so tiefsinnige Lieder gar nicht von dir erwartet“.

„Ich nehme das jetzt einfach mal als Kompliment, okay?“

Mimi nickte eifrig und ein weiterer Fan stürmte auf die beiden zu, um mit Matt ein Foto zu machen.

„Du bist ja wirklich sehr beliebt. Besonders bei den Damen“, lachte sie und spielte verräterisch an ihren Haaren.

Er machte sie sichtlich nervös.

So komisch hatte sie sich seit dem „Vorfall“ nicht mehr gefühlt. Irgendwie bestand eine magische Anziehung zwischen den beiden, die sie zuvor nie wahrgenommen hatte.

Er hatte sogar Grübchen, wenn er lachte.

Und Mimi stand auf Grübchen.

Sie seufzte leise, als Matt das Foto von ihm und seinem Fan machte.

„Hier bitte“, sagte er freundlich und gab dem jungen Mädchen, die Kamera zurück und wand sich wieder zu Mimi, die ihn immer noch verträumt anschaute.

„Und was haben Kari und du noch geplant, solange ihr in Japan seid?“

„Ehm gute Frage. Ich weiß es gar nicht so genau“, gab sie zu und fuhr sich wieder durch ihre Haare.

Matt lächelte verschmitzt und ging ein paar Schritte auf sie zu.

„Hast du auch mal einen Kari-freien Tag geplant?“

„Einen Kari-freien Tag?“ Sie überlegte kurz und fragte sich auf was er eigentlich hinaus wollte. Wollte er sie etwa…

„Sag mal willst du dich etwa mit mir verabreden? Oder warum fragst du sowas?“

Gespielt empört schaute er sie an und klatschte sich mit der Hand auf den Oberschenkel.

„Man ich wollte eigentlich mal kreativ sein, aber du hast mich eiskalt durchschaut“.

„Ups“, brachte sie hervor und wirkte sehr weich und mädchenhaft dabei.

Sie wusste, wie sie verschiedene Facetten zeigen konnte. Darin war sie wohl sehr geübt.

Der Schauspielausbildung sei Dank.

„Und was hältst du davon? Wollen wir morgen vielleicht was Essen gehen?“

Ihre Augen begannen zu leuchten, auch wenn sie sich immer wieder sagte, sie solle ruhig bleiben. Verzweifelt wollte sie auf gar keinen Fall wirken.

Sie atmete daher ruhig aus und presste kurz die Lippen aufeinander, bevor sie etwas sagte.

Fast schon ein wenig schüchtern blickte zu ihm und nickte verhalten.

„Ich glaube Kari wird sicher einen Abend ohne mich zurechtkommen“.
 


 

Sie schaute kurz zu ihnen, konzentrierte sich jedoch schnell wieder auf Takeru, der sich mit ihr in eine Ecke zurückgezogen hatte.

Es wurde immer noch Musik gespielt und die Besucher tanzen ausgelassen und tranken Bier.

Doch Hikari hatte gemerkt, dass ihren besten Freund etwas zu bedrücken schien.

Erst die Situation bei der Einweihungsparty, dann diese Kälte zwischen den beiden Brüdern, während des gemeinsamen Mittagessens in der Zentralmensa und dann Takerus Gesicht, das so traurig wirkte.

Kari hatte generell ein schlechtes Gewissen gegenüber ihm.

Sie war in letzter Zeit keine gute Freundin gewesen, auch wenn sie selbst genug Probleme hatte.

Doch Takeru war immer für sie da gewesen, auch als sie ihm die Sache mit Matt gestanden hatte, die ihm Anfangs so fürchterlich unangenehm war.

Er hatte sie nie verlassen. Er war immer für sie dagewesen und verurteilte sie nicht, im Gegensatz zu Davis, der sie nach wie vor noch zu hassen schien.

Doch Kari wollte nicht an die Vergangenheit denken.

Sie wollte ihm einfach nur zuhören und ihm beistehen, egal was auch passiert war.

„Dir geht es wirklich schlecht oder?“

„Sehe ich etwa so scheiße aus?“, stellte er die Gegenfrage.

„Nein. Nein. So habe ich das nicht gemeint“, sagte sie und kam leicht ins Straucheln, was Takeru sichtlich amüsierte. „Mich interessiert es halt, was in meiner Abwesenheit so passiert ist. Anscheinend einiges“, meinte sie und deutete mit ihrem Blick zu Matt, der sich immer noch mit Mimi unterhielt.

TK verrollte nur die Augen und tauschte sein amüsiertes Gesicht mit einem genervten.

Klar Kari konnte nicht wissen, was passiert war, aber musste sie es wirklich hinterfragen?

Er könnte sich mittlerweile dafür Ohrfeigen, dass er auf Matt losgegangen war.

Die Wut hatte wohl die Kontrolle über seinen Körper gehabt. Dieser kleine Schalter, der ihn zur Beherrschung zwang wurde einfach umgelegt und schon passierte die Tragödie.

Kein Wunder also, dass Kari die Fragenzeichen im Gesicht zu stehen schienen.

Er wüsste sicherlich auch gerne, was passiert wäre, wenn sie sich plötzlich mit Tai prügeln würde – auch wenn das eher unwahrscheinlich war.

„Weißt du…es hat mit unseren Eltern zu tun“.

Das hatte bereits Matt erwähnt, doch mehr hatte sie damals nicht erfahren.

Vielleicht erfuhr sie jetzt das, was Yamato ihr nicht sagen wollte.

Takeru war in solchen Dingen generell viel offener als sein Bruder.

Oft hatte er mit Hikari über seine Eltern gesprochen und seinen Wunsch, dass sie endlich wieder eine Familie werden sollten.

All die Jahre sah es nicht danach aus, doch kaum hatte Hikari das Land verlassen, eröffneten sich neue Möglichkeiten.

„Was? Deine Eltern hatten wieder was miteinander?“, quietschte sie schrill , während TK den Zeigefinger auf die Lippen legte und „Shht“ hindurch pfiff.

„Nicht so laut, er steht da hinten“.

„Und weiter?“, flüsterte sie ihm zu. „Darf ich etwa nicht wissen, was vorgefallen ist?“

„Das ist es nicht. Aber er rastet immer aus, wenn ich mit anderen darüber spreche“, erklärte der Blondschopf und richtete seinen Blick immer noch zu Matt, der wieder mit einem Fan beschäftigt war.

„Genaugenommen ist das noch nicht alles“, gestand er plötzlich und wand sich wieder voll und ganz Hikari zu.

Dann erzählte er ihr die ganze leidige Geschichte.

Die ungeplante Schwangerschaft seiner Mutter.

Seine Hoffnung, dass seine Eltern doch noch zusammen finden würden.

Die Geburt seiner kleinen Schwester vor rund drei Wochen.

Und die Tatsache, dass Matt seine Mutter und Saya seither kein einziges Mal besucht hatte.

„Aber wieso macht er sowas? Sie ist doch eure Schwester!“, stellte sie fest und war immer noch schockiert über die Nachricht, die ihr Takeru vor wenigen Minuten anvertraut hatte.

Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet.

Wie konnte Matt nur so stur sein? Es ging doch schließlich um SEINE Familie.

„Findest du, dass ich mir falsche Hoffnungen mache?“, fragte er bedrückt und presste die Lippen aufeinander.

Kari berührte leicht seine Schulter und schüttelte den Kopf. „Wäre ich in deiner Situation, würde ich sicher genauso hoffen wie du. Immerhin haben sie jetzt drei Kinder und das eine davon ist ein Baby. Sie müssen also automatisch mehr Zeit miteinander verbringen“.

TK zog den rechten Mundwinkel nach oben und hoffte inständig, dass Hikari damit Recht behalten würde.

Er wünschte sich seine Familie zurück, auch wenn sich Matt noch so sehr dagegen sträubte.

Manchmal sollte man zweite Chancen einfach nutzen.
 


 

Traurig schaute sie zu ihnen, und erkannte wie gut sich die beiden verstanden.

Das konnte doch nur ein Alptraum sein.

Wieso immer sie? Was hatte sie getan? Warum musste sie nur so leiden? Wieso durfte sie nicht glücklich sein? Und vor allem wie konnte es sein, dass eine höhere Macht zuließ, dass sie sich ausgerechnet in Matt verliebt? Den besten Freund ihres Ex.

Sie schnaubte und verzog ihr Gesicht so schmerzverzerrt, dass es Tai prompt mitbekam.

„Mach dir nichts draus. Mit ihr wird er es sicher nicht ernst meinen“.

„Ach Tai“, murmelte sie und lehnte sich gegen die Wand.

„Ist doch so. Sie fliegt ja hoffentlich wieder zurück!“

„Sei nicht so gemein“, meinte sie und starrte ihn nieder. „Wir beide wissen doch, warum du so allergisch auf sie reagierst. Und sie weiß es sicher auch noch“.

Tai schüttelte vehement den Kopf und lief etwas rot um die Nase an. „Man, das hat rein gar nichts damit zu tun. Ich bereue wirklich, es dir erzählt zu haben“.

„Was denn? Ich habe schon immer gedacht, dass da irgendwas nicht stimmen konnte. Und ich bin froh, dass du so ehrlich zu mir warst“, erwiderte sie und blickte wieder zu Mimi und Matt.

„Er weiß es gar nicht, oder?“

„Nein“, antwortete er und fuhr sich durch die Haare. „Und das wird auch so bleiben“.

„Verstehe…“.

„Du solltest wirklich langsam mal in die Gänge kommen. Sie wird wieder abfliegen, daher wird das mit den beiden eh nichts“, klärte er sie auf und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. „Fahr einfach mal die Krallen aus“.

Sora sah ihn vollkommen entgeistert an.

Hatte er gerade wirklich Krallen gesagt?

Das war doch wohl ein Scherz. Er wusste doch genau, dass sie nicht der Typ Frau war.

„Ich glaube nicht, dass ich das mit meinem Gewissen vereinbaren kann“, nuschelte sie unverständlich.

„So ein Quatsch“, protestierte er und setzte sich in Bewegung.

„Wo willst du hin?“

„Wir werden jetzt einfach ein bisschen Unruhe stiften“, stellte er klar, packte sie am Arm und steuerte direkt auf Matt und Mimi zu.

Das wäre doch gelacht.

Im Unruhestiften war er schließlich ein Ass auf seinem Gebiet.

Er musste es nur schaffen, dass Mimi die Finger von Matt ließ. Und er hatte schon einen Plan, wie er diese Idee in die Tat umsetzen wollte.
 


 

Ken und Davis standen immer noch beisammen, konzentrieren sich jedoch auf zwei verschiedene Dinge.

Ken suchte immer noch die Menge nach Yolei ab, die seit 45 Minuten spurlos verschwunden war. Davis hingegen blickte angesäuert zu TK, der sich von Kari einlullen ließ.

„Ich kann es nicht fassen“, grummelte der Igelkopf und wand sich an Ken.

„Ich auch nicht“, erwiderte er, so das Davis dachte, sie würden sich über die gleiche Sache aufregen. Doch Ken war wegen etwas anderem sauer. „Yolei ist wie vom Erdboden verschluckt. Vielleicht ist was passiert. Wir sollten besser nach ihr suchen“, sagte er aufgebracht und wollte gerade losgehen, als Davis ihn am Arm festhielt.

„Sag mal spinnst du? Yolei ist unser geringstes Problem. Guck dir das mal an!“ Er deutete offensichtlich auf Hikari und Takeru, die sich prächtig miteinander vertrugen. So als wäre sie gar nicht weg gewesen.

„Man, lass ihn doch! Er ist alt genug“, verteidigte er den Blondschopf und befreite sich schwungvoll aus Davis Griff, um nach Yolei zu suchen.

Davis war einfach hochgradig dramatisch. Das konnte Ken wirklich nicht nachvollziehen.

Der Schwarzhaarige drückte sich an den Massen vorbei und bahnte sich einen Weg nach draußen.

Es konnte doch nicht sein, dass Davis sich unbedingt in Takerus Leben einmischen wollte…wenn er Kari eine zweite Chance in Sachen Liebe geben wollte, warum auch nicht?

Zumal sie gar nichts von seinen Gefühlen wusste.

Davis war einfach nur anstrengend.

Er hoffte, dass…

Ken blieb wie angewurzelt stehen, als er plötzlich zwei Personen erkannte.

Sein Herz zerbrach augenblicklich in tausend Einzelteile und seine Kinnlade klappte nach unten.

Das konnte nicht wahr sein.

Nein. Das durfte nicht wahr sein.

Vor ihm standen tatsächlich Yolei und Izzy, die Zärtlichkeiten miteinander austauschten.

Er presste seine Lippen aufeinander und schluckte den aufkommenden Schmerz hinunter.

Es gab also doch jemanden in ihrem Leben.

Jemanden mit dem er nicht gerechnet hatte.

Ken stellte sich etwas weiter abseits und versuchte irgendwelche Anzeichen zu erkennen, doch nichts deutete darauf hin.

Wann war das nur passiert?

Er starrte immer noch ungläubig zu den beiden, die ihn noch nicht bemerkt hatten.

Sie vergrub ihre Finger in seinen rötlich-schimmerten Haaren und küsste ihn zärtlich auf die Lippen. Der Kuss intensivierte sich schnell und beide verschwanden daraufhin in der Dunkelheit der Nacht.

Es war bereits zehn vor zwölf.

Doch Zeit spielte in Kens Leben keine Rolle mehr.

Er hatte sie verloren.

Jetzt war es klar.

Sie hatte sich für jemand anderen entschieden, der sich nicht scheute ihr seine Gefühle zu zeigen.

Hätte er bloß nicht auf Davis gehört.

Vielleicht wäre dann alles anders gekommen.

Niedergeschlagen kehrte er zu seinem besten Freund zurück, der sich mittlerweile als Wachhündchen zu TK und Kari gesellt hatte.

Takeru war der Erste, der ihn sorgenvoll musterte. Wahrscheinlich stand ihm der Schock ins Gesicht geschrieben.

„Stimmt was nicht?“

„Ähm…nein. Ich…ich bin nur müde“, log er und gähnte gestellt. TK schaute ihn skeptisch an, sagte jedoch nichts Weiteres zu ihm.

Er hatte wohl erkannt, dass er nicht darüber reden wollte.

Und auch, wenn sich Yolei für jemand anderen entschieden hatte, wollte ihre Beziehung nicht gleich „zwangsouten“.

Er musste selbst erstmal damit zurechtkommen.

Vielleicht konnte er sie ja jetzt endlich gehen lassen.
 


 

02. Juni 2010. Hamamatsu, Japan. Musikfestival.
 

Es war kurz nach zwölf. Raketen schossen nach oben und verwandelten den dunkeln Nachthimmel in ein farbenfrohes Paradise.

Es ertönte Musik und freudige Menschen schlendern auch noch nach Mitternacht munter durch die Straßen.

Joe war einer von ihnen.

Gemeinsam mit den beiden Studenten Richard und Maggie zog er noch durch die Straßen.

Auch Asuka begleitete die kleine Gruppe.

Die anderen waren bereits im Hostel verschwunden. Aber welcher Rentner feierte auch noch gern in

die Nacht hinein. Diese Zeiten waren wohl vorbei.

Für Joe fingen sie jetzt erst richtig an.

Es war das erste Mal seit Ewigkeiten, dass er sich mal fallen lassen und Spaß haben konnte.

Er fühlte sich frei.

Die beiden Studenten unterhielten sich munter, als Asuka neben ihn trat und ihn zufrieden anlächelte.

„Du siehst so glücklich aus“, bemerkte sie freudig und verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken.

„Das bin ich auch“, gestand er und schaute wieder zum Nachthimmel. „Ich bin froh, dass ich hier bin“.

„Hast du dich denn schon entschieden, was du danach machen möchtest?“

Er seufzte leise und schüttelte kaum merklich mit dem Kopf.

„Noch nicht. Aber je länger ich nachdenke, desto mehr merke ich, dass Medizin eigentlich nicht mein Ding ist!“

Asuka nickte verständlich und steuerte auf eine Bank zu. Richard und Maggie gingen schon weiter, während sich die beiden wortlos hinsetzen.

Es dauerte einen Moment bis sie erneut das Wort ergriff.

„Weißt du denn, was dein Ding ist?“

Er überlegte kurz, doch es schien ihm nichts Sinnvolles einzufallen.

Er könnte auch Wirtschaftswissenschaften studieren, doch er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, irgendwann mit Tai zusammen zu arbeiten. Er war auch nicht musikalisch begab wie Matt oder so unfassbar neugierig wie Izzy.

Eigentlich stand es sein ganzes Leben lang fest, dass er einmal Arzt werden würde.

„Ich glaube, ich bin unbegabt“, lachte er und rückte sich seine Brille zurecht.

„Ach komm, jeder kann doch etwas. Was ist deine herausragende Eigenschaft?“

„Ich bin immer zuverlässig“, antwortete er unsicher und fragte sich ob es bereits das einzige war, was ihn auszeichnete.

„Und weiter? Da muss es doch noch mehr geben“, bohrte sie hartnäckig und krallte sich an seinem Arm fest.

Sie schüttelte ihn etwas, so als ob sie hoffte, dass ihm dadurch etwas einfallen würde.

Doch nichts geschah.

Die Einfälle blieben aus. Zurück blieb ein deprimierter Joe, der kein Wort mehr herausbrachte, sondern nur angestrengt nachdachte.

Es musste doch etwas geben…es konnte doch nicht sein, dass all seine Freunde etwas gefunden hatten, dass sie gut konnten – nur er nicht?

Das war ganz und gar unmöglich. Dann holte es ihn ein.

Wie sollte er wissen, was ihm gefiel, wenn er all die Jahre nach dem Willen seines Vaters lebte?

War doch klar, dass es seiner Autonomie nicht gut tun würde.

Wahrscheinlich hatte er vor Neuerungen deshalb so große Ängste.

Und jetzt saß er hier. In Hamamatsu. Vollkommen planlos.
 

Do you have a light, can you make me feel alright

There's plenty of light to go around
 

Joe spitzte die Ohren und schaute sich um. Er mochte den Text des Songs, auch wenn er ihn zum ersten Mal hörte.

Viele Bands spielten auf dem Festival.

Viele Bands, die kaum einer kannte. Aber trotzdem gaben sie nicht auf. Sie stellten sich auf die Bühnen und sangen über ihren Schmerz.

Er wollte auch so mutig sein, und einfach etwas Neues probieren.

Vielleicht setzte er sich nach seiner Rückkehr einfach in verschiedene Vorlesungen und lauschte neuen Möglichkeiten, an die er noch nicht gedacht hatte.

Jeder würde seinen Weg finden, wenn er sich auf die Suche begab.

Er hatte einfach nur noch nie selbst gesucht.

Daher wurde es Zeit, dies zu ändern.
 

If you think it's right when you hit me to the ground

Well light me up when I'm down
 

Möglicherweise würde er mit seiner Entscheidung, das Studium aufzugeben, seinem Vater das Herz brechen, aber es ging um seine Zukunft.

Sein Vater wollte Arzt werden.

Er eben nicht.

Und es gab immer mehrere Optionen.

Er drehte sich zu Asuka, die ihn erwartungsvoll anschaute.

Stimmt, sie hatte ihn gefragt, was ihn noch auszeichnete…

„Ich glaube, ich bin auf dem besten Weg es herauszufinden“, sagte er, schnappte sich ihre Hand und zog sie mit sich.
 


 

Er hatte sie einfach weggezogen.

Mitten im Gespräch.

Wie unhöflich konnte man nur sein?

Tai hatte einfach ihr Handgelenk gepackt und sie zur Seite gezogen, gerade als er mit ihr das gemeinsame Date besprechen wollte.

Sie hatte Soras Miene nicht bemerkt.

Wie traurig sie wurde. Taichi hingegen fiel es sofort auf.

Und auf Worte mussten immer noch Taten folgen.

Daher beschloss er Mimi ins Gewissen zu reden.

„Du hast ein Date mit Matt?“, fragte er ruppig nachdem er sie wieder losgelassen hatte.

„Na und? Was interessiert es dich? Er hat mich nach seinem Auftritt…“.

„Sag das ab!“, forderte der Brünette harsch und sah ihr direkt in die Augen.

„Wieso? Du hast mir rein gar nicht zu sagen“, zickte sie zurück und stemmte ganz Mimi-typisch die Arme in die Hüpfte.

„Sag ES ab! Bitte“, forderte er noch eindringlicher als zuvor.

„Warum? Er ist wirklich nett zu mir und malt mich im Gegensatz zu gewissen anderen nicht mit einem Textmarker an“, giftete sie und zog provokant die Augenbraue nach oben. „Ach und diese Aktion war selbst für dich zu kindisch“.

Sie wollte gerade kehrt machen, als Tai sie ruckartig zu sich zog und sich ihre Gesichter auf einmal sehr nah kamen.

Ihr Herz begann heftig gegen ihre Brust zu pochen und ihr wurde plötzlich sehr heiß.

Was wollte er mit dem ganzen bezwecken?

War er etwa?

„Sag mal bist du eifersüchtig?“
 

Fortsetzung folgt...

Feindseligkeiten.


 

Sometimes I wanna slap you in your whole face.

True Love, The Truth About Love. Pink, 2012.
 


 

„Sag mal bist du eifersüchtig?“

Er ließ sie abrupt los. Sein Blick änderte sich nicht.

„Bestimmt nicht. Und das mache ich auch ganz sicher nicht für dich“, tönte er abwertend und kniff die Augen zusammen.

„Und warum soll ich dann nicht mit ihm ausgehen?“

„Ähm…das ist kompliziert“.

Sie zog die Augenbraue nach oben und musterte ihn skeptisch.

Es war kompliziert.

Natürlich. Das war die dümmste Ausrede, die sie je gehört hatte.

Da waren Michaels sogar durchdachter gewesen.

„Man du gehst mir sowas von auf die Nerven. Ich geh jetzt wieder zu den anderen“, informierte sie ihn und machte eine Kehrwendung. „Und ich werde trotzdem mit ihm ausgehen. Du hast mir gar nicht zu sagen“.

Tai verrollte die Augen.

Warum musste sie auch immer so arrogant sein? Das war nicht mehr zum Aushalten.

„Du bist echt eine bescheuerte Zicke. Du würdest damit alles kaputt machen!“

„Wie bitte?“ quietschte sie schrill und drehte sich wieder zu ihm.

Er sprach eindeutig in Rätseln. Aber das war noch lange kein Grund sie zu beleidigen.

„Und du bist ein Idiot, der zu viele Fußbälle an den Kopf bekommen hat“, blaffte sie zurück.

„Dir sind früher wirklich bessere Beleidigungen eingefallen. Anscheinend hatte Amerika nicht nur Auswirkungen auf deinen Kleidungsstil, sondern auch auf deine Schlagfertigkeit“, schlussfolgerte er und deutet auf das quietsch-pinke Oberteil, dass sie anhatte. „Damit siehst du wirklich auch wie ein Schweinchen“.

„Was?“, schrie sie und erweckte so auch die Aufmerksamkeit der Jüngeren. „Nimm das sofort zurück!“

„Das hättest du wohl gerne“.

„Du blöder Idiot“, nuschelte sie und ballte die Fäuste. Sie hatte das Bedürfnis ihm ins Gesicht zu springen, auch wenn sie wusste, dass es wohl nichts bringen würde.

„Was ist denn jetzt schon wieder los?“, fragte Kari genervt und stellte sich mit verschränkten Armen neben Mimi, die immer noch vor Wut schäumte.

„Dein Bruder hat gesagt, ich sehe aus wie Schwein!“

Kari verrollte die Augen und drehte sich zu Tai, der unschuldig aus der Wäsche guckte.

„Diese Aussage ist vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen“, verteidigte er sich großspurig.

„Vielleicht sollten wir jetzt besser gehen, bevor es wieder ausartet“, schlug die junge Yagami vor und berührte Mimi leicht am Arm.

Sie registrierte ihre Geste und schnaufte kurz.

„Du hast Recht. Mit sowas halte ich mich nicht länger auf“.

Sie rümpfte die Nase und stolzierte mit Kari im Schlepptau an ihm vorbei.

Die Jüngere rief den anderen noch ein knappes „Tschüss“ zu, auch wenn die meisten eher verwundert den beiden Frauen nachschauten.

Ihr Abgang kam doch etwas zu plötzlich – auch für Sora.

Sie schlängelte sich zu Tai durch, der immer noch wütend in Mimis Richtung schaute.

„Hast du was zu ihr gesagt, oder warum ist sie so plötzlich mit Kari abgehauen?“

„Ich meinte nur zu ihr, dass sie die Finger von Matt lassen soll“, erklärte er in einem ruhigeren Ton, als zuvor bei Mimi.

„Du hast was? Man Tai. Hör auf dich einzumischen!“

„Tut mir leid, aber ich möchte nicht mit ansehen, wie du von Tag zu Tag immer unglücklicher wirst! Und Mimi kann doch jeden haben“, erklärte er und biss sich auf seine Unterlippe.

Sora stöhnte nur genervt auf und verkniff sich jedes weitere Kommentar.

Den beiden war einfach nicht mehr zu helfen.

Und sie brauchte keine Hilfe in Sachen Beziehung.

Besonders keine von Tai. Ihrem Ex.
 


 

„Kannst du mir mal verraten, warum Tai und du euch immer in der Wolle haben müsst? Das ist doch langsam wirklich nicht mehr normal“, meinte Kari verständnislos und folgte der wütenden Mimi in ihr Hotelzimmer.

„Er ist doch selbst dran schuld, wenn er mich immer provozieren muss“, nörgelte Mimi und kramte die Zimmerkarte aus ihrer Tasche.

Genervt steckte sie sie in den Schlitz und öffnete laut stöhnend die Tür.

Kari kam direkt hinterher.

„Ignorier ihn doch einfach! Wenn du dich nicht darüber aufregen würdest, würde er dich auch nicht so nerven“.

„Das ist leichter gesagt als getan“, grummelte die Ältere und zog ihre Schuhe aus und warf sie achtlos auf den Boden. Dann setzte sie sich auf ihr Bett und schmollte, während Kari sie immer noch fragend anstarrte.

„Sag mal ist irgendetwas vorgefallen, von dem ich noch nichts weiß?“

Mimi verschränkte die Finger vor ihrem Mund und atmete lautlos aus.

Wahrscheinlich würde sie es irgendwann sowieso erfahren. Tai war so geladen gewesen, dass sie ihm zutrauen würde, dass er es ihr aus der Wut heraus erzählen würde.

„Ja…da war mal etwas vorgefallen“, gestand sie ihrer Freundin, die sich neben ihr niederließ.

„Und was?“, fragte sie gespannt und spitzte die Ohren.

Mimi druckste etwas herum, begann nach einem lauten Seufzer jedoch zu erzählen. „Es war an Silvester 2005…“.
 


 

„Frohes neues Jahr!“, kreischte Tai in die kleine Runde und knallte seine Bierflasche gegen die von Matt. „Man Tai, hast du wieder zu viel getrunken, oder warum bist du so abgedreht?“, fragte der Blonde als sich ein Teil seines Bieres über ihn ergoss.

„Ach sei doch nicht so ein Spielverderber“, maulte der angetrunkene Yagami. „Es ist Neujahr!“

„Hätte ich jetzt nicht gedacht!“, meldete sich nun auch Mimi zu Wort und blickte aus dem Fenster.

Ein weiterer Feuerwerkskörper zeigte ihnen seine bunte Farbenpracht.

„Warum haben wir die noch mal eingeladen?“

Matt verrollte die Augen. „Weil sie Soras beste Freundin ist?“

„Warum haben wir dich eigentlich eingeladen?“, witzelte Sora und nippte an ihrer Cola.

„Weil ich eine aufregende Persönlichkeit bin!“, verteidigte er sich. „Außerdem hättet ihr ohne mich nur halb so viel Spaß!“

„Mehr oder weniger!“ Mimi wusste immer noch nicht, was sie von dieser Feier halten sollte. Es war ja nett von Sora gewesen, sie mit her zu nehmen, besonders nachdem ihr Freund sie kurz vor Weihnachten abserviert hatte.

Doch mit Tai hielt man es kaum einen Abend aus, ohne ihm fürchterlich eine zu donnern.

Schon nach nur einer Stunde, klatschte sie ihm ihren Drink ins Gesicht, da er sie ihrer Ansicht nach „unsittlich berührt“ hatte.

Sie konnte selbst nicht fassen, dass sie mit ihm befreundet war, geschweige denn ihn schon knapp sechs Jahre kannte.

Mit ihm wurde jeder, absolut jeder Abend, eine reine Katastrophe.

„Sag mal, bist du immer noch so mies drauf?“, fragte er plötzlich und stellte die Bierflasche lautlos auf den Glastisch.

Sora warf ihm einen vielsagenden Blick zu – zu oft hatte sie ihm gesagt, dass er Mimi auf ihre Trennung nicht ansprechen sollte. Allein deswegen war sie doch erst nach Japan gekommen. Sie wollte dem ganzen Trubel entfliehen. Den Kopf frei bekommen. Und dann kam Tai und trampelte wie der Elefant im Porzellanladen auf ihren Gefühlen herum.

Ethan war ihr erster Freund gewesen. Und nach knappen drei Monaten Beziehung ließ er sie einfach für eine andere sitzen, da sie ihn eher ranließ als Mimi.

Eine Demütigung. Grund genug für Mimi das Land zu verlassen.

Sie konnte wirklich nicht verstehen, dass Männer immer gleich so Schwanzfixiert dachten? Gab es keinen Gentleman mehr, der einen auf Händen trug?

„Hey vielleicht solltest du was trinken, dann geht es dir besser!“, japste Tai und hielt ihr die Bierflasche vor die Nase.

Perfektes Negativbeispiel.

Sie schnaufte kurz und blickte ihn provokant an.

„Ich wäre wirklich für ein Trinkspiel. Matt dein Vater muss hier noch ein paar härtere Sachen versteckt haben, als Bier!“

Jedenfalls war es bei ihren Eltern so. Sie hatten immer eine gut gefüllte Minibar im Keller des Hauses.

Matt zuckte unwissend mit den Schultern und dachte offensichtlich nach. „Ich glaube wir haben noch eine Flasche Tequila und vielleicht einen Rest Wodka!“

„Ich als Ältester der Runde kann nicht befürworten, dass hier so ohne weiteres Alkohol konsumiert wird“, meldete sich Joe zu Wort.

Ach ja. Izzy und Joe waren ja auch noch anwesend. Man übersah sie regelrecht, da sie teilnahmslos auf dem Sofa saßen.

„Och kommt schon, dass hier ist eine Silvesterparty und kein Brunch“, meinte Mimi und sah herausfordernd zu Tai, der an seinem Bier nippte.

„Ä-Ähm ja sehe ich auch so. Lasst uns eine Party feiern!“

Na endlich.

Die totgeglaubten Knochen wurden in Schwung gebracht, nachdem Matt die Musik aufdrehte. Mimi hatte derweil den Rest zu Joe und Izzy auf die Couch gelotst.

Sie forderte Matt auf, zwei Würfel zu besorgen, während sie mit Sora, den Alkohol und Becher auf den Couchtisch stellte.

Als Matt wiederkam, erläuterte Mimi die Spielregeln.

„Okay das Spiel heißt Freeman“.

„Mir schwant Böses“, murmelte Joe und wurde prompt von ihr böse angeschaut.

„Es ist ganz einfach. Bei einer sieben muss der rechte Mitspieler etwas trinken, bei einer elf der Linke. Bei einer 10 muss der gegenübersitzende Mitspieler einen Trinken“, erklärte sie und sah provokant zu Tai. „Und bei einem Pasch dürfen die Schlucke verteilt werden!“

„Und warum heißt dieses Spiel Freeman?“, wollte Izzy wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihm waren solche Spiele wirklich nicht Geheuer.

Wahrscheinlich lag es daran, dass er nicht viel vertrug.

„Oh das hätte ich fast vergessen“, kicherte Mimi und ergänzte das Spiel um eine weitere Regel.

„Wer eine drei Würfelt ist der Freeman. Er kann den anderen sozusagen bei betrinken zusehen. Jetzt alles klar?“

Der Rest nickte nur und Mimi begann die Würfel für sich sprechen zu lassen.
 


 

„Okay ihr habt also alle zusammen Silvester gefeiert und weiter? Das wusste ich doch bereits schon. Ich war an diesem Abend zwar bei Yolei, aber Tai hat erzählt, dass er mit euch feiert“.

„Das war leider noch nicht alles“, erklärte ihr Mimi und ließ sich rücklinks aufs Bett fallen.

Sie schlug die Hände vor ihrem Gesicht zusammen und brabbelte etwas Unverständliches in ihre Handflächen.

„Kannst du das nochmal wiederholen? Ich hab dich nicht verstanden“, bat Hikari sie und piekte ihr in die Seite.

Mimi setzte sich schwungvoll wieder auf, schaute kurz zu Hikari, wand aber genauso schnell ihren Blick wieder von ihr.

„Tai und ich sind uns an diesem Abend näher gekommen“.

„Was? Nicht dein ernst? Ihr habt rumgeknutscht?“

Schön wär´s...

„Auch“, flüsterte sie und wurde prompt knallrot. Kari deutete ihren Blick sofort.

„Nein! DU und Tai?“

„Zu meiner Verteidigung, ich war nach dem Spiel wirklich betrunken“, beteuerte sie und ließ die Schultern hängen.

„Wie kam es denn dazu?“, fragte Kari misstrauisch.

Das hatte sie wirklich nie von Mimi erwartet. Sie dachte immer, dass Michael ihr erstes Mal war. Immer wenn sie Mimi daran fragte, gab sie ihr die gleiche Antwort.

Sie könnte sich doch denken, wer es war. Kari hatte deswegen immer auf Michael getippt. Ihr Bruder war ihr sicherlich nie in den Sinn gekommen.

Mimi presste die Lippen aufeinander und setzte ihre Geschichte fort.
 


 

Einige Runden später, waren nur noch Mimi und Tai im Spiel. Der Rest hatte sich im Raum verteilt. Während Izzy sich im Bad übergab und Sora im Sekunden Takt an die Badezimmertür klopfte, hatte sich Joe zu Matt auf den Balkon begeben.

Matt rauchte genüsslich seine Zigarette, während Joe immer wieder die Arme ausbreitete und „Ich bin frei“ durch die Gegend rief.

„Wir sollten das Spiel interessanter gestalten“, meinte Tai auf einmal und grinste.

Mimi wurde allmählich immer heißer. Der Alkohol breitete sich spürbar aus.

„Okay schieß los?“ Sie rollte das S und hickste zweimal.

„Man Joe! Du Idiot, du hast keine Flügel. Jetzt lass das gefälligst!“, hörte man Matt fluchen.

„Aber ich bin so frei. Sooo frei“, sang er vor sich hin und auch Tai und Mimi wurden kurz abgelenkt.

Doch schnell kamen beide zum eigentlichen Thema zurück.

Tai grinste noch immer und starrte Mimi ganz unverblümt auf ihre Brüste.

„Wenn du zuerst rausfliegst, bekomme ich deinen BH!“, eröffnete er ihr, ohne rot zu werden.

Mimi lachte leise und ihre Wangen färben sich leicht rosa. „Und was ist, wenn ich gewinne?“

„Denk dir was aus, Prinzessin!“

„Mhm. Wenn ich gewinne...“, sie überlegte kurz und nahm eine Denkerpose ein.

Mit zwei Fingern fuhr sie sich immer wieder über ihr Kinn, bis sie ein Geistesblitz traf.

„Wenn ich gewinne, musst du mich küssen. Mit Zunge!“

„Dann musst du mir aber deine Brüste zeigen! Nur der BH ist etwas wenig!“

„Hey du darfst ihn behalten und all deinen Primaten von Freunden zeigen. Ist doch Paradise genug, meinst du nicht?“, konterte sie schlagfertig und zog ihre linke Augenbraue in die Höhe.

„Gut, aber nur wenn der Kuss weniger als eine Minute dauert!“

„Abgemacht!“, sagte sie und würfelte.

Es dauerte eine Zeit bis der Sieger Letzen endlich feststand.

Sora war mittlerweile gemeinsam mit Izzy im Bad und half ihm allmählich wieder auf die Beine.

Matt war einfach nur noch genervt und hoffte, dass alle bald aus der Wohnung verschwanden. Besonders Joe, der sich so frei wie ein Vogel fühlte, ging ihm mehr und mehr auf den Zeiger.

Er hatte sich am Geländer des Balkons festgekrallt und weigerte sich das Wohnzimmer zu betreten. Für Matt ein Grund, noch eine zu rauchen.

„Gewonnen!“, brüllte Mimi auf einmal durch die Wohnung und zeigte mit dem Finger auf Tai.

Dieser verrollte die Augen und ließ sich sachte auf den Boden fallen.

„Schluck das Yagami!“, sagte sie überheblich und tänzelte durch die Wohnung.

„Okay lass es uns hinter uns bringen!“, forderte er trotz seines angetrunkenen Zustandes dringlich. Mimi blieb plötzlich stehen und sah ihn entgeistert an. Hatte er das vorhin wirklich ernst gemeint?

„Was? Jetzt echt? Hier? Nein!“

Tai griff sich an den Kopf und merkte das unregelmäßige Schmerzen sich in seinem Schädel breit machten.

Immer wenn er mit Mimi zusammen war, bekam er diese Kopfschmerzattacken. Wahrscheinlich tat sie ihm einfach nicht gut. Aber sein Versprechen würde er trotzdem einhalten.

Sie hatte gewonnen. Er hatte verloren.

„Wir können auch rausgehen!“, knurrte er grimmig. Er konnte es nicht fassen, dass es ihr anscheinend peinlich war, ihn vor ihren Freunden zu küssen. Aber was sollte man schon von einem Prinzesschen wie ihr erwarten?

Er stand auf und nahm ihre Hand.

„Wir gehen mal kurz frische Luft schnappen“, rief er Matt zu, der damit beschäftigt war, Joe von seinen Beinen loszubekommen.

Verdattert folgte ihm Mimi nach draußen. Er konnte es nicht ernst meinen.

Bestimmt verarschte er sie nur. Wie jedes Mal.

Sie gingen ein Stück, bis Taichi abrupt stehen blieb und sich zu ihr drehte.

„Okay dann lass es uns hinter uns bringen!“

„Du musst das nicht machen. Es war doch nur ein Spiel!“, erinnerte sie ihn hartnäckig daran.

Irgendwie machte sie es nervös, ihn so nah vor sich stehen zu haben.

Sie war noch nicht bereit dafür einen anderen zu küssen.

Dennoch fragte sie sich, wie es war Taichi Yagami zu küssen.

Ob seine Lippen weich waren?

„Kneifen ist nicht, Süße“, erwiderte er und kam ihr näher. Mimis Herz begann plötzlich gegen ihre Brust zu pochen, als er sich zu ihr hinunterbückte.

Es fehlten nur wenige Zentimeter. Der Duft seines Parfums stieg ihr in die Nase und kitzelte sie leicht. Sie schauten sich tief in die Augen, als er seine Lippen auf ihre legte.

Es war fast wie ein Blitz, der durch ihre Körper fuhr.

Beide konnten dieses Gefühl schlecht beschreiben. Es war einfach anders.

Sowohl Mimi als auch Tai hatten schon mit anderen rumgeknutscht, doch als seine Zunge um Einlass bat und sie ihm diesen gewährte, veränderte es alles um sie herum.

Es war wild.

Fast wie ein Duell, dass sich beide lieferten.

Die Minute war schon längst herum, als beide voneinander abließen und sich perplex in die Augen starrten.

„Wow“, waren die einzigen Worte, die beide zu Stande brachten.

Auf seinen Lippen glitzerte immer noch ihr Lipgloss und sie musste sich wirklich zügeln, um nicht gleich wieder über ihn herzufallen.

Sie biss sich auf die Unterlippe und schaute zu Boden.

Tai schaute auf sie herab und fuhr mit seinem Finger ihre Wange entlang.

Eine leichte Gänsehaut bildete sich und ihr Verstand hatte keine Kontrolle mehr über ihren Körper.

Sie sah zu ihm hoch und kaum trafen sich ihre Augen, legte sie ihre Lippen wieder auf die Seinigen.
 


 

„Es war also eine dumme Wette?“ Eigentlich hätte Kari es sich gleich denken können.

Nur ihr Bruder und Mimi kamen auf so bescheuerte Ideen.

Dennoch fragte sie sich, wie aus der Knutscherei auf einmal mehr wurde.

„Und was ist dann passiert?“

Mimi lächelte schwach und drehte das Ende einer langen Haarsträhne immer wieder um ihren Finger.

Ihr wurde bewusst, dass sie selbst ihrer besten Freundin Sora damals eine andere Geschichte aufgetischt hatte.

Sie hatte ihr zwar erzählt, dass Tai und sie bei ihm rumgemacht hatten, aber nicht das sie mit ihm geschlafen hatte.

„Ich denke, dass wir irgendwann zu weit gegangen sind“.
 


 

Sie wusste nicht, wie sie es zu ihm nach Hause geschafft hatten. Doch er hatte sie gegen die Hauswand gepresst und küsste sie hungrig, während er mit einer Hand versuchte seinen Schlüssel hervor zu kramen.

Mimi erinnerte sich dunkel dran, dass seine Eltern und seine Schwester heute nicht zu Hause waren.

Klar es war Silvester.

Zu Hause feierten wahrscheinlich nur Rentner und Menschen, die keine sozialen Kontakte hatten.

Nachdem er endlich den Schlüssel gefunden hatte und die Tür aufschloss, tänzelten beide den Flur entlang.

Er ließ kurz von ihr ab um sich seinen Schuhen zu entledigen, während sie ihn immer noch lustverschleiert anschaute.

Mimi wusste wirklich nicht, was mit ihr los war. Mit Ethan weigerte sie sich, über die zweite Base zu gehen, während sie mit Tai möglicherweise schon an der Dritten angekommen war.

Alles war verschleiert und wirr, so als befände sie sich im Nebel.

Erst als Tai seine Lippen wieder auf ihre legte, fand sie wieder zurück in diesen lieblichen Rausch der Erregtheit.

Er nahm sie hoch und drückte die Tür zu seinem Zimmer auf, die er nachdem sie darin verschwunden waren, mit einem lauten Knall zuschlug.

Er legte sie auf seinem Bett ab und stützte sich über sie, während er ihr langsam den Hals hinunter küsste.

Sie stöhnte leise und versuchte zwanghaft aus diesem erregten Zustand wieder aufzuwachen, was ihr nicht sonderlich gut gelang. Zu sehr brachte er sie mit seinen Küssen um den Verstand.

Erst als er an ihrem Kleid mit Reisverschlusses spielte, holte sie die Realität ein.

Sachte schob sie ihn ein Stück von sich weg und atmete schwer aus.

„Stimmt was nicht?“, fragte er immer noch leicht lallend und grinste sie frech an.

Sie atmete immer noch hektisch und versuchte sich wieder einigermaßen zu beruhigen.

Das ging ihr alles zu schnell, auch wenn es ihr sehr gefiel.

So wollte sie sicher nicht ihre Jungfräulichkeit verlieren.

Und ganz sicher auch nicht an Tai.

Ihr Nüchternes Ich würde ihr am nächsten Morgen sicher die Hölle heiß machen. Doch wieso musste sich so etwas Falsches nur so richtig anfühlen?

Sie verstand ihre Hormone nicht.

Nachdem sie ihm nicht geantwortet hatte, legte er sich frustriert neben sie und hielt sich den Arm vor die Augen.

Er war deutlich erregt, etwas was Mimi nicht entgangen war. Wahrscheinlich für ihn eine wahrhaftige Folter. Wieso musste sich ihr Gewissen immer in solchen Momenten melden?

Insgeheim wollte sie doch selbst wissen, wie es sich anfühlte.

Sich darüber Gedanken zu machen, war wirklich nur hinderlich. Sie sollte nicht darüber nachdenken. Sie sollte es einfach machen. Jungfrau hin oder her.

Dieser plötzliche Kick, der durch ihren Körper strömte, verleitete sie dazu seinen Hals zu küssen und mit ihrer Hand immer weiter hinunter zu wandern, sodass er sie zuerst leicht verwirrt anstarrte, aber dann ihre Berührungen mehr als genoss.

Sie lag auf ihm, als er sich wieder an ihrem Kleid zu schaffen machte. Diesmal schaffte er es zu öffnen und ihre Träger glitten ihre Schultern hinunter.

„Nicht nachdenken, einfach machen“, sagte sie zu sich selbst und ergriff die Initiative.

Sie rollte sich ab und setzte sich neben ihn, um sich leichter das Kleid ausziehen zu können.

Tai machte große Augen, als sie auf einmal nur noch in Unterwäsche vor ihm saß und er sie mit voller Montur anlächelte.

„Das ist nicht gerade fair. Ich sitze hier in Unterwäsche und du…“, sagte sie verführerisch und auch er begann sich allmählich auszuziehen. Sein T-Shirt landete mit samt seiner Hose irgendwo gemeinsam mit Mimis Kleid auf dem Boden.

Jetzt war die Chancengleichheit wieder hergestellt.

Sie blickte ihn kurz an und fuhr mit ihrer Hand über seinen gutgebauten Oberkörper.

Doch er konnte nicht mehr länger warten. Tai zog sie näher an sich heran und küsste sie leidenschaftlich.

Unbeholfen hantierte er an ihrem BH und bekam ihn einfach nicht auf.

„Blödes Ding“, zischte er. Wieder löste sie sich abrupt von ihm und schaute ihn wissend an.

„Du bist noch Jungfrau oder?“

„Ist das so offensichtlich?“, fragte er zurück und wand sich peinlich berührt von ihr ab.

„Ein wenig“, kicherte sie und drehte seinen Kopf wieder in ihre Richtung. „Aber ich mir geht’s genauso“. Sie nahm ihre Hände hinter den Rücken und öffnete ihren BH und ließ ihn langsam nach vorne gleiten.

Tais Gesicht daraufhin war einfach einmalig gewesen.

Er war definitiv noch Jungfrau.

So fasziniert, wie er auf ihre nackten Brüste glotzte.

Es war einfach eindeutig.

„Okay jetzt du“, forderte sie ihn auf. Perplex starrte er sie an und brachte nur ein stotterndes „Was?“ hervor.

Doch Mimi sah eindeutig zu dem letzten Stück Stoff, dass ihn von der kompletten Nacktheit trennte. „Du bist ganz schön versaut“, sagte er.

Auch sie hatte nur noch ihre Unterhose an, die aus pinken Spitzenstoff bestand.

„Ich wäre dafür, dass wir es beide gleichzeitig tun. Also die Hose ausziehen!“

Mimi zuckte nur mit den Achseln. Er hatte bereits ihre Brüste gesehen, was hatte sie also noch zu verlieren?

„Na dann mal los!“, sagte sie und warf das letzte Stück Stoff zu Boden. Auch Tai hatte sich seiner Unterhose entledigt.

Mimi zog ihn wieder näher an sich und küsste ihn. Ihre Zunge glitt in seine Mundhöhle und traf auf seine, die sich wieder einen wilden Kampf lieferten.

Sie legte sich auf den Rücken, während er versuchte das Kondom überzuziehen.

Es war schwieriger als gedacht, auch wenn sich Tai an den Bio-Unterricht der neunten Klasse zurückerinnerte. Damals hatten sie es an einer Banane versucht.

Ist wohl einfacher als am Lebenden Objekt.

Doch mit ein wenig Geduld schaffte er auch diese Hürde und beugte sich über Mimi.

„Tu mir ja nicht weh“, ermahnte sie ihn und zuckte zusammen als er ihr näherkam.

„Das wird schon Prinzessin!“, erwiderte er und positionierte sich.

Mimi hielt die Luft an. Eine Mischung aus Erregung und Nervosität machten sich in ihrem Körper bereit, bis er langsam und sachte in sie eindrang.

Sie verfestigte ihren Griff hinter seinem Nacken, nachdem sie einen leichten Schmerz spürte, der sich schnell wieder verzog.

Doch Tai hatte ihre Anspannung bemerkt und hielt für einen kurzen Moment inne.

„Geht’s dir gut?“, fragte er sie besorgt und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.

Mimi nickte nur und sagte, dass er sich bewegen konnte.

Sie hatte kein Zeitgefühl und hatte auch nicht die Gelegenheit auf die Uhr zu schauten, doch sie hatte, dass Gefühl, dass es nur wenige Sekunden dauerte, bis er sich erschöpft neben sie legte.

„Das war’s? Ich habe gar nichts gespürt“, dachte sie und schaute enttäuscht zu Taichi, der immer noch schwer atmete.

Er kam wohl voll und ganz auf seine Kosten.

Scheiße das Frauen es schwerer hatten einen Orgasmus zu bekommen.

Scheiße das er es gar nicht bemerkte.

Sie stöhnte enttäuscht, sodass es Tai prompt mitbekam. Er rollte sich zu ihr und küsste sie wieder.

„Was soll das? Ich dachte du bist fertig?“, fragte sie irritiert und entzog sich seinen Küssen.

„Ja bin ich. Du aber nicht“, sagte er lachend und küsste ihren Bauch entlang.

„Was machst du da?“, wollte sie wissen, bevor sie wieder in den Rausch der Leidenschaft verfiel.
 


 

„Es war wirklich der beste Orgasmus den ich je hatte“, meinte sie plötzlich, als sie merkte das Karis Gesicht entgleiste.

„Oh Gott“, krächzte sie hervor.

Wahrscheinlich hatte sie es sich gerade wirklich bildlich vorgestellt. Sie schüttelte immer wieder den Kopf, um die Bilder wieder loszuwerden.

„Ich fass es nicht. Du hast mit meinem Bruder geschlafen“.

„Ich habe es wirklich nicht geplant gehabt. Und leider erinnere ich mich auch nur Bruchstückhaft an alles“, machte sie verständlich und spielte immer noch an ihrem Haar.

„Aber das mit dem Orgasmus weißt du noch? Dein Gedächtnis sollte man mal haben“, konterte sie augenverdrehend.

„Naja was soll ich sagen...dafür das es mit Taichi war, war es nicht schlecht“, gestand sie sich ein, auch wenn sie sonst immer das Gegenteil behaupten würde.

„Das waren wirklich zu viele Informationen für einen Tag...aber Moment. Warum hasst ihr euch jetzt förmlich?“

Mimi lächelte gequält.

„Das ist ganz einfach“, begann sie geheimnisvoll. „Ich bin am nächsten Tag einfach abgehauen, bevor er aufgewacht ist“.
 


 

Der nächste Morgen kam zusammen mit einem gewaltigen Kater, der auf ihren Schädel drückte. Es war noch relativ früh. Die Sonne schien gerade erst aufgegangen zu sein.

Sie bewegte sich langsam und bemerkte schnell, dass sie sich nicht in Soras Zimmer befand.

„Was zum…“, murmelte sie und richtete sich auf. In ihrem Kopf hämmerte es gewaltig.

Was war gestern Nacht nur passiert?

Plötzlich bemerkte sie, dass sich neben ihr jemand regte. Erschrocken sah sie neben sich und erkannte Tai gleich an seiner voluminösen Frisur.

„Scheiße“, fluchte sie leise und schaute unter die Bettdecke.

Beide waren eindeutig nackt.

Und dunkel, wirklich dunkel, erinnerte sie sich an kurze Szenen, die gestern Abend anscheinend wirklich passiert waren. Sie hatte doch keinen wilden Traum gehabt.

Sie hatte tatsächlich mit ihm geschlafen.

„So ein verdammter Mist!“

Wer hatte hier das sagen? Ihr Kopf oder ihre Vagina?

Im Moment war sie sich wirklich nicht sicher gewesen.

Sie war dumm. Hoffentlich hatten sie wenigstens anständig verhütet, ein Balg wollte sie mit sechszehn ganz sicher nicht an der Backe haben.

Mimi zog sich die Bettdecke vor die Brust und suchte mit den Augen ihre Wäsche zusammen. Boxershorts. Slip. T-Shirt. BH. Kondom. Kleid.

Sie blickte zuerst verwirrt drein, war aber doch ganz schön erleichtert gewesen, dass sie anscheinend noch alle beisammen hatten, um wenigstens anständig zu verhüten.

Pluspunkt für Taichi.

Taichi!

Wenn er aufwachen würde, wollte er mit ihr bestimmt darüber reden.

Einfach es im Raum stehen zu lassen, war nicht sein Ding.

Sie musste wirklich verschwinden bevor er aufwachte.

Langsam stand sie auf und schnappte sich zuerst ihren Slip und ihren BH, die sie gleich daraufhin anzog. Dann folgte nur noch das Kleid. Okay und ihre…

„Verdammt, wo sind meine Schuhe?“

Sie suchte auf dem Boden herum, fand aber nur Tais Anziehsachen und das benutzte Kondom.

Hatte der Kerl keinen Mülleimer? Das war ja widerlich es einfach so liegen zu lassen.

Okay. Zurück zum eigentlichen Thema.

Wo waren ihre Schuhe?

Wenn sie nicht hier waren, mussten sie im Flur sein, genauso wie ihre Tasche, die sie auch nirgends in seinem Zimmer finden konnte.

Leise öffnete Mimi die Tür und hoffte, dass Tai durch das Quietschen nicht geweckt werden würde.

Sie hatte Glück.

Doppelt sogar.

Draußen fand sie ihre Schuhe und ihre Tasche.

Jetzt musste sie nur noch durch die Haustür gehen und dann könnte sie so tun als wäre es niemals passiert. Obwohl sie sich auch nicht so recht zu erinnern schien. Toll da war man keine Jungfrau mehr und dann sowas.

Auf Zehenspitzen schlich sie sich raus und zog ihre Schuhe erst vor der Tür wieder an.

Dann rannte sie die Treppen des Mehrfamilienhauses hinunter und hoffte das Sora nicht allzu vielen Fragen stellen würde.

Doch ihr Handy signalisierte ihr das Gegenteil.

„Sag mal wann gedenken Tai und du wieder zu kommen?“

Sie stöhnte und öffnete die nächste.

„Matt und ich bringen Joe und Kotzi nach Hause. Wo bist du?“

Mimi stöhnte noch lauter. Wieso hatte sie gestern nur so viel getrunken?

„Ich bin jetzt zu Hause. Wo zum Teufel bist du? Ich habe dich schon drei Mal angerufen!“

Insgesamt war es sogar fünf Mal. Nach vier Uhr hatte sie schließlich die Hoffnung aufgegeben. Ihre letzte SMS hingegen war sehr deutlich.

„Ich kann dich nicht erreichen. Ich kann Tai nicht erreichen. Ich hoffe du hast eine verdammt gute Ausrede, wenn du irgendwann wieder gedenkst aufzutauchen!“

Scheiße.

Wie konnte man nur so bescheuert sein? Diese dämlichen Hormone.
 


 

„Habt ihr danach nie über darüber geredet?“, wollte Hikari wissen und beäugte sie kritisch.

„Ich bin ihm vor meiner Abreise aus dem Weg gegangen und danach ist es irgendwie untergegangen“.

„Okay. Nochmal zu mitschreiben. Tai war dein erstes Mal und du seins?“

Mimi nickte nur knapp – immer noch mit deutlichem Rotschimmer um die Nase.

„Kein Wunder, dass eure Beziehung so verkorkst ist“, stellte die junge Yagami unverblümt in den Raum. „Tai lässt solche Sachen nie im Raum stehen“.

„Ich weiß, deswegen bin ich auch abgehauen“.

„Aber wieso? Vor was hattest du Angst?“

„Vor den Nachwirkungen“, jammerte sie und ließ sich wieder aufs Bett fallen. „Außerdem war er, als ich das nächste Mal kam, bereits mit Sora zusammen. Wie hätte ich mit ihm darüber reden sollen?“

Eine schwierige Situation.

Das musste selbst Hikari zugeben. Doch darüber hinweg zu schweigen half auch nichts – das sah sie ja an ihrer eigenen Situation.

Obwohl sie es hier besser fand, nichts zu sagen, da sie Mimi dadurch sehr verletzen würde.

Hätten Tai und Mimi jedoch darüber geredet nachdem es passierte, hätte es sicher nicht solche Probleme gegeben und ihre Beziehung zueinander wäre sicherlich nicht so kompliziert wie jetzt.

„Aber das kann doch nicht ewig so weiter gehen“, kommentiert Hikari nachdenklich.

„Ach das ist doch alles Scheiße“, knurrte Mimi und erhob sich vom Bett. „Ich werde mich ab heute einfach nicht mehr von ihm ärgern lassen. Die Zeiten sind vorbei!“

Kari runzelte die Stirn und schaute sie skeptisch an.

Vielleicht hielt es einen Tag an, danach würden sie sich eh wieder in den Haaren liegen.

Kari kannte sowohl ihren Bruder, als auch Mimi gut genug, um zu wissen, dass es nur schief gehen konnte.

„Ach ja, das Beste habe ich dir ja noch gar nicht erzählt“, begann sie diesmal recht freudig.

„Okay? Was habe ich denn noch alles verpasst?“

„Matt hat mich um ein Date gebeten“, eröffnete sie freudestrahlend, während Hikaris Gesicht kreideweiß wurde.
 


 

Sie liefen schweigend nebeneinander her. Er hatte darauf bestanden sie nach Hause zu bringen, während Matt und Izzy bereits vorgegangen waren.

Es herrschte eine unangenehme Stille, die keiner der beiden so recht unterbrechen wollte.

Sora konnte immer noch nicht fassen, dass Tai Mimi gesagt hatte, sie solle sich von Matt fernhalten. Das klang besonders bezüglich ihrer Vergangenheit sehr seltsam.

„Ich finde du hättest das nicht machen dürfen“, unterbrach sie die quälende Stille.

Tai schaute sie an und zuckte nur unsicher mit den Schultern.

„Ja ich weiß. Das war dumm. Sie hat sogar schon gedacht ich wäre eifersüchtig“.

„Hätte ich an ihrer Stelle auch gedacht“, kicherte sie leise und vergrub sich noch ein bisschen mehr in ihre Jacke. Allmählich wurde es wirklich frisch. „Du bist aber nicht eifersüchtig oder?“

„NEIN! Wie kommst du darauf?“, wollte er empört wissen.

„Naja sie war immerhin deine Erste“, sagte sie ruhig und grinste ihn verschwörerisch an.

Mimi hatte ihr damals eine äußerst seltsame Geschichte versucht glaubhaft aufzutischen.

Doch sie hatte ihre Version, in der sie nur rumgemacht und bei ihm einschlafen waren, nie geglaubt.

Erst später, erfuhr sie von Tai persönlich, dass er mit ihr geschlafen hatte.

„Man Sora, das spielt doch gar keine Rolle“, erwiderte er mit einem Rotschimmer um die Nase.

Damals als es ernster zwischen den beiden wurde, hatten sie viele Gespräche über das erste Mal geführt.

Sora war noch Jungfrau gewesen. Tai hätte ihr selbstverständlich alles erzählen können, aber er entschied sich für die Wahrheit.

Er wollte sie nicht belügen, besonders weil sie zu diesem Zeitpunkt seine Freundin war, die er über alles liebte. Dennoch war Sora etwas gekränkt, das Mimi es ihr nie erzählt hatte.

Es blieb ein Geheimnis unter den Dreien, auch wenn Mimi nicht wusste, dass es Sora wusste.

Auch Matt hatte Tai nie etwas von seinem ersten Mal mit Mimi erzählt.

Er ging immer davon aus, er habe es mit Sora erlebt. Tai wusste auch nicht, warum er ein so großes Geheimnis daraus machte.

Wahrscheinlich lag es daran, dass sie am nächsten Morgen einfach abgehauen war.

Etwas was ihn sehr verletzte, auch wenn er es niemals vor jemandem zu geben würde.

„Sicher, dass es dir nichts ausmacht? Du warst wirklich sehr…aufgebracht“.

„Ja aber das hatte damit gar nichts zu tun. Sie bringt mich einfach auf die Palme“, knurrte er und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Ich hoffe, dass sie bald wieder weg ist“.

„Tai, komm schon. Sie ist immer noch unsere Freundin“.

„Ach echt? Dir macht es also nichts aus, dass sie mit Matt ausgeht?“

„Das habe ich nicht gesagt“, raunte sie und kaute auf ihrer Unterlippe herum. „Aber wenn er gerne mit ihr ausgehen möchte, kann ich es auch nicht ändern“.

Er blickte sie verständnislos an, zog seine Augenbraue diagonal nach oben und stöhnte.

„Deine Nerven würde ich gerne mal haben“, scherzte er und blickte in den Nachthimmel.

Er hoffte sehr, dass das alles nicht in einem fürchterlichen Chaos endete.

Er traute Mimi in dieser Beziehung nicht.

Und Matt schon gar nicht.

Doch was sollte er machen?

Er konnte doch nicht immer alles in Ordnung bringen…
 

Fortsetzung folgt...

Vergangenheitsorientiert.


 

It was my past life, a beautiful time.

The Harold Song, Animal/Cannibal. Ke$ha, 2010.
 


 

03. Juni 2010. Odaiba, Japan. Hotelzimmer.
 

Sie beobachtete sie vom Bett aus.

Mimi steckte sich gerade ihr Pony zurück und zupfte an ihrem pinken Kleid, als Kari leise aufstöhnte.

Da hatte sie tatsächlich ein Date mit Matt.

Sie konnte es wirklich nicht fassen.

Er hatte sie all die Jahre wohl doch nur als eine Art Schwester wahrgenommen. Auch sie hatte sich schon vor Amerika in hübsche Kleider gezwängt, in denen sie sich meist gar nicht wohlfühlte.

Nie hatte er sie um ein Date gebeten.

Und kaum war Mimi hier, drehten bei ihm die Hormone durch.

Hikari hatte es noch nicht mal mitbekommen.

Erst nach der Entjungferungssache mit ihrem Bruder, hatte sie das Date ganz beiläufig erwähnt.

Sie fragte sich, wie weit sie heute gehen würde…

Mit ihrem Bruder war sie ja auch nach einem feucht-fröhlichen Abend im Bett gelandet. Niemand konnte ihr garantieren, dass es bei Matt anders sein würde.

Warum bekam sie einfach alles und jeden?

Sie verstand es nicht...

Was war an Mimi nur so besonders, dass selbst ihr eigener Bruder auf sie reinfiel?

Von Tai hätte sie sowas nie erwartet und trotzdem war es passiert.

„Was haben Matt und du heute so geplant?“, fragte sie unsicher und zupfte am Saum ihrer Bettwäsche.

Mimi unterbrach ihr fröhliches Gesumme und drehte sich mit einem freudigen Gesicht zu ihrer Freundin.

„Wir wollen etwas essen gehen und danach entscheiden, wo wir noch hingehen wollen“.

„Okay“, antwortete sie kleinlaut und sah zu ihrer Decke.

Mimi drehte sich wieder zum Spiegel und beobachtete sie wortlos.

Manchmal würde sie gerne wissen, was in ihrem Kopf alles vorging. Sie konnte ihren Gedankengängen nur noch sehr schwer folgen.

Seit sie in Amerika war, hatte sie sich sehr verändert. So kannte sie die gute Kari gar nicht.

Sie war immer lieb und zuvorkommend gewesen und in Amerika betrank sie sich und schlief mit einem völlig Fremden.

Das passte nicht zu ihr. Doch irgendwie traute sie sich auch nicht zu fragen, woher ihr Sinneswandel rührte. Manchmal dachte sie sogar, dass sie selbst daran schuld sei.

Mimi und Kari hingen im letzten Jahr fast immer aufeinander und Mimi wusste, dass sie nicht unbedingt immer ein gutes Vorbild war.

Vielleicht hatte sie auch nur Angst zu fragen, weil sie insgeheim wusste, dass sie auch Grund ihrer Veränderung war.

Kari hingegen schwirrte immer wieder der Gedanke, wie sich Matt und Mimi küssten, durch ihren Kopf.

Es widerte sie an.

Warum?

Warum musste sie immer nur so ein Pech mit den Kerlen haben? Warum konnte sie sich nicht in jemanden verlieben, der sie auch mochte? Warum musste es immer gleich in einem riesen Drama enden?

Sie verdammte den Tag, an dem sie sich in Matt verliebte...
 


 

Es war anfangs dieses nervige Kribbeln gewesen, das sie in ihrem Bauch spürte, als er anwesend war. Sie hatte sich nichts dabei gedacht, bis es immer häufiger wurde.

Die damals 15-Jährige Kari war mit ihren Gefühlen für den besten Freund ihres Bruders heillos überfordert gewesen.

Sie kannte ihn schon seit Jahren. Er war immer für sie da gewesen, war sozusagen ihr zweiter großer Bruder, der sie allerdings nicht so nervte wie der Echte.

Außerdem war er der Bruder ihres besten Freundes, den sie ebenfalls schon eine Ewigkeit kannte. Viele dachten immer, dass sie und Takeru das perfekte Paar abgeben würden, aber sie fand ihre Beziehung viel zu süß und unschuldig, um es eine Romanze nennen zu können.

Es fehlte etwas.

Es war dieser bekannte Funke, der einfach nicht bei ihr übersprang.

Sie mochte TK. Aber nur rein platonisch.

Bei Matt sah die Sache plötzlich ganz anderes aus.

Er hatte sie öfters zu seinen Konzerten eingeladen und auch sonst verbrachten die vier Geschwister viel Zeit miteinander, auch wenn meist Tai und Matt und sie und Takeru eine Einheit bildeten.

Sie hätte nie gedacht, dass sie sich in ihn verlieben würde.

Doch dann traf sie die Erkenntnis, wie ein Schlag ins Gesicht.

Tai, Takeru und sie befanden sich auf einem seiner Konzerte. Seine Band wurde allmählich immer bekannter und auch die Hallen waren im Vergleich zu früher um einiges voller.

Matt spielte auf seiner Gitarre und wirkte so unglaublich faszinierend auf sie.

Musik war seine Leidenschaft. Er liebte sie, genauso sehr wie Kari das Tanzen liebte.

Eine eindringliche Melodie spielte und er setzte sich nah an das Mikrophone. Seine Augen schauten direkt zu seinen Freunden und fixierten Hikari für einen kurzen Moment.

Ein Moment der alles änderte.

Dann konzentrierte er sich ganz auf sein Gitarrenspiel und begann zu singen.
 

There are no words, yeah I swear this much is true,

there ain't a word in this world that describes you
 

Sie war dabei gewesen, als er diesen Song geschrieben hatte.

Er meinte zu ihr, er habe ihn für ein Mädchen geschrieben, dass er sehr mochte, aber nie die Gelegenheit hatte, ihr seine Gefühle zu gestehen.

Für einen Moment dachte Kari daran, wie es wäre, wenn sie dieses Mädchen sein könnte.

Ihr Herz machte auf einmal einen Sprung und auch ihre Augen fingen an zu funkeln.

Es war der Moment.

Ein Lied. Es stinknormales Lied hatte sie dazu gebracht, Matt in einem anderen Licht zu sehen – auch wenn sie wusste, dass ihre Gefühle wohlmöglich nicht von Dauer sein würden.

Sie war schon öfters verknallt gewesen und meist verlor sie diese Art von Gefühlen schnell wieder, wenn sie merkte, dass es nichts werden würde.

Dafür kannten sie sich schon zu lange und außerdem war er der beste Freund von Tai und der Bruder ihres besten Freundes Takeru.

Ganz klar, dass ihre Gefühle hier falsch am Platz waren.

Doch sie war sich sicher, dass sie bald wieder verschwinden würden.

Es war nur eine Frage der Zeit.
 


 

Kari ging gedankenverloren durch die Straßen, bis sie bei dem alten Spielplatz ankam, dort wo die vier Geschwister als Kinder immer häufig gespielt hatten.

Mimi war bereits zu ihrem Date aufgebrochen und Kari wollte nicht im Hotelzimmer versauern.

Sie setzte sich auf eine Schaukel und hörte das Knarren der alten Ketten, die mal wieder geölt werden müssten.

Sie erinnerte sich noch gut an die Zeit zurück, als ihre Gefühle für Matt begannen.

Hikari hatte immer gehofft, dass sie wieder verschwinden würden.

Doch dem war nicht so. Egal was sie auch versuchte.

Sie wurden immer stärker und unerträglicher für sie. Bei Matt hätte sie nie eine Chance gehabt, dass wusste sie, auch ohne ihm ihre Gefühle je gestanden zu haben.

Schon auf der High School war er dafür bekannt gewesen, es mit keiner so richtig ernst zu meinen. Tai hatte immer behauptet, es läge an seiner Familiensituation, die ihn einfach zu sehr geschädigt hatte.

Kari hatte immer gedacht, dass er einfach noch nicht die Richtige gefunden habe und sich deswegen noch etwas ausprobiert. Sie nahm es ihm daher auch nicht übel, auch wenn es sie verletzte, wenn er auf dem Schulhof mit jeder X-beliebigen rummachte.

Er konnte ja nichts für ihre bescheuerten Gefühle.

Kari redete sich ein, dass es sich ändern würde, wenn sie selbst einen Freund hätte. Doch sie hätte nicht gedacht, dass ihre Idee so nach hinten losgehen würde.

Sie hatte so viele Menschen verletzt, weil sie einfach nicht nachgedacht hatte.

Aber sie war erst fünfzehn und wollte ihre Gefühle für Matt einfach nur loswerden.

Deswegen kam es zu der Geschichte mit Davis.

Sie erinnerte sich noch gut an den Tag, als sie ihrem besten Freund von der Beziehung mit ihm erzählte.
 


 

„Wie du bist jetzt mit Davis zusammen? Wann ist das denn passiert?“, fragte er aufgebracht und knallte die etwas angebrannte Lasagne auf den Tisch.

Er zog sich die Tophandschuhe aus und musterte sie so, als wäre sie wahnsinnig geworden.

Sie konnte es sich doch selbst nicht erklären.

Doch Davis baggerte schon seit er elf Jahre alt war an ihr herum und sie wollte ihm einfach mal eine Chance geben. Deswegen hatte sie seine Kinoeinladung auch diesmal angenommen.

Und während der Zeit mit Davis musste sie wirklich kein einziges Mal an Matt denken.

Deswegen gingen sie fast die ganze letzte Woche über aus.

Geküsst hatten sie sich auch schon, auch wenn Kari es nicht besonders aufregend fand.

Ihre Freundinnen schwärmten immer von ihrem ersten Kuss, doch für Hikari war es wirklich nichts Besonderes gewesen.

Es war halt sehr feucht, aber so spannend war es auch wieder nicht.

Vielleicht hatte sie auch etwas falsch gemacht.

Aber Davis half ihr dabei, die Gefühle für Matt zu vergessen und sie hatten schließlich beide etwas davon.

Davis hatte die Beziehung, die er sich immer wünschte und Kari hatte die Ablenkung, die sie brauchte, um von Matt los zu kommen.

„Es ist einfach passiert“, antwortete sie nach einer Weile und zuckte mit den Achseln.

Takeru setzte sich ihr gegenüber und wirkte immer noch sehr verstört.

Mit Davis? In einer Beziehung? Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein.

Sie hatte bei ihm nie erwähnt, dass sie ihn mochte, geschweige denn in ihn verliebt war.

Irgendetwas musste er verpasst haben – anders konnte er sich ihren Sinneswandel wirklich nicht erklären.

Und ausgerechnet heute wollte er ihr seine Gefühle gestehen…super Timing.

Er schnaubte und sah zu seiner besten Freundin, die ihn auffällig anstarrte. Sie wartete wohl auf seine erlösenden Worte.

Doch was sollte er sagen? „Ich freue mich, dass du jetzt mit Davis gehst?“

Das klang nach seinem geplanten Liebesgeständnis wirklich sehr grotesk.

„Sag doch bitte etwas“, bettelte sie fehlend und griff nach seiner Hand.

Er beobachtete diese Geste mit Skepsis, hielt sie jedoch nicht auf.

Der Schock saß einfach noch zu tief.

„Im Moment weiß ich wirklich nicht, was ich dazu sagen soll. Du hast nie erwähnt, dass du in Davis verliebt bist. Woher kommt dieser Sinneswandel?“

Kari zog ihre Hand zurück und biss sich auf die Unterlippe.

Sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen.

Auch wenn sie es zu gern gewollt hätte. Aber wie würde er reagieren, wenn sie ihm gestehen würde, dass sie sich in Matt verliebt hatte?

Sie bezweifelte, dass er sich darüber freuen würde, besonders weil Matt einen enormen Frauenverschleiß hatte.

Und in Teufelsküche wollte sie ihn sicher nicht bringen.

Daher beschloss sie ihre Lüge durchzuziehen.

Vielleicht verliebte sie sich ja auch noch in Davis.

Was die Zukunft brachte, wusste sie ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
 


 

Sie schaukelte leicht und hörte gleichzeitig das Klirren der Ketten. Ihre Haare wurden vom Wind leicht verweht und sie genoss die kühle Brise in ihrem Gesicht. Sie wollte aufhören an Mimi und Matt und ihr Date zu denken.

Sollten sie doch ihren Spaß haben.

Sie war sowieso zurzeit nicht in der Lage an etwas Ernsthaftes zu denken.

Besonders weil Mimi und sie im August wieder nach Amerika mussten.

Amerika.

Ihre große Chance durchzustarten.

Ihre Chance endlich das Leben zu leben, das sie immer haben wollte.

Sie konnte es nicht fassen, dass alles so aus dem Ruder gelaufen war.

Damals klang doch alles so perfekt.

Doch dem war nicht so. Sie hatte sich verleiten lassen und ist vollkommen außer Kontrolle geraten.

Hikari wusste genau, warum sie so handelte, wie sie handelte.

In Japan war sie immer das brave Mädchen gewesen, das von ihren Eltern aus sehr behütet aufwuchs. Als Kind war sehr häufig krank gewesen.

Ihre Eltern waren daher sehr überfürsorglich. Eigentlich war das jeder, der ihre Vergangenheit kannte. Im Teenageralter war sie nicht mehr ganz so häufig krank gewesen.

Dennoch waren ihre Eltern sehr wachsam, was sie anbelangte.

Sie fuhren sie meist überall hin und holten sie wieder ab.

Als Taichi den Führerschein hatte, übernahm er diese Aufgaben. Von ihrem Bruder abgeholt zu werden, fand die junge Yagami nicht ganz so peinlich wie von ihren Eltern.

Doch kurz nach der Trennung von Davis wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert.

Sie hatte eine Nierenbeckenentzündung, da sie mitten durch den Regen gelaufen war, um einen klaren Kopf zu bekommen. Danach musste sie eine Woche im Krankenhaus bleiben.

Für ihre Eltern klingelten damals mal wieder alle Alarmglocken und sie wurde von vorne bis hinten verhätschelt.

Sie durfte auf keine Partys gehen oder sonst ihre Jugend genießen.

Ihre Eltern machten sich sehr große Sorgen und erstickten sie förmlich mit ihrer Aufmerksamkeit.

Doch als sie damals an der Juilliard angenommen wurde, sah sie ihre große Chance ihr Leben einfach selbst in die Hand zu nehmen.

Mit Tais Hilfe schaffte sie es tatsächlich ihre Eltern dazu zu überreden, sie gehen zu lassen – auch wenn ihre Mutter anfangs dutzende SMS schrieb und jeden zweiten Tag anrief.

Sie war frei.

Sie durfte das machen, was sie wollte.

Deswegen fiel es anderen auch so leicht, sie auf die dunkele Seite des Feierns zu ziehen.

Sie kannte es nicht anders. Sie durfte ihre Grenzen in Japan nicht ausleben und selbst erkennen lernen.

Und Amerika hatte so viele Eindrücke auf sie, dass sie schlichtweg mit allem überfordert war.

Sie wollte nicht durchdrehen, doch wie sollte sie wissen, wann genug war, wenn sie in ihrer Jugend nie Kontakt mit Alkohol und dem ganzen hatte? M

an lernte doch durch Erfahrungen und ihre Eltern hatten sie um ihre ganz schön beschissen.

Vielleicht wäre die Sache mit Davis auch ganz anderes gelaufen, hätte sie nur eher zu ihren Gefühlen gestanden.

Doch sie konnte nichts dergleichen einmal ausprobieren.

Sie fühlte sich in Japan wie angebunden.

Und allmählich kehrten diese beklemmenden Gefühle zurück.

Sie schaukelte hin und zurück und umklammerte die Kette der Schaukel.

Wieso war sie nur so unselbstständig? Immer bekam sie von allen Seiten Hilfe. Ob sie sie nun brauchte oder nicht.

Jeder behandelte sie wie ein rohes Ei, das drohte augenblicklich zu zerbrechen.

Mittlerweile war es vielleicht sogar so.

Alles was sie an das letzte Jahr erinnerte, schmerzte sie jedes Mal mehr.

Sie hatte Mimi betrogen und Wallace, Peter und April in ihren Mist mithineingezogen.

Natürlich konnte sie ihre Unselbstständigkeit und Naivität leicht auf ihre Eltern schieben.

Doch sie wusste, dass die beiden sie nur von der bösen Welt da draußen beschützen wollten.

Es hätte klar sein müssen, dass sie Hikari nicht ewig vor sich selbst beschützen könnten.

Wahrscheinlich gehörte diese Erfahrung zu ihrem Leben dazu.

Genauso wie damals die Trennung von Davis, die eine vollkommen neue Wendung in ihr Leben brachte.
 


 

Er stand vor ihr. Seine Oberlippe bebte vor Wut und seine Augen funkelte sie böse an.

Er hatte sie durchschaut. Sie konnte ihm nichts mehr vormachen.

„Liebst du mich überhaupt?“, hallte durch ihren Kopf. Immer und immer wieder.

Er war so verletzt und wütend, dass ihr alle Handlungen und Taten gleichzeitig leidtaten.

Was hatte sie nur getan?

Sie hatte nicht nachgedacht.

Ihr hätte doch klar sein müssen, dass man Gefühle nicht vorheucheln konnte.

Kari hatte noch gehofft, dass sie sich in ihn verliebt, besonders nach der gemeinsamen Nacht, die sie erlebt hatten.

Doch diese zeigte ihr nur die Wahrheit.

Sie liebte ihn nicht. Sie benutzte ihn nur.

„Es tut mir leid. So unendlich leid“, sagte sie und kämpfte mit den Tränen.

Er presste die Lippen aufeinander und schluckte hart.

Er hatte es sich schon die ganze Zeit vermutet.

Jetzt hatte er Gewissheit. Sie hatte nur mit ihm gespielt.

„Du bist wirklich das Letzte, Kari“, donnerte er ihr an den Kopf, bevor er von seinen eigenen Emotionen übermannt wurde und selbst weinte.

Er hatte sie geliebt.

Seine Gefühle waren echt.

Und sie wollte nur ihre Sehnsucht nach jemand anderem stillen.

Zuerst hatte Davis gedacht, dass sie Takeru meinte. Bei ihm hätte er es noch nachvollziehen können, schließlich kannten sie sich länger und waren seit dem Kindesalter befreundet.

Doch sie hatte sich in Matt, den Weiberhelden verliebt.

Mit sowas konnte doch keiner rechnen.

Es war so unfair. Er wollte nur noch, dass sie ging.

„Bitte geh!“

„Aber Davis, können wir…“.

„Nein“, unterbrach er sie schroff und deutete zur Tür. „Geh gefälligst. Ich will dich nicht mehr sehen“.

Sie biss sich auf die Unterlippe, während die Tränen ihr die Wange hinunter flossen.

„Es tut mir leid“, murmelte sie und verschwand aus seinem Zimmer.

Sie ging ohne sich von seinen Eltern zu verabschieden.

Kari schlüpfte in ihre Schuhe und merkte erst beim Rausgehen, dass es bereits regnete.

Doch ihr war alles egal. Sie hatte es verdient. Sollte sie doch nass werden. Davis hatte wegen ihr ein gebrochenes Herz.

Kari bewegte sich schwerfällig die Treppen hinunter, steuerte danach aber nicht wie gedacht auf ihren eigenen Wohnblock zu, sondern lief in eine komplett andere Richtung.

Anscheinend hatten ihre Füße das Denken übernommen.

Und sie trugen sie genau dorthin, wo sie am wenigsten sein wollte.

Zwanzig Minuten später stand sie vor der Haustür ihres besten Freundes, vollkommen durchnässt.

Sie wusste nicht, was sie hier wollte.

Doch ohne darüber nach zu denken, hatte sie bereits die Klingel betätigt.

Nur wenige Sekunden später öffnete der Blonde verwundert die Tür.

Er wusste ja, dass sie heute mit Davis verabredet war, deswegen erwartete er sie auch nicht.

Doch als er sie klatschnass vor sich stehen sah, bemerkte er schnell, dass etwas nicht stimmen konnte.

„Was ist passiert? Du warst doch mit Davis verabredet“, meinte er und ließ sie rein.

Kari sagte nichts, sondern blieb im Hausflur stehen, bis Takeru ihr ein Handtuch besorgt hatte.

Er legte es ihr über die Schultern, während sie immer noch nichts erwidern konnte.

„Was ist denn los? Du machst mir langsam Angst!“

„Davis hat Schluss gemacht“, gestand sie kleinlaut und blieb immer noch am gleichen Fleck stehen. Selbst ihre Schuhe hatte sie immer noch an.

„Wieso das denn? Er war doch immer sooo in dich verliebt gewesen“.

„Er hat gemerkt, dass ich ihm nur was vorgespielt habe“, murmelte sie und senkte ihr Gesicht.

Takeru sah sie mit Entsetzen an.

Etwas vorgespielt? Hatte er richtig gehört?

Nein. Sowas würde Hikari nie tun. Nicht seine Hikari.

„Du hast ihm etwas vorgespielt? Wieso? Sowas passt gar nicht zu dir“.

„Ich weiß, aber ich habe gedacht, dass ich meine Gefühle für ihn dann dadurch verliere“, flüsterte sie und wirkte geistesabwesend.

Sie fragte sich wirklich, ob sie Takeru die Wahrheit sagen wollte.

War sie etwa deswegen zu ihm gegangen? Hatte sie Angst, dass er es von Davis erfahren könnte? Oder war sie einfach nur wahnsinnig geworden?

TK hingegen war mehr als nur verwirrt.

Wer war er? Und von welchen Gefühlen sprach sie da?

Sie redete wirklich in Rätseln.

„Was meinst du? Welche Gefühle?“

Sie presste die Lippen aufeinander und schaute kurz unsicher zu Takeru. Dann wand sie jedoch ihren Blick wieder von ihm ab.

Ihr Herz klopfte gegen ihre Brust und ihr wurde plötzlich unheimlich schlecht. Doch ihr Mund war schneller als ihr Verstand.

„Ich…ich habe schon länger Gefühle für Matt. Ich habe Davis nur benutzt, um ihn zu vergessen“.

Takerus Atmen stoppte augenblicklich.

Sie.

Gefühle.

Matt?
 


 

Sie streckte die Beine aus und rutschte mit ihren Schuhen leicht über den Boden, um die Schaukel anzuhalten.

Sie blieb stehen, doch Hikari blieb sitzen.

Was hatte sie nur getan?

Kein Wunder, dass Davis sie nach wie vor hasste.

Sie war damals wirklich froh gewesen, dass Takeru sie deswegen nicht verurteilte.

Vielleicht lag es auch an der Krankenhausgeschichte, warum er nicht weiter ausgerastet war.

Er war wirklich fast jeden Tag zu ihr gekommen und sie redeten.

Viel. Sehr viel.

Sie erzählte ihm von ihrer Verliebtheit und wann dieses ganze Schlamassel mit seinem Bruder angefangen hatte.

Und er saß einfach auf dem Besucherstuhl und hörte aufmerksam zu.

Sie philosophieren sogar über ihre Handlungsweise. Auch wenn sie nicht wirklich auf ein gemeinsames Ergebnis kamen.

TK hatte ihr gesagt, dass er ihr Verhalten gegenüber Davis nicht gut fand.

Dennoch versuchte er sie zu verstehen.

Kari dachte anfangs, dass ihre Gefühle für Matt nur ein Strohfeuer wären. Doch noch nach über einem Jahr, merkte sie dieses Kribbeln und dieses flaue Gefühl in der Magengegend.

Es wollte einfach nicht aufhören und sie entwickelte den Plan, dass sie sich auf Teufel komm raus endlieben musste.

Und der beste Weg war sich jemand anderen zu suchen. Auch wenn, das Ganze eher unüberlegt und dämlich war.

Doch mit fünfzehn, fast sechszehn trafen wohl eher die Hormone die Entscheidungen statt der Verstand. Jedenfalls war es Takerus Theorie gewesen.

Er konnte schon verstehen, warum sie diese Gefühle loshaben wollte.

Matt interessierte sich nur für die Musik und leicht zu habende Frauen.

Klar das Kari unter Liebeskummer litt.

Dennoch hätte sie Davis nicht für ihre Zwecke missbrauchen dürfen. Liebeskummer hin oder her.

Er war ihr Freund gewesen und sie hatte alles weggeworfen.

Für sie hatte sich damals, alles so logisch angehört.

Ein anderer Kerl und Schwups keine Gefühle mehr für Matt.

Vielleicht hätte sie eher mit jemandem reden müssen, bevor sie ihren bescheuerten Plan in die Tat umsetzte. Doch jeder hatte mit sich selbst zu tun gehabt.

Und Kari wollte diese Gefühle gar nicht.

Sie wünschte man könnte sich aussuchen, in wen man sich verliebte.

Dann wäre sie sicher auch nicht auf Michael hineingefallen und hätte nicht solche Probleme wie jetzt.

Doch das Leben war eine einzige Straße, die mehrere Richtungen aufzeigte.

Welche man nun gehen wollte, musste man selbst entscheiden.

Und Kari war sich sicher gewesen, dass sie die falsche Abzweigung genommen hatte.
 


 

Takeru befand sich mitten im Gefühlschaos.

Kari war wieder da – seine heimliche Liebe.

Und dann war da noch Mariko, mit der er immer viel Spaß haben konnte, sie aber nie als feste Freundin gesehen hatte. Sie war einfach da und hörte ihm, besonders bei den Problemen, die er mit seiner Familie hatte, zu.

Doch er konnte Kari deswegen keinen Vorwurf machen, schließlich befand sie sich die ganze Zeit in Amerika. Seit sie da war, war es fast wie früher.

Und er fühlte sich wie ein Arsch.

Davis hatte irgendwie Recht, er durfte Mariko so nicht behandeln, selbst wenn Kari wieder da war. Doch er hatte Angst vor der Begegnung der beiden.

Was wäre wenn, Mariko ihren Mund nicht halten konnte. Yolei erzählte sie fast auch jede unnötige Kleinigkeit, von dem er erst vor kurzem erfahren hatte.

Er wollte vor Kari nicht so dar stehen.

So als hätte er es nötig gehabt, sich irgendeine X-beliebige Person zu suchen, mit der er ab und zu intim wurde. Er musste schon zugeben, dass die Beziehung zu Mariko nicht normal war.

Deswegen würde er sie nie seine Freundin nennen.

Dafür waren sie sich zu schnell nah gekommen. Außerdem hatte er ihr indirekt gesagt, dass er vorerst nichts Festes wollte und sie hatte es ohne weiteres akzeptiert und gesagt, dass sie sich nebenbei auch noch mit anderen traf.

Takeru war damals sehr erleichtert gewesen, da für ihn eine Beziehung eben nicht nur auf Sex aufbaute, auch wenn es Spaß machte.

Jedoch immer wenn er sich mit einem anderen Mädchen verabredete, kam es nie zu einem zweiten Date. Er landete am Ende doch immer wieder bei Mariko.

Er schien wohl etwas komplett falsch zu machen. Er wusste nur nicht was.

Sein Handy vibrierte und er pfriemelte es aus seiner Hosentasche. Der Blonde stellte fest, dass er einen verpassten Anruf und zwei SMSen hatte.

Der Anruf kam selbst verständlich von Mariko, die immer noch nichts von ihm gehört hatte.

Er schüttelte leicht den Kopf und klickte sich zu den SMS.

Die eine war von Davis. Die andere von seiner Mutter.

Er öffnete zuerst die von Davis. „Mariko hat bei uns angerufen. Melde dich mal bei ihr! Du bist im Moment alles andere als fair“.

Das war eine typische Davis SMS.

Er versuchte zu seinem Gewissen zu werden und Takeru wusste eigentlich das er damit recht hatte. Er wollte ihm nur helfen.

Ihn vor Kari beschützen, wie er es gerne nannte.

Doch er war alt genug, um zu wissen, wem er vertrauen konnte.

Und Kari war seit Jahren seine beste Freundin gewesen. Davis und er kamen sich erst richtig näher, nachdem er seine Liebe zu Kari abgelegt hatte.

Er erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem der erste Grundstein für ihre Freundschaft gelegt wurde.
 


 

Sein Training war gerade zu Ende, als er sich auf den Weg zu den Kabinen machte. Es war der erste Tag, an dem sie draußen spielen konnten.

In der letzten Zeit hatte es oft geregnet, doch heute war einfach ein wundervoller Tag. Die Sonne schien über das Basketballfeld und ein leichtes Lüftchen wehte.

In den letzten paar Wochen hatte sich vieles verändert.

Kari war nicht mehr mit Davis zusammen, erzählte ihm jedoch, dass sie schon über ein Jahr in seinen Bruder verliebt war. Und zum krönenden Abschluss der ganzen Katastrophe wurde sie wegen einer Nierenbeckenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert.

Als sie damals bei ihm ankam, war sie klatschnass gewesen und verschwand auch nach ihrem Geständnis relativ schnell wieder.

Takeru wollte ihr trockene Klamotten holen und hörte nur noch wie die Tür ins Schloss fiel. Ein paar Tage später erfuhr er von Tai, dass Kari im Krankenhaus war.

Er hatte sie jeden Tag nach der Schule besucht. Seit einer Woche war sie wieder hier und alles lief drunter und drüber.

Davis redete mit ihr kein einziges Wort mehr und verbrachte seine Pausen neuerdings mit seinen Mannschaftskollegen.

Die Stimmung war am Gefrierpunkt angelangt, doch keiner traute sich etwas dazu zu sagen.

Selbst Ken hielt sich zurück, obwohl sein bester Freund gerade eine sehr schwere Phase durchmachte.

Takeru konnte ihn wohl am besten verstehen, auch wenn er nichts sagte.

Kari hatte etwas sehr Schlimmes getan. Sie hatte ihn benutzt, um ihre Gefühle für Matt zu verdrängen und er hatte es gemerkt. Auch wenn er sonst immer eine sehr lange Leitung hatte.

Doch selbst Davis, der meistens so unglaublich nervig war, verdiente so etwas nicht.

Takeru konnte auch nicht verstehen, warum Kari sich ausgerechnet in seinen Bruder verliebte.

Er hatte immer gehofft, sie würde doch noch erkennen, dass er der eine wäre.

Doch jetzt stand er in unmittelbarer Konkurrenz zu Matt, der wohl immer zu gewinnen schien.

Takeru war zwar beliebt, aber noch lange nicht so beliebt wie Matt, der reihenweise den Mädchen das Herz brach. Er hoffte, dass Hikari noch erkennen würde, dass er nicht der Richtige für sie war.

Eigentlich wollte er, dass sie ihn endlich in einem anderen Licht wahrnahm.

Er wollte nicht mehr ihr bester Freund sein. Er wollte mehr.

Plötzlich vernahm er ein leises Wimmern, als er die Kabine betrat. Er folgte dem Geräusch und landete direkt vor den Umkleidekabinen, die die Fußballer immer nutzten.

Doch ihr Training war schon vor über einer halben Stunde aus.

Es dürfte somit keiner mehr drinnen sein.

Langsam öffnete er die Tür und betrat den Raum.

„Davis?“, fragte er irritiert, als er den Igelkopf weinend vor sich fand. Er hatte immer noch sein Trikot an und saß auf einer der vielen Bänke.

Er drehte den Kopf kurz zu ihm, wand jedoch gleich den Blick wieder ab, als er Takaru erkannte.

„Was machst du denn hier?“

„Mein Training ist gerade zu Ende und ich wollte mich umziehen“.

„Dann bist du in der falschen Kabine“, erwiderte er und wusch sich mit dem Handrücken über seine Augenpartie.

Takeru jedoch schloss die Tür hinter sich und setzte sich direkt neben ihn.

„Was ist los? Du weinst doch nicht ohne Grund. Ist es wegen Kari?“

Als er ihren Namen erwähnte, verrollte Davis auffällig die Augen.

Er konnte ihren Namen nicht mehr hören.

Seine komplette Mannschaft hatte bereits mitbekommen, dass sie nicht mehr zusammen waren. Einige machten sich sogar lustig über ihn, weil sie immer gedacht hatten, dass Kari irgendwann mit ihm Schluss machen würde.

Jedoch war er derjenige der mit ihr Schluss gemacht hatte. Doch nach Karis Krankenhausaufenthalt rückte alles in den Hintergrund.

Manche erfanden sogar Gerüchte zu Gunsten Karis. Sie erzählen so einen Schwachsinn, Davis hätte sie betrogen oder wäre einfach noch viel zu kindisch für sie.

Auch Takeru hatte einige dieser Gerüchte gehört, ignorierte sie aber, da er die Wahrheit kannte.

„Es tut mir leid. Sie hätte das nicht machen dürfen“.

„Du weißt es? Ich hätte nicht gedacht, dass sie es dir erzählt“, meinte er und blickte zu Boden.

Der Blondschopf hatte sicher nicht damit gerechnet, dass sich Kari ausgerechnet in Matt verliebt hatte.

Davis dachte anfangs auch, dass Kari in Takeru verschossen war. Doch da war er mächtig auf dem Holzweg gewesen.

Ihm ging es sicher genauso schlecht.

„Was hältst du davon? Ich meine er ist immerhin dein Bruder“.

„Ja ich weiß. Aber ich kann ihre Gefühle ja schlecht ändern“, sagte er traurig gestimmt und biss sich auf die Unterlippe.

Davis hatte immer schon damit gerechnet, dass Takeru Gefühle für Hikari haben musste.

Auch wenn er nichts sagte, wusste er, dass er Recht damit hatte.

Sein Blick verriet ihn.

„Ich frage mich die ganze Zeit, was ich falsch gemacht habe, obwohl sie diejenige war, die mich nicht wollte und etwas vorgespielt hat“.

Wieder stießen ihm die Tränen in die Augen. Zum Glück hatte ihn außer Takeru noch niemand weinen gesehen. Als weinerliche Memme wollte er sicher nicht in die Geschichte eingehen¬.

Der Blondschopf beobachte ihn kurz und fasste einen Entschluss.

„Hey wollen wir vielleicht in Ruhe darüber reden? Meine Mutter ist nicht zu Hause und hier stinkt es wirklich nach Käsefüßen“.

Davis nickte nur schwach und packte seine Sachen zusammen. Er konnte noch nicht ahnen, dass dieser Moment alles verändern würde.
 


 

Er erinnerte sich an das stundenlange Gespräch, dass sie führten.

Davis hatte sogar an diesem Abend bei ihm übernachtet. Es war wohl der Beginn von etwas neuem.

Und auch wenn Davis, ihm im Moment sehr auf den Zeiger ging, wusste er, dass er es nur gut meinte. Dennoch war er sehr nachtragend, was Hikari anbetraf.

Das Ganze war bereits knapp zwei Jahre her. Er konnte ihr doch nicht ewig böse sein.

Takeru scrollte zu der SMS seiner Mutter und öffnete sie.

„TK ich habe heute Nachmittag einen wichtigen Termin und dein Vater muss arbeiten. Kannst du heute vielleicht für zwei Stunden auf Saya aufpassen?“

Er schluckte. Er sollte auf seine drei Wochen alte Schwester aufpassen?

Damit hatte er wirklich nicht gerechnet.

Was wäre, wenn er etwas falsch machen würde? Er hatte sich noch nie um ein Baby gekümmert. Doch seine Mutter brauchte ihn und Matt konnte sie schlecht fragen, da er immer noch so stur und egoistisch war.

Er fragte sich wirklich, ob es sich nochmal ändern würde.

Doch er allein mit einem Baby? Das konnte nicht gut gehen.

Wenn sie Hunger bekäme oder in die Windel machen würde, wüsste er wirklich nicht, was er dann tun sollte.

Vielleicht sollte er Yolei fragen, ob sie ihn begleiten könnte. Sie war immerhin in einer Großfamilie aufgewachsen.

Okay gut, sie war die Jüngste. Wahrscheinlich müsste er sich an ihre Geschwister wenden, was das Windeln wechseln und Fläschchen geben anbetraf.

Yolei hätte heute sowieso keine Zeit gehabt, wie ihm gerade wieder einfiel.

Sie besuchte heute ihren Statistik-Kurs. Und Ken war arbeiten. Davis konnte man in solchen Sachen auch nicht um Hilfe beten, da er mit Kindern generell auf Kriegsfuß stand.

Die einzige Person, die bereits in diesem Bereich Erfahrungen gesammelt hatte, war Hikari gewesen. Sie passte in ihrer Nachbarschaft auf mehrere Kinder auf, als die ungefähr siebzehn war.

Ein Paar hatte ihr sogar ihr Baby anvertraut.

Und von Hikari wusste er auch, dass sie an nichts gebunden war.

Sie war hier lediglich zu Besuch. Ein Versuch war es daher sicher wert.

Er suchte ihre Nummer und tippte eine SMS an sie.

Als er sie abschickte, hoffte er inständig, dass sie ihm zusagen würde.

Takeru wollte so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen, bevor sie wieder nach Amerika ging. Immerhin würde er sie danach, wohl wieder eine sehr lange Zeit nicht sehen.

Sein Handy vibrierte kurz und signalisierte ihm, dass er eine neue Nachricht bekommen hatte.

Sie war von Kari. Er öffnete sie und auf seinen Lippen bildete sich ein Lächeln.

Freundschaft ging wohl doch nicht so leicht kaputt, auch wenn die Entfernung doch ein großer Störfaktor gewesen war.

Jetzt musste er nur noch seiner Mutter zurückschreiben.
 

Fortsetzung folgt…

Wegweiser.


 

But somewhere we went wrong.

Don’t Forget, Don’t Forget. Demi Lovato, 2008.
 


 

06. November 2009. Odaiba, Japan. Chichi’s kleines Café und Bistro.
 

Es fühlte sich wirklich schon wie sein zweites Zuhause an. Er saß seinem Bruder Shin gegenüber, der vor kurzem aus Afrika wiedergekommen war.

Er hatte sich seinen Traum verwirklicht und arbeitete als Arzt in einem sehr armen Land, das nur wenige gute Ärzte hatte.

Er ging seinen Weg. Er war auch derjenige, der ihm immer wieder sagte, dass er nicht Arzt werden musste, wenn er es nicht wollte.

Doch er hatte sich dem Willen seines Vaters gebeugt, anstatt sich ihm zu wiedersetzen.

Seine Hausarbeit nicht zu korrigieren, war wohl die einzige Rebellion, die er zustande brachte.

„Du wirkst so traurig, was ist los?“, fragte Shin und nippte an seinem Cappuccino.

„Ich fühle mich wie ein Versager“, murmelte der Medizinstudent kaum hörbar. Shin sah ihn an und schüttelte den Kopf. Er nahm seine Hand und drückte sie leicht.

„Du bist kein Versager. Vielleicht ist das Medizinstudium einfach nichts für dich. Aber du hast so viele andere Alternativen“.

„Und welche?“, murrte er und wirkte sehr pessimistisch.

Ein Optimist war er noch nie gewesen…meist sah er immer nur das Schlimmste, obwohl es noch nicht mal eingetroffen war. Manchmal hasste er sich sogar dafür, so zu denken.

Warum konnte er nicht einmal etwas positiv und hoffnungsvoll sehen? Die Welt war doch meistens gar nicht so mies, wie es auf den ersten Blick erschien.

Nur bei ihm machte sie eine Ausnahme. Wahrscheinlich zog er die Negativität bereits an.

Shin musterte ihn immer noch sorgenvoll. Gesagt hatte er bisher noch nichts. Er runzelte die Stirn und kräuselte die Lippen.

„Ich glaube, das kann ich dir nicht sagen. Das musst du selbst herausfinden“.

„Na toll“, grummelte er und ließ den Kopf hängen, „ Papa wird mich erstmal fesseln und knebeln, wenn er herausfindet, dass ich die Hausarbeit nicht korrigiert habe“.

„Ach Joe“, begann er und lächelte leicht. „Lass Papa doch reden. Du weißt selbst, dass er sehr impulsiv sein kann, es aber meistens gar nicht so meint“.

Da hatte Shin wohl Recht, doch in den Augen seines Vaters war er einfach die größte Enttäuschung, die er sich vorstellen konnte.

Joe wusste, dass er mit seinen Brüdern nicht mithalten konnte. Er war eben anders, beziehungsweise reagierte er auf Druck anders, als seine Geschwister.

Umso mehr Druck er bekam, umso mehr vernebelte sich sein Gehirn.

Er konnte gar nicht mehr klar denken.

Und dieses Semester würde es sicher nicht anders werden.

Schon nach nur drei Wochen fühlte er sich unausgeglichen, müde und ausgelaugt. Erholung war in seinen Ferien ein Fremdwort gewesen.

„Ich halte das nicht mehr lange aus“, gab er zu und rieb mit der anderen Hand am Henkel seiner Tasse, während sein Bruder die andere immer noch gedrückt hielt.

„Du musst es nicht weitermachen, wenn du es nicht willst“, bestärkte ihn Shin und ließ seine Hand los. Er wusste wohl am besten, wie sein Vater sein konnte.

Er hatte getobt, als er erfahren hatte, dass er nach Afrika gehen wollte. Doch es war SEIN Traum und nicht der seines Vaters. Er musste mit seiner Entscheidung glücklich werden.

Das gleiche galt auch für Joe, der niedergeschlagen schnaufte und seine Hand an seine Stirn drückte. „Ich weiß gar nicht, was ich eigentlich will. All die Jahre hat Papa mich darauf getrimmt Arzt zu werden“, erklärte er und raufte sich die Haare, „woher soll ich wissen, was ich eigentlich will, wenn Papa alles in meinem Leben bestimmt hat?“

„Du musst es eben herausfinden!“, erwiderte Shin voller Energie. Er wusste, dass es nicht einfach werden würde. Doch was sollte Joe in einem Beruf, der ihm keinen Spaß machte?

Er würde eingehen wie eine Primel und all seinen Lebensmut verlieren.

Und das durfte nicht passieren. Shin hatte sogar schon eine Idee, wie er dem entgegenwirken wollte.
 


 

„Er ist im Moment fast jeden Tag hier“, flüsterte Sora und wischte über den Thesen, während Yolei die nächste Bestellung durchgab.

„Und weiter? Ich finde er wirkt entspannter“.

„Also auf mich wirkt er totunglücklich“, wiedersprach die Rothaarige besorgt. „Vielleicht sollten wir nochmal mit ihm reden“.

Yolei verrollte nur die Augen. „Ich werde fürs Kellnern bezahlt, nicht fürs Therapieren“.

Sora stöhnte kaum hörbar und legte den Lappen beiseite. „Wir sind immer noch seine Freunde. Ein bisschen Nächstenliebe bitte“.

„Nächstenliebe? Und wer gibt mir welche ab?“

Sora gab einen undefinierbaren Laut von sich. Sie verfluchte ihre Chefin immer mehr dafür, Yolei eingestellt zu haben, besonders weil Frau Minazuki zurzeit mehr mit Abwesenheit glänzte.

Meist war Sora mit Herrn Chiba und Yolei alleine im Café.

Da Herr Chiba meistens in der Küche war, musste sie Yoleis Launen immerzu ertragen. Irgendwann würde sie sicher noch explodieren.

Am besten sollte sie erstmal durchatmen und bei Yoleis täglichem Geplärre die Ohren einfach auf Durchzug stellen.

Was konnte sie denn dafür, dass sie einen Statistikkurs besuchen musste? Das gehörte nun mal zu ihrem Studium. Sie musste ja auch die verschiedensten Trends aus den letzten Jahren auswendig können, auch wenn sie nicht mehr in Mode waren.

Sie sollte sich einfach nicht so anstellen.

„…und was soll ich da machen? Mir hilft auch keiner“, faselte sie munter weiter. Sora hatte nur den letzten Teil mitbekommen, da sie zu sehr ihren eigenen Gedanken hinterher hing.

Dachte Yolei wirklich, sie sei die einzige Person mit Problemen?

Sora hatte sich vor über zwei Monaten von ihrem Freund getrennt, weil sie Gefühle für seinen besten Freund entwickelt hatte.

Sora war wirklich froh, dass Tai die Trennung ebenfalls notwendig sah und deswegen keine Fragen stellte. Sie wollte ihm sicher nicht von ihren Gefühlen für Matt erzählen.

Auch wenn sie Tai kannte, wusste sie nicht genau, wie er darauf reagieren würde. Er war eben Tai und die Beziehung zu Matt war generell schwierig. Besonders nachdem, was vor kurzem passiert war.

Sora konnte nicht fassen, was ihr Tai letztens berichtet hatte.

Matt würde nochmal ein Geschwisterchen bekommen – mit 21 Jahren.

Ein enormer Altersunterschied. Sie konnte verstehen, dass er nicht gerade begeistert war.

Auch die Tatsache, dass seine Mutter von seinem Vater schwanger war, machte das Ganze nicht gerade einfacher.

Sora glaubte schon an die Liebe, doch Matts Eltern waren schon so lange getrennt, dass sie nicht mehr glaubte, dass es etwas werden könnte.

Auch TK schien mit der Sache auf seine eigene Weise umzugehen.

Als er letztens mit Mariko hier war, schlichen sich beide in einem scheinbar unbeobachteten Moment aus dem Laden.

Doch Sora hatte ihre wilde Knutscherei auf der Straße durchaus mitbekommen.

Von Yolei wusste sie nur, dass sie sich irgendwie geeinigt hätten, aber keine wirkliche Beziehung führten. Doch selbst der Wirbelwind schien dieses „Schlamassel“ langsam zu akzeptieren.

Sora schaute zu Yolei, die ihr immer noch etwas von ihrer baldigen Statistikprüfung vorheulte.

Die Rothaarige hatte sich mittlerweile mit den Ellenbogen auf der Theke abgestützt und hoffte, dass der nächste Kunde, Yolei eine Socke oder etwas Ähnliches in den Mund stopfte.

Das war wirklich nicht mehr zum Aushalten. Sollte sich doch jemand anders mit ihr rumärgern.

Plötzlich durchfuhr Sora ein Geistesblitz.

Genau, das war die Idee. Er hatte ihr doch erzählt, dass er einige Kurse darüber hielt.

Sein Pech, wenn er ihr immer alles erzählen musste, wenn sie Matt und Tai besuchte.

„Hey ich habe eine Idee“, verkündete Sora lächelnd und unterbrach den selbsternannten Wirbelwind. „Du könntest doch einen Kurs bei Izzy besuchen. Er hat mir letztens erzählt, dass sich ein Computerkurs auch um Statistik dreht“.

Yolei überlegte kurz und runzelte die Stirn. Daran hatte sie wirklich noch nicht gedacht.

Am Computer würde sie es auch sicher einfacher verstehen, als wenn ihre Dozentin ihr einen vorschwallte. Und Izzy war immer ein guter Lehrer gewesen.

Früher hatte er ihr schon einige Sachen am PC beigebracht, vielleicht konnte er ihr auch diesem dummen Statistik-Scheiß erklären.

„Das ist wirklich eine gute Idee. Ich werde ihm gleich mal nach Feierabend anschreiben“.

Sora wirkte erleichtert und stellte sich wieder gerade hin.

„Du bist wirklich eine gute Problemlöserin, Sora“, meinte sie zu ihr gewandt und legte ihre Hand auf ihre Schulter.

„Danke“, murmelte sie und wollte gerade wieder an die Arbeit gehen, als Yolei wieder zu Reden begann.

„Okay dann kannst du mir auch sicher bei meinem anderen Problem helfen. Es geht um diesen Typen von der letzten Vorlesung, der der mich die ganze Zeit angestarrt hat…“

Soras Kinnlade klappte nach unten und sie fuhr sich verzweifelt durch die Haare. Konnte Yolei nicht einmal den Mund halten? Niemand konnte doch so problembelastet sein wie sie.

Das war wirklich nicht mehr normal. Okay, Yolei konnte man wirklich nicht mehr als „normal“ bezeichnen.
 


 

15. November 2009. New York, USA. Fifth Avenue.
 

„Ach ist das nicht herrlich? Endlich gehen wir zwei, mal wieder so richtig schön shoppen“, flötete Mimi fröhlich und drehte sich mit ausgebreiteten Armen einmal im Kreis.

Kari hingegen wirkte weniger euphorisch wie Mimi und ging langsam hinter ihr her. Sie konnte wirklich nicht verstehen, dass sie schon Mitte November Weihnachtsgeschenke kaufen wollte.

Sie hatten doch noch genug Zeit. Wozu also diese Hetzjagd?

„Und für wen holst du heute alles ein Geschenk?“, fragte Hikari und bemühte sich interessiert zu wirken.

Mimi blieb augenblicklich stehen und tat so als würde sie angestrengt überlegen.

„Also auf jeden Fall hole ich heute etwas für meine Eltern“, begann sie und fing mit den Fingern mitzuzählen. „Dann werde ich noch etwas für Michael holen und dir wollte ich auch noch eine Kleinigkeit schenken“, erklärte sie grinsend.

Für sie? Was? Hatte sie sich etwa gerade verhört?

„Du willst mir etwas schenken?“, wiederholte sie verblüfft und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Natürlich. Du bist mir ganz schön an´s Herz gewachsen“, sagte sie zuckersüß und hakte sich bei Hikari unter. Sie schmunzelte leicht und überlegte sich insgeheim, was sie Mimi schenken sollte. So viel Geld hatte sie gar nicht, aber auch sie wollte ihren Eltern und ihrem Bruder ein kleines Geschenk zuschicken. Eigentlich hatten TK und sie sich auch immer eine Kleinigkeit geschenkt.

Vielleicht fand sie ein Buch, dass sie ihm kaufen konnte. Bücher dürften ja eigentlich nicht die Welt kosten.

„Fliegst du über die Ferien nach Hause?“

„Nein denke nicht“, sagte Kari kleinlaut. Sie wollte nicht vor Mimi zugeben, dass sie es sich nicht leisten konnte.

In letzter Zeit hatte sie wirklich zu viele Ausgaben gehabt. Sie musste sich neue Tanzschule kaufen, da ihre kaputt gegangen waren.

Auch die Textbücher für ihren einen Schauspielkurs waren wirklich sehr teuer gewesen. Außerdem hatte sie Angst, dass wenn sie nach Japan fliegen würde, nicht mehr zurück wollte.

Die Welle, genannt Heimweh, traf sie völlig unterwartet.

Sie hatte niemals damit gerechnet, dass sie alle so sehr vermissen würden, besonders weil sie sich in Amerika das erste Mal frei und unabhängig fühlte.

Dennoch war sie erst achtzehn und klar vermisste man da manchmal seine Familie und Freunde. Kari hatte nur nicht erwartet, dass es so hart sein würde.

„Werden deine Eltern und Tai nicht traurig sein, wenn du über Weihnachten nicht nach Hause kommst?“, wollte Mimi interessiert wissen. Sie wusste wie ihre Eltern waren und sie sahen ihre Tochter ja noch regelmäßig. Außerdem hatte sie von Wallace erfahren, dass Kari nach der „Abfüllsache“ großes Heimweh hatte. Vielleicht würde es ihr gut tun, für kurze Zeit ihre Heimat wieder zusehen.

„Also ich glaube schon, dass es hart wird meine Eltern und Tai an Weihnachten nicht zu sehen“, meinte sie nachdenklich, „aber es ist in Ordnung. Vielleicht klappt es ja in den nächsten Semesterferien“.

Kari hatte bereits ihrer Mutter erzählt, dass sie nicht kommen konnte. Natürlich wusste sie die Wahrheit, aber auch ihre Eltern hatten nicht das zusätzliche Geld ihr den Flug nach Hause und wieder zurück zu bezahlen.

Die junge Yagami musste sich wirklich zusammenreißen am Telefon nicht zu weinen. Sie vermisste alle und dieses Jahr würde sie Weihnachten ganz alleine feiern.

April würde ihre Familie in Connecticut besuchen und erst am zu Silvester wiederkommen. Auch wenn Kari es nicht zugeben würde, war April doch anders als sie erwartet hatte. So langsam hatte sie das Gefühl, dass sich beide miteinander anfreundeten.

Peter und Wallace wollten auch nach Hause fahren, nur das die beiden Jungs schon nach Weihnachten wieder hier sein würden.

Und Mimi? Ihre Familie lebte ja praktisch um die Ecke.

Plötzlich bemerkte sie, dass Mimi sie mehrfach antippte und verschwörerisch angrinste.

„Was ist?“, fragte sie verwirrt.

„Naja ich habe mir überlegt, wie es wäre, wenn du mit meiner Familie Weihnachten feiern würdest. Sie waren nach der Scheinlesben-Geschichte richtig begeistert von dir“, antwortete sie und ihr Grinsen vergrößerte sich.

Bei Mimi Weihnachten feiern? Ohje, dass stellte sich die junge Japanerin wirklich chaotisch vor, wenn sie sich an ihre Eltern zurückerinnerte.

Und am Ende würde sogar noch Michael erscheinen, weil er Mimis Freund war. Darauf hatte sie wirklich keine Lust.

„Ich weiß nicht so recht. Deine Familie ist wirklich nett, aber ich möchte nicht auf Michael treffen“.

„Der wurde offiziell ausgeladen“, eröffnete sie ihr und wirkte angesäuert.

„Ausgeladen?“, wiederholte sie mit hochgezogener Augenbraue, „wieso das denn?“

Mimi zog sie vor das nächste Schaufenster und schaute sich verschiedene Sachen an, die ihr zu gefallen schienen. Sie kaute angespannt auf ihrer Unterlippe, sagte jedoch einige Minuten nichts.

„Ich habe gesagt, er solle sich zuerst bei dir entschuldigen“, ertönte ihre Stimme auf einmal und klang glockenhell, „aber er hat sich immer noch nicht entschuldigt. Deswegen bestrafte ich ihn mit Liebesentzug“.

Karis Kinnlade klappte nach unten. Sowas konnte auch nur Mimi einfallen.

Die ganze Geschichte war schon einen Monat her und Kari ging auch nicht davon aus, dass sich weder Michael noch Carter bei ihr entschuldigen würde.

Aber Mimi war in solchen Sachen einfach knallhart.

Sie fragte sich wirklich, warum sie mit Michael nicht einfach Schluss machte. Sie stritten ja nur noch.

„Wieso machst du eigentlich nicht mit ihm Schluss?“, fragte sie unverhofft und riss Mimi aus ihren Gedankengängen.

Wieso machte sie nicht Schluss? Er behandelte sie wirklich wie der letzte Dreck und trieb sogar mit ihren Freunden Schabernack. Dennoch hatte Mimi vor dem Alleinsein große Angst.

Sie waren schon so lange zusammen, dass alles aufzugeben, fiel ihr schwerer als gedacht. Deswegen antworte sie mit der übliche Antwort: „Weil ich ihn liebe“.

Kari schaute sie an und bemerkte gar nicht, wie sie innerlich mit sich haderte. Die Antwort fühlte sich so verlogen und falsch an, dass ihr Gewissen sie am liebsten gleich auffressen würde.

Sie hatte ihm so viele Chancen gegeben, doch meistens hatte er alle versiebt und in den Sand gesetzt. Wahrscheinlich machte sie wirklich bald mit ihm Schluss.

Doch Weihnachten wollte sie erstmal abwarten.
 


 

Er lag auf ihrem Bett und sie küssten sich leidenschaftlich, während sich bei ihm sein schlechtes Gewissen meldete. Was tat er hier eigentlich? Das war gar nicht seine Art.

Er nutzte das Mädchen nur für seinen Liebeskummer aus, er hatte demnach keine Gefühle für sie, jedenfalls keine romantischer Art.

Doch sie ließ sich nicht verunsichern und machte einfach so weiter wie bisher. Obwohl er ihr gesagt, hatte das er sie erstmal kennen lernen wollte.

Der Schrei der Natur und des animalischen Triebes war doch stärker gewesen.

Irgendwie vernebelte ihm diese ganze Aufregung rund um das Thema Sex sein Gehirn.

Im Nachhinein war er auch nur ein Mann, der Bedürfnisse hatte. Und wie sagte man so schön, wenn man einmal Blut geleckt hatte, konnte man nicht mehr aufhören.

Hörte sich fast so an, als wäre er ein Vampir.

Sie küsste seinen Hals und saugte sich an seiner Halsbeuge fest, sodass er leise stöhnen musste.

Mariko war auch eine junge Frau, die es gerne darauf anlegte, dass musste Takeru schon zugeben.

Er wollte sie eigentlich heute abholen. Sie wollen den Kinobesuch nachholen, den sie schon sage und schreibe dreimal verschoben hatten. Als sie ihm öffnete trug sie einen Bademantel, der halb offen war und den Großteil ihrer Unterwäsche entblößte.

Sie sagte ihm, dass sie sich nur noch umziehen müsste und er in ihrem Zimmer auf sie warten könnte.

Nach fünf Minuten kam sie halbnackt in ihr Zimmer gestürmt und meinte sie, habe sich wegen ihrer Kleiderwahl noch mal um entschieden.

Da tänzelte sie also nur in Unterwäsche direkt vor seinen Augen herum und provozierte ihn damit sichtlich. Kein Wunder, dass man(n) schwach wurde.

Sie stand vor ihm und zeigte ihm zwei verschiedene Kleider, die beide hervorragend an ihr aussehen würden.

Dann, ohne Vorwarnung, kam sie ihm immer näher und legte ihre Lippen aus seine. Ihre beiden Kleider ließ sie achtlos auf dem Boden liegen und küsste lieber seinen Hals hinab und machte Anstalten ihm sein Shirt über den Kopf zu ziehen.

Sie spielte offensichtlich am Saum seines Shirts und fuhr mit ihren zarten Fingern unter dem Stück Stoff entlang. Sie strich über seine Bauchmuskeln und hinterließ auf seiner Haut ein leichtes Kribbeln.

Sein Verstand sagte ihm, dass es so nicht weitergehen konnte. Er musste etwas tun.

Er hatte das Gefühl, vollkommen von seinem Weg abgekommen zu sein.

Takeru war nie so gewesen.

Er wollte immer auf die Richtige warten, bevor es wirklich mal ernst werden sollte. Und jetzt?

Takeru widersprach all seinen Prinzipen und mutierte zu seiner zweiten Version von Matt.

Möglicherweise war er wirklich zu verkorkst, um eine normale Beziehung zu führen.

Vielleicht hatte Matt deswegen nur lockere Geschichten am Start.

Natürlich fragte er sich auch, wie er es hätte lernen sollen? Seine Familie war alles andere als normal und intakt. Schon seit seinem vierten Lebensjahr waren seine Eltern getrennt und beide wurden nur von A nach B geschoben. Eine richtige Familie kannte er gar nicht.

Trotz alle dem wusste er, dass es falsch war, so mit Mariko umzugehen.

Er war zwar nicht in sie verliebt gewesen, doch er fand sie nach wie vor sehr nett und auch zugegebener Maßen sehr interessant.

Er drückte sie deshalb ein Stück von sich weg und schnaubte leise.

Takeru setzte sich leicht auf und lehnte seinen Kopf gegen die Wand. Mariko musterte ihn skeptisch.

„Was ist los? Hab ich was falsch gemacht?“

„Nein“, murmelte er und schloss kurz die Augen, „aber es fühlt sich nicht richtig an“.

Er öffnete seine Augen wieder und schaute in ihr entsetztes Gesicht.

„Wie meinst du das? Wir haben doch darüber geredet“, rief sie ihm wieder ins Gedächtnis.

Geredet war wohl zu weit hergeholt. Sie hatten beschlossen ihrer seltsamen Beziehung eine Chance zu geben, ohne sie vorerst zu benennen.

Mariko selbst, hatte sogar vorgeschlagen sich mit anderen zu verabreden, um das Ganze zwischen ihnen nicht so kompliziert erscheinen zu lassen.

Jedoch war es das. Sie kannten sich kaum und hatten schon öfters Sex, als sie eigentlich miteinander geredet hatten.

„Ich glaube es ist keine gute Idee, so eine reine Sexbeziehung zu führen. Das gibt auf Dauer nur Probleme“, antwortete er und presste die Lippen aufeinander.

Mariko hingegen sah ihn nur verständnislos an. „Du hast mir doch selbst erzählt, dass du im Moment keine Beziehung willst, da du immer noch in eine andere verknallt bist“

„Ja schon, aber…“

„Man Takeru mach dir keine Gedanken. Ich finde es wirklich okay, wie es im Moment ist“, raunte sie und wollte sich wieder auf ihn stürzen, als er sie wieder sanft zurückstieß.

Sie stöhnte missmutig und rollte mit den Augen.

„Ich weiß nicht. Es fühlt sich alles so seltsam an“.

„Und das ist doch normal. Es ist halt aufregend“, versuchte sie ihn zu beruhigen und lehnte sich mit dem Rücken an die andere Wandseite.

„Ja schon, nur wenn ich dich ver…“

„Würdest du dir weniger Gedanken machen, wenn ich dir sagen würde, dass ich mich auch noch mit anderen treffe?“

Takeru zog fragend seine Augenbraue nach oben. „Tust du das etwa?“

Er versuchte möglichst lässig zu klingen, auch wenn er innerlich vollkommen verwirrt war.

„Nun ja, ich war letztens mit einem Kommilitonen von mir etwas essen. Eigentlich ganz unverbindlich, aber man weiß ja nie was daraus wird“, erzählte sie locker und zuckte mit den Schultern.

„Okay? Aber im Moment hast du mit keinem anderen irgendwelchen...naja du weiß schon…intimen Kontakt?“, fragte er peinlich berührt und lief leicht um die Nasespitze rot an.

Sie lachte leise und schüttelte mit dem Kopf. „Nein, ich denke sowas wäre nicht fair gegenüber dir.“

„Aha“, sagte er knapp und wand seinen Blick von ihr.

Er verstand sie wirklich nicht. Ihr machte die ganze Sache anscheinend überhaupt nichts aus, obwohl es bei ihrem letzten Gespräch deutlich anders geklungen hatte.

Sie wirkte so hoffnungsvoll, so als würde sie auf etwas Ernstes hoffen.

Wahrscheinlich hatte er es sich nur eingebildet.

„Und wie geht es jetzt weiter?“

Sie biss sich auf die Unterlippe und rückte näher an ihn heran. „Das können wir doch von Lauf zu Lauf neu entscheiden. Vielleicht entwickelt sich ja noch etwas Ernstes. Vielleicht auch nicht. Beides ist okay“, sagte sie und sah ihn lustverschleiert an. „Im Moment würde ich dir einfach nur gerne, das T-Shirt ausziehen“, raunte sie, kam ihm näher und ließ ihre Finger unter dem Shirt verschwinden.

„Hab ich das jetzt richtig verstanden? Es ist nicht ernstes und wir schauen einfach mal wie es läuft?“

„Korrekt“, hauchte sie in sein Ohr und legte ihre Lippen wieder auf seine.

Takeru erwiderte ihren Kuss und wurde schon wieder von der Welle der Erregung überrollt.

Er war wohl doch nur ein Mann, der seinen Trieben nachgab. Natürlich wäre eine normale Beziehung schöner, da die ganze sexuelle Komponente mehr bedeutete, wenn man es mit jemandem tat, den man liebte. Aber „normal“ wurde definitiv überbewertet.
 


 

26. November 2009. Odaiba, Japan. Universität.
 

Yolei gähnte herzlich und schaute genervt auf die Uhr. Noch fünfzehn Minuten, dann war dieser Alptraum für heute vorbei.

Izzy hatte es tatsächlich geschafft, sie in einen seiner Kurse zu schaffen und bisher war sie fünf Mal da gewesen. Heute war das sechste Mal.

Zwar verstand sie die Thematik um einiges besser, wenn Izzy es erklärte, doch trotzdem war es anstrengend von sechs bis zwanzig Uhr noch genügend Aufmerksamkeit übrig zu haben.

Diesmal hatte sie noch nicht mal Zeit gehabt etwas zu essen.

Ihr Magen knurrte kurz, als sie daran dachte.

Vielleicht hatte ihr Davis ja etwas zu Essen übrig gelassen, auch wenn sie nicht daran glaubte.

Auch wenn sie es vor dem Igelkopf nicht zugeben würde, kochte er wirklich unheimlich gut, sodass TK und Ken mehr als einmal zuschlugen und sich die Bäuche vollstopften.

Yolei musste dann leer ausgehen und sich ein Sandwich oder irgendetwas anders schnell zaubern.

Doch heute hatte sie beschlossen, etwas Warmes zu essen.

Ihr Hunger war fast nicht mehr aushaltbar und selbst wenn sie bei McDonalds landen würde.

Es war ihr mittlerweile egal. In ihrem Bauch herrschte ein Chaos, dass nur mit Nahrungsaufnahme gelindert werden konnte.

Fast Food hin oder her. Außerdem hatte sie diesmal richtig Lust auf etwas Fettiges und Ungesundes. Manchmal brauchte der Körper auch sowas, um richtig zu funktionieren.

Auch Izzy wirkte auf sie sehr gestresst und ausgelaugt. Er hatte ihnen eine Aufgabe erteilt und saß teilnahmslos am PC.

Er stierte in den Bildschirm und gähnte ein paar Mal, sodass Yolei prompt angesteckt wurde.

Fünf Minuten später sammelten sie die Ergebnisse und besprachen sie.

Das Besprechen dauerte bis zum Ende der Stunde und Yolei stöhnte erleichtert, als die Uhr endlich acht anzeigte.

Nichts desto trotz, packte sie ihre Sachen sehr langsam zusammen und war eine der Letzten, die den Raum verließ. Irgendwie lag ihr ganzer Kram auf ihrem Tisch und dem anderen Tisch verstreut, so als wollten ihre Sachen sie zusätzlich ärgern.

Wieder knurrte ihr Magen schmerzvoll und sie legte sich ihre Tasche um. Dann checkte sie ihre neuen Nachrichten und achtete mehr auf das Handy als auf ihre Umgebung.

Sie hatte eine Sekunde nicht aufgepasst und schon bretterte sie mit Izzy zusammen und riss ihn zu Boden.

Sie lag halb auf ihm, während seine Bücher sich auf dem Boden verteilt hatten.

Yolei ging beschämt von ihm herunter und säuselte eine leise „Entschuldigung“, als sie seine Bücher begann zusammen zu raffen.

„Macht nichts. Heute ist sowieso nicht mein Tag“, murmelte er und suchte auch den Rest zusammen. Yolei war die erste, die wieder stand und half Izzy auf. Er stellte die Bücher zurück ins Regal und schnaubte leise.

„Stimmt was nicht?“, fragte sie und versuchte die Rebellion ihres Magens zu ignorieren.

„Ach ist alles gut“, sagte er abwinkend und zog seine Mundwinkel fast schmerzhaft zu einem Lächeln. Er war einfach überfordert. Er musste noch so viel dieses Semester machen und fand selbst in seiner Entspannung- und Schlafphase keine Ruhe mehr.

Immer wieder schwirrten ihm diverse Abgabetermine und andere Verpflichtungen durch den Kopf und raubten ihm den letzten Nerv. Es war wirklich zum verrückt werden.

Selbst die Computerarbeit, die ihn immer entspannte, half nicht mehr.

„Was machst du jetzt noch?“, wollte Yolei wissen und richtete ihre Tasche.

„Eigentlich müsste ich noch etwas essen, aber ich muss noch eine Präsentation für nächste Woche vorbereiten“, gestand er sich ein und zwang sich schon dazu nicht schon wieder auf die Uhr zu schauen. Die Zeit war mittlerweile sein schlimmster Feind geworden und richtete sich in allen Lebenslagen auf einmal gegen ihn.

Yolei merkte wieder wie ihr Magen knurrte.

Sie konnte sich vorstellen, dass Izzy wohl genauso Hunger hatte wie sie. Ein Lächeln zierte plötzlich ihr Gesicht und irritierte Izzy vollkommen.

„Warum grinst du so seltsam?“

„Wir gehen jetzt etwas essen“, beschloss sie und nahm seine Hand.

„Was? Nein ich habe doch keine Zeit“, widersprach er und wollte sich schon wehren, doch Yolei setzte direkt zum Gegenangriff an.

„Ach so ein Schwachsinn. Wir gehen was essen und ich kann dir doch danach bei deiner dämlichen Präsentation helfen“, schlug sie vor und zog ihn ein Stück mit sich.

„Ich glaube nicht, dass du mir dabei helfen kannst“, grummelte er schon wieder und fragte sich, ob er sich an der Tür festhalten sollte.

Doch Yolei schaute ihn dringlich an und sagte etwas, das schon länger keiner mehr zu ihm gesagt hatte. „Du solltest ein bisschen auf dich Acht geben und Essen ist nichts Verkehrtes, also komm“.

Er starrte sie an und wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.

In letzter Zeit hatte er wirklich nicht besonders gut auf sich geachtet.

Unregelmäßige Mahlzeiten, wenig Schlaf und viel zu viel Koffein. Zum Glück hatte er die Finger von diesem Ritalin gelassen, von dem Joe ihm mal erzählt hatte.

Einer aus seinem Kurs wurde deswegen sogar der Uni verwiesen, da er es sich illegal beschafft hatte und prompt von einem Dozenten beim Dealen erwischt wurde.

So ein Risiko konnte der Rotschopf nicht eingehen. Und vielleicht hatte Yolei sogar Recht.

Essen war definitiv nichts Verkehrtes.
 


 

Still: 03. Juni 2010. Odaiba, Japan. Restaurant.
 

Sie war wirklich begeistert. Matt hatte wirklich ein wundervolles Restaurant ausgesucht, indem sie Mittagessen wollten. Mimi war gespannt, was er sich alles hatte einfallen lassen. Sie mochte Überraschungen. Jedenfalls in diesem Kontext.

Sie schaute sich neugierig um und konnte ein Lächeln nicht mehr länger verbergen.

Das Restaurant war eher abgelegen und nicht besonders groß, aber es hatte einen unglaublichen Charme. An den Wänden befand sich oberhalb eine wunderschöne Holztäfelung, in die ein feinsäuberliches Muster eingearbeitet war.

Sie hatten einen Tisch mitten im Restaurant. Mimi konnte auf ein Aquarium schauen, in dem sich viele bunte Fische tummelten.

„Hier ist es wirklich unglaublich schön“, meinte sie begeistert und durchstöberte die Karte.

„Ist mein Geheimtipp“, erwiderte Matt zwinkernd und legte seine Karte beiseite. Er hatte sich bereits entschieden, was er nehmen wollte.

„Und weißt du schon, was du essen möchtest?“

„Mhm, was kannst du mir denn empfehlen?“, stellte sie die Gegenfrage.

„Also die gebratenen Nudeln mit Hähnchenfleisch und süß-sauer Soße sind hier einfach fantastisch. Das Hähnchenfleisch wird hier frittiert. Schmeckt wirklich wahnsinnig gut“.

Mimi presste die Lippen aufeinander und legte die Karte auf den Tisch. „Gut, dann nehme ich das auf deine Empfehlung hin“.

„Du wirst es nicht bereuen“, lachte Matt und rief den Kellner zu sich. Er nahm ihre Bestellung auf und brachte ihnen kurze Zeit später schon ihre Getränke. Mimi hatte wie immer einen Orangensaft bestellt, während sich Matt eine Cola genehmigte.

„Sag mal…“, begann sie leise und schaute zu ihm, „warum wolltest du dich eigentlich mit mir verabreden?“

Matt lächelte leicht und es bildeten sich kleine Grübchen in seinem Gesicht. „Nun ja, ich finde dich wirklich eine sehr interessante Persönlichkeit“.

„Das sagst du bestimmt zu jeder, die mit ihr ausgeht“, entgegnete Mimi unbeeindruckt, „aber trotzdem danke“.

Sie kannte diese Sprüche in und auswendig. Michael hatte oft so etwas Ähnliches zu ihr gesagt, nur um sie milde zu stimmen.

Worte waren eben nur Worte. Manchmal bedeuteten sie sehr viel. Manchmal verbarg sich jedoch nur viel Schall und Rauch dahinter.

„Ich meine es aber ernst, Mimi“, sagte er mit Nachdruck und schaute sie dringlich an.

Ihr wurde augenblicklich ganz warm. So einen Blick hatte sie bei Michael nie gesehen. Er wirkte interessiert und gleichzeitig liebevoll.

Er schien sie wirklich zu mögen. Er sah sie an, so als wäre sie das einzige Mädchen, für das er sich je interessieren würde. Das erste Mal seit langem fühlte sie sich wieder begehrenswert.

„Ach da kommt ja schon unser Essen“, lenkte sie vom Thema ab und deutete auf den Kellner, der zwei große Teller balancierte. Er stellte sie ab und wünschte dem Paar einen guten Appetit.

„Das sieht wirklich unglaublich lecker aus“, schwärmte Mimi und sah zu Matt, der das Gleiche aß wie sie.

„Das ist es auch, glaub mir. Ich habe einen guten Geschmack“, kommentierte er und begann zu essen.

Mimi lächelte schüchtern und fing ebenfalls zu essen an.

Es war wirklich sehr lecker. Vielleicht etwas zu Kalorienreich, aber bei einem Date sollte man wohl eher auf etwas anderes achten.

Beide wirkten für einen Moment glücklich.

Alle Probleme, die sie umgaben, schienen für den Moment nicht zu existieren. Mimi dachte, das erste Mal nicht an Kari und ihre Abtreibung, sondern konzentrierte sich nur auf Matt und sie.

Auch der Blondschopf schien seine Familienprobleme vergessen zu haben und schaute immer wieder kurz zu Mimi, die einfach nur bezaubernd aussah. Das pinke Kleid passte perfekt zu ihrem leichtgebräunten Hautton. Ihre Pony hatte sie zurückgesteckt, währen der Rest ihrer langen Mähne locker über ihre Schultern fiel.

Es passte einfach alles.

Die Stimmung. Das Ambiente. Matt und Mimi, die sich schmachtende Blicke zuwarfen.

Doch keiner konnte ahnen, dass alles nur eine winzige Momentaufnahme war, die jeden Augenblick wieder vorbei sein konnte.
 


 

„Sie ist wirklich unglaublich süß“. Beide saßen auf dem Boden und hatten ihre himmelblaue Krabbeldecke ausgebreitet. Takeru hielt sie im Arm, während sie mit den kleinen Fingern immer wieder nach seinem Lederarmband schnappen wollte.

Kari sah direkt neben ihm und betrachtete seine Schwester genau.

Sie sah ihm wirklich sehr ähnlich.

Ein blonder Haarflaum wuchs unregelmäßig auf ihrem Kopf und sie schaute einen mit ihren großen blauen Augen an. Sie hatte die gleich Nase wie Takeru, auch wenn ihre um einiges kleiner war.

Die Brünette fuhr ihr mit dem Finger über ihre Wange, sodass sie freudig gluckste.

„Ich glaube sie mag dich, aber das ist auch kein Wunder“, meinte Takeru lachend, „jedes kleine Kind scheint dich zu lieben“.

Nicht jedes.

Ihr Baby würde sie sicher nicht lieben. Sie hatte sich gegen sie oder ihn entschieden. Sie hatte Angst, die Verantwortungen würde sie erschlagen und auf Dauer überfordern.

Sie war noch nicht bereit.

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte TK besorgt und musterte sie eindringlich.

Hikari war ganz in ihren Gedanken versunken gewesen und merkte gar nicht, dass schon fünf Minuten Stille im Raum herrschte.

Er hatte etwas gesagt, dass sie aus der Bahn warf. Sie musste sich schnell wieder sammeln, ansonsten würde er noch etwas merken.

„Mir geht´s super. Ich war gerade nur mit den Gedanken bei…“, sie überlegte kurz, „bei Mimi. Sie hat doch heute ein Date mit Matt“.

Sie versuchte ruhig zu bleiben, auch wenn sie gerade selbst, dieses schmerzliche Thema wieder in ihre Gedanken gerufen hatte.

Sie wollte nicht daran denken, dass Matt und Mimi sich näher kamen, sich küssten und vielleicht sogar noch weitergingen. Hikari konnte wirklich nicht verstehen, dass sie immer das bekam, was sie auch wollte. Immer stahl sie ihr die Show. Selbst Matt war von ihr fasziniert.

Auch ihr eigener Bruder schien irgendwas für sie übrig zu haben, ansonsten würden sie sich nicht den lieben langen Tag necken.

Konnte sie nicht einfach Tai nehmen und Matt dafür in Ruhe lassen?

„Du sag mal…“, begann Takeru langsam und vergrub die Nase in dem zarten Haarflaum seiner Schwester. „S-Stehst du immer noch auf ihn?“

„Ehm…“, Kari kam ins Straucheln. Irgendwie hatte sie schon noch starke Gefühle für ihn, aber sie wusste nicht ob es wahrhaftig Liebe war. Woher sollte sie es auch wissen, bisher hatte sie in dieser Beziehung nur Enttäuschungen hinter sich. Außerdem wollte sie sich vorerst mit keinem Mann rumschlagen. Sie brauchte noch Zeit.

„A-Also ich weiß es nicht“, beantwortete sie wahrheitsgemäß. „Ich glaube schon, dass ich ihn noch mag, aber ob das Liebe ist? Ich weiß es nicht“.

„Okay“, antwortete er knapp und wand den Blick von ihr.

Gut sie hatte ihm keine eindeutige Antwort auf seine Frage gegeben, aber ihr Blick verriet ihn einiges. Sie war wohl immer noch in Matt verliebt.

„Wie ist es denn bei dir und deiner speziellen Freundin?“, stellte sie die Gegenfrage.

Spezielle Freundin? Was? Wen meinte sie…DAVIS! Er hatte ihr an der Willkommensparty von Mariko erzählt.

„Also…naja…es ist kompliziert“.

„Kompliziert?“, wiederholte Kari mit hochgezogener Augenbraue.

Davis hatte doch erzählt, dass TK und seine spezielle Freund ein gewisses Hobby miteinander teilten – das sich Kari absolut bei ihrem besten Freund nicht vorstellen konnte.

Er war immer nett, zuvorkommend, respektvoll und süß. Er würde ein Mädchen nie so behandeln. Da war sie sich sicher.

„Stimmt es denn was Davis sagt? Ist sie wirklich deine spezielle Freundin für gewisse Bettaktivitäten?“

Sein Gesicht wurde immer heißer und er hatte das Gefühl vor aufkommender Peinlichkeit jeden Augenblick zu ersticken. Kari sah ihn auffordernd an und wirkte sehr interessiert an der Sache. Genausgenommen war es keine Sache.

Es war sein Sexleben, das sie zu interessieren schien.

„Und wenn es so wäre, w-warum interessiert es dich denn?“

„Naja du bist mein bester Freund und hast in keiner einzigen Mail erwähnt, dass du spezielle Freundinnen hast“, erinnerte sie ihn und rückte ganz nah an ihn heran.

Sein Herz begann plötzlich wie wild zu schlagen und drohte ihm aus der Brust zu springen.

Ihr Parfüm stieg ihm in die Nase und sie wirkte so unfassbar anziehend, dass er am liebsten alles vergessen und sie küssen wollte.

Doch er durfte nicht. Sie war seine beste Freundin. Außerdem liebte sie seinen Bruder.

Er würde, auch wenn er Matt immer ähnlicher wurde, nie eine Chance bei ihr haben.

Er war einfach nicht er. Er war einfach nur der gute Freund.

„Okay erstmal ist es nur eine spezielle Freundin. Und außerdem was ist schon dabei? Wir haben es doch geklärt“, erklärte er und Kari warf sich in ihre ursprüngliche Sitzposition zurück.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte leicht den Kopf. „Also früher warst du nicht so gewesen“.

Er lächelte schief, stand auf und legte seine Schwester in den Laufstall, den sie kurzer Hand als Bettchen umfunktioniert hatten.

„Wir verändern uns alle, meinst du nicht Hika?“

Er lehnte sich lässig gegen die Küchentheke und grinste schelmisch, sodass Kari automatisch rot anlief. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund, fand sie ihn, so wie er da stand und sie anschaute, ziemlich sexy. Sie erschreckte sie selbst über diesen Gedanken.

Takeru und sexy? Wahrscheinlich projizierte sie kurzzeitig ihre Gefühle für Matt auf ihn.

Sie hatte ihn in so einem Zusammenhang noch nie gesehen. Für sie war er immer ihr bester Freund gewesen. Nie mehr.

Wahrscheinlich war sie einfach nur erschrocken über ihn und seine Verwandlung im letzten Jahr, sodass sie ihn zeitweilig in einem anderen Licht wahrnahm.

Er hatte also eine Beziehung zu einem Mädchen, die nur aus Sex bestand? Klar, dass sie Takeru das am wenigstens zugetraut hatte.

Aber so war es eben. Sie fragte sich, wie er reagieren würde, wenn er von ihrem letzten Jahr erfahren würde. Wäre er geschockt? Würde er sie verachten? Wollte er dann überhaupt noch etwas mit ihr zu tun haben wollen?

Gerade als Hikari etwas sagen wollte, ertönte ein schriller Schrei. Sie stand auf und stellte sich neben Takeru, der sie wiederum verwirrt ansah.

„Was hat sie denn? Wir haben sie doch schon gefüttert und ins Bett gelegt!“

„Vielleicht hat sie in die Windeln gemacht“, schlussfolgerte Kari und hob sie hoch.

Der Blonde grinste unbeholfen und fühlte sich auf einmal vollkommen überfordert. Er wusste noch nicht mal wie man Windel wechselte...

Kari roch schon das Übel und nickte bestätigend. „Eindeutig. Sie hat die Windeln voll“.

„Ehm, nicht dein ernst? Was mach‘ ich jetzt?“

„Die Windel wechseln?“, schlug Kari fast schon fragend vor.

„Ich hab das aber noch nie gemacht“, murmelte er zähneknirschend und wirkte verzweifelt.

Kari kicherte leise und ging mit Saya an ihm vorbei. „Komm ich zeig‘ dir wie es geht“, bot sie ihm an und ging mit ihm in das Zimmer der Kleinen.

Sie legte Saya auf den Wickeltisch und knöpfte ihr den Strampler auf. Dann öffnete sie die Windel und fand eine wilde Bescherung vor.

„Man das stinkt“, grummelte der Blonde und hielt sich prompt die Nase zu.

Typisch Mann.

„Stell dich nicht so an“, meinte sie und warf die benutzte Windel in den Mülleimer. Danach machte sie Saya sauber und zog ihr eine neue Windel an.

Zum Schluss knöpfte sie noch ihren Strampler zu und fertig.

Saya gluckste zufrieden, als Kari sie wieder auf den Arm nahm.

„Wow Respekt. Das hätte ich sicher nicht so hinbekommen“, gestand sich TK ein und staunte nicht schlecht, „ich bin wirklich froh, dass du wieder hier bist“.

Er lächelte schief und fischte ihr mit dem Finger eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus ihrer Spange gelöst hatte.

Das Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit stellte sich bei beiden ein. Takeru war wirklich der einzige Junge, bei dem sie so sein konnte, wie sie war. Er hatte sie nie verurteilt und stand immer hinter ihr.

„Ich bin auch sehr froh wieder hier zu sein“, sagte sie fast flüsternd.

Es war ein Moment, den sie mit ihm teilen durfte. Beide standen sehr nah beieinander und schauten sich jeweils in die Augen.

Während Takeru sie mit bloßem Verlangen anschaute und sich innerlich regelrecht zurechtweisen musste, seine Lippen nicht auf ihre zu legen, überkam Hikari plötzlich ein Gefühl, dass sie bisher noch nicht kannte.

Jedenfalls nicht so. Doch es war wiegesagt nur ein Moment, der schnell wieder vergehen konnte.

Und er verging, mit nur einem Satz, den Takeru zu ihr sagte: „Du wirst sicher mal eine gute Mutter werden“.

Karis Augen weiteten sich und ihre Kehle wurde augenblicklich sehr trocken. Sie hatte das Gefühl, dass die Tränen in ihre Augen stiegen, deswegen schaute sie schnell zu Boden.

Sie drückte Saya kurz fest an sich, als sie plötzlich das kleine Mädchen überfordert an Takeru weiter reichte.

„T-Tut mir leid. Ich habe vollkommen vergessen, dass ich noch etwas anderes vorhabe. Ich muss jetzt gehen“, faselte sie schnell ohne ihn nur anzuschauen.

Irritiert über ihren plötzlichen Sinneswandel, folgte er ihr mit samt Saya ins Wohnzimmer. Fast schon panisch schnappte sie sich ihre Jacke und wollte zur Tür gehen, als Takeru sie sanft zurückhielt.

„Was ist denn los? Habe ich etwas Falsches gesagt?“

Kari schüttelte nur den Kopf und wiederholte, dass sie jetzt dringend gehen müsste. Sie wollte nicht vor ihm zusammenbrechen und nach irgendeiner Erklärung suchen, warum sie weinte.

„Mir geht´s gut. Nur ich muss jetzt wirklich weg“, sagte sie und Takeru ließ sie ziehen.

„Okay, aber hey“, begann er leicht hektisch, „wollen wir vielleicht am Samstag etwas unternehmen? So wie in den guten alten Zeiten?“

Kari presste die Lippen aufeinander, riss sich zusammen, setzte ein Lächeln auf und drehte sich zu ihm. „Klar, warum nicht?“

TK grinste zufrieden und wippte ein wenig vor Freude. „Okay, samstags um drei im Park?“

„Ja. Tut mir leid, dass ich so schnell weg muss“, verabschiedete sie sich und hörte noch wie er ihr ein „Bis Samstag“ nachrief.

Sie lief jedoch in rastender Geschwindigkeit die Treppen hinunter. Erst als sie das Wohnhaus von TKs Mutter verlassen hatte, ließ sie ihren Tränen freien Lauf.

Sie lehnte sich gegen die Hauswand und schnappte nach Luft, so als würde sie hier draußen, das erste Mal seit langem wieder atmen können.

Er hatte tatsächlich zu ihr gesagt, dass sie eine gute Mutter abgeben würde.

Was dachte er sich nur dabei? Sie hatte nur eine Windel gewechselt, dass machte aus ihr noch lange keine gute Mutter.

Wahrscheinlich würde sie das nie werden. Sie hatte ihre Chance.

Und sie hatte es gnadenlos versaut.

Eine gute Mutter?

Niemals. Dieser Zug war abgefahren.
 


 

Momente waren dazu da genossen zu werden. Natürlich konnte man nicht davon ausgehen, dass sie ewig hielten, doch manchmal wendete sich das Blatt einfach zu rasant.

Vor wenigen Minuten hatte man noch ein entspanntes Date und schon wurde alles zu Nichte gemacht.

Noch nicht mal in Ruhe essen konnten sie. Nein, alles wurde auf einen Schlag zerstört.

Aber was erwartete sie auch, wenn sie mit jemandem essen ging, dessen Band immer bekannter wurde.

Sogar eine Fansite hatte er bereits, was sie aus dem Gegröle der unzähligen Mädels herausfinden konnte.

„Es tut mir leid“, meinte er zu ihr, als plötzlich ein Fan nach dem anderen auftauchte.

Irgendwo war wohl eine Fan-Epidemie ausgebrochen.

Das konnte doch nicht wahr sein. Irgendwo befand sich doch ein Nest.

Mimi wurde immer ungeduldiger und ihr Gesicht verfinsterte sich ungemein.

Drei junge Mädchen standen um Matt herum und wollten Autogramme und Fotos von ihm haben. Zeit zum Essen blieb nicht wirklich.

Angesäuert ließ sie die Gabel auf den Teller sinken und wusch sich mit der Servierte den Mund ab.

„Ich gehe schon mal raus. Hier wird es mir definitiv zu voll“, meinte sie und schnappte sich enttäuscht ihre Jacke.

Matt konnte gar nicht so schnell reagieren.

Sie drückte sich an seinen Fans vorbei, die ihr laut ins Ohr kreischten, und fand schnell den Weg nach draußen. Sie schnappte frische Luft und stöhnte laut auf. Dann lehnte sie sich gegen die Hauswand des Restaurants und fuhr sich über die Stirn.

Das war wohl eines dieser bekannten Desaster-Dates, über die sie sich immer im Fernsehen lustig gemacht hatte. Sie fingen immer traumhaft an und endeten meist in einer puren Katastrophe.

Wieder sah sie zwei junge Mädchen, die zu dem Restaurant gelaufen kamen und vor Freude quietschten, als sie Matt tatsächlich entdeckten.

Toller Mist. Das würde sicher noch Stunden dauern.

Sie verrollte die Augen und wand ihren Blick zur anderen Straßenseite.

Ihr stockte der Atem und ihre Oberlippe zuckte vor Zorn.

Das durfte doch nicht wahr sein.

Mit einem wutverzerrten Gesicht, rannte sie auf die Person zu, die sie von der anderen Straßenseite zu beobachten schien.
 


 

Sein Rucksack klapperte, als er den schmalen Weg entlang wanderte. Es dauerte keine fünf Minuten mehr und sie würden endlich die Spitze des Berges Ena erreichen.

Joe hatte wirklich gedacht, sie würden mit dem Bus hinauffahren, da eine gut ausgeschilderte Straße dort hinführte. Auch als Asuka mitteile, dass man mit dem Bus nur knapp eineinhalb Stunden brauchen würde, war er sich sicher gewesen, dass sie nicht laufen würden.

Doch heute Morgen überraschte sie Herr Haruno, Asukas Vater, alle damit, dass sie hochwandern würden. Meistens fuhren sie nur hoch, wenn das Wetter schlecht war, doch ausgerechnet heute schien die Sonne und umhüllte alle mit ihrer Wärme.

Joe hatte wirklich bis zum Ende gebetet gehabt, dass es doch noch regnen würde.

Doch irgendeine höhere Macht wollte ihn wohl auf den Berg hochtreiben.

Und im Nachhinein war er deswegen sehr froh gewesen.

Er sah so viele Dinge, auf die er beim Vorbeifahren nie geachtet hätte.

Sie starten die Tour bereits um acht und hatten ihre Rucksäcke mit Proviant vollgepackt, der sich nach und nach immer mehr leerte.

Sie kamen an einer Stelle vorbei, bei der vor Jahren einmal ein Erdrutsch den Wanderweg blockierte. Davon war allerdings kaum noch etwas zu sehen.

Nur aus den lebhaften Erzählungen von Herr Haruno konnte sich Joe vorstellen, wie es hier mal ausgesehen haben könnte.

Nach ungefähr zwei Stunden kamen sie an der ersten Hütte an und machten eine halbe Stunde Rast. Der Ausblick war einfach fantastisch.

Natur pur eben. Der Himmel war klar und die Luft war so sauber, dass sich Joe dadurch regelrecht beflügelt fühlte weiter zu gehen.

Nach circa 40 Minuten kamen sie an einem kleinen Teich an, der Nogumanoike hieß. Eine kleine Hütte befand sich ebenfalls dort. Hier machten sie eine längere Rast.

Sie beobachteten Vögel und aßen ihren mitgebrachten Proviant, der hauptsächlich aus Sandwichen bestand. Joe genoss den Moment der Ruhe und atmete tief durch.

Er trank an seinem Wasser und setzte sich auf einen kleinen Felsvorsprung, der ihm einen guten Rundumblick gewehrte.

In diesem Moment wusste er, dass er etwas richtig gemacht hatte.

Es war die erste Entscheidung, die er selbstständig und ohne Druck seines Vaters getroffen hatte.

Und es fühlte sich so unglaublich befreiend an.

Nach der Rast machten sie sich auf direkten Weg zum Gipfel des Berges Ena.

Es dauert ein bisschen, bis alle oben waren. Der Ausblick war der Wahnsinn, auch wenn Joe eigentlich keine Vergleichssituation hatte.

Er sah viele Bäume und den weiten, fast schon unendlich wirkenden Himmel.

Er war frei. So frei wie ein Vogel.

Plötzlich stand Asuka neben ihm und lächelte leicht. „Es ist wirklich toll oder?“

„Ja unfassbar schön“, antwortete er und seine Augen begannen zu Funkeln.

Er richtete seine Brille und zog seine Mütze, die er die ganze Zeit wegen der Sonne trug, ab. #

Er stellte sich hin, breitete die Arme aus und schrie so laut er nur konnte: „Ich bin endlich frei!“
 


 

„Das darf doch nicht wahr sein“, brüllte sie ihr Gegenüber an, das sich schon versucht hatte vor ihr zu verstecken. „Bist du schon so verzweifelt das du mein Date mit Matt sabotieren musst?“

Er grinste nur und fasste sich an den Kopf.

„Ich habe nichts Schlimmes gemacht. Ich habe nur einen kleinen Tipp auf der Seite hinterlassen, mehr nicht“.

„Mehr nicht?“, wiederholte sie wütend und stapfte mit dem Fuß auf, „du bist so ein Arsch. Kannst du dich auch mal aus meinen Angelegenheiten raushalten, Tai?“

Taichi runzelte die Stirn und dachte kurz nach. „Nein kann ich nicht. Außerdem hast du mir keine andere Wahl gelassen“.

„Was? Du spinnst doch! Kümmere dich doch einfach um deine Angelegenheiten!“

„Das mach ich doch“, gab er zurück und schaute sie herausfordernd an.

Mimi schüttelte nur mit dem Kopf und fragte sich, warum sie ihm noch keine reingehauen hatte.

Er hatte es wirklich mehr als verdient. Er trieb sie wirklich zur Weißglut.

„Das hier geht dich gar nichts an!“, knurrte sie und petzte ihm in den Arm.

„Aua, das tut weh!“, protestierte er und hielt automatisch ihren Arm fest. Er machte mit ihr eine halbe Drehung und drückte sie gegen die Wand des Gebäudes, an dem er die ganze Zeit gestanden hatte.

Er stellte sich vor sie und hatte ihre Arme neben sie an der Wand abgedrückt.

Sie fragte sich allmählich was das Ganze sollte.

War er doch eifersüchtig? Und warum begann ihr Herz plötzlich schneller zu schlagen, wenn er sich

so nah bei ihr befand?

„Hör zu“, begann er in einem ruhigeren Ton, „Ich habe wirklich kein Problem damit, wenn du dich mit anderen Kerlen triffst und weiß Gott, was mit ihnen treibst, aber lass bitte die Finger von Matt“.

Mimi stand der Mund offen. Was bildete er sich nur ein?

Sie schupste ihn unsanft beiseite, sodass er ins Straucheln kam und mit seinen Armen wild umher wedelte. Er kam zum Stehen, sah sie jedoch äußerst böse an.

„Du bist wohl nicht mehr ganz dicht“, zischte er zu ihr und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Das gebe ich gerne an dich zurück!“, antwortete sie zickig und rollte wieder mit den Augen. „Du hast mir gar nichts zu sagen. Also misch dich gefälligst nicht ein!“

„Man du bist so eine verdammte Zicke! Versteh doch mal, das du damit andere Leute verletzen würdest“, warf er ihr, völlig in Rage gekommen, an den Kopf.

„Ach, bist du etwa doch eifersüchtig?“, schlussfolgerte sie daraus, was er sofort verneinte.

Mimi schüttelte nur den Kopf.

Er war nicht nur ein Idiot, sondern auch ein Feigling, der anscheinend nicht zu seinen Gefühlen stehen konnte.

„Ach und warum soll ich mich dann von ihm fern halten?“

„Sag mal bist du blind oder so? Weil Sora in ihn verliebt ist“, platzte aus ihm hervor, auch wenn er seine Worte augenblicklich wieder bereute.

Mimis Augen hingegen weiteten sich unter dem Schock und starrten ihn an.

Sora war in Matt verliebt?

Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet.
 

Fortsetzung folgt…

Perspektivenwechsel.


 

We can all be loved the way God made us.

Nina, X. Ed Sheeran, 2014.
 


 

14. Dezember 2009. Odaiba, Japan. Izzys Zimmer.
 

Eine Berührung. So fing alles an.

Eine gottverdammte Berührung änderte alles. Es führte sie in eine komplett andere Richtung, mit der sie einfach nicht gerechnet hatten.

Dabei waren sie meistens nur zusammen etwas essen gegangen.

Mehr nicht.

Sie redeten noch nicht mal über tiefgreifende Probleme, die in ihren Herzen verborgen lagen, sondern nur über belanglose Dinge. Nichts Ernstes.

Und dann auf einmal änderte sich alles. So als hätte eine höhere Macht einfach andere Pläne für sie gehabt.

Es war einer dieser Tage, an dem nichts so wirklich rund lief.

Izzy war schon wieder mit dem Ausarbeiten einer neuen Präsentation beschäftigt, bei der Yolei sich abermals bereit erklärt hatte zu helfen.

Sie sah es als eine Art Wiedergutmachung an. Neben dem Statistikkurs, konnte sie immer zu ihm kommen, wenn sie irgendwelche technischen Probleme hatte.

Von Izzy hatte sie auch schon sehr viel über Computer gelernt, sodass sie regelrecht eine Zeitlang von ihm schwärmte. Anscheinend war Intelligenz das neue Sexy.

Sie wusste auch nicht wie, dass alles geschehen konnte. Es ging einfach zu schnell.

Beide hatten den halben Abend zusammen gesessen und an seiner Präsentation gearbeitet, während Tai und Matt unbedingt auf den Weihnachtsmarkt gehen wollten.

Izzy hatte sogar eine Kleinigkeit für sie gekocht. Nichts Großes. Ein paar Nudeln mit selbstgemachter Bolognesesoße.

Danach hatten sie sich ganz auf die Arbeit konzentriert, bis Izzy aufgefallen war, dass Yolei am Mund noch etwas Soße hatte.

„Warte du hast da noch was“, sagte er lachend und beugte sich zu ihr rüber. Beide saßen auf seinem Bett und hatten den Laptop und einigen Papierkram ausgebreitet.

Yolei beobachtete ihn genau.

Er hielt ihr Kinn hoch und rieb mit seinem Daumen den Soßenrest von ihrem Gesicht.

Ihr Herz begann plötzlich schneller zu schlagen, obwohl es bei ihm noch nie passiert war.

Eine Zeitlang dachte die Lilahaarige, dass sie sich auf dem besten Wege war in Ken zu verlieben.

Er war immer für sie da gewesen und hörte ihr aufmerksam zu, wenn sie Probleme hatte.

Doch er hatte nie irgendwelche Anstalten gemacht, mit ihr auszugehen.

Wahrscheinlich wäre es in einer einseitigen Katastrophe geendet, was besonders prekär war, da sie mit ihm zusammen wohnte.

Vielleicht hatte sich ihr Herz schon längst um entschieden. Sie hatte es möglicherweise gerade erst realisiert.

Der Blick. Die Berührung. Das unsichere Lächeln. Etwas zeigte ihr, das der Moment gekommen war. Der Moment, etwas zu riskieren.

Sie starrten sich noch wenige Momente an, bevor sich ihr Verstand verabschiedete und sie nur noch nach Gefühl handelten.

Yolei rückte näher an ihn heran und biss sich leicht auf die Unterlippe.

Izzy hatte mittlerweile seine Hand zurückgezogen und schaute sie sprachlos an.

Ihm fehlten irgendwie die Worte.

Er konnte sich noch nicht mal erklären warum. Vor ein paar Minuten, war alles in Ordnung gewesen, doch jetzt herrschte eine Atmosphäre in seinem Zimmer, die ihn dazu veranlasste, Yolei mit anderen Augen zu sehen.

Eigentlich war sie immer ein sehr hübsches Mädchen gewesen, das nicht sonderlich aus der Masse herausstach. Und sie waren auch relativ lange befreundet gewesen, dass er sie gar nicht als mögliche Partnerin wahrnahm, obwohl sie alle Attribute einer Frau hatte, mit der er mal zusammen kommen wollte.

Sie war hübsch, intelligent und wortgewandt. Okay, vielleicht auch ein bisschen laut, aber Gegensätze zogen sich ja bekanntlich magisch an.

Bei ihnen schien es genauso zu sein. Es lief alles wie in einem dieser Kitsch-Filme ab, die Yolei eigentlich hasse.

Er rückte noch ein Stückchen näher an sie und streichelte zart ihre Wange. Dann legte er seine Hand in ihren Nacken und zog sie näher an sich heran.

Yolei legte ihre Hand sanft aus seine Schulter und schluckte, als er ihr immer näher kam.

Dann traf es sie wie ein herrliches Sommergewitter im August.

Er legte seine Lippen auf ihre und verstärkte den Druck in ihrem Nackenbereich. Sie schlang daraufhin beide Arme um ihn und drückte ihn noch näher an sich.

Er fühlte sich wie im Nebel, auch wenn er ihre Nähe sehr genoss.

Sie wusste nicht, was sie überhaupt noch fühlen sollte.

Es waren so viele Eindrücke, die über ihr zusammenzubrechen schienen. Dennoch war es richtig.

Es war der Beginn von etwas Neuem.
 


 

21. Dezember 2009. New York, USA. Studentenwohnheim.
 

Sie standen im Flur des Wohnheimes, als April gerade mit ihrem Koffer vorgerollt kam.

„Ich denke ich habe jetzt alles“, meinte sie und schaute zu Kari und den Jungs.

Wallace stand an die Wand gelehnt und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Er schnaufte erleichtert und bewegte sich leicht. „Zum Glück. Sonst verpassen wir noch unsere Anschlüsse!“

„Ja tut mir leid“, sagte die Blonde entschuldigend, „ich habe wirklich gedacht, dass mein Pass in meiner Handtasche ist“.

„Schon gut, das Taxi kommt ja erst in zwanzig Minuten“, erwiderte Wallace ruhig und schaute zu Peter, der damit beschäftigt war, April heimlich anzustarren.

Er konnte wirklich nicht verstehen, warum er einfach nicht den ersten Schritt machte.

Die beiden würden sicher ein super Paar abgeben.

Seltsam und Schräg – das passte doch wie die Faust auf Auge.

Der Blonde musste leicht grinsen, als er sich die beiden küssend und sich zueinander ihre Liebe säuselnd vorstellte. Letztendlich würde er sowieso nachhelfen müssen.

„Ich gehe gerade noch mal zur Toilette. Hältst du kurz meine Tasche, Kari?“

„Ja klar, geh nur“, antwortete die junge Yagami und nahm ihr die Tasche ab. Danach verschwand sie nochmals im Zimmer.

„Und was machst du an Weihnachten so?“, fragte Peter interessiert und legte den Kopf schief.

Von Wallace wusste er bereits, dass sie nicht nach Hause fliegen würde. Trotzdem konnte er sich nicht vorstellen, dass Hikari alleine Weihnachten hier im tristen Wohnheim feiern würde.

„Mimi hat mich eingeladen. Wir verbringen die Feiertage bei ihr“.

„Cool. Kannst ihr ja einen lieben Gruß ausrichten“. Peter lächelte leicht, während Kari zurückhaltend nickte.

„Man wo bleibt sie nur?“ Wallace wurde allmählich ungeduldig und stapfte wütend mit dem Fuß auf.

„Beruhig dich mal“, tadelte Peter ihn und verzog das Gesicht zu einem Grinsen. „Du willst doch nur nicht diesem komischen Weihnachtsmann von gestern begegnen!“

„Red‘ keinen Quatsch!“, zischte er zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Welcher Weihnachtsmann?“, wollte Kari wissen und runzelte die Stirn.

Peter deutete nach draußen und erzählte von dem Mann, der sich als Weihnachtsmann verkleidet hatte, um Spenden für obdachlose Kinder zu sammeln.

Er hatte sich direkt vor dem Campusgelände niedergelassen und kam immer kurz vor vier am Haupteingang vorbei.

„Weißt du, Wallace hat Probleme mit Menschen, die sich verkleiden“, ergänzte Peter schelmisch grinsend.

„So ein Quatsch. Ich mag nur keine Clowns“, korrigierte der Blonde und wurde leicht rot um die Nase.

„Clowns?“, wiederholte Kari irritiert.

„Ja, er hasst Clowns. Und gestern dachte er, dass der Weihnachtsmann einer wäre, weil seine Schminke verlaufen war“.

„Jaja. Er sah aber auch verdächtig danach aus“, pflichtete er dramatisch hinzu. „Außerdem war es schon dunkel und jeder kann sich mal irren“.

„Und warum magst du keine Clowns?“, erkundigte sich die Brünette interessiert und musterte ihn skeptisch.

Wallace hasste Clowns? Das war das erste, was sie hörte. Vielleicht kannte sie ihn doch nicht so gut, wie sie dachte oder es war ihm einfach nur peinlich. Wer gab schon gerne eine Abneigung gegenüber Clowns zu?

Klang ja auch sehr suspekt.

Wallaces Blick richtete sich zu Boden, um den Blicken der anderen beiden auszuweichen.

„Sagen wir es mal so, ich hatte in meiner Kindheit ein unschönes Erlebnis mit einem Clown“.

Kari wirkte jedoch nur noch verwirrter als vorher und warf einen fragenden Blick zu Peter, der immer noch bis über beide Ohren grinste.

„An seinem Geburtstag wäre mal ein Clown beinahe abgenibbelt. Das war anscheinend sehr traumatisch für unseren lieben Wallace“, erklärte er und tätschelte ihm den Hinterkopf.

Wallace ging ruckartig zurück und schenkte ihm einen bösen Blick.

„Dir erzähle ich auch nichts mehr“, knurrte er und zog die Augen zu Schlitzen.

Warum musste Peter ihn ausgerechnet vor Kari blamieren? War er lebensmüde geworden? Oder hatte er einen Adrenalinkick, weil er sich gleich mit April ein Taxi teilen durfte?

Wallace schnaubte nur. Er hatte wirklich den längsten Weg von allen, abgesehen von Hikari, die jedoch hier in New York bleiben würde.

Er hatte zwar einen Direktflug, aber trotzdem würde er fast sechs Stunden alleine in einem Flieger sitzen. Sowohl Peter als auch April hatten es nicht soweit.

Er hatte die sogenannte Arsch-Karte gezogen und musste wohl in den sauren Apfel beißen.

Peter und er wollten zu Silvester wieder in New York sein. April wusste noch nicht, ob sie es bis dahin schaffte. Kari wollte solange bei Mimi wohnen.

„So bin jetzt fertig“.

„Endlich“, atmete Wallace erleichtert aus. „Aber dein Cello lässt du hoffentlich hier. Ich trag das Ding nicht“.

April wank lachend ab. „Ich habe noch eins zuhause. Das haben mir meine Eltern extra fürs Studium gekauft“.

„Ach wenn das so ist, dann sollten wir jetzt gehen“, bestand Wallace und lotste sie zum Ausgang. Peter war so frei und rollte seinen und Aprils Koffer bis vor zum Taxi, während Wallace nur den Kopf schüttelte.

Man sah ihm das „Hoffnungslos Verliebt sein“ bereits an. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er sich vollkommen zum Elch machte. Er war einfach liebestollwütig.

Aber das war nicht sein Problem. Er fragte sich mittlerweile, ob er Hikari einfach aus seinem Herzen verbannen sollte. Sie hatte ihm deutliche Signale gesendet. Sie wollte nicht mehr als Freundschaft.

Da konnte er sich auf den Kopf stellen und mit dem Hintern wackeln und ihre Gefühle würden sich in hundert Jahren nicht ändern.

Vielleicht brauchte er diesen Abstand, um sich klar zu machen, wo er sich befand. Als Freundin wollte er sie sicher nicht verlieren, dafür war sie ihm einfach zu wichtig geworden. Alles was er brauchte war Zeit.

„Okay, wir sehen uns dann irgendwann nach Weihnachten“, sagte Hikari und drückte zuerst April, dann Peter und zum Schluss Wallace. „Ich wünsche ich schöne Feiertage!“

„Wir dir auch“, riefen sie im Chor und beluden das Taxi.

Es dauerte einige Minuten, dann stiegen sie ein. Wallace nahm neben dem Fahrer Platz, während sich April und Peter auf die Rückbank verzogen. Alle drei wanken Hikari zum Abschied zu, bis sie nicht mehr in Sichtweite war.

Die Brünette stand am Haupteingang und blickte ihren Freunden eine Zeitlang wehmütig nach.

Auch wenn es schwer war, hatte sie in ihnen Freunde gefunden, denen sie vertrauen konnte.

Und jetzt hieß es vorerst, ohne sie zurechtzukommen.
 


 

„Ach ich liebe Weihnachten ja, hab ich das schon erzählt?“, fragte Yolei, die auf dem Sessel saß und eine volle Teetasse in der Hand hielt.

„Ja hast du. Schon gefühlte zweihundert Mal“, murrte Davis augenverdrehend und lümmelte sich mit Takeru auf der Couch herum. Ken saß auf dem anderen Sessel.

„Man Davis du hast vielleicht eine miese Laune. Iss mal mehr Schokolade, das macht glücklich“.

„Und fett“, ergänzte er und grummelte laut vor sich hin.

„Du bist heute wirklich mies drauf. Was ist los?“, wollte Takeru wissen und sah ihn besorgt an.

Davis schüttelte nur den Kopf und setzte sich leicht auf.

„Nichts. Ich habe nur keine Lust mit meinen Eltern und meiner dummen Vorzeige-Schwester Weihnachten zu feiern. Die machen dich doch eh nur alle über meine Träume lustig“, stellte er resigniert fest.

Egal was er auch vor hatte, seine Eltern schienen in ihm das schwarze Schaf zu sehen, dass einfach mit Jun nicht mithalten konnte. Es nervte ihn daher, immer mit ihr verglichen zu werden. Er war eben nicht sie. Aber er war auch nicht schlechter. Er war eben anders.

Auch Takerus Laune schien sich umgeschlagen zu haben.

Seine Mutter war schwanger und hatte ihn, seinen Vater und Matt zum Weihnachtsessen eingeladen, um die Familie auf den Neuankömmling vorzubereiten.

Während Takeru immer noch Kontakt zu seinen Eltern hatte, ging ihm Matts Trotzverhalten immer mehr auf den Senkel. Er hatte sich weder bei seinem Vater, noch bei seiner Mutter gemeldet. Wahrscheinlich würde er zu Weihnachten mit Abwesenheit glänzen.

Er ignorierte die Tatsache, dass sich bald etwas verändern würde.

Sie hatten bald einen Bruder oder eine Schwester, die sie beschützen mussten.

Jedenfalls sah Takeru es so.

Doch Matt war alles egal geworden. Er wollte nichts mit seiner Familie zu tun haben, geschweige denn ihnen eine zweite Chance geben.

Ken hingehen freute sich auf das Weihnachtfest mit seinen Eltern, auch wenn sie jedes Jahr, das Gleiche machten. Zuerst besuchten sie Sammy auf dem Friedhof, dann gingen sie gemeinsam, etwas bei ihrem Lieblingsitaliener essen. Und später sahen sie sich alte Schwarz-Weiß-Schinken im Fernsehen an, die Ken und sein Vater so sehr liebten.

Das einzige was ihn zurzeit störte, war seine Feigheit. Noch immer sah er Yolei mit diesem begehrenswerten und gleichzeitig hoffnungslosen Blick an, da er genau wusste, dass Davis ihm an die Gurgel springen würde, wenn er sie um ein Date bat.

Nur Yoleis Laune schien einigermaßen stabil zu sein, auch wenn sie sich innerlich immer noch ein einem Gefühlschaos befand. Seit dem Kuss mit Izzy, war sie verwirrt.

Sie wusste nicht was sie fühlen oder denken sollte. Und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er ihr aus dem Weg ging. Nicht mit ihr darüber reden wollte.

Auch den Drang ihm eine ellenlange SMS zu schreiben, hatte sie bisher unterdrücken können, sie fragte sie nur für wie lange.

Sie wollte wissen, ob etwas aus ihnen werden könnte.

Sie hatte sehr wohl, etwas bei ihrem Kuss empfunden und wollte mehr.

Doch sie wollte ihn auch nicht verschrecken, da sie mit ihrer impulsiven Art, auf viele Männer eher abschreckend wirkte, statt betörend.

Nichts desto trotz wollte sie Antworten. Sie wollte Klarheit.
 


 

24. Dezember 2009. New York, USA. Haus der Tachikawas.
 

„We wish you a Merry Christmas and a happy New Year“, sangen sie im Chor und Kari klatschte vor Begeisterung.

Mimi setzte sich neben sie, während ihre Eltern das Essen und Getränke aus der Küche holten. Kari beugte sich zu Mimi rüber und tippte ihr auf die Schulter.

„Macht ihr das an Weihnachten immer so?“

„Was? Das Gesinge?“

Die junge Yagami nickte.

„Ja, ist so eine Art Tradition bei uns“, erklärte die Brünette lachend. „Meine Mutter will besonders an Weihnachten gemeinsame Aktivitäten fördern.“

„Also wir machen an Weihnachten immer dasselbe“, knurrte Kari und verschränkte die Arme vor der Brust. „Letztes Jahr war Tai ganze fünf Minuten da. Danach ist er mit Matt in irgendeinen Club gegangen“.

„Ohje und Sora hatte nichts dagegen?“, fragte sie und rümpfte die Nase.

Sie kannte ihre ehemals beste Freundin. Ihr war es sicher nicht recht, dass Tai alleine mit Matt irgendwo herumtingelte.

Yamato war eben ein Aufreißer und hatte nicht unbedingt den besten Einfluss auf Tai.

„Sora war damals mitgegangen soweit ich das noch weiß. Izzy war auch dabei“.

„Ach so“, erwiderte sie knapp und schaute zur Küche, um festzustellen, dass ihre Eltern immer noch beschäftigt waren. „Mit wem hast du denn noch Kontakt?“

Kari überlegte kurz und zählte die Personen mit den Fingern auf.

„Also mit Yolei, TK und Tai halte ich unregelmäßigen E-Mail-Kontakt. Meine Mutter ruft mich alle drei Tage an oder spricht mit mir über Skype“. Sie hielt kurz inne. „Und ab und zu hatte ich noch mit Sora geschrieben, aber seit der Trennung eher seltener“.

Mimis Augen weiteten sich. Seit der Trennung? Hatte sie gerade richtig gehört? Sora und Tai waren kein Paar mehr? Das konnte sie wirklich nicht fassen.

„Tai und Sora sind getrennt?“

„Ja. Das müsste ich dir aber erzählt haben“, antwortete die junge Yagami skeptisch.

„Wirklich? Das habe ich dann wieder vergessen“.

Wahrscheinlich lag es daran, dass sie in ihrer eigenen Beziehung genug eigene Probleme hatte.

Seit sie in Amerika lebte, bekam sie nur selten etwas von ihren Freunden aus Japan mit.

Anfangs hatte sie auch versucht, E-Mail-Kontakt zu halten, doch er schlief mit der Zeit immer mehr ein. Sie hatten alle ihre eigenen Probleme und sahen sich auch nicht mehr so oft. Mimi erinnerte sich noch gut an die Silvesterparty, auf die Sora sie mitgeschleppt hatte, nachdem sie sich von ihrem ersten Freund getrennt hatte.

Es war das letzte Mal, dass sie mit ihren alten Freunden etwas gemeinsam feierte, abgesehen vom ersten August.

Dieser war er zum ersten Mal vollkommen ignoriert worden. Keine machte Anstalten, sich um etwas zu kümmern. Und so entschlossen sie, diesen besonderen Tag einfach ausfallen zu lassen.

Sie hatte ihre Freunde schon über ein Jahr nicht mehr gesehen.

Auch wenn sie es nicht zugeben würde, vermisste sie alle sehr – selbst Tai, der sie seit der Sache an Silvester komisch behandelte.

„Ist alles gut bei dir? Du siehst so nachdenklich aus“, stellte Hikari fest und berührte ihre Schulter.

Mimi wurde abrupt aus ihren Gedanken gerissen und schüttelte den Kopf.

„Es ist alles super. Ich frage mich nur, was meine Mutter wieder gekocht hat“, redete sie sich raus und sah übertrieben zur Küche, aus der ihre Eltern gerade kamen.

Ihre Mutter hatte ein Brathähnchen gemacht, ganz traditionell mit Gemüse und leckerer Soße. Manchmal vermisste Mimi ihre außergewöhnlichen Rezepte, wie Reis mit Erdbeeren. Sie hatte das Gefühl, dass nichts nur sie sich angepasst hatte, sondern auch ihre Eltern, auch wenn ihre verrückte Seite ab und zu noch herauskam.

Ihr Vater brachte verschiedene Sorten von Limonade an den Tisch und öffnete gleich eine Flasche. Er schenkte Kari und Mimi etwas in die Gläser und setzte sich wieder.

Ihre Mutter schnitt das Fleisch und verteilte es auf die Teller.

„Oh steht mal, es schneit“, sagte sie und schaute zum Fenster. Mimi und Kari streckten sich und sahen tatsächlich zarte kleine Flocken in der Abenddämmerung.

„Vielleicht können wir heute noch eine Schneeballschlacht machen“, schlug die junge Tachikawa begeistert vor.

„Bist du dafür nicht schon ein bisschen zu alt?“

Ihr Vater musterte sie und zog die Augenbraue nach oben.

„Für sowas ist man nie zu alt“, kommentierte sie und biss ein bisschen Fleisch von ihrem Hähnchenflügel.

„Lass sie doch“, meinte Satoe zu ihrem Mann. „Kommt Michael eigentlich auch später vorbei?“

„Nein“, zischte die Brünette kratzbürstig und konzentrierte sich voll und ganz auf ihr Essen.

Auch Kari hielt sich bedeckt.

Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Mimi immer noch wegen der Abfüllsache so sauer auf ihn war. Es war schon ganze zwei Monate her.

Doch bei ihnen war mittlerweile nichts mehr rosig und unkompliziert. Mittlerweile stritten sie sich fast jeden Tag. Kari beobachtete sie von der Seite und erkannte, dass ihre Augen ganz wässerig wurden. Wahrscheinlich war etwas vorgefallen, von dem sie noch nichts wusste.

Mimi plauderte generell nicht gerne aus dem Nähkästchen, besonders nicht bei negativen Angelegenheiten.

Es waren die Gerüchte, die ihr so zusetzten, auch wenn Michael immer das Gegenteil behauptete.

Kurz nach der Sache mit Kari wurden mehrere Stimmen laut, die behaupteten Michael mit mehreren Mädchen gesehen zu haben.

Er hatte sie bereits betrogen, deswegen beobachtete sie ihn immer mit Argusaugen. Doch sie konnte nicht alles sehen, besonders wenn er abends mit seinen Jungs wegging.

Bisher konnte er ihr immer glaubhaft versichern, dass es nicht stimmte. Allerdings blieben die Restzweifel weiterhin bestehen.

Tief im Inneren wusste sie, dass es schon lange zwischen ihnen nicht mehr stimmte. Doch verlieren wollte sie ihn trotzdem nicht.

Sie hatte große Angst vor dem Alleinsein. Außerdem wusste Mimi, dass sie nicht gerade einfach war. Wahrscheinlich hielten es die meisten Männer mit ihr keinen Monat aus, ohne danach die Flucht zu ergreifen. Michael hingegen ertrug ihre Marotten, aber auch nur weil er genug Eigene hatte.

Und Mimi wollte nicht allein sein. Sie brauchte Liebe und Geborgenheit, um sich wohlzufühlen.

Vielleicht steckten sie im Moment nur in einer schwierigen Phase, die irgendwann wieder vorbei ging. Sie wollte einfach noch nicht aufgeben. Sie wollte kämpfen, auch wenn sie wusste, dass der Kampf schon längst verloren war.
 


 

„Fröhliche Weihnachten“, meinte er sarkastisch und hob die Bierflasche.

„Haben deine Eltern dich nicht eingeladen?“, fragte sein brünetter Freund und erntete von ihm einen wütenden Blick.

„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich zu so einem Mist hingehe“, antwortete Matt bissig und trank einen Schluck. „Auf so eine Pseudo-Familien-Kacke habe ich wirklich keine Lust“.

„Wow du bist ganz schön dramatisch“, stellte Taichi fest und setzte sich auf die Couch.

Izzy war der Einzige der WG, der zuhause bei seinen Eltern feierte.

Tai glänzte schon bei der letzten Familienweihnachtsfeier mit Abwesenheit, da er lieber Zeit mit seinen Freunden verbringen wollte.

Natürlich wäre er hingegangen, wenn seine Schwester aus den USA gekommen wäre. Doch das hatte sich erledigt, nachdem sie kein Geld für das Flugticket übrig hatte.

„Ich bin nicht dramatisch. Ich sehe es nur realistisch“, konterte er und setzte sich ebenfalls.

Tai konnte ihn langsam wirklich nicht mehr verstehen. Seine Eltern bekamen ein Baby und seit er es wusste, war seine Laune eindeutig im Keller.

TK versuchte sich mit der Situation zu arrangieren und hatte schon oft versucht mit Matt ins Gespräch zu kommen. Doch alles endete in einem riesen Streit.

Matt wollte und konnte es nicht akzeptieren. Deswegen feierte er nur mit Tai, der ebenfalls angeschlagen war, da seine Schwester sie nicht besuchen kommen konnte.

Auch wenn er oft sagte, dass Hikari ihn nervte, vermisste er sie ständig.

Und auch der Kontakt zu ihr, schien von Mal zu Mal weniger zu werden – so als würde er sie allmählich an das Land der unbegrenzten Möglichkeiten verlieren.

Er hoffte, dass sie nach den vier Jahren immer noch die Person war, die er liebte und schätzte.

Doch manchmal war so eine große Möglichkeit, auch ein Todesurteil für die Persönlichkeit. Er wollte sicherlich keine zweite Mimi bei sich zu Hause sitzen haben.

„Ich bin froh, wenn das Jahr vorbei ist“, grummelte der Brünette und ließ den Kopf hängen.

„Das nächste Jahr wird sicherlich auch nicht besser“.

„Vielleicht erleben wir ja noch eine Überraschung“, meinte er und stupste Matt leicht an, „du verliebst dich irgendwann und ich…ich werde es vielleicht schaffen, Kari endgültig loszulassen“.

„Du vermisst sie sicher sehr, oder?“, erkundigte sich der Blonde und schenkte ihm einen vielsagenden Blick.

Er wusste, dass Tai sehr sensibel war. Deswegen kaufte er ihm anfangs die reibungslose Trennung von Sora nicht ab, auch wenn er beiden mittlerweile glaubte.

Er wusste, dass sein bester Freund viele Dinge, die ihn beschäftigten, zu lange für sich behielt.

Er wollte eben keinem zur Last fallen, auch wenn er sich damit alleine herumquälen musste.

Kari war das beste Beispiel dafür gewesen.

Tai wollte nicht, dass sie nach Amerika ging. Sie waren nie länger als zwei, drei Wochen voneinander getrennt gewesen. Schon als kleiner Junge wollte er sie immer beschützen und behüten.

Natürlich konnte er das nicht mehr, nachdem sie gegangen war. Und es machte ihm mehr zu schaffen, als er eigentlich zugab.

Matt wusste selbst nicht, wie er reagieren würde. Auch er hing an seinem Bruder und würde es sicher nicht verkraften, wenn er das Land verlassen würde – auch wenn sie im Moment nicht gut aufeinander zu sprechen waren. Er konnte Tai schon verstehen.

Dennoch war besonders die Familie vergänglich.

Seine Eltern bekamen zwar ein Baby, aber trotzdem würde es nicht garantieren, dass sie wieder ein Paar werden würden.

Es war eben eine beschissene Situation.

Eine Situation, auf die Matt gerne verzichtet hätte.
 


 

TK sah traurig zu seinen Eltern, die bis zur letzten Sekunde gehofft hatten, dass Matt noch auftauchen würde. Nichts dergleichen geschah.

Er kam einfach nicht. Ignorierte die Einladung seiner Mutter, die sich mit dem Essen so viel Mühe gegeben hatte.

Sie war den Tränen nah und verschwand in die Küche. Von der Seite erkannte man allmählich eine deutliche Wölbung, die auf die Ankunft seines baldigen Geschwisterchens schloss.

Als Natsuko außer Hörweite war, beugte sich sein Vater leicht zum ihm.

„Matt hat sich bei dir auch nicht mehr gemeldet oder?“

„Nein. Wir haben uns in letzter Zeit öfters gestritten“, gab er zu und sah in das sorgenvolle Gesicht seines Vaters.

„Ihr geht es nicht gut“, eröffnete er seinem Sohn und blickte zu seiner Ex-Frau. „Sie hat mich öfters angerufen und geweint“.

„Was? Mir erzählt sie sowas gar nicht“, sagte er schockiert und hielt sich die Hand vor den Mund.

„Ach…ich hätte es dir auch nicht erzählen dürfen“, murmelte er und schüttelte den Kopf. „Ich mache mir nur Sorgen um sie und das Baby“.

Takeru nickte nur.

Er wusste, dass es sich bei seiner Mutter um eine sogenannte Risikoschwangerschaft handelte. Sie war bereits über vierzig und hatte einen nicht ganz so stressfreien Beruf.

Und dann war da noch die Sache mit Matt, die ihr zu schaffen machte.

Sein Vater hatte wohl Angst, dass sie das Kind noch verlieren könnte.

„Hat der Arzt denn irgendetwas Beunruhigendes gesagt?“, hakte er nach.

„Nein, aber ich denke wir können dir schon etwas verraten“, meinte er grinsend und rief Natsuko zu sich. Sie hielt sich den Bauch und musste ebenfalls leicht lächelnd.

„Wir wissen mittlerweile, was es wird“, begann sie und versuchte ihre Freude noch ein wenig zu unterdrücken.

TK saß gespannt auf seinem Stuhl und sah seine Eltern mit großen Augen an.

„Der Arzt ist sich ziemlich sicher, dass es ein Mädchen wird“.

„Ein Mädchen? Ich bekomme also eine Schwester?“, fragte er und presste die Lippen aufeinander.

Erst als sie erneut nickten, sprang er auf und umarmte seine Mutter stürmisch.

„Das ist wirklich toll, Mama“, flüsterte er in ihr Ohr.

„Es freut mich, dass du dich wenigstens ein bisschen auf das Baby freust“, antwortete sie und drückte ihren Sohn etwas näher an sich.

Sie hatte sich schon immer eine kleine Tochter gewünscht, auch wenn sie ihre beiden Jungs über alles liebte. Jetzt hatte sie das Gefühl, dass sich ein Traum von ihr erfüllte.

Auch wenn es für Matt eher ein Alptraum war.

Doch auch für TK war es ein schönes Erlebnis, mit seinen Eltern gemeinsam Weihnachten zu feiern. An das letzte Mal erinnerte er sich schon gar nicht mehr. Wie auch, er war damals drei.

Seine Eltern hatten sich kurz vor Weihnachten getrennt. Irgendwann Ende November. Komischerweise erinnerte er sich an dieses Weihnachten genau.

Er war vier und hatte mit seiner Mutter eine kleine Wohnung bezogen. Damals hatten sie noch nicht mal Geld für einen Weihnachtsbaum.

Seine Mutter hatte den gesamten Heiligabend geweint, während er mit einem Feuerwehrauto spielte, dass ihm sein Großvater aus Frankreich zugeschickt hatte.

Dennoch bemerkte er, wie unglücklich seine Mutter war und immer wenn er fragte, wann Matt und Papa kämen, verschlimmerte sich ihre Stimmung.

Im Moment weinte sie ebenfalls.

Jedoch nicht weil sie traurig war, sondern weil sie sich auf das kleine Wesen freute, dass in ihrem Bauch heranwuchs.

Und auch Matt müsste es eines Tages akzeptieren, dass sie noch eine Schwester bekamen.

Es war nun mal nicht einfach. Aber welches Leben verlief immer nur gradlinig und hatte keine Höhen und Tiefen?

Richtig. Keines.

Es war normal, auch mal schlechte Zeiten zu durchleben.

Und Takeru wusste, dass sie für seine Familie endlich vorbei waren.
 


 

Weihnachten. Die beste Möglichkeit Zeit mit der Familie zu verbringen und sich den Bauch vollzuschlagen.

Auch Joe saß gemeinsam mit seinen Eltern am Tisch. Hinter ihnen stand ein großer geschmückter Baum, dessen Lichterketten bunt leuchteten.

Seine Geschwister würden erst morgen eintreffen.

„Das ist wirklich lecker, Mama“, lobte er das Essen seiner Mutter, die zufrieden lächelte.

Doch irgendwie wurde ihm von Mal zu Mal schlechter.

Er hatte das Gefühl sich jeden Augenblick übergeben zu müssen.

Dabei hatte er doch nur eine Entscheidung getroffen. Nichts Verwerfliches.

Er wusste nur nicht, wie er es seinen Eltern schonend beibringen wollte.

Joe hatte sich vorgenommen nächstes Semester komplett frei zu nehmen, um herauszufinden, was er eigentlich wollte.

Shin hatte ihm die Idee geliefert, bei einem Trip von Tokyo bis Nagoya mitzumachen.

Er musste zwar noch schauen, wie er es finanzieren sollte, aber die Idee seines Bruders beflügelte ihn regelrecht.

Es war etwas ganz Neues, dass er sich sonst sicher nicht getraut hätte.

Er wollte sein Leben leben. Er wollte auch Fehler machen dürfen. Er wollte er selbst sein.

„Mama, Papa, ich würde gerne mit euch etwas besprechen!“

Sein Vater musterte ihn argwöhnisch. Er war immer noch sauer, weil er seine Hausarbeit nicht korrigiert hatte und demnach durchgefallen war.

„Ich hoffe du willst mir sagen, dass du schon das Thema für deinen zweiten Versuch rausgesucht hast“, knurrte er angesäuert.

Joe schüttelte nur mit dem Kopf.

„Nein, aber es hat auch etwas mit dem Studium zu tun“, erklärte er knapp.

„Na dann bin ich mal gespannt“.

„Ich werde mir eine Auszeit nehmen!“

Stille kehrte ein.

Das Klappern der Gabeln verstummte und die Gesichter seiner Eltern entgleisten.

„Wie bitte?“, fragte sein Vater und legte das Besteck bei Seite.

„Du hast schon richtig gehört. Ich habe gemerkt, dass das Medizinstudium nichts für mich…“.

„Wage es ja nicht diesen Satz auszusprechen“, drohte er und schlug mit der Faust auf den Tisch. Seine Mutter erschrak und auch Joe fuhr kurz zusammen.

„Papa ich will das nicht mehr machen“, klärte er auf und sah ihn dringlich an.

Doch er ignorierte die hilfesuchenden Blicke seines Sohnes schon seit Monaten.

„Das ist doch Schwachsinn, was willst du sonst machen?“

„Das weiß ich noch nicht“.

„Na ganz toll“, maulte er und fuhr sich durch die kurzen Haare. „Daran ist nur deine lasche Erziehung Schuld“. Er warf einen Blick zu seiner Frau, die den Kopf schuldbewusst senkte.

Joe stand plötzlich auf und ergriff Partei für seine Mutter.

„Sie hat damit nichts zu tun. Ich will das so. Und damit ich mir klar werde, was ich wirklich will, werde ich eine Reise unternehmen“.

„Eine Reise?“, wiederholte er fragwürdig. „Bist du von allen guten Geistern verlassen?“

„Papa, du hast immer die Entscheidungen für mich getroffen. Jetzt bin ich an der Reihe meine eigenen zu treffen“.

„Also eine Reise? Und wie willst du die bitte schön finanzieren? Ich werde deine Flausen ganz sicher nicht fördern“, geiferte er und setzte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab und blickte finster.

„Ich habe mir einen Job gesucht!“

„Einen Job? Als was?“

„Ich werde dreimal die Woche Regale auffüllen und mache ein paar HiWi-Arbeiten für einen meiner Dozenten“.

„Ich fasse es nicht. Da bietet man seinem Sohn die bestmögliche Ausbildungsmöglichkeit an und er tritt alles mit Füßen.“ Er schüttelte den Kopf und massierte sich danach die Schärfen.

„Man Papa! Wenn es doch nicht das ist was ich will! Willst du mich im ernst dazu zwingen?“

„Ich weiß, was für dich am besten ist! Also setz dich gefälligst hin und such‘ dir lieber ein neues Thema für deine Hausarbeit aus, als so einem Schwachsinn hinterher zu träumen“.

„Das ist kein Schwachsinn“, sagte er diesmal energischer.

„Setz dich! Ich will nichts mehr hören“.

Joe sah ihn ungläubig an und richtete seinen Blick kurzzeitig zu seiner Mutter, die sich mal wieder nur heraushielt. Sie hatte noch nie etwas gesagt, auch wenn sie ihn verstehen konnte.

Sie wollte einfach dem Stress mit ihrem Mann aus dem Weg gehen.

„Das werde ich nicht Vater! Ich bin bereit meine eigenen Entscheidungen zu treffen und jetzt fange ich damit an“, blaffte er zurück und verließ das Szenario.

Er hörte noch wie sein Vater ihm etwas hinterher brüllte, doch es war Joe egal. Er schnappte sich seine Jacke, öffnete die Tür und schlug sie hinter sich zu.

Er lief aus dem Gebäude, in dem sich die Wohnung seiner Eltern befand.

Eine kühle Brise kam ihm entgegen, als er nach draußen kam.

Joe war richtig stolz auf sich. Er hatte endlich zu seiner Meinung gestanden und hoffte, dass sich auch bei seinen Eltern ein Perspektivenwechsel einstellte.

Sie konnten ihn doch nicht ernsthaft in sein Unglück laufen lassen wollen. Er war endlich bereit seine eigenen Entscheidungen zu treffen, auch wenn Shin ihm zuvor ins Gewissen reden musste.

Sein Bruder hatte aber recht. Er musste sein Leben in den Griff bekommen, und konnte demnach seinem Vater nicht ständig gefallen. Das würde ihn auf Dauer kaputt machen. Und er wollte endlich anfangen zu leben.
 


 

04. Juni 2010. Nagoya, Japan. Autobahn.
 

Er schreckte auf. Verrückt, dass er ausgerechnet jetzt diesen Traum hatte.

Er lehnte sich zurück und spürte das Polster seines Sitzes im Rücken. Er sah nach draußen und erkannte wie, viele Lichter an ihm vorbei zogen.

Es war schon Abend geworden und die Gruppe war vor ungefähr einer halben Stunde von Nagoya weggefahren.

Ein Lächeln bildete sich auf Joes Lippen. Er war wahrhaftig glücklich.

Alles war gut und ein wohliges Gefühl machte sich in ihm breit.

Es war das Gefühl der Erfüllung – so als hätte er das erste Mal in seinem Leben etwas Sinnvolles getan.

Er war seinem Herzen gefolgt.

Viele Eindrücke und Bilder der vergangenen Tage holten ihn auf einmal ein und ließen ihn schmunzeln.

Er erinnerte sich wie er auf den Berg Ena hochwanderte, auf seinem Gipfel stand und die Unendlichkeit vor sich sah. Die Luft war sauber und vertrieb diesen Dauernebel, der sich in seinem Kopf befand. Er sah die Landschaft, die Tiere und die Menschen, die er in den letzten Tagen sehr lieb gewonnen hatte.

Ein bisschen Wehmut vermischte sich unter die große Freude, die er fühlte.

Es war vorbei. Jetzt würde es wieder nach Hause gehen. Doch er fühlte sich praktisch wie ein neuer Mensch, der das Leben nun mit anderen Augen sah.

Er dachte an das Musikfestival, das ihn anfangs so fürchterlich deprimierte, da er kurzzeitig wieder all den Stress der Vergangenheit vor seinem inneren Auge wahrnahm.

Er hatte wirklich, dass Gefühl zu ersticken. Doch dann hörte er eine Melodie, die ihn aus seinem ewigen Trübsal erweckte und neu belebte.

Er tanzte die halbe Nacht mit Asuka und den beiden anderen Studenten. Er lachte und erschreckte sich gleichzeitig, da er vollkommen vergessen hatte, wie es sich anfühlte glücklich zu sein.

Er sah Städte, die er zuvor noch nie gesehen hatte, da er bisher nie über den Tellerrand schaute.

Und selbst in Tokyo hatte er all die Schönheit, die sich an den einfachsten Plätzen befand, einfach ignoriert. Joe erinnerte sich an die Seen, die vor dem Fuji entlang plätscherten und ihn immer wieder aufs Neue beruhigten.

Er sah aus dem Fenster und ließ die gesamte Reise noch einmal Revue passieren.

Er spürte plötzlich die frische Luft des Fujis, die seine Nase kitzelte. Das kühle Nass der Seen war immer noch allgegenwärtig. Er erinnerte sich, wie er seine Hände in einen der Seen eintauchte und sein Gesicht damit erfrischte. Beinahe wäre er sogar komplett hineingefallen. Zum Glück brachte Asuka ihn noch zum Stehen.

Ein Teil von ihm, wünschte sich, dass diese Reise noch nicht zu Ende war.

Vor seinem inneren Auge, sah er die Stadt Hamamatsu, die sich vor ihm erstreckte. Er sah den Hafen und die unzähligen Boote, die quasi auf den nächsten Einsatz warteten.

Auch das Musikfest war ihm in guter Erinnerung geblieben. Früher hatte er sich nie wirklich für Musik interessiert, auch wenn er ab und zu auf Matts Konzerten war.

Musik war einfach da. Es war nichts Besonderes für ihn.

Dabei war Musik einfach ein Wunder. Sie hatte so viel Einfluss auf die Stimmung der Menschen, sodass er sich schon selbst etwas erschreckte.

Es beflügelte ihn, etwas zu hören, dass seine Stimmung zu 180 Grad wendete. Es fühlte sich magisch an. Und keiner konnte ihm diesen Moment noch nehmen.

Auch seine Zeit in Nagoya würde immer ihm gehörten. Er dachte an die Stadtrundfahrt, die sie am ersten Tag machten. Er sah alte Temple und einige Museen, die ihn allein schon von der Architektur sehr begeisterten.

Sein persönliches Highlight war definitiv die Besteigung des Ena.

Er fand es schon sehr traurig, dass der Fuji zurzeit keine Klettersaison hatte, aber das Erlebnis machte es wieder gut. Wahrscheinlich hätte er es eh nicht auf den Fuji geschafft, ohne sich gewaltig etwas zu zerren. Körperliche Bewegung war er einfach nicht gewöhnt gewesen.

Doch als er es geschafft hatte, strömte eine ungewöhnliche Energie durch seinen Körper.

Seine innere Stimme wurde laut und sagte immer wieder: „Du kannst alles schaffen, wenn du es nur willst. Trau dich einfach!“

Er wusste was sie damit sagen wollte.

Nur weil Medizin nicht sein Ding war, hieß es noch lange nicht, dass er ein Versager war. Er musste eben noch ein wenig suchen, bevor er wusste, was er wollte.

Doch er würde nicht aufgeben. Egal was ihn zu Hause erwartete. Er war stark und bereit.

Er war bereit, für das Leben, das er wollte zu kämpfen.
 


 

Mimi lag ausgestreckt auf ihrem Bett und starrte die Decke an. Das Date mit Matt war bereits einen Tag her und sie wusste langsam wirklich nicht mehr, wie sie seine Nachrichten ignorieren sollte.

Das Geständnis, dass ihr Tai an diesem Tag gemacht hatte, hatte sie sehr schockiert und auch teilweise an ihren Qualitäten als Freundin zweifeln lassen.

Sora war in Matt verliebt und sie hatte rein gar nichts gemerkt. Nein sie hatte sogar noch eins draufgesetzt und war mit ihm ausgegangen.

Sie fühlte sich einfach nur schlecht.

Nachdem sie mit Tai gesprochen hatte, war sie einfach nach Hause gegangen, ohne Matt Bescheid zu geben. Sie konnte da nicht mehr rein, ihr schlechtes Gewissen schlug zu große Wellen.

Taichi hatte sie sogar noch zum Hotel gebracht und immer wieder betont, dass sie zu Sora nichts sagen sollte. Vor allem aber nicht zu Matt.

Dennoch wusste sie nicht, was richtig und was falsch war.

Sora würde auf Dauer gesehen immer unglücklicher werden, wenn sie nicht langsam etwas in die Gänge käme.

Tai konnte sicher nicht jedes Mädchen von ihm fern halten.

Tai. Wie er wohl die ganze Sache fand?

Schließlich war Sora jahrelang seine Freundin gewesen und Matt war sein bester Freund.

Sie konnte sich nicht vorstellen, dass alles so spurlos an ihm vorbei ging.

Vielleicht sollte sie ihm demnächst mal auf den Zahn fühlen.

Aber Sora stand an oberster Priorität – auch wenn Tai von ihr verlangte sich nicht einzumischen.

Er kannte sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass sie eben nicht Nichtstun konnte.

Sora brauchte einfach nur einen Stups in die richtige Richtung.
 


 

„Kari bist du im Bad bald fertig?“, hörte sie die Stimme ihrer besten Freundin.

Sie erschrak kurz, wusch sich die aufkommenden Tränen aus dem Gesicht und antwortete, in der Hoffnung sich nicht vollkommen verheult an zu hören.

„Bin gleich fertig“.

Das letzte Wort brach fast ab, da ihr wieder die Tränen kamen.

Sie war nackt und hatte sich in der Dusche zusammengekauert, während das Wasser auf ihren Kopf und Rücken plätscherte.

Sie umschlang mit den Armen ihre Beine und legte den Kopf auf ihre Oberschenkel.

Wieder traf sie eine Welle des Schmerzes.

Die Tränen liefen ihr unkontrolliert die Wange hinunter, während sie sich mit den Fingernägeln in die Haut ihres Oberschenkels krallte.

Sie wollte einen anderen Schmerz fühlen. Sie wollte am liebsten alles vergessen. Sie wollte die Zeit zurückdrehen.

Doch sie wusste, dass sie es nicht mehr konnte.

Ihr Leben war vorbei.

Wahrscheinlich würde sie nie wieder so werden, wie sie einmal war. Ihre Vergangenheit belastete sie zu sehr.

Seit sie bei Takeru war und er ihr sagte, dass sie eines Tages eine gute Mutter sein würde, hatte sie nur noch geweint.

Gestern lief sie den halben Tag orientierungslos durch die Straßen Tokios.

Einmal hatte sie sich sogar eingebildet ihren Vater gesehen zu haben, was sich Gott sei Dank nicht bestätigte. Sie hätte keine Ahnung gehabt, wie sie ihm die ganze Heulerei hätte erklären sollen.

Erst gegen Abend hatte sie sich wieder allmählich beruhigt und konnte zum Hotel zurück.

Mimi fiel es zum Glück nicht auf, dass sie sich recht seltsam verhielt.

Irgendetwas anderes schien sie zu beschäftigen. Kari glaubte, dass es mit Matt zusammenhängen könnte, doch traute sich nicht sie danach zu fragen.

Kurz danach verschwand sie auch schon ins Bett.

Der nächste Morgen war genauso schwer für sie. Als sie aufwachte wollte sie am liebsten gleich wieder weinen, doch sie riss sich zusammen und ging mit Mimi ein bisschen einkaufen.

Es lenkte sie zwar ab, doch jetzt saß sie bereits seit über einer Stunde im Bad und weinte sich die Augen aus dem Kopf.

Sie sollte Mimi alles sagen. Wirklich alles. Die Wahrheit über den Vater. Die Wahrheit über das Baby. Die Wahrheit über sie.

Doch irgendetwas hielt sie zurück. Sie wollte nicht mehr das schwache, zerbrechliche Mädchen von damals sein.

Sie erinnerte sich noch gut an den Tag, als Wallace, Peter und April sie in ihrem Zimmer fanden und sie vollkommen geistesabwesend wirkte.

Dieser Tag veränderte alles.

Der Rest von der „Alten Kari“ wurde komplett eliminiert. Zurück blieb das Häufchen Elend, dass jetzt in der Dusche saß und sich bereits blutig gekratzt hatte.

Sie hielt es nicht mehr lange aus. Sie brauchte etwas, dass sie endlich vergessen ließ.
 

Fortsetzung folgt...

Liebschaften.


 

I got a little piece of you

Slut like you, The Truth About Love. Pink, 2012.
 


 

05. Juni 2010. Odaiba, Japan. Park.
 

Kari war schon beunruhigt, dass er etwas merken würde. Doch nichts dergleichen geschah. Selbst Mimi hatte nichts bemerkt. Vielleicht wollte sie auch nichts bemerken. Kari war schon aufgefallen, das sie sehr geistesabwesend wirkte.

Sie hatte sich jedoch nicht mehr getraut zu fragen, wie das Date gelaufen war. Und jetzt saß sie gemeinsam mit Takeru im Park und starrte in die weite Ferne.

Ihr Schmerz, ihr Leiden, ihre Schuld. All das spukte ihr im Kopf herum.

Sie wusste nicht, wie sie es noch schaffen sollte.

Wie sollte sie damit leben?

Sie merkte doch jetzt schon, dass ihr schlechtes Gewissen sie tagtäglich immer mehr auffraß.

In den USA hatte sie immer noch die Möglichkeit gehabt, alles für einige Stunden zu vergessen. Nur deswegen war sie auf so vielen Partys gewesen. Nur deswegen hat sie so viel getrunken.

Sie wollte vergessen. Am liebsten alles auslöschen, was sie an die letzten paar Wochen erinnerte.

Doch hier in Japan konnte sie sich schlecht daneben benehmen ohne, dass es jemand bemerken würde.

Hätte sie einmal so etwas hier abgezogen wie in den USA, wäre sie sicher innerhalb weniger Sekunden aufgeflogen. Die Menschen, die hier lebten, kannten sie einfach zu gut.

Auch wenn sie in Amerika Freundschaften mit Mimi, Wallace und Peter geknüpft hatte, kannte keiner sie so gut, wie ihre Freunde in Japan.

Erst jetzt bemerkte sie, dass Takeru sie sorgenvoll musterte.

„Ist alles in Ordnung? Du wirkst so abwesend“.

„Ehm“, stotterte sie.

Was sollte sie nur sagen? Sie war am Donnerstag einfach abgehauen, nur weil er einen Satz zu ihr sagte, den sie nicht ertragen konnte. Das war bereits auffällig genug gewesen. Sie musste sich also dringend etwas einfallen lassen.

„Ich bin nur müde“, meinte sie und schenkte ihm ein knappes Lächeln. „Mimi und ich quatschen einfach zu lange“.

Eine Lüge.

In den letzten paar Nächten hatten sie kaum miteinander gesprochen.

Kari musste einfach zu viele Eindrücke verarbeiten. Da erzählte sie ihr, sie habe vor Jahren mit ihrem Bruder geschlafen, um ihr dann noch zu sagen, dass sie ein Date mit Matt hatte.

Sie konnte einfach nicht mit Mimi mithalten.

Sie war hübsch, talentiert und sexy.

All das was Kari nie sein würde. Kein Wunder also, dass die Kerle nur auf sie flogen und Michael sie wieder zurückhaben wollte.

Es war wohl auch nur eine Frage der Zeit, bis ihr bester Freund sich von ihr verabschiedete, weil er von ihrer Schönheit geblendet wurde.

Kari wollte einfach nicht sehen, dass er nur Augen für sie hatte. Sie sah einfach nur das, was sie sehen wollte.

Das Negative. Das Unschöne. Das Schlechte.

Besonders seit sie mit Mimi befreundet war, stellte sie ihr eigenes Licht stets unter den Scheffel.

Klar war Mimi eben Mimi, aber dennoch hatte auch sie mit Problemen zu kämpfen, die Kari gar nicht wahrnahm. Sie sah einfach nur das begehrenswerte Wesen, das sich an ihren Jugendschwarm heranmachte, indem sie einfach ein paarmal mit den Wimpern klimperte.

Dabei war sie es schon lange leid geworden, immer nur in ihrem Schatten zu stehen.

„Was wollen wir heute eigentlich unternehmen?“, riss Takeru sie plötzlich aus ihren Gedanken.

Kari schreckte leicht zusammen und sah ihn unsicher an. „Wir können ja noch ein bisschen hier bleiben und später etwas essen gehen“, schlug sie vor und wartete auf seine Antwort.

„Wenn ich dich einladen darf?“, antwortete er keck, doch Hikari senkte nur den Kopf.

Er wollte sie einladen. Das liebte sie ja.

Wohl eher nicht.

„Ich bezahle lieber selbst“, meinte sie kleinlaut, ohne ihn nochmal anzuschauen.

„Oh. Okay“, erwiderte und klang enttäuscht.

„Ich will dich doch nicht arm machen“, witzelte sie, sah ihn an und hoffte damit die Situation zu retten.

Sie wusste nicht, was sie dagegen hatte, wenn Takeru sie einlud. Schließlich war er ihr bester Freund. Aber dennoch wollte sie es nicht.

Der Blonde lachte kurz und berührte ihre Schulter. „Also ich kann dir schon das Essen bezahlen, ohne gleich mittellos zu werden“.

„Das brauchst du aber…“.

„Keine Widerrede! Ich darf doch wohl meine beste Freundin zum Essen einladen, wenn sie hier zu Besuch ist. Ich…“, begann er, aber sagte darauf nichts. Er schaute sie an. Sein Blick wirkte traurig.

„I-Ich weiß ja nicht, wann ich dich das nächste Mal wiedersehe“.

Kari stockte der Atem.

Er hatte Recht. Sie würde nach ihren Semesterferien wieder nach New York gehen, um ihr Studium weiter zu machen. Sie erinnerte sich dunkel an das Weihnachtsdrama und daran, dass sie wegen Geldmangel nicht nach Japan fliegen konnte.

Wahrscheinlich würde sich das in Zukunft auch nicht ändern. Diesen Flug hätte sie sich ja schließlich auch nicht leisten können, wenn Mimi ihn nicht gebucht und bezahlt hätte. Okay, wenn ihre Eltern nicht bezahlt hätten.

Sie wusste auch nicht, was sie an der Juilliard erwartete. Sie hatte keine Ahnung, wie viele bereits von ihrer ungewollten Schwangerschaft wussten. Vielleicht alle, vielleicht nur ein paar. Möglicherweise auch keiner. Dennoch machte ihr die Ungewissheit Angst. Auch wenn, das mit Michael rauskommen würde, wäre sie sicher für Mimi gestorben. Und Mimi war eine ihrer engsten Vertrauten. Kari wollte sie sicherlich nicht gegen sich haben.

Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie auf Takerus Aussage noch nichts geantwortet hatte.

„Noch bin ich hier“, begann sie leise und schielte zu ihm. Er lächelte schwach und drückte sich gegen die Lehne der Parkbank, auf der sie saßen.

„Ja. Noch“.
 


 

Mimi lag auf ihrem Bett und bemerkte erst gar nicht, wie ihr Handy vibrierte. Erst als sie sich aufsetzte, erkannte sie, dass sie drei Anrufe und zwei Nachrichten hatte. Sie nahm das Handy vom Tisch und sah, dass die verpassten Anrufe von derselben Nummern waren.

Es war Matt, der sie dreimal versucht hatte anzurufen.

Sie atmete genervt aus und öffnete die erste Textnachricht, die ebenfalls von ihm war.

„Tut mir leid, dass das Date so blöd gelaufen ist. Können wir vielleicht darüber reden? Bei einem Kaffee?“

Mimi schüttelte instinktiv den Kopf und ging weiter zur nächsten Nachricht. Sie war zu ihrer Überraschung von Taichi.

„Ich hoffe du behältst unser Geheimnis für dich! P.S.: Matt wird schon irgendwann von selbst aufgeben, wenn du dich nicht bei ihm meldest ;)“.

Sie grinste leicht und tippte eine Antwort an ihn zurück. Sie las nochmal drüber und drückte auf senden.

„Sag mal, wie geht es dir eigentlich damit, dass DEINE Ex auf deinen besten Freund steht? Ist das nicht komisch für dich?“

Es brannte ihr schon lange unter den Nägeln. Genaugenommen 48 Stunden.

Sie hoffte wirklich, dass es sich hier um kein Dreiecksdrama handelte. Sie hatte mit Kari schon genug Drama, mehr brauchte sie wirklich nicht.

Wieder vibrierte ihr Handy. Wieder hatte sie eine neue Nachricht.

„Komisch ist es schon, aber wir sind nicht mehr zusammen und ich empfinde sowieso nur noch Freundschaft für sie. Außerdem will ich wirklich, dass sie glücklich wird“.

Mimi presste die Lippen aufeinander und überlegte kurz, was sie darauf antworten sollte.

Natürlich wollte sie auch, dass Sora glücklich wird. Deswegen traf sie auch eine Entscheidung.

„Ein süßes Paar wären sie schon. Ich werde mich auf jeden Fall von ihm fern halten. Vielleicht passiert ja noch etwas zwischen den beiden :P“.

Vielleicht konnte sie ja beide irgendwie zusammen bringen. Tai schien ja bereits auf ihrer Seite zu stehen. Auch Kari würde sie irgendwie zum Mitmachen animieren können.

Manchmal brauchte man in der Liebe einfach ein paar Verkuppler.

Auch wenn es Sora sicherlich nicht in den Kram passte. Aber von selbst, schien sie ja nicht wirklich sonderlich aktiv zu werden.

Erneut zeigte Mimis Handy an, dass sie eine neue Nachricht hatte.

„Gutes Mädchen ;) Aber wahrscheinlich wird zwischen den beiden in hundert Jahren nichts passieren. Matt ist zu blind und Sora zu schüchtern“.

Gutes Mädchen? War sie neuerdings sein Hund? Sie las die Nachricht mehrmals und schüttelte bei diesem Ausdruck immer unwillkürlich den Kopf.

Dennoch breitete sich in ihrem Hinterkopf eine Idee aus, die nur danach schrie, endlich in die Tat umgesetzt zu werden.

Manchmal musste eben andere die Zügel in die Hand nehmen.
 


 

Sie saßen mittlerweile wieder auf der Parkbank und hatten sich beim Asiaten um die Ecke gebratenen Nudeln mit Gemüse und Hähnchenfleisch geholt.

Zuvor hatten sie sich über die banalsten Dinge unterhalten.

TK hatte ihr von seinem Studium erzählt.

Das einzige was Hikari auffiel war, mit welcher Begeisterung er davon erzählte. Man merkte, dass es ihm Spaß machte.

Erzählte sie auch so über ihren Studiengang? Voller Elan und Freude?

Wohl eher nicht.

So zufrieden war sie nicht. Das erste Semester war sehr hart. Der Konkurrenzkampf war allgegenwärtig. Jeder wollte der Beste sein und ging sozusagen über Leichen.

Deswegen fiel es Kari auch so schwer neue Freundschaften zu knüpfen. Die meisten waren gar nicht hier, um Freunde zu finden. Sie wollten schnellstmöglich anerkannt und am liebsten gleich berühmt werden.

Und das zweite Semester war auch nicht besser gewesen. Zuerst hatte Mimi übelsten Liebeskummer, der auf alle seine Auswirkungen hatte. Mehr oder weniger.

Und dann passierte das mit Michael. Der Rest des Semesters war einfach nur die Hölle für sie.

Takeru erzählte immer noch und Kari versuchte ihm auch weiterhin zuzuhören, auch wenn eine Welle der Traurigkeit sie mal wieder überkam. Schon wieder dachte sie daran.

Vergessen war wohl ausgeschlossen. Außer Takeru hätte irgendwo eine Flasche Wodka versteckt, die sie noch nicht gefunden hatte.

Wieso gab es in solchen Momenten keine Tablette gegen Schmerzen? Warum musste sie das alles getragen und genau wissen, dass es ihr danach nicht besser gehen würde?

Ihr Blick wurde immer trauriger, was Takeru nicht entging. Ihre Gedanken hingen immer noch bei der Dunkelheit, die sich in ihrem Herzen angesammelt hatte.

„Sag mal, gefällt dir dein Studium?“, fragte er auf einmal und sah sie mit großen Augen an.

„Was? Ja natürlich“, antwortete sie schnell und wirkte alles andere als überzeugend. „Warum fragst du überhaupt?“

„Naja, du siehst so traurig aus!“, stellte er besorgt fest und ließ die Plastikstäbchen in die Pappbox seines Essens gleiten.

„Ich hatte vielleicht des Öfteren Heimweh gehabt“, gab sie kleinlaut zu. „Außerdem ist es wirklich sehr schwer neue Freunde zu finden, da jeder irgendwie auf sich selbst fixiert ist“.

Sie erschreckte sich ein bisschen über ihre eigene Ehrlichkeit. Das hatte sie noch niemandem erzählt.

Kari fühlte sich plötzlich vollkommen nackt, so als hätte sie ihm ihre tiefsten Geheimnisse gebeichtet. Es war ebenso, dass sie sich in New York nie richtig heimisch gefühlt hatte. Der Besuch in Japan hatte es ihr das bewusst gemacht.

„Wieso kommst du nicht einfach wieder hier her? Hier gibt es doch auch gute Schulen“.

„Das ist alles nicht so einfach. Außerdem ist die Juilliard, die Schule für Künste. Wenn ich da meinen Abschluss mache, hätte ich wirklich gute Chancen in diesem Bereich auch Fuß zu fassen“, erwiderte sie nachdrücklich.

Sie wollte Tänzerin werden und diesen Traum konnte sie sich nur in New York erfüllen. Dort hatte sie die Connections. Vielleicht würde sie ja irgendwann mal als Backgroundtänzerin von Beyoncé arbeiten – auch wenn sie wusste, dass das wohl ein unerfüllbarer Traum blieb.

„Verstehe. Ich habe früher immer gedacht, du würdest mal was mit Kindern machen“.

„Träume ändern sich“, sagte sie leise und aß weiter.

Sie erinnerte sich noch an den Traum. Sie wollte Erzieherin werden oder am liebsten Sozialpädagogik studieren. Ihr Traum hatte sich erst geändert, als ihre jahrlange Tanzlehrerin meinte, sie hätte gute Chancen in diesem Bereich Fuß zu fassen.

Tanzen war eigentlich immer nur ihr Hobby gewesen, das sie machte, um einen körperlichen Ausgleich zu finden.

Früher hatte es ihr auch mal mehr Spaß gemacht, als jetzt. Immer wenn sie versagte, wusste sie, dass es Auswirkungen auf ihre Noten, sprich ihre Zukunft hatte.

Es war nicht mehr ihr Hobby, sondern sollte einmal ihr Beruf werden.

„Was willst du noch machen?“, versuchte er auf ein anderes Thema zu lenken. „Ein Eis essen vielleicht?“

„Klingt wirklich sehr verlockend“, meinte sie lächelnd und aß den letzten Bissen ihrer Nudeln. Auch Takeru war bereits fertig und brachte den Müll zu der nahegelegenen Tonne, als er auf einmal seinen Namen hörte.

Auch Hikari drehte sich herum und entdeckte, wie ein Mädchen auf die beiden zukam.

Takerus Blick veränderte sich plötzlich und langsam schritt er wieder zur Bank zurück.

„M-Mariko? Was machst du denn hier?“

Mariko? War etwa das, dass Mädchen mit dem Takeru etwas am Laufen hatte?

Kari wurde auf einmal ganz blass.

Sie richtete den Blick auf sie und erkannte, dass sie immer näher kam.

Mariko trug ein leichtes Sommerkleid mit kleinen roten Punkten. Ihre Haare waren braun und unfassbar lang, sodass sie sich unten zu locken begannen.

Sie war leicht geschminkt und strahlte förmlich als sie Takeru sah.

Hikari hingegen versuchte kein grimmiges Gesicht zu machen.

Warum war sie nur so hübsch?

„Du hast gar nicht mehr auf meine SMS geantwortet und dann habe ich bei euch angerufen. Davis meinte du wärst im Park“.

Davis. Schon wieder mischte er sich ein. Takeru versuchte nicht gleich auszuflippen, auch wenn er am liebsten seinem Mitbewohner eine Reinhauen wollte. Konnte er sich denn kein einziges Mal um seinen eigenen Kram kümmern?

„Tut mir leid“, murrte er und sah unsicher zu Kari, die immer noch auf der Bank saß und Mariko begutachtete. „Ehm das hier ist meine beste Freundin Kari! Sie studiert in Amerika und kam vor kurzem zu Besuch“, stellte er sie vor.

Mariko reichte ihr selbstverständlich die Hand und begrüßte sie mit einem zuckersüßen Grinsen.

Sie wusste genau, wer sie war.

„Nett dich kennen zu lernen“, sagte sie und die beiden jungen Frauen schüttelten sich kurz die Hand.

Eine seltsame Stimmung machte sich bei allen drei breit.

TK wusste, dass Mariko, Kari gleich als das Mädchen, in das er jahrelang verknallt war identifiziert hatte. Karis Blick konnte er nicht wirklich deuten.

Alles was er wusste, war das er Davis dafür büßen lassen würde. Wie konnte er das nur zulassen?

War er auf Drogen?

„Also wir wollten jetzt los“, begann Takeru unsicher.

„Ach ihr hab doch sicher nichts dagegen, wenn ich mich euch anschließe oder? Deine beste Freundin wollte ich schon so lange mal kennen lernen“, flötete sie fröhlich und hakte sich bei Takeru unter.

Kari biss sich auf die Unterlippe.

Sie kannte Mariko keine fünf Minuten, doch aus irgendeinem Grund war sie ihr sofort unsympathisch. Sie konnte sich wirklich nicht vorstellen, dass Takeru etwas mit ihr hatte. Obwohl ihr Äußeres alles andere als abschreckend war.

Doch für Kari hörte sich das nicht so an, als hätten sie nur eine rein körperliche Beziehung zueinander.

Sie stand eng gepresst neben ihm und schmachtete ihn regelrecht an.

Kari passte das ganz und gar nicht. Er war mit ihr verabredet gewesen!

Doch jetzt hatte sie das Gefühl, sie sei das fünfte nervige Rad am Wagen. Mariko wollte sicherlich mit ihm alleine sein und weiß Gott was mit ihm treiben.

Kari verzog das Gesicht. Sie hatte es sich bildlich vorgestellt. Auch wenn sie es sich genaugenommen nicht wirklich vorstellen konnte.

Takeru war einfach zu brav, um etwas Versautes zu tun. Auch wenn er schon zugeben hatte, mit ihr geschlafen zu haben.

Langsam bildete sich in ihrem Kopf wirklich ein Knäul, sodass sie gar nicht bemerkte, wie unangenehm die Situation für Takeru erst war. Mariko hatte sich an seinen Arm geklammert und wollte am liebsten gar nicht mehr loslassen, währen Kari immer noch teilnahmslos auf der Bank saß.

Abrupt sprang sie auf und presste die Lippen aufeinander.

„Vielleicht gehe ich jetzt besser. Ihr Turteltauben wollt sicher alleine sein“, sagte sie verbissen. Mariko nickte nur zustimmend, während Takeru ansetzte etwas zu sagen. Kari kam ihm jedoch zuvor.

„Du kannst mir ja ne SMS schreiben. Wir sehen uns sicher nochmal“.

Dann ging sie einfach, ohne sich richtig von ihm verabschiedet zu haben.

Takeru warf einen bösen Blick zu Mariko und riss sich aus ihrem Klammergriff.

„Man, was sollte das?“

„Du hast dich nicht gemeldet, da wollte…“.

„Ach Bullshit! Falls ich dich daran erinnern muss, WIR haben KEINE Beziehung!“, warf er ihr an den Kopf. Mariko blieb jedoch unbeeindruckt. Sie wusste, dass er immer zur ihr zurückkam, wie ein räudiges kleines Hündchen.

Takeru befand sich jedoch auf hundertachtzig. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihm „dazwischenfunkte“.

Seit sie diese spezielle Freundschaft führten, mischte sie sich zu sehr ein. Jedes Mädchen, das er nur ansatzweise interessant fand, vergraulte sie.

Er bekam meistens noch nicht mal ein zweites Date. Erst vor kurzem hatte er herausgefunden, dass sie hinter dem Ganzen steckte.

Das war auch der Grund warum er eigentlich auf Abstand ging.

Nicht weil Kari wieder da war…nein.

Er hatte die Befürchtung, dass sie sich in ihn verliebt haben könnte. Doch er empfand einfach nicht das gleiche für sie. Takeru mochte sie, aber das war´s eigentlich auch.

Schon seit längerem wollte er die „spezielle“ Freundschaft zu ihr beendet, fand aber jedoch nicht die passenden Worte dazu. Jetzt würde er sie erst recht nicht finden.

Dafür war er einfach zu sauer.

„Ich gehe jetzt nach Hause…ALLEINE!“, meinte er streng und schob seine Hände tief in seine Hosentasche.

Mariko sah ihn flehend an, doch er reagierte nicht mehr. Er drehte sich einfach herum und ließ sie stehen. Damit wollte er sich heute nicht mehr auseinandersetzen.
 


 

10. Juni 2010. Odaiba, Japan. Supermarkt.
 

Gedankenverloren streifte sie durch den Supermarkt und blieb direkt vor dem Regal mit der Schokolade stehen.

Sie brauchte einfach Nervennahrung. Mimi war vor gut einer Stunde zum Kino gegangen, da sie sich mit Sora verabredet hatte und später noch was gemeinsam mit ihr essen wollte.

Sie war mal wieder allein.

Takeru hatte sie seit Samstag nicht mehr gesprochen, da ihr die Situation mit Mariko mehr als nur unangenehm war. Sie wusste noch nicht mal wieso.

Er war nur ihr bester Freund und natürlich durfte er eine Freundin haben, auch wenn es genaugenommen keine feste Beziehung war.

Trotzdem störte sie etwas.

Sie wollte ihn nicht mit einem anderen Mädchen teilen. Auch wenn es egoistisch klang, besonders weil sie knapp ein Jahr weg war. Takeru war immer der Einzige, der immer zu ihr gehalten hatte.

Sie war immer seine Nummer eins. Und jetzt hatte er eine, mit der er Bettsport ausübte.

Wieder unterdrückte sie die aufkommenden Bilder, doch sie hatte sich bereits vorgestellt, wie Mariko an seinem Hals klebte.

Sie schüttelte sich leicht und griff nach einer Nuss-Nugat-Tafel und wollte gerade zur Kasse gehen, als sie ihren Namen hörte.

Sie drehte sich herum und sah auf einmal Matt vor sich, der ebenfalls einkaufte.

„Na was machst du denn hier?“

„Ich hatte Lust auf Schokolade“, sagte sie und hielt die Tafel hoch. „Und du? Willst du ne Party feiern?“

Sie deutet auf den Einkaufkorb und sah ziemlich viele Flaschen sämtlicher alkoholischer Getränke. Auch ein paar Würstchen und eine große Schale Eiersalat waren dabei.

„Sozusagen“, meinte er und grinste.

„Okay und was ist der Anlass?“, fragte sie verwundert und zählte unbewusst die Flaschen.

„Naja unsere Band hat Grund zum Feiern“, eröffnete er und stellte den schweren Korb kurz ab. Die Flaschen klapperten leise. „Wir wurden gebucht“.

„Gebucht?“, wiederholte sie stirnrunzelnd.

„Ja. Wir werden auf verschiedenen Festen spielen. Sind hauptsächlich kleine Veranstaltungen. Und wir spielen am 7. Juli an Tanabata.“

„Wirklich? Ist ja klasse“, gratulierte sie ihm begeistert. „Da habt ihr wirklich einen guten Grund zum Feiern“.

„Wenn wir uns gut schlagen, werden wir vielleicht noch mehr Auftritte bekommen“, erzählte er munter weiter.

„Klingt wirklich toll“.

„Möchtest du vielleicht mitfeiern? Wir treffen uns in ner halben Stunde im Probenraum“.

Feiern? Ob das so eine gute Idee war?

Aber vielleicht konnte sie ihre Probleme dadurch für einen kurzen Moment vergessen, besonders weil er auch alkoholische Unterstützung dabei hatte.

Matt würde sicher nichts sagen. Immerhin hatte sie nur noch ein Jahr bis zur Volljährigkeit. Und an ihrer Willkommensfeier wurde ja schließlich auch etwas Alkohol getrunken.

„Klar wieso auch nicht“, antwortete sie schließlich und wirkte belustigt.

„Sehr schön. Kann ich dich dennoch etwas fragen?“, wollte er wissen und nahm den Einkaufskorb wieder hoch.

„Ja, du kannst mich alles fragen“. Er konnte sie alles fragen? Wie bescheuert hörte sich das denn an? Sie sollte wohl eher Nachdenken, bevor sie überhaupt etwas sagte.

„Weißt du warum Mimi meine Anrufe und SMS ignoriert?“

Kari biss sich auf die Zunge.

Mimi. Nicht schon wieder.

Warum konnte sich ein Gespräch mal nicht um sie drehen? Musste sie immer der Mittelpunkt der Welt darstellen?

Sie hatte Kari sowieso nicht viel erzählt. Sie meinte nur, dass das Date schlecht gelaufen wäre.

Mehr Details bekam sie nicht.

So war Mimi eben. Sie prahlte nur, wenn es etwas zum Prahlen gab.

„Ehm naja, vielleicht fand sie euer Date nicht so toll. Ist denn etwas vorgefallen?“, fragte sie neugierig.

Matt wank jedoch schnell ab. „Nee nichts Außergewöhnliches. Wir wurden nur von ein paar Fans überrascht. Sie ist daraufhin raus gegangen und ich glaube, sie war sauer. Danach habe ich sie jedenfalls nicht mehr gefunden“, schlussfolgerte er und wirkte geknickt.

„Mhm, das kann sein. Sie ist manchmal sehr…impulsiv“, gestand sich Hikari ein. „Aber vielleicht ist auch nichts. Sie ist im Moment etwas wählerisch“.

„Naja ist auch nicht so wichtig“, meinte er und ging an Kari vorbei. „Die Schokolade geht auf mich. Willst du noch etwas haben? Chips oder so?“

Kari schüttelte rasch den Kopf und wurde leicht rot um die Nase.

Heute würde sie wohl den Tag mit Matt verbringen. Und da sollte einer sagen, dass Träume nie in Erfüllung gehen würden.
 


 

Sora und Mimi hatten sich gerade ins Restaurant gesetzt, dass am Kino angrenzte, als schon ein Kellner auf die beiden zukam und freundlich die Bestellung aufnahm.

„Der Typ ist echt verdammt süß“, meinte Mimi und beugte sich etwas zu Sora vor. Sie wollte schnellst möglich das Thema auf Jungs, sprich Matt lenken.

Sie hatte sich in den Kopf gesetzt beide miteinander zu verkuppeln. Auch wenn Tai sehr wahrscheinlich von ihrem Plan weniger begeistert war. Aber was der nicht wusste…

„Vielleicht solltest du dir seine Nummer besorgen“, meinte Sora sarkastisch nachdem sie bemerkt hatte, dass Mimi dem Kellner immer noch hinterherstarrte.

„Nee der ist nicht so mein Typ“, wank Mimi sofort ab, „aber wie wär´s mit dir? Du bist schon so lange Single“.

„Seit August. Das ist noch nicht mal ein Jahr“, murmelte sie trocken und durchstöberte die Karte nach etwas Essbarem.

„Ach Sora, das ist schon eine halbe Ewigkeit, jetzt traut dich doch mal aus deinem Schneckenhaus“.

„Mimi…es ist alles okay. Man kann auch als Single glücklich sein“, antwortete sie leicht genervt.

Bevor Mimi etwas erwidern konnte, kam der Kellner mit ihren Getränken zurück. Sora hatte sich einen Eistee bestellt, während Mimi sich einen Orangensaft genehmigte.

„Wissen die Damen schon, was sie essen wollen?“

Er lachte leicht und seine braunen strubbeligen Haare fielen ihm leicht ins Gesicht.

Er war wirklich süß. Vielleicht besorgte sich Mimi doch nachher noch seine Nummer.

„Also ich hätte gerne einen Salat mit Champions. Mit Kräuterdressing“, bestellte Sora für sich und sah zu Mimi, die noch nicht mal in die Karte geschaut hatte.

„Ehm, ich nehme einfach das Gleiche“, sagte sie zügig. Der Kellner notierte sich die Bestellung und verschwand wieder.

„Ich verstehe wirklich nicht, wieso du bei so jemandem nicht schwach wirst? Hast du ihn dir mal richtig angeguckt?“

Sora nickte nur und sah kurz zu dem Kellner. „Er sieht aus wie Tai“.

„Na und? Tai ist dein Ex, müsstest du ihn dann nicht erst recht toll finden?“, fragte sie und redete sich allmählich in Rage. Sora war eine verdammt harte Nuss.

„Vielleicht findest du ihn ja deswegen so heiß“, säuselte sie im Flüsterton und grinste wissend.

Mimi wurde augenblicklich rot und nippte zur Erfrischung an ihrem Orangensaft.

„Ich glaube du siehst Gespenster“.

„Und ich glaube, eure Streitereien haben nichts mehr mit Freundschaft zu tun“.

Mimi rollte auffällig mit den Augen. „Er bringt mich halt auf die Palme. Was kann ich denn dafür, dass du da mehr reininterpretierst“.

„Reininterpretieren?“, wiederholte sie lässig. „Das ist offensichtlich. Oder muss ich dich an Silvester 2005 erinnern?“

„Da war doch gar nichts“, grummelte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

Sora zog die Augenbraue nach oben, doch sagte zuerst nichts, da gerade in diesem Moment ihr Essen kam. Erst als der Kellner wieder weg war, diskutierten die beiden weiter.

„Also Tai hat mir etwas anderes erzählt“.

„Was hat Tai dir erzählt?“, fragte sie verwundert und wurde gleichzeitig sehr wütend auf den Brünetten.

Wie konnte er nur? Es war doch eine Sache zwischen ihm und ihr. Damals hatte sie wirklich fest daran geglaubt, dass Sora ihr glauben würde.

Sie konnte es nicht fassen, dass Tai bei ihr gepetzt haben sollte. Warum machte er das nur?

„Du hast es also gewusst?“

Die Rothaarige nickte nur knapp.

„Wieso erzählt er dir das?“

„Wir hatten eine Beziehung?“, erinnerte sie die Brünette und runzelte fragwürdig die Stirn. „Du kannst dir sicher denken, dass wir beide uns irgendwann auch über Sex unterhalten haben“.

Mimi schüttelte sich leicht. Tai. Sora. Sex. Nein, dieses Bild wollte sie sicherlich nicht im Kopf herumschwirren haben.

„So ein Arsch“, kommentierte sie und kaute angesäuert auf einem Salatblatt herum.

„Er hat es nicht böse gemeint. Er wollte einfach ehrlich zu mir sein“.

„Und warum bist du nicht ehrlich zu mir? Ich habe voll das schlechte Gewissen gegenüber dir“, platzte auf einmal aus ihr heraus.

„Was? Warum?“

„Na wegen Matt“, sagte sie und setzte einen mitleidigen Blick auf.

„Matt? D-Du weißt es also?“, fragte sie und ließ das Besteck sinken. „Woher?“

Mimi stöhnte und fuhr sich durch die Haare.

„Na dreimal darfst du raten“.
 


 

„Krass wie viel sie trinken kann“.

„Von einem Mädchen erwartet man das auch nicht unbedingt“.

„Findest du nicht, dass es langsam genug ist?“

Die beiden jungen Männer schauten sich eindringlich an, zucken jedoch dann mit den Schultern.

„Es kann uns doch eigentlich egal sein. Sie ist Matts Problem“, meinte Shinji schnaubend.

„Du weißt schon, dass sie Tais Schwester ist. Von ihm will ich sicher keine auf die Fresse bekommen“, antwortete Yutaka und verzog die Augen zu Schlitzen.

„Matt wird sie sicher nicht besoffen nach Hause bringen. Und was Tai nicht weiß, macht ihn nicht heiß“.

„Na ich hoffe mal, dass du Recht behältst“, erwiderte Yutaka und nippte an seinem Bier.

Matt saß bei Kari und Takashi und plauderte mit ihren gelassen.

Jedoch bemerkte auch er, Hikaris deutlich angetrunken Zustand.

„Hey willst du nicht lieber mal ein Wasser oder so trinken?“

Kari wollte sich gerade nachschenken, stoppte dann aber abrupt.

„Du bist nicht mein Bruder, alles klar!“, stellte sie schnippisch fest und machte sich den Becher voll.

„Ich meinte ja nur“, grummelte der Blonde und trank auch einen Schluck an seinem Wodka Lemon.

Hätte er gewusst, dass sie sich so zulaufen lassen würde, hätte er sie sicher nicht mitgebracht.

Das war gar nicht Karis Art. Sie war doch sonst immer so vernünftig.

Doch sie wollte heute wohl Party machen. Takashi war sehr belustig und feuerte sie sogar an, mehr zu trinken. Natürlich kassierte er von Matt einen bösen Blick.

Tai würde ihn sicher umbringen, wenn Kari vollkommen besoffen wäre.

Eigentlich wollten sie doch nur etwas feiern. Mehr nicht.

Keiner konnte wissen, dass es so ausarten würde.

Kari legte es auch wirklich darauf an, betrunken zu werden. Matt hatte nicht mitgezählt, doch sie hatte sicher schon mehr Alkohol intus als er.

Und selbst er merkte schon den angestiegenen Alkoholpegel in seinem Körper.

So langsam fiel es ihm schwer dem Gespräch von Takashi zu folgen, der um einiges nüchterner war als er. Matt trank den Rest aus seinem Becher aus und entschloss sich auf Wasser umzusteigen.

Kari hingegen belustigte sich selbst und lachte wegen alles und jedem.

Matt beugte sich plötzlich zu ihr rüber. Ihre Wangen wurden ganz warm, als sie seine Stimme vor ihrem Ohr wahrnahm. „Es wäre wirklich besser, wenn du jetzt auf Wasser umsteigst. Ich will keinen Stress mit Tai, okay?“

Sie sah ihn entgeistert an und presste die Lippen aufeinander. Musste sie den jeder wie ein Kleinkind behandeln?

„Man Matt ich bin kein kleines Mädchen mehr“, blaffte sie ihn an und sprang von der Couch auf.

Sie wankte zur Toilette und warf mit einem lauten Knall die Tür hinter sich zu.

Hoffentlich übergab sie sich jetzt nicht auch noch. Tai würde ihm den Kopf abreißen.

„Ich glaube wir sollten jetzt Schluss machen. Ich warte noch auf Kari und werde sie dann nach Hause bringen“, erklärte Matt seinen Bandkollegen, die ihn teilweise böse anstarrten.

„Tolle Feier“, zischte Shinji und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Deswegen bringt man keine Kinder zu Partys“, nörgelte Yutaka und schnappte sich seine Jacke.

„Sie ist kein Kind mehr. Sie ist neunzehn“.

„Das macht´s auch nicht besser“.

Takashi grinste ein wenig und klopfte beim Gehen Matt kurz auf die Schulter.

„Mach dir keine Gedanken, die beiden sind immer so, wenn sie angetrunken sind. Ich bringe sie nach Hause. Kümmere du dich um Kari“.

„Danke Mann“, sagte er knapp und verabschiedete auch den Rest.

Als die anderen verschwunden waren, klopfte er an die Toilettentür, die Kari hinter sich abgeschlossen hatte.

„Mach bitte auf. Ich bringe dich jetzt nach Hause“.

„Ich will aber noch nicht gehen“, hörte er sie durch die Tür rufen.

„Kari! Jetzt mach auf!“

„Nö, vergiss es!“, antwortete sie trotzig.

Matt stöhnte leise und hielt sich den Kopf. Er hatte eindeutig zu viel getrunken. Sein Kopf fühlte sich schwer an…am liebsten wollte er sich hinlegen.

Doch das konnte er erst, wenn Hikari aus dem Bad herauskommen würde.

„Ich kann auch den Zweischlüssel holen“, bluffte er.

Es gab keinen Zweischlüssel. Doch sein Bluff schien geholfen zu haben. Wenige Sekunden später schloss sie auf und kam aus dem kleinen Bad heraus.

Sie wirkte richtig unglücklich, so als würde sie kurz vorm Weinen stehen.

Dabei hatte er gar nichts Schlimmes gesagt. Er wollte nur, dass sie sich nicht weiter betrank.

„Geht´s dir gut?“, fragte er besorgt, doch sie ging wortlos an ihm vorbei und setzte sich auf die Couch, auf der sie schon zuvor gesessen hatten.

Matt setzte sich zu ihr und beobachtete sie.

So hatte er sie noch nie gesehen.

Dieser Blick. Er wirkte so starr und verbittert, sodass er sich große Sorgen machte. Was war nur in so kurzer Zeit mit ihr passiert?
 


 

„Und deine Mitbewohner sind wirklich nicht zuhause?“, fragte er zum gefühlten zehnten Mal.

Seine Begleitung grinste nur und nickte. „Ken arbeitet bis fünf. Davis hat bis sechs Uni und TK hat noch bis Acht Basketballtraining“, zählte sie ihm auf und ließ ihn zur Tür hinein.

„Dann haben wir ja eine knappe Stunde Zeit“, erkannte er und grinste. Sie lächelte zurück und attackierte gleich seinen Mund.

Sie vergrub ihre Finger in seinen rötlichen Haaren und steuerte rückwärts auf die Couch zu. Sie ließen sich fallen und Yolei spürte sein zusätzliches Gewicht auf ihrem Körper, der stetig nach mehr lechzte.

Sie wusste nicht, was es war, aber sie hatte das Gefühl immer mehr den Verstand zu verlieren.

Sie haben nie benannt, was sie da genau am Laufen hatten. Sie fühlte sich insgeheim schon sehr schlecht, da sie Takerus Verhalten gegenüber Mariko anfangs verurteilt hatte.

Und jetzt befand sie sich selbst in einer ähnlichen Situation. Nur das es ein Geheimnis zwischen ihnen beiden war.

Nicht, das sie sich einander schämten, doch Izzy hatte Angst, dass wenn sie es benennen würden, diese Beziehung nicht mehr funktionieren könnte.

Er hatte viel Stress und für eine richtige Beziehung mit allem Drum und Dran hatte er einfach keine Zeit. Er und Yolei trafen sich nur ab und zu. Es war eben alles sehr unverbindlich.

Einfach. Ohne Verpflichtungen.

Izzy konnte auch nicht behaupten richtig verliebt zu sein. Es war mehr ein körperliches Verlangen, dass nach Ausgleich schrie, da er sonst zu nichts kam.

Stundenlang saß er in der Bibliothek und lernte. Nichts Zwischenmenschliches geschah. Er drohte schon zu vereinsamen. Dann kam Yolei.

Sie brachte ihm den Spaß und die Freude am Leben wieder zurück. Kein Wunder bei ihrer quirligen Art. Dennoch wollte er sie nicht seine Freundin nennen.

Bei dem Begriff „Freundin“ verspürte er einen Druck, dem er definitiv nicht gerecht werden konnte.

Und Yolei verstand es. Auch sie wollte noch ein Stückchen Freiheit behalten, auch wenn sie es eher sagte, um ihm zu gefallen.

Genaugenommen wäre sie schon gerne seine Freundin. Aber man konnte niemandem zu seinem Glück zwingen. Manchmal musste man sich mit denen Sachen zufrieden geben, die man hatte.

Es dauerte vielleicht noch ein bisschen, aber sie hoffte, dass Izzy sie eines Tages, als seine Freundin vorstellen würde.

Vorerst würden sie so weitermachen, wie zuvor. Keine Verpflichtungen. Unverbindlich. Einfach.
 


 

Sie hatte sich noch keinen Meter bewegt, obwohl er sie schon ein paar Mal aufgefordert hatte aufzustehen.

Sie blickte einfach traurig in die Ecke und sagte überhaupt nichts mehr.

Matt machte sich wirklich langsam Sorgen. „Kari? Ist alles in Ordnung? Soll ich vielleicht Tai anrufen?“

Tai? Sie schien langsam aus ihrer Starre aufzuwachen. Was war nur los mit ihr? Für den Moment ging es ihr doch so gut. Sie hatte das Gefühl sie könnte Bäume ausreißen, aber jetzt wollte sie sich am liebsten verkriechen.

Mit ihrem Bruder wollte sie sich sicher nicht auseinandersetzen.

„Es ist alles gut. Ich bin nur etwas enttäuscht“, gestand sie sich ein, scheute es aber Matt anzuschauen.

„Enttäuscht?“

Seine Stimme hallte in ihrem Kopf. Ja sie war enttäuscht. Sie hatte sich das Ganze anders vorgestellt.

Matt behandelte sie immer noch wie ein Kind. Er war weit davon entfernt, in ihr eine Frau zu sehen, zu der sie mittlerweile herangewachsen war.

Doch das konnte sie ihm nicht sagen.

Sie drehte sich zu ihm und lächelte aufgesetzt. „Na du hast mit mir nicht einmal angestoßen“, sagte sie vorwurfsvoll, während er leicht grinste.

„Tut mir leid. Aber wir können es gerne nachholen. Danach bringe ich dich aber nach Hause“.

„Gut, dann gibt mir mal deinen Becher her“, forderte sie ihn auf und öffnete eine neue Wodkaflasche.

Er wusste auch nicht so recht, was er von ihrem Verhalten halten sollte.

Sie war so traurig, nur weil er nicht mit ihr angestoßen hatte?

Das konnte sie jemand anderem erzählen.

Aber vielleicht brachte er sie ja noch zum Reden. Er war sich sicher, dass sie sich danach besser fühlen würde.
 


 

Schwerfällig bewegte er sich die Treppen nach oben. Manchmal bereute er es wirklich, dass sie keinen Lift hatten. Er war vollgepackt, da er noch extra für seine Mitbewohner einkaufen gegangen war. TK und Davis kamen heute sogar noch später nach Hause als er und Yolei…sie war einfach sehr vergesslich, was das Einkaufen anbetraft. Vielleicht lag es daran, dass sie es nicht gerne tat.

Ken hingegen war die gute Seele der vier. Ihm machte es nichts aus, nach der Arbeit noch ein paar Lebensmittel zu besorgen. Heute durfte er sogar ein bisschen früher Feierabend machen.

Es war halb fünf, als er die Wohnung erreichte.

Er kramte seinen Schlüssel hervor und steckte diesen ins Schloss. Nebenher balancierte er mehrere Tüten in seiner Hand. Er hoffte, dass Yolei ihm wenigstens beim Wegräumen helfen würde.

Er schloss auf und drückte mit seinem Rücken die Tür auf.

„Ich bin wieder da“, rief er durch die Wohnung, doch er bekam keine Antwort.

Ken pfriemelte seinen Schlüssel aus dem Schloss und legte ihn auf die Theke ihrer Küche. Die Tüten mit den Einkäufen stellte er direkt daneben.

„Yolei? Bist du da?“

Wieder bekam er keine Antwort.

Er kratzte sich leicht am Hinterkopf und runzelte die Stirn. War sie heute etwa noch verabredet gewesen? Hatte er vielleicht irgendwas vergessen?

Plötzlich hörte er ein leises Stöhnen. Seine Augen weiteten sich und er erinnerte sich an die Situation nach dem Konzert.

Ken presste die Lippen aufeinander und ging langsam zu ihrem Zimmer. Sein Herz pochte gegen seine Brust, als die Stöhnlaute immer lauter wurden.

Er hatte sie zwar damals gesehen, aber er hoffte, nein er betete, dass es nur eine einmalige Sache war. Er hatte Yolei nicht darauf angesprochen und Izzy sah er zum Glück auch nicht häufiger, aber dennoch hatte er Angst sie endgültig verloren zu haben.

Eine Resthoffnung blieb immer zurück. Doch so wie sich das Anhöre, würde sie augenblicklich zerschmettert werden.

Sie hatte ihre Tür noch nicht mal geschlossen. Er schluckte und kam näher. „Yolei?“

„Scheiße“, hörte er sie plötzlich fluchen.

„Du hast doch gesagt, dass sie anderen später kommen“, sagte eine sehr bekannte Stimme.

Er hielt es nicht mehr aus und platzte einfach in den Raum.

„KEN!“, quietschte sie und zog ihre Bettdecke über ihren halbnackten Körper. Neben ihr lag tatsächlich Izzy, der wohl genauso wenig anhatte wie sie.

Ein Todesstoß für sein Herz.

Er hielt die Luft an und dachte schon, dass er nie wieder atmen könnte. Ken starrte beide regelrecht nieder und reagierte gar nicht auf Yoleis Schreierei.

„Geh aus meinem Zimmer“, zischte sie und wollte schon ein Kissen nach ihm werfen, als er wortlos den Raum verließ und die Tür hinter sich zu knallte.

Er hatte noch die Türklinke in der Hand und starrte mit geweiteten Augen auf den Boden.

Yolei. Izzy. Körperkontakt. Er konnte einpacken.
 


 

Sie küssten sich wild und der Alkohol pulsierte durch ihre Adern. Sie vergrub ihre langen Finger in seinen langen blonden Haaren und stöhnte laut, als er ihren Hals liebkoste.

Hikari wusste nicht mehr was sie eigentlich noch tat. Ihr Gehirn war wie vernebelt und ihre Beine begangen langsam an zu zittern, als er an ihrer Unterwäsche zupfte. Ihr war heiß. Ihre Atmung wurde immer flacher und die Lust nach ihm wurde immer größer.

Er küsste sie auf den Mund und saugte leicht an ihrer Unterlippe, als er ihr gleichzeitig den BH öffnete. Sie zog ihm gierig sein T-Shirt über den Kopf und glitt mit ihren Fingern herab zu seiner Hose.

Sie hatte leichtes Spiel und öffnete zuerst den Kopf und dann den Reißverschluss, während sie seine Brust entlang küsste. Der Blondschopf atmete scharf ein, als sie immer weiter hinab glitt und seine Hose hinunterzog.

Er wusste selbst nicht, warum er das eigentlich tat. Es war einfach der Moment, der ihn in diese Situation getrieben hatte. Okay vielleicht auch das ein oder andere Glas Wodka, dass er gemeinsam mit ihr getrunken hatte.

Doch sie wusste genau, was sie hier tat. Das alles wünschte sie sich schon eine Ewigkeit. Sie wollte ihm nah sein. Ihn fühlen, berühren, küssen und in ihren Armen halten.

Er sollte ihr gehören.

Yamato hingehen hatte ganz andere Gedanken, die er versuchte zu verdrängen. Immerhin war sie die kleine Schwester seines bestens Freundes und auch er wusste, dass sich TK und Kari ebenfalls wieder etwas näher gekommen waren, seit sie wieder in Japan war. Kaum zu übersehen, dass sein kleiner Bruder sie immer noch liebte. Und was tat er? Er war gerade im Begriff mit ihr zu schlafen.

„Ich kann das nicht“, sagte er plötzlich und stieß sie sanft weg. Kari sah ihn erschrocken an und musterte ihn kurz.

„Was? Warum?“

„Du weißt genau, das TK das hier sehr verletzen würde und außerdem ist Tai dein Bruder und mein bester Freund“, antwortete er geleitet von seinem schlechten Gewissen.

Die junge Yagami verrollte die Augen und zog ihn wieder näher heran. „Vergiss sie. Dieser Moment gehört nur uns“, erwiderte sie und küsste ihn hungrig.

Doch er entfernte sich von ihr und drückte sie sanft zur Seite.

„Das ist ein Fehler. Wir sollten das nicht tun“, sagte er bestimmend und stand auf. Sie saß vor ihm, halbnackt.

Noch nie hatte ein Mädchen so zerbrechlich gewirkt wie sie. „Du solltest besser gehen“.

In ihren Augen bildeten sich Tränen und sie zog beschämt ihr danebenliegendes Shirt vor ihren nackten Oberkörper. Sie bückte sich und raffte ihre Wäsche auf, als sie danach schnurstracks an ihm vorbei lief. Er konnte ihr noch nicht mal in die Augen schauen.

Sie schämte sich. Warum sollte auch gerade Matt auf sie stehen? In seinen Augen würde sie wohl immer, das kleine Mädchen bleiben.
 


 

Davis war genervt. Von allem. Der Uni. Seiner Familie. Seinen Mitbewohnern. Der Familie seiner Mitbewohner. Nur weil Takeru immer noch auf Matt sauer war, musste er heute den Postboten mimen. Ein Kommilitone von Matt hatte TK einen Ordner gegeben, den er seinem Bruder wiedergeben sollte.

Kurz bevor er ins Training musste, trafen sich Davis und er wie jeden Donnerstag für einen kleinen Kaffee zum Mitnehmen. Er hatte ihn regelrecht angebettelt, Matt den Ordner vorbeizubringen.

Anfangs wollte er nicht, doch dann zog er „Du-hast-mir-die-Tour-bei-Kari-versaut-Karte“.

Davis wusste selbst, dass es fies war Mariko einfach zu sagen, wo sie TK und Kari finden konnte, aber er durfte wirklich nicht zulassen, dass sie ihn noch mehr verletzte.

Er meinte es doch nur gut.

Und jetzt hatte er diesen elenden Kurierdienstjob an der Backe. Er hoffte wirklich, dass Matt ihn nicht wegen TK ausquetschte – so wie er es sonst immer tat.

Darauf hatte er wirklich keine Lust.

Er war nur noch wenige Meter vom Probenraum entfernt, da er wusste, dass Matt gewöhnlich immer um diese Uhrzeit probte.

Kurz bevor er ankam, wurde plötzlich die Tür aufgerissen und eine vollkommen verzweifelte und leichtbekleidete Kari Yagami kam herausgestürmt.

Davis erschreckte sich kurz, doch fing sich danach wieder und versteckte sich hinter einigen Müllcontainern, die vor dem Probenraum standen.

Er lugte leicht hervor und sah auf einmal wie Matt Kari hinterhergestürmt kam. Er streifte sich sein T-Shirt über und brüllte ihr nach, zu warten. Doch sie weinte nur unaufhörlich und blieb erst stehen, als er sie am Arm gepackt hatte.

„Jetzt warte doch!“

„Nein!“, kreischte sie, riss sich los und kam leicht ins straucheln.

„Es tut mir leid, ich hätte sowas nicht machen dürfen“, entschuldigte er sich fast schon ein wenig mitleidig. Kari reagierte jedoch nicht und konzentrierte sich darauf, ihr Sommerkleid wieder richtig herum anzuziehen. Sie weinte noch immer und fuhr sich kurz mit dem Arm über ihr Gesicht.

Davis‘ Kinn klappte nach unten. Passierte das gerade wirklich?

Matt und Kari? In welchem Paralleluniversum war er nun schon wieder gelandet?

Das durfte doch nicht wahr sein…doch er träumte tatsächlich nicht, was er nach mehrfachem Zwicken nüchtern feststellen musste. Es passierte wirklich.

„Lass uns nochmal darüber reden“, versuchte er sie verzweifelt zu erreichen.

Doch Kari schlüpfte nur in ihre Schuhe, die sie bis vor kurzem noch in ihrer Hand gehalten hatte.

„Ich will nicht darüber reden! Das war demütigend“, schluchzte sie und begann leicht zu zittern.

„Man, das tut mir wirklich so leid“, wiederholte er sich und ging ein Schritt auf sie zu, „wir hätten nicht so viel trinken dürfen“.

„Gibst du dem Alkohol für alles die Schuld?“, fragte sie bissig und umklammerte ihren Oberkörper.

„Nein, aber du sollst wissen, dass ich das unter normalen Umständen nie zugelassen hätte. Ich kenne dich schon so lange. Du bist fast wie meine eigene Schwester“.

Davis schluckte hart, als er seine Worte hörte und Karis Gesicht sah.

Das hatte definitiv gesessen. Auch wenn er Kari zurzeit nicht sonderlich mochte, sowas wünschte man noch nicht mal seinem schlimmsten Feind.

„Du hast eine Schwester, die du vollkommen ignorierst“, warf sie ihm an den Kopf und schniefte laut. Ihre Augen waren leicht geschwollen und ihre Stimme klang sichtlich heiser. „Und i-ich, i-ich bin kein Kind mehr. Wann siehst du das endlich?“, wimmerte sie, während einige Tränen über ihre Wangen kullerten.

„Kari, i-ich“, begann er und berührte sachte ihren Arm.

„Fass mich nicht an“, blaffte sie und ging auf Abstand. Bevor er etwas sagen konnte, machte sie eine Kehrtwendung und lief los.

Er dachte schon darüber nach ihr nachzulaufen, doch das brachte in dieser Situation wohl nichts mehr. Sie musste sich erstmal beruhigen, bevor er mit ihr reden konnte.

Matt konnte ja nicht ahnen, dass Davis hinter den Müllcontainern jedes einzelne Wort mitangehört hatte...
 

Fortsetzung folgt...

Wahrheitsgemäß.


 

I'm a sweet disaster

Fire Starter, Demi. Demi Lovato, 2013.
 


 

Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Wollte sie wirklich mit ihm in die Kiste springen, um dieses leidige Mädchenimage loszuwerden?

Natürlich wollte sie, dass er sie als Frau wahrnahm, aber warum musste sie nur soweit gehen?

Er hatte sie fast nackt gesehen. Und dann bekam er trotzdem kalte Füße.

Sie schämte sich so.

Wie konnte sie nur so blauäugig sein? Warum musste sie überhaupt wieder so viel trinken? Sie wusste doch, dass sie Alkohol nicht vertrug.

Warum legte sie es immer wieder aufs Neue an?

War sie etwa wahnsinnig geworden?

Fast schon panisch öffnete sie die Tür zu ihrem Hotelzimmer und stellte erleichtert fest, dass Mimi noch nicht da war. Wahrscheinlich war sie immer noch mit Sora unterwegs.

Sie schnappte nach Luft und sah kurz in den großen Wandspiegel, der ihr verheultes Selbst wiederspiegelte.

Kari presste die Lippen aufeinander und schaute weg. Sie konnte es langsam nicht mehr ertragen, sich so fertig zu sehen.

Schwerfällig bewegte sie sich zum Nachtisch und kramte das gefaltete Bild hervor, das sie sonst immer bei sich trug.

In letzter Zeit hatte sie es lieber im Hotel gelassen, da die junge Yagami zu große Angst hatte, dass jemand ihrer Freunde es entdecken könnte.

Es war eindeutig.

Selbst ihr Bruder würde gleich verstehen, was diese Aufnahme zu bedeuten hatte.

Wenn es jemand entdecken würde, müsste sie mit der Wahrheit herausrücken.

Und jetzt hatte sie auch noch das Problem mit Matt, obwohl sie eher davon anging, dass er den Mund halten würde.

Tai würde ihm sicher eine reinhauen, wenn er davon je erfahren würde. Selbst die Reaktion von TK konnte sie beim besten Willen nicht einschätzen.

Kari wusste, dass er nie von der Vorstellung, dass sie mit Matt eine Beziehung haben wollte, begeistert war.

Kein Wunder. Es wäre einfach eine seltsame Situation, die nach heute sicherlich niemals zu Stande kommen würde.

Matt war angetrunken, aber trotzdem zog er eine ganz klare Grenze. Er hatte sie sogar als kleine Schwester bezeichnet, etwas das Hikari das Herz brach.

Niemand wollte von seinem Schwarm hören, dass er sie wie eine Schwester liebte.

Sie hatte schon einen Bruder und wollte nicht noch einen haben.

Die Brünette raffte sich auf und taumelte leicht ins Badezimmer. Sie schloss die Tür hinter sich und rutschte am glatten Holz hinunter.

Sie kauerte sich auf den Fliesenboden und starrte ins Leere.

Eine Welle der Tränen überkam sie auf einmal und kontrollierte ihren ganzen Körper, der sich schmerzhaft zusammenzog.

In ihrer rechten Hand hielt sie immer noch das Bild, das vom vielen Knicken sehr abgenutzt aussah.

Sie hob ihren Arm an, der sich so anfühlte, als hätte sie einen Betonklotz in den Händen.

Sie starrte tränenvernebelt auf das Bild. Ihre Lippen zitterten und sie brachte einen undefinierbaren Laut hervor.

Wie konnte nur alles so aus dem Ruder laufen? Wieso musste sie das alles ertragen und durchmachen? Hatte sie nicht schon genug gelitten?
 


 

„Wieso hat er dir das nur erzählt? Ich könnte ihn wirklich umbringen“, murrte die Rothaarige angesäuert und starrte auf ihren Tee, der vor sich hin dampfte.

Schon während des Essens hatten sie sich über die Situation unterhalten.

Sora war immer noch sauer.

Wie konnte Taichi ihr nur so in den Rücken fallen und es Mimi erzählen?

Normalerweise hielt er doch sonst immer dicht.

Vielleicht hatte er ja doch Hintergedanken. Ihm schmeckte es sicher nicht, dass sein bester Freund mit dem Mädchen ausging, mit dem er sein erstes Mal hatte.

„Bitte sag es ihm nicht“, murmelte sie und rieb mit dem Daumen den Henkel ihrer Tasse.

Mimi hatte sich einen Cappuccino bestellt und nippte kurz daran.

„Wieso sollte ich ihm was sagen? Das ist deine Aufgabe“, gab sie zurück und stellte die Tasse wieder auf den Tisch.

„Ich weiß, aber er sieht mich nicht so“.

„Wie meinst du das?“, fragte sie Brünette verblüfft, während Sora etwas rot anlief.

„Naja“, stotterte sie unsicher, „i-ich denke, ich bin einfach nicht sein Typ und außerdem sind wir schon seit Jahren befreundet“.

Mimi verrollte die Augen. Hatte Hikari nicht das gleiche über Takeru gesagt? Wussten sie etwa nicht, dass die besten Beziehungen auf Freundschaften aufbauten?

Mimi verstand ihre Freundinnen wirklich nicht. Nicht jeder stand halt auf Typ Arschloch.

Sie sollten sich doch freuen, dass sie sich in liebe, nette Männer verguckt hatten. Sie hatte mit Michael wirklich überhaupt kein Glück gehabt.

Sora musste doch einfach nur aus ihrem Schneckenhaus kriechen. Matt würde ihr sicher verfallen.

„Ach Sora natürlich bist du sein Typ! Du bist sportlich, witzig und unheimlich hübsch“.

Die Rothaarige starrte sie ungläubig an.

Meinte sie das wirklich ernst?

Sie war doch im Vergleich zu Mimi einfach nur…gewöhnlich. Fast schon langweilig.

„Ich weiß nicht so recht. Er hat mich nie um ein Date gebeten und außerdem ist er mit dir ausgegangen. Und du passt voll in seine Beuteschema“, erklärte sie hastig und huschte mit ihren Augen immer wieder an ihr vorbei.

Es war ihr peinlich, es Mimi mitten ins Gesicht zu sagen.

Sie konnte ja nichts dafür, dass Matt sie ihr vorzog.

„Man Sora du musst auch mal in die Pushen kommen. Zieh dir ein kurzes Kleid an! Wackel´ ein bisschen mit deinem süßen Hintern und schon wird er dir hörig sein“, erwiderte sie lauter als gewollt.

Die anderen Gäste sahen sie bereits an und Sora sank langsam den Stuhl hinab.

Musste Mimi ausgerechnet in einem Restaurant über solche Themen reden?

Manchmal war sie wirklich unmöglich. Besonders weil ihre Vorschläge viel mehr nach ihr klangen, als nach Sora. Sie hasste Kleider und für Matt verändert wollte sie sich ganz sicher nicht.

„Mimi so bin ich einfach nicht. Außerdem will ich, dass er mich so mag, wie ich wirklich bin“.

„Hallo ein Kleid oder ne enge Jeans umspielen nur deine weiblichen Reize. Und jeder hilft nach!“, antwortete sie und runzelte die Stirn. „Vielleicht besorgen wir dir einen Push-Up. Im Moment siehst du wirklich aus wie meine Mutter“.

Sora sah missmutig an sich herunter und verkrampfte die Hände ineinander. Sie trug eine Jeans mit weiten Beinen und dazu weiße Turnschuhe. Obenrum hatte sie ein blaues, etwas weiteres Shirt an, das sie wirklich nicht besonders weiblich erschienen ließ.

Mimi hingegen trug eine gelbe gerüschte Bluse mit leichtem Ausschnitt. Dazu trug sie einen bunt geblümten Rock und dazu schlichte schwarze Ballerinas.

Sie stöhnte leise und sah leicht genervt zu Mimi, die sich wahrscheinlich schon neue Outfits für sie überlegte.

Sora mochte es eigentlich ganz und gar nicht, ihre Reize in den Vordergrund zu heben. Wahrscheinlich weil sie dachte, dass sie sowieso nicht sonderlich reizvoll seien. Doch vielleicht musste sie Mimi einfach ein wenig Vertrauen schenken.

Auch wenn Sora Modedesign studierte, hatte sie eigentlich keine Ahnung, wie sie sich selbst präsentieren sollte. Sie hatte immer das Gefühl, dass ihr viele Sachen, die sie selbst herausgearbeitet hatte, einfach nicht standen.

Sie brauchte wohl jemanden, der ihr den nötigen Zuspruch gab. Und wer weiß, vielleicht traute sie sich danach mehr zu, als nur die Schlapperjeans zu tragen.
 


 

Er war vollkommen verwirrt. War das gerade wirklich passiert?

Er hatte immer noch das Gefühl, er wäre in seinem schlimmsten Alptraum gefangen.

Nachdem sie ihn rausgejagt hatte, barrikadierte er sich in seinem eigenen Zimmer und starrte auf die Uhr.

Ken hörte sie auf dem Flur leise reden, doch er verstand kein einziges Wort.

Immer wieder hatte er das gleiche Bild in seinem Kopf. Hatte er wirklich gedacht, dass der Kuss beim Konzert nichts zu bedeuten hatte? In welcher Welt lebte er überhaupt? Natürlich hatte es etwas zu bedeuten.

Er hatte verloren. Er hatte sie verloren.

An Izzy. Ken könnte sich Ohrfeigen.

Warum hatte er überhaupt auf Davis gehört? Sein Herz hat doch förmlich nach ihr geschrien. Doch jetzt war alles zu spät. Sie hatte sich für jemand anderen entschieden.

Plötzlich vernahm er ein leises Klopfen an der Tür. Er sah hoch und erkannte Yolei, die zurückhalten den Kopf in sein Zimmer steckte.

„Können wir vielleicht nochmal miteinander reden?“

War Izzy etwa gegangen? Er hatte gar nicht die Tür gehört. Aber was sollte er auch noch hier? Ken hatte beiden doch ganz schön die Tour vermasselt.

Klar das da keine neue Stimmung mehr aufkam.

Fast schon ein wenig schüchtern, trat sie in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Sie blieb mitten im Raum stehen und sah verstohlen zur Seite. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht anschreien, aber ich hatte mit dir einfach noch nicht gerechnet gehabt“, gestand sie sich selbst ein.

Ken saß immer noch regnungslos auf seinem Bett und verkrampfte seine Finger ineinander. Was sollte er nur sagen? ‚Sorry, dass ich reingeplatzt bin?‘

Klang doch bescheuert, deswegen entschied er sich dazu lieber nichts zu sagen.

Doch die Stille wurde für beide immer unerträglicher. Yolei presste die Lippen aufeinander und setzte an, gerade etwas sagen zu wollen, als sie von Ken unterbrochen wurde.

„Wie lange läuft das schon zwischen euch?“

„Ehm naja…also schon länger“, erklärte sie ihm und wurde leicht rot.

„Wie lange?“, fragte er und hatte das Gefühl jeden Augenblick die Fassung zu verlieren.

Er liebte sie, doch sie würde es sicherlich nie erfahren.

Ken könnte sich in seinen eignen Hintern beißen.

„Seit Mitte Dezember. Aber es war am Anfang wirklich nichts Ernstes. Wir haben uns eigentlich nur einmal geküsst. Er hat ja auch eigentlich gar keine Zeit für sowas, aber…“, sie stoppte abrupt und fuhr sich durch die langen Haare.

Yolei rückte ihre Brille zurecht und schaute ihn zum ersten Mal wieder an.

„Aber ich glaube, dass ich mich in ihn verliebt habe“.

Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Körper. Hatte sie wirklich „verliebt“ gesagt?

Nein, das durfte nicht wahr sein.

Warum konnte er nicht einmal in seinem Leben etwas Glück haben?

„Oh“, gab er leise von sich und setzte an etwas zu sagen, als beide plötzlich Davis Stimme vernahmen.

Er war also auch schon zurück.

„Bitte behalte es für dich“, bat sie ihn und er nickte leicht. Mit sowas würde er auch gerade hausieren gehen.

„Man ich suche euch überall“, platzte er hinein und kratzte sich am Hinterkopf. „Haltet ihr hier wieder ein Kaffeekränzchen ab?“

„So in etwa“, meinte Yolei und wirkte geistesabwesend.

Davis hingegen ließ sich nicht beirren und trat in das Zimmer.

„Ich muss euch unbedingt etwas erzählen“, verkündete er ihnen geheimnisvoll. „Ihr werdet nicht glauben, wen ich gerade gesehen habe“.
 


 

Müde und ausgelaugt stand er vor seiner Wohnungstür. Er pfriemelte seinen Schlüssel hervor und steckte diesen ins Schloss. Er drückte die Tür auf und ließ seine Sporttasche geräuschvoll auf den Boden fallen. Mit dem Fuß trat er sie leicht zur Seite und ließ sie dort liegen.

Er wollte einfach nur noch bequeme Sachen anziehen und ein bisschen fernsehen. Der Tag war wirklich anstrengend genug gewesen.

Besonders Mariko ging ihm auf die Nerven, die sich zisch Mal für ihr unmögliches Verhalten gegenüber Kari entschuldigt hatte.

Doch Takeru wollte endgültig einen Schlussstrich ziehen.

Er hatte gemerkt, dass sie beide keine lockere Beziehung mehr führten. Sie wollte mehr, doch er hatte sich nicht in sie verliebt.

Nein – er war sogar noch immer in Kari verliebt, wahrscheinlich mehr als zuvor. Das hatte er am Samstag deutlich gespürt. Und auch sie schien ihn endlich in einem anderen Licht wahrzunehmen. Jedenfalls dachte er das.

Er wollte es einfach riskieren und nicht an Morgen denken. Er quälte sich schon so lange damit.

Das musste einfach ein Ende haben.

Im Wohnzimmer sah der Blondschopf schon den Rest seiner Mitbewohner sitzen. Sie hatten noch nicht bemerkt, dass er wieder da war. Er schlenderte langsam zu ihnen hin und Ken war der Erste, der ihn bemerkte.

„Hallo, du bist ja schon da“, stellte er fest und weckte auch Davis Aufmerksamkeit. Er sah, wie glücklich er war und er wusste auch, dass er dieses Glück innerhalb weniger Sekunden zu Nichte machen würde, wenn er ihm die Wahrheit sagte.

Doch was sollte er machen?

Ihn anlügen?

Kari heilig sprechen?

Matt kastrieren?

„Stimmt was nicht, Davis?“, fragte er besorgt und ließ sich zu ihm auf die Couch fallen. „Hast du Matt seinen Ordner zurückgegeben?“

„Nein das habe ich nicht“, antwortete er und sah zu den anderen beiden, die ihn schulterzuckend ansahen. Keiner wollte diese Bombe platzen lassen.

„Man, Davis kannst du nicht einmal, das machen, worum ich dich bete? Dank dir hatte ich am Samstag Mariko an der Backe“, nörgelte er und verdrehte die Augen.

Er würde seinem Bruder sicherlich nicht das Ding zurückbringen. Er wollte ihn einfach nicht sehen, geschweigenden mit ihm reden.

Takeru hatte wirklich die Hoffnung, dass Davis es verstanden hatte. Doch es war wohl doch nicht so.

„Du weißt, dass es mir leid tut, aber Kari tut dir wirklich nicht gut“, erwiderte er angestrengt.

„Geht das schon wieder los“, murrte der Blondschopf und sprang vom Sofa auf. „Du sollest ihr wirklich langsam mal verzeihen. Das ist schon Jahre her!“

Davis schüttelte den Kopf und gab einen undefinierbaren Laut von sich. „Das wird nicht passieren und wenn ich dir, dass erzähle was ich mitbekommen habe, willst du sicher auch nichts mehr mit ihr zu tun haben“.

„Du sprichst wirklich in Rätseln“, knurrte er und sah zu Yolei und Ken, die wissend die Köpfe senkten. Was war nur los? Wussten etwa alle Bescheid, außer er?

„Man jetzt rück‘ endlich mit der Sprache raus“, forderte er Davis auf, der für einen Moment verstummt war.

Er hatte darüber nachgedacht, wie er es ihm schonend beibringen sollte, doch er stellte fest, dass das wohl nicht möglich war. Er sollte es einfach geraderaus sagen. Ohne Kompromisse.

Das Leben war nun mal ein Arschloch.

Und Takeru, wollte die Wahrheit einfach nicht sehen, obwohl er es ihm ständig gesagt hatte.

„Kari und Matt hatten was miteinander“, eröffnete er ihm und Takeru starrte ihn ungläubig an.

„Verarsch‘ mich nicht. Das ist nicht witzig“.

„Ich verarsch‘ dich nicht. Ich wollte ihm den Ordner bringen und da ist Kari halb nackt aus seinem Probenraum gelaufen“, sagte er bitter.

TK runzelte nur ungläubig die Stirn.

„Matt hat von irgendeinem Fehler gesprochen und keine Ahnung. Ich hab noch gesehen, wie er sich sein Shirt angezogen hat“.

„Du lügst doch“, blaffte er ihn an und ging auf Abstand.

„Nein und wenn du mir nicht glaubst, dann frag ihn doch selbst. Oder frag‘ doch am besten deine heißgeliebte Kari, die dich NIE lieben wird“.

„DAVIS“, zischte Yolei, während Ken praktisch die Luft anhielt.

Takerus Miene war undefinierbar. Eine Mischung aus Wut und Schmerz.

„Du bist wirklich das Letzte! Kari würde sowas nie machen“.

„Dann geh‘ doch zu einem der beiden hin und konfrontier‘ sie damit, du Schlaumeier! Ich weiß genau, was ich gesehen habe“, plusterte sich Davis auf und schenkte ihm einen angesäuerten Blick.

Wieso konnte er ihm nicht einfach glauben? Sie waren doch so enge Freunde.

„Okay gut, dann gehe ich eben zu Matt. Ich muss ihm ja. dank dir immer noch den blöden Ordner bringen“, schrie er zurück, schnappte sich den Ordner und verschwand polternd aus der Wohngemeinschaft.

„Toll gemacht Davis! Jetzt wird er sicher auf Matt losgehen“, protestierte Yolei und sah herausfordernd zu dem Igelkopf.

Davis hingegen blieb unbeeindruckt. „Na und? Er hat es wirklich verdient“.

„Super, dann wird die Beziehung der beiden wohl noch zerrütteter“, murmelte Yolei angesäuert und verschwand in ihr Zimmer.

Davis und Ken blieben alleine zurück.

„War das wirklich zu hart?“, fragte er nach einer Weile.

Ken zuckte jedoch nur fragwürdig mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Aber wir werden es sicher bald erfahren“.
 


 

„Wieso bist du so gereizt?“, fragte Taichi seinen Mitbewohner und beäugte ihn kritisch. Izzy wuselte durch die Küche und wirkte so, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders.

Tai konnte ja nicht ahnen, dass er sich Sorgen machte. Ken hatte Yolei und ihn fast in flagranti erwischt. Er war wirklich froh gewesen, dass er nicht fünf Minuten später ins Zimmer geplatzt war.

Selbst Yoleis SMS beruhigte ihn kein bisschen. Klar, dass er sagte, er würde den Mund halten – bis es ihm doch irgendwann „ausversehen“ herausrutschte.

Nicht das sich Izzy schämte, aber dennoch ließ die ganze Situation kein gutes Licht auf ihn fallen.

Er wollte im Moment nichts Festes. Nicht weil er Yolei nicht mochte. Er hatte einfach Angst als Freund versagen zu können, da er einfach zu viel um die Ohren hatte.

Er wollte keine Bezeichnung haben, sondern es einfach laufen lassen, auch wenn es egoistisch klang.

Doch selbst Tai hatte bemerkt, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmte.

War es wirklich schon so auffällig?

„Ich bin nicht gereizt“, knurrte er, „ich habe nur viel um die Ohren“.

„Klar wie immer“, meinte Tai belustigt und merkte, dass sich die Tür gerade öffnete und Matt in die Wohnung trat.

Er sah ziemlich verdattert aus und begrüßte keinen der beiden. Erst als Tai ihm ein knappes „Hi“ zurief, reagierte er.

„Hallo“, antwortete er leise und presste seine Lippen aufeinander. Er traute sich noch nicht mal Tai ins Gesicht zu schauen, so sehr schämte er sich.

Jedoch wusste er, dass er ihm die Wahrheit sagen musste. Wenn er es von Kari erfahren würde, riss er ihm sicherlich den Kopf ab und drapierte ihn auf dem Fenstersims.

Matt wusste allerdings nicht, wie er das Gespräch anfangen sollte, besonders weil auch Izzy hier war.

Einfach zu sagen „Hey ich habe beinahe mit deiner Schwester geschlafen“, kam doch recht plump rüber, auch wenn es die Wahrheit war.

Er würde ihn verachten, schlagen, das Treppenhaus hinunterjagen und ihn wohl für immer von seiner Facebook-Freundschaftsliste streichen. Das war wohl das geringste Problem.

Tai war seine kleine Schwester heilig.

Wenn ihr irgendetwas passieren würde, könnte es Tai nicht verkraften. Obwohl Matt gemerkt hatte, dass etwas mit ihr nicht stimmen konnte.

Klar, sie hatten beide viel getrunken, aber ihr Verhalten passte gar nicht zu der Kari, die er kannte.

Sie wirkte verzweifelt. Ängstlich. Gebrochen. So hatte er sie noch nie erlebt.

Auch wenn die Situation, in der sie sich befanden, alles andere als angenehm für sie war.

Trotzdem störte Matt etwas, dass er nur schwer in Worte fassen konnte.

Sie hatte sich verändert.

„Tai?“

„Ja?“, fragte er und zog die Augenbraue nach oben.

„Ich muss dir etwas sagen“, begann er leise, während Tai ihn misstrauisch begutachtete.

„Du hast doch hoffentlich niemanden geschwängert? Patenonkel will ich noch nicht werden“.

Izzy lachte leise.

Matt schüttelte nur den Kopf. „Nein darum geht es nicht“.

„Sag mir bitte nicht, dass du dich in Mimi verknallt hast!“ Tai sah ihn entrüstet an, doch wieder schüttelte er den Kopf.

„Das ist es auch nicht. Vielleicht setzt du dich…“.

Ein Klingeln. Alle drei horchten auf.

„Ich geh schon“, meinte Matt missmutig und schritt langsam zur Tür.

Warum wurde er ausgerechnet jetzt unterbrochen? Nachher hatte er sicher keinen Mut mehr, Tai die Wahrheit zu sagen.

Zu seiner eignen Überraschung stand sein Bruder vor der Tür, der nicht sonderlich begeistert war ihn zu sehen.

„TK? Was machst du denn hier?“

Der Blondschopf hielt einen blauen Ordner nach oben und Matt erinnerte sich dunkel daran, ihn Katsu geliehen zu haben. Matt nahm ihn entgegen und bedankte sich kaum hörbar.

TKs Miene veränderte sich jedoch kaum.

„Willst du rein kommen?“

„Eigentlich nicht“, antwortete er kühl. „Ich will nur wissen, ob es stimmt“.

Matt sah den Jüngeren verwirrt an. „Ob was stimmt?“

„Na das mit Kari, du Idiot!“, blaffte er ihn an und die Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. „Davis hat dich mit ihr gesehen“.

Er schluckte hart. Davis hatte ihn gesehen? Wie konnte das nur sein?

„Er war vorhin am Probenraum gewesen, um dir das Ding vorbei zu bringen“, erklärte er weiter und funkelte ihn weiterhin böse an. „Und da hat er euch gesehen“.

„E-Ehm…“.

„Stimmt es?“

Ja.

„Weißt du, das ist alles nicht so wie es aussah“, versuchte er es zu erklären.

„Ach und wie war es wirklich?“

„Naja…es ist kompliziert“.

„Kompliziert?“, wiederholte er. „Was ist daran kompliziert? Hattest du was mit ihr? Ja oder Nein?“

Janein.

„Lass uns bitte in Ruhe darüber sprechen“, erwiderte er in einem ruhigen Ton und wollte gerade die Tür hinter sich schließen, als Tai plötzlich auftauchte.

„Man streitet ihr etwa schon wieder? Langsam ist es wirklich mal genug“, mischte sich der Brünette ein und entfachte die aufkommende Wut Takerus aufs Neue.

„Mein Bruder ist halt ein riesen großes Arschloch“, brüllte er durch das Treppenhaus und hoffte, dass es ja alle Nachbarn hören würden. „Erst gibt er unsere Familie auf und dann fickt er alles was nicht bei drei auf dem Baum ist“.

„So war das gar nicht“, zischte er und wurde immer hibbeliger.

„Ach und wie war es dann? Hältst du mich für vollkommen blöd? Du wusstest genau, was ich für sie empfinde!“, schrie und bemerkte, dass Davis mit allem Recht hatte.

Sein Bruder versuchte sich herauszureden, weil er zur Wahrheit nicht stehen konnte. Er hatte tatsächlich etwas mit Hikari, obwohl er über seine Gefühle Bescheid wusste.

„Wovon redet er überhaupt?“, fragte Tai sichtlich verwirrt und erntete von TK einen verärgerten Blick.

„Ach weiß er noch nicht Bescheid?“

„Takeru, bitte“.

Er blieb unbeeindruckt. Als ob er sich auf eine Bitte von ihm einlassen würde.

„Matt konnte noch nicht mal die Finger von deiner Schwester lassen!“, tönte er abfällig, während Matts Gesicht ganz weiß wurde.

„Was? Labber‘ doch keinen Scheiß“, erwiderte Taichi und sah zu seinem besten Freund, der seinen Blicken ausweichte. „Alter…das ist doch nicht sein Ernst oder?“

„Es ist nicht so weit gekommen“, murmelte er im Flüsterton, sodass es nur Tai hören konnte.

„Willst du mich verarschen? Mit meiner kleinen Schwester? Ist dir dein Hirn in die Hose gerutscht?“

Er war wütend und das vollkommen zurecht.

Jetzt hatte er nicht nur seinen Bruder vergrault, sondern auch seinen besten Freund, der seine Fäuste geballt hatte.

Auch Izzy stand in Tür Nähe, hatte jedoch nicht mitbekommen, um was es bei dem Streit überhaupt ging, bis Tai auf einmal auf Matt losging und Takeru teilnahmslos nebendran stand.

„Du blödes Arschloch!“

„Was ist denn jetzt passiert?“, fragte der Rotschopf und sah hilfesuchend zu TK, der mit einem kalten Blick auf die beiden herabschaute.

Tai hatte Matt zu Boden geworfen und schlug auf ihn ein, während Izzy versuchte beide voneinander zu trennen.

„Kannst du mir vielleicht mal helfen?“

„Nein. Das geschieht ihm recht“, antwortete der Jüngere kühl und verschränkte die Arme vor der Brust. Izzy starrte ihn entgeistert an, schaffte es einen Moment die beiden zu trennen, als Tai sich erneut auf Matt stürzte und sich dieser noch nicht mal dagegen wehrte.

Er war selbst daran schuld und hatte es verdient.

Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis auch TK auf ihn losging. Matt hatte aber auch ganz schön viel Mist gebaut. Seine Schwester hatte er nur von Fotos gesehen, die ihm Takeru aufgezwungen hatte. Seine Mutter und seinen Vater ignorierte er konstant.

Und dann schlief er auch noch fast mit dem Mädchen, in das Takeru schon seit Jahren verliebt war. Hinzukam, das es auch gleichzeitig die Schwester seines besten Freundes war, der ihm gerade die Nase blutig geschlagen hatte.

„Man es reicht jetzt!“

Alle sahen zu Izzy, der bereits einen hochroten Kopf hatte. „Seid ihr alle verrückt geworden?“

„Ganz sicher nicht! Das hat er wirklich verdient“, verteidigte sich Taichi und stand auf.

Matts Nase blutete noch immer und er strich sich mit dem Arm kurz darüber. Takeru stand immer noch am gleichen Fleck und hatte eine ganze Weile nichts mehr gesagt.

Sein Blick war vollkommen leer.

„Es ist wirklich nichts passiert, dass musst du mir glauben“, versicherte er Taichi, doch er presste nur die Lippen erbost aufeinander.

„Einen Scheiß werde ich tun“, blaffte er zurück und drückte sich an Takeru vorbei.

Izzy ging ihm ein Stückchen nach und rief ihm hinterher: „Wo willst du hin?“

„Weg“, schrie er zurück und verschwand im Treppenhaus.

Izzy drehte sich herum und sah das Matt immer noch am Boden lag und Takeru sich ebenfalls in Bewegung gesetzt hatte. Er packte den Blonden am Arm, als er an ihm vorbeigehen wollte.

„Was ist passiert? Warum seid ihr so sauer?“

„Das kannst du ihn fragen“, meinte er abweisend und deutete mit dem Kopf in Matts Richtung. Der Rotschopf ließ ihn los und schaute kurz zu Matt. Als er seinen Blick wieder zu Takeru richtete, war dieser bereits verschwunden.

Irritiert fuhr sich Izzy durch die Haare und raufte sie sich kurz. Was war hier nur passiert?
 


 

Sie hatte den kompletten Tag mit Sora verbracht und war gerade auf dem Weg ins Hotel. Das Gute war, dass sie Sora tatsächlich dazu überreden konnte sich einem kleinen Make Over zu unterziehen.

Allerdings hatte absolut kein Selbstbewusstsein und war immer noch nicht bereit, mit Matt über ihre Gefühle zu sprechen.

Eine harte Nuss. Doch Mimi war bereit sie zu knacken.

Fröhlich pfeifend schaute sie durch die Gegend und beobachtete die Schönheit der Natur, als sie plötzlich mit jemandem zusammenstieß.

„Pass doch auf“, zischte die Person patzig, während Mimi auf ihrem Hintern landete.

„Das kann ich an dich zurückgeben“, zickte sie und rieb schmerzvoll den Po.

Erst danach sah sie nach oben und blickte in Tais missmutiges Gesicht.

„Tai? Was willst du denn hier in der Gegend?“

„Ach, ich wollte einfach nur in dich reinrennen“, antwortete er sauer und zog die Augenbrauen zusammen. „Ich wollte zu Kari“.

„Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“

Immer noch verärgert über Tais ruppige Art, stand sie langsam auf und strich sich ihren Rock wieder glatt. „Hast du schlechte Laune oder was?“

„Kann man so sagen. Sag‘ mal wo warst du eigentlich den lieben langen Tag?“

„Ich war mit Sora unterwegs“, erwiderte sie verwirrt.

„Und warum nehmt ihr Kari nicht mit?“

„Sie wollte nicht?“

„Was? Du bist doch sonst immer so hartnäckig“, giftete er und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Mimi schüttelte sich nur leicht.

„Was ist überhaupt los mit dir?“

„Nichts“, knurrte er und ging weiter. Doch Mimi wäre nicht Mimi, wenn sie ihm nicht folgen würde. Von wegen nichts.

Das konnte er seiner Mutter erzählen, aber nicht ihr.

„Jetzt warte doch!“, rief sie ihm hinterher und klammerte sich an seinem Arm fest.

„Bist du noch ganz dicht? Lass gefälligst wieder los“, murrte er und versuchte sie abzuschütteln.

„Ich denk‘ ja gar nicht dran“. Sie verfestigte ihren Griff und Tai schnaubte abfällig.

„Du gehst mir ganz schön auf die Eier!“

„Seit wann habe ich irgendwelche Auswirkungen auf deine Eier?“, fragt sie grinsend und Tai lief prompt rot an. So etwas Ähnliches hatte sie doch schon mal gesagt.

Damals in der Vorlesung hatte sie sich zu ihm rüber gebeugt und ihm ins Ohr geflüstert, dass sie genau den Grund wusste, warum er sich gegenüber ihr so verhielt.

Natürlich war es nach wie vor komisch für ihn. Sie hatten nie wirklich über den Vorfall gesprochen und Tai war mehr als nur sauer darüber gewesen.

Er war enttäuscht, dass sie am nächsten Morgen gleich abgehauen war – so als hätte es ihr nichts bedeutet.

Es war ja auch sein erstes Mal gewesen. Aber das war ihr anscheinend egal gewesen.

„D-Du weißt wie ich das gemeint habe“, stotterte er und schüttelte nur unwirsch den Kopf.

„Schon klar“, sagte sie grinsend und ließ ihn los. „Aber jetzt sag‘ mir was passiert ist!“

Und er begann zu erzählen.

Er berichtete von Kari und Matt. Erzählte wie Takeru bei ihnen aufgetaucht war und die Bombe im großen Stil platzen ließ. Und natürlich auch von der Prügelei, obwohl eigentlich nur er derjenige war, der die Fäuste sprechen ließ.

Mimi hörte gespannt zu, doch als sie realisierte, was ihre Freundin Hikari getan hatte, klappte ihr die Kinnlade nach unten.

Jetzt drehte sie wohl auch noch in Japan durch. Sie musste dringend mit ihr reden.

„Das ist ja wirklich schrecklich. Oh nein“. Gerade fiel ihr Sora wieder ein, die sie regelrecht dazu angestachelt hatte, sich an Matt ranzuschmeißen.

„Oh nein?“

„Sora! Ich habe heute mit ihr über Matt gesprochen“.

„Was? Über Matt ge…ich hab doch gesagt, dass es unter uns bleiben soll!“, rief er ihr ins Gedächtnis, doch Mimi blieb unbeeindruckt.

„Du hast ihr auch Sachen erzählt, die eigentlich unter uns bleiben sollten“, erwiderte sie gereizt und Tai verstummte.

Über was quatschten die Frauen nur alles? Geheimnisträgerin konnte sich wohl keiner von ihnen nennen. Am besten sollte man als Mann wirklich die Klappe halten.

„Ist doch jetzt egal. Lass uns zu Kari gehen“, forderte er sie auf.

Mimi schüttelte jedoch den Kopf.

„Ich glaube es wäre besser, wenn ich zuerst mit ihr spreche. Mit seinem großen Bruder spricht man sicherlich nicht gerne über solche Sachen“.

„Aber…“.

„Kein aber. Ich kümmere mich schon darum und dann schreib ich dir ne SMS okay?“

Tai nickte nur widerwillig, da er beim besten Willen heute keine Kraft mehr hatte, sich gegen Mimi zu wehren. Vielleicht war es wirklich besser, wenn diese Aufgabe eine Gleichgesinnte übernahm.

Er würde sicherlich sowieso nur ausrasten.

Tai hoffte nur, dass Mimi es nicht noch schlimmer machte. In solchen Fällen war sie wirklich ein kleiner Chaosmagnet, aber er musste ihr wohl oder übel Vertrauen schenken.
 


 

Sie saß auf ihrem Bett und weinte noch immer. Fast zwei Stunden hatte sie unter der Dusche verbracht, um durch das wärmende Wasser einen Hauch Geborgenheit zu erhaschen, doch rein gar nichts geschah.

Sie fühlte sich einfach nur allein. Am liebsten wollte sie für immer im Erdboden versinken.

Tief in ihrem Selbstmitleid gefangen, bemerkte sie gar nicht, wie Mimi ins Zimmer trat und sie böse anfunkelte.

Doch die Wut über ihre Taten verflog recht schnell wieder, nachdem sie bemerkte, dass Kari wie ein Häufchen Elend auf dem Bett hockte.

Langsam trat Mimi an sie heran, doch sie bemerkte sie nicht.

Erst als Mimi sanft ihren Arm berührte, wurde sie augenblicklich in die Realität zurückgeschleudert.

„Ich habe eine Fehler gemacht“, schniefte sie und flüchtete sich in Mimis Arme.

„Ich weiß“, murmelte sie und fuhr ihr über ihr nussbraunes Haar. „Warum hast du das nur gemacht? Und warum ausgerechnet mit Matt?“

„Es tut mir leid“, schluchzte sie gegen ihre Schulter. „Ich weiß ja, dass du ihn magst“.

„Kari das hat doch damit gar nichts zu tun“, meinte sie ruhig und stieß sie sanft von sich weg, um ihr in die Augen schauen zu können.

„Er ist der beste Freund von deinem Bruder und der Bruder von deinem besten Freund“. Es klang verwirrender als sie es eigentlich meinte, doch Kari verstand auf was sie hinaus wollte.

Natürlich war es nie gut, solche Verwirrung zu stiften, besonders wenn alle in so einem engen Verhältnis zueinander standen.

Aber Kari hoffte, dass der Rest es nie erfahren würde. Doch als Mimi ihr berichtete, das Taichi es bereits wusste und Takeru anscheinend auch, brach für die junge Japanerin eine Welt zusammen.

„Wie kann das sein?“

„Vielleicht hatte Matt ein schlechtes Gewissen. Ach Kari wieso musstest es ausgerechnet Matt sein?“

Sie senkte ihren Blick und verkrampfte ihre Hände. Danach presste sie ihre Lippen fest aufeinander und unterdrückte ein Schluchzen.

„Weil ich ihn liebe“.

„Was?“, fragte die Brünette entgeistert.

Kari sah sie an. Tränen liefen ihr über die Wangen und sie wiederholte nochmal ihre gesprochenen Worte, die Mimi wie Backsteine entgegenflogen.

„Ich bin in ihn verliebt. Schon seit ich fünfzehn bin“.

„Du verarschst mich doch!“

Sie schüttelte den Kopf und Mimi stöhnte laut auf.

Kari war in Matt verliebt.

Genauso wie Sora.

In was für ein Drama war sie da nur hineingeraten?
 

Fortsetzung folgt...

Abrechnung.


 

I can see you now in shades of grey

Thousand Needles, Louder. Lea Michele, 2014.
 


 

11. Juni 2010. Odaiba, Japan. Studentenwohnheim.
 

Er war fassungslos. Da war er gerade mal eine knappe Woche zurück und schon blühte ihm Ärger. Gewaltigen Ärger.

Und er war sich sicher, wem er es zu verdanken hatte.

Wütend warf er sich aufs Bett und las immer wieder die gleichen Zeilen.
 

Sehr geehrter Herr Kido,

wir möchten Sie daran erinnern, dass Sie bis zum Ende des Monats Ihre Wohnung geräumt haben müssen.
 

Er fühlte sich verarscht, aber was erwartete er auch von seinem Vater? Er akzeptierte wohl nur einen Sohn, der sein Medizinstudium ohne Murren durchzog und die Zähne zusammenbiss.

Kaum hatte sich Joe gewehrt, stellte sein Vater prompt die Zahlungen ein.

Er konnte sich noch gut daran erinnern, was sein Vater vor wenigen Wochen zu ihm gesagt hatte.

„Wenn du das durchziehst, dann verlierst du sämtliche finanzielle Unterstützung! Also überleg es dir gut“.

Natürlich hatte er nicht daran geglaubt, dass er es auch wirklich durchziehen würde. Schließlich war er immer noch sein Sohn. Ob er nun Medizin studierte oder nicht.

Und jetzt lag er hier. Ende des Monats hatte er kein Dach mehr unter dem Kopf. Wahrscheinlich musste er jetzt unter einer Brücke schlafen und sich sämtliches Geld zusammenbetteln.

Das konnte man wirklich mal einen Abstieg nennen.

Vom Medizinstudent zum Straßenpenner. Er musste sich dringend etwas einfallen lassen.

Doch in seinen alten Job als Auffüller wollte er sicherlich nicht zurückkehren. Auch wenn er damals nicht schlecht verdient hatte, merkte er schnell, dass diese Art von Job nichts für ihn war.

Selbst den Rücken, hatte er sich einmal verhoben, als er mehrere Liter flüssiges Waschmittel auffüllen wollte. Einmal und nie wieder, dachte er damals, doch was sollte er jetzt nur tun?

Er konnte doch wirklich nicht auf der Straße wohnen.

Was sagte überhaupt seine Mutter dazu? Sie konnte es doch nicht befürworten, dass sein Vater seinen eigenen Sohn ins Unglück stürzen wollte.

Selbst als er ihm an Weihnachten gesagt hatte, dass er sein Studium vorerst nicht weitermachen wollte, hatte er ihm immer noch die Wohnung und die Lebenshaltungskosten bezahlt.

Aber anscheinend war das Ganze zu viel für seinen Vater.

Das Fass war übergelaufen und sein Vater zog einen gnadenlosen Schlussstrich, ohne die Konsequenzen nur in Betracht zu ziehen.

Für ihn war Joe wohl gestorben. Ohne Chancen auf eine Wiederbelebung.

Doch was sollte er machen?

Das weitermachen, was ihn Tagtäglich immer unglücklicher werden ließ? Er brauchte diese Pause, um sich klar zu werden, was er eigentlich wollte – auch wenn er bisher nur wusste, was er nicht wollte. Aber nichts desto trotz war es ein Anfang, der ihm neue Wege und Möglichkeiten aufzeigen sollte und keine Wohnungskündigung.

Aber da hatte er wohl die Rechnung ohne den Wirt gemacht, der zuhause saß und sich um nichts Sorgen machen musste. Noch nicht mal um seinen Sohn, den er genaugenommen auf die Straße bugsiert hatte.

Ein Gewissen? Das hatte sein Vater schon vor langem in die Tonne getreten. Alles was zählte, war eine Normvorgabe, der Joe nicht mehr entsprechen konnte. Nein, ihr nicht mehr entsprechen wollte.

Er drehte sich zur Seite und warf das Stück Papier achtlos durch den Raum. Joe stöhnte genervt auf und drückte seinen Rücken noch ein wenig mehr in die Matratze.

Wieso musste sein Leben nur so kompliziert sein? Wieso folgte hinter jedem Lichtblick ein neuer Regenschauer? Durfte er denn nicht einmal glücklich sein. Sein Leben so leben, wie er es immer wollte?

Er kannte die Antwort und wusste, dass sie nicht „Ja“ sein konnte. Vielleicht wäre das zu einfach. Vielleicht wollte ihn das Leben einfach nur testen. Vielleicht sollte er lernen, was es bedeutete zu kämpfen. Dennoch wünschte er sich nur einen kleinen winzigen Wegweiser, der ihm zeigte, dass er in die richtige Richtung ging. Im Moment hatte er das Gefühl, nur noch Storm abwärts getrieben zu werden.
 


 

„Wie sauer ist er?“ Er traute sich schon fast gar nicht zu fragen. „Von einer Skala von eins bis zehn. Zehn ist das Schlimmste.“

„Zwölf“, antwortete der Rotschopf trocken und nippte an seinem Kaffee.

Matt schnaufte nur laut und ließ sich auf seinen Stuhl zurückfallen. Er hatte die Nacht bei einem Kommilitonen geschlafen, da er sich nicht traute nach Hause zu gehen.

Wahrscheinlich hätte Tai ihn im Schlaf eigenhändig erwürgt, ohne das er die Möglichkeit gehabt hätte, sich zu erklären.

Gut, er musste schon zugeben, dass die Situation für ihn im Moment nicht sonderlich rosig aussah, doch niemand wollte ihm auch so richtig zuhören.

Deswegen hatte er sich mit Izzy in einem Café verabredet. Einer musste ihm doch zuhören.

„Man, wie soll ich das nur wieder gerade biegen?“, fragte er sich selbst und raufte sich die Haare.

Izzy runzelte die Stirn und kräuselte die Lippen.

„Ich versteh wirklich nicht, warum du ausgerechnet was mit Kari hattest! Sie müsste doch fast wie eine Schwester für dich sein, oder habe ich da irgendwas verpasst?“

„So war das doch gar nicht. Wir haben nur geknutscht, da ich gemerkt habe, dass es sich falsch anfühlt“, verteidigte er sich und schlug die Hände dramatisch vor dem Gesicht zusammen.

„Und warum hast du dich dann darauf eingelassen? Hast du vielleicht einen Moment an Tai oder TK gedacht?“, hakte Izzy empört nach.

Takeru. Jeder hatte wohl in letzter Zeit mitbekommen, wie sehr er an Tais kleiner Schwester hin. Besonders nach der Kari-Ersatz-Geschichte.

„Ich habe gar nichts gedacht. Ich habe etwas zu viel getrunken und sie war auch vollkommen drüber und eigentlich wollte ich sie doch nur nach Hause bringen“.

„Hat ja prima funktioniert“.

„Das brauchst du mir nicht zu sagen“, murmelte der Blonde und schnaubte. „Ich habe scheiße gebaut, aber auch sie hat sich so komisch verhalten“, begann er plötzlich zu erzählen und erinnerte sich an ihr außergewöhnliches Trinkverhalten.

„Komisch?“, wiederholte Izzy mit hochgezogener Augenbraue.

„Ja, sie hat sich vollkommen zulaufen lassen. Das ist überhaupt nicht ihre Art!“

Matt erinnerte sich auch an ihrer Worte bezüglich seiner Schwester. Es hatte ihn irgendwie mehr getroffen, als er eigentlich zu gab. Er brauchte sie wirklich nicht als Schwester zu bezeichnen, da er ja eine hatte, die er seit ihrer Geburt so gut wie ignoriert hatte.

Auch wenn er sich fragte, woher sie diese Information hatte, wusste er, dass er vor seiner Familie nicht ewig weglaufen konnte.

Auch TK musste er sich irgendwann stellen. Er war nicht nur wegen Kari sauer, sondern verklickerte ihm klipp und klar, dass er seine Einstellung zum Kotzen fand.

Es war das erste Mal, dass sich Matt Gedanken über seine Familie machte. Er hatte sie immer als kaputt und unwiderruflich getrennt gesehen, doch mit Saya änderte sich die Sachlage.

Sie war hier. Er konnte sie nicht länger ignorieren.

„Hey, hörst du mir überhaupt zu?“, fragte Izzy ihn leicht verärgert und riss ihn aus seinen Gedankengängen.

„Tut mir leid“, meinte er entschuldigend.

Izzy hatte seinen Kaffee hingestellt und verschränkte die Arme vor der Brust.

Natürlich wollte er irgendwie zwischen den beiden vermitteln, da es sich ja um seine Mitbewohner handelte. Doch auch er konnte sich schönere Freizeitbeschäftigungen vorstellen.

Auch wenn er vorerst lieber nicht zu Yolei ging. Nachdem Ken sie erwischt hatte, fühlte er sich ganz unwohl in seiner Haut, obwohl ihm Yolei versicherte, dass er nichts sagen würde.

Er wusste auch nicht, warum er sich so anstellte.

Er mochte Yolei. Sehr sogar.

Dennoch hatte er irgendwie Angst. Sie hatten sich auf eine Art Beziehung geeinigt, ohne es als solche zu benennen. Sie wusste, dass Izzy nur begrenzt für sie Zeit haben würde.

Deswegen wollte er sie auch nicht gleich seine Freundin nennen, auch wenn es schon länger mit den beiden lief.

So oft sahen sie sich gar nicht, um sich wirklich sicher sein zu können, dass es funktionieren würde.

Vielleicht sah er auch alles viel zu verkrampft. Im Moment war es doch gut, so wie es war.

Er hatte eigentlich keine größeren Probleme, angesehen von seinen Mitbewohnern.

„Was hast du jetzt vor zu tun? Willst du noch mal mit ihm reden?“

„Ich weiß nicht, ob das im Moment eine so gute Idee wäre. Aber Tai wird wohl mein geringstes Problem bleiben“, antwortete der Blondschopf niedergeschlagen und spielte somit auf TK an.

„Man, wie bescheuert. Wie konnte das Ganze nur eskalieren?“

„Keine Ahnung, aber irgendwas war komisch“, meinte Matt wieder und dachte angestrengt nach, doch er schien zu keiner Lösung zu kommen.

Er wusste nicht was, aber etwas irritierte ihn, an Karis Verhalten.

Sie wirkte auf ihn so zerbrechlich. Wie sie ihn ansah, so als ob ein Teil von ihr gestorben sei.

Dieses Bild brannte sich in seinen Kopf ein und quälte ihn seither.

Doch er wusste nicht, was er als Nächstes tun sollte. Zu Tai konnte er nicht gehen, ohne davon auszugehen wieder angefallen zu werden. Bei Takeru war es genauso. Und Kari wollte sicherlich nicht mit ihm reden wollen.

Im Moment war er wirklich hilflos. Fast schon planlos. Doch etwas musste ihm doch einfallen. Ihm fiel immer etwas ein und so langsam kam ihm eine Idee, an wen er sich wenden konnte.
 


 

Sie balancierte zwei Pizzaschachteln geschickt in Richtung Zimmer. Sie kramte ihre Karte hervor und trat ein.

„Du liegst ja immer noch im Bett“, fiel ihr auf und musterte ihre Freundin besorgt.

Sie stellte die Pizzen auf dem Tisch ab und setzte sich auf die Bettkante.

„Willst du nicht mal langsam aufstehen? Gegessen hast du auch noch nicht wirklich was“, meinte sie besorgt und strich ihr über den Rücken. „Ich hab Pizza mitgebracht“.

„Ich habe wirklich keinen Hunger“, antwortete sie schwach und merkte, wie schon wieder Tränen in ihren Augen aufstiegen und brannten.

Schon den halben Tag lag Hikari im Bett und versuchte die letzten vierundzwanzig Stunden zu verdrängen, was ihr nicht sonderlich gut gelang.

Zum Glück hatte Mimi ihrem Bruder ausreden können, sie heute besuchen zu kommen.

Sich auch noch Taichi erklären? Dafür hatte sie wirklich keinen Nerv.

Bei Mimi war es ihr ja schon schwer gefallen.

Wie sollte es dann erst bei Tai werden?

„Wirst du eigentlich nochmal mit ihm reden? Also mit Matt?“.

Sie zuckte bei seinem Namen zusammen.

Mit ihm reden?

Niemals.

Lieber würde sie schnellstmöglich das Land verlassen, was Mimi jedoch wohl kaum zulassen würde.

Doch was sollte sie noch hier?

Sie fühlte sich von Matt gedemütigt und bloßgestellt.

Aber in Amerika würde es ihr sicher nicht anders gehen, wenn die Sache mit der Schwangerschaft herauskämme. Und es würde sicherlich herauskommen. Da war sich Kari sicher.

Jeder war auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Hatte man nur einen kleinen Fehler begangen, wurde er gegen einen gewandt, ob man es nun wollte oder nicht.

Am besten ging sie nach Afrika oder Australien. Da kannte sie keiner und sie könnte ohne Vorurteile von vorne anfangen.

Doch das war eine Wunschvorstellung, die sich nicht erfüllen ließ.

Erst seit sie wieder in Japan war, stellte sie fest, wie unglücklich sie die letzten Monate in Amerika war. Sie hatte sich selbst verloren. Mehr und mehr.

Und leider gab es im Leben keinen Reset-Button.

Wahrscheinlich würde sie schon vor ihrer Zeit in Amerika, einige Dinge anders machen.

Sie hätte Davis damals nie für ihre Zwecke ausnutzen dürfen.

Sie hätte Matt am besten gleich von ihren Gefühlen erzählen und sich prompt einen Korb eingefangen sollen.

Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Manchmal war ein Schrecken mit Ende doch besser, als Schrecken ohne Ende. Im Moment wünschte sie sich nur, aus diesem ellenlangen Alptraum endlich aufzuwachen.

Sie ertrug es nicht mehr länger. Sie hatte genug.
 


 

12. Juni 2010. Odaiba, Japan. Takerus Zimmer.
 

Davis stand mitten im Raum und schüttelte nur mit dem Kopf.

Das Bild des Selbstmitleides, das sich ihm bot, war wirklich nicht mehr zum Aushalten.

„Man TK, wie lange willst du noch vor dich hin vegetieren?“

„Davis, lass ihn doch!“, meinte Ken, der sich ebenfalls im Zimmer befand. Auch ihn schien irgendetwas zu bedrücken und Davis ahnte schon mit wem es zusammenhing.

Yolei.

Wie immer. Diese leidigen Themen. Immer dasselbe.

Er war wirklich genervt.

Dabei hatte er besonders TK immer wieder vor Kari gewarnt. Ihm gesagt, dass er sich bloß keine Hoffnungen machten sollte. Doch hörte er auf ihn? Hörte überhaupt jemals einer auf ihn?

Wohl kaum.

Und jetzt hatte er den Salat. Zwei unglückliche Mitbewohner und Yolei, die sich zurzeit nicht zu Hause befand. Er war dementsprechend auf sich alleine gestellt und alles andere als glücklich mit seiner Rolle als Motivationstrainer.

Egal was er sagte oder tat, es veranlasste beide nur noch mehr in ihrem Trübsal zu versinken, obwohl er gar nicht wusste, welches Problem Ken eigentlich hatte.

Doch sein Gesicht schien wohl wahre Bände zu sprechen.

„Och was ist nur los mit euch? Ich will meine gutgelaunten, vor Optimismus sprühenden Mitbewohner wieder“, verlangte der Igelkopf schmollend und ließ sich neben TK nieder, der sein Gesicht in seine Matratze gedrückt hatte.

„Wie konnte er mir das nur antun?“, murmelte er und drehte sein Gesicht zu seinen beiden Mitbewohnern. „Er wusste doch, dass ich sie mag“.

„Ich weiß“, erwiderte Davis bedrückt. „Aber Kari ist auch nicht unschuldig. Ich meine, wer macht schon mit dem Bruder seines besten Freundes rum?“

„Man Davis“, grummelte der Blonde, „ich wusste doch, dass sie in ihn verliebt war. Das wusste doch jeder von uns“.

„Aber hast du mir nicht erzählt, dass irgendwelche Spannungen zwischen euch waren?“

Spannungen.

Er spielte auf das Babysitten an. Er hatte wirklich geglaubt, dass wenn Saya nicht geschrien hätte, es tatsächlich zu einem Kuss gekommen wäre. Doch das war wohl bloß Einbildung gewesen. Er bereute es, es ausgerechnet Davis erzählt zu haben.

„Ich habe mich wohl verrannt“, gestand er sich ein und sah zu Ken, der auffällig mit dem Kopf schüttelte.

„Nein“, sagte er plötzlich bestimmt. „Du weißt gar nicht alle Hintergründe. Davis hat nur einen Bruchteil gesehen, von dem was eigentlich passiert war. Und wenn du sie wirklich liebst, dann kämpfe!“

Davis Kinnlade klappte nach unten und er sah verstört zu seinem besten Freund.

„Vergiss das mal schnell wieder! Sie wird dir das Herz rausreißen!“

„Woher willst du das denn wissen?“

„Ähm? Weil sie das Gleiche bei mir auch gemacht hat?“, erinnerte er ihn daran.

„Vielleicht ist es bei ihm ja anders und TK meinte ja, dass Matt ihm alles erklären wollte“.

„Hat er aber nicht und außerdem war das, was ich gesehen habe ziemlich eindeutig“, brummte er ärgerlich. Takeru verrollte währenddessen nur die Augen.

Seine Mitbewohner waren wirklich unverbesserlich. Natürlich kannte er nur die Story, die ihm Davis erzählt hatte, aber Matt hatte es auch nicht abgestritten. Es war also etwas zwischen ihnen passiert.

Etwas, was zwischen ihm und Kari wohl nie passieren würde.

Er wusste nicht warum, aber es machte ihn nicht nur traurig, sondern auch fürchterlich sauer.

Wieder und wieder fragte er sich, was Matt hatte und ihm fehlte. Wieso konnte Kari nicht sehen, dass er der Richtige für sie war? Derjenige, der sie auf Händen tragen würde, weil er so verliebt in sie war, sodass es bereits wehtat.

Der Blonde biss sich auf die Unterlippe und merkte einen plötzlichen Umschwung. Er war wütend, aber nicht nur allein auf Matt.

„Du solltest mit ihr reden“, schlug Ken vor.

„Du solltest ihr die Meinung geigen“, warf Davis ein.

Er sah unsicher zwischen beiden hin und her. Kari bedeutete ihm wahnsinnig viel. Natürlich wollte er wissen, ob er sich diese kleinen Signale nur eingebildet hatte und was wirklich zwischen den beiden geschehen war. Vielleicht wollte er auch endlich einen richtigen Schlussstrich ziehen.

„Wisst ihr was, ihr geht mir ganz schön auf die Nerven. Ich werde das jetzt mit ihr klären. Sofort“, meinte er leicht aufgebracht, schwang aus dem Bett und verließ zügig den Raum.

„Toll gemacht, Ken. Danach wird er sicher als Frack wiederkommen“, meinte Davis bissig und verließ ebenfalls den Raum.

Ken sackte auf dem Stuhl, auf dem er die ganze Zeit schon saß, zusammen und schnaubte laut. Hatte denn jeder nur noch Probleme? Konnte man nicht einfach glücklich werden, wenn man es wollte? War das Universum wirklich ein solches Arschloch?
 


 

„Bitte, ich brauche wirklich deine Hilfe“, bettelte er und wirkte auf sie sehr verzweifelt.

„Okay, ich habe gleich Feierabend, aber ich muss noch auf Yolei warten“, meinte sie genervt, da ihre werte Kollegin mal wieder zu spät kam. Schon das zweite Mal diese Worte.

Frau Minazuki war mal wieder nicht da und Sora musste den Laden so gut es ging alleine schmeißen, obwohl samstags meist Höchstbetrieb war.

Und dann schlug auch ausgerechnet Matt bei ihr auf, der dringend einen Rat von ihr brauchte.

Er wirkte nervös und sah so aus, als hätte er die Nacht nicht viel geschlafen.

Doch Sora schwirrte immer noch Mimis wirre Idee durch den Kopf, die ihr helfen sollte, endlich Matt ein bisschen näher zu kommen.

Jedoch wusste sie nicht, was sie von dieser ganzen Make-over Idee halten sollte.

Auch was Matt von ihr wollte, interessierte sie brennend.

Was wäre wenn er ihr beichtete, dass er sich in Mimi verliebt hatte?

Ihr Herz würde wahrscheinlich augenblicklich versagen und sie in eine tiefe Depression verfallen lassen. Damit konnte sie wirklich nicht gut umgehen. Ihr Pokerface würde sehr wahrscheinlich sofort zusammenfallen und sie müsste sich die Blöße geben, dass er sie augenblicklich durchschauen würde. Und das war, das Letzte was sie wollte.

Sie schaute zu Boden und trat leicht gegen ihre braune Tasche, die sie bereits geholt hatte. Wieder sah sie zur Uhr und bemerkte das Yolei eine ganze viertel Stunde zu spät war.

Doch irgendwie war sie auch froh, dass sie nicht kam, da sie schon ein wenig Angst vor dem Gespräch mit Matt hatte.

Er hatte sich mittlerweile an die Theke gehockt und fuhr sich durch die blonden langen Haare. Dann tippte er nervös mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte.

Sie beobachtete ihn kurz und bemerkte recht schnell, dass er sich in einer ganz anderen Welt befand. So geistesabwesend kannte sie ihn gar nicht, doch sie traute sich nicht zu fragen, was los war.

Sie schnaufte leicht, als plötzlich die Tür aufging und schnell wieder zugeschlagen wurde.

„Tut mir leid, ich hab wohl die Zeit vergessen“, schnaufte eine aus dem Atmen gekommene Yolei.

Ihre Ausreden waren so unkreativ wie immer, doch wenigstens hatte Sora jetzt endlich Feierabend und konnte sich auf wichtigere Dinge konzentrieren.

Sie wollte gerade ihre Tasche aufnehmen, als Yolei entsetzt an die Theke herantrat.

„Das du dich hierher traust ist echt sagenhaft!“, meinte sie entrüstet und starrte Matt wissend nieder.

„Lass mich raten du weißt es schon?“

Es wissen? Was soll ausgerechnet Yolei wissen? Soras Augen sprangen geweitet zwischen beiden hin und her. Hatte sie etwas verpasst?

„Davis hat es uns erzählt. Wie kannst du TK nur sowas antun? Hast du überhaupt keine Schmerzgrenze?“

„Davis?“, fragte er verwundert. Ach ja, da war ja noch was, erinnerte er sich dunkel. „Ich habe doch schon gesagt, dass es anders war, als es aussah“.

„Ach und wie war es wirklich?“, wollte sie empört wissen. „Du hast also nicht mit der Schwester deines besten Freundes geschlafen?“

Sora ließ augenblicklich ihre Tasche auf den Boden fallen und sah sie geschockt an. Schwester seines besten Freundes? Tai…

„Du hast mit Kari geschlafen?“, platzte aus ihr heraus, während sie sich geschockt die Hand vor den Mund hielt.

„Nein, das habe ich nicht!“, verteidigte er sich lautstark.

„Und warum läuft sie halbnackt aus dem Probenraum? Ich weiß, dass Davis nicht die zuverlässigste Quelle ist, aber DAS wird er sich wohl kaum ausdenken“, untermauerte Yolei und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Es ist aber nicht so weit gekommen! So ein Arsch bin ich jetzt auch wieder nicht!“

„Aber mit ihr rumgemacht hast du, wenn du schon nicht mit ihr geschlafen hast?“, bohrte Yolei weiter und schenkte Sora einen vielsagenden Blick, die sich immer noch in einer Art Schockstarre befand.

„Ja, wir sind uns näher gekommen“, gab er schließlich zu. „Aber wir waren auch nicht mehr ganz nüchtern gewesen“.

„Man kann nicht alles auf den Alkohol schieben“, sagte der selbsternannte Wirbelwind und verschärfte ihren Blick. Sie sah ihn so an, als wolle sie sein Gehirn röntgen, um festzustellen, ob er wenigstens jetzt die Wahrheit sprach.

Doch zu einem Ergebnis kam sie nicht. Sora hingegen versuchte ihre wirren Gedanken zu ordnen, ohne gleich im Chaos zu versinken.

Matt hatte etwas mit Kari? Dabei stand er doch auf Mimi, jedenfalls dachte das jeder.

Unter diesen Umständen konnte sie nicht mit ihm reden. Nicht jetzt und auch nicht später.

„Ähm…ich muss jetzt weg“, stammelte Sora und raffte ihre Tasche vom Boden. „Ich habe noch einen wichtigen Termin. Wir reden später, okay?“

Er sah sie irritiert an, doch sie stürmte schon an ihnen vorbei.

„Sora? Jetzt warte doch mal!“, rief er ihr hinterher.

Sie durfte jetzt nicht weinen, auch wenn es ihr wehtat. Deswegen beschleunigte sie ihre Schritte und war schon an der Ecke angekommen, als sie abrupt festgehalten wurde.

Sie klammerte ihre Tasche fest an ihren Körper und scheute sich ihm in die Augen zu schauen.

„Warum läufst du jetzt weg? Ist es wegen der Sache mit Kari? Ich kann das wirklich erklären!“

Sora presste die Lippen aufeinander und unterdrückte den Schmerz, der sich Intervallartig von ihrem Herzen aus ausbreitete.

„Wieso hast du das gemacht? Sie ist Tais kleine Schwester!“

Doch sie musste ihn nicht daran erinnern, er wusste dass er Mist gebaut hatte.

„Ich weiß. Es ist einfach so passiert“.

„Bei dir passiert immer alles nur einfach so“, warf sie ihm an den Kopf und riss sich los.

„Wie meinst du das denn?“, fragte er, doch sie hatte sich bereits in Bewegung gesetzt.

Wieder lief er ihr hinterher und kam sich allmählich wie ein Dackel vor.

„Man Sora! Warum bist du überhaupt so sauer? Ich habe doch gesagt, dass es nicht so war“.

„Das sagst du immer“, antwortete sie bissig und drehte sich zu ihm. Sie blieb kurz stehen und fixierte ihn mit ihrem Blick. „Weißt du eigentlich wie viele Menschen du mit deinem Verhalten verletzt? Du stößt immer nur alle von dir und siehst gar nicht welchen Schaden du damit anrichtest!“

Ihre Worte trafen ihn hart, so als hätte sie ihn mit einem Stein beworfen.

„Aber ich…“.

„Spar´s dir. Ich glaube nicht, dass ich dir aus diesem Schlamassel helfen kann“, sagte sie fast schon flüsternd, doch er verstand jedes einzelne Wort.

Sie ging weiter, ohne nochmal etwas zu ihm zu sagen. Matt blieb stehen und blickte ihr hinterher.

Er schluckte und fuhr sich mit der Zunge über die Innenseite seiner trockenen Lippen.

Das erste Mal seit langem, fühlte er sich allein.
 


 

Er lief einen langen Flur entlang und stoppte abrupt an einer der vielen Türen. Er hob die Hand und wollte gerade klopfen, als er stoppte und sie wieder sinken ließ.

Was sollte er nur sagen? Dass er von ihr und Matt wusste? Dass es ihm das Herz zerriss? Dass er mehr als nur Freundschaft für sie empfand?

Takeru presste die Lippen aufeinander und schluckte die Zweifel hinunter. Sie war seine beste Freundin. Sie würde schon ehrlich zu ihm sein.

Also klopfte er.

Er klopfte ein zweites und auch ein drittes Mal, doch niemand öffnete.

Wahrscheinlich war keiner da. Kari war sicherlich mit Mimi unterwegs und würde erst später wiederkommen.

Vielleicht hätte er einfach vorher mal anrufen sollen, obwohl er sich ziemlich sicher war, dass sie nicht abgehoben hätte.

Ein wenig enttäuscht, drehte er der Tür den Rücken zu und wollte gerade gehen, als sie sich doch öffnete.

„TK?“, fragte eine brüchige Stimme.

Er drehte sich herum und sah Kari, die ihn mit verweinten Augen ansah. „Was machst du denn hier?“

Der Blonde schob die Hände tief in seine Hosentasche und biss sich auf die Unterlippe.

„Ich wollte nach dir sehen“, sagte er monoton, „wegen der Sache mit Matt“.

Sie schaute beschämt zu Boden. Von Mimi wusste sie ja bereits, dass er es ebenfalls zu wissen schien. Und jetzt war er hier, gerade als Mimi Essen holen wollte.

Super Timing.

„Kann ich vielleicht rein kommen?“

Sie nickte nur schwach und ließ ihn, wenn auch wiederwillig, hinein. Als er an ihr vorbei ging, kitzelte sein Parfüm in ihrer Nase, und sie erinnerte sich dunkel daran, dass sie es ihm einmal geschenkt hatte.

Kari schloss schwerfällig die Tür, während Takeru sich in dem Zimmer etwas umschaute.

Es war nicht besonders wohnlich, sondern eher zweckmäßig eingerichtet. Ein paar Bilder hingen an den Wänden, doch Takeru gefielen sie nicht wirklich.

Noch weniger gefiel ihm die Situation, in der er sich jetzt befand. Mimi war nicht da, sie waren also ganz alleine und eine beißende Stille schwebte im Raum.

„Wo ist denn Mimi?“, fragte er nur um das Schweigen zu brechen.

„Essen holen“, antwortete Kari knapp und schaute zu Boden. „Was willst du hier? Willst du mir eine Standpauke halten?“

„Nein“, antwortete er nüchtern, „aber ich will wissen, was zwischen euch passiert ist.“

„Man TK ich will nicht darüber reden“, zischte sie aufgebracht und unterdrückte wieder die aufkommenden Tränen. „Es war einfach nur demütigend“.

„Hast du mit ihm geschlafen?“

„Nein“.

„Wolltest du mit ihm schlafen?“

Sein Blick fixierte sie, so als wolle er sie wie ein Lügendetektor scannen, doch sie wich seinen Blicken immer wieder aus.

„Warum interessiert es dich? Wir haben es ja schließlich nicht getan!“

„Gut, beantwortest du mir dann eine andere Frage?“, wollte er plötzlich von ihr wissen. Sie sah ihn kurz an. Seine blauen Augen spiegelten Sehnsucht und Traurigkeit wieder, doch sie konnte nur die Traurigkeit erkennen.

„Was für eine Frage?“

„Als wir auf Saya aufgepasst haben…“

Sie ahnte schon auf was er hinaus wollte. Ihr Körper begann zu zittern und ihre Handflächen wurden auf einmal ganz feucht.

„Was war da zwischen uns?“

Sie presste die Lippen aufeinander und spürte wie sich eine warme Träne ihren Weg an ihrer Wange hinunter bahnte.

Was sollte sie sagen? Sie wusste es doch selbst nicht. Sie wollte diesen Nachmittag am liebsten schnell vergessen, weil sie an Dinge dachte, an die sie nicht denken sollte. Und dann auch noch seine Aussage mit der guten Mutter…das war zu viel.

„Takeru…wir sind Freunde. Mehr nicht“.

Doch noch nicht mal sie, fand ihre Aussage glaubwürdig. An diesem Nachmittag war vieles passiert, dass sie verwirrt hatte, aber nicht wahrhaben wollte.

„Gut, das wollte ich nur wissen“, meinte er unterkühlt und wollte gerade an ihr vorbei gehen, als sie seinen Arm festhielt.

„Hikari, lass bitte los“, forderte er sie auf und schaute in die andere Richtung.

„Warum wolltest du genau das wissen? Bist du etwa…?“

Sie traute sich nicht, den Satz aussprechen. In ihrem Kopf herrschte pures Chaos. Ihr Herz schlug wild, obwohl es eigentlich keinen Grund dazu hatte.

„Lass mich bitte los!“

Sein Ton wurde dringlicher. Seine Stimme war fordernd und wirkte kühl.

„Nein, erst sagst du mir, ob es stimmt oder nicht!“

Er schnaufte kurz und schüttelte mit dem Kopf. „Ich habe immer gedacht, dass du es eher merkst, aber da war ich wohl auf dem Holzweg!“

Sie ließ ihn abrupt los und ihr Gesicht versteinerte sich.

„W-Wie lange?“, stammelte sie verunsichert und versuchte seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Doch er sah sie weder an, noch veränderte seine Mimik. Sein Gesicht blieb starr.

„Wie lange?“, wiederholte er und lachte leise. „Du fragst ernsthaft wie lange?“

In ihm wuchs eine unfassbare Wut heran. Er erinnerte sich an den Abend, an dem er ihr seine Liebe gestehen wollte. Die Zeit in der sie „ach so glücklich“ mit Davis zusammen war. An den Tag, an dem sie ihm pitschnass gestand, in wen sie wirklich verliebt war.

„Eine halbe Ewigkeit, aber dann bist du mit Davis zusammen gekommen und alles hat sich verändert“.

„Mit Davis? Aber das ist doch schon knapp drei Jahre her“, erinnerte sie sich. „Wieso hast du mir nie etwas gesagt?“

„Wann hätte ich denn was sagen sollen?“, brüllte er. „Du warst verdammt nochmal in meinen Bruder verliebt!“

Kari fasste sich an den Kopf und ließ die letzten paar Jahre Review passieren, in denen sie Takeru wegen ihrer unglücklichen Liebe zu Matt die Ohren vollgeheult hatte.

Und er hatte sich nicht ein einziges Mal beschwert, sondern ihr immer, bis zum Erbrechen, zugehört.

„Es tut mir leid“, murmelte sie geistesabwesend. „Hätte ich es nur gewusst, dann…“

„Dann hätte sich doch auch nichts geändert. Du stehst immer noch auf Matt und ich habe gedacht, dass es sich im letzten Jahr geändert haben könnte“, spottete er und fuhr sich durch die blonde Mähne. „Was hat er denn, was ich nicht habe? Kannst du es mir sagen oder ist es einfach so?“

„TK…ich…“.

Sie wusste nicht, was sie antworten sollte.

Warum stand sie auf Matt? Die Frage hatte sie sich nie wirklich gestellt. Sie hatte sich einfach in ihn verliebt, weil er sie mit seiner Musik berührte und sie ihn vielleicht auch ihr halbes Leben kannte. So wie Takeru.

„Diese Frage kannst du mir nicht beantworten, richtig?“

Sie nickte nur und senkte den Kopf. Nach der Sache mit Matt, wusste sie überhaupt nicht mehr, ob sie überhaupt richtig in ihn verliebt war oder nur einer jahrelangen Schwärmerei hinterher jagte.

Genaugenommen wusste sie doch gar nicht, was man als Liebe bezeichnen konnte und was nicht.

„Ich werde jetzt besser gehen“, eröffnete er ihr und legte die Hand auf die Türschlenke.

„Aber wir können das doch nicht einfach so im Raum stehen lassen. Du bist doch mein bester Freund!“

Er umklammerte die Türschlenke noch fester. „Ich weiß, aber im Moment glaube ich, dass unsere Freundschaft so keinen Sinn hat“.

Ihre Augen weiteten sich. Hatte er das gerade wirklich zu ihr gesagt?

„Was?“, sagte sie fast flüsternd. „Was soll das heißen?“

„Das ich ein wenig Abstand von dir brauche, Hikari“, meinte er, wandte ihr kurz sein Gesicht zu und öffnete die Tür. „Tut mir leid“.

Sie stand mit geöffneten Mund vor ihm und suchte nach anständigen Wörtern, um einen Satz bilden zu können. Doch nichts schien passend zu sein.

Er lächelte traurig und verschwand aus der Tür, ohne sich von ihr zu verabschieden.

Erst als er die Tür hinter sich zuschlug, realisierte Hikari die Situation.

Tränen brannten sich ihre Wangen hinunter und tropften auf den hellen Teppichboden.

Hatte sie gerade tatsächlich ihren besten Freund verloren?
 


 

„Wirklich ungewöhnlich, dass ich dich ausgerechnet in der Hotellobby treffe“, meinte sie schiefgrinsend und hielt in ihren Händen zwei Transportboxen mit asiatischem Essen.

„Okay, ich geb´s zu. Ich wollte zu Kari und hab dich gerade zurückkommen gesehen. Ich wollte mal sehen, wie es ihr geht“.

„Ich konnte sie gestern ein wenig beruhigen, aber trotzdem…“, sie stoppte abrupt. Sollte sie Tai sagen, dass Kari in Matt verliebt war? Würde es etwas an der Situation ändern?

„Aber trotzdem?“

„…ist sie noch sehr traurig“, beendete sie den Satz und Taichi hob direkt die Augenbraue.

„Manchmal könnte ich ihm wirklich den Hals rumdrehen“, grummelte er angesäuert und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

„Hast du nochmal mit ihm geredet?“

„Ganz sicher nicht. Wahrscheinlich würde ich mich auf ihn drauf stürzen“, erklärte er alarmierend und wedelte wild mit den Händen. „Aber ich werde sehr wahrscheinlich noch mal mit ihm reden. Auch wenn ich nicht garantieren kann, ihm die Fresse zu polieren“.

„Okay, mach mal halblang“, lachte Mimi und zückte die Schlüsselkarte. „Vielleicht redest du wirklich erst mal mit Kari“.

Sie hoffte, dass sie ihm ebenfalls die Wahrheit sagen würde. Generell hoffte sie, dass sie sich jemandem anvertrauen würde. Auch wegen der Sache mit dem Baby.

Mimi drückte die Tür auf und blieb plötzlich wie angewurzelt im Raum stehen. Auch Tai der direkt hinter ihr stand, machte ein verstörtes Gesicht.

„Okay welche Bombe ist denn hier eingeschlagen?“

Überall lagen Klamotten und ein Koffer lag ebenfalls mitten im Raum. Die Schubladen waren aufgerissen und wurden durchwühlt, so als hätte jemand etwas gesucht. Und Mimi konnte sich schon denken, was es war.

„Kari?“, rief sie durch das Zimmer und stellte das Essen ab.

Sie blickte durch das Zimmer und blieb an der Badezimmertür hängen. Zielstrebig steuerte sie darauf zu und wollte sie gerade öffnen, als sie auf einmal aufgerissen wurde.

„Du bist ja schon da“, stammelte sie und blieb direkt vor ihr stehen.

Ihre Schminke war leicht verschmiert und ihre Augen waren wieder stark gerötet. Tai bemerkte sie anfangs gar nicht.

„Was ist los? Was machst du denn mit deinen ganzen Sachen?“

Mimi deutete auf ihren Kulturbeutel, den sie in ihren Händen trug. Kari verrollte nur die Augen und drückte sich an ihr vorbei.

„Ich packe. Ich will hier weg!“

Diese Geschichte schon wieder, dachte sich die Brünette genervt. Warum dachte sie denn immer, dass sie vor ihren Problemen weglaufen könnte? Sah sie nicht, dass sie sie früher oder später einholen würden?

„Was machst du da?“, fragte nun auch Taichi, der vollkommen verloren in Zimmer stand und auch endlich von seiner Schwester registriert wurde.

„Was machst du denn hier?“, fragte sie fassungslos und ließ ihren Kulturbeutel geräuschvoll in ihren Koffer fallen. „Warum bringst du ausgerechnet Tai mit?“

„Weil er sich Sorgen um dich macht. Du solltest ihm sagen, was wirklich zwischen dir und Matt vorgefallen ist!“

Wirklich? Wie meinte sie das nun schon wieder? Gab es auch unwirkliche Handlungen? Hatte Matt etwa recht gehabt und es war tatsächlich anderes abgelaufen, wie es Takeru beschrieben hatte?

„Was ist zwischen euch passiert? Jetzt sag schon!“, meinte er fordernd und starrte sie nieder.

„Könnt ihr mich nicht alle in Ruhe lassen?“, brüllte sie und verschluckte dabei ihre eigene Stimme. Warum stand sie plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit? Wieso konnte sich nicht jeder für seinen eigenen Kram interessieren?

„Man Kari, wir meinen es doch nur gut mit dir“, versuchte Mimi die Situation zu beruhigen, doch Kari redete sich in Hysterie.

„Ich habe aber keine Lust mehr! Du kannst mir nicht immer sagen, was ich zu tun und zu lassen habe“, blaffte sie Mimi an. Dann drehte sie sich Taichi zu. „Und du kannst mich nicht vor allem und jedem beschützen. Ich bin neunzehn und kann alleine auf mich aufpassen!“

Daraufhin lief sie an Mimi vorbei und rannte ins Badezimmer, um sich mal wieder einzusperren.

So langsam wurde es eine Art Angewohnheit von ihr.

Sie hörte noch wie Tai und Mimi ihren Namen riefen und gegen die Tür hämmerten. Doch sie hielt sich die Ohren zu und sackte die Tür langsam hinunter.

Kari ertrug es nicht mehr länger. Ihre Geheimnisse machten sie krank.
 


 

Wütend stürmte er den langen Krankenhausflur entlang. Gestern war er im OP gewesen, doch heute wollte sich Joe nicht abwimmeln lassen. Zielstrebig lief er zum Büro seines Vaters und öffnete die Tür ohne anzuklopfen.

„Na, das ist ja eine Überraschung“, meinte dieser unterkühlt und widmete sich wieder seinem Papierkram.

„Eine Überraschung?“, wiederholte Joe augenverdrehend. „Du scheinst wohl in letzter Zeit wirklich, was mit Überraschungen am Hut zu haben“.

„Ich weiß nicht, was du meinst“.

Er hatte noch nicht mal hochgeschaut. Joes Wut auf ihn stieg ins Unermessliche. Wie konnte er nur so zu ihm sein? Schließlich war er doch sein Sohn. Hatte er für ihn überhaupt kein Stückchen Empathie mehr übrig?

„Du hast mir mein Zimmer im Studentenwohnheim gekündigt“, sagte er aufbrausend, versuchte sich jedoch automatisch wieder zu beruhigen. Doch wenn er die Gleichgültigkeit seines Vaters wahrnahm, brachte es sein Blut nur noch mehr zum Kochen.

„Du hast dich doch dazu entschieden, nicht mehr weiter zu studieren. Also, wozu brauchst du noch ein Zimmer im Studentenwohnheim?“, fragte er verständnislos und sah kurz auf.

„Ich will doch weiterstudieren, nur eben nicht Medizin!“

„Und was willst du stattdessen machen?“

Er hielt kurz inne. Natürlich hatte er sich schon Gedanken gemacht, aber er wusste nicht, ob er sie mit seinem Vater teilen wollte. Wahrscheinlich würde er seine Träume gleich in der Luft wieder zerreißen.

„I-Ich dachte daran Psychologie zu studieren“.

„Psychologie? Du willst ein Anstandswauwau für Gestörte werden?“

Es ein Spontangedanke. Vielleicht auch nicht. Wahrscheinlich reifte diese Überlegung schon lange in seinem Kopf heran. Maggie, die er auf seiner Fahrt mit dabei war, erzählte ihm, dass sie Psychologie studierte und wie begeistert sie davon war.

Er fand die menschliche Psyche auch schon immer sehr interessant und hatte bereits in einigen Medizinvorlesungen darüber etwas gehört.

Er hatte es immer mit großem Interesse mitverfolgt. Und vor ein paar Tagen durfte er sogar eine Vorlesung in Psychologie besuchen, die die Thematik einer narzisstischen Störung beinhaltete.

Es war sehr interessant zu hören, dass sich solche Störungen meist schon im Säuglingsalter ausbildeten und einen das ganze Leben beeinträchtigten.

Jemand, der eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat, hat meist eine sehr verzerrte Wahrnehmung, ist äußerst arrogant und sieht die Fehler nie bei sich selbst. Auch Beziehungen zu anderen, sind eher schwierig, da man sich meist nur für seine eigenen Bedürfnisse interessiert.

Wie sein Vater.

„Für Gestörte? Wie respektlos sprichst du über Menschen, die Hilfe brauchen? Ich will nicht wissen, wie du deine Patienten nennst!“

„Hmpf. Joe lass es einfach, du hast nicht das Zeug dazu. Dazu fehlt dir wirklich der Mumm“.

„Wie bitte?“

„Und ohne finanzielle Unterstützung wirst du es sowieso nicht schaffen“, tönte er abfällig.

„Dann werde ich halt arbeiten gehen“, knurrte er und bemerkte, dass seine Oberlippe vor Wut schon zitterte. Traute er ihm wirklich überhaupt nichts zu?

„Arbeiten? Du? Das ist doch wohl ein Witz!“

Joe presste seine zitternden Lippen aufeinander und hoffe nicht gleich wie ein Vulkan zu explodieren.

Ja, er war nicht sonderlich stark oder handwerklich geschickt, aber er konnte Arbeiten gehen!

Sein Vater sah in ihm wohl eine einzige Enttäuschung.

„Wenn du das durchziehst, bist du die längste Zeit mein Sohn gewesen!“, warf er ihm relativ unerwartet an den Kopf.

„Was? Willst du mich etwa verleugnen?“

„Ich werde dich auf jeden Fall enterben, wenn du nicht wieder vernünftig wirst“.

Vernünftig, was hieß das bei ihm? Nach seiner Pfeife tanzen? Sich als Individuum komplett aufzugeben? So zu werden wie er? Nein.

Soweit sollte es nicht kommen.

„Dann mach das so, wenn es dich glücklich macht!“, meinte er mit zitternder Stimme. „Ich hatte wohl die längste Zeit einen Vater gehabt, obwohl du nie wirklich für mich da warst.“

Er machte eine kurze Pause und bereitete sich innerlich auf seine letzten entscheidenden Worte vor. „Für mich bist du gestorben!“, eröffnete er ihm mit schwerer Stimme. Sein Vater sah ihn unbeeindruckt an und zuckte beiläufig mit den Schultern. „Gut, wenn du es so haben willst“.

Joe sagte daraufhin nichts mehr und verschwand aus seinem Büro.

Sein Vater war definitiv ein Narzisst. Doch er hatte es geschafft.

Er war frei.
 


 

Es war früh morgens, als ihn das Klingeln seines Handys aus dem Schlaf riss.

Er rieb sich schlaftrunken die Augen, schaute kurz zur Uhr. Kurz vor fünf.

Etwas mürrisch hob er ab. „Hallo?“

Er hörte nur ein leises Wimmern am anderen Ende der Leitung.

„Wer ist denn da?“, fragte er schläfrig und wollte gerade auflegen, als er Karis Stimme erkannte.

„Wallace, ich habe Mist gebaut“, säuselte sie in den Hörer und wirkte auf ihn unfassbar zerbrechlich.

„Was ist passiert?“

Sie erzählte ihm unter Tränen die Kurzfassung, bis ihre Stimme komplett abbrach und durch ein lautes Schluchzen ersetzt wurde.

Wallace wusste nicht, was er daraufhin sagen sollte. Es war wirklich nur eine Frage der Zeit, bis sie alles einholen und sie komplett durchdrehen würde.

„Ich wollte das nicht“, wimmerte sie heiser. „Ich wollte doch nur alles vergessen!“

Doch vergessen konnte sie es nicht.

Das wusste Wallace.

„Kari…“, wisperte er in den Hörer und bemerkte, dass ihr Schluchzen wieder schlimmer wurde.

Er musste sich dringend etwas einfallen lassen.

„Wie wäre es, wenn ich nach Japan komme?“, schlug er plötzlich vor und war über seine plötzliche Spontanität selbst sehr überrascht gewesen.

Klar, er wollte noch seinen Vater, seine Stiefmutter und seine kleine Halbschwester besuchen kommen, aber eigentlich hatte er seinen Besuch erst für Ende Juli geplant gehabt.

„Das würdest du für mich tun?“, fragte sie einen kurzen Moment später.

Wallace nickte, obwohl er wusste, dass sie es nicht sehen konnte.

„Für dich würde ich alles tun“, sagte er und merkte erst danach, wie bescheuert es sich anhörte.

Doch er wusste, dass sie ihn brauchte.

Er war einer der wenigen, der die Wahrheit kannte. Und er wusste etwas, was er ihr doch lieber persönlich sagen wollte.
 

Fortsetzung folgt...

Liebeswirrwarr.


 

I say, I hate you, we break up, you call me, I love you.

We Are Never Ever Getting Back Together, Red. Taylor Swift, 2012.
 


 

31. Dezember 2009. New York, USA. Diskothek.
 

Sie quetschte sich an einer Menschentraube vorbei und jonglierte die Getränke geschickt zu den anderen.

Der Club war voll und stickig, sodass sie nach nur einer halben Stunde auf der Tanzfläche eine Erfrischung brauchten.

„Man sowas ist doch echt nicht mehr normal. Manche könnten sich wirklich ein Zimmer suchen“, beschwerte sich April, die mit ihr zusammen die Getränke geholt hatte. „Ich komme mir vor, als würde ich eine Orgie besuchen.“

Sie warf einen prüfenden Blick zu Kari, die sich das Kichern verkneifen musste.

„Na komm schon, lass uns zu den anderen gehen“, meinte sie ermutigend und steuerte auf Wallace und Peter zu, die an der Seite auf sie warteten.

„Echt, die sind doch alle bescheuert. Am Ende kriege ich noch Herpes, so wie die übereinander herfallen“.

„Beruhig dich, es wird schon keiner über dich herfallen“, meinte Kari gelassen.

„Da wäre ich mir nicht so sicher“, trällerte Wallace grinsend und nahm Kari sein Getränk ab.

Peter hingegen schaute ihn entsetzt an und der Mund klappte ihm leicht auf.

Kari war sich sicher, dass er nur ihn meinen konnte. Auch ihr waren diese schmachteten Blicke, die er April zuwarf, nicht entgangen. Nur leider befand sich April in einer Beziehung mit ihrem Cello und bemerkte seinen sehnsüchtigen Blick erst gar nicht.

„Wo ist eigentlich Mimi?“, fragte Wallace nach einer Weile und nippte an seinem Glas.

Kari schnaubte nur säuerlich und verdrehte die Augen.

„Keine Ahnung“, antwortete sie knapp, obwohl sie genau wusste, wo sie sich befand. Beziehungsweise bei wem.

Mimi war schon vor einer Stunde mit Michael verschwunden.

Kurz nach Weihnachten hatte er sich bei ihr gemeldet und ihr ein pompöses Geschenk mitgebracht.

Es war eine Goldkette mit einem Herzanhänger, in den „Für Immer“ eingraviert wurde.

Für Michaels Familie sicherlich nur Peanuts, da Kari wusste, dass sie sehr viel Geld hatten. Schließlich war sein Vater ja Schauspieler.

Dennoch hatte sie nicht erwartet, dass Mimi ihm kreischend um den Hals fallen würde. Alle Probleme der Vergangenheit waren wie weggeblasen und seither trug Mimi dieses dämliche Ding fast täglich. Sie hatte sogar schon unzählige Komplimente dafür bekommen.

Sie antwortete immer vor Stolz, dass es das Weihnachtsgeschenk ihres Freundes ist und zeigte meist noch die schön gravierte Rückseite.

Kari konnte sie jedoch nicht sonderlich verstehen.

Sie hatten viele Nächte zusammen verbracht, in denen sie immer wieder erzählte, wie sehr Michael sie schon verletzt hatte. Sogar von Betrügen war die Rede gewesen. Generell war die Beziehung ein ewiges Auf und Ab.

Nicht nur einmal fragte sie Mimi, warum sie überhaupt noch mit ihm zusammen war. Sie bekam immer wieder die gleich Antwort.

„Ich liebe ihn und wir sind schon so lange ein Paar. Es wäre komisch, einfach so Schluss zu machen“.

Einfach so. Sie verstand sie manchmal wirklich nicht. Es lief doch schon länger nicht mehr gut zwischen den beiden. Doch vielleicht hatte sie auch einen anderen Grund, warum sie nicht Schlussmachen wollte. Vielleicht scheute sie das Alleinsein.

Kari wusste es nicht genau. Ihr fiel es manchmal schwer, hinter Mimis Fassade zu blicken. Was sie jedoch wusste, war, dass sie nicht mehr glücklich war. Auch wenn sie zurzeit jemandem etwas anderes vorspielen wollte.
 


 

Sie befand sich vor dem Club und eine kühle Brise blies ihr durch die Haare. Sie presste die Lippen aufeinander und umklammerte ihren Oberkörper.

Er hatte sich nicht verändert. Er war immer noch ein Arschloch, der auf sein eigenes Wohlbefinden aus war.

Sie konnte sich selbst wirklich nicht mehr verstehen. Warum hatte sie ihm wieder verziehen? Wegen dieser dummen Kette? War sie neuerdings etwa käuflich?

Die Brünette biss sich auf die Unterlippe und ertastete mit ihrer rechten Hand das kleine Herz mit Gravur.

Sie schloss es in ihrer Hand ein und überlegte sich schon, es vom ihrem Hals zu reißen.

War sie wirklich so dumm gewesen? Wie konnte sie wieder einfach so auf ihn hereinfallen?

Doch insgeheim wünschte sie sich, es nicht gehört zu haben. Sie wollte am liebsten ihre flauschige, bunte Halluzination von einer Beziehung aufrechterhalten. Doch sie wusste, dass sie es nicht mehr konnte.

Sie war nur kurz zur Toilette gegangen und kam ein paar Minuten später wieder zurück.

Michael stand bei Carter und sie unterhielten sich angeregt. Mimi dachte sich nichts dabei und wollte schon auf beide zusteuern, als sie ein Gespräch mitanhörte, dass nicht für ihre Ohren bestimmt war.

Sie kniff ihre Augen zusammen und spürte eine plötzliche Nässe ihre Wangen hinunterlaufen.

„Zum Glück hast du dich wieder mit Mimi vertragen und musst dir heute Nacht keine Andere zum Flachlegen suchen“.

Ihr Atmen stoppte abrupt, als sie diesen Satz hörte. Eine Andere? Hatte er sie etwa schon wieder betrogen? Was ging bloß in seinem Kopf vor?

„So langsam war es wirklich nervig. Ich konnte mir gar nicht alle Namen merken. Obwohl heute sind wirklich wieder geile Ärsche dabei“.

Es traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Namen? Das durfte doch nicht wahr sein…es waren sogar mehrere gewesen. Ein plötzliches Ekelgefühl überkam sie. Der Drang duschen zu wollen wurde größer und größer, je länger sie darüber nachdachte.

Am liebsten wäre sie rüber zu ihm gestürmt und hätte ihm eine geklatscht. Doch irgendetwas hielt sie auf und jetzt stand sie hier.

Sie war in Liebesdingen eigentlich noch nie sonderlich mutig gewesen und lief vor solchen Sachen lieber gleich weg.

Automatisch musste sie an ihr erstes Mal mit Taichi denken. Es war schon vier Jahre her und dennoch schwirrte es ihr ab und zu in ihrem Kopf herum.

Sie schämte sich ein wenig dafür, dass sie einfach am nächsten Tag abgehauen war. Doch sie hatte, wie jetzt, große Angst. Hauptsächlich Angst vor ihren Gefühlen.

Vor Michael wollte sie keine Schwäche zeigen, doch sie wusste, dass sie den Tränen bereits nah war.

Bei Tai war es damals eine andere Situation gewesen.

Als es passierte, hatte sich etwas verändert. Eigentlich hatte sich schon länger etwas verändert, jedenfalls bei ihr.

Sie fand ihn, schon bevor sie nach Amerika gegangen waren, toll und war ein wenig verliebt in ihn gewesen. Diese Verliebtheit verschwand sehr schnell wieder, als sie mit Ethan zusammen gekommen war, obwohl sie zugeben musste, dass sie sich in Tais Gegenwart immer noch etwas seltsam fühlte.

Als sie jedoch mit ihm geschlafen hatte, war es um sie geschehen. Sie fühlte sich nicht nur zu ihm hingezogen, sondern merkte, dass da noch etwas Anderes war. Etwas, mit dem sie nicht umgehen konnte. Deswegen war sie abgehauen und hatte ihn wohl mehr verletzt, als sie eigentlich wollte.

Die Konsequenzen wurden ihr erst später bewusst, als er mit Sora zusammen gekommen war und es sich so fühlte, als hätte sie einen riesen Fehler begangen.

Doch was hätte es gebracht, über Gefühle zu sprechen, die wohl nur einseitig vorhanden waren? Wahrscheinlich war er schon damals in Sora verliebt gewesen, auch wenn sie dies nicht hören wollte.

Einige Zeit später kam sie mit Michael zusammen, doch er spukte nach wie vor in ihrem Hinterkopf. Besonders an Silvester.

Sie presste ihren Rücken gegen die kühle Wand und schaute hoch zu den Sternen. Es war nicht mehr lange bis Mitternacht.

Mimi fuhr sich mit ihrem Handrücken über ihre Augenpartie und atmete tief ein. Sie sammelte ihre Gedanken und Gefühle, die wirr in ihrem Kopf umherschwirrten.

Sie atmete aus, schaute noch einmal hoch in den Himmel und fasste einen Entschluss. Ihr Herz pochte wild gegen ihre Brust und ihre Hände begannen leicht zu schwitzen. Ihr Hals war trocken und ihre Augen immer noch sehr feucht.

Dennoch war es Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Und sie hatte eine getroffen.
 


 

Er stand auf dem Balkon und starrte in den Himmel. Er hörte den Bass der Musik durch die Glasscheibe dringen und sah, wie sich seine Freunde amüsierten.

Noch eine halbe Stunde. Dann würde das neue Jahr eingeläutet werden. Für ihn eine sehr wehmütige Zeit, die ihn an jemand ganz Besonderen erinnerte – auch wenn er versuchte diese Erinnerungen zu verdrängte. An Silvester gelang es ihm nicht.

Er wandte kurz den Blick vom Sternenhimmel und fixierte Sora, die ausgelassen mit Matt und Davis tanzte.

Tai war sehr froh gewesen, dass ihre Trennung doch so harmonisch abgelaufen war, auch wenn er sich vor der Einsamkeit gefürchtet hatte. Es funktionierte. Irgendwie.

An manchen Tagen vermisste er die gemeinsame Zeit sehr, doch dann erinnerte er sich zurück und stellte fest, dass sich beide in verschiedene Richtungen entwickelt hatten.

Eigentlich hatte ihm die Beziehung gezeigt, dass sie als Freunde besser funktionierten statt als Paar.

Schon länger hatte er das Gefühl, dass sie eine geschwisterliche Beziehung miteinander führten. Natürlich verbrachten sie gerne Zeit miteinander, aber er wusste nicht, ob man all das noch eine Beziehung nennen konnte.

Er konnte sich noch nicht mal daran erinnern, wann er sie das letzte Mal so richtig geküsst hatte. Sex hatten sie zum damaligen Zeitpunkt eher selten gehabt.

Irgendwie lagen andere Dinge im Fokus. Sie unterhielten sich lieber über die verschiedensten Dinge, unteranderem auch über ihre Zukunft.

Ein weiterer Punkt, der die Beziehung der beiden ins Wanken brachte, auch wenn sie es nicht als „den“ Trennungsgrund angesehen hatten. Sora hatte einen ganz anderen Plan von ihrem Leben als er. Nach ihrem Studium wollte sie am liebsten die Welt bereisen und verschiedene Länder aufsuchen, um sich modetechnisch weiter zu bilden.

Er hingegen wollte in Japan bleiben und dort Fuß in einem großen Unternehmen fassen. Und auch wenn es für einen Mann vielleicht ungewöhnlich war, dachte er auch schon an Familie und Kinder.

Er liebte seine Familie. Vor allem seine kleine Schwester, die sich das letzte Mal kurz nach Weihnachten bei ihm gemeldet hatte.

Insgeheim hoffte er auf einen kurzen Neujahrsgruß von ihr, auch wenn er wusste, dass die Zeitverschiebung ihn verzögern würde.

Doch das war ihm egal. Er vermisste sie und hoffte, dass sie ihn bald mal besuchen kommen würde. Leider schaffte sie es dieses Weihnachten nicht.

Wahrscheinlich feierte sie im ganz großen Stil, so wie es Prinzessin Mimi verlangte.

Mimi.

Ein weiterer Punkt in seinem Leben, den er nicht einfach so lossagen konnte.

Sie war seine Erste gewesen und war am nächsten Morgen einfach abgehauen, ohne sich bei ihm zu melden. Nicht mal eine kleine SMS hatte sie geschrieben. Sie war einfach gegangen.

So als wäre die Nacht bedeutungslos gewesen.

Tai schnaubte kurz und drehte sich wieder zum Nachthimmel. Er ging einen Schritt nach vorne und lehnte sich lässig gegen das Geländer des Balkons.

Wieder kam ihm jene Nacht in den Sinn, die einiges in seinem Leben verändert hatte – abgesehen von seiner Jungfräulichkeit.

Am nächsten Morgen war er sichtlich geschockt gewesen, als er sein Bett leer vorfand. Ihre Sachen waren weg und nur der leichte Duft ihres Parfüms erinnerte daran, dass sie jemals hier gewesen war.

Damals gingen ihm viele Fragen durch den Kopf.

War es etwa zu schlecht? Hatte er irgendetwas falsch gemacht? Wenn ja, was?

Wieso war sie einfach gegangen und konnte mit ihm nicht darüber sprechen? Er war doch kein Unmensch und auch wenn es bedeutungslos rüberkam, war er sich mittlerweile sicher, dass es ihm etwas bedeutet hatte.

Manchmal fragte er sich, ob Mimi vielleicht auch der Grund war, warum er die Trennung von Sora sinnvoller fand, als mit ihr zusammen zu bleiben.

Sie hatten nie wirklich eine Chance gehabt, auch wenn eine Beziehung wohl von Grund auf zum Scheitern verurteilt war. Sie lebte in Amerika, er in Japan. Beide waren stur und beharrten auf ihren Meinungen. Eigentlich konnte er sich an keinen Abend erinnern, an dem er sich mit ihr vertrug.

Dennoch hätte er es besser gefunden, wenn sie die Gelegenheit gehabt hätten, miteinander zu reden.

Vielleicht wäre alles doch ganz anderes gekommen und das Leben hätte ihn positiv überrascht. Doch er konnte es nicht wissen. Mimi ist ihm dieses Gespräch schuldig geblieben.
 


 

„Boah ich kann nicht mehr“, hechelte Davis erschöpft und befüllte ein Glas mit Mineralwasser. In einem Zug trank er es leer und merkte, wie das kühle Nass seine staubtrockene Kehle befeuchtete.

„Wollt ihr eigentlich den ganzen Abend so dumm da rumstehen ?“

Er richtete seinen Blick prüfend auf seine beiden Freunde.

Takeru hatte seinen Blick auf sein Handy gerichtet, während Ken etwas lustlos gegen die Wand gelehnt stand.

„Irgendwie ist Silvester nicht mein Ding“, gestand sich Ken ein und gähnte herzlich. Er hatte in letzter Zeit viel gearbeitet und war irgendwie zu nichts wirklich gekommen. Eigentlich wollte er nur noch ins Bett fallen und schlafen. Doch Davis, der anscheinend eine Anti-Schlaf-Pille eingeworfen hatte, würde ihm das ganz sicher nicht durchgehen lassen. Er wollte auf Teufel komm raus mit seinen Freunden im neuen Jahr anstoßen. Deswegen hat er gemeinsam mit Tai die komplette Party geplant gehabt. Doch Tai befand sich schon seit einer viertel Stunde auf dem Balkon ihrer Wohngemeinschaft und starrte zum Himmel, während Davis wie ein Irrer tanzte.

Es waren alle, außer Joe und Cody, gekommen. Joe wollte mit seinen Brüdern gemeinsam Silvester feiern und Cody begrüßte das neue Jahr lieber mit seiner Familie. Auch Takeru war eher unfreiwillig hier. Viel mehr hatte Davis ihn dazu gezwungen. Der Blondschopf war immer noch sauer auf seinen Bruder, der sich strikt geweigert hatte, Weihnachten gemeinsam mit seinen Eltern zusammen zu feiern.

TK strafte ihn daher mit purer Ignoranz und tippte lieber auf seinem Handy herum, als sich am eigentlichen Geschehen zu beteiligen. Etwas, was Davis mächtig gegen den Strich ging.

„Man jetzt leg doch mal das Ding weg“, maulte er und wollte es ihm aus der Hand reißen.

„Lass mich doch“, gab der Blonde bissig zurück und hielt es außer Reichweite. „Ich bin ja nur hier weil du mich dazu gezwungen hast“.

„Gezwungen? Also hör mal, ich wollte nur nicht, dass du zu Hause allein versauerst“, plusterte sich der Igelkopf auf und sah fordernd zu Ken, der sich nur kopfschüttelnd abwandte.

„Mit wem schreibst du überhaupt die ganze Zeit?“

„Mit niemandem“, knurrte er knapp und tippte schon wieder eine Kurznachricht.

Davis verrollte nur die Augen, da er genau wusste, wen er mit „niemandem “ meinte.

So langsam ging ihm diese ganze „Nicht-Beziehung“ auf die Nerven. Klar, er gönnte TK seinen Spaß, doch er hatte das seltsame Gefühl, dass sie mehr als nur Spaß darin sah.

„Ich glaube, sie verliebt sich noch in dich“, meinte er trocken und schenkte sich nochmals nach.

Takeru schaute kurz hoch und zog die Stirn in Falten. „Glaub ich nicht. Sie kann sowas trennen…jedenfalls sagt sie es immer“.

„Frauen sagen viel, wenn der Tag lang ist“, meinte er etwas patzig und gesellte sich wieder zu Matt und Sora, die ihre Probleme wenigstens für einen Abend zu vergessen schienen.

„Auch wenn er manchmal nerven kann, glaube ich, dass er diesmal mit seiner Theorie recht behalten wird“, stimmte Ken plötzlich mit ein und schielte auf die SMS, die Takeru gerade bekommen hatte.

„Ihr seht, dass alles viel zu eng. Wir haben erst letztens darüber gesprochen, uns auch mit anderen zu verabreden. Wir haben ja nichts Ernstes!“

„Dafür, dass ihr nichts Ernstes habt, schreibt sie dir aber relativ häufig“, stellte Schwarzhaarige fest und zog eine Augenbraue nach oben.

„Wir sind eben auch miteinander befreundet“, versuchte TK die Situation zu retten, doch Ken s Skepsis verschwand dadurch nicht.

„Ja klar. Eure sogenannte Freundschaft besteht zu 70 Prozent aus Sex und zu 15 Prozent aus exzessivem Rummachen, das wiederrum zu Sex führt“. Das Wort Freundschaft setzte er mit jeweils zwei Fingern in Anführungszeichen. „Ihr führt vielleicht zu fünf Prozent eine ganz „normale“ Freundschaft“.

„Ach lass mich doch in Ruhe“, brummte er und wandte ihm den Rücken zu.

Ken wusste auch nicht, warum er plötzlich so hart darauf reagierte. Vielleicht weil er merkte, dass er bei seiner Traumfrau nie eine Chancen haben würde, wenn er nicht mal in die Puschen käme.

Er war frustriert und auch vielleicht ein wenig neidisch, da Takeru endlich Erfahrungen sammelte und er immer noch am Anfang stand.

Es nervte ihn so ungemein, nicht auf sein Herz sondern auf Davis Worte gehört zu haben. Deswegen nahm er sich vor, im neuen Jahr einiges zu ändern.
 


 

Eigentlich wurden sie nur losgeschickt, um noch etwas zum Trinken zu besorgen. An Neujahr hatten die Geschäfte meist zu. Auch die 24-Stunden-Supermärkte schlossen meist um kurz nach zwölf. Sie hatten also nicht mehr sonderlich viel Zeit und schnappten sich das, was sie in ihre Finger bekommen hatten. Es war nach wie vor noch eine komische Situation zwischen den beiden.

Sie waren sich kurz vor Weihnachten näher gekommen, aber haben seither nicht mehr wirklich miteinander geredet. Yolei wollte die Situation nutzen, um mit ihm über ihre Beziehung zu sprechen.

Nachdem sie bezahlt hatten, machten sie sich auf den Weg zurück zur WG, die keine zehn Minuten von hier entfernt war. Yolei trottete Izzy etwas hinterher und überlegte, wie sie das Gespräch anfangen konnte.

„Hey lass uns doch mal über diesen gottverdammten Kuss sprechen, der mich vollkommen verwirrt hat!“

Nein, das klang bescheuert. Doch Izzy drehte sich plötzlich um und starrte sie entgeistert an.

„Wie bitte?“, fragte er und blieb abrupt stehen.

Yoleis Augen weiteten sich und ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Sie hatte doch nicht diesen äußerst bescheuerten Satz laut gesagt?

„Ähm naja…ich…oh Gott“, stammelte sie und wurde augenblicklich rot. „Tut mir leid, das ist mir wohl einfach so rausgerutscht“.

Seine Gesichtszüge entspannten sich wieder. Er wusste ja, das Yolei impulsiv sein konnte und genau das mochte er ja schließlich an ihr. Diese liebe, etwas verrückte, stürmische Art.

Doch leider wusste er gar nicht so genau, was er wollte. Eine Beziehung zu führen war laut seinem Stundenplan schier unmöglich. Er wäre wohl ein schlechter fester Freund, der wohl mehr Zeit in der Uni verbringen würde, als mit seiner Freundin.

Izzy wusste gar nicht, warum er sich überhaupt auf diesen Kuss eingelassen hatte. Er war doch sonst immer standhaft geblieben.

„Und was ist jetzt? Wollen wir darüber reden?“, fragte Yolei fast schon ein wenig zurückhaltend.

Sie hatte schon ein wenig Angst vor der Antwort. Ihr hatte der Kuss schon sehr viel bedeutet, wenn sie ehrlich war. Es war der erste richtige Kuss, den sie je bekommen hatte.

Izzy stellte das Bier, das sie geholt hatten, auf den Boden und schaute sie dringlich an. Er wusste wirklich nicht, wie er dieses Gespräch anfangen sollte.

„Weißt du…ich…ehm, naja ich glaube, ich wäre im Moment wirklich ein mieser Freund“.

Yolei sah ihn verblüfft an und machte ein ungläubiges Gesicht. „Was? Warum?“

Izzy ließ die Schultern hängen und vergrub seine Hände tief in seiner Jackentasche.

„Ich muss immer so viel für die Uni machen, damit ich mein Stipendium nicht verliere. Eine Freundin wäre doch eher etwas hinderlich“.

Hinderlich? Das traf sie ein wenig, auch wenn sie wusste, dass er es nicht so meinte, wie sie es aufgefasst hatte.

Ihr Gesicht spiegelte ihre innerliche Traurigkeit wieder, sodass Izzy ein schlechtes Gewissen bekam. Er wollte sie nicht verletzten. Auch er fand den Kuss zwischen ihnen wunderschön, doch er wollte ihr keine falschen Hoffnungen machen. Ihm war klar, dass die Uni vorerst an erste Stelle stand.

„Okay, na dann…dann haben wir das wenigstens geklärt“, meinte sie verletzt und wollte gerade mit den zwei Sektflaschen an ihm vorbeigehen, als er sie sanft zurückhielt.

Sie schaute ihn etwas verwirrt an, doch verlor sich schnell in seinen Augen, die sie fixiert hatten.

„Ich kann dir nichts versprechen, Yolei. Aber ich möchte, dass du weißt, dass mir der Kuss nicht egal war“, er stoppte kurz und sie lächelte leicht. „Wir können ja sehen wie es läuft, ohne gleich schon alles zu benennen…was hältst du davon?“

Yolei presste die Lippen aufeinander und biss sich leicht auf die Innenseite ihrer Unterlippe.

Beide standen sich so nah und merkten gar nicht, wie nervös sie einander machten. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, sodass sie die beiden Sektflaschen nah an ihren Körper presste.

„Ich weiß nicht“, begann sie langsam und schaute ihm wieder in die Augen. Sie biss sich noch etwas fester auf die Lippe und hoffte, dass sie nicht gleich zu bluten begann. Sie wollte eine Chance, doch war sie bereit, eine Beziehung einzugehen, die strenggenommen gar keine war?

Sie erkannte, dass Izzy sehnsüchtig auf eine Antwort von ihr wartete. Sie lächelte leicht und nickte.

„Ein Versuch wäre es wert“, antwortete sie knapp und sah, wie vor ihr die ersten Raketen in die Luft schossen.
 


 

01. Januar 2010. Odaiba, Japan. Seitenstraße.
 

„Und Papa hat dich ernsthaft rausgeworfen?“, fragte Shuu und sah zum Himmel. Einige Raketen schossen in die Lüfte und zeigten ihre Farbenpracht.

„Also eigentlich bin ich gegangen“, stellte Joe klar und rückte seine Brille zurecht, um die bunten Himmelslichter besser erkennen zu können. „Mama hat mich auch vor ein paar Tagen besucht und gemeint, dass ich das nicht so ernst nehmen sollte. Sie würde nochmal mit ihm reden“.

Er wusste jetzt schon, dass sie das sowieso nicht tat. Seine Mutter gehörte eher zu den Teppichkehrern. Sie wollte eben keinen Stress, sondern eher die Harmonie fördern. Doch diesmal würde er nicht so einfach nachgeben.

„Das s du dich mal durchsetzt…hätte ich dir wirklich nicht zugetraut“, meinte Shin und klopfte ihm stolz auf die Schultern.

Er lächelte leicht und blickte zwischen seinen Brüdern hin und her. Er freute sich sehr, sie endlich wiederzusehen. Shin würde in ein paar Tagen wieder nach Afrika fliegen, während Shuu wieder seine Arbeit in Kyoto aufnahm.

Erst jetzt fiel ihm auf, dass sich beide recht schnell aus dem Staub gemacht hatten. Beide studieren nicht in Tokio, sondern suchten sich Universitäten, die etwas weiter weg lagen.

Und Joe konnte behaupten, dass er ihre Beweggründe gut kannte. Sie wollten so schnell wie möglich weg von ihm. Wahrscheinlich hätte er sie genauso terrorisiert wie ihn jetzt.

Manchmal war es wohl doch besser, ein en Sprung ins Unbekannte zu wagen. Vielleicht hätte Joe so eher gelernt, erwachsen und unabhängig zu werden. Möglicherweise wäre dann auch sein Verhältnis zu seinem Vater nicht so sehr angespannt. Aber das waren alles Spekulationen, die er nun nicht mehr ändern konnte.

Er konnte nur seine Zukunft ändern und befolgte den Rat, den ihm Shin vor kurzem gab. Joe musste sich selbst finden. Er musste herausfinden, was er eigentlich wollte und was eben nicht.

Deswegen hatte Shin ihm einen Selbstfindungstrip vorgeschlagen, den sich Joe selbst finanzierte.

Und auch, wenn er seine Arbeit nicht sonderlich toll fand, wusste er, dass es sich lohnen würde.

Er wollte frei sein. Seine eignen Entscheidungen treffen, ohne dafür verurteilt zu werden. Genaugenommen wollte er seinem Vater beweisen, dass er auch ohne seine Hilfe zurechtkam.

„Und was sind deine Ziele für das nächste Jahr?“, fragte Shuu interessiert und hob den Kragen seiner Jacke, da er allmählich zu frieren begann.

Auch Joe fröstelte es leicht, sodass er sich warme Luft in seine Handflächen blies und diese dann aneinander rieb. Nur Shin blieb ganz gelassen und genoss die kühle Brise, die an seiner Nase kitzelte .

„Also ich werde dieses Semester noch fertig machen, abgesehen von der Hausarbeit. Dann werde ich noch ein bisschen arbeiten und hoffen, mir damit die Reise auch wirklich finanzieren zu können“, zählte der Medizinstudent munter auf. Er hatte sich dieses Jahr viel vorgenommen und war gespannt, ob er alles erreichen würde.

Er hoffte es. Und auch seine Brüder schenkten ihm einen aufmunterten Blick.

„Das wird schon alles“, meinte Shin optimistisch.

„Ja und wenn du erst mal auf deiner Reise bist, wirst du schon deinen Weg finden. Lass dich einfach inspirieren“, meinte Shuu und machte den Eindruck, als wolle er in seiner Jacke am liebsten versinken.

„Danke, wenigsten ihr glaubt noch an mich“, erwiderte Joe mit einem Lächeln.

„Vielleicht sollten wir jetzt langsam reingehen. Ich glaube, sonst mutiert Shuu noch zum Schneemann“, sagte Shin belustig t, als er die immer roter werdende Nase seines Bruders betrachtete.

Joe lachte leise, während Shuu ihm einen vielsagenden Blick schenkte.

„Ja klar, ich und ein Schneemann? Wie soll das denn gehen? Holst du deinen Zauberstab heraus und verwandelst mich in einen, obwohl es gar nicht mal schneit?“

„Okay, es wird langsam wirklich Zeit, sich aufzuwärmen. Er dreht definitiv durch! Nachher sieht er noch Trolle und Einhörner“, meinte Shin zu Joe gewandt, der sich das Grinsen nicht verkneifen konnte.

„Also wirklich immer müsst ihr über mich lästern! Ihr habt euch schon immer gegen mich verbündet“, protestierte der Ältere und bewegte sich schwerfällig zum Hotel, indem er sich gemeinsam mit Shin ein Zimmer teilte.

„Das stimmt doch gar nicht! Du leidest unter Verfolgungswahn“, unterstellte ihm der Zweitälteste und zwinkerte Joe zu. Er wusste genau, dass Shuu die Wahrheit sprach.

Und auch, wenn Joe es im Moment nicht leicht hatte, wusste er, dass es immer zwei Menschen gab, auf die er sich blind verlassen konnte. Schon als Kind ging er lieber bei Problemen zu seinen Brüdern, statt zu seinen Eltern.

Seine Brüder waren immer für ihn da, während sein Vater immer Druck ausübte und seine Mutter sich diesem Druck immer beugte.

Und so wollte er nicht werden. Er wollte glücklich sein und seine Träume verfolgen, auch wenn er sie noch nicht kannte.
 


 

Er wusste gar nicht, wie dieses ganze Schamassel angefangen hatte. Er wusste nur, dass es mal wieder mit seinen Eltern zu tun hatte. Das neue Jahr war gerade mal eine viertel Stunde alt und eigentlich wollte er sich wieder mit seinem Bruder vertragen, doch dann musste wieder alles eskalieren.

„Ich kann dich wirklich nicht verstehen“, warf er ihm an den Kopf und verschränkte wütend die Arme vor der Brust. „Ich weiß, dass die Situation zwischen Mama und Papa schwierig ist, aber denk doch einmal an unsere Schwester“.

Schwester? Seine Augen weiteten sich. Ein Mädchen. Er bekam also eine kleine Schwester.

„Man Matt hörst du mir überhaupt zu“, blaffte ihn der Jüngere an und ging ein paar Schritte zurück.

Er reagierte nicht. Immer noch schwirrte ihm der Gedanke, dass er eine kleine Schwester bekommen würde, im Kopf herum. Irgendwie freute er sich darüber. Doch er wusste auch, dass es an den Tatsachen nichts ändern würde.

„Du bist ein Egoist!“, meinte er abwertend und stapfte wütend an ihm vorbei.

Erst jetzt realisierte er, wie sauer Takeru war.

Er wollte doch mit ihm reden. Alles klären. Seine Bedenken äußern. Ihm zu verstehen geben, warum er es so sinnlos fand, auch wenn er es schon gefühlte tausend Mal gesagt hatte.

Matt folgte ihm vom Balkon wieder in die Wohnung und sah, wie er gerade seine Jacke schnappen und gehen wollte.

„Jetzt warte doch mal“, rief er ihm zu und erweckte auch die Aufmerksamkeit der anderen im Raum.

Tai hatte sich gerade noch mit Sora unterhalten, als er auf ihn zusteuerte und direkt neben ihm stehen blieb. „Streitet ihr schon wieder? Könnt ihr euch nicht einmal beherrschen?“, flüsterte er in sein Ohr, doch Matt ignorierte ihn und wandte sich voll und ganz zu TK, der stehen geblieben war.

Er sah ihn herausfordernd an und wartete darauf, dass er etwas sagte.

„Kannst du mich denn gar nicht verstehen?“, fragte er ihn leicht gereizt.

„Dich verstehen? Du meidest unsere Familie doch, nicht ich!“

„Du willst es wohl nicht verstehen, oder? Erst trennen sie uns und dann nach knapp fünfzehn Jahren sagen sie auf einmal, dass sie wieder etwas miteinander hatten und obendrein noch ein Kind erwarten, dass sie nicht gemeinsam aufziehen wollen! Das kann ein normaler Mensch doch nicht für gut heißen“, blaffte er und redete sich in Rage.

TK presste die Lippen aufeinander und funkelte ihn böse an.

Davis stieß Ken plötzlich in die Rippen und murmelte ein „Wir sollten wohl besser gehen, bevor es eskaliert“ zu. Auch Sora deutete die bedrohliche Stille als kein gutes Zeichnen und wandte ihren Blick hilfesuchend zu Tai, der förmlich die Luft anhielt.

Yolei biss sich vor Anspannung fast die Lippe blutig, während sich Izzy wünschte, das s endlich ein wenig Ruhe einkehrte.

„Du bist ein Idiot“, raunte er durch den Raum, blieb aber ruhig. Der große Knall blieb aus. Sein bedrohlicher Blick verwandelte sich in einen traurigen, fast schon deprimierten Ausdruck.

Takeru war es leid geworden. Er hatte keine Lust mehr, mit ihm darüber zu streiten.

Er schlüpfte wortlos in seine Jacke und fuhr sich kurz durch seine blonde Mähne. Dann fixierte er Matt kurz mit seinem Blick, wandte sich aber relativ schnell von ihm ab.

Er sah zu Boden und schüttelte den Kopf. Sein Bruder hatte seine Familie aufgegeben, als sich ihre Eltern getrennt hatten. Es gab kein Wir mehr, sondern nur noch ein Du und Ich .

„Weißt du was? Du kannst mich mal“, meinte er mit einem verletzten Unterton, drehte sich um und verließ die Wohnung. Zurück blieb nicht nur die zerrütte Partystimmung, sondern auch Matt, der sich fragte, ob er richtig gehandelt hatte.
 


 

Sie war fast schon ein wenig durchgefroren, als sie den Club wieder betreten hatte. Eine knappe halbe Stunde stand sie draußen und betrachtete halbherzig das Feuerwerk, das sie sonst immer so toll und romantisch fand.

Doch für sie bedeutete das neue Jahr das Ende einer langen, achterbahnreichen Beziehung.

Ja, sie hatte sich entschieden.

Sie wollte nicht mehr mit ihm zusammen sein. Sie konnte es nicht mehr.

Michael hatte sie viel zu sehr verletzt. Sie verarscht. Betrogen und belogen.

Mimi hatte genug.

Und endlich hatte sie den Mut gefunden, es endgültig zu beenden. Sie war sich sicher, dass sie diesmal stark genug war, alles hinter sich zu lassen.

Sie drückte sich an verschieden Grüppchen vorbei und suchte den Club nach Michael ab. Er war sicher sauer, dass sie so lange verschwunden war.

Doch noch lange nicht so sauer wie sie.

Nach weiterem Suchen entdeckte sie plötzlich Carter, der lässig an der Wand gelehnt stand und sich mit ein paar Kumpels unterhielt.

Sie steuerte selbstsicher auf ihn zu und packte ihn an seiner Schulter.

„Wo ist Michael? Ich muss mit ihm reden!“

„Wow Kätzchen, bleib mal ruhig und fahr die Krallen wieder ein“, scherzte er und grinste sie schief an.

„Wo ist er?“, wiederholte sie gereizt und ließ ihn abrupt los, um ihre Arme vor der Brust zu verschränken.

„Keine Ahnung. Er wollte an die Bar, ist aber noch nicht zurückgekommen“, meinte Carter gelassen und drehte sich wieder zu seinen Freunden.

Mimi verrollte nur die Augen und setzte ihre Suche fort. Irgendwo musste er doch sein.

Wütend lief sie durch die Reihen, entdeckte ihn aber nirgends.

Sie ging weiter zu den Toiletten und überlegte sich, ob sie ins Männerklo stürmen sollte. Doch diesen Gedanken verwarf sie schnell wieder.

Um sie herum standen viele Paare, die miteinander Speichel austauschten und sich am liebsten gleich besteigen wollten. Viele von ihnen waren deutlich angetrunken.

Mimi ekelte sich ein wenig, obwohl sie auch schon mal mit Michael in der Öffentlichkeit herumgemacht hatte. Doch das, was sie sah, ging schon darüber hinaus.

Sie verzog das Gesicht und sah sich angewidert um. Sie musste schnell hier weg, bevor sie noch einer zum Mitmachen einlud oder ihr irgendwelche Drogen anbieten wollte.

Gerade als sie aus dem hinteren Bereich verschwinden wollte, entdeckte sie in der Ecke jemanden stehen. Sie musste zweimal hingucken, um zu erkennen, dass sie tatsächlich jemanden erkannte und nicht halluzinierte.

Sie ging langsam auf ihn zu und hörte, wie er genüsslich aufstöhnte.

Ein großer Kloß bildete sich in ihrem Hals, als sie sah, wie eine rothaarige junge Frau vor ihm kniete und er entspannt die Augen geschlossen hatte. Er fasste ihr in die Haare und stöhnte lauter, als sie ihren Kopf intensiver bewegte.

Mimi schluckte nur, brachte aber kein einziges Wort hervor.

Ungläubig starrte sie in die dunkle Ecke und sah die Paare um sich herum, die anscheinend viel zu betrunken waren, um dieses Szenario zu realisieren.

Doch sie war vollkommen nüchtern und rang mit ihrer Fassung.

Tränen brannten in ihren Augen und liefen ihr lautlos die Wange hinunter, während ihr Herz innerlich zersprang.

Auch wenn sie mit ihm Schluss machen wollte, hätte er ihr diesen Anblick ruhig vorenthalten können.
 


 

Kari war vollkommen verwirrt gewesen, als Carter plötzlich bei ihnen auftauchte und sagte, sie solle schnell herkommen.

Sie stand gemeinsam mit Wallace am Rand und beobachtete nichts ahnend Peter und April, die gemeinsam tanzten. Peter hatte all seinen Mut zusammen gerafft und sie gefragt. April schmunzelte leicht und Kari war sich sicher gewesen, dass sie es sehr gefreut hatte.

Doch während sich die beiden prächtig auf der Tanzfläche amüsierten, kam Carter angerannt und bat sie – ausgerechnet sie – um Hilfe.

Wallace sah ihn skeptisch an und folgte beiden unauffällig in die Richtung, in die Carter sie lotste.

„Was ist überhaupt los?“, fragte Kari verwirrt, als sie plötzlich eine große Menschentraube am Toilettenbereich vorfand.

„Sieh es dir besser selbst an“, meinte Carter monoton, während Wallace sich wie ein Beschützer neben sie gedrängt hatte.

Kari drückte sich durch die Menschenmasse durch und hörte schon viel Geschrei und Geplärre.

„Du blödes Arschloch!“, schrie eine für sie sehr bekannte Stimmte.

Ihr Atmen stockte, als sie Mimi erkannte, die mit ihrer Tasche auf Michael einschlug. Seine Hose hing bis zu den Knien und auch seine Unterhose sah so aus, als hätte er sie gerade noch hochziehen können. Nebendran stand ein rothaariges Mädchen, die entsetzt die Hände vor dem Gesicht zusammen schlug.

„Ach du heilige Scheiße“, kommentierte Wallace die Situation und sah zu Carter, der hilfesuchend zu den beiden schaute.

„Wie konntest du mir nur so etwas antun?“, brüllte sie unter Tränen, unterbrach aber ihre Schläge nicht.

„Jetzt tut doch was“, forderte Carter Kari auf, die die Situation kritisch beäugte.

„Was ist hier überhaupt passiert?“, wollte sie wissen und sah fragend zu Carter, der wiederrum mit den Schultern zuckte.

„Keine Ahnung, ich bin erst dazu gekommen, als es plötzlich so laut wurde“, erklärte er knapp und huschte mit den Augen wieder zu seinem besten Freund, der um Vergebung bettelte. „Jetzt mach doch mal was! Nimm ihr die Tasche weg oder halt sie fest! Sie ist ja komplett wahnsinnig!“

Kari blickte unsicher zu Wallace, der ihr nur zunickte .

Sie mussten etwas unternehmen, nicht dass noch jemand die Polizei rufen und diese Mimi mitnehmen würde. Das konnte sie nun wirklich nicht verantworten.

Wallace und Kari näherten sich daher Mimi mit einem großen Sicherheitsabstand und versuchten, auf sie einzureden.

„Mimi was soll das?“, fragte Kari fassungslos. Mimi ließ kurz von ihm ab und drehte sich zu ihrer Freundin. Ihren Augen waren verquollen und Tränen liefen ihr noch immer die Wangen hinunter.

Das erste Mal sah sie so richtig scheiße aus.

„Was ist passiert?“

„Was passiert ist?“, erwiderte Mimi verzweifelt. „Er ist einfach das größte Arschloch, das mir je begegnet ist.“

Kari sah zu Michael, der sich schmerzverzerrt das Gesicht hielt und obendrein versuchte, seine Hose wieder hochzuziehen.

„Erst muss ich mitanhören, wie du bei Carter über deine Erfolge beim Flachlegen irgendwelcher Schlampen prahlst und dann erwischte ich dich, wie dir eine deiner Schlampen einen bläst!“, schrie sie laut genug, sodass es die meisten, die um sie herum standen, auch verstehen konnten.

Karis Augen weiteten sich ungemein und auch wenn ihr Mimi unheimlich Leid tat, machte sich das Gefühl des Fremdschämens in ihr breit. Auch Wallace hatte den Blick von ihr und Michael abgewandt und sah peinlich berührt zu Boden.

Nur Mimi schien ihr Verhalten gerechtfertigt zu finden und setzte zum nächsten Gegenschlag an.

„Du kannst mich wirklich mal! Es reicht!“, schluchzte sie, fuhr mit ihrer Hand ihren Hals entlang und umfasste die Kette, die er ihr geschenkt hatte.

Mimi riss sie sich vom Hals und warf sie ihm über. „Da hast du dein bescheuertes Geschenk wieder! Es ist aus!“

Sie stolzierte an ihm vorbei und fuhr mit ihrem Handrücken über ihre Augenpartie.

Kari folgte ihr sofort und zog Wallace mit sich. Carter schnellte zu Michael und half ihm auf. Dieser brüllte Mimi noch etwas nach, was sie allerdings nicht mehr mitbekam.

„Mimi jetzt warte doch mal“, rief Kari ihrer Freundin hinterher.

„Ich will hier einfach nur noch weg“, meinte sie mit schwacher Stimme und ging weiter.

„Warte, ich komme mit“, versicherte Kari ihr, „ich hole nur noch schnell meine Jacke“.

Wallace blieb bei Mimi stehen, während Kari in der Menge verschwand.

Er blickte unsicher zu ihr und sah, wie einige ihrer Tränen auf den Boden tropften.

Vielleicht sollte er irgendetwas Aufmunterndes sagen? Nur was?

„Also du kannst dich wirklich super verteidigen. Mit so einer Schlaghand habe ich wirklich nicht gerechnet“, sagte er und bereute seine Worte augenblicklich, als ihr Gesicht seines traf.

Sie sah gerade so aus, als wolle sie ihm am liebsten verprügeln.

„Bitte schlag mich nicht! Ich habe schon genug Angst vor dir“, meinte er ängstlich und ging vorsichtshalber schon mal in Deckung.

Doch Mimis Gesichtszüge wurden weicher und ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Keine Sorge, ich werde dich schon nicht schlagen, aber danke, dass du mich aufheitern wolltest“, antwortete sie leicht belustigt, doch die Wut und die Trauer ließen ihre Stimmung schnell wieder umspringen.

Einen kurzen Moment später tauchte Kari mit Peter und April auf, die nur eine Kurzfassung erhalten hatte und fragend beide anstarrten. Doch Kari reichte schnell die Jacken an jeden weiter und steuerte den Weg nach draußen an.

Mimi drehte sich nochmal kurz um und sah Michael, der sie von etwas weiter weg anstarrte.

Er hielt sich immer noch die Wange und hielt in der anderen Hand die Herzkette, die Mimi ihm an den Kopf geworfen hatte.

Auch wenn sie mit ihm Schluss gemacht hatte, wusste er, dass sie nicht ohne ihn konnte und früher oder später zu ihm zurückgekrochen kam.

Er konnte nicht wissen, dass er sich diesmal irren würde.
 


 

14. Juni 2010. Odaiba, Japan. Flughafen.
 

Ungeduldig und erwartungsvoll wartete sie auf seine Ankunft. Er war vor zehn Minuten gelandet und müsste bald im Wartebereich ankommen.

Sehnsüchtig wartete Kari auf ihn. Sie hatte sich auf einen der Stühle gesetzt und stierte zum Ausgang. Immer wieder dachte sie, dass einige Leute sie komisch anschauen würden.

Kein Wunder bei dem verheulten Gesicht, das sie hatte.

Sie hoffte, dass Wallace bald kommen würde. Sie fühlte sich in ihrer Haut nicht mehr wohl, schon lange nicht mehr.

Kari konnte die Gefühle, die sie hatte, nicht mal mehr beschreiben. Sie waren wirr, ziellos, emotionsgeladen.

Manchmal konnte sie nicht zuordnen, was ihr mehr wehtat. Ihr Kopf, der vor Gedankenfülle fast schon zersprang oder ihr Herz, das schon seit langem gestorben war.

Mittlerweile war ihr alles egal geworden. Seitdem sie schwanger geworden war, hatte sich alles verändert. Sie war nicht mehr sie selbst. Kari hatte den Verstand verloren.

Sie lebte nicht mehr, sie versuchte nur die Tage irgendwie zu überleben.

Teilweise auch mit Hilfe des Alkohols, der sie das Vergangene vergessen ließ. Wenn auch nur für den Moment.

„Hey“, hörte sie jemand en aus der Ferne rufen und sah, wie ein blonder junger Mann ihr zu wank.

Erleichtert stand sie auf und lief auf Wallace zu, der mit seinem Koffer stehenblieb und auf sie wartete.

Sie rannte und warf sich ihm in die Arme. Kaum hatte er die Umarmung erwidert, brach sie in Tränen aus und schluchzte Unverständliches gegen seine Brust.

„Was ist denn passiert?“, fragte er und strich über ihren braunen Schopf.

Kari drückte ihn ein wenig fester an sich, weigerte sich aber, ihn anzuschauen. Ihr war die Situation unangenehm. Mehr als das.

Sie hätte beinahe mit dem besten Freund ihres Bruders geschlafen und musste sich obendrein den Gefühlen ihres besten Freundes stellen, die sie jahrelang nicht bemerkt hatte.

Wenn sie an Takerus verletztes Gesicht dachte, zog es ihr Herz zusammen und Schwere machte sich in ihrem Inneren breit. Sie wollte ihn doch nicht verletzten, dabei hatte sie es all die Jahre getan, ohne es zu merken.

„Kari du machst mir langsam Angst“, erwiderte Wallace besorgt und packte sie an ihren Schultern, um in ihr Gesicht schauen zu können.

Erst wich sie seinen Blicken aus, doch immer wieder schaute sie kurz in seine seeblauen Augen.

Besorgnis spiegelte sich in ihnen wieder. Etwas, was sie schon länger sah, immer dann, wenn er sie anschaute.

„Weiß du…“, begann sie fast flüsternd. Immer wieder blinzelte sie zwischen dem Boden und ihm hin und her. Sie wusste nicht, wie sie ihm die ganze Sache erklären sollte, geschweige denn lösen wollte.

Wallace spitzte die Ohren und sah auf sie hinab.

Sie druckste etwas herum, fand aber dann doch einen Anfang.

„Ich habe wirklich Mist gebaut“, gestand sie sich ein und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen.
 

Fortsetzung folgt...

Trennungsschmerz.


 

You never really can fix a heart.

Fix A Heart, Unbroken. Demi Lovato, 2011.
 


 

04. Januar 2010. New York, USA. Studentenwohnheim.
 

„Mimi jetzt iss‘ doch bitte was“, meine Kari besorgt zu ihr und hielt ihr die Schachtel mit den gebratenen Nudeln vor die Nase.

Doch Mimi verzog nur angewidert das Gesicht, als ihr der Geruch in die Nase stieg.

„Ich habe keine Hunger“, sagte sie und drückte ihr Gesicht in ihr Kissen. Am liebsten wollte sie alleine

sein, doch sie konnte Kari nicht einfach rauswerfen, besonders weil sie ihr nur helfen wollte.

Doch in solchen Momenten war jedes Wort und jede liebe Geste zu viel.

Sie wollte nur ihre Ruhe haben, viel Schokolade essen und sich in den Schlaf weinen.

Alleine.

„Er ist wirklich ein Depp“, erwiderte sie plötzlich und legte ihren Kopf auf ihre Matratze.

Mimi setzte sich auf und sah Kari mit einem mürrischen Gesicht an.

„Ich weiß, aber trotzdem bin ich immer wieder auf ihn reingefallen“, antwortete sie traurig und fuhr sich durch ihre langen braunen Haare. „Ich komme mir so bescheuert vor.“

„Mimi“, murmelte Kari besorgt und stand auf. Leise ließ sie sich auf ihr Bett fallen und schlang beide Arme um sie. „Er hat dich nicht verdient“.

„Ja das stimmt, aber trotzdem tut es weh“, gestand sich sie Brünette ein und blinzelte die aufkommenden Tränen weg. Sie hatte schon genug geweint.

Eigentlich hatte er keine einzelne Träne verdient gehabt, aber trotzdem war Mimi so unfassbar traurig. Nicht weil es vorbei war, sondern viel mehr, wie es endete.

Er hatte sich einfach eine andere geschnappt, weil sie für den Moment nicht verfügbar war.

Wie schon einmal .

Damals hatte sie ihm verziehen, doch sie wusste, dass sie es diesmal nicht konnte.

Nicht nur weil er sie in aller Öffentlichkeit betrog, sondern weil sie wusste, dass er sich wohl nie ändern würde.

Und so einen notorischen Fremdgeher brauchte sie wirklich nicht als Freund.

Sie wollte lieber einen haben, der sie auf Händen trug und ihr jeden Wunsch von den Augen ablas . Doch erstmal musste sie so einen finden, aber wahrscheinlich existierte der „perfekte Freund“ nur in ihrer Vorstellung. Spukte in ihrer Phantasie und suchte sie in ihren Träumen heim – nur um ihr zu sagen, dass sie in einer Märchenwelt lebte. Mit Einhörnern und pinker Zuckerwatte als Wolkenschlösser.

Sie schüttelte sich kurz. So langsam verlor sie den Faden.

Kari sah sie auch schon komisch an und runzelte die Stirn vor Besorgnis.

„Ist wirklich alles okay?“, fragte sie wieder und berührte sanft ihren Arm.

„Ich würde ihm am liebsten den Hals umdrehen“, sagte sie wütend und ballte ihre Hände zu Fäusten. Doch sie wusste, dass es nichts bringen würde. Wahrscheinlich war sie bereits das Top-Thema auf dem Campus.

Ach wie sie es liebte, wenn andere hinter ihrem Rücken sich das Maul über sie zerrissen.

Auch wenn die meisten wussten, dass er Mist gebaut hatte und nicht sie. Wahrscheinlich wussten die meisten, dass er sie mehrfach getrogen hatte und niemand hatte ihr etwas gesagt.

Hmpf. Das war typisch. Die Betrogene erfuhr es meistens als letzte.

Ironie des Schicksals…oder wohl eher Fügung, die ihr zeigen wollte, dass Michael und sie nicht füreinander bestimmt waren.

Egal was es war, jetzt brauchte sie erstmal eine Tafel Schokolade.
 


 

„Wie du hast ein Date?“, fragte er vollkommen entgeistert und ließ sich aufs Bett fallen. „Wann hast du sie überhaupt gefragt? Bekomme ich denn gar nichts mehr mit?“

Peter drehte sich zu ihm herum und verzog sein Gesicht.

„Ein richtiges Date ist es gar nicht“, gestand er sich ein und kramte eine Jacke aus seinem Schrank.

„Seit wann gibt es ‚unrichtige‘ Dates? Wo wollt ihr überhaupt hingehen?“

„Zu einem Sinfonieorchester“, antwortete er knapp und betrachtete sich kurz im Spiegel.

„Ein Sinfonieorchester?“ Wallace blickte ihn verwirrt an.

Das hörte sich wirklich nicht nach einem Date an, sondern eher nach purer Langeweile .

„April wollte unbedingt hin und hat gefragt ob ich mit will“.

„Also hat sie dich gefragt?“, fragte der Blonde skeptisch.

„Ja. Ich hätte dazu sicher keinen Mut gehabt“, meinte Peter niedergeschlagen. „Aber vielleicht ist es ja doch ein Date“.

Er sah ihn zuversichtlich an, doch Wallace zog nur eine Augenbraue nach oben. Wahrscheinlich hatte April nur einen Dummen gesucht, der mit ihr zu dieser oberlangweiligen Veranstaltung ging. Vielleicht dachte sie ja, dass Peter darauf stehen könnte, da er Klavier spielte und ebenfalls auf klassische Musik stand. Vielleicht war ein Orchesterbesuch in ihrer Sprache ein Date.

Doch Wallace konnte sich beim besten Willen nichts Romantisches darunter vorstellen.

„Ja vielleicht“, erwiderte er knapp, sah jedoch nicht überzeugt aus.

„Und was mache ich, wenn wir uns näher kommen?“

Peter setzte sich auf sein einiges Bett und runzelte die Stirn. Er hatte wohl von so lchen Dingen absolut keine Ahnung. Obwohl Wallace auch bezweifelte, dass sie sich währenddessen näherkommen würden. Doch das wollte er Peter lieber nicht sagen.

„Keine Ahnung. Küss´ sie dann doch einfach“, schlug er gelassen vor, während Peter leicht rot anlief.

„Ich…ich habe aber noch nie ein Mädchen geküsst“, gestand er fast schon flüsternd und erntete von Wallace einen ungläubigen Blick.

Klar er war zwar schüchtern, aber der Blondschopf hätte nicht erwartet, dass er noch nie ein Mädchen geküsst hatte.

„Okay? Und was heißt das jetzt? Soll ich es dir demonstrieren?“, fragte er grinsend und spitzte die Lippen.

„Himmel, nein“, murmelte er angewidert. „Sowas will doch keiner sehen“.

„Hey so übel küsse ich gar nicht!“, beschwerte sich Wallace .

„Das kann schon sein, aber ich will nur wissen, ob man etwas falsch machen kann. Mehr nicht“.

Wallace erinnerte sich kurz an seinen ersten Kuss zurück, den er mit fünfzehn hatte.

Es war beim Flaschendrehen passiert.

Er erinnerte sich noch gut daran, so als wäre es erst gestern gewesen.

Das Mädchen, auf das die Flasche zeigte, war wirklich Wallace Typ gewesen. Sie hatte leicht gelockte, braune Haare und hörte auf den lieblichen Namen „Becca“.

Eigentlich hätte alles perfekt laufen können, doch dann legte sie ihre Lippen auf seine. Jedenfalls versuchte sie es.

Mit der Unterlippe traf sie auf seine Oberlippe. Zielen war anscheinend nicht ihre Stärke gewesen.

Es hätte wirklich nicht mehr viel gefehlt und sie hätte seine Nase abgelutscht.

Eine Erfahrung, die Wallace gut und gerne vergessen wollte.

„Ach eigentlich klappt das schon“, flötete er und verdrängte für einen Moment diese peinliche Kusserfahrung, über die noch viele aus seiner damaligen Klasse gelacht hatten.

Wahrscheinlich sah es wirklich so aus, als wollte ihn Becca eher auffressen, statt ihn zu küssen.

Doch das konnte er Peter nicht sagen.

Er wollte ihn nicht noch nervöser machen, als er ohnehin schon war.
 


 

„Bitte mach' die Tür auf. Ich will mich bei dir entschuldigen“.

Mimis Lippe zuckte vor Wut. Sollte er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Nie im Leben würde sie ihn jetzt in ihr Zimmer lassen.

„Hau gefälligst ab und schieb dir deine Entschuldigung sonst wohin“, geiferte sie und wandte sich mit einem genervten Blick an Kari, die stillschweigend auf ihrem Bett saß.

Vor wenigen Minuten wurden sie aus ihren tiefsinnigen Mädchengesprächen unterbrochen, als es plötzlich klopfte und Michaels Stimme im Flur ertönte.

„Aber Mimi, komm schon…das war nur ein Ausrutscher“, hörte man ihn sagen. Reue klang deutlich anders, ein Grund für Mimi komplett auszuflippen.

„Da hört sich doch wohl alles auf“, zischte sie zu Kari und ging zur Tür.

Wutentbrannt öffnete die Brünette sie und sah in das dämliche Gesicht ihres Ex-Freundes, der ein Strauß rote Rosen in der Hand hielt. Er lächelte entschuldigend, doch das brachte Mimis Blut nur noch mehr zum Kochen .

„Es tut mir wirklich leid. Verzeih mir doch bitte“.

Mimi musterte den Strauß Rosen und verzog ihre Augen zu Schlitzen. Wahrscheinlich hatte er sie an der Tankstelle besorgt und sie würden genauso schnell welken wie ihre einst „perfekte“ Beziehung.

„Hau ab“, knurrte sie und wollte die Tür wieder zuschlagen, als er seinen Fuß dazwischen schob.

„Nein, wir können doch über alles reden. Ich liebe dich“.

Kari beobachtete das Szenario vom Bett aus und sah gespannt zu Mimi, die seiner Liebeserklärung nur wenig Beachtung schenkte. Sie sah mehr so aus, als würde sie jeden Augenblick explodieren.

„Du liebst mich? Hältst du mich für total bescheuert?“

Ihre Augenbraue zuckte bedrohlich. Ihr Blick fixierte Michael, so als wolle sie ihn am liebsten augenblicklich umbringen.

„Man Mimi stell dich doch nicht so an. Es hat mir wirklich nichts bedeutet “, versuchte er ihr zu erklären und mit seiner freien Hand ihre zu ergreifen. Doch sie befreite sich aus seinem Griff und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du verstehst rein gar nichts. Du wirst dich nie ändern und mich immer verletzten“, gestand sie ihm, diesmal in einem etwas ruhigeren Ton.

„Ach Mimi…“.

„Nichts ‚Ach Mimi‘, ich will das nicht mehr“, sagte sie ihm klipp und klar. „Such dir doch eine Andere , die du verarschen kannst. Du…du…du schwanzfixierter Mistkerl“.

Die letzten zwei Worte spuckte sie angewidert von sich und knallte ihm augenblicklich die Tür vor der Nase zu.

Er reagierte erst gar nicht, sondern brauchte einige Sekunden, um zu verstehen, dass sie es ernst meinte. Sie war doch immer zu ihm zurückgekommen.

So kannte er sie gar nicht.

„Man Mimi, mach´ sofort die Tür auf“, brüllte er und hämmerte dagegen.

„Verpiss dich“, hörte er sie rufen.

Er umklammerte den Strauß Rosen, den der kurz zuvor im Blumenladen für sie gekauft hatte. Ein Dorn bohrte sich in seinen Finger und ließ ihn vor Schmerz japsen .

Diese bescheuerte Kuh. Wie konnte sie ihn einfach so vor ihrer Tür stehen lassen?

Er machte sich gerade zum Deppen für sie, doch Mimi?

Sie war wieder überaus nachtragend. Besonders seit ihre brünette Freundin aufgetaucht war, hatte sie sich sehr verändert gehabt. Leider nicht zum Vorteil. Jedenfalls empfand das Michael so.

Aufgebracht schmiss er den Blumenstrauß auf den Boden und sah, dass sein Finger leicht blutete.

Er leckte das Blut vom Finger und sah bedrohlich zur Tür.

Sie sollte ihm besser schnellstens verzeihen , sonst würde sie es noch bereuen. Und Michael hatte auch schon eine Idee, wie er Mimi mitten ins Herz treffen konnte.
 


 

„Also wirklich Joe, dass muss schneller gehen“, sagte seine Chefin in einem grimmigen Unterton zu ihm und zeigte, wie er möglichst zeitsparend die Regale in dem kleinen Supermarkt auffüllen konnte.

„So geht das“, meinte sie und zog ihr verhärmtes Gesicht zu einem selbstzufriedenen Lächeln.

Joe betrachtete das Regal kritisch, das wie zugestopft aussah.

„Aber ist das nicht viel zu voll?“, fragte er skeptisch und sah, wie sich eine Tüte der Gummibärchen verselbstständigte.

„Ach so ein Quatsch. Mach so viel rein, wie geht. Aber achte auf die Etiketten!“

„Alles klar“, meinte er missmutig und zog ein unerfreutes Gesicht. So hatte er sich seinen ersten Arbeitstag nicht vorgestellt.

Da bekam er einfach einen Rolli mit den verschiedensten Sachen hingestellt und fühlte sich mega überfordert. Keiner gab ihm eine anständige Anweisung. Jeder sagte nur, dass er sich beeilen und die Regale voll kriegen sollte.

Netter Umgangston war hier definitiv fehl am Platz.

„Willkommen in der Hölle“, murrte er im Flüsterton und öffnete den nächsten Karton gedankenverloren mit einem Cuttermesser.

„Nein, nein, nein“, brüllte auf einmal ein Kollege hinter ihm und riss ihm das Messer aus der Hand. „Bist du bescheuert? Du kannst das doch nicht mit dem Messer aufschneiden, die Ware könnte kaputt gehen“.

Der etwas dickbäuchige Mann zeigte Joe, wo er genau den Karton zu öffnen hatte, ohne etwas im Inneren zu beschädigen.

Joe sah ihn verzweifelt an und brachte ein leises „Danke“ hervor. Danach war er verschwunden.

Er hatte noch nicht mal etwas erwidert oder ihm noch einen Tipp gegeben. Er ging einfach weiter zu seinem Rolli, der schon fast fertig war.

Doch beschweren half in diesem Fall wohl nicht viel. Joe wollte unbedingt diese Reise mitmachen und brauchte das Geld. Auf seinen Vater konnte er sich ja nicht verlassen. Wahrscheinlich überprüfte er gerade, ob eine solche Enttäuschung überhaupt sein Sohn sein konnte.

Vielleicht wurde er im Krankenhaus vertauscht und eine rührselige, gutherzige Familie wartete auf ihren richtigen Sohn.

Doch Joe wusste, dass das nur Spinnereien waren. Dafür sah er seinem Vater wirklich zu ähnlich.

Und trotzdem waren sie so verschieden. Konnte er ihn denn kein bisschen verstehen?

Wie unwohl er sich in seinem Studium fühlt e? Dass er sich jeden Tag aufs Neue hin quälte?

War er etwa so blind?

„Joe, das geht auch schneller“, rief ihm seine Chefin im Vorbeigehen zu und riss ihn prompt aus seinen Gedanken.

„Jaja“, kläffte er und räumte den Rest ins Regal ein. Dann schob er den Rolli in den nächsten Gang und öffnete die nächste Kiste.
 


 

15. Juni 2010. Odaiba, Japan. Kleines Café.
 

Sie rührte in ihrem Milchkaffee und wich seinen Blicken gekonnt aus. Insgeheim hasste sie Mimi dafür dieses Treffen arrangiert zu haben. Es war…komisch. Richtig unangenehm. Er versuchte sie mit seinen Blicken regelrecht zu röntgen und starrte sie mit diesem mitleidigen aber auch bedrohlichen Blick an.

„Guck nicht so“, meinte sie plötzlich und nippte an ihrem Kaffee.

„Wie soll ich denn sonst gucken? Ich mache mir wirklich Gedanken um dich“, flüsterte er fast schon und aß von seinem Bagel.

Eigentlich wollte sie nur mit Mimi frühstücken gehen, als plötzlich ihr Bruder am Tisch saß und Mimi ihr ins Ohr flüsterte, dass sie mit ihm mal reden sollte.

Danach war sie verschwunden und ließ sie in dieser äußerst beklemmenden Situation zurück.

Er hatte mitbekommen, wie sie ausgeflippt war und ihre Sachen packen wollte, um prompt das Land zu verlassen.

Beide hatten an diesem Abend versucht, ihr gut zuzureden , doch Kari hatte sich im Bad eingeschlossen und bitterlich geweint .

Etwas das Tai sehr spanisch vorkam. Was hatte Matt nur mit seiner kleinen Schwester gemacht? Am liebsten würde er ihm eine reinhauen, doch seit der Sache war er bei einem Freund untergekommen und immer nur zu Hause aufgetaucht, wenn Tai nicht da war.

Matt sollte ihm in nächste Zeit auch besser nicht über den Weg laufen. Er wusste wirklich nicht, ob er sich beherrschen konnte.

„Was ist eigentlich zwischen euch beiden passiert? Habt ihr…naja du weißt schon“, stammelte der Brünette und bemerkte erst gar nicht, wie rot seine Schwester auf einmal wurde.

Sie schüttelte nur den Kopf und sah, wie Tai erleichtert ausatmete.

„Gott sei Dank. Dem hätte ich was erzählt, wenn es dazu gekommen wäre“, eröffnete er Kari bedrohlich. Kari sah ihn geschockt an und auch wenn ihr die Sache mit Matt äußerst peinlich war, wollte sie natürlich nicht, dass er ihm wehtat.

Sie hatte es doch so sehr gewollt und jetzt konnte sie Matt auch besser verstehen, warum er das Ganze abgebrochen hatte.

TK, ihr bester Freund, war verliebt in sie.

Und das schon seit Jahren. Sie hatte so ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber . Immer wieder hatte sie ihm die Ohren voll geheult und schwärmte wie toll sie Matt doch fand.

In all den Jahren hatte sie ihm so wehgetan, ohne es gewusst zu haben.

„Ganz ehrlich, Matt sollte sich auf etwas gefasst machen. Auch wenn nichts gelaufen ist, kann er doch nicht einfach…“.

„Hör auf“, sagte sie mahnend und senkte den Kopf. „Ich wollte es so“.

Sie flüsterte den letzten Satz, sodass Tai Probleme hatte ihn zu verstehen. „Was?“

„Ich wollte mit ihm schlafen“, gestand sie ihm peinlich berührt, schaute kurz in sein geschocktes Gesicht und wand te wieder den Blick von ihm.

„Bitte was? Das denkst du dir doch gerade aus“, mutmaßte Tai fassungslos.

Seine Schwester wollte mit seinem besten Freund schlafen? Das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Nicht Kari. Nicht seine kleine Schwester.

Kari hob den Kopf nicht an, sondern fuhr sich mit dem Handrücken über ihre Augen. Ein Zeichen dafür, dass sie weinte. Tai wollte schon aufstehen und sie in den Arm nehmen, um sie zu trösten. Doch dann schaute sie ihn an. Ein paar Tränen liefen ihr über die Wangen und sie quälte sich zu einem Lächeln.

„Bitte sei ihm nicht mehr böse. Er kann nichts dafür. Irgendwie wollte ich, dass er mich in einem anderen Licht wahrnimmt“, schluchzte sie.

„In einem anderen Licht? Sag mal bist du etwa in…“.

Er hatte den Satz noch nicht beendet, als Kari langsam nickte und wieder schniefte.

„Oh mein Gott“, entfuhr es ihm und er ließ geschockt die Ellenbogen auf den Tisch sinken. „Warum hast du nie was gesagt?“

„Es gibt halt Dinge, über die man nicht gerne mit seinem Bruder sprechen will“. Sie sah unsicher zu ihm und presste die Lippen kurz aufeinander, bevor sie weitersprach. „Außerdem hatte ich Angst, dass du es ihm weitererzählst oder mich erst gar nicht ernst nimmst“.

„Ich und weitererzählen? Sag mal für wen hältst du mich?“

„Du bist eine Plaudertasche“, giftete sie zurück. „Besonders wenn du zu viel getrunken hast“.

„Ehm…ja…das ist wohl wahr“, gab er kleinlaut zu und drückte sich gegen die Lehne. „Damit habe ich wirklich nicht gerechnet“. Er schnaubte kurz und schüttelte sich leicht.

„Wie lange bist du denn schon in ihn verliebt?“

„Seit ich fünfzehn bin“, antwortete sie knapp.

„WAS? Schon so lange? Moment, dann war die Sache mit Davis…“.

„Nur Ablenkung“, vervollständigte sie seinen Satz und schämte sich dafür, Davis sowas angetan zu haben. Kein Wunder, dass er sie immer noch hasste. Sie hätte ihm zeigen müssen, dass er ihr nach wie vor wichtig war, doch das hatte sie nicht getan. Kari hatte die Freundschaft mit Davis einfach abgehakt und gar nicht wirklich um sie gekämpft.

„Ich schäme mich ja so“, sagte sie auf einmal und sah mit einem leeren Blick auf den Tisch.

Am liebsten würde sie zu Wallace gehen, der ihre Situation von allen noch am besten verstand. Doch sie konnte doch nicht vor jeder Konfrontation weglaufen. Vor allem nicht bei ihrem Bruder.

„Hey“, Tai berührte leicht ihren Arm und fuhr ihr über den Handrücken. „Das ist nicht deine Schuld. Hormone sind wirklich sehr verwirrend, besonders wenn man so jung ist“.

Kari zog die Nase hoch und lächelte leicht. „Da sprichst du wohl aus er Erfahrung, ne?“

Tai machte ein verdattertes Gesicht und runzelte die Stirn. „Hä? Wie meinst du das denn jetzt?“

„Naja ich weiß das von dir und Mimi“.

Sein Blick verwandelte sich in blankes Ersetzen und er zog rasch die Hand zurück, um seine Arme vor der Brust zu verschränken.

„Diese Frau“, nuschelte er und verrollte die Augen. „Kann sie denn nicht einmal ihre Klappe halten?“

Kari musterte ihn und erwischte ihn dabei, wie er leicht vor sich her grinste, dann aber wieder versuchte ein ernstes Gesicht zu machen.

Doch dann lenkte er das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema.

„Hast du es ihm eigentlich gesagt?“

„Wem was gesagt?“, fragte sie, obwohl sie genau wusste, wen er meinte.

„Na Matt natürlich“, antwortete er aufbrausend und zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Nein, hab ich nicht“.

„Wirst du nochmal mit ihm reden?“

„Keine Ahnung, redest du nochmal mit ihm?“, stellte sie die Gegenfrage und wurde allmählich ungeduldig. Was sollte dieses Frage-Antworten-Spiel überhaupt?

Merkte er nicht, wie unangenehm ihr die ganze Sache war? Langsam sackte sie ihren Stuhl hinunter und fragte sich, ob die einen Klobesuch als Vorwand nehmen sollte, um endgültig von hier zu verschwinden. Doch Tai redete ohne Punkt und Komma auf sie ein.

Sagte ihr, dass er wohl doch nochmal mit Matt reden wollte, da er wirklich einige Dinge nicht gewusst hatte.

Kari befürchtete jedoch, dass er Matt die Wahrheit sagen würde und alles nur noch komplizierter wurde, als es ohne hin schon war.

Das konnte sie wirklich gar nicht gebrauchen. Besonders nicht nach TKs Liebesgeständnis, das sie ganz schön aus der Bahn geworfen hatte.

Seither hatte sie auch nicht mehr mit ihm gesprochen, da er Abstand von ihr wollte. Und diese Tatsache tat ihr noch mehr weh als die Absage, die Matt ihr erteilt hatte.

So langsam fragte sie sich, ob sie Matt wirklich liebte oder nur die Vorstellung davon, mit einem „Rockstar“ zusammen zu sein. Mittlerweile war sie sich ihren Gefühlen nicht mehr sicher .
 


 

Er blinzelte leicht und bewegte sich langsam. Ein knappes Stöhnen zog sich durch den Raum. Er hielt sich den Kopf und wollte sich gerade aufsetzten, als er ein zusätzliches Gewicht auf seinem Brustkorb spürte. Er sah an sich herab und entdeckte eine friedlich schlafende Mariko, die ihre Arme um seinen Oberkörper geschlungen hatte.

Er schnaubte kurz und versuchte sich aus ihrem Griff zu lösen, doch sie verschärfte ihn, als er sich an ihren Armen zu schaffen machte.

Leicht genervt ließ er sich sachte auf das Bett zurückfallen und durchforstete seine Gedanken.

Takeru fühlte sich schrecklich. Erst die Sache mit Kari und jetzt war er wie ein räudiges Hündchen zu Mariko zurückgekehrt.

Er konnte ein deutliches Grinsen auf ihren Lippen erkennen. Ja, sie war zufrieden und er in ihrer Umarmung gefangen.

Kari hatte es wirklich geschafft, ihn wieder in ihre Arme zurückzutreiben, obwohl er eigentlich die Sache mit Mariko beenden wollte.

Doch jetzt konnte er auch weitermachen. Diesen Moment beim Babysitten hatte er sich wohl doch nur eingebildet und gehofft, es könne mehr dahinter stecken, was letztendlich nicht so war.

Kari hätte beinahe mit seinem „ach so tollen“ Bruder geschlafen.

Ohne mit der Wimper zu zucken.

Klar, er wusste, dass sie in ihn verliebt war, aber trotzdem hatte der gehofft, dass das Jahr in Amerika alles verändern würde.

Er wusste selbst eigentlich nicht so richtig, was er sich dabei gedacht hatte.

Hatte er wirklich erwartet, dass sie endlich aufwachen und in ihm den langersehnten Traumprinzen sehen würde?

Anscheinend glaube er noch an Märchen, die alle ein Happy End versprachen – jedenfalls die überarbeiteten Versionen. Wäre man nur bei den Originalen geblieben, dann hätte sich diese Happy-End-Fantasie auch nicht in seinen Schädel eingebrannt.

So langsam glaubte er noch nicht mal mehr bei seinen Eltern dran, obwohl sie sich zurzeit gut verstanden hatten.

Doch er lebte nicht im Märchen. Seine Familie würde wohl nie wieder zusammen kommen, auch nicht wegen Saya. Und Kari würde seine Gefühle wohl nie erwidern, egal wie sehr er sich auch anstrengte.

Er hatte verloren und musste sich wohl oder übel mit diesem Gedanken arrangieren.

Takeru blickte kurz zu Mariko, die ihren Griff etwas gelöst hatte und immer noch schlief.

Er setzte sich wieder auf und schaffte es diesmal, sich aus ihrem Griff zu befreien.

Lautlos setzte er sich auf die Bettkante und suchte mit den Augen nach seinen Boxershorts, die er in dem Klamottenberg nicht gleich erkennen konnte.

Leise stand er auf und kramte unter Marikos Jeans seine Unterwäsche hervor. Er schlüpfte hinein und suchte sich den Rest seiner Sachen zusammen, als er plötzlich seinen Namen hörte.

Er drehte sich erschrocken um. Mariko saß auf dem Bett und sah ihn mit verquollenen Augen und etwas strubbeligem Haar an. Takeru hatte sie wohl geweckt.

„Willst du schon gehen?“, fragte sie leise. In ihrer Stimme spiegelte sich die Enttäuschung wider .

TK fuhr sich durch die Haare und sah sie an. Ihr dringlicher Blick war unerträglich für ihn.

Auch wenn sie ihn manchmal nervte, wollte er sie nicht verletzten.

„Nein, ich wollte was zum Frühstück holen“, log er und stieg in seine Jeans. „Was isst du denn gerne?“

Mariko lächelte und stieg ebenfalls aus dem Bett. Sie ging splitternackt auf ihn zu und blieb ganz dicht vor ihm stehen.

TK sah auf sie hinab und blickte ihr in die Augen. Ihr Blick war lustverschleiert und spiegelte pures Verlangen wider .

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und fuhr mit ihrer Hand über seine nackte Brust. Dann kam sie ihm etwas näher und schlang seine Arme um seinen Nacken, sodass Takeru ihren warmen Atem auf seiner Haut spüren konnte.

„Ich glaube, das Frühstück können wir heute ausfallen lassen“, raunte sie in sein Ohr und verwickelte ihn in einen langen leidenschaftlichen Kuss.

Auch wenn TK eigentlich gar keine Lust hatte, wusste sie genau, wie sie ihn wieder dazu bekommen konnte. Sie öffnete seine Jeans und merkte, dass er unregelmäßig zu atmen begann.

Sein Herz schlug schneller, die Erregung wuchs und ließ ihn alles um sich herum vergessen.

Er merkte nur, wie sie seine Jeans leicht nach unten zog und ihre Hand am Saum seiner Boxershorts entlang wanderte…
 


 

Sie saßen gemeinsam im Park und eine frische Brise blies durch die Gegend. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass sie ihrem Bruder die Wahrheit über Matt gesagt hatte.

Was hatte sie sich nur dabei gedacht?

Würde er den Rand halten?

Was würde Matt sagen, wenn es herauskommen würde?

Würde er überhaupt etwas sagen?

Dabei war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob sie wirklich verliebt in ihn war.

Irgendwie hatte die Knutscherei und der Fast-Sex einiges verändert. Es war so, als wäre ein langersehnter Jugendtraum zerplatzt wie eine Seifenblase. Und es hatte nichts damit zu tun, dass er sie abgewiesen hatte.

Viel mehr fragte sie sich, ob sie jahrelang einfach nur einem Hirngespinst gefolgt war.

„Du siehst so nachdenklich aus“, meinte Wallace besorgt und lehnte sich zurück.

Kari schnaubte nur.

„Willst du darüber reden?“

„Ich weiß nicht“, antwortete sie wahrheitsgemäß.

„Geht es um die Sache mit Matt?“

Sie nickte. Doch das war nicht alles, was sie beschäftigte.

Auch die Tatsache, dass TK mit ihr im Moment nichts zu tun haben wollte, beschäftigte sie sehr.

Sie wollte ihren besten Freund nicht verlieren…obwohl, hatte sie das nicht schon?

Er war in sie verliebt gewesen. Schon vor der ganzen Geschichte mit Davis. Vielleicht sogar schon, bevor sie sich in Matt verliebt hatte .

Manchmal fragte sie sich, wie beide als Paar funktionieren würden. Alle sagten ihr, dass sie so toll zusammen passen würden. Immer und immer wieder, sodass es Kari schon nicht mehr hören konnte.

Doch was wenn alle anderen Recht hatten und sie nur zu blind war, um die Tatsachen zu erkennen?

Sie machte alles mit ihm. Sogar im selben Bett hatten sie geschlafen.

„Was ist los? Jetzt rede doch bitte mit mir“, bettelte Wallace und stupste sie leicht an.

„Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Mein bester Freund hat mir gestanden, dass er in mich verliebt ist und ich weiß nicht, wie ich dazu stehen soll“.

Ihr bester Freund?

Wallace wusste genau, wen sie meinte. Sie hatte immer mal wieder von ihm erzählt. Nie viel, aber man sah ihr an, dass sie ihn sehr mochte. Immer wenn sie eine Geschichte von ihnen erzählte, leuchteten ihre Augen und auf ihren Lippen bildete sich ein leichtes Lächeln ab.

Besonders als es ihr schlecht ging, war der Name TK öfters gefallen, als Wallace lieb war.

Zwar kannte er die Geschichte rund um Matt, doch TK nahm ebenfalls einen sehr großen Raum in ihren Erzählungen ein, was ihn manchmal sehr störte.

Lange Zeit verstand er noch nicht mal warum, da er TK schließlich nur einmal kurz gesehen hatte, als er und Kari Mimi besucht hatten. Und das war schon Jahre her gewesen.

Er hatte sich verliebt. In sie. Wie praktisch.

Doch er wusste, dass diese Liebe unerfüllt bleiben würde. Er hatte einfach keine Chance bei ihr.

Es gab so viele Menschen in ihrem Leben, die ihr sehr viel bedeuteten. Wallace befand sich sicher nur auf den hinteren Rängen, auch wenn sie im letzten Jahr viel Zeit miteinander verbracht hatten.

Doch das war nicht das gleiche. Er hatte gegen einen TK oder Matt keine Chance .

Er hatte noch nicht mal gegen Michael eine Chance gehabt.

Seine Augen weiteten sich plötzlich.

Michael. Wie konnte er nur so vergesslich sein?
 


 

Was sollte das? Was machte er überhaupt hier? Und warum musste er ausgerechnet seinem größten Rivalen gegenübersitzen?

Ken verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Izzy skeptisch.

Auch wenn Yolei ihn zum Schweigen verdonnert hatte, brannte es ihm unter den Fingernägeln Izzy auszufragen. Er wollte wissen, ob er das gleiche für sie empfand wie sie für ihn. Er wollte wissen, ob es für ihn nur eine billige Affäre war oder es sich um eine ernste Beziehung handelte.

Er wollte einfach alles wissen.

„Was guckst du mich denn so böse an?“, fragte Izzy leicht überrascht und tippte ungeduldig mit dem Zeigefinger auf der Tischplatte herum.

Bevor Ken etwas erwidern konnte, war jedoch Matt von der Toilette zurückgekehrt und setzte sich zwischen die beiden. Er hatte das Treffen arrangiert und Ken wusste wirklich nicht, was er ausgerechnet von ihm wollte. Sie hatten so gut wie kaum Kontakt. Eigentlich verband sie nur TK, der Matts Bruder und sein Mitbewohner war.

„Okay was soll das hier? Warum bin ich hier?“ Ken wurde langsam ungeduldig und kippelte mit dem Stuhl. Izzys Anwesenheit machte ihn nervös.

Matt und Izzy tauschten vielsagende Blicke miteinander aus und Ken fühlte sich nur noch mehr deplatziert als vorher. Was sollte das? Konnten sie nicht klipp und klar sagen, was sie von ihm wollten?

„Also“, begann Matt langsam. Ken hatte immer noch die Arme verschränkt und zog die Augenbrauen zusammen.

„Ich brauche eure Hilfe“, sagte der Blondschopf und schaute auch kurz zu Izzy, der anscheinend schon eingeweiht war.

„Ich möchte mich gerne bei allen für mein Verhalten entschuldigen. Besonders bei Tai und TK. “

„Und wie willst du das machen?“, murrte Ken patziger als gewollt.

„Naja am Wochenende habe ich ein Konzert und ich wollte alle einladen, um mich persönlich zu entschuldigen“, erklärte er und lächelte leicht.

Ken kniff nur kurz die Augen zusammen. „Und wozu brauchst du uns?“

„Ihr seid sozusagen meine Lockvögel. Das Konzert ist am Strand. Ihr müsste einfach nur zur besagten Zeit vor Ort sein. Sora und Mimi habe auch eine Nachricht zukommen lassen“.

Ken nickte langsam. „Also soll ich mich um TK kümmern, oder was?“

Matt bejahte es. „Tu dich doch einfach mit Yolei zusammen. Sie ist sicher energisch genug, um alle zu überzeugen.“

Das war wohl wahr . Ken schenkte Izzy einen kurzen Blick, der nur teilnahmslos neben Matt saß und Löcher in die Luft starrte. Ihm war die Situation wohl genauso unangenehm wie ihm.

„Und seid ihr dabei?“, riss Matt ihn aus seinen Gedanken.

„Ich habe doch schon zugesagt“, murrte Izzy verständnislos. „Ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich hier bin.“

„Und was ist mit dir?“ Matts Blick fixierte Ken, der nur belanglos mit den Schultern zuckte. Er wusste wirklich nicht, ob er sich dort einmischen sollte. Eigentlich hatte er genug mit sich selbst zu tun, aber natürlich war ihm das Wohlergehen seiner Mitbewohner nicht egal.

„Von mir aus“, stimmte er schließlich zu.

„Super das ist wirklich klasse von dir“, lobte Matt ihn und klopfte ihm auf die Schultern, sodass er prompt zusammenschreckte.

Auch Izzy nickte ihm zustimmend zu, doch die Stimmung der beiden wirkte deutlich unterkühlt.

Doch davon durfte er sich nicht beeindrucken lassen.

Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Wenn auch widerwillig.
 


 

Es war schon Abend, als er sich auf den Weg zu Sora machte. Sie hatte auf keine einzige SMS von ihm reagiert. Sie hatte eigentlich schon mehrere Tage nichts mehr von sich hören lassen – vollkommen untypisch für sie.

Tai machte sich langsam Sorgen. Und er musste unbedingt mit ihr reden, besonders nachdem er von seiner Schwester erfahren hatte, dass sie ebenfalls in Matt verliebt war.

Natürlich hatte er ihr versprochen, niemandem etwas zu sagen, aber gegenüber Sora zu schweigen, fand er einfach nicht fair.

Sie hatte die Wahrheit verdient.

Er blieb vor ihrem Wohnheimzimmer stehen und klopfte zweimal direkt hintereinander.

Es dauerte einen Moment, aber Sora öffnete langsam die Tür.

„Was willst du denn hier?“, fragte sie und aus ihrer Stimme war herauszuhören, dass sie geweint hatte. Auch ihre Augen waren leicht geschwollen und etwas rot unterlaufen.

„Was ist denn mit dir passiert?“

Tai schaute sie besorgt an und überlegte sich, ob sie es vielleicht schon wusste.

Ihrem Gesicht zu urteilen wusste sie es.

„Kann ich vielleicht reinkommen?“, wollte er wissen, nachdem sie nichts erwidert hatte.

Sie trat einen Schritt zurück und ließ ihn in ihr kleines Zimmer.

Es war unordentlich und ihr Bett war durchwühlt. Nebenbei lief der Fernseher.

„Ist hier eine Bombe eingeschlagen oder warum sieht es hier so durcheinander aus?“ witzelte Tai und grinste schief.

Sora hob nebenbei ein paar Klamotten, die auf dem Boden lagen, auf und schmiss sie in ihren Wäschekorb. Ihr war ganz sicher nicht nach Witzen zu Mute. Eigentlich wollte sie sich lieber in ihr Bett kuscheln und kitschige Seifenopern schauen.

Tai hatte wirklich das perfekte Timing.

„Was willst du, Tai?“, fragte sie bissig und ließ sich genervt auf ihrem Bett nieder.

„Hey warum bist du so zickig? Ich habe doch gar nichts getan“, verteidigte er sich immer noch grinsend und setzte sich neben sie.

„Entschuldige“, nuschelte sie kaum verständlich. „Ich wäre im Moment einfach nur gerne alleine.“

Kaum hatte sie den Satz beendet, kullerten ihr einige Tränen über die Wangen.

„Du weißt es“, mutmaßte Tai und legte behutsam den Arm um sie.

Sie nickte nur und verschränkte die Finger ineinander.

„Matt war im Café gewesen und wollte meinen Rat.“

„Oh“, stieß Tai unweigerlich hervor und drückte seine beste Freundin noch ein wenig näher an sich.

Diese vergrub ihr Gesicht in seinem blau karierten Hemd und schluchzte laut.

„Hey alles wird wieder gut“, tröstete er sie behutsam und strich ihr über den roten Haarschopf.

Doch Sora wusste, dass es nicht einfach wieder gut werden würde.

Matt hatte beinahe mit Tais Schwester geschlafen und stand offensichtlich auf Frauen wie Mimi.

Da würde das beste Umstyling nicht helfen. Sie würde immer noch Sora bleiben, für die er sich einfach nicht interessierte.

„Was ist an mir nur falsch?“, stellte sie in den Raum und Tai biss sich instinktiv auf die Unterlippe.

Es war gar nichts an ihr falsch, doch Matt war eben Matt. Er hatte schon reihenweise Frauen flachgelegt, ohne sich über ihre Gefühle nur ansatzweise Gedanken zu machen.

Außerdem wusste er nicht, dass Sora ihn liebte. Er wusste auch sicher nicht, dass Kari schon seit Jahren in ihn verliebt war.

Tai kaute auf seiner Unterlippe und blickte nachdenklich durch den Raum. Diese Tatsache sollte er ihr heute besser nicht offenlegen. Das würde sie zu sehr verletzen.

„Hey es ist überhaupt nichts falsch an dir“, sagte Tai selbstsicher und hob ihren Kopf an, sodass sie sich in die Augen blickten. „Matt hat einfach noch nicht erkannt, wie toll du bist.“

Er lächelte leicht.

„Danke“, erwiderte Sora knapp und drückte ihn näher an sich. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und merkte, wie er ihr sanft durchs Haar strich.

Sora erinnerte sich unweigerlich an die Zeit ihrer Beziehung zurück und schmunzelte leicht.

Sie hatten eine schöne Zeit zusammen gehabt. Sora war richtig glücklich gewesen und nicht nur, weil Tai sie auf Händen trug. Sie verstanden sich einfach blind, ohne Worte.

Es war einfach schön.

Sora hob ihren Kopf wieder an und sah ihm direkt in die Augen. Er lächelte sie immer noch an und signalisierte ihr durch seine Tai-Art, dass schon alles wieder gut werden würde.

Erst jetzt merkte sie, wie nah sich ihre Gesichter gekommen waren.

Ohne darüber nachzudenken, näherte sie sich seinem Mund. Er war leicht geöffnet, so als wollte er etwas zu ihr sagen, doch er kam nicht dazu.

Ihre Lippen versiegelten die seinigen.

Tai riss vollkommen perplex die Augen auf, doch schloss sie nach kurzer Zeit wieder, nachdem sich das Gefühl der Geborgen- und Vertrautheit einstellte.

Er fuhr mit der Hand ihre Wangen entlang, die noch etwas nass waren. Danach umfasste er ihren Nackenbereich und intensivierte damit ihren Kuss.

Mit der anderen Hand fuhr er ihren zierlichen Körper entlang und ließ sie auf ihrem Oberschenkel ruhen. Sora hatte ihre Finger in seinem Hemd verschränkt und spielte am obersten Kopf.

Sie öffnete ihn plötzlich und widmete sich prompt den anderen. Kurze Zeit später hatte sie sein Hemd aufgeknöpft und fuhr mit den Fingern seine Bauchmuskeln entlang.

Eine leichte Gänsehaut überkam ihn und die zarten Härchen seiner Brust stellten sich unter ihrer Berührung auf.

Er wanderte inzwischen mit seiner freien Hand weiter und landete unter ihrem T-Shirt, das ihr deutlich zu groß war. Er unterbrach kurz den Kuss und zog ihr mit beiden Händen ihr Shirt über den Kopf. Sie starrten sich kurz an, bevor sie wieder in einem langen Kuss versanken, der mit einem seichten Zungenspiel gekrönt wurde.

Langsam ließen sie sich auf Soras Bett nieder und sie merkte das zusätzliche Gewicht auf ihrer Brust.

Sie vergrub ihre Finger in seinen Haaren, während er mit der einen Hand zu ihrer Jeans hinunter wanderte.
 


 

„Okay willst du hier vielleicht Wurzeln schlagen?“, fragte Mimi aufgebracht, als sie sah, dass Wallace immer noch in ihrem Hotelzimmer war. Sie hatte sich mit Yolei zum Essen verabredet und schlichtweg die Zeit vergessen.

Es war schon kurz nach 22 Uhr und so langsam konnte er sich wirklich auf den Weg nach Hause machen.

Mimi war generell verwundert, als Kari ihr plötzlich berichtete, dass Wallace seinen Vater in Japan besuchen wollte.

Es passte nicht zusammen.

Viel mehr hatte sie das Gefühl, dass Kari etwas mit seinem Auftauchen zu tun hatte.

„Er geht ja gleich, beruhig dich mal“, geiferte Kari genervt und verrollte die Augen.

„Tse von mir aus kann er auch hier übernachten, aber dann schläft er in deinem Bett “, sagte sie fordernd und verschwand ins Badezimmer um sich bettfertig zu machen.

Wallace lief leicht rot an, während Kari Mimis Worte ignorierte.

Sie hatte wirklich keine Lust, sich weiter mit ihr zu streiten.

„Vielleicht sollte ich wirklich gehen. Es ist schon spät“, meinte er, als er auf sein Handy sah. Beide hatten den ganzen Tag zusammen verbracht, waren im Park gewesen, hatten sich eine Pizza geteilt und bis eben einen Film gemeinsam geschaut.

Noch immer hatte Wallace Angst ihr die Wahrheit zu sagen, obwohl er es musste.

Er hatte eine SMS von Peter bekommen, die ihm ein deutliches Warnsignal war. Er öffnete sie unbemerkt und las sie schnell.

Seine Augen weiteten sich und er sah mit einem erschrockenen Blick zu Kari.

„Was ist los? Stimmt was nicht?“

Wallace schnaubte kurz und legte das Handy beiseite. Es war Zeit, es ihr zu sagen.

„Man wie fange ich am besten an“, meinte er zu sich selbst und kratzte sich am Hinterkopf.

Kari sah ihn fragend an.

„Vor ein paar Tagen habe ich ausversehen ein Gespräch belauscht“.

Ihr fragender Blick wich einem verwirrten.

„Und weiter? War es so schlimm?“

„Naja…es…es war ein Gespräch zwischen Carter und Michael“, eröffnete er ihr.

„Okay?“ Sie blickte verunsichert zu ihm, konnte jedoch seinen Blick nicht deuten. „Was haben sie gesagt?“

Wallace atmete tief ein und schaute Kari dringlich an. „Michael wird nach Japan kommen “.
 

Fortsetzung folgt...

Kontrollverlust.


 

Don't control what I'm into.

The City, +. Ed Sheeran, 2011.
 


 

16. Juni 2010. Odaiba, Japan. Studentenwohnheim.
 

Schweigsam zogen sich die beiden an, als sich Tai plötzlich räusperte. Sora schrak kurz zusammen und beobachtete ihn aus dem Augenwinkel heraus.

„Das war ein Fehler“, murmelte er und knöpfte sich das Hemd zu.

„Ja war es“, flüsterte sie und biss sich auf die Unterlippe.

Wie konnte sie nur?

War sie etwa so verletzt gewesen, dass sie ausgerechnet mit Tai, ihrem Ex, schlafen musste?

Doch das Gefühl von Vertrautheit war in diesem Moment stärker gewesen.

Sie wollte nicht allein sein. Sie wollte etwas anderes als Schmerz und Kummer spüren.

Vielleicht wollte sie Matt auch nur für einen kurzen Moment vergessen.

„Ich sollte besser gehen“, meinte Tai monoton und schlüpfte in seine Schuhe. Dann stand er auf und blickte auf Sora hinab.

Sie scheute sich jedoch ihn anzuschauen.

Ihr Verhalten war irgendwie unpassend gewesen. Sie liebte Matt, der jedoch etwas mit Kari hatte…mehr oder weniger.

Und dann war da Tai, der immer für sie da war. Auch nach ihrer Trennung.

Auf ihn konnte sie sich immer verlassen. Selbst als er herausgefunden hatte, dass Sora in Matt verliebt war, hatte er immer ein offenes Ohr für sie gehabt.

Und das schätzte Sora sehr an ihm, auch wenn sie es nicht immer sagte.

Stille kehrte wieder ein und ein Seufzer zog sich durch den Raum.

Tai raufte sich die Haare und starrte immer noch zu Sora.

Damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Eigentlich hatte er mit allem nicht gerechnet.

Erst tauchten seine Schwester und Mimi auf, die ihm fürchterlich auf den Senkel ging. Dann wollte Matt sich ausgerechnet auch noch mit ihr verabreden, um zum krönenden Abschluss mit Kari, seiner Schwester, beinahe im Bett zu landen.

Stattdessen war er ausgerechnet mit seiner Ex im Bett gelandet.

Als wäre sein Leben nicht schon kompliziert genug gewesen. Doch als er Sora sah, die wie ein Häufchen Elend vor ihm saß, musste er einfach nochmal mit ihr reden.

Er konnte diese komische Situation doch nicht einfach im Raum stehen lassen.

„Wie wäre es, wenn wir einen Kaffee trinken gehen?“, fragte er und grinste verlegen.
 


 

Es war ein Tag her, seit Wallace ihr gesagt hatte, dass Michael bald in Japan auftauchen würde.

Laut Peter würde er am Freitag ankommen, was Kari dazu veranlasste, in innerliche Panik zu geraten.

In ihrem Leben lief zurzeit einiges schief, sie konnte nicht auch noch Gefahr laufen, dass auch noch die Michael-Sache ans Tageslicht kommen würde.

Das würde Mimi ihr niemals verzeihen.

Und sie war neben Wallace, der eigentlich hier war, um seinen Vater zu besuchen, ihre einzige weitere Verbündete.

Sie hatte mehrmals versucht zu TK Kontakt aufzunehmen . Sie wollte mit ihm reden, ihm sagen, wie leid ihr das Ganze tat und das s sie ihn als besten Freund nicht verlieren wollte.

Doch egal wie oft sie ihn anrief oder wie viele SMS sie auch schieb, alles blieb unbeantwortet.

Er hielt den Abstand konsequent ein und ignorierte sie.

Niemals hatte Kari gedacht, dass ihre Freundschaft zu TK mal so auf der Kippe stehen würde. Und sie war sehr wahrscheinlich noch nicht mal lang genug hier, um alles klären zu können.

Sie schaute kurz zu Mimi, die in ihrem Bett lag und gebannt auf den Fernseher starrte. Sie sahen schon zum gefühlten hundertsten Mal „500 Days of Summer“, einen Film, den Mimi nach ihrer Trennung von Michael lieben gelernt hatte.

Dabei hatte der Film noch nicht mal ein richtiges Happy End. Er ging leer aus und sie war glücklich verheiratet, obwohl sie zu Anfang des Filmes nicht an die Liebe glaubte.

Doch Kari wollte nichts sagen. Sie schaute einfach stumm auf den Bildschirm und aß nebenbei einige

Smarties, die ihr Mimi aus dem Supermarkt mitgebracht hatte.

Seit der Sache mit Matt war sie nur noch selten rausgegangen. Irgendwie hatte sie Angst, ihm zu begegnen und sich unangenehmen Fragen stellen zu müssen.

Sie wollte ihn weder sehen, noch mit ihm reden. Es war schon peinlich genug. Und mit der Ankunft von Michael, wäre das Chaos perfekt.

Noch hatte sie ihr nichts gesagt. Kari fielen einfach nicht die passenden Worte ein, wie sie ihr schonend Michaels Überraschungsbesuch beibringen sollte.

Sie würde ausflippen, da war sie sich sicher.

Und Kari wollte die gute Stimmung zwischen ihnen so lange wie möglich erhalten, auch wenn ihr Wallace bereits im Nacken saß und sie drängte, Mimi endlich aufzuklären.

Doch Kari hoffte, dass sich Wallace und Peter irrten. Das s alles ein großes Missverständnis war und sie Michael erst in Amerika wieder ertragen musste.

Natürlich war ihr klar, dass sie Sache zwischen ihm und ihr schon längst abgehakt war – jedenfalls für ihn. Sie hatte nach wie vor mit den Folgeschäden zu kämpfen, auch wenn sie nicht daran denken wollte. Am liebsten wollte sie alles vergessen und von vorne anfangen, wie der Kerl im Film.

Doch sie wusste, dass sie es nicht konnte.

Die Vergangenheit würde einen wohl für immer verfolgen, da sie nun mal ein Teil von einem war. Ein Teil, den Kari gerne umtauschen wollte.
 


 

19. Juni 2010. Odaiba, Japan. Innenstadt.
 

„Ich finde, wir sollten es ihr sagen“, flüsterte Wallace zu Kari. Beide liefen hinter Mimi her, die sie zu einer kleinen Shoppingtour überredet hatte.

„Sie wird ausflippen“, meinte Kari zurück und schaute ihn an. „Und Peter ist sich auch wirklich sicher, dass er bereits hier ist?“

„Ja!“

„So ein Mist!“, zischte Kari und bemerkte nicht, dass Mimi sich herumdrehte. „Was tuschelt ihr denn hinter meinem Rücken?“, fragte sie und rückte ihre übergroße Sonnenbrille zurecht.

„Gar nichts!“, sagten beide gleichzeitig und schauten sich an.

„Ich bin wirklich nicht blöd. Also was ist los?“

Kari schaute immer noch zu Wallace, der zustimmend nickte. Sie sollte ihr die Wahrheit sagen, ansonsten würde sie wirklich noch ihr blaues Wunder erleben.

Dabei war der Tag schon verkorkst genug. Mimi hatte sie nicht nur zu dem Shoppingtag überredet, sondern wollte auch noch ausgerechnet Matts Konzert besuchen. Etwas, was Kari gar nicht in den Kram passte. Sie verfluchte sich innerlich dafür, so wenig Durchsetzungsvermögen zu besitzen.

Doch Mimi hatte bereits die Arme verschränkt und starrte die beiden Jüngeren nieder. Sie hasste Geheimnisse - besonders wenn sie in diese nicht eingeweiht war.

„Ähm Wallace und ich haben etwas erfahren, worüber du nicht sonderlich glücklich sein wirst“, begann die junge Yagami zögerlich.

„Man spann mich nicht so auf die Folter Kari!“

„Weißt du…also er…nein…Michael…er“, stammelte sie.

„Was hat Michael damit zu tun?“, fragte sie aufgebracht, als plötzlich laute Musik ertönte.

Die Leute, die gerade noch teilnahmslos an ihnen vorbei gelaufen waren, formierten sich auf einmal um die drei.

Aus dem mitgebrachten Ghettoblaster ertönte auf einmal das Lied Free your Mind von En Vogue. Ein Lied, das Mimi nicht unbekannt war. An ihrem Geburtstag lief es, als sie und Michael sich das erste Mal küssten. Vielleicht nicht der passende Song, aber damals war es schon sehr romantisch gewesen.

Als sie jedoch auf einmal in die kreidebleichen Gesichter von Wallace und Hikari blickte, drehte sie sich um.

„Was zum Teufel...?“
 


 

Es war komisch.

Eigentlich wollte er nicht hier sein, aber trotzdem wollte er die Sache mit Matt aus der Welt schaffen. Izzy hatte ihn dazu überredet, auf sein Konzert zu kommen, doch Tai wusste genau, dass alles nur fingiert war. Besonders der Rotschopf wollte, dass sie sich wieder vertrugen, da die WG- Situation seither äußerst angespannt war.

Er stand zwischen den Stühlen und Tai konnte sich vorstellen, dass es keine einfache Situation für ihn war.

Tai hatte auch eigentlich keine Lust, sich länger mit seinem besten Freund zu streiten, da er mittlerweile wusste, was genau zwischen ihm und seiner Schwester gelaufen war.

Dass Kari sich in ihn verliebt hatte, war zwar immer noch eine unangenehme Situation für ihn, aber ihm war klar, dass auch sie Matt näherkommen wollte.

Sie sagte ihm schon, dass sie ihn sogar etwas provoziert hatte, um ihn in die gegebenen Bahnen zu lenken. Und auch Matt war eben nur ein Mann.

Dennoch hatte Tai ein mulmiges Gefühl. Er hatte ein schlechtes Gewissen, obwohl es eigentlich vollkommen schwachsinnig war.

Er hatte genaugenommen nichts Schlimmes getan. Doch er wusste, dass sie in ihn verliebt war und trotzdem hatte er es einfach so geschehen lassen.

Sie war verletzt und er war verwirrt.

Doch das war noch lange kein Grund miteinander zu schlafen! Auch wenn alte Gefühle schnell mal aufkochen konnten, war das das Unpassendste, was ihm je passiert war.

Zwar hatte er mit Sora geredet und beide hatten sich auch darauf geeinigt, dass es ein einmaliger Ausrutscher war, doch etwas beunruhigte ihn.

Es war nicht wegen Matt und der Tatsache, dass sie in ihn verliebt war. Es war etwas anderes.

Er fühlte sich zurzeit so komisch und konnte nicht zuordnen, woher dieses Gefühl kam.

Auch seine Schwester verhielt sich merkwürdig, besonders nachdem der Kerl aus Amerika namens Wallace aufgetaucht war. Er hatte sich gestern kurz mit ihr getroffen und sie machte auf ihn einen äußerst unglücklichen Eindruck. Gesagt hatte sie nichts. Doch ihr Blick verriet alles.

Sie war traurig, fast schon verzweifelt. So als würde sie versuchen, etwas zu verbergen.

Sie hatte sich verändert, auch wenn es ihm nicht sofort aufgefallen war.

Und dann war da auch noch Mimi, die sich als ihre ältere Schwester aufspielte und ihn fast zur Weißglut trieb.

Dennoch faszinierte sie ihn. Und auch sie hatten ihre Momente, wenn auch nicht viele.

Doch er war sich mittlerweile ziemlich sicher, weshalb er diese Gewissensbisse hatte.

Als Mimi damals mit Matt ausgegangen war, hielt er ihr die Moralpredigt, sich nicht weiterhin mit ihm zu verabreden. Sie verstand sein Anliegen und ließ die Finger von ihm. Genaugenommen handelte er damals aus purem Egoismus. Er wollte nicht, dass sich die beiden näherkamen . Auch wenn er es immer wieder verneint hatte. Er war eifersüchtig und wollte eine aufkommende Liebschaft unterbinden. Die Sache mit Sora und Matt war eigentlich eher nur ein Vorwand, der sich leicht vorschieben ließ.

Dennoch hatte er mit Sora geschlafen! Die Ironie des Ganzen war ihm erst vor ein paar Tagen bewusst geworden.

Er hatte Mist gebaut. Und seine äußerst verwirrenden Gefühle, besonders Mimi gegenüber, gingen ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Und jetzt stand er hier. Hinter der Bühne. Ein paar Meter von Matt entfernt, der gerade seine Gitarre stimmte.

Sora war auch schon da und unterhielt sich mit Izzy, nachdem ihr Gespräch eher schleppend vorangegangen war . Die unangenehme Stimmung zog sich weiter, bis Taichi sich dazu entschloss, einen Schritt auf Matt zuzugehen. Es fehlte nicht mehr viel.

Er biss sich kurz auf die Unterlippe, räusperte sich leicht und sah, wie Matt seinen Kopf anhob und ihn erschrocken musterte. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass er wohl wieder auf ihn losgehen würde.

Tai hatte jedoch andere Absichten. Er brauchte sicher nicht noch mehr Chaos in seinem Leben.

Doch er brauchte seinen besten Freund.
 


 

„Was mach‘ ich überhaupt hier?“, fragte TK mürrisch und starrte zur Bühne.

Yolei und Ken schauten sich unschuldig an und zuckten mit den Schultern. Wie Matt ihm geraten hatte, hatte Ken Yolei noch vor den Karren gespannt und tatsächlich mit ihrer Überzeugungskraft TK zum Konzert gelockt.

„Vertrau uns doch einfach mal. Und Matt tut es wirklich leid, glaub‘ mir“, versicherte ihm die impulsive Frau nickend.

„Ich fass es nicht, dass Matt euch dazu überredet hat, mich hier her zu locken“, grummelte der Blonde und verschränkte die Arme vor der Brust.

Davis zog nur verwirrt die Augenbraue in die Höhe. „Hä? Wie hergelockt? Ich dachte, hier gibt es ein Barbecue."

„Du denkst wirklich immer nur ans Essen“, meinte Yolei lachend und klopfte ihm unsanft auf die Schulter.

„Gib ihm bitte eine Chance“, forderte Ken an TK gewandt.

Sein Blick wurde etwas weicher, doch seine Skepsis verflog leider nicht ganz. Natürlich wusste er, dass es seinem Bruder leid tat. Ihm taten sicher viele Sachen leid.

Aber Takeru konnte ihm einfach nicht so leicht verzeihen, besonders weil er von seinen Gefühlen für Hikari wusste. Jedoch waren ihm diese in jenem Moment völlig egal gewesen. Und auch die Sache mit seinen Eltern und Saya war für ihn noch lange nicht abgeschlossen.

TK war allerdings auch sehr gespannt, was er sich hatte einfallen lassen . Auch wenn er lieber woanders sein wollte.

„Aber es gibt doch ein Barbecue oder?“, fragte Davis hartnäckig nach und sah fordern d zu Yolei.

Diese schnaufte nur und nickte leicht. „Ja du kleine Fressmaschine, aber mach jetzt mal halb lang. Du hast erst vor zwei Stunden gegessen“.

„Ich hab‘ aber immer noch Hunger“, murrte er.

„Das gibt´s doch nicht. Sag mal ist dein Magen ein schwarzes Loch?“

„Essen ist sehr wichtig für die gesunde Entwicklung eines Menschen “, knurrte er zurück und funkelte sie böse an.

„Aber doch keine sechs Mahlzeiten pro Tag“, erwiderte sie ein wenig spöttisch und hob ihr Kinn.

„Ach du hast absolut keine Ahnung“, antwortete er eingeschnappt und wand te den Blick von ihr ab.

TK schaute nur zu Ken, der sich das Grinsen verkneifen musste.

Auch wenn der Blonde ein wenig sauer auf seine Freunde war, wusste er, dass sie es nur gut meinten.

Dieser ganze Streit hatte ihm schon sehr zugesetzt. Er hatte ihn genau genommen wieder in die Arme von Mariko getrieben, die sich freute, wieder so viel Zeit mit ihm verbringen zu können.

Und es wurde ein Keil zwischen ihn und Kari getrieben, auch wenn er ihre letzte Begegnung einfach nur vergessen wollte.

Doch er hatte ihr tatsächlich von seinen Gefühlen erzählt und wusste, dass es wohl nicht mehr so wie vorher werden könnte.

Ihre Beziehung war verdorben und er lief Gefahr, es nicht vor ihrer Abreise kitten zu können, da er die Begegnung mit ihr scheute.

Natürlich wollte er alles wieder aus der Welt schaffen. Seine Worte am liebsten zurücknehmen und nur mit ihr befreundet sein. Doch er wusste, dass es nicht mehr ging.

Er hatte ihr gesagt, dass er sie liebte. Und das schon eine halbe Ewigkeit.

Es gab kein Zurück mehr. Er hatte die Worte ausgesprochen und musste nun mit den Konsequenzen leben.
 


 

„Das ist nicht wahr“, sagte sie schon zum gefühlten zehnten Mal, als sie in Michaels Gesicht blickte.

„Wusstet ihr etwa davon?“, fragte sie die Beiden und drehte sich geschockt zu ihnen. Kari gab Wallace einen kleinen Stups, damit er wieder aus seiner Schockstarre erwachte. Michael hatte tatsächlich einen Flashmopp organisiert. Wallace hatte immer gedacht, er würde ihn nur verarschen, wenn er sagte, er wäre im internationalen Flashmopp Verband . Wahrscheinlich hatte er es ernst gemeint.

„Jetzt sag ihr endlich das, was du mir gesagt hast!“, forderte Kari ihn auf und riss ihn aus seinen Gedanken. Mimi starrte ihn auffordernd an, während der Flashmopp hinter ihnen seelenruhig weitertanzte – mit Michael im Mittelpunkt.

„Ich warte!“, erinnerte ihn Mimi aufgebracht. Mit ihrem Ex und einem Flashmopp hatte sie wirklich nicht gerechnet. Sie hoffte, dass Wallace eine gute Erklärung parat hatte.

„Mein Mitbewohner Peter hat mich angerufen und mir erzählt, dass Michael auf dem Weg nach Japan ist. Er will dich wohl wirklich zurückhaben“.

„Und warum sagst du mir erst jetzt Bescheid?“, wollte die aufgebrachte Brünette wissen, als sich plötzlich zwei Arme um sie schlangen und sie in die Mitte zogen.

„Was soll das? Man Michael!“, knurrte sie und schubste ihn leicht von sich.

„Na überrascht mich zu sehen?“, fragte er keck und blieb immer noch im Takt.

„Was zur Hölle machst du hier?“

„Ich wollte nur nochmal über uns reden“, antwortete er und zog sie wieder näher an sich heran.

„Lass mich los!“, brüllte sie und bretterte gegen einen der Tänzer. „Ich will, dass du mich in Ruhe lässt!“

„Ach komm schon Mimi…wir gehören zusammen!“

„Lass mich in Ruhe!“, forderte sie eisig und drückte sich durch die Menge durch, um wieder zu Hikari und Wallace zu kommen.

Sie rauschte an den beiden vorbei und „zischte ihnen nur ein „Wir hauen ab“ zu.“

Lautlos folgten sie ihr. Jedoch wusste jeder der drei, dass Michael nicht so schnell aufgeben würde.
 


 

„Hallo Tai“, begrüßte er ihn angespannt und ließ die Gitarre sinken. „Mit dir habe ich wirklich nicht gerechnet.“

Matt hatte nicht daran geglaubt, dass Tai kommen würde, auch wenn er Ken und Izzy in seinen Plan eingeweiht hatte.

„Ich wollte mit dir reden“, sagte dieser plötzlich und schaute ihn mit einem dringlichen Blick an.

Für einen Moment hatte Matt das Gefühl, als wolle er wieder auf ihn losgehen.

Doch sein Blick wurde auf einmal ganz sanft und strahlte keinerlei Bedrohung oder ähnliches aus.

Viel mehr war es Reue, die sich in seinen Augen wiederspiegelte.

Matt war schon seit Jahren sein bester Freund und auch wenn er wütend auf ihn war, hätte er ihn nicht schlagen dürfen.

Aus dem Alter waren sie schon längst raus . Es wurde also Zeit, sich wie ein Erwachsener zu verhalten.

Matt hatte seine Gitarre gegen die Wand gestellt und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Okay, dann schieß mal los“, meinte er angespannt und wippte unruhig mit dem Fuß.

Tai nährte sich ein Stück, blieb aber in weitem Abstand zu ihm stehen.

Er wusste gar nicht, wo er anfangen sollte.

Es war so viel passiert, was ihn zu sehr verwirrte. Besonders die Tatsache, dass seine Schwester schon seit Jahren in Matt verliebt war.

Und er hatte von all dem nichts gemerkt.

Der Brünette senkte seinen Blick und murmelte etwas vor sich hin, dass Matt nicht verstehen konnte.

„Was hast du gesagt?“, fragte er und spitzte die Ohren.

„Es tut mir leid“, platzte es aus ihm hervor und er sah dem Blonden direkt in die Augen. „Ich hätte dich nicht schlagen dürfen. Das war kindisch."

„Ich glaube, ich hätte wohl genauso gehandelt, wenn Kari meine kleine Schwester wäre“, gab er jedoch gleich zurück und erwiderte seinen Blick. „Es ging einfach alles so schnell. Ich hätte sie nicht einladen dürfen.“

„Ja vielleicht“, antwortete Tai und eine gewisse Anspannung machte sich in ihm bemerkbar.

Sollte er Matt sagen, dass Kari in ihn verliebt war? Dass es bei ihr um Gefühle ging?

Er wusste es nicht. Eigentlich hatte er Kari versprochen nichts zu sagen, aber Matt war sein bester Freund, der sich Vorwürfe machte, obwohl seine Schwester zugegeben hatte, es darauf angelegt zu haben.

Er befand sich in einem Zwiespalt, den er wohl nicht so einfach umgehen konnte. Und dann war auch noch die Sache mit Sora, die in Matt verliebt war, aber mit ihm geschlafen hatte.

Wie gerne würde er mit ihm darüber sprechen, doch er wusste, dass er es nicht konnte, auch wenn sie sich heute wieder miteinander vertrugen.

Er konnte sich nicht dran erinnern, in seinem Leben schon so viele Geheimnisse gleichzeitig gehabt zu haben. So langsam fühlte er sich wie ein Mädchen. Und er war sich sicher, dass er das nicht gutheißen konnte.
 


 

„Und freust du dich schon aufs Konzert?“, fragte Izzy beiläufig, suchte aber mit den Augen nach Yolei, da er nochmal mit ihr reden wollte.

Irgendwie beunruhigte ihn die Tatsache, Ken nun als Mitwisser zu haben. Er musste deswegen nochmal dringend mit ihr reden. Am besten sofort.

„Naja geht. Wo ist überhaupt Tai?“, stellte sie die Gegenfrage und er blickte wieder kurz zu Sora.

„Er wollte vor seinem Auftritt nochmal mit ihm reden“, sagte er nur und wandte den Blick von ihr wieder in die Menge.

„Mit ihm reden? Über was?“, hakte sie nach und wurde unsicher.

Er wollte doch nicht etwa…nein. Das konnte sie sich nicht vorstellen. Tai würde wahrscheinlich mit niemandem über die „Sache“ sprechen. Am liebsten wollten beide das Geschehene schnellstmöglich wieder vergessen.

Es war ein Ausrutscher gewesen. Nur ein Ausrutscher.

„Ich glaube, er will sich mit ihm wieder vertragen“, murmelte Izzy und sah flüchtig zu ihr. „Er hat sich Karis Sicht angehört und anscheinend hat sie dazu beigetragen, sich wieder mit ihm vertragen zu wollen“.

„Was hat Kari ihm denn erzählt?“, wollte sie wissen und spitzte neugierig die Ohren.

Doch Izzy zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber Matt scheint sie jedenfalls nicht verführt zu haben“.

Er grinste leicht. Sora verrollte nur die Augen. Vielleicht hätte sie doch nicht nachfragen sollen.

Sie hatte wieder ihr Kopfkino eingeschaltet, das Matt und Kari beim Rummachen zeigte. Die Rothaarige wollte sich am liebsten übergeben.

„Ich geh‘ mal kurz aufs Klo“, informierte sie Izzy, der nur ein leises „Mhm“ von sich gab und in die Menge stierte. Ihn schien auch etwas anderes zu beschäftigen.

Doch Sora musste lernen, mehr auf sich zu schauen und nicht nur immer auf andere. Mit Nächstenliebe kam sie wirklich nicht weiter. Jedenfalls nicht in Liebesdingen.

Gedankenverloren schlenderte sie zu den Toiletten und bretterte prompt mit jemanden zusammen, nur weil sie für einen Moment ihren Gedanken nachhing.

Sie strauchelte und drohte hinzufallen, als ihr Gegenüber ihren Arm packte, sie heranzog und sie letztlich zum Stehen brachte.

„Wow, das war ganz schön knapp“, sagte Taichi grinsend und ließ ihren Arm wieder los.

„Kann man so sagen“, murmelte Sora verlegen und scheute sich, ihrem besten Freund in die Augen zu schauen. Diese Sache war ihr immer noch peinlich. Wenn man es genau nahm, hatte sie ihn ausgenutzt. Sie war verletzt und ausgerechnet Tai war in diesem schwachen Moment bei ihr gewesen.

„Und hast du mit Matt geredet?“, fragte sie nach dem kurzen Moment des Schweigens, ohne ihm richtig ins Gesicht zu sehen. Sie wich seinen Blicken aus.

„Naja ein bisschen. Aber ich werde nochmal in Ruhe mit ihm reden, wenn wir zu Hause sind“.

Überrascht sah sie ihn plötzlich an und rümpfte leicht die Nase. „Zieht er etwa wieder bei euch ein?“

Tai nickte nur.

„Und du bist sicher, dass das zwischen euch beiden gut geht?“, hakte sie nach und zog obendrein skeptisch die Augenbraue nach oben.

„Ich bin nicht mehr sauer auf ihn. Ich habe mit Kari gesprochen und das hat einige Dinge geklärt“.

„Ach wirklich? Normalerweise wärst du ihm trotzdem an den Hals gesprungen. Er hätte immerhin beinahe mit deiner Schwester geschlafen“, untermalte sie und klang fast schon ein wenig empört.

„Ich weiß. Und ich habe ihm ja schon eine reingehauen, aber...“

Er stoppte abrupt und wurde leicht rot um die Nase. Er zog Sora etwas näher heran und senkte seine Stimme. „Ich...ich weiß nicht. Ich habe ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber …wegen der Sache von neulich“, erklärte er ihr in einem Flüsterton, während sich Soras skeptischer Blick verstärkte.

Natürlich empfand sie es auch als großen Fehler, nochmal mit Tai geschlafen zu haben. Aber eigentlich brauchten sie kein schlechtes Gewissen gegenüber Matt zu haben.

Er wusste ja nichts von ihren Gefühlen.

„Tut mir leid, aber ich verstehe das jetzt nicht so ganz. Wir sind doch Matt keine Rechenschaft schuldig“, stellte sie klar und legte die Stirn in Falten.

„Ich glaube, er mag dich“, sagte Tai plötzlich und schaute sich kurz um.

„Bitte was?“

Soras Verwirrung stieg ins Unermessliche. Wie kam Tai auf so etwas Bescheuertes?

Der Brünette zog sie etwas weiter in die Ecke und drehte den Kopf kurz in alle Richtungen, in der Hoffnung nicht von jemandem belauscht zu werden.

„Wir haben uns doch unterhalten“, begann er vollkommen unspektakulär.

„Und weiter?“

„Er hat mir von eurem Streit erzählt. Vor dem Café“.

Sora stockte der Atem. Das Gespräch. Irgendwie war es vollkommen in den Hintergrund gerückt.

„W-Was hat er gesagt?“, stotterte sie und blickte fast schon hoffnungsvoll zu Taichi.

„Nicht viel, aber er sah sehr bedrückt aus und meinte, dass ihm euer Gespräch nicht mehr aus dem Kopf geht“.

„Das ist alles?“, fragte Sora und wollte am liebsten die Hände vor dem Kopf zusammenschlagen.

Tai interpretierte definitiv zu viel in Dinge hinein.

„Naja auf mich wirkte er wirklich sehr nachdenklich“, meinte er und vergrub seine Hände in den Hosentaschen.

Sora schüttelte nur den Kopf und ging an ihm vorbei.

„Wo willst du denn jetzt schon wieder hin?“

„Aufs Klo, was dagegen?“, erwiderte sie pampig und stapfte an ihm vorbei.

Irgendwie fühlte sie sich nicht ernst genommen. Auch wenn Tai sehr wohl Rücksicht auf ihre Gefühle nahm. Doch auf dieses Gespräch hätte sie gerade wirklich verzichten können.
 


 

„Das kann doch nicht wahr sein!“, meckerte Mimi und stapfte durch die Fußgängerzone der Innenstadt. Der Clownszirkus immer noch hinter ihnen.

„Wie lange, schätzt du, verfolgen sie uns noch?“

„Keine Ahnung. Michael wird ihnen wohl Geld gegeben haben“, schlussfolgerte Hikari und wand te sich schulterzuckend an Wallace, der seinem Alptraum gegenüberstand.

„W-Wieso Clowns?“, fragte er und erntete von Mimi einen verwirrten Blick.

Sie wusste nichts von seiner Clownsphobie, das hatte er nur Peter und Hikari erzählt. Und keiner konnte ahnen, dass die beiden weißgeschminkten Pantomimen auch zum Gespann der Truppe gehörten. Okay ein Pantomime war nicht zwangsläufig ein Clown, aber für Wallace gab es keinen Unterschied. Clown war Clown. Und er hasste Clowns.

Besonders nach dem seine Mom an seinem siebten Geburtstag einen für seine Party arrangiert hatte. Während er Ballontiere geknotet hatte, erlitt der Mann im Clownskostüm einen Herzinfarkt. Wie es sich später herausstellte, war der Mann bereits siebenundsechzig und hatte vergessen, seine Medikamente zu nehmen. Dennoch hatte er Glück im Unglück und konnte im Krankenwagen rechtzeitig behandelt werden. Für Wallace war es jedoch der Schock des Lebens gewesen. Und er wusste, dass er einem Clown nie wieder vertrauen würde.

„Ich kann dir gar nicht sagen, wie genervt ich gerade bin!“, meinte Mimi plötzlich und funkelte Michael böse aus der Ferne an. „Er ist ein so verdammter Idiot!“

Kari sah auf die Uhr. In einer Stunde war sie mit ihrem Bruder verabredet, der ebenfalls auf das Konzert von Matt am Strand eingeladen war. So konnte sie doch nicht mit diesem Freakzirkus auftauchen...

„Boah schlag mich bitte K.O.! Sowas ertrag ich nicht!“, sagte Mimi angespannt und hielt Kari ihre Handtasche hin. „Nein ich werde dich nicht mit deiner Handtasche bewusstlos schlagen! Vergiss es! In einer Stunde fängt das Konzert an!“, erinnerte sie die Brünette.

Das hätte sie wirklich beinahe vergessen. Kein Wunder bei so einem Stress.

„Okay“, sagte sie und zog beide nah an sich heran. „Wir rennen gleich rüber zur S-Bahn, fahren zwei Stationen und steigen danach in eine andere ein. So verwirren wir sie und nach und nach werden wir einen nach dem anderen verlieren! Verstanden?“

Wallace und Kari nickten nur kurz. Mimi blinzelte zu Michael, der sie verführerisch angrinste.

Nein. Nie wieder. Mimi würde nie wieder auf ihn hereinfallen. Wen er Krieg haben wollte, konnte er ihn bekommen. „Okay los!“
 


 

Wieder tummelten sich die üblichen Verdächtigen am Strand. TK wunderte sich manchmal, wie viele Mädchen sein Bruder immer wieder zu seinen Konzerten anzog. Er fühlte sich deutlich in der Unterzahl. Die Männer konnte man sichtlich an einer Hand abzählen.

Und auch er war nur hier, weil Yolei und Ken ihn praktisch dazu gezwungen hatten. Er war gespannt, was Matt sich hatte einfallen lassen.

Neben seinen Mitbewohnern sah er auch noch Tai, Izzy und Sora, die zusammen standen. Joe und Cody waren irgendwie nicht mehr ganz in das Geschehen involviert. Er wusste nur, dass Joe eine längere Reise unternehmen wollte. TK war sich noch nicht mal sicher, ob er bereits zurück war.

Und Cody? Er war das Unschuldslamm der Gruppe, das noch die Schulbank drückte und von den ganzen Problemen gar nichts mitbekam.

Manchmal wünschte sich Takeru auch diese unbeschwerte Zeit zurück. Die Zeit, in der alle einfach nur miteinander befreundet waren und keine Liebe dazwischen funkte.

„Sieh mal, ich glaube, sie fangen an“, murmelte Davis und stopfte sich den Rest seiner Bratwurst in den Mund. TK sah angewidert zu ihm, wandte seinen Blick aber schnell zur Bühne, auf der sein Bruder mitsamt Band stand.

Langsam schritt er zum Mikro und blickte nervös in die Runde. TK beobachtete ihn genau. Sein Blick suchte jemanden und plötzlich blieb er genau bei ihm hängen.

Er räusperte sich , sein Blick immer noch auf ihn gerichtet.

„Hallo Leute, wir sind die Teenage Wolves und heute wollen wir ein paar besondere Lieder singen, die ich für Personen geschrieben habe, die mir wirklich viel bedeuten. Ich hoffe, ihr hört aufmerksam zu und wisst, dass ich jedes Wort auch so meine“.

Er tat etwas vom Mikro zurück und stimmte eine seichte Melodie an , die nur den Hintergrund des Liedes vermuten ließ.

TK sah ihn immer noch an und wartete gespannt da rauf, was er singen würde. Denn auch, wenn die letzten Monate wirklich beschissen gelaufen waren, war Matt immer noch sein Bruder.

Und er liebte seinen Bruder, egal, wie viel Scheiße er auch baute. Und genau das war das Problem.

Er würde ihn wohl immer wieder verletzen und er würde ihm wohl immer wieder verzeihen.
 

Will you listen to my story

It'll just be a minute

Well, how can I explain
 

Sein Blick wanderte. Er hatte gesehen, dass all seine Freunde und TK etwas weiter hinten zusammen standen. Nur Kari und Mimi fehlten. Wahrscheinlich konnte sie Kari nicht dazu überreden, her zukommen. Und Matt konnte es ihr auch nicht verübeln.

Und auch wenn er mit Tai schon gesprochen hatte, wollte er ihn wissen lassen, wie leid ihm sein Verhalten tat. Er hätte die Notbremse ziehen müssen und es am besten gar nicht so weit kommen lassen. Besonders weil er von TKs Gefühlen wusste.

Er wanderte wieder zu ihm. Sein Bruder hatte die Arme vor der Brust verschränkt und musterte ihn. Sein Blick war starr, doch Matt konnte seine Gesichtszüge nicht deutlich genug erkennen, um sagen zu können, was in seinem Kopf vorging.

Wahrscheinlich fragte er sich, was er mit diesem bescheuerten Entschuldigungssong bezwecken wollte? Er hatte so viel Mist gebaut. Besonders in seiner Familie.

Und das konnte er sicher nicht durch einen Song wiedergutmachen. Aber es war ein Anfang.

Ein Anfang, der ihm nicht sonderlich leicht viel.

Er hatte Tage dran geschrieben. Viermal hatte er neu angefangen. Unzählige Blätter hatte er in die Richtung des Mülleimers befördert, bevor er die richtigen Worte gefunden hatte.

Er wollte einfach alles geben. Er wollte seinem Bruder wieder ins Gesicht schauen können.
 

Whatever happened dear

I never meant to hurt you

How could I cause you so much pain
 


 

„Ich fass‘ es nicht. Werden die etwa nie müde?“, knurrte Mimi bissig und sah hinter sich. Schon die ganze Zeit hatten sie versucht, den Zirkus hinter sich abzuschütteln, doch immer wieder fanden sie sie. Mimi war am Rande der Verzweiflung angelangt und fragte sich, wo sie die nächste Klippe finden konnte, um ihrem Unglück zu entfliehen.

Auch Wallace stierte immer noch ungläubig zu den beiden Pantomimen, die tänzerisch das ganze Szenario untermalten. Der gruselige Weihnachtsmann von damals wäre ihm im Moment wirklich lieber gewesen.

Kari hingegen schaute auf die Uhr und bemerkte, dass das Konzert, auf das sie eigentlich nicht gehen wollte, schon längst angefangen hatte. Doch das war ihr geringstes Problem. Zwischen Michael und ihr war schließlich etwas passiert, das nicht ohne Folgen geblieben ist.

Und Kari wusste genau, wie sauer er werden konnte, wenn er nicht das bekam, was er wollte.

Doch Mimi sah ihn nur angesäuert an und verdrehte genervt die Augen, als er plötzlich wieder vor ihr auftauchte und den Flashmopp um Ruhe bat.

Erst jetzt viel Kari auf, dass Carter ebenfalls dabei war. Sie musterte ihn skeptisch, als er alle drei verschwörerisch angrinste.

„Verschwinde“, knirschte Mimi durch die Zähne und auch ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Er war voller Abneigung und Hass, der allzu verständlich war.

„Ich werde nicht verschwinden“, meinte er nur und sah sie dringlich an. „Ich liebe dich“.

Kari schüttelte den Kopf und sah mit einem vielsagenden Blick zu Wallace.

Dieser zuckte nur mit den Schultern und sah sofort wieder zu den Pantomimen, die ziemlich nah vor ihm zu stehen gekommen waren. Er tratt ein paar Schritte zurück und quetschte sich an Hikari vorbei, sodass sie etwas weiter vorne stand als er.

„Was soll der Scheiß?“, grummelte Wallace.

„Ich habe keine Ahnung“, antwortete Kari ratlos und sah, dass Michael plötzlich Mimis Hand ergriffen hatte.

„Mimi, ich war ein Idiot! Ich bin lieber meinen animalischen Trieben nachgegangen, statt dir zu zeigen, wie sehr ich dich liebe“, teile er ihr und den anderen vorbeilaufenden und merkwürdig starrenden Passanten mit, die natürlich prompt stehen blieben.

„Hat er wirklich gerade ‚animalische Triebe‘ gesagt?“, fragte Wallace ungläubig, während Hikari leicht der Mund aufklappte, als er sich auf einmal vor Mimi kniete.

Auch sie sog scharf die Luft ein und wollte seine Hand am liebsten abschütteln, aber er ergriff sie wieder.

„Ich weiß, dass ich es nicht ungeschehen machen kann, aber ich will dir zeigen, wie viel du mir bedeutest“, sagte er dramatisch und ließ von selbst ihre Hand wieder los, um etwas aus seiner Hosentasche zu holen. Es war ein kleines schwarzes Kästchen.

Mimis Augen weiteten sich augenblicklich. Kari japste kurz und Wallace verstand nicht, was Michael damit bezwecken wollte.

Hatte er im Ernst vor, sie wieder mit Schmuck zu bestechen? War der Kerl ganz und gar bescheuert?

Noch bevor Wallace realisierte, was sich in dem Kästchen wirklich befand, hatte er es schon geöffnet und sah Mimi fordernd an.

„Mimi Tachikawa, willst du mich heiraten?“
 


 

When I say I'm sorry

Will you believe me

Listen to my story

Say you won't leave
 

Er wusste, dass er mit ein paar Lieder nicht alles wieder kitten konnte. Mimi und Kari waren noch nicht mal erschienen und er wusste auch, dass er sich vor allem bei Kari für sein Verhalten entschuldigen musste. Doch als er in die Runde sah und seine Freunde erblickte, wusste er, dass er etwas richtig gemacht hatte.

Es war allerdings nur der Anfang. Matt hatte Mist gebaut. Großen, um genau zu sein. Seine Familie hatte er einfach aufgegeben, obwohl ihm bewusst war, dass die Situation auch schon ohne sein dummes Verhalten mehr als angespannt war.

Seine Schwester hatte er noch kein einziges Mal gesehen, weil er nicht mitansehen wollte, wie sie unglücklich wird. Sie waren eben nicht die perfekte Familie. Sie waren eine Familie mit Fehlern.

Doch wollte er wirklich seinen Eltern einen Vorwurf machen? Implizierte seine kleine Schwester nicht einen kleinen Hoffnungsschlimmer, den er immer zur Seite geschoben hatte?

Im Moment hörte er sich wirklich an wie Takeru, der ihm immer wieder das Gleiche gesagt hatte.

Vielleicht hat te er seine Worte erst jetzt verstanden.

Und selbst, wenn es mit seinen Eltern nicht klappen sollte, musste er doch zu dem kleinen Wesen stehen, das noch so hilflos war. Für Takeru hätte er auch alles riskiert. Früher waren sie wirklich ein eingespieltes Team gewesen.

Takeru. Sein Blick wanderte zu ihm. Er sah ihn mit seinen großen blauen Augen an, so wie damals als er immer wieder fragte, warum sich ihre Eltern so viel miteinander stritten.

Ihm hatte er wohl am meisten wehgetan.

Er hatte das Mädchen geküsst, das sein Bruder über alles liebte. Nein. Eigentlich hatte er sogar überlegt weiterzugehen. Ihm war sein Bruder in diesem Moment vollkommen egal gewesen. Er hatte einfach nur auf seine Bedürfnisse geachtet und sich ein Mädchen genommen, nur weil er seine Traumfrau nicht haben konnte.

Nein, er meinte nicht Mimi damit. Er fand sie zwar sehr interessant, aber mehr als eine Affäre hätte er sich mit ihr nicht vorstellen können. Auch wenn er sich für diesen Gedanken am liebsten selbst hätte Ohrfeigen können. Seit wann dachte er nur so?

Er presste die Lippen aufeinander, schluckte kurz und krächzte etwas halbherzig ins Mikrofon.

Sein Blick wanderte wieder und blieb ausgerechnet an ihr hängen.

Normalerweise war er immer gut darin gewesen, seine Gefühle zu verstecken, besonders nachdem sein bester Freund mit ihr zusammen gekommen war.

Natürlich freute er sich für Taichi, aber er war damals auch unfassbar neidisch auf ihn gewesen, da er das Mädchen seiner Träume bekommen hatte und nicht er. Doch er arrangierte sich damit. Irgendwie.

In die Quere kommen wollte er ihm nicht. Dafür war ihm die Freundschaft zu wichtig.

Doch er war schon seit Jahren in sie verliebt gewesen. Nur jetzt war die Situation noch komplizierter, als sie ohnehin schon gewesen war . Welcher normale Mensch kam schon mit der Ex seines besten Freundes zusammen? Das klang vollkommen abstrus. Doch je länger er sie anstarrte, desto mehr stieg das Verlangen. Aber er konnte es nicht stillen. Es war falsch. Es durfte nicht soweit kommen.

Immerhin hatte er einiges zu verlieren.

Langsam wandte er den Blick von ihr und verschloss seine Gefühle, die kurzzeitig in ihm aufgelodert waren.
 

When I say I'm sorry

Can you forgive me

When I say I will always be there

Will you believe
 


 

„Bitte was?“, fragte sie empört und versuchte die langgezogenen „Ohs“ der Passanten zu ignorieren. Die meisten hatten doch gar keine Ahnung. Er war ein Idiot, der sich einfach von irgendeiner Schlampe einen blassen ließ. Und Mimi wollte ganz sicher nicht wissen, was er mit den anderen gemacht hatte.

„Mimi Tachikawa…“, begann er erneut.

„Nein, frag‘ mich bloß nicht nochmal“, unterbrach sie ihn ruppig. „Allein schon, dass du mir diese Frage stellst, ist eine bodenlose Frechheit! Ich habe dich geliebt und du hast einfach mein Herz genommen und es gegen die nächstbeste Wand geschleudert!“

„Aber Mimi, versteh‘ doch...“

„Nichts ‚Aber Mimi‘. Es langt mir! Du hurst mit jeder X-beliebigen rum, hilfst deinem schrägen Kumpel beinahe, meine beste Freundin zu verführen und denkst anscheinend wirklich, dass so ein beschissener Ring alles gut machen würde!“

Michael sah zu Hikari, die den Kopf senkte und die Lippen aufeinander presste. Er stand auf und knirschte mit den Zähnen.

Sie wollte ihn nicht mehr. Das konnte nur eins bedeuten.

„Sag mal hast du etwa geplaudert?“, platzte es plötzlich aus ihm hervor und er fixierte Kari mit seinem Blick.

Er ballte die Fäuste und Wallace baute sich vor Kari auf, als er näher an beide heran trat.

„Was soll sie zu mir gesagt haben?“, fragte Mimi und drehte sich zu ihrer Freundin, die ihr Gesicht gesenkt hatte und gegen Wallaces Schulterblatt drückte. „Was ist hier verflixt nochmal los?“

Mimi kräuselte die Lippen und verstand nicht, was hier auf einmal vor sich ging. Hatten plötzlich alle Geheimnisse vor ihr? Und was hatte Kari mit Michael zu tun?

Sie hatte ihr doch immer wieder gesagt , dass er sie nicht verdiente und es sicherlich einen Typen gab, der besser zu ihr passte.

Doch als Mimi auch noch ein leises Schluchzen seitens Hikari vernahm, wurde sie stutzig.

„Was verheimlicht ihr mir?“

„Ich glaube, es ist an der Zeit, ihr die Wahrheit zu sagen“, meinte nun auch Wallace, der den Arm um die Brünette gelegt hatte.

Hikari hingegen schüttelte nur leicht den Kopf und sagte immer wieder, dass sie es nicht könnte.

Dieser Tag war verflucht. Da war sich Kari allmählich sicher. Sie hatte schon die Befürchtung gehabt, dass demnächst alles rauskommen würde, sie hatte nur nicht damit gerechnet, dass es heute soweit war.

„E-Es tut mir l-leid“, stammelte sie und sah Mimi das erste Mal wieder in die Augen. „Es ist einfach passiert“.

Es ist einfach passiert. Ihr Atem stockte augenblicklich. Sie hörte noch, wie Michael Kari an den Kopf warf, dass sie gefälligst still sein sollte.

Ihre Kehle wurde auf einmal trocken und Tränen stiegen ihr in die Augen. Das letzte Puzzleteil, das ihr die ganze Zeit gefehlt hatte, sprang ihr auf einmal regelrecht ins Gesicht.

Kari. Das Baby. Michael.

„Das ist nicht wahr“, murmelte sie und funkelte erst Michael, dann Hikari an. „Sag mir, dass das nicht wahr ist“.

Doch das konnte die Brünette nicht. Sie sackte leicht zusammen und Wallace kniete sich neben sie, während Mimi merkte, wie ihr eine salzige Träne die Wange hinunterlief.
 


 

20. Februar 2010. New York, USA. Studentenparty.
 

Es war Samstag und Kari hatte April tatsächlich dazu überreden können, sie auf eine Party zu begleiten.

Das Semester hatte vor gut einem Monat angefangen, doch wegen Mimis Launen war sie schon lange nicht mehr feiern gewesen.

Heute hatte sie sogar ein Date. Kari war wirklich überrascht, als sie davon hörte. Mimi war eigentlich noch sehr verletzt gewesen, aber dennoch hatte sie dem Kerl, der sie gefragt hatte, zugesagt.

Vielleicht suchte sie nach Ablenkung. Vielleicht wollte sie Michael aber auch eins reinwürgen.

Sie hatte regelrecht von ihrem Date geschwärmt und immer wieder erwähnt, wie sehr sie sich darauf freute. Meistens erzählte sie dies, wenn Michael in unmittelbarer Nähe war.

Sie wusste genau, wie sie ihn bestrafen konnte und Kari sah an seinem Blick, wie verletzt er war. Würde sie die Hintergründe rund um die Trennung nicht wissen, würde er ihr sogar ein wenig leidtun.

Doch heute Abend wollte sie sich nicht den Kopf über Mimi und ihre Dates zerbrechen. Heute wollte sie Spaß haben.

„Wollen wir tanzen gehen?“, fragte sie freudig und bemerkte erst jetzt, dass sich April nach jemandem umschaute. „Suchst du jemanden?“

Sie blickte sie kurz an, richtete ihren Blick aber kurz darauf wieder in die Menge.

„Ich habe Peter gefragt, ob er auch kommen will. Ich mein mit dem kranken Wallace im Zimmer rumzusitzen ist doch langweilig. Außerdem pennt er die ganze Zeit“.

„Oh okay“, erwiderte sie und presste leicht verärgert die Lippen aufeinander.

April hatte Peter eingeladen. Na toll. Das konnte ja heiter werden.

Seit ihrem Date hingen die beiden wirklich nur noch aufeinander und Kari war froh gewesen, sie für einen Abend mal nicht teilen zu müssen, obwohl sie Peter mochte.

Sie fand auch, dass die beiden ein süßes Paar abgaben, doch meist war sie dann Luft…das bekannte fünfte Rad am Wagen.

Ihre Beziehung war noch nichts Offizielles, aber Kari merkte die Blicke und wusste auch, dass sie sich bereits geküsst hatten.

Es war nur noch eine Frage der Zeit. Und heute durfte auch sie mal wieder Zeuge dieser zarten Blume, genannt Liebe, werden.

Am liebsten wollte sie sich übergeben.

Sie hatte noch nie Glück bei den Kerlen gehabt. Und ausgerechnet April, ihre celloliebende Freundin, fand einen Freund, der genauso in Musik verliebt war wie sie.

Und sie? Sie würde wohl nie ihren passenden Deckel finden.

Etwas niedergeschlagen sah sie zu April. Ihr Gesicht strahlte plötzlich, als Peter bei ihnen auftauchte und die beiden Mädchen begrüßte.

Kari nickte ihm nur kurz zu und zwang sich zu einem Lächeln. So hatte sie sich den Abend nicht vorgestellt.
 


 

Er war genervt. Diese blöde Party regte ihn auf. Besonders weil er wusste, dass sie sich mit einem anderen Typen vergnügte.

Es machte ihn rasend. Sie war immer noch sein Mädchen, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte.

Michael liebte Mimi . Und sie verabredete sich einfach mit einem anderen Kerl.

Die Tatsache, dass er sie betrogen hatte, ignorierte er vollkommen. Er hatte eben Bedürfnisse und als Mann war es schwierig, dieser ewig andauernden Versuchung zu widerstehen.

Besonders wenn sich plötzlich die Freundin querstelle.

Es war wirklich zum Haare raufen.

Michael nippte an seinem Bier und lehnte sich gegen die Wand. Im Moment dachte er nur darüber nach, wie er ihr wehtun konnte.

Sie hatte sich einfach mit jemanden verabredet und jede Annäherung von ihm blockte sie ab.

Die Blonde war frustriert und er brauchte etwas Aufmunterung.

Sein Blick wanderte durch die Menge und blieb plötzlich an einem Mädchen hängen, das alleine an der Bar saß. Er grinste, da er genau wusste, mit wem er es zu tun hatte.

Lässig schlenderte er zur Bar und setzte sich neben sie. Sein Blick war auf sie gerichtet und auf seinen Lippen bildete sich ein Grinsen. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt und schaute nur betrübt in ihr Glas.

Ihre Augen wirkten glasig und ihre Mundwinkel hingen nach unten.

„Na, warum sitzt du hier so alleine rum?“

Sie drehte den Kopf zu ihm und stöhnte leise. Danach wanderte sie mit ihrer Hand zu ihrem Kopf und versuchte, ihre aufkommenden Kopfschmerzen zu unterdrücken.

Er hatte ihr gerade noch gefehlt.

„Was willst du hier?“, fragte sie pampig, trank ihr Glas aus und bestellte sich aus Frust direkt den nächsten Drink.

„Nette Begrüßung, Hikari“, meinte er grinsend, als er feststellte, dass sie nicht mehr ganz nüchtern war. Sie wollte es ihm heute wohl ganz einfach machen. „Bist du alleine hier?“

Die Brünette schüttelte nur den Kopf und drehte sich kurz zur Tanzfläche. „Irgendwo da hinten sind April und Peter. Aber sie sind beschäftigt“.

Michael schielte zur Tanzfläche und entdeckte sie relativ schnell. Soweit standen sie gar nicht von ihnen weg. Sie küssten sich liebevoll und tanzten verträumt miteinander.

Michael verzog das Gesicht. Zuckersüß wie rosa Zuckerwatte. Und er hasste Zuckerwatte.

„Ist ja ätzend“, murmelte er und wandte sein Gesicht wieder zu Kari, die betrübt neben ihm saß.

Sie hatte wirklich gehofft, dass April mehr Zeit mit ihr verbringen würde.

Niedergeschlagen nippte sie an ihrem Glas und verzog das Gesicht gequält. Sie hatte noch nie so ein Glück gehabt. Wieso meinte das Schicksal es nicht gut mit ihr? Durfte sie denn nicht auf einmal glücklich sein ?

Michael entging ihr angestrengtes Gesicht nicht. Er legte ein keckes Grinsen auf, als er merkte, dass ihr Glas bereits halbleer war.

„Weißt du was? Der nächste Drink geht auf mich“, eröffnete er ihr und zückte seine Brieftasche.
 


 

Ihr wurde ganz schwindelig, als ihr die kalte Brise entgegenkam. Sie hatte sich an seinem Arm festgeklammert und konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, was sie alles getrunken hatte.

Eigentlich wollte sie nur noch ins Bett und eine Runde schlafen. Und er hatte ihr angeboten, sie ins Wohnheim zurückzubringen.

Ihr war klar gewesen, dass er es nicht ohne Hintergedanken machte. Wahrscheinlich wollte er nur bei Mimi punkten. Ihr zeigen, dass er kein Arschloch war, sondern auch sowas wie Verantwortung übernehmen konnte .

Wankend ging sie mit ihm durch die Straßen New Yorks, bis sie einen Taxistand erreicht hatten und eines der gelben Fahrzeuge direkt vor ihren Füßen anhielt.

Er half ihr auf die Rückbank und setzte sich direkt neben sie. Danach sagte er dem Fahrer, wo er hin fahren sollte.

Kurze Zeit später fuhren sie auch bereits los.

Ihr Kopf hingegen befand sich wie im Nebel. Ihr war zwar nicht schlecht, aber ihre Augenlider wurden von Sekunde zu Sekunde schwerer. Sie hatte ihren Kopf gegen seine Schulter gelegt und dämmerte vor sich hin. Kurz bevor sie aussteigen mussten, fragte sie ihn murmelnd, ob er April Bescheid gegeben hätte.

Sie konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, wie und wann sie den Club verlassen hatten.

Er bejahte ihre Frage nur und wanderte mit seiner Hand etwas weiter nach unten. Er fuhr ihren Oberschenkel entlang und hinterließ bei ihr eine zarte Gänsehaut, die plötzlich durch ihren ganzen Körper strömte.

Was tat er nur? Und warum gefiel es ihr nur so sehr? Sie sah ihn kurz an und ein leichter Rotschimmer legte sich über ihre Wangen.

Er fuhr mit seiner freien Hand über ihr Gesicht und wanderte mit dem Mund neben ihr Ohr. „Du siehst heute wirklich unwiderstehlich aus“, hauchte er und ein Grinsen bildete sich auf seinen Lippen, was sie natürlich nicht sehen konnte.

Sie wusste ja nicht, was er wirklich vorhatte. Er sah nur seinen eigenen Vorteil, der darin bestand, Mimi richtig weh zu tun.

Das Taxi stoppte und nach einigen Komplikationen schafften es beide heil aus dem Wagen. Michael drückte dem Fahrer ein paar Scheine in die Hand, während dieser nur verschwörerisch grinste.

Er hatte genau mitbekommen, was der junge Amerikaner vorhatte.

Diese zarten Berührungen. Diese lieblichen Worte. Diese eindeutigen Blicke.

Michael wusste, was er zu tun hatte.

Kaum hatten sie das Gebäude betreten , drückte er sie plötzlich gegen die Wand und sah sie lustverschleiert an. Er beugte sich ihr entgegen, sodass sie schon Angst hatte, er wollte sie mit seinem Gewicht zerquetschen. Doch dann drückte er seine Lippen auf ihre und alles um sie herum wurde auf einmal unwichtig.

Sie hatte sich schon immer gewünscht, so begehrenswert zu sein wie Mimi. Sie wollte auch einmal einen gutaussehenden, tollen Typen abbekommen, auch wenn sie eigentlich wusste, dass es vollkommen falsch war.

Doch es war zu spät. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und ließ es einfach geschehen.
 

Fortsetzung folgt...

Erkenntnisse.


 

I don't want your fancy things, I just want your love.

Dirty Love, Warrior. Ke$ha, 2012.
 


 

21. Februar 2010. New York, USA. Studentenwohnheim.
 

Leise wimmerte sie und hielt sich die Hand vor den Mund. Sie sah kurz zum Bett, um festzustellen, dass er noch seelenruhig schlief.

Salzige Tränen rannen lautlos über ihre Wangen. Ein tiefer Schluchzer steckte in ihrer Kehle fest und drohte ihr jeden Moment über die Lippen zu kommen, doch sie versuchte sich zusammen zu reißen.

Schnell schlüpfte sie in ihre Wäsche und zog das Kleid von gestern Abend wieder an.

Mit der Handfläche fuhr sie sich über beide Augenpartien, während ihre andere Hand ihre Schuhe an den Absätzen griff.

Ein Zittern machte sich in ihr breit, ihre Knie drohten jeden Augenblick zusammen zu brechen. Ihr war schlecht und sie hatte das Gefühl in ihren Händen verloren, sodass sie Angst hatte, ihre Schuhe nicht mehr länger halten zu können.

Auf wackeligen Beinen schaffte sie es zu seiner Zimmertür und drückte die Schlenke sachte nach unten.

Die junge Frau öffnete sie einen Spalt und zwängte sich hindurch, um sie danach wieder genauso lautlos zu schließen, wie sie sie geöffnet hatte.

Einen kurzen Moment hielt sie sich am Türrahmen fest und drückte auch ihren Kopf leicht dagegen. Sie hatte komplett ihre Wegsteuer verloren und wusste noch nicht mal so richtig, wo sie sich befand.

Langsam und sachte ging sie den Flur entlang, stützte sich immer wieder zwischenzeitlich an der Wand ab, um nicht hinzufallen.

Als sie an der Treppe angekommen war, sackte sie zusammen. Ihr war so schwindelig, dass ihr die Treppe viel steiler vorkam, als sie eigentlich war.

Sie überlegte fieberhaft, wie sie hinunter kommen sollte und drückte ihre Stirn gegen die kühle Wand. Ihre Beine baumelten über die Stufen hinweg, ihre Schuhe hatte sie immer noch fest umklammert.

Sie stellte ihre Beine an und rutschte die erste Treppenstufe hinunter. Ihr Kleid scheuerte ihr am Hintern und sie hatte das Gefühl, mehrere blaue Flecken an ihrem Po zu haben, auch wenn sie sich nicht erinnern konnte, hingefallen zu sein.

Genaugenommen konnte sie sich an kaum noch etwas erinnern. Der gestrige Abend war ein einziges schwarzes Loch, das keine Lichtblicke zuließ.

Sie erinnerte sich noch, wie sie mit April hingegangen war und dass diese sie für Peter einige Minuten später abserviert hatte . Danach hatte sie an der Bar gesessen und ein paar Drinks getrunken. Doch eigentlich waren es gar nicht so viele gewesen. Dunkel kam ihr in den Sinn, wie Michael auftauchte und sich die beiden kurz unterhielten. Er hatte ihr ebenfalls einen Cocktail ausgegeben, wenn nicht sogar auch mehr.

Doch im Laufe dieses Abends musste sie irgendwie mit ihm auf seinem Zimmer gelandet sein.

Sie wusste nur nicht wie.

Ihr Herz setzte augenblicklich aus und sie blieb auf der dritten Stufe, die sie hinunter gerobbt war, sitzen. Mimi.

Sie hatte mit Michael geschlafen. Mit Mimis Ex-Freund, der sie so verletzt hatte.

Es traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Tränen quollen aus ihren Augenwinkeln, als sie sie schmerzlich zusammenkniff. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?

Mimi würde sie umbringen, wenn sie jemals davon erfahren würde. Dann wäre sie in New York fast ganz allein auf sich gestellt, weil sie sicher nie wieder ein Wort mit ihr reden würde.

Sie würde eine ihrer engsten Vertrauten verlieren, nur weil sie sich nicht zügeln konnte.

Doch etwas stimmte nicht mit ihr. Ihre Beine zitterten unkontrolliert und ihr Herz pochte langsam aber stark gegen ihre Brust. Dennoch fühlte sie, wie ihr Magen rebellierte und ihr Kopf vor Schmerzen schrie.

Die Sehnsucht nach ihrem Bett wurde größer und größer, sodass auch noch Tränen der Verzweiflung hinzukamen. Sie sah wieder die steile Treppe hinab und wusste, dass es noch Ewigkeiten dauern würde, wenn sie sie weiter hinunter robben würde.

Und sie wollte definitiv von keinem gesehen werden. Wer wusste schon, wer alles die Sache mit Michael bereits mitbekommen hatte? Diese Universität war praktisch ein Dorf .

Mühselig zog sie sich am Geländer hoch und jonglierte ihre Schuhe immer noch mit einer Hand.

Zögerlich setzte sie einen Fuß vor den andern und stieg langsam aber zielstrebig die Treppe hinunter.

Für Hikari war dieser Moment der schlimmste ihres Lebens. Sie konnte nicht ahnen, dass das erst der Anfang des ganzen Horrors war, der sie noch erwartete.
 


 

05. März 2010. Odaiba, Japan. Kino.
 

Er lächelte sachte, als er sein Gegenüber näher betrachtete. Es war sein erstes Date, seit einer gefühlten Ewigkeit.

Kotomi studierte gemeinsam mit ihm Journalismus und war eine sehr fröhliche und lebensbejahende Person. Jemand, der einen mit seiner Art vollkommen mitreißen konnte.

Und ihre langen schwarzen Haare passten hervorragend zu ihrem hellen Teint. Ihre grünen Augen fixierten ihn strahlend einen Moment, während sie von ihrer lustigen Mitbewohnerin erzählte.

Sie waren die besten Freundinnen, schon seit Kindheitstagen und waren nach der Oberschule in eine gemeinsame Wohnung gezogen, um weiterhin viel Zeit miteinander verbringen zu können.

Takeru nickte eifrig, wurde automatisch aber auch sehr traurig.

Hikari und er hatten sich auch einmal so nah gestanden. Konnten alle Geheimnisse miteinander teilen, hatten zusammen den größten Quatsch anstellt und herzlich über alles gelacht.

Er vermisste die unbeschwerte Zeit von früher, in der er Kari nur als seine beste Freundin wahrgenommen und sich noch nicht in sie verliebt hatte.

Generell fand er die Beziehungen zwischen Männern und Frauen äußerst kompliziert. Wenn Frauen etwas sagten, meinten sie meist das Gegenteil. Das beste Beispiel war Mariko, die ihm eine lockere „Freundschaft“ mit gewissen Extras vorgeschlagen hatte, aber deutliche anzeichnen machte, sich in ihn verliebt zu haben.

Als es mit den beiden angefangen hatte, hatte gesagt sie ihm, dass sie es okay fand, sich auch noch mit anderen zu treffen, dies allerdings zuvor abzuklären.

Doch nach und nach hatte sie immer mehr Zeit mit ihm verbracht, war sogar beleidigt, wenn er ihr mal absagte oder ihr offen erklärte keine Lust zu haben sich mit ihr zu treffen, da sie sich schon die halbe Woche gesehen hatten.

Der Höhepunkt wurde an Valentinstag erreicht, als sie plötzlich mit selbstgemachter Schokolade vor ihm stand und sich in seine Wohnung gedrängelt hatte.

Es war Tortur sie danach wieder rauszubekommen, so ähnlich wie dieses nervige Ungeziefer, das keiner in seiner Wohnung haben wollte. Erst als Davis einen höllischen Anflug seiner nicht existierenden Migräne vortäuscht hatte, war sie schweren Herzens gegangen. Takeru hatte das Gefühl, dass sie sich sogar Hoffnungen gemacht hatte, bei ihm zu übernachten, auch wenn sie sich meistens bei ihr trafen.

Seither war es immer anstrengender geworden, mit ihr Zeit zu verbringen. Sie hatte ihn immer mit diesem seltsamen „verliebten Mädchenblick“ angeblickt und sah regelrecht zu ihm auf. Himmelte ihn an.

Und auch wenn er es anfangs wirklich schmeichelnd fand, nervte es ihn mittlerweile ungemein.

Vorgestern hatte er ihr gestanden, sich mit einer Kommilitonin fürs Kino verabredet zu haben.

Zuerst hatte sie ihn äußert verstört angesehen und er spürte, dass sie mit der Fassung rang. Doch nur eine Sekunde später hatte sie ein perfektes Lächeln aufgesetzt und sagte, dass es ja vollkommen okay sei, sich auch mit anderen zu treffen, da sie nichts Festes am Laufen hätten.

Und auch, wenn sie es überzeugend rüber brachte, glaubte Takeru ihr irgendwie nicht.

Relativ zeitnah, hatte er ihre Wohnung verlassen und rätselte über ihr seltsames Verhalten, dass er wohl in hundert Jahren nicht verstehen würde.

Doch er hatte ihren Segen bekommen und freute sich auf die Verabredung mit Kotomi, da sie auch vom Äußeren her beiden Mädchen nicht sonderlich ähnlich sah.

Takeru hatte gemerkt, dass er so nicht von Kari loskam, wenn er sich weiterhin mit Mädchen traf, die ihr ähnlich sahen. Mariko mit inbegriffen. Er musste loslassen. Auch diese Affäre allmählich hinter sich lassen und nach vorne schauen.

Seine Schwester würde bald zur Welt kommen und er wollte so viel es ging, für sie da sein. Und dazu brauchte er keine Mädchen, die ihm nur als Ablenkung dienten, um Hikari zu vergessen.

Er wollte sich noch einmal so richtig verlieben. In jemanden, der seine Liebe erwidern würde und sich nicht in seinen Bruder verguckte.

Und vielleicht war Kotomi das Mädchen, auf das er schon so lange gewartet hatte .
 


 

„Ich bin einfach nur fertig“, meinte Joe und ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. Shuu saß ihm gegenüber und musterte ihn besorgt.

„Wie ist denn der Job so?“, fragte er vorsichtig, obwohl er es sich wohl schon denken konnte.

Joe sah ihn an und grummelte böse vor sich hin.

„Es ist furchtbar! Die Chefin hat einen an der Klatsche und würde mich am liebsten auffressen, wenn ich zu langsam arbeite“, gab er theatralisch von sich und setzte sich wieder gerade hin.

Er stellte seine beiden Ellenbogen auf dem Tisch ab und legte sein Kinn in seinen Handflächen ab. Etwas genervt blies er eine störende Haarsträhne aus dem Gesicht und richtete den Blick zu Shuu, der ihn belustigt ansah.

„Tja, arbeiten ist wohl nie ein Zuckerschlecken, aber du weißt ja, für was du es machst“, antwortete er mit ruhiger Stimme und nippte an seinem Kaffee.

Joe verrollte nur die Augen. Natürlich wusste er, für was er es machte, aber ob es ihm wirklich in seinem Leben weiterhelfen würde?

Er war mit seinem Studium unzufrieden, wie sollte ihm da eine Reise in die Walachei helfen? Vielleicht brauchte er eine anständige Studienberatung, die ihm wahrscheinlich auch nicht mehr sagte, als er ohnehin schon wusste.

Er selbst war doch so verunsichert und hatte keine Ahnung, was er für Stärken hatte. Schwächen fielen ihm gleich unzählige ein.

Joe war noch nie sonderlich gesprächig oder kontaktfreudig gewesen. Ihm fiel es daher schwer, sich neuen, für ihn fremden Personen zu öffnen. Er war auch nicht sonderlich mutig oder risikofreudig.

Eigentlich machte er immer das, was das Sicherste und Einfachste für ihn war. Doch das lag ihm nicht länger.

Er wollte aus dieser ewigen Routine raus, die ihn nicht selbst widerspiegelte , sondern nur den Wunsch seines Vaters, dem er nicht mehr entsprechen konnte.

Auch wenn er seinen Job als Auffüller hasste und sich täglich wünschte, woanders zu sein, hatte er die Hoffnung, dass die ganzen Strapazen ihm etwas bringen würden.

Seine Brüder wussten, was er durchmachte und standen hinter ihm, auch wenn jeder sein eigenes Leben führte. Blut war immer noch dicker als Wasser. Nur leider traf diese Tatsache nicht auf seinen Vater zu.
 


 

Takeru saß alleine an seinem Tisch, als er plötzlich ein bekanntes Gesicht an ihm vorbeigehen sah.

Es war Joe mit einem seiner Brüder, dessen Namen sich Takeru nie behalten konnte.

Er hatte ihn nicht bemerkt und Takeru wollte auch nicht aufstehen, um ihm nachzueilen, da er sowieso nicht das glücklichste Gesicht machte. Außerdem hatte er zu dem Ältesten ihrer Gruppe kaum noch Kontakt, auch wenn er es wirklich schade fand, da er Joe immer sehr mochte.

Als er ein kleiner Junge war, hatte er immer ein wachsames Auge auf ihn gehabt und Takeru erinnerte sich gut an die damalige Zeit zurück.

Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Vielleicht war es an der Zeit, dass sie alle mal wieder etwas zusammen machen sollten. Nur weil Mimi und Kari in den USA lebten, hieß es noch lange nicht, dass sich auch der Rest auseinander leben musste.

Auch die Tatsache, dass er sich ständig mit seinem Bruder in den Haaren hatte, störte ihn sehr.

Er war kein streitsüchtiger Mensch, doch bei Matt platzte ihm im Moment öfters die Hutschnur. Dennoch gab er nicht die Hoffnung auf, dass er sich noch einmal ändern würde, sobald seine Schwester auf der Welt war. Ihr konnte man wirklich keine Schuld an dem Ganzen geben.

Und vielleicht würde sie es auch schaffen, seine Eltern wieder zusammen zu bringen. Er hatte immer gespürt, dass noch etwas zwischen den beiden war. Weder sein Vater, noch seine Mutter hatten eine längere Beziehung nach ihrer Trennung gehabt. Beide flüchteten sich in die Arbeit und kümmerten sich um Matt und ihn.

Es war kein Zufall, dass sie sich wieder näher gekommen sind. Es musste Schicksal sein, etwas Unaufhaltsames , wie Magie.

Takeru glaubte daran, auch wenn hier eher das Kind aus ihm sprach. Schon seit er klein war, wünschte er sich, dass sich seine Eltern wieder vertrugen. Matt hatte sich mit den Jahren damit abgefunden, er nicht.

Er sah kurz auf sein Handy, das er aus seiner Hosentasche geholt hatte. Die Zeit war schon vorangeschritten und der Film würde bald beginnen. Gezahlt hatten sie schon. Kotomi war nur noch einmal schnell zur Toilette verschwunden, bevor sie sich bei den Knabbereien anstellen wollten.

Auch wenn sie ein Mädchen war, war sie dafür schon relativ lange verschwunden. Takeru fragte sich, ob er sich nicht besser auf die Suche nach ihr machen sollte, doch er konnte ja schlecht das Damenklo stürmen. Vielleicht hatte sich auch nur eine ellenlange Schlange davor gebildet, da mehrere Filme in Kürze starten würden.

Er überlegte schon, ob er sich nicht schon mal anstellen sollte. Gerade als er aufstehen wollte, kam Kotomi angestürmt.

„Ah da bist du ja! Wollen wir uns jetzt anstellen?“, fragte er freudig und deutete zu Snackbar. Doch ihr Gesicht war finster und ein Blick, den er noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte, durchlöcherte ihn.

Sie schnappte sich ihre Jacke und zog sie sich einfach über, bevor sie wutentbrannt mit dem Finger auf ihn zeigte.

„Du kannst alleine in den Film gehen! Du Fremdgeher!“

Fremdgeher? Hatte er das gerade richtig verstanden? Sein Gesicht entgleiste, als Kotomi tatsächlich das Kino verlassen wollte. Er sprang auf und rannte ihr nach.

„Hey! Warte! Was meinst du mit Fremdgeher? Ich habe keine Freundin!“, versicherte er ihr, doch sie sah ihn nur missbilligend aus den Augenwinkeln heraus an.

„Wer’s glaubt!“, schnaubte sie nur und wandte den Kopf in die andere Richtung. Ihre schnellen Schritte unterbrach sie nicht, sondern steuerte schnurstracks die Tür an, als plötzlich Takeru ihr Handgelenk packte und sie zum Stehen zwang.

„Wer erzählt dir so ein Mist?“, wollte er wissen und fixierte sie mit einem dringlichen Blick.

Doch sie blieb unbeeindruckt und riss sich augenblicklich los.

„Ich habe gerade eine Nachricht bekommen! Von einer unbekannten Nummer!“

Sie kramte ihr Handy hervor und las die Nachricht laut vor. „Lass die Finger von meinem Mann!“

Mit einem herausfordernden Blick sah sie zu Takeru, der sie unwissend niederstarrte.

Was sollte das nur? Er hatte keine Freundin! Er würde doch wissen, wenn er eine hätte.

„Ich habe aber…“, setzte er an, wurde jedoch gleich von Kotomi unterbrochen.

„Tut mir leid, auf sowas habe ich wirklich keinen Bock“, sagte sie nur, machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Kino.

Takeru rief ihr noch hinterher, doch sie reagierte nicht mehr. Betrübt stand er mitten im Kino und wurde von einigen Leuten schräg angesehen. Die meisten konnten sich ein Kichern nicht verkneifen.

Doch ihm war alles andere, als zum Lachen zu mute.

Wer hatte Kotomi nur diese SMS geschickt? Er hatte ihre Nummer niemandem weitergegeben und er kannte auch keinen aus seinem Studium, dem man eine solche Aktion zutrauen könnte.

Nachdenklich blickte er durch die Gegend, wanderte mit der Hand zu seiner Hosentasche und holte die Tickets hervor. Alleine hatte er wirklich keine Lust, ins Kino zu gehen. Doch einfach wegwerfen war auch keine Alternative. Daher schnappte er sich sein Handy und tippte eine Nummer ein, bevor er es sich ans Ohr hielt.

Er wartete einen Moment, bis sein Gesprächspartner abnahm. Ein Grinsen bildete sich auf seinen Lippen, als er den mürrischen Unterton seines Gesprächspartners heraushören konnte.

„Hey Davis? Bock sich über ‘ne Schnulze lustig zu machen ?“
 


 

11. März 2010. New York, Großer Übungssaal.
 

Sie atmete schwer und merkte, dass ihr der Schweiß auf der Stirn stand. Kari versuchte mit den anderen mitzuhalten, doch ihr war auf einmal so schlecht, dass ihr ihre Konzentration abhandenkam. Immer wieder wurde sie von ihrer Trainerin ermahnt und wurde besonders von Emily schadenfroh niedergestarrt. Sie freute sich besonders, wenn Kari vor allen anderen zurecht gewiesen wurde, aber das war sie bereits gewohnt.

Was sie jedoch nicht gewohnt war, waren diese ständigen Übelkeitsattacken, die sie meistens morgens überkamen.

Zwar hatte keiner die Sache mit Michael mitbekommen, aber Kari fürchtete, dass ihr schlechtes Gewissen Mimi gegenüber ihr bereits auf den Magen schlug. Doch sie konnte ihr nicht die Wahrheit sagen. Nicht nachdem sie gemerkt hatte, wie schlimm Mimi noch unter der Trennung litt.

Sie verabredete sich zwar mit unzähligen Jungs, aber das machte sie nur, um den Schmerz und die Demütigung zu vergessen.

Es war alles nichts Ernstes , dafür schwirrte er ihr noch zu sehr im Kopf herum und benebelte ihre Sinne.

Wenn Kari jetzt ehrlich sein würde, musste sie Gefahr laufen, dass Mimi ihr auf ewig die Freundschaft kündigen würde. Und dass konnte sie beim besten Willen nicht gebrauchen.

Auch wenn sie sich mit April um einiges besser verstand, war Mimi eine Person, die sie schon seit Jahren kannte und auch sehr schätzte.

Sie wollte sie nicht verlieren, nicht nachdem sie das komplette Jahr hinter ihr gestanden hatte, sie vor unfreundlichen Mitstudenten verteidigte und sie immer wieder aufbaute, wenn es ihr schlecht ging.

Ihre Trainerin startete die Musik erneut, als Kari ihre Übelkeit hinunterschluckte und die ersten achtzehn Takte fehlerfrei mit tanzte. Bei einer Drehung wurde ihr plötzlich wieder schlecht und sie spürte, dass es ihr sogar hochkam.

Abrupt blieb sie stehen, fixierte einen Punkt an der Wand und hielt sich den Bauch. Sie schlug eine Hand über den Mund und die Musik wurde angehalten.

„Hikari? Ist alles in Ordnung?“, fragte ihre Tanztrainerin besorgt.

Kari wollte eigentlich nicken, doch sie hatte Angst, es nicht mehr halten zu können und sprintete, ohne darüber nachzudenken , einfach los.

Sie hielt sich während des Laufens immer noch die Hand vor ihren Mund, während die andere die schwere Tür des Übungssaals aufdrückte und genauso geschwind die Tür der Damentoilette aufstieß.

Sie quälte sich in eine der Kabinen, konnte sie gerade noch schließen, als sie sich geräuschvoll über der Toilette übergab. Der ganze Vorgang dauerte nur wenige Minuten, als sie sich, immer noch über die Schüssel gebeugt, den Mund abwischte und die Klospülung betätigte.

Sie fuhr sich mit der flachen Hand über ihren Nackenbereich und hielt sich mit der anderen immer noch den Bauch, als sie sich mit dem Rücken sanft gegen die Toilettenwand drückte.

Kari atmete unregelmäßig und wurde dieses flaue Gefühl immer noch nicht los.

Sie blickte zu r Toilette und presste die Lippen fest aufeinander, da sie sich nicht schon wieder übergeben wollte.

Was war nur los mit ihr? Hatte sie etwas Schlechtes gegessen? Sie hatte eigentlich nur ein Vollkornbrötchen mit Käse, wie immer.

Langsam wanderte sie mit ihrer Hand nach oben und stieß dabei sachte gegen ihre Brust, die plötzlich höllisch schmerzte. Verwirrt tastete sie sich ab und musste mit erschrecken feststellen, dass beide sehr empfindlich waren und einen dumpfen Schmerz hinterließen, wenn man sie nur sanft berührte.

Bekam sie etwa ihre Tage? Doch komischerweise hatte sie nie Brustschmerzen, wenn sie sie bekam.

Wann hatte sie ihre Periode das letzte Mal gehabt? Sie musste wirklich nachdenken und leider feststellen, dass es ihr nicht mehr einfiel.

Panik machte sich in ihr breit. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust und sie geriet in eine Art Schockstarre. Fieberhaft dachte sie nach und stellte fest, dass sie im Februar überhaupt keine hatte.

Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über ihre Lippen und hielt sich wieder den Bauch, der zu rebellieren begann.

Wilde Gedanken vermischten sich mit der aufkommenden Angst, die sich in ihrem Körper ausbreitete und ihre Finger zum Zittern brachte.

Sie hatte mit Michael Ende Februar geschlafen und erinnerte sich an fast nichts aus dieser Nacht. Kari atmete unregelmäßig und drohte zu hyperventilieren. Normalerweise hätte sie ihre Tage schon längst bekommen müssen…
 


 

April kam gerade zur Tür hinein, als Kari zusammenschrak und zu ihr hochschaute. „Oh du bist ja schon da“, sagte sie fröhlich und stellte ihr Cello ab.

Kari sah sie nur mit großen Augen an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Alles war vollkommen aus der Bahn geraten. Zusammengekauert saß sie auf ihrem Bett und überlegte fieberhaft, was sie nur tun sollte.

Sie brauchte Erkenntnisse, auch wenn alles bereits dafür sprach. Schon länger fühlte sie sich morgens unwohl und hatte es meist auf den Stress geschoben, der sie meist wahnsinnig werden ließ.

Doch es passte alles zusammen. Die Zeit. Ihre Symptome. Alles.

„Was ist denn los mit dir?“, fragte April auf einmal und musterte sie überrascht.

Kari richtete den Blick kurz auf sie und überlegte, ob sie sich ihr anvertrauen sollte. Am liebsten wäre sie zu Mimi gegangen, doch ihr konnte sie nicht unter die Augen treten, da sie genau wusste, wessen Baby es wäre, wenn es wirklich existierte.

Sie öffnete den Mund, doch kein Wort kam ihr über die Lippen. Hilflos sah sie zu ihrer Zimmergenossin, ihre Augen füllten sich mit Tränen und ein Schluchzen entwich ihrer Kehle.

Sie hielt sich augenblicklich die Hand vor den Mund und versuchte sich zusammenzureißen, doch alles brach plötzlich aus ihr hervor. Die Tränen, die sie eigentlich verstecken wollte.

Die Verzweiflung, die ihr Gesicht zierte. Die Tatsache, einen riesen Fehler begangen zu haben.

„Was ist denn los?“ Entsetzt setzte sich April direkt neben sie und strich ihr behutsam über den Rücken. Auch wenn sie sich anfangs nicht gut verstanden hatten, hatte sich ihr Verhältnis enorm verbessert und sie waren so etwas wie Freundinnen geworden. Dennoch verstand sie nicht, warum Kari weinte und sich selbst nicht mehr beruhigen konnte.

Sie sank in ihren Armen zusammen und April dachte schon daran, Wallace oder Peter zu rufen, da beide sie ebenfalls gut kannten und vielleicht sogar wussten, was passiert war.

Doch sie ließ sie nicht los, klammerte sich ein wenig schmerzvoll an ihren Arm und krallte sich mit den Fingernägeln in das Fleisch ihrer Oberarme.

Ratlos blickte sie hinab und strich ihr zaghaft über den Hinterkopf.

Kari wimmerte nur und brachte unvollständige Wörter zu Stande, die jedoch keinen Sinn ergaben, da sie zu aufgebracht war, um einen klaren Gedanken zu fassen. Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder fing und das aussprach, wovor sie am meisten Angst hatte.

Sie drückte ihr Gesicht in ihren Schoss und unterbrach ihr Weinen keine einzige Sekunde.

Unregelmäßige Atemzüge folgten und sie stieß einen leisen Schmerzensschrei von sich, der April nur Schlimmes erahnen ließ.

Wieder und wieder versuchte April, sie mit ihren Worten zu erreichen, doch sie schien sie nicht richtig zu hören. Ihre Lippen zitterten bei dem Versuch, die Wahrheit in Worte zu verpacken.

„I-Ich“, setzte sie mit schwacher Stimme an. Tausendfach spielte sich das gleiche Szenario in ihrem Kopf ab. Wie konnte sie nur so dumm sein und an jenem Abend auf Michael reinfallen? Und wieso fiel es ihr so schwer, sich daran zurückzuerinnern? Alles was sie noch wusste, war, wie er an der Bar auf sie zukam und sich mit ihr unterhielt. Am nächsten Morgen war sie in seinem Bett aufgewacht.

Diese Nacht war passiert und sie war nicht ohne Folgen geblieben.

„I-Ich glaub‘, bin schwanger!“
 


 

Nervös lief sie im Zimmer herum und verschränkte die Finger ineinander. Sie starrte immer wieder zu ihrem kleinen Badezimmer, doch sie hatte es aufgegeben, ihren Namen verzweifelt zu rufen. Sie reagierte nicht mehr und April hatte wirklich Angst, dass sie was Dummes anstellen würde. In ihrer Verzweiflung hatte sie Wallace angerufen, der mit Peter jeden Augenblick auftauchen wollte. Sie hatte ihm nicht gesagt, um was es ging, nur dass Hikari ihn dringend bräuchte.

Es ging alles so verdammt schnell, sodass April ihren eigenen Gedanken nachhing. Nachdem Kari ihren Verdacht geäußert hatte, brach sie in ihren Armen zusammen, fing sich jedoch nach einer Weile wieder. Gemeinsam waren sie in die nächste Drogerie gegangen, um einen Schwangerschaftstest zu besorgen.

Kari war nach ihrer Ankunft im Wohnheim direkt ins Badezimmer verschwunden und seither hörte April nur ein leises Wimmern, wenn sie näher zu r Tür trat. Immer, wenn sie ihren Namen rief, erhielt sie keinerlei Rückmeldung. Selbst als sie gegen die Tür hämmerte, blieb Hikari stumm und schluchzte leise vor sich hin.

Doch sie konnte sich nicht dazu durchringen, die Tür zu öffnen. Ein plötzliches Klopfen an der Zimmertür ließ April schnell herumfahren und zur Tür eilen.

Sie öffnete sie und blickte erleichtert in die verwirrten Gesichter von Wallace und Peter, die schweigsam ins Zimmer traten.

Wallace hatte die Augenbraun zusammengezogen und sein Blick sagte, dass er nach Kari Ausschau hielt, sie aber nirgends fand.

„Wo ist sie denn? Und was ist hier überhaupt los?“, wollte er wissen, während es sich Peter auf Aprils Bett gemütlich machte.

April hingegen haderte mit sich selbst, druckste etwas herum, bevor sie die Arme vor ihrer Brust verschränkte und kurz nachdachte.

Klar, eigentlich war es Karis Aufgabe, mit der Wahrheit herauszurücken. Sie hatte kein Recht, es Wallace oder Peter zu sagen, doch sie machte sich so unfassbare Sorgen, dass ihr nichts anderes übrig blieb.

„Wir haben vorhin einen Schwangerschaftstest gekauft!“, eröffnete sie, fast schon ein wenig abgeklärt, während Wallace sämtliche Gesichtsmuskeln entgleisten.

Sofort starrte er zu Peter, der wie der Tod persönlich aussah.

„Habt ihr zwei etwa? Aber warum verhütet ihr denn nicht?“, fragte er aufgebracht und wirbelte mit den Händen umher.

April verzog nur das Gesicht. „Was? Nein! Peter und ich…wir sind noch nicht soweit“, brabbelte sie mit zunehmend rote m Kopf. „Es geht um Kari!“

„Um Kari? Aber was? Wie ist das denn…?“, er konnte noch nicht mal den Satz zu Ende bringen, da ihn diese Neuigkeiten umhauten wie eine Dampfwalze.

„Aber…wer ist der Vater?“

„Das wollte sie mir nicht sagen“, seufzte sie resigniert. „Sie hat sich schon seit `ner Stunde im Bad eingesperrt! Ihr müsst mir helfen, sie da raus zu bekommen!“

„Und was sollen wir deiner Meinung nach machen? Die Tür eintreten?“, schoss Wallace leicht verzweifelt zurück und fuhr sich durch die blonde Mähne. Kari sollte schwanger sein? Das konnte er sich nicht vorstellen. Das musste ein Missverständnis sein.

„Und ihr seid euch wirklich sicher?“, hakte er zu r Sicherheit nochmal nach.

April zuckte nur mit den Schultern, schließlich kannte sie das Ergebnis ja noch nicht. Aber die Tatsache, dass sich Hikari einsperrte, sprach wohl eher für eine Schwangerschaft statt dagegen.

Doch das wollte sie lieber nicht sagen. Viel mehr wollte sie zusammen mit den Jungs versuchen, sie endlich aus dem Badezimmer zu lotsen.
 


 

18. März 2010. New York, Studentenwohnheim.
 

Missmutig rührte Kari in ihrer Suppe herum, die nur aus einer lauwarmen Brühe bestand. Mimi saß ihr direkt gegenüber und fuchtelte wütend mit dem Handy herum. Michael hatte ihr mal wieder eine SMS geschrieben, in der er sich zum tausendsten Mal bei ihr für sein Verhalten entschuldigte und auf eine zweite Chance hoffte. Bei ihm war es wohl eher die Achtundsiebzigste.

Doch Kari fiel es immer schwerer, ihr zuzuhören, da sie ihren eigenen Gedanken zu sehr nachhing.

Es war genau eine Woche her. Sie hörte noch das Klopfen, die Stimmen von Wallace und April, die wild durcheinander brüllten. Das Plastikstäbchen, das sie in ihrer Hand hielt und mit salzigen Tränen übergoss.

Sie wollte es immer noch nicht wahrhaben, doch sie war tatsächlich schwanger.

Eine Tatsache, die sie vollkommen aus der Bahn warf und sie zur Lügnerin machte. Nachdem Wallace einfühlsame Worte sie nach einer gewissen Zeit erreicht hatten und sie schweren Herzens das Bad doch verließ, musste sie sich dutzend Fragen stellen.

Wie es dazu kam? Wie sie es gemerkt hatte? Wer der Vater war?

Doch die letzte Frage konnte sie keinem beantworten, deswegen log sie.

Natürlich war es April damals aufgefallen, dass sie nicht in ihrem Zimmer geschlafen hatte, doch sie hatte fest daran geglaubt, dass Kari zu Mimi verschwunden war. Als sie am nächsten Tag nicht das Gegenteil bestätigte, war die Sache für April gegessen gewesen.

Kari konnte doch schlecht zugeben, dass sie die Nacht bei Mimis Exfreund verbracht hatte, besonders weil sie sich kaum an etwas erinnern konnte.

Sie musste dringend mit Michael reden, denn nur er konnte die Fragen beantworten, die sie hatte.

Bisher hatte ihr allerdings der Mut gefehlt.

Sie blickte zu Mimi, die sich halb in Rage redete und immer wieder betonte, was Michael doch für ein Arschloch sei. Kari hingegen beugte sich über ihre Suppe und spürte wieder eine neue Welle der Übelkeit sie überkommen. Sie ließ den Löffel fallen und krallte sich mit den Fingern in ihr Tablett.

Sie schluckte, als ihr der Dampf ihrer Suppe in die Nase stieg und ihren Magen zusätzlich reizte.

Unauffällig begann sie zu würgen, konnte sich jedoch schnell wieder fangen, bevor Mimi etwas merkte.

Sie redete immer noch ohne Punkt und Komma und schien gar nicht zu merken, wie schlecht es ihr ging. Eigentlich war Kari auch froh darum.

Erst musste sie selbst mit der Sache zurechtkommen, bevor sie es Mimi nur ansatzweise erzählen konnte.

Ihr war nicht bewusst, dass sie von der einen Lüge zur nächsten lebte und sich allmählich darin verlor.

Ein Baby mit neunzehn? Wie sollte sie das ihrer Familie beibringen? Was sollte aus ihrem Studium werden? Wie sollte sie all das nur alleine meistern ?

Sie war doch selbst noch ein Kind, das in einem erwachsenen Körper lebte und noch gar nicht bereit war, Mutter zu werden. Doch dieses hilflose kleine Wesen existierte und Kari musste sich nun diesen Konsequenzen stellen.
 


 

Michael starrte wütend auf das Display seines Handys, als sich Carter gerade von ihm verabschiedet hatte. Wieso konnte sie ihm nicht einfach verzeihen? Er bereute doch sein Verhalten. Naja, irgendwie.

Er war doch auch nur ein Mann, der Bedürfnisse hatte. Sie hatte hingegen immer auf diesen Romantik-Kram gestanden, der ihn zum Hals raushing.

Er suchte eben das Aufregende , das Reizvolle , das sie ihm einfach nicht geben wollte. Dennoch brauchte er sie. Er brauchte diese Konstante in seinem Leben, die ihm Geborgenheit gab, wenn er sie mal brauchte.

Doch er wollte nicht auf das verzichten, was ihm immer schon wichtig war. Er musste sie doch irgendwie dazu bekommen, zu ihm zurückzukehren. Sonst war sie doch auch nur ein paar Wochen auf ihn sauer gewesen.

Er sah auf und erkannte, dass jemand auf ihn zugesteuert kam.

Zu seiner Überraschung war ihm das Gesicht alles andere als unbekannt. Er musterte sie angestrengt und zog die Augenbrauen skeptisch zusammen.

„Was willst du denn?“, fragte er herablassend und reckte sein Kind.

Eingeschüchtert sah ihn das Mädchen hilfesuchend an und presste die Lippen fest aufeinander.

„Ich muss unbedingt mit dir reden“, gestand sie ihm fast flüsternd und packte ihn zaghaft am Arm, um ihn in eine unbeobachtete Ecke zu ziehen.

„Was soll das denn jetzt? Hat dich etwa Mimi geschickt?“

Sie schüttelte nur den Kopf und ließ seinen Arm sofort los.

Nervös spielte sie an ihren Fingern und atmete unregelmäßig.

„Kannst du vielleicht mal hinne machen? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit“, meinte er pampig und sah sie gar nicht wirklich dabei an.

Er wusste selbst, dass es ein Fehler gewesen war, mit ihr zu schlafen, doch an jenem Abend war er so wütend gewesen, dass er Mimi einfach nur noch wehtun wollte. Also suchte er sich das Mädchen aus, das ihr nah stand. Er wusste, dass sie nicht viele Freundinnen hatte, doch seit sie hier war, hatte das auch negative Auswirkungen auf ihre Beziehung gehabt. Vielleicht war sie diejenige, die Mimi diesen Schwachsinn in den Kopf pflanzte. Daher erschien es ihm damals sinnvoll, diese Beziehung zu erschüttern und einen Keil zwischen die beiden zu treiben.

Allerdings hingen sie nach wie vor zusammen ab und jetzt stand sie wie ein begossener Pudel vor ihm und stammelte sich etwas zurecht. So langsam wurde er wütend.

„Man jetzt sag‘ endlich, was du willst!“, blaffte er sie an und das brünette Mädchen unterbrach augenblicklich ihr Gestammel und sah ihn mit ihren großen karminroten Augen an, die sich mit Tränen füllten.

Michael verdrehte nur die Augen. Wollte sie ihm jetzt etwa sagen, dass ihr die Nacht mehr bedeutet hatte? Für ihn war es nur Sex und noch nicht mal guter.

„Hallo? Jetzt hör‘ auf zu flennen. Ich weiß wirklich…“.

„Ich bin schwanger!“, unterbrach sie ihn wimmernd und schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen.

Michaels selbstgefälliger Gesichtsausdruck verschwand. Zurück blieb pures Entsetzen.

„Du bist was? Aber das ist ganz sicher nicht von mir!“, protestierte er augenblicklich.

„Doch, von wem denn sonst?“, fragte sie schrill und kämpfte nach wie vor mit ihrer Fassung.

„Du musst dich irren! Halt mich aus so einem Scheiß gefälligst raus!“

„Ich habe aber nur mit dir geschlafen!“, eröffnete sie ihm eindringlich.

„Keine Ahnung? Vielleicht bildest du es dir auch ein? Es muss nicht heißen, dass du schwanger bist, wenn du mal drei Kilo zunimmst !“, spottete er und trieb ihr weitere Tränen in die Augen.

„Ich habe aber einen Test gemacht!“, startete sie einen letzten Versuch. „Er war positiv“.

„Dann war er eben kaputt! Hör auf, mich in so einen Mist mitreinzuziehen, Hikari!“

Ihr Blick war verstört, als er einfach an ihr vorbeigehen wollte. Plötzlich kehrte ein Fünkchen Kämpfergeist zurück und Kari traute sich erneut, seinen Arm zu packen und ihn zum Stehen zu bringen.

„Es ist kein Mist! Ich habe nächste Woche Dienstag einen Arzttermin! Ich habe meine Periode nicht bekommen und hinterher habe ich noch zwei Tests gemacht, die auch positiv waren“, erklärte sie ihm verzweifelt. Tränen rannen lautlos über ihre Wangen, doch nichts schien ihn zu beeindrucken.

Grob riss er sich los und funkelte sie an.

„Halt mich ja da raus, sonst kannst du was erleben!“, drohte er ihr und verschwand in die andere Richtung. Hikari blieb allein zurück. Sie stand mitten auf dem Campus und blicke umher.

Es war wenig los und niemand schien dieses Streitgespräch mitbekommen zu haben.

Sie biss sich auf die Unterlippe und hielt sich ihren Bauch.

Es hätte ihr doch klar sein müssen, dass er so reagierte, auch wenn sie sich eine andere Reaktion erhofft hatte. Doch Michael war nicht der Typ, der einen positiv überraschte und sagte ‚Das kriegen wir schon irgendwie hin‘. Sie war allein .
 


 

19. Juni 2010. Odaiba, Japan. Gästezimmer.
 

Er zog das Laken glatt und stopfte die Enden unter die Matratze. Besorgt sah er zu ihr, als sie gerade das Kissen bezog und nachdenklich durchs Fenster blickte.

Wallace verschränkte nachdenklich die Arme vor der Brust und überlegte fieberhaft, wie er ihr nur helfen konnte.

Doch jedes Wort war wohl zu viel. Mit rotunterlaufenen Augen stand sie etwas weiter weg von ihm.

Sie hatte viel geweint, nachdem Mimi vollkommen ausgeflippt war und zu ihr gesagt hatte, dass sie sie nie wieder sehen wollte .

Es war ein einziges Drama, das heute seinen Höhepunkt fand.

Mimi hatte fassungslos in der Menschenmenge gestanden und war selbst den Tränen nah gewesen, als sie panisch das Feld räumte.

Hikari war danach in seinen Armen zusammengebrochen, während Michael einfach nur mit einem eiskalten Blick vor ihnen gestanden hatte und nichts sagte.

Alles ging ihm am Arsch vorbei.

Er hatte daraufhin Hikari ins Hotel begleitet, um ihre Sachen zu holen. Er hatte ihr angeboten, bei seinem Vater und seiner Stiefmutter im Gästezimmer zu schlafen, ohne sie zuvor gefragt zu haben.

Er wusste, dass Mimi Kari vorerst nicht ertragen konnte und Abstand brauchte.

Sie war auch nicht da, als sie das Hotelzimmer betraten.

Schnell hatten sie Hikaris Koffer gepackt, auch wenn sie komplett geistesabwesend wirkte und nicht realisierte, dass das gerade eben wirklich passiert war.

Als er zu Hause war, wartete sie einen Moment draußen, während er seinem Vater die Situation geschildert hatte. Auch wenn er anfangs nicht begeistert war, konnte ihn Wallace zum Glück überreden, Kari vorrübergehend aufzunehmen. Die Betonung lag wirklich auf „vorrübergehend“.

Er hatte kein eignes Zimmer, da er seinen Vater meist nur in den Sommerferien besucht hatte. Notgedrungen schlief er also auf der alten Wohnzimmercouch, die alles andere als bequem war.

Doch er konnte sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Das hatte sie nicht verdient.

„Warum hast du ihr nicht die Wahrheit gesagt?“, fragte er auf einmal und betrachtete sie eindringlich.

Kari legte das Kopfkissen auf das Bett und seufzte herzhaft.

„Ich konnte nicht“, gestand sie sich ein und fixierte Wallace, „und die Wahrheit hätte auch nichts geändert. Das was damals passiert ist, hätte nie passieren dürfen“.

Mitleidig legte er seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie leicht an sich. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Brust und schluchzte leise vor sich hin, während sie ihre Fingernägel in sein T-Shirt krallte.
 

Fortsetzung folgt...

Willensstärke.


 

'Cause all I want is everything you're not.

Everything You’re Not, Here We Go Again. Demi Lovato, 2009.
 


 

23. März 2010. New York, Arztpraxis.
 

Nervös saß sie auf dem harten Plastikstuhl der Frauenarztpraxis, zu der April sie begleitet hatte. Heute würde Hikari endlich Gewissheit erhalten, auch wenn sie es im Innersten bereits wusste.

Sie brauchte diese ärztliche Bestätigung und auch dringend einen Ratschlag, der ihr helfen sollte. Sie hatte keine Ahnung, was sie hier tat. Michael würde sich um dieses Baby nicht kümmern. Mimi würde sie auf ewig hassen, wenn sie erfuhr, wer der Vater war und sie würde alleine damit nicht zurechtkommen.

Kari hatte sich bereits überlegt, ihre Mutter anzurufen und ihr alles zu gestehen, doch dann fiel ihr ein, dass sie ihr von Japan aus wohl wenig helfen konnte . Dafür war sie zu weit weg. Außerdem war sie bereits neunzehn und sollte selbst die Verantwortung für ihr eigenes Handeln tragen.

„Hikari Yagami?“, rief eine Schwester sie auf. Kari schrak hoch und griff instinktiv nach Aprils Arm und haute ihre Fingernägel in ihr Fleisch. Sie fuhr nur behutsam über ihren Handrücken und sah sie bestätigend an.

Schwerfällig erhob sie sich und zog April bereitwillig mit sich. Die Schwester führte sie in eines der Behandlungszimmer und beide nahmen auf den Stühlen Platz und warteten auf die Ankunft des Arztes.

Hikaris Hände begannen zu schwitzen und sie sah unsicher zu April, die ihr sachte über den Rücken streichelte.

„Es wird schon alles gut werden“, murmelte sie zuversichtlich und schenkte ihr ein mattes Lächeln.

Kari blickte traurig nach vorne und wollte am liebsten weinen, als der Arzt ins Zimmer stürmte und beide knapp begrüßte.

„Okay, was haben wir denn da?“, fragte er und setzte sich auf seinen Stuhl. Er las etwas und blickte zwischen den beiden jungen Frauen hin und her.

„Wer von Ihnen ist denn nun Hikari Yagami?“

„Das bin ich“, antwortete sie leise und senkte den Kopf.

„Okay, wann hatten sie das letzte Mal Ihre Periode?“, fragte er abgeklärt und sah zu ihr auf. Er nahm sich einen Bogen Papier und zückte seinen Stift.

„Ende Januar und ich habe einen Test gemacht. Der war positiv“, erzählte sie und wartete vergeblich auf eine Reaktion des Arztes. Er stellte noch weitere Fragen. Ob sie ihre Periode regelmäßig bekam. Ob sie die Pille nahm. Und ob sie in letzter Zeit wechselnde Sexualpartner hatte.

Ihr waren diese detaillierten Fragen mehr als nur peinlich. Es war ihr auch unangenehm, dass ausgerechnet ein männlicher Arzt sie untersuchen sollte. Bisher war sie immer bei einer Frauenärztin gewesen, da sie glaubte, dass sie sie besser verstehen würde. Schließlich war sie ebenfalls eine Frau.

Zum Glück wollte der Arzt nur einen Ultraschall machen und ihr etwas Blut abnehmen.

Auf den seltsamen Stuhl, den sie so sehr hasste, musste sie nicht.

Auch April durfte mit zum Ultraschall. Kari legte sich auf die Liege und der Arzt verteilte eine kühle Creme auf ihrem Bauch, nachdem sie ihr Shirt hochgezogen hatte. Er fuhr sachte mit dem Gerät über ihren Bauchraum, während man am Monitor nur unscharfe Schwarz-Weiß-Aufnahmen erkennen konnte. Angespannt knirschte sie mit den Zähnen. April hielt ihre rechte Hand und drückte sie leicht.

Beide warteten gespannt darauf, was der Arzt ihnen in den nächsten Momenten mitteilen würde.

Insgeheim hatte Kari die Hoffnung noch nicht aufgegeben, doch nicht schwanger zu sein.

Doch ihre Hoffnungen wurden jäh zerstört, als er einen kleinen schwarzen Fleck als ihr Kind identifizierte und ihr obendrein zur Schwangerschaft gratulierte.
 


 

11. April 2010. New York, Studentenwohnheim.
 

Mimi lag ausgestreckt auf Karis Bett und wartete darauf, dass ihre Freundin endlich aus dem Badezimmer kam. Ihre nervige Mitbewohnerin April war zum Glück nicht da und verbrachte den Nachmittag mit ihrem neuen Fast-Freund, indem sie sich gegenseitig anschmachteten.

Zuckersüß. Nur das s Mimi automatisch davon schlecht wurde. Seit sie sich von Michael getrennt hatte, konnte sie frisch verliebte Paare gar nicht mehr ertragen. Sie war immer noch verletzt, auch wenn sie wusste, dass sie Trennung das Beste für sie war.

Heute hatte sie Kari dazu überredet ins Kino zu gehen, da sie das Gefühl hatte, sie zu vernachlässigen. In letzter Zeit hatte sie versucht, sich mit anderen Kerlen abzulenken , doch die meisten waren bloß auf das Eine aus.

Doch auf sowas wollte sie sich nicht einlassen. Sie wollte irgendwann mal jemanden finden, der sie so liebte, wie sie war und ihr diese Liebe auch schenken konnte.

Sie hatte für Michael alles gemacht. Sich sogar selbst aufgegeben, nur um weiter mit ihm zusammen bleiben zu können.

Jetzt wollte sie mal an sich denken.

Sie setzte sich leicht auf und reckte ihren Kopf.

„Kari, bist du langsam mal fertig?“, fragte sie leicht genervt.

„Ich bin gleich soweit!“, antwortete sie mit dünner Stimme, blieb aber im Badezimmer verschollen.

Mimi verdrehte die Augen und merkte, dass sich ein seltsamer Geschmack in ihrem Mund ausbreitete.

Kein Wunder bei dem, was sie zurzeit zu sich nahm…es würde sie nicht wundern, wenn sie bald explodieren würde.

Warum hatte sie auch ausgerechnet ihre Kaugummis vergessen. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sah auf einem der Hocker Karis Handtasche stehen. Normalerweise hatte sie immer was Erfrischendes drin. Selbst wenn es nur Tick Tack waren.

Mimi sprang daher auf und begab sich auf Entdeckungsreise nach was Essbarem.

Sie kramte in ihrer Tasche, ohne vorher gefragt zu haben, denn das tat sie bekanntlich nie.

Ihre Tasche war so groß, dass Mimi sie langsam begann auszuräumen.

Sie legte den Kopf schief, als sie plötzlich ein kleines blaues Heftchen im Inneren der Tasche erblickte.

Nachdenklich musterte Mimi die Rückseite und drehte es herum. Ihre Augen weiteten sich und sie schlug die Hand vor den Mund .

Das war durfte nicht wahr…das konnte nicht wahr sein! Kari und schwanger? Niemals.

Sie öffnete das kleine Heftchen und fand ein Ultraschallbild. Fassungslos fuhr sie sich durch die Haare und nahm es genauer unter die Lupe.

Yagami, Hikari. 5. Schwangerschaftswoche.

Ihr stockte augenblicklich der Atem.

„Okay, ich bin fertig, wir…“

Kari blieb abrupt stehen und starrte mit geweiteten Augen zu Mimi. Sie hielt immer noch das blaue Heft in der Hand und beäugte ihre Freundin ungläubig.

„D-Du bist s-schwanger?“

Karis Blick versteinerte sich. Unsicher sah sie zu ihr und verstand nicht, was sie an ihrer Tasche zu suchen hatte. Plötzliche Wut stieg in ihr auf und ließ sie aus ihrem Schockzustand aufwachen und aufgebracht auf sie zustürmen.

„Was machst du an meiner Tasche?“, brüllte sie verständnislos und riss ihr ihren Mutterpass aus den Händen.

„Ich wollte mir nur einen Kaugummi rausholen und dann entdecke ich sowas!“, antwortete sie aufbrausend und stemmte die Hände in die Hüften. „Warum hast du mir nichts gesagt? Und wann hast du? Und mit wem überhaupt?“

Kari biss sich augenblicklich auf die Unterlippe. War ja klar, dass sowas kam . Mimi hinterfragte einfach alles. Doch die Wahrheit brachte sie einfach nicht über die Lippen.

Sie sah, wie aufgebracht Mimi war, nur weil sie herausgefunden hatte, dass sie ein Baby erwartete. Das mit Michael würde sie ihr niemals verzeihen.

Daher erzählte sie ihr einfach das, was ihr einfiel. Eine Lüge, die sie auch den anderen schon erzählt hatte. Eine Lüge, die ganz sicher nicht wenig halten würde. Eine Lüge, die sie zerbrechen ließ.
 


 

Wallace kam gerade von seiner letzten Unterrichtsstunde zurück, als er Kari vor seiner Zimmertür sitzen sah.

Sie hatte ihre Beine angestellt und drückte ihr Gesicht in ihre Knie. Ein leises Wimmern war zu hören.

Langsam ging er auf sie zu und ließ seine Tasche auf den Boden gleiten. Behutsam setzte er sich neben sie und legte seine Hand auf ihren Hinterkopf.

Augenblicklich sah sie hoch und drehte den Kopf zu Wallace. Ihre Augen waren rot und einige Tränen liefen ihr über die Wangen.

„Mimi weiß es jetzt auch!“, murmelte sie und fuhr sich mit dem Handrücken über ihre Augen.

„Ich hätte jetzt eigentlich gedacht, dass du es ihr als Erste sagst“, kam es von Wallace, der seinen Arm um ihre Schultern gelegt hatte.

„Ich konnte es ihr nicht sagen“, krächzte sie qualvoll. Ihre Lippen zitterten und ihre Finger zerknautschten den Stoff ihrer rosafarbenen Bluse.

„Und warum nicht?“, fragte er vorsichtig.

Kari schnaufte und fuhr sich durch die Haare. Eine Haarsträhne löste sich aus ihrer Spange, die ihren Pony eigentlich zurückhalten sollte.

Lautlos fiel sie ihr ins Gesicht und wippte leicht vor ihrem rechten Auge auf und ab.

Doch es störte sie nicht. Auch als Wallace ihr sie aus dem Gesicht strich, zeigte sie kaum Regung.

Wie betäubt saß sie einfach nur da und stierte ins Leere.

Wie gerne hätte sie Mimi die Wahrheit gesagt, doch stattdessen entschied sie sich zu einer fadenscheinigen Ausrede, die sie ihr sogar zu glauben schien.

In ihrer Erzählung passte alles zusammen. Es war gar nicht so schwer, sie davon zu überzeugen, dass sie einfach zu viel getrunken hatte und mit jemanden aufs Zimmer verschwunden wäre.

Natürlich hatte sich Mimi tierisch aufgeregt und sie rund gemacht. Immer wieder hatte sie gefragt, wie sie nur auf so eine dämliche Idee gekommen wäre und was sie nun vorhatte.

Der komplette Nachmittag war gelaufen gewesen und Kari suchte schnell das Weite , nachdem sie Mimis Vorwürfe nicht mehr ertragen konnte. Sie musste den Kopf frei kriegen und war letztlich bei Wallace gelandet.

Sie lag in seinen Armen und konnte sich mal wieder nicht beruhigen. Sie hasste diese verletzliche Seite an ihr und wollte sie am liebsten schnell wieder loswerden, auch wenn natürlich ihre Schwangerschaft auch einige Symptome zeigte. Sie war viel emotionaler als vorher.

Auch Wallace war das aufgefallen. Verzweifelt versuchte er sie zu beruhigen, doch sie weinte unaufhörlich, probierte immer wieder einen neuen Satz zu formulieren, den sie schon am Anfang wieder abbrach. Es fühlte sich an, als würden sie Stunden auf dem harten Boden des Flures verweilen, bis das Wimmern von Hikari allmählich nachließ.

Behutsam drückte Wallace sie an sich und ahnte bereits, dass mehr im Busch war, als er bisher mutmaßte. Es hing sicher mit dem Vater des Babys zusammen, den sie partout nicht erwähnen wollte. Er hatte auch nicht das Recht, sie zu einer Antwort zu zwingen, da es nicht seine Angelegenheit war. Auch wenn er Kari sehr gerne hatte.

Doch das wollte er für sich behalten, da er bereits merkte, dass er bei ihr keine Chance haben würde.

Er war nicht wie ihr bester Freund, von dem sie tagtäglich schwärmte und in aller Farbenpracht der Worte erzählte. Wenn sie nicht erwähnt hätte , dass sie in dessen Bruder verliebt gewesen wäre, hätte er ganz klar behauptet, dass sie in ihren besten Freund verliebt sei. Wie toll musste dann erst sein Bruder sein? Da konnte er nicht mithalten und das wollte er auch nicht.

Manchmal war es Personen nur bestimmt, gute Freunde zu werden. Und diese Freundschaft war er nicht breit zu missen.

Kari brauchte ihn. Mehr denn je. Sie hatte sich bei ihm angelehnt und beruhigte sich. Ihre Atmung wurde gleichmäßiger. Das herzreißende Wimmern klang ab und Kari setzte sich auf.

Mit verheulten Augen starrte sie zu Wallace, wusch sich ein, zweimal drüber und lockerte ihre Haltung. Ihre Füße kribbelten leicht, da sie bereits eingeschlafen waren.

Der Drang nach der Wahrheit wurde größer und größer. Wallace war einer ihrer engsten Vertrauten, er würde sie nicht verraten, auch wenn er sie sicher für ihr Verhalten verachtete. Wer schlief schon mit dem Ex einer guten Freundin? War sie wirklich so ein eiskaltes Monster?

Allerdings erinnerte sie sich noch nicht mal dran. Der Abend war eine komplett verschollene Erinnerung, die sie zu verdrängen schien.

„Ich…ich habe einen großen Fehler begangen“. Ihre Stimme brach ab und verschwand im Tränennebel.

„Was ist den passiert? Kari du machst mir wirklich Angst“. Der hartnäckige Ton in seiner Stimme erreichte sie und blieb an ihr haften. Vielleicht waren es auch die Hormone, die sie zur Wahrheit drängten.

Sie konnte nicht mehr davon laufen. Es war zu spät.

„Ich habe mit Michael geschlafen“.
 


 

29. April 2010. New York, Parkgelände.
 

Das Leben war ein einziges schwarzes Loch, das sie aufzufressen schien. Alles stand Kopf und sie verstrickte sich in Lügen und begann sich allmählich selbst zu hassen.

Sie hasse sich dafür, das Wesen, das in ihr heranwuchs , am liebsten weg zu wünschen. Diesen Fehler rückgängig zu machen, weil er ihr Leben komplett durcheinander brachte.

Die Zeit war vorrangeschritten. Jeder redete auf sie ein, doch keiner kam zu einem Ergebnis.

Das Baby hatte ein Recht zu Leben und dieses Recht konnte Kari ihm nicht nehmen, auch wenn sie anfangs darüber nachdachte.

Gedankenverloren saß sie auf einer Bank und sah die Menschen um sich herum. Wie sie unbeschwert miteinander redeten und lachten, während sie eine Entscheidung treffen musste, die ihr Leben für immer veränderte.

Sie hatte sich beraten lassen, in Sachen Abtreibung, Adoption und desgleichen. Auch welche Hilfsmittel ihr als junge Mutter zu Verfügung standen. Es war genaugenommen kein Problem mit Kind zu studieren, doch an der Juiliard? Die Semestergebühren waren so hoch, dass sie kaum selbst über die Runden kam. Und auf Michaels finanzielle Unterstützung konnte sie nicht hoffen.

Sie musste eine Entscheidung treffen und sie hatte eine getroffen.

Für ihr Baby.

Auch wenn das alles verändern würde. Kari hatte sich entschieden. Sie liebte Kinder über alles, wollte sogar eine sehr lange Zeit Sozialpädagogik studieren und sie konnte kein Kind abtreiben, nur weil es ein Unfall war.

Wallace hatte sie bereits ihre Entscheidung mitgeteilt. Er war auch der Einzige , der wusste, dass Michael der Vater war.

Sie wollte jedoch nichts mit ihm zu tun haben. Er hatte ihr klar zu verstehen gegeben, dass ihm das Baby egal war und er keine Verantwortung übernehmen würde .

Ihr Plan sah zunächst vor, so schnell wie möglich ein Ticket nach Japan zu ergattern. Im letzten Semester hatte sie viel nebenher gearbeitet, hatte in verschiedenen Cafés gejobbt, um sich das alles hier leisten zu können. Nun war die Zeit gekommen, die Zelte abzubrechen und ihren Traum für einen neuen aufzugeben.

Mimi hatte sie vorerst noch nichts gesagt, da sie erst das Restgeld zusammenkratzten wollte.

Ab Montag hatte sie einen neuen Job in einer kleinen Bäckerei hier in der Nähe.

Für dieses Semester war bereits alles bezahlt, was sie ihren Großeltern zu verdanken hatte. Würde sie in der nächsten Zeit recht sparsam leben, hätte sie das Ticket in den nächsten Wochen bereits in der Tasche. Sie hatte nur noch keine Ahnung, wie sie das Ganze ihren Eltern und Tai beibringen sollte. Über Skype war es zwar persönlicher als über das Telefon, aber noch fehlten ihr die richtigen Worte. Sie wollte sich erst ganz sicher sein, was sie sagen wollte, bevor sie sich ihren Eltern öffnete.

Begeistert wären sie sicher nicht, aber sie war immerhin ihre Tochter, die nicht bereit war, einen noch größeren Fehler zu begehen, als sie ohnehin schon begangen hatte .

Kari war sich sicher. Mit der Hilfe ihrer Familie war alles möglich.
 


 

Polternd kehrte sie in ihr Zimmer zurück, gerade als April mal wieder Cello übte. Sie unterbrach ihr Spiel augenblicklich und musterte ihre Zimmergenossin genauestens. Glücklich sah sie schon lange nicht mehr aus.

Ihr fahles Gesicht deutete daraufhin hin, dass ihr die morgendliche Übelkeit weiterhin schlimm mitspielte. Vorhin war sie einfach von ihrem Bett aufgesprungen und mit der Begründung, einen klaren Kopf zu brauchen, aus dem Zimmer gestürmt.

Zwei Stunden war sie weggewesen.

Ihr Teint war nur minimal besser geworden. Geweint schien sie nicht mehr zu haben, jedenfalls waren ihre Augen nicht gerötet.

April legte den Bogen beiseite und seufzte laut.

„Du bist dir also wirklich sicher, was du jetzt machen willst?“

Ihr hatte sie bereits in der Nacht von ihren Plänen erzählt, weil sie jemanden zum Reden brauchte.

„Ja, ich bin mir sicher“.

„Schade eigentlich, gerade wo wir uns jetzt so gut verstehen“, meinte sie sentimental und lächelte verhalten.

„Verrückt, oder?“, erwiderte sie und hatte schon wieder das Bedürfnis zu weinen. Diese Hormone machten sie noch wahnsinnig.

„Kann ich dich vielleicht mal etwas fragen?“

Unsicher wippte sie auf ihrem Stuhl und streifte ihre Blicke nur vage.

„Klar, natürlich darfst du“, bestärkte sie sie, auch wenn sie nicht damit rechnete, was sie fragen wollte.

„Ist dieser komische Kerl der Vater von dem Baby? Der, der mit deiner Freundin zusammen war.“

Sie hielt den Bogen noch in ihrer Hand und gestikulierte ausschweifend, weil ihr mal wieder die Namen entfallen waren.

Karis Gesicht erbleichte. Woher kannte sie die Wahrheit? Hatte Wallace etwa?

„Woher weißt du das? Hat dir…?“

„Nein, mir hat niemand etwas erzählt“, unterbrach sie Kari sanft. „Als wir feiern waren, habe ich dich zusammen mit ihm gesehen. An der Bar.“

Sie schwieg kurz.

„Ich glaube, ich war an der Sache nicht unschuldig. Ich habe dich einfach alleine gelassen und das war nicht okay.“

Sprachlos starrte sie April an und ging auf sie zu. „Sowas darfst du doch nicht denken. Dich trifft absolut keine Schuld. Ich bin mit ihm mitgegangen und habe nicht aufgepasst“.

„Aber ich…“, fing sie an.

„Du kannst nichts dafür“, widersprach Kari vehement und legte die Hände auf ihre Schultern.

April senkte schuldbewusst den Kopf, doch Hikari ließ es sich nicht nehmen, sie in eine herzliche Umarmung zu verfrachten, die ihr zeigen sollte, dass sie sich für ihr Handeln nicht verantwortlich fühlen musste. Kari war alt genug, um richtig von falsch zu unterscheiden. Sie hatte damals diese Entscheidung getroffen, auch wenn sie die Hintergründe nicht mehr zuordnen konnte.

April hätte sie auch nicht aufhalten können. Es war passiert und sie musste nun das Beste daraus machen.
 


 

20. Juni 2010. Japan, Hotelzimmer.
 

„With or without you, I can't live with or without you“, hörte sie ihn im Flur trällern. Auch das Spiel der nervtötenden Gitarre war zu viel für Mimi. Sie wollte doch einfach nur, dass er verschwand. Für immer.

Doch er wollte sie einfach nicht in Ruhe lassen. Auch die Tatsache, dass sie nun über ihn und Kari Bescheid wusste, schreckte ihn keinesfalls ab. Es motivierte ihn eher, sich noch mehr an ihre Fersen zu heften und sie von seiner vermeintlichen Unschuld zu überzeugen.

Mehrfach hatte sie ihn aufgefordert zu verschwinden, ihm gesagt, dass sie mit ihm nicht reden wollte, doch er stellte die Ohren auf Durchzug.

Sie drückte ihr Gesicht noch fester in die Matratze und schlug sich das Kissen über den Hinterkopf, um sich damit die Ohren zuzuhalten. Konnte er nicht verstehen, dass er einfach verschwinden sollte?

Was erwartete er von ihr? Dass sie ihm in die Arme fiel und seinen bescheuerten Heiratsantrag annahm, auch wenn sie wusste, dass er mit Kari geschlafen hatte?

Er hatte mit Kari geschlafen. Michael war der Vater des Babys, das sie abgetrieben hatte.

Ihr Puls beschleunigte sich. Ruckartig setzte sie sich auf und ihr Gesicht nahm einen wutverzerrten Ausdruck an. Sie warf das Kissen zurück und stapfte zur Tür.

Michael hatte nicht nur mit ihr geschlafen, nein, er hatte sie sogar geschwängert!

Vollkommen in Rage, riss sie die Tür auf und Michael unterbrach abrupt sein Spiel. Ein schelmisches Lächeln zog sich über seine Lippen und er stellte die Gitarre an der Wand ab.

„Ich wusste, dass du mir aufmachen wirst“, sagte er von sich selbstüberzeugt und wollte gerade auf sie zugehen, als sie ihn aufgebracht von sich wegschubste.

„Komm mir ja nicht zu nah“, meinte sie bedrohlich und riss die Augen auf. „Hau ab! Oder ich vergess‘ mich!“

„Aber komm schon Mimi, das hatte nichts…“

„Nichts zu bedeuten?“, beendete sie seinen Satz. „Sie war schwanger! Von dir! Und jetzt wage es ja nicht zu sagen, dass es bedeutungslos war!“

Die Verzweiflung und die Wut waren ihr anzuhören. Ihr war zum Weinen zumute , aber diese Blöße wollte sie sich nicht vor ihm geben.

„Verschwinde!“, brachte sie erstickt hervor und knallte ihm die Tür vor der Nase zu.

Schwerfällig kraxelte sie aufs Bett und ließ ihr Gesicht auf die harte Matratze fallen.

Für den Moment herrschte Ruhe, sodass sie sich wieder ein wenig beruhigen und sammeln konnte.

Doch dieser Momente wurde jäh durch ein kräftiges Klopfen unterbrochen, das sie aufschrecken ließ.

Sie verzog das Gesicht und sprang auf. Hatte er es immer noch nicht kapiert?

Mimi stolzierte wieder zur Tür und riss sie auf. „Hau gefälligst…“

Ihr blieb das letzte Wort im Halse stecken, als sie ihr Gegenüber betrachtete.

„Was machst du denn hier?“, fragte sie überrascht und ließ ihn ohne darüber nachzudenken rein.

Er hatte die Hände seiner Hosentasche vergraben und war mit dem Blick auf der Suche nach jemandem, den er nicht in dem Zimmer vorfand.

„Ich wollte mal nach Kari sehen. Ihr wolltet doch auch zu Matts Konzert kommen, oder?“

Ohje, das Konzert. Das hatte sie ja vollkommen vergessen.

„Ehm…oh, stimmt ja. Es ist was dazwischen gekommen“, antwortete sie schnell und verhaspelte sich leicht. Stutzig sah Taichi sie an und fragte sich insgeheim, wo seine Schwester abgeblieben war. Alleine würde sie doch sicher nicht in der Gegend rumziehen.

„Wo ist denn meine Schwester?“, wiederholte er abermals und sah dringlich zu Mimi, die seinen Blicken auswich und auffällig an ihrem Top spielte.

„Wir haben uns gestritten und sie ist bei Wallace“, murmelte sie zähneknirschend. Am liebsten hätte sie ihm die Wahrheit gesagt, doch das brachte sie nicht über die Lippen.

„Wer ist Wallace?“, fragte er und zog irritiert die Augenbraun hoch.

„Ein Freund von ihr. Er studiert auch in den USA und ist zu Besuch hier, weil sein Vater in Japan lebt“, erklärte sie, ohne aufzusehen.

„Und warum habt ihr euch gestritten?“

Mimi biss sich auf die Unterlippe und richtete den Blick zur Seite.

Bevor sie etwas antworten konnte, ertönte schon wieder die Stimme ihres verhassten Ex im Flur.

Sie gab einen genervten Ton von sich und stampfte wütend mit den Füßen auf.

Tai beobachtete das Szenario mit fragendem Blick , als sie plötzlich an ihm vorbeistürmte und die Tür aufschlug.

„Hau ab!“, brüllte sie lauthals und Tai schritt langsam neben sie.

Ein blonder junger Mann stand vor ihrer Zimmertür und spielte ihr ein Liebeslied. Und dieser Kerl

war nicht Matt.

Mit gerunzelter Stirn sah er zu Mimi hinab und hörte, wie sie ihn aufs Übelste zu beschimpfen anfing.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn genau. Er ließ sich nicht wirklich auf die

Streiterei ein, sondern betonte immer wieder, wie sehr er Mimi liebte, während sie ihn zum Teufel

wünschte. Tai schien er noch gar nicht wahrgenommen zu haben.

Wer war nur dieser Kasper? Und warum machte er seiner Mimi eine öffentliche Liebeserklärung?

Seiner Mimi? Hatte er das gerade wirklich gedacht? Überrascht über den Gedanken sah er wieder

zu ihr und bemerkte, wie verzweifelt sie schon war .

„Ich glaube, du solltest jetzt besser gehen! Sie will nicht mit dir reden, kapierst du das, Alter?“

Michael blickte ihn unbeeindruckt an. Mimi hingegen lächelte leicht und freute sich, dass Tai sie

verteidigte.

„Was ist das denn für ein Hampelmann?“ Michaels abwertende Blicke waren deutlich zu spüren.

Tai wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, doch Mimi kam ihm zuvor und schmiegte sich auffällig an ihn .

„Er ist kein Hampelmann! Wir waren sogar gerade sehr beschäftigt gewesen“, raunte sie verführerisch und sah ihn mit einem vielsagenden Blick an.

Tai machte hingegen einen verdatterten Gesichtsausdruck.

„Ach ja? Waren wir das?“

„Man Tai, das brauch dir doch nicht peinlich zu sein!“, ermahnte sie ihn spielerisch und fuhr mit dem Finger über seinen Bauch . Auch wenn er noch ein T-Shirt trug, kribbelten ihre Berührungen und ihm wurde allmählich heiß.

Er schluckte und hatte den komischen Kerl fast vergessen, als er wutentbrannt losflötete.

„Mit dem Kerl? Ich bitte dich! Wir gehören zusammen!“

„Am Arsch , such‘ dir ‘ne andere Dumme! Ich habe schon jemand anderen gefunden, der mich sicher besser befriedigen kann, als du es jemals versucht hast“.

Tai schoss plötzlich das Blut in den Kopf und er versuchte, sich unauffällig von Mimi loszumachen, die sich jedoch an ihm festgekrallt hatte.

„Das glaubst du doch nicht ernsthaft? Bekommt er überhaupt einen hoch?“, blaffte er aufgebracht und streifte Tai mit einem herablassenden Blick.

Ihm wurde dieses Gespräch immer unangenehmer und er fragte sich wirklich, in was er da gerade hineingeraten war. Warum zog ihn Mimi überhaupt mit rein? Ihre Beziehung war ohnehin schon kompliziert genug, doch sie machte nicht den Anschein aufzuhören.

„Dafür werde ich schon sorgen und ich denke, ich weiß, was mich da erwartet. Er hat mich ja auch entjungfert“, rieb sie ihm unter die Nase. Er sog scharf Luft ein, da er immer gedacht hatte, er wäre ihr Erster gewesen.

„Das ist doch jetzt ein Scherz“, meinte er nüchtern und fixierte Tai mit einem feindseligen Blick. Dieser wollte am liebsten im Boden versinken.

„Es ist kein Scherz“, erwiderte Mimi todernst. „Und jetzt verschwinde! Außer du willst zugucken.“

Tais Gesicht entgleiste, während Michael angewidert die Augen verdrehte.

„Mach‘ doch, was du willst. Früher oder später kommst du sowieso wieder angekrochen“, sagte er letztlich.

„Verschwinde!“, krächzte sie, zog Tai etwas zurück und knallte die Tür vor seinen Augen zu.

Danach lehnte sie sich dagegen und schnaubte herzhaft , als sie sich mit der Hand über die Stirn fuhr.

„Sag mal? Bist du auf Drogen oder was?“, fragte Tai empört.

Wie konnte sie in seinem Beisein nur so einen Schwachsinn reden ?

„Ich wollte ihm einfach mal eins reindrücken! Er geht mir so auf die Nerven“, antwortete Mimi verzweifelt und fuhr sich fahrig durch die Haare.

„Ist er etwa dein Ex, oder was?“

Mimi sprang mit den Augen zwischen Tai und dem Fußboden hin und her. Auffällig drehte sie eine Strähne um ihren Finger und nickte nur leicht.

„Man, warum erzählst du dem sowas? Jetzt lauert er mir vielleicht noch auf!“, beschwerte sich Tai dramatisch.

Mimi hingegen beobachtete ihn einen Moment lang. Sie fuhr sich mit den Zähnen über die Unterlippe und merkte, dass ihr Herz gegen ihre Brust hämmerte.

Sie erinnerte sich an Silvester zurück und an das Bedürfnis, ihn nochmal küssen zu wollen. Eigentlich wollte sie doch so viel mehr. Es fiel ihr schwer, sich noch zusammenzureißen, wie er dort stand und sich theatralisch aufregte und seine muskulösen Arme sich bei jeder Handbewegung wölbten.

Sie schluckte. Ihre Hände zitterten und auch ihr Verlangen wurde immer größer.

Mimi leckte sich mit der Zunge über die Lippen und hörte auf nachzudenken. Ihre Gefühle gaben ihr klare Signale, die sie nicht mehr ignorieren konnte.

Etwas stürmisch polterte sie auf ihn zu und er unterbrach seine Schimpftirade, als er sie sachte auffing. Ein merkwürdiger Blick in ihren Augen ließ ihn skeptisch werden.

„Mimi? Was soll das?“, fragte er, als sie auffällig an seinem Shirt rumspielte und sich weiter gegen ihn drückte.

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und er spürte ihren heißen Atem an seinem Ohr.

„Ich weiß, dass du es willst“, raunte sie und begann ohne Vorwarnung seinen Hals zu küssen und mit der einen Hand weiter runter zu wandern.

Er sog scharf Luft ein, als er ihre Hand an seiner Hose spürte. Er lehnte sich leicht gegen die Wand und war unfähig, noch einen klaren Gedanken zu fassen, als sie den Knopf öffnete und den Reisverschluss nach unten zog. Mit ihrer Hand verschwand sie schließlich in seiner Unterhose und er keuchte kurz auf, als sie sachte aber gleichmäßig zu massieren begann.

Er schloss seine Lider und ließ sich komplett fallen. Ihre Lippen wanderten weiter zu seinen und verschlossen sie. Mimi krallte sich mit der anderen Hand in seinen Nackenansatz und vertiefte den Kuss. Sie biss ihm sanft auf die Unterlippe, sodass er seinen Mund leicht öffnete und sie sich mit ihrer Zunge vortastete.

Sie fühlte sich wie im Rausch. Betört von seinen Lippen und der Tatsache, dass sie wirklich ihre Hand in seiner Hose hatte.

Sie grinste, als er leise vor sich hin stöhnte und mit seinen Händen auf Wanderschaft ging. Er umfasste ihren Po und massierte ihn wohltuend.

Ihre Hand wurde mittlerweile immer schneller, dass er schon Angst hatte, es nicht mehr lange zurückhalten zu können.

Seine eine Hand ergriff ihr Handgelenk und stoppte sie. Irritiert unterbrach sie den Kuss, als er ihre Hand aus seiner Hose zog.

„Habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte sie unschuldig und blickte ihn enttäuscht an.

Er drückte ihr nur einen Kuss auf die Stirn und schüttelte sachte den Kopf.

Mit einem kecken Grinsen musterte er sie. Er fuhr mit den Handflächen ihre Taille entlang und seine Finger verschwanden unter ihrem Shirt.

Ein Kribbeln machte sich auf ihrer Haut breit, als er sich langsam zu ihrem BH vortastete, seine Finger ihren Rücken entlang wanderten und am Verschluss spielten.

Wieder legte er seine Lippen auf ihre und wollte gerade den Verschluss öffnen, als ihr Handy klingelte. Genervt stöhnte Mimi in den Kuss hinein und überlegte sich, es einfach zu ignorieren, doch der Anrufer schien hartnäckig zu sein. Kaum hatte es aufgehört, fing es wieder an zu schellen.

Tai unterbrach den Kuss, hielt sie allerdings immer noch in seinen Armen gefangen.

„Vielleicht solltest du rangehen“, hauchte er in ihr Ohr. „Und dann solltest du es wirklich dringend ausmachen, damit wir hier schnell weitermachen können.“

Er saugte sich leicht an ihrem Ohrläppchen fest, weshalb Mimi leicht kichern musste. Dort war sie immer sehr empfindlich gewesen. Sie drückte ihn sanft zurück und ging zu ihrem Bett, wo ihr Handy lag. Wieder klingelte es und Wallace Nummer erschien auf dem Display.

Irritiert nahm sie ab und hoffte es kurz zu machen, da sie wirklich keine Lust auf einen Versöhnungsversuch à la Wallace hatte. Zumal sie sowieso mit den Gedanken ganz woanders war. Unauffällig blickte sie zu Taichi, der sich ungeduldig gegen die Tür lehnte. Seine halboffene Hose entblößte mehr, als ihm eigentlich lieb war, doch sie konnte es ruhig sehen, wie verrückt sie ihn machte.

Mimi hatte abgenommen und begrüßte ihren Gesprächspartner halbherzig. Lustvoll stierte sie zu Tai, doch plötzlich veränderte sich etwas an ihrem Ausdruck.

Panik war aus Wallaces Stimme herauszuhören, sodass Mimi bereits ahnte, dass etwas nicht stimmen konnte.

„Was ist denn passiert?“, fragte sie in den Hörer, doch er gab ihr nur vage Antworten, was sie allmählich sauer werden ließ. Sie hatte Besseres zu tun. Tai wartete darauf, ihr die Klamotten vom Leib zu reißen. Sie konnte ihre eigene Erregtheit kaum in Worte fassen.

Doch plötzlich, war alles wie weggeblasen .

Es war etwas passiert und Wallace brauchte ihre Hilfe. Es konnte sich daher nur um Kari handeln.

Ihr Blick richtete sich zu Tai und ihr schlechtes Gewissen packte sie und riss Mimi ins Bodenlose.

Was hatte sie sich dabei nur gedacht? War sie wahnsinnig geworden?

Nicht, dass sie es nicht wollte, aber der Zeitpunkt war denkbar ungünstig. Sie hatte so viele Geheimnisse vor ihm, obwohl sie eigentlich keine haben wollte.

Schwerfällig konzentrierte sie sich auf Wallaces Worte. Auch wenn sie noch sauer auf Hikari war, konnte sie sie nicht alleine lassen.

Michael war ein Arsch. Er wusste, wie er unschuldige Mädchen um den Finger wickeln konnte.

„Okay, ich werde gleich vorbei kommen. Sag mir gerade schnell noch deine Adresse durch.“

Sie notierte sie sich auf einen Zettel, den sie aus ihrer Tasche gekramt hatte und legte danach auf. Ihr Handy ließ sie in die Tasche fallen, als Tai verwirrt dreinblickte.

„Ehm, was ist denn jetzt los?“, fragte er enttäuscht. Mimi richtete sich ihr Shirt und zog ihre Jacke an, während er verdattert mitten im Raum stand.

„Ich muss leider weg“, sagte sie schnell und wollte gerade an ihm vorbeigehen, als er ihren Arm packte.

„War das jetzt irgendein dummer Scherz?“

Verletzt sah er ihr in die Augen und fühlte sich mehr als nur verarscht.

Mimi sah ihn sehnsüchtig an und blickte an ihm hinunter.

Wie gerne wäre sie mit ihm zusammen gewesen, doch sie hatte kaum noch Zeit. Wallace erwartete sie, auch wenn sie keine Lust hatte, sich mit Kari auseinander zu setzen. Seine Worte klangen dringend.

Wortlos starrte er sie an und ließ sie auf einmal los. Er wandte ihr den Rücken zu und verschränkte wütend die Arme vor der Brust. Mimi und ihre Spielchen. Er hätte es wissen müssen.

„Tai…“, begann sie vorsichtig und fasste seine Schulter an, die er ruppig wegzog.

„Nein, fass mich nicht an!“

Sein Ton erschrak sie und sie erkannte, dass sie handeln musste. Lautlos ließ sie ihre Tasche auf den Boden sinken und zog sich ihre Jacke wieder aus.

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich ihrer Schuhe, ihrer Hose und ihres Shirts entledigte .

Tai hatte ihr immer noch den Rücken zugewandt und hatte noch gar nicht bemerkt, dass sie bis auf die Unterwäsche ausgezogen war.

Stürmisch steuerte sie auf ihn zu, drehte ihn zu sich und presste die Lippen auf seine.

Überrascht weitete er die Augen, genoss jedoch ihre Berührungen, die ihn um den Verstand brachten .

Schnell stieg er mit ein, zog sich sein eigens T-Shirt über den Kopf und ließ es achtlos auf den Boden fallen.

Mimi öffnete selbst ihren BH, der ebenfalls zu Boden segelte. Er schlüpfte aus seiner Jeans und attackierte wieder ihren Mund.

Seine Zunge glitt fordernd in ihre Mundhöhle und entfesselte einen Kampf, der beide in eine andere Welt abtauchen zu lassen schien.

Sie schlang die Beine um seine Hüfte, als er sie gegen die Wand drückte und vorsichtig hochhob. Zuvor hatten sich beide des letzten Stück Stoffes entledigt und waren beide splitternackt, bereit sich gegenseitig zu fühlen.

Tai stoppte abrupt und sah sie an.

Mimi atmete schwer und erwiderte seinen Blick fragend.

„Was ist? Jetzt beeil‘ dich mal, ich muss immer noch weg “, sagte sie fordernd und wollte wieder ihre Lippen auf seine pressen, als er sie aufhielt.

„I-Ich hab' aber nichts dabei“, murmelte er und spürte die Hitze in ihm aufsteigen.

Jetzt waren sie so weit gegangen und niemand hatte an die Verhütung gedacht. Tai konnte doch nicht ahnen, dass beide in so einer brenzligen Situation landen würden.

Doch Mimi grinste nur verschmitzt und fuhr ihm durch seine wilde Mähne.

„Ist okay. Ich nehme die Pille“, sagte sie nur und sah ihn liebevoll an, bevor sie sich ihm in vollen Zügen hingab.
 

Fortsetzung folgt...

Zusammenbruch.


 

You weren't there, you let me fall.

So What, Greatest Hits...So Far. Pink, 2010.
 


 

07. Mai 2010. New York, Studentenwohnheim.
 

Ein forderndes Klopfen trieb sie aus dem warmen Bett. Vor wenigen Sekunden hatte sie noch unter der Decke gelegen und auf ihrem Laptop einen kitschigen Liebesfilm geschaut, der sie sehr deprimierte.

April war mit Peter ausgegangen und Wallace wollte ihr später noch Gesellschaft leisten. Er hatte sich heute noch mit ein paar Kommilitonen zum Fußballspielen verabredet, doch sie hatte keine Lust mit in den Park zu kommen, da sie sich sehr müde und ausgelaugt fühlte.

Für den Moment dachte sie, dass Wallace bereits vor ihrer Zimmertür stand, doch meist klopfte er nur ein einziges Mal und wartete darauf, dass Hikari ihm öffnete.

Misstrauisch stand sie davor und erschrak vor der Intensität der Schläge, die ihre Tür aushalten musste. Zögerlich legte sie die Hand auf die Klinke und drückte sie hinunter.

Ohne groß darüber nachzudenken, öffnete sie sie und stand einem wutentbrannten Michael gegenüber.

„Was machst du denn hier?“, fragte sie verwirrt, als er sich an ihr vorbeipresste und die Tür hinter sich schloss.

„Carter weiß von dem Baby und er hat mir erzählt, dass du es behalten willst! Bist du geisteskrank?“

Perplex starrte sie ihn an und zögerte etwas zu sagen.

Wieso wusste Carter von dem Baby? Ging dieses Gerücht etwa bereits auf dem Campus herum?

„Ich…“, stammelte sie und scheute sich, Michael in die Augen zu sehen.

Dieser tobte nur und gestikulierte wie ein Wahnsinniger mit seinen Händen. Wütend stapfte er mit dem Fuß auf und schien die Kontrolle über sich verloren zu haben.

„Du kannst dieses Balg nicht behalten! Ich will kein Kind!“

„Aber…“

„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich darum kümmern werde?“ Er deutete auf ihren Bauch und Kari legte automatisch schützend die Hände darüber.

„Treib’s ab! Das ist besser so. Oder willst du als Assimutter in die Geschichte eingehen“, spottete er überheblich, als sich in Kari auf einmal ein Schalter umlegte.

„Ich werde aber nicht abtreiben! Das Baby hat genauso ein Recht auf dieser Welt zu sein wie wir. Auch wenn es ungeplant war! Das du sowas von mir verlangst, ist wirklich unverzeihlich!“

Sie wich ein paar Schritte zurück, hielt sich immer noch den Bauch und fixierte ihn.

„Ich werde nicht abtreiben!“, meinte sie standhaft.

Michael gab nur einen verächtlichen Ton von sich.

„Und wie willst du das machen, wenn es da ist? Dir das Baby um den Bauch binden und so weitermachen wie zuvor? Das wird nicht funktionieren!“

„Das weiß ich selbst! Aber das ist meine Sache! Ich brauche dich nicht, um das durchzuziehen!“, sagte Kari nüchtern.

„Du wirst dich noch umsehen! Keiner wird noch mit dir etwas zu tun haben wollen, wenn ich mit dir fertig bin“, drohte er und schritt näher an sie heran.

Ihr wurde auf einmal warm, doch sie wollte sich nicht von ihm unterkriegen lassen. Sie würde sowieso nicht hier bleiben. Das einzige Problem, dem sie sich noch stellen wollte, war Mimi. Sie verdiente die Wahrheit, auch wenn sie sie hinterher sehr wahrscheinlich hassen würde.

„Ich werde Mimi die Wahrheit sagen“, platzte es aus ihr hervor.

Michael erstarrte. „Du willst was?“

„Ich kann sie nicht länger anlügen!“, erwiderte sie ernst genug, sodass Michael die Panik überrollte.

„Das kannst du nicht machen“, brüllte er aufgebracht und packte ihren Arm.

Er drückte ihn so fest, sodass Kari von der Angst ergriffen wurde und sich schmerzvoll hin und her wandte.

„Lass mich los“, schrie sie, als sein Griff immer fester wurde und er auch ihren anderen Arm ergriff.

„Nein“, antwortete er nur. Ihre Blicke trafen sich und Kari konnte eine Mischung aus Wahnsinn und Verzweiflung in seinen Augen lesen.

Angsterfüllt sah sie ihn an und zuckte zusammen, als er sie wieder anschrie und ihr zu verstehen gab, dass Mimi davon nichts erfahren sollte.

Vielleicht hätte sie in diesem Moment einfach kleinbeigeben sollen, damit er sich wieder beruhigen konnte, doch sie konnte sich nicht mehr alles gefallen lassen!

Daher schubste sie ihn unsanft von sich weg, sodass er ins Straucheln kam und mit voller Wucht gegen eines der Regale stieß.

„Bist du irre?“, fragte er aufgebracht, als er wieder zum Stehen kam. Kari selbst war sehr überrascht über ihre Reaktion gewesen und stand hilflos mitten im Raum, als er wieder auf die zugesteuert kam und erneut packte.

Diesmal war sein Griff um einiges fester als das erste Mal und er schüttelte sie leicht, um seiner Verzweiflung Luft zu machen.

„Du darfst es ihr nicht sagen. Das kannst du nicht machen! Das würde alles kaputt machen!“, untermalte er felsenfest und das Gerangel der beiden wurde immer intensiver.

Kari wimmerte nur vor Angst, da sie merkte, dass er sich kaum noch unter Kontrolle hatte.

Wuchtig riss er sie herum, Kari stolperte über ihre eigenen Füße und kam ins Straucheln. Abrupt ließ Micheal sie los, um nicht auch noch auf den Boden zu stürzen.

Geräuschvoll landete sie auf dem harten Laminat und blieb benommen liegen.

Erschrocken starrte er auf sie hinab und sah, dass sie eine kleine Platzwunde am Kopf hatte, aus der nur ein wenig Blut tropfte.

Kari rührte sich leicht, als Michael von erneuter Panik ergriffen wurde, die Tür aufriss und aus dem Zimmer rannte.

Die junge Yagami schlug die Augen auf und war noch leicht benommen, als sie sich auf einmal auf dem Boden wiederfand.

Langsam versuchte sie sich aufzurichten, als ein plötzlicher Schmerz durch ihren Unterleib schoss und sie in ihren Bewegungen gefrieren ließ.

Sie schluckte, doch der Schmerz verschwand nicht. Mühselig robbte sie auf dem Fußboden herum, bis sie ihr Bett erreichte und sich daran hochzog. Der Schmerz wurde unerträglich und hinderte sie am Stehen. Wieder sackte sie zusammen und blieb regungslos sitzen.

Sie hielt sich die flache Hand vor den Mund, um nicht lauthals loszuschreien. Mit der anderen Hand hielt sie sich den Bauch und vergrub ihre Fingernägel in ihrem schwarzen Shirt.

Ihr Blick richtete sich nach unten. Ihre Augen weiteten sich unter Schock, als sie auf ihrer hellbeigen Jogginghose einen mittelgroßen Blutfleck entdeckte.

Tränen brannten sich in ihre Augen, als sie mit dem Finger darüber fuhr und feststellte, dass er frisch war und sich nicht schon vorher auf der Hose befunden hatte.

Ihr Körper verkrampfte sich augenblicklich und Panik machte sich in ihr breit. Ihr Baby. Etwas stimmte hier nicht.

Schwerfällig robbte sie sich Richtung Badezimmer und schaffte es mühselig auf die Toilette. Sie schaffte es ihre Hose abzustreifen, die ihr nun bis zu den Kniekehlen hing.

Ihre Unterhose war blutdurchdrängt.

Kari biss sich auf die Unterlippe und war überfordert mit dem, was gerade mit ihr geschah. Was hatte das nur zu bedeuten? Es war definitiv zu viel Blut…

Sie sackte zusammen und landete mit heruntergezogener Hose aus dem kalten Fliesenboden.

Die Schmerzen breiteten sich intervallartig aus, wurden schlimmer und schlimmer, sodass sie krampfhaft ihren Bauch hielt und schmerzverzerrt nach Luft schnappte.

Tränen rannen ihr unkontrolliert über die Wangen, als sie einen Schmerzensschrei ausstieß und auf dem Boden zusammenbrach.
 


 

Es hatte gerade angefangen zu regnen, als Wallace sein Wohnheim verlassen hatte und den Weg zu Kari einschlug.

Alles hatte sich schlagartig verändert. Wallace wusste bereits von Karis Entscheidung und hatte beschlossen, sie zu unterstützen. Auch wenn er immer noch geschockt war, dass sie ausgerechnet mit Michael, Mimis Ex, geschlafen hatte.

Etwas störte ihn an dieser ganzen Geschichte. Es war ein Puzzleteil, das nicht dazu passte. Eine winzige Kleinigkeit, die möglicherweise Licht ins Dunkele bringen würde.

Doch es war passiert. Die Konsequenzen trug Kari unter dem Herzen.

Er war einer der ersten, der von ihrer Entscheidung erfahren hatte. Beim letzten gemeinsamen Mittagessen hatte sie ihn eingeweiht, ihre zukünftigen Pläne verraten und wie sie versuchen wollte, sie umzusetzen. Ein hartes Stück Arbeit lag vor ihr, doch Wallace konnte verstehen, warum sie so handelte.

Das Baby war ein Teil von ihr. Auch wenn es nicht geplant war. Kari war ein Mensch, der die Verantwortung übernehmen wollte. Micheal war das komplette Gegenteil.

Auch er hatte Mist gebaut, doch ihm waren die Konsequenzen egal.

Alles was ihn interessierte, war er selbst. Ein wahrhaftiger Egoist eben.

Wallace rannte über den Hof und gelangte etwas durchnässt in den Flur des Mädchenwohnheims. Er stiefelte die Treppen hinauf und bog in den Flur ein, in dem sich Hikaris Zimmer befand.

Auf dem Flur erkannte er plötzlich seinen eigenen Mitbewohner, Händchen haltend mit einer hübschen Blondine. Ein Lächeln zog sich über seine Lippen und er holte sie schnell ein.

„Hey, seid ihr auch nass geworden?“, fragte er grinsend, als er sie erreicht hatte.

Etwas erschrocken drehten sich die beiden zu ihm um.

„Man, musst du dich immer so anschleichen?“, fragte Peter etwas patzig und verschränkte die Finger in Aprils. Sanft lächelte sie ihn von der Seite an.

„Warst du noch nicht bei Kari?“, vergewisserte sich April überrascht.

Wallace kratzte sich unbeholfen am Kopf und erinnerte sich daran, das er beim Fußballspielen komplett die Zeit vergessen hatte.

„Ich war gerade auf dem Weg zu ihr. Und ihr? Seid ihr in den Regen gekommen?“

„Hör mir bloß auf“, knurrte April und die drei setzten ihren Gang zum Zimmer fort. „Wir haben kein Taxi bekommen und mussten den ganzen Weg vom Kino aus hierher laufen“.

„Das erklärt die durchgeweichten Klamotten“, grinste Wallace und stellte fest, dass er durch ihre Bluse leicht hindurchsehen konnte. Peter entging sein Blick natürlich nicht und er funkelte ihn bösartig an. Schnell wandte Wallace den Blick von ihr und lief etwas rötlich um die Nase an.

Er hätte nicht so intensiv starren sollen. Wallace war daher froh, als sie die Zimmertür der beiden Mädchen endlich erreichten und April aufschloss.

Nichtsahnend und gut gelaunt traten sie ein, doch das Chaos auf dem Boden entging ihnen nicht.

„Was ist denn hier passiert?“, fragte April entsetzt und schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen. Einige Bücher waren aus dem Regal gefallen und von Hikari fehlte jegliche Spur.

Wallace drückte sich an den beiden vorbei und rief nach ihr, doch er bekam keine Antwort.

„Wollte sie noch irgendwo hin?“, wollte er von April wissen, die nur den Kopf schüttelte.

„Wo ist sie denn? Und warum sieht es hier so wüst aus?“

April und Peter zuckten nur sprachlos mit den Achseln, während er bereits begann, die Bücher aufzuraffen und sie wieder ins Regal einzuräumen.

„Ich werde mal im Badezimmer nachsehen“, schlug April vor und setzte sich in Bewegung.

Wallace kramte sein Handy aus der Tasche und rief Karis Nummer an. Erschrocken drehte er sich herum, als es laut klingelte.

Ihr Handy lag auf dem Nachttisch und vibrierte lautstark, während eine nervtötende Melodie durch den Raum trällerte. Wallace drückte auf den roten Hörer und wandte fragend den Kopf zu Peter, als April hysterisch zu schreien begann.

Sie sahen sich nur kurz an und stürmten zum Badezimmer, doch April zog die Tür zu, bevor die beiden sehen konnten, was passiert war.

„Man April was soll das denn jetzt?“, rief Wallace durch die Tür und drückte die Klinke hinunter, nur um festzustellen, dass sie den Riegel umgelegt hatte.

Ein leises Wimmern und zwei verschiedene Stimmen waren im Innern zu hören.

„Ist Kari bei dir? Warum ist die Tür zu?“, startete Wallace einen neuen Versuch.

Man hörte ein Tuscheln und ein lautes Schluchzen als Aprils Stimme ertönte.

„Ihr müsst mir einen Gefallen tun“, hörten sie Aprils schwache Stimme durch die Tür. „Ich brauche dringend etwas Frisches zum Anziehen und jemand von euch muss unbedingt ein Taxi rufen!“

„Ein Taxi?“, wiederholte Wallace verwirrt. Noch verwirrter machte ihn die Tatsache, dass er ihr auch frische Unterwäsche bringen sollte.

Doch keiner der beiden traute sich nachzufragen und machte jeweils das, was April ihnen aufgetragen hatte. Peter bestellte ein Taxi, während Wallace an Hikaris Schrank ging, um die frische Wäsche zu holen. Etwas Bequemes sollte es sein, laut April.

Ein wenig peinlich berührt suchte er im Schrank nach ihrer Unterwäsche, die er letztlich auch in einer Schublade fand. Mit hochrotem Kopf kramte er irgendeine Unterhose heraus und brachte alles zur Tür. Er klopfte wieder und wartete, bis April ihren Kopf zu Tür hinaus steckte. Fordernd nahm sie ihm alles ab und verschloss die Tür hinter sich wieder, bevor Wallace fragen konnte, was eigentlich passiert war.

Verwirrt tauschte er mit Peter Blicke untereinander aus, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und April langsam und vorsichtig mit Kari hinaustrat.

Sie war weiß wie eine Wand, ihre Augen waren rot unterlaufen und die Tränen liefen ihr immer noch über die Wangen. Krampfhaft hielt sie sich mit der einen Hand den Bauch und klammerte sich schwerfällig an April fest. Jeder Schritt schien ihr immer schwerer zu fallen und ihr größere Schmerzen zu bereiten. April hatte den Arm um ihre Hüften gelegt und sah hilfesuchend zu den Jungs. Wallace reagierte sofort und stützte die andere Seite. Peter hingegen beobachtete die Situation fassungslos.

„Was ist hier nur passiert?“

„Sie hat Blutungen“, antwortete April sachte und sah, wie Kari Wallace um den Hals fiel und laut gegen seine Brust schluchzte. Sie hielt sie immer noch fest und fuhr ihr behutsam über den Rücken, während sich vor Peters innerem Auge weitere Fragezeichen bildeten.

Doch er traute sich nicht weiter nachzufragen. Kari litt so sehr, sodass sie jeden Augenblick zusammenbrechen könnte.

„Das Taxi müsste bald da sein“, meinte er nur und blieb verloren mitten im Raum stehen.

„Wir ziehen dir noch schnell eine Jacke an, okay? Draußen regnet es“, erklärte April Kari knapp. Sie nickte nur, hatte aber den Kopf immer noch gegen Wallace Brust gedrückt, der die Arme fester um sie schlang. Er hatte verstanden, was hier los war.

Sie hatte das Baby verloren.
 


 

Tränenverschleiert und vollkommen teilnahmslos saß sie im Behandlungszimmer. Ein leichter Druck auf ihre Hand erinnerte sie daran, dass April sie noch immer hielt. Die Jungs hatten im Wartezimmer Platz genommen.

Kari hatte immer noch nicht realisiert, was eigentlich passiert war. Sie erinnerte sich an Michael, das Gerangel und dass sie es danach gerade noch so ins Badezimmer geschafft hatte. Dort wurde sie auch von April gefunden, die sofort einen Krankenwagen rufen wollte, als sie das viele Blut sah.

Doch Kari wollte das nicht, redete ihr diesen schwachsinnigen Gedanken wieder aus. Am liebsten wollte sie überhaupt nicht ins Krankenhaus und doch saß sie nun hier und wartete darauf, dass der Arzt ihr das mitteilte, was sie ohnehin schon wusste.

Ihre Hand drückte Aprils und sie biss sich fest auf die Unterlippe, während sie versuchte, den aufkommenden Schmerz ihres Herzens zu unterdrücken.

Sie fühlte sich so unheimlich schlecht. Besonders nachdem sie das Blut auf ihrer Hose entdeckt hatte.

Sie wusste, dass es nicht normal war, Blutungen und Krämpfe während der Schwangerschaft zu haben. Es bedeutete das Ende eines Lebens, das noch nicht mal richtig angefangen hatte, und sie?

Sie war erleichtert. Erleichtert, dass diese Last von ihren Schultern genommen wurde.

Dass es weg war.

Kari presste die Lippen fest aufeinander. Sie schämte sich für diesen Gedanken. Eigentlich wollte sie das Baby doch behalten. Sie liebte Kinder über alles, doch sie war noch nicht bereit dazu, Mutter zu sein. Sie hatte gehofft, dass ein Wunder passierte.

Dieses Wunder entpuppte sich jedoch als wahrhaftiger Alptraum. Sie wollte es nicht, aber trotzdem hatte sie vorgehabt, es zu bekommen.

Sie war erleichtert, dass sie es verloren hatte, hatte allerdings ein so furchtbar schlechtes Gewissen gegenüber ihrem Baby, es nicht gewollt zu haben.

Schon oft stellte sie sich die Frage, ob sie anders darüber denken würde, wenn Michael nicht der Vater wäre. Doch neunzehn war für sie kein Alter, um Kinder zu bekommen. Sie hatte noch so viel vor, wollte ihr Studium beenden, einen tollen Job finden, heiraten und dann irgendwann Kinder bekommen.

Es fühlte sich alles falsch an. Sie wollte am liebsten zurück zu ihrer Familie und ihren Freunden, die sie so sehr vermisste, dass es bereits wehtat.

Am meisten vermisste sie jedoch Takeru, der immer für sie da war und sie blind verstand. Wallace war zwar ein guter Freund geworden, aber niemand konnte ihren besten Freund ersetzten.

Sie wollte sich nicht ausmalen, wie er reagieren würde, wenn er von dem Baby erfuhr. Wie ihre Familie reagieren würde. Und besonders Tai.

Doch jetzt gab es kein Baby mehr. All ihre Pläne hatten sich geändert.

Sie sah keinen Sinn mehr darin, den anderen die Wahrheit zu sagen, die sie nur verletzen würde.

Besonders Mimi, die sie hintergangen hatte.

Das Baby war fort. Mit ihm ein Teil ihrer Selbst, den sie nie wieder zurückerlangen würde.

Bevor sie einen weiteren Gedanken daran verschwenden konnte, trat der Arzt mit einer abgeklärten Miene ins Behandlungszimmer und sah sie mit diesem mitleidigen Blick an, den sie über alles hasste.

Er ließ sich direkt vor ihr nieder und studierte ihren Gesichtsausdruck, der von Schuld und ihrem schlechten Gewissen gekennzeichnet war.

„Es tut mir leid, Ihnen das jetzt mitteilen zu müssen“, begann er vorsichtig, während Kari ihre andere Hand gegen ihren Bauch drückte. Die Schmerzen waren immer noch unerträglich, aber sie hatte eine starke Schmerztablette bekommen, die diese lindern sollte. Bisher merkte sie noch nichts davon.

Kari spürte jedoch, wie sich ein Panzer um ihr Herz legte und ihr die Luft zum Atmen nahm.

Sie tauchte in eine andere Welt ab, nahm die Stimmen nur noch dumpf war, als der Arzt ihr sein Beileid kundtat. Doch was brachte ihr das? Es war vorbei. Sie konnte es nicht mehr ändern.

Ihr Baby war tot. Und sie allein war daran schuld. Sie war nicht in der Lage gewesen, es zu beschützen, obwohl sie die Mutter war.

Dieser Gedanke setzte sich in ihrem Kopf fest, benebelte ihre Sinne und ließ in ihr etwas zerbrechen, das sie nicht zuordnen konnte. Sie hatte dieses Baby nicht verdient. Und dieser Bestrafung musste sie sich nun stellen.
 


 

11. Mai 2010. Japan, Entbindungsstation.
 

Er eilte den Flur entlang und suchte nach der Zimmernummer, die ihm sein Vater am Telefon mitgeteilt hatte.

Ein wenig panisch versuchte er die richtige Nummer zu finden, da er genau wusste, dass sie viel zu früh dran war.

Seine Schwester sollte doch erst in einem Monat zur Welt kommen. Etwas musste passiert sein, weshalb sie früher kam.

Takeru kam direkt von der Uni, als ihn ein Anruf seines Vaters erreichte, dass das Baby unterwegs sei. Matt hatte er auch schon versucht zu erreichen, doch er hatte sein Handy mal wieder aus. Für einen kurzen Moment überlegte Takeru bei ihm vorbeizuschneien, doch er hatte deutlich gemacht, wie sehr ihm diese Familie am Arsch vorbei ging. Seit Silvester hatten beide kaum noch miteinander gesprochen und gingen sich weitestgehend aus dem Weg. Ein paar Mal hatte er ihn über den Campus laufen sehen. Meist war er mit Tai unterwegs. Manchmal sogar allein, doch er hatte die Lust verloren, immer weiter mit ihm zu diskutieren.

Es brachte doch sowieso nichts. Er hatte seine Familie längst aufgegeben.

Er stoppte abrupt und wandte sich um. Auf der gegenüberliegenden Seite fand er das Zimmer, zu dem er hin musste.

Ohne Umschweife steuerte er geradewegs darauf zu und klopfte etwas unbeholfen gegen die massive Tür.

Auf der anderen Seite ertönte die Stimme seines Vaters mit einem einfachen „Herein“.

Takeru drückte die Klinke hinunter und steckte seinen Kopf zur Tür hinein.

Sein Vater lächelte müde, während seine Mutter geschafft im Bett lag und den Neuankömmling bereits in ihren Armen hielt.

„Hey“, sagte er leise und trat näher. „Sie ist ja schon da.“

Überrascht ging er zum Bett, während seine Mutter ihn erschöpft anlächelte.

„Sie hatte es sehr eilig“, meinte sie lachend. „Ich habe deinen Vater heute Mittag angerufen, da ich Rückenschmerzen hatte. Als er ankam, war die Furchtblase bereits geplatzt und wir sind sofort ins Krankenhaus“.

„Deine Mutter wollte ja nicht hören“, warf sein Vater ein und sah besorgt zu ihr.

„Was denn? Du wolltest doch den Wickeltisch aufbauen und das eine Teil hat im Weg gestanden. Ich musste es wegräumen“, verteidigte sie sich und sah liebevoll zu dem kleinen Wesen, das in ihren Armen schlief. „Außerdem ist ja noch alles gut gegangen“.

Seine Eltern tauschten einen kurzen aber intensiven Blick miteinander aus. Beide lächelten, sahen aber schnell wieder zu ihrem Baby, das einen zarten blonden Haarflaum auf seinem kleinen Köpfchen hatte.

Gedankenverloren sah er zu seiner Schwester, die ihre Augen geschlossen hatte und schlief.

Seine Eltern sahen so zufrieden aus und für einen Moment erkannte Takeru diesen kleinen, sehr kleinen Hoffnungsschimmer.

Sie wirkten wie eine richtige Familie, auch wenn sie schon seit Jahren getrennt waren. Es lag etwas in der Luft, das er nicht benennen aber durchaus spüren konnte.

Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Wie wollt ihr sie denn jetzt nennen?“, unterbrach er neugierig die Stille.

Sie sahen sich kurz an und seine Mutter fuhr ihrer Tochter über den zarten Haarflaum.

„Sayuri…“, sagte sie auf einmal und richtete den Blick wieder zu seinem Vater. „Sayuri Ishida.“
 


 

Nachdenklich musterte er das Foto, das ihm sein kleiner Bruder geschickt hatte.

Seufzend ließ er den Kopf auf den Tresen sinken und erhaschte somit Soras Aufmerksamkeit.

„Alles klar bei dir? Was hat Takeru denn geschrieben?“, fragte sie interessiert und reichte ihm seinen Kaffee weiter.

Matt hob seinen Kopf an und blickte wieder zu dem gesendeten Foto.

„Er hat mir nur ein Bild geschickt“, antwortete er nüchtern und zeigte es Sora.

„Oh nein, wie niedlich“, quietschte sie und sah strahlend zu Matt, dessen Miene immer düsterer wurde.

„Was ist denn los? Freust du dich denn nicht? Du hast jetzt eine Schwester!“, versuchte sie die Situation zu retten. Sie als Einzelkind hatte sich immer Geschwister gewünscht. Daher konnte sie Matt nicht verstehen, warum er so abweisend gegenüber seiner Familie war. Sie erinnerte sich noch gut an Silvester und den Streit mit Takeru, der sehr an ihm gezehrt hatte.

„Ich finde, du solltest sie unbedingt besuchen.“

Misstrauisch zog Matt die Augenbraue nach oben. „Hast du etwa mit Takeru gesprochen?“

„N-Nein“, stammelte sie, „aber sie ist doch deine Schwester. Und Familie ist das Wichtigste, was man hat.“

„Das ist wirklich süß, aber meine Familie ist schon seit Jahren kaputt. Das Baby ändert nichts“, meinte er stur und nippte an seinem Kaffee.

„Das weißt du doch gar nicht“, protestierte sie schlagartig. „Sie werden sicher ganz viel Zeit miteinander verbringen, werden sich gemeinsam um sie kümmern und vielleicht…vielleicht verlieben sie sich ja wieder ineinander“.

„Ja und Schweine können irgendwann fliegen. Das glaubst du doch nicht wirklich, oder Sora?“

„Naja, warum nicht. Wäre doch schon romantisch“.

Verträumt sah sie ihn an und er spürte wie die Hitze in ihm aufstieg. Er wandte das Gesicht von ihr und versuchte sich zu beruhigen. Beschissene Gefühle, schoss ihm durch den Kopf.

Warum hatte er sich ausgerechnet in sie verliebt?

Es war ganz und gar unmöglich, je mit ihr eine Beziehung zu führen, egal wie sehr er es sich auch wünschte. Tai war sein bester Freund. Sora war seine Exfreundin.

Er konnte sich doch nicht auf einmal dazwischen drängen, auch wenn er diese Gefühle schon eine halbe Ewigkeit mit sich herumtrug.

Nur deswegen hatte er so viele namenlose Affären. Er wollte seine Gefühle für Sora verbergen, sie ganz tief in einem Panzer einschließen, der allmählich sein Herz ersetzte.

Besonders schlimm war die Zeit, als Tai und Sora frisch zusammengekommen waren und er es kaum ertrug, beide miteinander zu sehen. Wie sie miteinander geturtelt hatten, sich in den Armen hielten und küssten. Es machte ihn krank, schürte seine Eifersucht ins Unermessliche, auch wenn er sie niemals zuließ. Lieber versteckte er sich hinter seiner Musik und schrieb die schnulzigsten Lieder, für die ihn reihenweise Mädchen anhimmelten. Doch all diese Lieder waren nur für sie.

Doch das würde sie niemals erfahren, egal wie sehr er sie auch liebte. Seinem besten Freund konnte er nicht in den Rücken fallen.
 


 

14. Mai 2010. New York, Restaurant.
 

Mimi war fassungslos. Vor ihr saß Hikari, die seelenruhig in der Karte blätterte und sich nicht anmerken ließ, was gerade passiert war.

Vor wenigen Tagen war sie zu ihr gekommen und hatte ihr ihre Entscheidung mitgeteilt. Sie wirkte auf sie abgeklärt und niemand schien irgendetwas an ihrer Entscheidung rütteln zu können.

Es war endgültig.

Und Mimi wusste nicht, was sie davon halten sollte. Immer noch über die Tatsache geschockt, dass Hikari ein Baby erwartete, machte sie ihre Entscheidung noch fassungsloser.

Kari liebte Kinder, aber natürlich verstand Mimi ihre Situation. Sie war in New York auf sich alleine gestellt. Mit einem Baby hätte sie die Uni niemals geschafft.

Doch ihre eiskalte, abgeklärte Art irritierte sie.

Als sie den Eingriff hinter sich hatte, wirkte sie gelöst und kein bisschen traurig. Sie hatte sogar noch vorgeschlagen, etwas essen zu gehen.

Wäre Mimi in ihrer Situation gewesen, wäre sie am Tiefpunkt ihrer Verzweiflung angekommen.

Erst wurde sie von einem Unbekannten schwanger, der sie mit wer weiß was für Krankheiten hätte anstecken können und jetzt saß sie ihr vollkommen emotionslos gegenüber.

So als hätte ihr diese Abtreibung rein gar nichts ausgemacht.

Doch Hikari war innerlich wie betäubt. Sie konnte immer noch nicht fassen, was ihr passiert war. Geweint hatte sie nur kurz, direkt nach dem Eingriff.

Danach hatte sie sich selbst das Ziel gesetzt, sich zusammen zu reißen.

Sie bestrafte sich für ihre Gedanken, die sie gegenüber dem Baby hatte. Als der Arzt ihr vor einer Woche mitteilte, dass sie es verloren hatte, war sie erleichtert gewesen.

Als wäre ihr eine unsagbare Last von den Schultern gefallen, doch dem war nicht so.

Ihre Schuldgefühle vermischten sich mit ihren Gedanken und quälten sie, sodass sie kaum ein Auge in den letzten paar Tagen zu bekam.

Ein Tag nach der Fehlgeburt hatte sie den Termin zur Ausschabung, zu dem sie nur April mitgenommen hatte. Sie musste nüchtern erscheinen, hatte den ganzen Abend geweint und war mit den Nerven vollkommen am Ende gewesen.

Nachdem sie die Narkose bekommen hatte, wurde sie in den OP gefahren und bekam von der ganzen Prozedur genaugenommen überhaupt nichts mit.

Danach wurde sie auf ein eigenes Zimmer gebracht, in dem April bereits auf sie wartete. Sechs Stunden musste sie zur Beobachtung da bleiben. Wallace und Peter stießen später noch dazu.

Mimi hatte sie erzählt, dass sie mit April nach Brooklyn gefahren war, um sich diesen Teil New Yorks näher anzusehen. Sie hatte sich sogar einen Stadtführer besorgt, um ihr von diesem Erlebnis, das nie stattgefunden hatte, zu erzählen.

Verdacht hatte sie keinen geschöpft, obwohl es ihr nach dem Eingriff nicht sonderlich gut ging.

Sie schob es bei Mimi auf die Schwangerschaft, auf das Baby, das in ihr gestorben war.

Immer mehr verstrickte sie sich in Lügen, hatte Angst, dass die Sache mit Michael doch noch rauskommen würde. Jetzt, da das Baby nicht mehr existierte, gab es keinen Grund mehr, Mimi die Wahrheit zu sagen. Deswegen erfand Kari die Abtreibung.

Es war die Routineuntersuchung, die nach einer Ausschabung vollzogen wurde. Kari hatte keine Ahnung, wie eine richtige Abtreibung ablief, doch sie war sich sicher, dass es keine zwanzig Minuten dauerte.

Doch Mimi war keinesfalls misstrauisch geworden, da sie wohl so wenig Ahnung wie Kari hatte.

Sie stellte auch keine Fragen, da sie sie nicht belasten wollte.

Kari hingegen fühlte sich so, als würde sie abseits ihres Körpers existieren, da der Schmerz im Inneren zu groß war, um ihn zu ertragen.

Deswegen versteckte sie sich hinter dieser Fassade, die sie sich aufgebaut hatte. Alle ihre Pläne wurden komplett über den Haufen geworfen. Das Baby war tot.

Es war eine Möglichkeit für sie neu anzufangen. Die Sache mit Michael zu vergessen und nach vorne zu schauen. Doch dieser dumpfe Schmerz in ihrer Brust blieb.

Das Gefühl, einen vollkommen falschen Weg zu gehen, stieg in ihr auf. Jedoch ignorierte sie diesen Gedanken, wollte sich nicht damit auseinandersetzen, genauso wenig wie mit dem Tod ihres Babys, an dem sie sich schuldig fühlte.

Sie brauchte einfach nur Ablenkung, musste lernen zu vergessen.

Allerdings hatte ihr niemand gesagt, wie schwer das sein würde...
 


 

20. Juni 2010. Japan, Gästezimmer.
 

Sie war bereits einen Tag bei Wallace und seiner Familie, als sie merkte, dass etwas nicht stimmte.

Wallaces Eltern waren ausgegangen und beide waren mit seiner fünfjährigen Halbschwester Kyo alleine zu Hause.

Kari wollte gerade ins Bad gehen, während Wallace Kyo ins Bett brachte und ihr noch eine Geschichte vorlas.

Im Bad angekommen spürte sie, wie sich der Schmerz, den sie schon den ganzen Tag merkte, sich ausbereitete. Sie hielt sich den Bauch, klappte den Klodeckel runter und setzte sich darauf.

Sie atmete angestrengt.

Die Schmerzen raubten ihr den Verstand, obwohl sie bereits eine Schmerztablette genommen hatte.

Sie wurden nicht weniger und zogen ihr in den Unterleib.

Kari verzog schmerzvoll das Gesicht und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen, doch diese brannten bereits in ihren Augen.

Sie traute sich auch nicht nachzugucken, da sie Angst hatte. Beim letzten Mal war da so viel Blut gewesen, das ihr allein die Erinnerung eine Gänsehaut einjagte.

Warum hatte sie nur solche Schmerzen? Bekam sie etwa ihre Tage?

Sie wollte gerade aufstehen, als ein starker Schmerz durch ihren Unterleib schoss und sie wieder zum Sitzen brachte.

Kari riss die Augen auf und drückte ihre Arme gegen ihren Bauch.

Es wiederholte sich alles. Warum wiederholte sich alles?

Von Panik ergriffen rief sie, ohne nachzudenken, nach Wallace, der sich nur zwei Zimmer weiter befand.

Ihr war egal, dass sie nur in Top und kurzer Hose vor ihm saß. Einen kurzen Moment später stürmte er zu Tür hinein und fand sie immer noch auf dem Klodeckel sitzend vor.

„Was ist denn los?“, fragte er irritiert und musterte sie.

Ihm entging nicht, dass ihr Gesicht sich schmerzverzerrt zusammenzog.

Langsam ging er auf sie zu und kniete sich direkt neben sie. „Hast du Schmerzen?“

Kari biss sich auf sie Lippe und nickte nur. Ihre Arme drückten stärker gegen ihren Bauch, als plötzlich eine Art Blockade löste und sie merkte, dass etwas an ihr hinunterlief.

Ihr schockte der Atem und sie sah erschrocken an ihrem Bein entlang. Tatsächlich bahnte sich eine leichte Blutspur ihren Weg hinunter zu ihren Beinen.

„Es geht wieder los“, flüsterte sie unter Tränen. Wallace hatte das Blut noch nicht bemerkt und fuhr ihr sachte über den Oberschenkel.

„Wovon redest du? Was geht wieder los?“, hakte er verwirrt nach, als Kari die Panik übermannte und sie vom Klodeckel auf den Boden rutschte.

„Es passiert schon wieder! Wie kann das sein? Ich will das nicht“, wimmerte sie und erkannte einen deutlichen Blutfleck auf ihrer Hose.

Wallace schien immer noch keine Ahnung zu haben, von was sie überhaupt sprach, bis er ihren Blicken folgte und ebenfalls an dem Blutfleck hängen blieb.

„Kari…?“, brachte er noch hervor, als sie zusammensackte und wirr vor sich hin stammelte.

Er hatte Mühe ihr richtig zu folgen. Etwas mit Baby, Schuld und Lügen wurde quer durch den Raum geworfen.

Wie ein Häufchen Elend saß Kari vor ihm, hatte die Beine an sich gedrückt und presste den Kopf gegen ihre Knie.

Hilflos beobachtete Wallace, wie sie sich hin und her schaukelte und immer wieder „Ich bin schuld“ vor sich hinmurmelte.

Er sprang mit den Augen immer wieder hin und her, als plötzlich seine Schwester im Türrahmen auftauchte und ängstlich zu ihm schaute.

„Wallace? Was ist los?“, fragte Kyo und drückte sich gegen den Rahmen.

Er sprang auf und versperrte ihr die Sicht, damit sie nicht zu viel mitbekam.

„Warum weint sie denn?“, wollte sie wissen, als er sie auf den Flur zog und die Tür nur einen Spalt aufließ.

„Ihr geht es nicht so gut, aber dein großer Bruder kriegt das schon hin“, versicherte er ihr und steuerte in ihr Zimmer. „Leg dich jetzt besser hin. Das ist nichts für kleine Mädchen“.

„Aber ich will ihr auch helfen“, protestierte sie, als sie wieder in Bett krabbelte.

„Morgen, jetzt wird erstmal geschlafen“, meinte er liebevoll und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

Kyo lächelte sachte und gähnte herzlich.

Leise schlich sich Wallace aus ihrem Zimmer und schloss die Tür.

Im Flur pfriemelte er sein Handy aus der Tasche und wählte Mimis Nummer.
 


 

Mit hochrotem Kopf stand sie vor der Adresse, die ihr Wallace durchs Telefon gesagt hatte.

Sie klingelte und richtete kurz ihre Frisur und zog ihr Shirt glatt.

Mimi konnte immer noch nicht fassen, was gerade in ihrem Hotelzimmer passiert war. Sie spürte immer noch seine Küsse und Berührungen auf ihrer Haut, sodass ihr automatisch ganz heiß wurde.

Sie wusste auch nicht, was sie sich dabei gedacht hatte, doch in diesem Moment fühlte sich alles richtig an. Sie wollte ihm nah sein und das schon seit Ewigkeiten.

Es war nicht nur leidenschaftlicher Sex für sie. Sie hatte Gefühle für ihn.

Gefühle, die sie all die Jahre durch eine schlechte Beziehung verdrängt hatte.

Mimi schnaufte herzhaft und wollte am liebsten wieder in seinen starken Armen liegen, als Wallace ihr die Tür öffnete.

Sein Gesichtsausdruck war unbeschreiblich. Er war erleichtert Mimi zu sehen, aber auch gleichzeitig mit Hikari überfordert, die immer noch im Badezimmer saß und weinte.

„Du hast dir ja ganz schön Zeit gelassen“, begrüßte er sie harsch und ließ sie rein.

Er wollte nicht vorwurfsvoll klingen, aber er hatte eine halbe Ewigkeit auf sie gewartet, sodass er schon befürchtet hatte, dass sie gar nicht mehr auftauchen würde.

Mimi lächelte sachte und versuchte ihr schlechtes Gewissen zu verdrängen, als sie gemeinsam mit Wallace nach oben eilte.

Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, mit Taichi einfach so zu schlafen und Kari warten zu lassen. Doch Mimi ahnte bereits, dass Wallace nur versuchte, sie wieder miteinander zu versöhnen.

Wallace hingegen hatte andere Pläne. Heute sollte Mimi die Wahrheit erfahren. Die ganze Wahrheit!

Kurz vor dem Badezimmer blieb er stehen und blickte ernst zu ihr.

„Bitte mach‘ ihr keine Vorwürfe! Ich habe Angst, dass sie sonst zusammenbricht!“

Verwirrt über seine Worte bemerkte Mimi, dass sie auf Kari eigentlich kaum noch sauer war.

Ihr ganzer Hass richtete sich gegen Michael, der schon so viele Mädchen um den Finger gewickelt hatte. Unter anderem auch sie, die ihn einfach nicht verlassen konnte.

Ungewiss, was sie erwartete, öffnete Wallace die Tür und schritt als Erster ein. Mimi folgte ihm wortlos und erstarrte.

„Kari?!“, fragte sie fassungslos.

Vor ihr saß ein Mädchen, das unaufhörlich weinte.

Sofort sprang ihr der Blutfleck auf Karis himmelblauen Shorts ins Auge.

„Scheiße, was ist hier los?“, platzte es aus ihr heraus und Kari sah erschrocken hoch.

„Was machst du denn hier?“, fragte sie mit immer dünner werdender Stimme und wischte sich mit dem Handrücken über ihr Gesicht.

„Ich habe sie angerufen“, mischte sich Wallace ein und schloss die Badezimmertür. „Du solltest ihr die Wahrheit sagen.“

Karis Augen weiteten sich, während Mimi perplex das Gesicht verzog. Die Wahrheit? Was kam denn noch? War das mit Michael nicht schon genug?

„Ich kann nicht“, brachte Kari hervor und sah entschuldigend zu Mimi.

Doch Wallace schien es ernst zu meinen. Er hatte es satt, ihr als Lügenhelfer zur Seite zu stehen, weshalb er ihr ein Ultimatum stellte.

„Wenn du es ihr nicht sagst, werde ich es ihr sagen!“

„Mir was sagen? Was geht hier überhaupt vor?“, mischte sich Mimi ein und riss die Augen auf.

War sie etwa die Einzige, die nicht eingeweiht war?

Allmählich stieg Wut in ihr auf. Was hatte Kari noch alles vor ihr verheimlicht? Was wusste Wallace, was sie nicht wusste?

Mit einem strengen Blick fixierte sie Kari, die ihrem Blick nicht standhalten konnte und ihr Gesicht in ihre Knie drückte.

„Was ist hier los? Jetzt sag‘ schon“, forderte sie und drohte jeden Augenblick zu explodieren. Sie hasste Geheimnisse, besonders wenn sie die Einzige war, die sie nicht kannte.

Doch Mimi merkte schnell, dass sie mit dem Ton bei Hikari nicht weiterkam. Langsam steuerte sie auf sie zu und setzte sich ihr gegenüber.

Sie schrak zusammen, als sie Mimis Hand auf ihrem einen Knie spürte.

Das erste Mal seit langem sahen sich die beiden in die Augen und Kari überkam ihr schlechtes Gewissen. Die Schuld, mit der sie seit der Fehlgeburt lebte.

„Es tut mir so leid“, wimmerte sie und eine einzelne Träne tropfte auf Mimis Handrücken.

„Bitte sag‘ mir, was wirklich passiert ist“, meinte sie diesmal mit sanfterer Stimme und tätschelte ihr Knie.

„Das Baby…“, brachte Kari hervor, brach kurz danach wieder ab, als sie im Sog der Tränen versank.

„Was ist mit dem Baby?“, wollte Mimi wissen und wurde immer ungeduldiger. Doch sie unter Druck zu setzen, brachte nichts.

Langsam fand sie wieder zurück und wischte sich über ihre Augen. Ihr fiel es so schwer, es auszusprechen, auch wenn es die Wahrheit war.

Wenn sie es sagte, fühlte es sich real an und sie wollte es nicht wahr haben.

„Es ist gestorben“, murmelte sie und kniff die Augen zusammen. „Ich hatte keine Abtreibung.“

Mimi wich zurück und sah sie fassungslos an, während Kari qualvoll schluchzte und ihre beiden Beine mit ihren Armen umschloss. Hilflos wandte Mimi sich um und starrte zu Wallace, der sich angespannt durch die Haare fuhr.

„W-Wir haben sie damals in ihrem Zimmer gefunden und ins Krankenhaus gebracht“, ergänzte Wallace stammelnd.

„Und zu was bin ich mitgegangen?“, fragte Mimi verstört.

„Es war nur eine Nachsorgeuntersuchung, die nach einer Ausschabung notwendig ist.“

Bei dem Wort „Ausschabung“ wimmerte Kari und drückte ihr Gesicht fester gegen ihre Knie.

Plötzlich spürte sie, wie sich zwei Arme um sie legten. Kari sah auf und hatte bereits rote Abdrücke im Gesicht, die sie allerdings nicht sehen konnte.

Mimi sah sie an und drückte sie näher an sich. Ihr Blick war unergründlich. Verzweiflung traf auf Mitleid und Unverständnis, aber auch Erleichterung.

Mimi war froh, dass Kari keine Abtreibung hatte.

So etwas hätte sich die junge Yagami niemals verziehen, das wusste Mimi. Aber eine Fehlgeburt…das war etwas, das eine Frau niemals durchmachen wollte.

Mimi presste den Kopf gegen ihren, während Kari sich etwas lockerte und die Umarmung von Mimi langsam zuließ.

„Warum hast du es mir nicht sagt?“, fragte sie verzweifelt.

„I-Ich…“, setzte sie an, doch kam nicht weiter.

Sie hatte nichts gesagt, weil sie ein Feigling war, der vor ihren Problemen einfach weglief, statt sich ihnen zu stellen.

Sie war nicht mehr sie selbst. Das Baby hatte alles verändert.
 

Fortsetzung folgt...

[Akt 2] Begegnungen.


 

21. Juni 2010
 


 

„Wie konnte das alles nur passieren? Und warum habe ich davon überhaupt nichts mitbekommen?“, stellte sie verzweifelt in den Raum, stützte ihren Ellenbogen auf dem Tisch ab und fuhr sich durch die Haare.

Wallace hatte ihr gerade ein Glas Wasser hingestellt und setzte sich ihr gegenüber.

„Ihr ist es sehr schwer gefallen. Die ganze Sache mit Michael hat sie nicht sonderlich gut verkraftet“, versuchte er ihr zu erklären, doch er fand es komisch gerade mit ihr darüber zu sprechen.

Er kannte Mimi und wusste wie sie reagieren konnte, wenn sie wütend war.

Jedoch quoll im Moment das Mitleid aus ihrem Gesicht.

Damit hatte sie nicht gerechnet. Kari hatte eine Fehlgeburt, die von Michael verursacht wurde.

Es waren viele Informationen, die die hübsche Brünette verarbeiten musste.

„Und sie wollte das Baby wirklich behalten?“ hakte sie fast flüsternd nach und umschloss mit ihren langen Finger das Glas.

Wallace sah bestürzt auf die Tischplatte und nickte nur verhalten. Er wusste nicht, wie er es in die richtigen Worte verpacken sollte.

Mimi hatte mit Michael wirklich genug mitgemacht. Er hatte sie mehrfach betrogen und jetzt kam auch noch raus, dass er ihre beste Freundin geschwängert hatte.

Er konnte sich nicht vorstellen, welches Chaos in ihr vorging.

Völlig geistesabwesend nippte Mimi an ihrem Wasser und schien in längst vergessenen Erinnerungen zu schwelgen.

Kari hatte sich auf Drängen von Wallace hingelegt, da ihre Bauchschmerzen immer noch sehr stark waren.

Er hatte ihr eine Wärmflasche nach oben gebracht, sowie auch einen Tee, den sie allerdings nicht trinken wollte. Genau genommen war Kari immer noch außer sich, konnte nicht verstehen, dass er sie quasi dazu gezwungen hatte, Mimi die Wahrheit zu gestehen.

Doch er hatte es statt und er konnte sie nicht ewig decken, da sie an der ganzen Geschichte zu zerbrechen drohte.

„Aber was ist heute passiert? Warum hatte sie so starke Blutungen?“

Wallace hob den Kopf an und seine Miene veränderte sich auf einmal. „Als du sie umgezogen hast, habe ich kurz mit April telefoniert, weil sie einfach einen besseren Überblick über die Dinge hat als ich“, führte er aus und leckte sich kurz über seine trockenen Lippen.

„Und was hat sie gesagt? Sollten wir sie vielleicht besser ins Krankenhaus bringen?“ Mimis Besorgnis stand ihr ins Gesicht geschrieben, doch Wallace konnte sie zum Glück beruhigen.

„Nein, April meinte, dass es normal wäre, da die erste Blutung nach der Ausschabung immer etwas heftiger ist. Der Arzt hatte es Kari damals erklärt, aber sie war völlig apathisch gewesen und hatte es wohl nicht mitbekommen.“

Mimi seufzte herzlich und sackte ihren Stuhl hinab.

„Wie konnte das nur passieren? Ich hätte besser auf sie aufpassen müssen.“

„Du kannst sie nicht vor allem beschützen!“, stellte Wallace unmissverständlich klar. „Wir machen Fehler. Sehr viele sogar, aber das ist auch gut so, weil wir daran wachsen!“

„Daran wachsen? Ist das dein Ernst? Kari ist ein Wrack! Sie braucht dringend Hilfe. Sie braucht…“

Mimi hielt abrupt inne und presste die Lippen fest aufeinander.

„Sprich ruhig weiter“, forderte er sie auf und musterte sie interessiert.

„Sie braucht jemanden wie ihren Bruder!“
 

_
 

Schwerfällig war sie aus dem Bett gestiegen und ging behutsam die Treppe hinunter, indem sie sich am Geländer entlang balancierte.

Kari konnte beim besten Willen nicht schlafen. Sie hatte starke Unterleibskrämpfe, die sämtliche Muskeln auf einmal beanspruchten und den Schmerz unerträglich werden ließ.

Und sie konnte auch kein Auge zukriegen, wenn sie wusste, dass Mimi da war.

Es war so vieles zwischen ihnen ungeklärt, dass es Kari erneut die Tränen in die Augen trieb und sie mit ihrer Fassung rang. Warum war sie nur so bescheuert gewesen und hatte sich von Michael verführen und auch noch schwängern lassen?

Warum schob sie die Menschen von sich, die sie so sehr liebte? Wie konnte sie nicht merken, dass sich ihr bester Freund in sie verliebt hatte? Sie hatte ihm das Herz gebrochen, nur weil sie so egoistisch war und seine Gefühle missachtete.

Sie blieb auf der letzten Stufe stehen und schluckte hart, als sie realisierte, was sie alles angerichtet hatte.

Dennoch versuchte sie sich zusammen zu reißen und ging schweren Schrittes Richtung Küche, in der sie Licht brennen sah.

Die Tür war einen Spalt offen, als sie davor stehen blieb und hineinsah.

Sie konnte sowohl Mimi als auch Wallace erkennen, die leise zu diskutieren schienen.

Kari trat etwas näher heran, um besser lauschen zu können.

„Du willst es ihrem Bruder sagen? Ist das dein Ernst?“, fragte er ungläubig nach und machte große Augen.

Karis Atem stoppte abrupt. Ihrem Bruder? Sie wollten es ihrem Bruder sagen? Das konnten sie nicht machen. Tai würde ihr das niemals verzeihen.

„Sie braucht ihre Familie“, antwortete Mimi mit Nachdruck, „sonst wird sie nie aus dem Teufelskreis herauskommen. Ich glaube es wäre das Beste, wenn sie eine Therapie macht, um das alles zu verarbeiten.“

Karis Augen weiteten sich, als sie das Wort Therapie hörte. Hielten ihre Freunde sie etwa für verrückt? Sie hatte ihr Baby verloren, konnte denn keiner verstehen, dass sie trauerte? Sie würde dieses Kind niemals sehen, war teilweise sogar froh, dass sich diese Last von selbst gelöst hatte. Eine Therapie? Nein, das wollte sie nicht. Sie wollte einfach nur vergessen.

Mit leisen Schritten entfernte sie sich von der Tür, als plötzlich Wallace Stimme ertönte.

Gespannt blieb sie doch stehen und hoffte, dass er Mimi diese wahnwitzige Idee ausreden würde.

Sie brauchte keine Hilfe. Nicht von Tai, ihrer Familie oder einem bescheuerten Therapeuten, der es sowieso nicht mehr ändern konnte, was passiert war. Keiner konnte ihr dieses Baby zurückbringen.

„Du hast Recht“, löste sich schwerfällig von seinen Lippen. „Vielleicht sollten wir morgen einfach alle zusammen miteinander reden. Dann fällt es ihr auch sicher leichter und man kann ihr dann auch schneller helfen.“

Geschockt riss Kari die Augen auf, fuhr mit der Hand über ihr Gesicht und verschloss ihren Mund. Ein gequälter Laut kam dennoch über ihre Lippen, doch die beiden hörten sie zum Glück nicht.

Verzweifelt wandte sie sich um und sah in Richtung Flur, als auf einmal eine Sicherung in ihr durchbrannte.

Hastig, aber relativ leise, stürmte sie den Hausgang vor zur Tür, schlüpfte in ihre Schuhe und begab sich in die kühle Nacht.
 

_
 

Er hatte sich nach draußen begeben, weil ihm in der Wohnung einfach die Decke auf den Kopf zu fallen drohte. Er war alleine zuhause, da seine Freunde alle etwas anderes vorhatten.

Yolei gab vor mit einer Freundin lernen zu wollen, aber er war sich sicher, dass sie ihn belog. Ihm war schon länger aufgefallen, dass sie in letzter Zeit oft das Weite suchte und meist erst sehr spät nach Hause kam. Doch er hatte selbst genug Probleme und wollte sich darüber ganz sicher nicht auch noch den Kopf zerbrechen.

Davis und Ken hatten sich ins Nachtleben begeben, da einige Kollegen von Ken sich in einer nahegelegenen Bar zum Fußball gucken verabredetet hatten. Da Ken am nächsten Tag frei hatte und Davis meist seine Vorlesungen eh verschlief, würde es wohl spät werden.

Doch Takeru wollte einfach mal etwas frische Luft schnappen und die ganze Verwirrung, die in seinem Kopf herrschte für einen kurzen Moment vergessen.

Seit er sich mit Kari gestritten hatte, flüchtete er sich in die Arme von Mariko, die sie nur zu gerne für ihn ausbreitete.

Er wusste, dass es falsch war, weiterhin diese seltsame Beziehung am Laufen zu halten, da er sie nicht liebte, sie aber anscheinend schon mehr für ihn empfand.

TK wollte sie nicht verletzen, aber er brauchte einfach ihre Zuneigung, um die Lücke seines Herzens zu füllen, die unaufhörlich schmerzte.

Er wusste gar nicht, was er von Hikari erwartet hatte. Takeru war doch bewusst gewesen, dass sie Gefühle für Yamato hatte. Er glaube allerdings, dass sie es irgendwann von selbst merken würde, dass beide nicht zusammenpassten und sie wohlmöglich erkannte, dass sie füreinander bestimmt waren.

Licht und Hoffnung. Immer wieder redete er sich ein, dass sie doch zusammengehörten, sie für einander bestimmt seien. Aber er irrte sich wohl.

Es war nur einer seiner unerfüllten Träume, die er abschreiben musste. Er musste einfach alles hinter sich lassen, akzeptieren, dass Kari für ihn nicht mehr als Freundschaft empfand. Dass Mariko nur Ablenkung war und er sie nicht weiter ausnutzen durfte.

Takeru brauchte einen Neuanfang.

Völlig in Gedanken versunken, gelangte er zum Park, der nur von den Laternen erleuchtet war.

Es war menschenleer, etwas was Takeru brauchte. Ruhe. Zeit zum Nachdenken.

Langsam schritt er den Weg entlang und überlegte, ob er sich nicht auf eine Bank setzen wollte, um die Sternenbilder etwas genauer zu betrachten.

Die Nacht war zwar etwas kühler als sonst, aber recht klar, weshalb man die Sterne auch um Park gut erkennen konnte.

Er trug eine leichte Jacke und hatte gerade seine Hände in den Taschen vergraben, als er ein leises Schluchzen vernahm.

Er war wohl doch nicht allein, aber er konnte keinen erkennen. Doch je näher er kam, desto lauter wurde das Schluchzen.

Takeru konnte im gedämmten Licht der Straßenlaterne jemanden auf der Parkbank sitzen sehen.

Vorsichtig kam er der Person näher, schluckte aber, als er sie erkennen konnte.

Das durfte doch nicht wahr sein…

Immer hatte er ausgerechnet so ein Pech. „H-Hikari? Was machst du denn hier?“
 

_
 

Erschrocken blickte sie auf und fuhr sich hektisch durchs Gesicht, als sie ihren besten Freund vor sich erkannte, auch wenn sie nicht sicher war, ob sie ihn noch so nennen durfte.

Mit zitternden Fingern fuhr sie sich über die Augenpartie und versuchte ihren Schmerz hinunterzuschlucken, obwohl sie bereits seit einer Stunde hier saß und hemmungslos weinte.

Kari war vollkommen kopflos aus der Wohnung von Wallace gestürmt und hatte noch nicht mal eine Jacke mitgenommen, obwohl sie nur ein dünnes Top trug.

Sie hatte zwar eine lange Hose an, da ihre Hotpants, nachdem sie ihre Tage bekommen hatte, sofort in die Wäsche wanderten, aber trotzdem war es ihr recht kalt geworden.

Mit geröteten Augen sah sie direkt zu Takeru, der sie sorgenvoll musterte.

Man merkte ihm an, dass es ihm sichtlich schwer fiel, hier vor ihr zu stehen und genau zu wissen, dass sie ihn abserviert hatte.

Ihr schlechtes Gewissen gegenüber ihm wuchs, als sein Blick plötzlich weicher wurde und er sich zu ihr hinunter beugte.

„Was ist denn passiert? Du siehst völlig fertig aus!“, stellte er fest und stellte seine eigenen Gefühle einfach hinten an, weil er sich Sorgen um sie machte.

Takeru war immer so. Dachte viel zu oft über ihre Gefühle nach, versuchte ihr beizustehen, auch wenn es für ihn sicher die Hölle auf Erden war. Wie oft hatte sie über Matt gesprochen und ihre unerwiderte Liebe? Sie hatte ihn verletzt, ohne es richtig zu merken.

Ihre salzigen Tränen stiegen auf und quollen ihre Wangen hinunter, als sie den Schmerz in seinen Augen sah, den sie verursacht hatte.

„Es tut mir leid! So unfassbar Leid“, murmelte sie wehleidig und brach erneut in einem Tränenmeer zusammen.

Ihr ganzer Körper begann zu schlottern, der tiefsitzende Schmerz kroch ihre Kehl hoch und äußerte sich in einem leisen Wimmern, während sie ihr Gesicht unter ihrem Haarvorhang versteckte.

Verzweifelt drückte sie ihre Handflächen gegen ihre nassen Augen, schluchzte herzzerreißend und konnte sich einfach nicht mehr beruhigen.

Sie hatte dieses ganze Chaos fabriziert, hatte Takerus Herz herausgerissen und es gebrochen. Und jetzt war er hier, beugte sich besorgt zu ihr hinunter, so als wäre nichts gewesen.

Plötzlich spürte sie, wie er mit seinen kühlen Fingern ihre Wange entlang strich.

Zaghaft sah sie ihn an, blickte ihm tief in die blauen Augen und spürte wie ihr Herz schneller gegen ihre Brust pochte. Lange konnte sie seinem Blick nicht standhalten, da sie sich zu sehr schämte.

„Was machst du hier draußen nur? Was ist passiert?“, hakte er erneut nach, doch sie war nicht fähig ihm eine anständige Antwort zu geben.

Was sollte sie auch sagen? Dass sie abgehauen war, weil Mimi und Wallace ihr Geheimnis verraten wollten und sie für verrückt erklärten?

Ihre Tränen vermehrten sich, tropften auf das raue Holz der Bank auf der sie saß. In ihr bereitete sich ein Chaos aus, dass sie nicht mehr kontrollieren konnte.

Wenn die anderen von all dem erfahren würden, was würden sie nur über sie denken? Sie allein war daran schuld, dass ihr Baby nicht mehr lebte. Sie hätte das kleine Wesen in ihrem Bauch besser beschützen müssen, auch wenn es ein Unfall war und sie sich überhaupt nicht bereit fühlte Mutter zu werden. Alles war ihre Schuld! Sie hatte einen Freund wie Takeru einfach nicht verdient, der trotz des Ganzen für sie da war und ihr beistand. Doch als sie ihm wieder in die Augen sah, konnte sie es nicht länger zurückhalten, sank in seine Arme und alle Dämme brachen.

Sie konnte nicht länger weglaufen. Sie musste dazu stehen, auch wenn es ihr schwer fiel.
 

_
 

Ungeduldig tippte er mit dem Fuß auf und wartete darauf, dass das Teewasser kochte.

Davis und Ken waren immer noch nicht zurück, aber nachdem er einen Blick auf die Uhr gewagt hatte, war er noch nicht mal eine halbe Stunde weggewesen.

Mit ihrer Rückkehr rechnete er nicht vor Mitternacht. Deswegen hatte er auch sie mithergebracht.

Davis würde sicher ausflippen, aber das war ihm egal.

Noch nie hatte er seine beste Freundin so fertig gesehen und er brachte es einfach nicht übers Herz, die Frau die er aufrichtig liebte, einfach im Park sitzen zu lassen.

Es musste etwas vorgefallen sein! Sie hatte ihm allerdings immer noch nicht erzählt was.

Nachdenklich befüllte er zwei Tassen mit warmen Wasser und nahm sie am Henkel, während er langsam in sein Zimmer schritt.

„Ich habe uns Tee gemacht“, sagte er, als er die Tür mit dem Fuß aufdrückte und Hikari auf seinem Bett sitzen sah.

Sie hielt etwas in ihrer Hand, doch er konnte nicht erkennen, was es war. Ihr Blick war ernst, auch wenn ihre Augen rot unterlaufen waren.

Mit gerunzelter Stirn stellte er die Tassen auf seinem Schreibtisch ab und setzte sich mit etwas Abstand ans Fußende seines Bettes.

Hikari atmete tief ein und wieder aus, als sie ihm das Stück Papier reichte. Verwirrt nahm er es entgegen, drehte es herum und konnte sich für einen kurzen Moment keinen Reim darauf bilden, was sie ihm damit jetzt sagen wollte.

Doch ihm wurde schnell bewusst, dass er sowas schon mal gesehen hatte. Bei seiner Mutter. Als sie mit seiner kleinen Schwester schwanger war.

Seine Atmung setzte aus, seine Augen weiteten sich und ein Stechen durchfuhr seine Brust.

Er hielt ein Ultraschallbild in Händen, doch es stand ganz klar der Name seiner besten Freundin drauf.

„Kari…“

Er setzte an, brach aber sofort wieder ab, da er es nicht fassen konnte. Kari war schwanger?

Hatte sie ihn etwa doch belogen? Hatte sie mit Matt geschlafen? War das etwa das Resultat davon?

Die Wut brodelte in ihm hoch. Was sollte das? Warum ging sie damit nicht zu seinem ‚ach so tollen‘ Bruder?

Doch als er sie ansah, merkte er, dass etwas nicht stimmte.

Sie hatte schmerzerfüllt die Lippen aufeinander gepresst und wartete scheinbar darauf, dass er etwas zu ihr sagte.

Ihre großen kaminroten Augen waren auf ihn gerichtet und starrten Takeru voller Verzweiflung an.

Erst jetzt sah er sich das Ultraschallbild genauer an und entdeckte ein Datum, dass all seine Theorien ins Wanken brachte.

„Aber? Ich versteh‘ nicht…bist du etwa schwanger? Von wem denn?“, fragte er und versuchte ruhig zu bleiben.

Doch das rasche Kopfschütteln Hikaris signalisierte ihm, das hinter dieser Geschichte mehr steckte, als er bisher vermutete.

Was war nur in Amerika passiert? War sie deswegen bei ihm zusammengebrochen?

„Ich habe Mist gebaut“, gab sie mit brüchiger Stimme zu und presste ihre Knie gegen ihren Körper.

Takeru setzte an etwas zu sagen, hielt aber inne, als ihre weinerliche Stimme ertönte.

„Ich wollte das alles nicht. Ich habe dich verletzt und Mimi. Ich bin so ein furchtbarer Mensch“, nuschelte sie und drückte ihre Hand gegen ihre Stirn. „I-Ich weiß nicht mehr weiter. Mimi will es Tai erzählen. Wenn er es erfährt, wird er furchtbar von mir enttäuscht sein und Mama und Papa werden es dann auch erfahren“, stammelte sie wirr durcheinander, sodass Takeru Schwierigkeiten hatten, ihr richtig zu folgen. Was hatte Mimi damit zu tun?

Unruhig rutschte er etwas näher an sie heran und berührte zärtliche ihre Hand, was sie zusammenfahren ließ. Doch sie lächelte bei seiner liebevollen Geste leicht, auch wenn ihr Lächeln schnell verblasste und den Tränen wich.

Behutsam legte er den Arm um sie, unterdrückte seine verletzten Gefühle und schenkte ihr starke Arme, die sie stützten.

Er zog sie etwas näher an sich heran, sodass sie sich auf einmal sehr nah kamen.

„Jetzt erzähl‘ mir bitte alles in Ruhe. Von Anfang an, okay?“

Sachte strich er ihr einige Strähnen hinter ihr Ohr, damit er ihr Gesicht besser sehen konnte.

Dann begann sie zu erzählen…
 

Fortsetzung folgt...

Impulse.


 

22. Juni 2010
 


 

Sie blinzelte leicht, als sie erkannte, dass die Sonne direkt auf ihr Gesicht schien. Stöhnend schloss sie die Augen wieder und drückte sich gegen den warmen Körper, der sie die ganze Nacht in seinen Armen gehalten hatte.

Langsam öffnete sie die Augen wieder, blickte etwas hoch und betrachtete Takerus schlafendes Gesicht, das sehr friedlich aussah, obwohl sie ihm gestern Abend alles erzählt hatte, was auf ihrem Herzen brannte und sie belastete.

Sie drückte ihren Kopf ein wenig mehr an seine Brust, atmete seinen Duft ein, den sie noch nie so intensiv wahrgenommen hatte, wie jetzt.

Sie fühlte sich einfach furchtbar. Sie wusste von seinen Gefühlen und lag trotzdem in seinen Armen, weil sie sich nach Geborgenheit sehnte.

Kari hatte gestern viel geweint, ihn praktisch angefleht die Nacht über bei ihr zu bleiben, obwohl er auf dem Boden schlafen wollte.

In diesem Moment wollte sie ihn einfach nur bei sich haben, seinen wärmenden Körper nicht missen, auch wenn sie sich unfair ihm gegenüber verhielt.

Sie hatte ihm gesagt, dass sie nur Freunde waren. Nicht mehr.

Kari stieß ihn von sich weg, nahm ihn jedoch immer wieder, wenn sie ihn brauchte.

Doch tief in ihrem Herzen wusste sie, dass es nicht so war. Es war viel komplizierter als das.

Etwas, was sie nicht beschreiben konnte, hatte sich zwischen sie geschlichen. Doch nach all dem was passiert war, fiel es ihr unsagbar schwer ehrlich zu sein.

Sie fuhr mit der flachen Hand über seine Brust und spürte unter ihrer Hand das gleichmäßige Schlagen seines Herzens.

Wehmütig biss sie sich auf die Unterlippe und erinnerte sich an das Gespräch, dass sie geführt hatten.

Er war so verständnisvoll gewesen, hörte ihr zu, nahm sie bereitwillig in den Arm und versuchte ihr zu helfen. Er hatte sie auch dazu überredet, Mimi und Wallace eine SMS zu schreiben, da sich beide sicher Sorgen gemacht hatten. Deswegen hatte sie eine kurze Nachricht von TKs Handy an Mimi getippt, da sie ihr einiges Telefon bei Wallace gelassen hatte.

Mimi hatte sogar eine kurze SMS zurückgeschrieben, auch wenn sie sehr verwundert schien, dass Kari ausgerechnet bei Takeru war. Schließlich hatten sie sich zerstritten, auch wenn sie nicht mehr viel davon merkte.

Viel hatten sie allerdings nicht über den Streit gesprochen, da Kari versuchte diesem Thema aus dem Weg zu gehen, um ihren eigenen Gefühlen zu entfliehen.

Zwar sprachen sie auch kurz über Matt und die Tatsache, dass sie rumgemacht hatten, aber weiter wurde dieses Thema nicht ausgeführt.

Dennoch fiel Kari auf, dass sich Takeru sehr zusammenriss, während sie über Matt sprachen.

Ihr war mittlerweile klar geworden, dass sie einem Hirngespinst hinterherjagte. Sie hatte sich immer gewünscht, Matt einmal küssen zu dürfen, als sie noch jünger war.

Doch seit dies geschehen war, schienen auch ihre Gefühle für ihn immer weniger zu werden.

Bei Takeru sah die Sache ganz anders aus.

Sie war damals schon nicht ehrlich zu ihm gewesen, als er sie fragte, was der Moment zwischen ihnen zu bedeuten hatte, als sie gemeinsam auf Saya aufpassten.

Kari wusste genau, was sie gefühlt hatte, doch sie hatte es tief in ihrem Inneren vergraben, weil sie sie es selbst nicht wahrhaben wollte.

Takeru war viel zu gut für sie. Hikari hatte ihn nicht verdient.

Es war ihr bereits in den USA aufgefallen, wie sehr sie ihn vermisste, dass Wallace und auch sonst keiner ihn ersetzen konnte. Auch nicht Mimi, egal wie gut sie sich auch mit ihr verstand.

Ihre Gedanken kreisten öfters um ihn, als sie jemals zugeben wollte.

Doch es war zu spät. Sie hatte alles kaputt gemacht.

Schweren Herzens erhob sie sich aus seinem Bett und fuhr zart über sein Gesicht. So leise wie möglich kletterte sie über ihn hinweg und wollte aus dem Bett steigen, als er sich plötzlich bewegte und sie ins Straucheln kam. Sofort versuchte sie ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen, scheiterte jedoch kläglich und drohte aus dem Bett zu fallen, als Takeru sie geistesgegenwärtig packte und am Fallen hinderte.

Ein wenig verdattert blieb sie auf ihm sitzen, als sie realisierte in welcher Position sich beide befanden.

„Oh Gott“, brachte sie hervor und lief knallrot an, als sie peinlich berührt von ihm runterstieg und sich neben ihn aufs Bett setzte.

„Tut mir leid, das ist mir echt unangenehm“, sagte sie schüchtern, während Takeru sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

„Kein Problem“, meinte er locker und setzte sich ebenfalls auf. „Willst du vielleicht etwas frühstücken? Ich kann uns was holen.“

Doch Kari hatte keinen Hunger. Zwar schienen Davis und Ken noch in den Betten zu liegen, da sie erst mitten in der Nacht nach Hause gekommen waren, aber dennoch wollte sie nicht Gefahr laufen ihnen noch zu begegnen.

Am liebsten wollte sie zu Wallace, in Ruhe duschen, sich frische Klamotten anziehen und sowohl mit ihm als auch mit Mimi reden.

Aber vor allem wollte sie aus dieser Situation entfliehen, die sie mehr als nur unangenehm empfand, auch wenn sie sich wünschte, dass es anders wäre.

Takeru wusste zwar mittlerweile, was alles vorgefallen war, aber sie konnte nicht richtig einschätzen, was er wirklich davon hielt.

Sie hatte sich schrecklich verhalten. Betrunken mit Mimis Ex geschlafen und wurde auch ausgerechnet schwanger von ihm. Sie hatte erwartet, dass Takeru sie entsetzt ansah und mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte, doch als sie ihm von der Fehlgeburt erzählte und was genau passiert war, veränderte sich die komplette Stimmung zwischen ihnen.

So als hätte er ihr sofort verziehen, obwohl sie gar nicht über ihre Beziehung geredet hatten.

Wahrscheinlich wurde er vom Mitleid getrieben, dass das eigentliche Problem überschattete. Das Gleiche glaubte sie auch bei Mimi, die plötzlich so verständnisvoll reagierte.

Es lag nicht daran, dass die beiden ihr verziehen hatten.

Nein, sie hatten Mitleid, weil Kari ihr Baby verloren hatte.
 

_
 

„T-Takeru?“, ertönte ihre zitternde Stimme. Er lächelte verhalten, da er noch nicht so recht wusste, wie er mit ihr umgehen sollte.

Sie hatte viel durchgemacht und er hatte Angst noch mehr kaputt zu machen, indem er das Falsche sagte.

„Ja? Was gibt’s?“

Sie sah ihn dringlich an, zwang sich zu einem kurzen Lächeln, als die Traurigkeit sie wieder einnahm.

„Danke…“, brachte sie über die Lippen und wandte den Blick von ihm. „aber du brauchst nicht extra nett zu mir zu sein. Ich habe dir wehgetan und deine Freundschaft gar nicht verdient.“

Augenblicklich entgleisten ihm sämtliche Gesichtszüge.

„Was? So ein Unsinn, ich…“

„Nein! Das ist überhaupt kein Unsinn“, unterbrach sie ihn und seufzte. „Ich hab‘ das nicht verdient! Ich hab‘ dich nicht verdient.“

„Was reimst du dir da zusammen, Hika? Jeder Mensch macht Fehler! Ich habe völlig überreagiert, als ich dir die Freundschaft gekündigt habe. Ich weiß, dass man für seine Gefühle nichts kann, aber ich war verletzt gewesen, weil ich nicht verstehen kann, warum du lieber meinen Bruder willst, statt mich. Aber gerade durch gestern ist mir bewusst geworden, dass ich dich nicht verlieren will. Du bist meine beste Freundin und wir können das schon überstehen. I-Ich werde schon darüber hinweg kommen. Ich brauche einfach ein bisschen Zeit, um meine Gefühle für dich abzulegen“, erklärte er ihr ausführlich und blickte in ihr geschocktes Gesicht, dass sich prompt erneut mit Tränen füllte.

Er wusste doch, dass er nur etwas Falsches sagen konnte.

„Hika, i-ich…tut mir leid, ich wollte nicht schon wieder mit dem Thema anfangen. Ich…“

Doch weiter kam er nicht, da sie mit ihren zarten Fingern sein T-Shirt ergriff, ihn näher an sich zog und sehnsüchtig die Lippen auf seine presste.

Überrascht riss Takeru die Augen auf und konnte nicht fassen, was Kari gerade tat.

Sie küsste ihn! Aber wieso?

Hatte sie nicht behauptet, sie wären nur gute Freunde?

Was sollte das dann? Er konnte nicht glauben, was hier gerade abging.

Dennoch fiel es ihm äußerst leicht, seinen Verstand für wenige Minuten auszuschalten und ihren Kuss zu erwidern, der immer inniger wurde.

Sanft fuhr er mit seiner linken Hand hinter ihren Nacken und presste seine Lippen noch fester gegen ihre, als er spürte wie sie langsam dem Mund öffnete und seine Zunge sachte in ihre Mundhöhle eindrang. Von der Leidenschaft gesteuert, gaben sie sich voll und ganz ihrem Kuss hin, der ihm zeigte, dass hier definitiv mehr als nur Freundschaft vorhanden war.

Es war ganz anders als die Küsse, die er mit Mariko teilte. Es war liebevoll, aber trotzdem leidenschaftlich, sodass es Lust auf mehr machte.

Doch ihr gemeinsamer Moment verflog schneller als ihm eigentlich lieb war, als Kari sich vollkommen geschockt von ihm löste und die Hände vor dem Mund zusammenschlug.

„Oh Gott, das tut mir so leid“, meinte sie nur und rutschte mit den Knien schnell zur Bettkante. „Ich weiß auch nicht, was da gerade in mich gefahren ist.“

Sie wollte aufstehen, als Takeru sie prompt am Arm packte und zurückzog.

„Nee so nicht, Hikari! Du kannst mich nicht einfach küssen und dann abhauen!“

Widerwillig blieb sie sitzen und versuchte ihr Gesicht unter ihren Handflächen zu verstecken, was Takeru allerdings nicht zuließ. Er hielt ihre Hände fest umklammert und zwang sie ihn anzusehen, auch wenn sie mit den Augen unruhig hin und her huschte.

„Was sollte das? Du hast doch letztens noch gesagt, dass wir nur Freunde sind! Und jetzt? Jetzt küsst du mich einfach so und willst abhauen?“

„I-Ich weiß auch nicht, was da über mich kam“, redete sie sich heraus und scheute sich ihm ins Gesicht zu schauen. Doch er ließ nicht locker und wollte unter allen Umständen wissen, was das zu bedeuten hatte.

„Hast du etwa doch Gefühle für mich?“, fragte er interessiert, ließ sie aber danach los.

„I-Ich…“, sie brach ab und senkte den Kopf.

„Was? Jetzt sag‘ schon!“, forderte er sie auf und spürte nicht, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlte.

Mit einem durchdringenden Blick fixierte er sie, doch ihr schien alles zu viel zu werden, als sie plötzlich aufsprang und aus seiner Zimmertür stürmte.

Sofort lief er ihr hinterher und bekam mit wie sie hektisch ihre Schuhe anzog und gerade im Begriff war aus der Tür zu stürmen, ohne ihm eine Antwort gegeben zu haben.

Er musste sie unbedingt aufhalten.

Ohne darüber nachzudenken stürmte er zu Tür und versperrte sie, bevor Kari sie erreichte.

„Bitte lass mich vorbei“, bat sie wehleidig, doch er bewegte sich keinen Zentimeter.

„Erst wenn du mir eine Antwort gegeben hast!“

„Takeru, bitte…“, flehte sie, als er einen Schritt auf sie zukam und versuchte ihre Hand zu greifen, welche sie allerdings sofort entzog.

Wütend blickte er sie an und konnte sich nicht mehr länger zügeln.

„Warum machst du sowas? Du tust mir unfassbar weh damit!“, sagte er lauter als gewollt und hörte prompt die brummige Stimme von Daisuke, der sich nach einer kurzen Nacht aus dem Bett gequält hatte.

„Man was ist hier denn für ein Lärm?“, fragt er aufgebracht, blieb aber mitten im Raum stehen, als er Kari erkannt hatte. „Was macht die denn hier?“

Sein abschätziger Blick verriet mehr, als er sagen brauchte. Ihm war sie nach wie vor ein Dorn im Auge.

Wartend hatte er die Arme vor der Brust verschränkt und sah fragend zu Takeru, der sich etwas von der Tür entfernte und Kari sofort die Gelegenheit nutzte und aus der Wohnung stürmte.

„Scheiße“, fluchte er, als er ihr hinterher schaute und direkt zu seinen eigenen Schuhen griff und hineinschlüpfte, um ihr nachzulaufen.

„Was ist hier überhaupt los? War sie etwa die ganze Nacht bei dir?“, hakte Davis verärgert nach.

„Ist doch gerade völlig egal, ich muss ihr hinterher“, sagte Takeru mit Nachdruck und schnappte sich seine Jacke, als Davis ihn erneut aufhielt.

„Ist das dein Ernst? Hast du dich etwa wieder mit ihr vertragen? Nach all dem, was sie dir angetan hat? Bist du wahnsinnig?“

Er blieb kurz stehen und drehte sich seinem Mitbewohner und langjährigen Freund zu.

„Weißt du was? Ich habe in letzter Zeit viel zu oft auf andere gehört und damit ist jetzt Schluss! Das ist meine Sache und nicht deine!“, erwiderte er ein wenig schroff und knallte die Tür hinter sich zu.
 

_
 

Eilig entfernte sie sich von seiner Wohnung und fuhr sich hektisch durch die Haare. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Warum hatte sie ihn bloß geküsst? War sie von allen guten Geistern verlassen? Hatte sie nicht schon genug Probleme?

Aber als er ihr sagte, dass er seine Gefühle sogar aufgeben würde, um ihre Freundschaft nicht zu gefährden, war eine Sicherung in ihr durchgebrannt.

Sie hatte nicht nachgedacht, lief sogar Gefahr, dass er nun überhaupt nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.

Doch hatte es sich gelohnt? War sie jetzt schlauer als vorher und würde es überhaupt etwas an den Tatsachen ändern oder nur noch komplizierter machen?

Ihre Gefühle standen Kopf. Der Kuss mit ihm war ganz anders, als die Küsse, die sie jemals hatte.

So etwas hatte sie noch nie empfunden. Ihr Herz pochte immer schneller, je länger sie darüber nachdachte.

Unbewusst fuhr sie sich über die Lippen, als sie ihre Schritte verlangsamte und stehen blieb.

Was tat sie hier eigentlich?

Sie lief weg – so wie sie es die ganze Zeit getan hatte.

Doch sie konnte doch nicht vor allem immer nur weglaufen. Sie wollte ihn küssen, mehr als sie es bis vor kurzem zugegeben hätte.

Ihr war bewusst, dass alles sehr überstützt über sie hineinbrach, doch sie hielt es ohne Takeru nicht mehr aus. Als er ihre Freundschaft beendet hatte, hatte sie das Gefühl endgültig den Boden unter ihren Füßen zu verlieren.

Gestern Abend fühlte es sich das erste Mal so an, als würde sie ein Stückchen Boden wieder zurückerlangen, nur weil Takeru für sie da war.

Sie musste umdrehen und mit ihm reden. Das war sie ihm schuldig, nach all dem, was er wegen ihr durchmachen musste.

Sie drehte sich herum, kam aber nicht weit, da sie prompt mit jemandem zusammenbretterte.

Kari wedelte wild mit den Armen, kam aber gerade noch zum Stehen, als sie in zwei vertraute blaue Augenpaare blickte.

„Du solltest wirklich aufpassen, wo du hinrennst“, meinte er grinsend.

Doch Kari konnte nicht an sich halten und schlang sofort die Arme um ihn. Sie hatte sich schon gedacht, dass er ihr folgen würde, sie hatte nur nicht erwartet, dass er so dicht hinter ihr war.

„Es tut mir leid, ich bin so blöd“, murmelte sie in sein Ohr und spürte wie sich seine Arme um ihren zierlichen Körper legten und sie fest drückten.

„Ich war auch nicht besser“, hauchte er ihr entgegen und ließ sie wieder los. „Ich habe dich zu sehr bedrängt, obwohl du mir die ganze Geschichte erzählt hast.“

„Takeru, ich…“

„Nein, du brauchst mir jetzt keine Antwort zu geben. Ich glaube, du bist gerade sehr verwirrt und verunsichert und ich will dich nicht zu was drängen, wenn du selbst nicht sicher bist, was es zu bedeuten hat“, erwiderte er behutsam, doch Kari schüttelte sofort den Kopf.

„Ich habe dich wahnsinnig vermisst“, gestand sie ihm und kämpfte erneut mit ihren Tränen. „Als ich erfahren habe, dass sich schwanger bin, wollte ich unbedingt nach Hause, am liebsten zu dir. Aber als ich das Baby verloren habe, wollte ich einfach nur vergessen, was passiert war, weil es zu sehr wehgetan hat.“

Sie machte eine kurze Pause und sah ihm direkt in die Augen. „So furchtbar, wie in dieser Nacht hatte ich mich nur noch ein einziges Mal gefühlt und das war nicht als die Sache mit Matt, sondern als du gesagt hast, dass du mich nicht mehr sehen willst.“

Überrascht sah er zu ihr hinab und konnte sofort erkennen, dass sie es ernst meinte.

Kari wollte natürlich nichts überstürzen, aber sie wollte, dass er wusste, wie wichtig er ihr war.

Takerus Gesichtszüge wurden auf einmal sehr weich und ein leichtes Lächeln zog sich über seine Lippen, da er verstanden hatte, was sie ihm durch die Blume damit sagen wollte.

„Wie wäre es wenn wir wirklich frühstücken gehen. Hier ist ein kleines Café und ich habe gerade wirklich Hunger“, sagte er lächelnd.

Etwas peinlich berührt sah sie an sich hinunter und erkannte, dass beide noch im Schlafanzug waren.

„Sollten wir uns nicht vielleicht etwas anziehen?“, hakte sie nach.

„Ach was, ich glaube wir fallen da echt kaum auf“, antwortete er vorhersagend und wollte sich gerade in Bewegung setzen, als Kari nach seiner Hand griff und sie fest umklammerte.

Er sah zu ihr, sagte aber nichts, als sich beide zu dem nahegelegenen Café aufmachten.
 


 

07. Juli 2010
 


 

Angespannt ging sie in ihrem Hotelzimmer auf und ab. Sie starrte auf ihr Handy und spielte mit einer störenden Haarsträhne, während sie immer wieder das Display anstarrte.

Ganze zwei Wochen waren seit Hikaris Zusammenbruch vergangen, die wie im Flug vorüberzogen.

Sie hatten sich nicht wirklich ausgesprochen, doch Mimi wollte sie nicht noch mehr belasten, da sie genau wusste, wie schlecht es ihr zurzeit ging. Ihr fiel es immer noch sehr schwer Kari zu verzeihen, auch wenn sie mittlerweile wieder ein Zimmer miteinander teilten. Dennoch hatten sie ihren Streit vorerst beigelegt.

Sie spürte auch das Kari sich verändert hatte, auch wenn sie Tai und ihrer Familie immer noch nicht die Wahrheit gesagt hatte. Doch Mimi wurde bewusst, dass sie sie nicht dazu zwingen und über Karis Kopf hinweg entscheiden konnte. Genau genommen war sie Tai auch eher aus dem Weg gegangen, statt auf ihn zuzugehen.

Sie wusste nicht so recht, wie sie mit ihm umgehen sollte, da jede Zusammenkunft nach dem besagten Abend sehr verkrampft war.

Natürlich war er öfters hier gewesen, nachdem Kari wieder eingezogen war, da er sich auch dafür interessierte, warum die beiden sich gestritten hatten.

Doch Kari schwieg, sagte das Mädchen öfters mal Meinungsverschiedenheiten hatten, sich aber durchaus wieder miteinander vertrugen.

Mimi erklärte sie im Nachhinein, dass sie sich noch nicht bereit fühlte, mit offenen Karten zu spielen. Dennoch hatte sie mitbekommen, dass sie sich öfters mit Takeru traf und es ihr mittlerweile auch leichter fiel, sich zu öffnen.

Vielleicht würde sie es auch bald schaffen den anderen die Wahrheit zu gestehen, auch wenn es sicher nicht leicht werden würde.

Doch auch Mimi hatte Probleme, denen sie sich stellen wollte. Sie wollte mit Tai reden, da es sie fertig machte, ihm ständig aus dem Weg zu gehen. Es war Zeit die Zügel in die Hand zu nehmen.

Ohne groß darüber nachzudenken, tippte sie eine SMS an ihn und drückte auf senden.
 

„Ich würde gerne mit dir reden. Wir können uns doch nicht ewig aus dem Weg gehen und so tun, als wäre nichts passiert! Ich vermisse dich…“
 

Sie meinte jedes Wort ernst. Mimi wollte ihn unbedingt wiedersehen.

Seit sie das zweite Mal miteinander geschlafen hatten, musste sie immer wieder an ihn denken.

Wie zärtlich er zu ihr war. An seine liebevollen Berührungen. Seine hingebungsvollen Küsse.

Einfach an alles. Noch nie im Leben hatte sie sich so gefühlt, wie jetzt.

Sie war euphorisch und konnte kaum abwarten eine Antwort von ihm zu erhalten. Ihr Herz pochte wie wild gegen ihre Brust, wenn er nur vor ihrem inneren Auge auftauchte.

Sein Lächeln hatte ihr schon früher weiche Knie verursacht, doch jetzt, spürte sie, wie sehr sie ihn vermisste, wenn er nicht in ihrer Nähe war.

Ihre Gedanken wurden augenblicklich unterbrochen, als ihr Handy vibrierte. Gespannt sah sie drauf und grinste breit, als sie erkannte, dass die SMS von ihm war.
 

„Kommst du heute Abend aufs Tanabata? Ich würde auch gerne mit dir reden…“
 

Mimi biss sich auf die Unterlippe und schrieb eine Nachricht zurück. Sie wollte nicht bis heute Abend warten. Sie wollte ihn sofort sehen.

Doch so verzweifelt durfte sie sich wirklich nicht geben. Angestrengt tippte sie auf ihrem Handy herum, musste aber feststellen, dass ihr alles nicht so wirklich gefiel.

Sie hatten jahrelang um den heißen Brei herum geredet, obwohl sie sonst eigentlich nicht auf den Mund gefallen war.

Sie schüttelte den Kopf und löschte die Zeilen, die sie geschrieben hatte. Entschlossen schrieb sie das, was sie ihm sagen wollte.
 

„Kannst du nicht vorbei kommen? Ich weiß, dass alles sehr seltsam zwischen uns ist, aber ich will dich sehen.“
 

Ihr Herz klopfte wie wild, als sie die Nachricht an ihn gesendet hatte. Sie fühlte sich wieder wie sechszehn und führte sich auf wie ein hormongesteuerter Teenager. Dabei hatte sie eigentlich ganz andere Probleme.

Sie musste dringend mit Kari reden, da sie sich nicht wirklich ausgesprochen hatten, sondern ihren Streit beiseiteschoben, weil es ihr schlecht ging.

Doch sie war sich noch nicht mal sicher, ob sie wirklich sauer auf sie war, da ihre Gefühle für Michael mit Liebe rein gar nichts mehr zu tun hatten. Sie wusste wie manipulativ er sein konnte und dass es ihm leicht fiel, scharrenweise Mädchen um den Finger zu wickeln.

Dennoch fühlte sie sich von Kari betrogen, weil es ausgerechnet ihr Ex-Freund war, mit dem sie geschlafen hatte. Egal ob sie betrunken war oder nicht, es war ein ungeschriebenes Gesetzt nicht mit dem Ex der besten Freundin zu schlafen. Und sie hatte es gebrochen.

Allerdings fühlte es sich auch falsch an, sie deswegen fertig zu machen, da Mimi sah wie leid ihr das Ganze tat und dass sie auch viel verloren hatte, was sie nie wieder zurückbekommen würde.

Es wurde also Zeit es zu klären.

Wenn da nicht ihre persönliche Ablenkung wäre. Nicht mal zwei Minuten später hatte er zurückgeschrieben.
 

„Okay, ich bin in zwanzig Minuten da.“
 

_
 

Gemeinsam mit Hikari war er auf dem Weg zum Hotel, da sie sich unbedingt für das Fest umziehen wollte. Ganz traditionell trug man einen Yukata, den Kari aus ihrem Hotelzimmer holen wollte.

So ganz hatte Wallace noch nicht verstanden, warum sie ausgerechnet auf dieses doofe Fest wollte.

Er hatte sich schon zusammengereimt, dass es mit dem blonden Typ zusammenhängen musste, den sie zurzeit regelmäßig traf und ihr augenscheinlich gut tat.

Schon lange hatte er sie nicht mehr so lächeln gesehen, doch seit sie vor zwei Wochen abgehauen war, schien sie sich allmählich zu verändern.

Dennoch musste er zugeben, dass es ihn ärgerte, sie so innig mit einem anderen Kerl zu sehen, den er nur von Geschichten kannte.

Ja, er hatte sich vorgenommen, seine Gefühle für sie hinter sich zu lassen, aber es war nicht so einfach wie er sich das dachte, gerade weil er in den letzten Monaten so für sie da war.

„Ist alles okay bei dir? Du bist so still“, stellte sie besorgt fest.

„Was? Nee, ist alles gut“, log er und ging mit ihr den Flur zu ihrem Zimmer entlang. „Ist Mimi auf eurem Zimmer?

„Ja, denke schon. Sie wollte ja auch später mit aufs Fest gehen und hatte noch vor sich fertig zu machen. Und das dauert bei ihr ja“, antwortete sie belustig und kramte bereits die Zimmerkarte aus ihrer Jackentasche.

„Und du bist dir sicher, dass du später auf dieses Fest gehen willst?“, hakte er nach und setzte eine ernste Miene auf.

Er verstand sie nicht richtig. Ihr ging es immer noch nicht gut und wieder wollte sie sich ins Nachtleben stürzen, um ihre Probleme wohl zu vergessen.

Doch seine Freundin blickte auf einmal ganz nachdenklich drein. „Ja, irgendwie brauche ich die Ablenkung, obwohl ich mir auch noch etwas vorgenommen habe“, gestand sie ihm und blieb kurz vor der Zimmertür stehen.

„Du hast dir etwas vorgenommen?“, fragte Wallace überrascht und blieb ebenfalls stehen.

„Ja, habe ich. Es ist Zeit sich dem zu stellen, vor dem ich immer weggelaufen bin und Mimi hat schon Recht, ich sollte mich jemandem anvertrauen. Und von Takeru weiß ich, dass Tai auch da sein wird.“

„Du willst es also deinem Bruder sagen?“

Kari nickte nur bestätigend.

„Takeru meinte, es wäre der erste Schritt in die richtige Richtung.“

„Oh okay“, machte er nur und setzte sich wieder in Bewegung. Er kaute verärgert auf seiner Unterlippe herum, da er ihr haargenau dasselbe schon vor Wochen geraten hatte und sie es immer wieder ignorierte. Aber was dieser Takeru sagte war wohl Gesetz.

Wütend schnaubte er vor sich hin, was Kari allerdings nicht mitzubekommen schien, da etwas anderes sie ablenkte.

„Sag mal, hörst du das?“ Sie deutete auf die Tür, die zu ihrem Zimmer führte.

Wallace runzelte die Stirn und begann zu lauschen.

Er drückte sein Ohr gegen die Tür und konnte tatsächlich ein lautes Stöhnen von innen hören.

Irritiert blickte er zu Kari, die ebenfalls nur unwissend mit den Schultern zuckte.

„Soll ich aufmachen?“, wollte Kari flüsternd von ihrem Begleiter wissen.

„Keine Ahnung“, meinte er nur und machte ein unschuldiges Gesicht. Er konnte ja nicht ahnen, was sie drinnen erwartete.

Doch die Neugier der beiden war deutlich größer, weshalb Kari die Karte in den Kartenlaser steckte und sah wie dieser grün wurde.

Sie öffnete bedacht die Tür, als Wallace bereits erkennen konnte, was sie erwartete.

„Oh mein Gott“, rief er aus, während sich das Bild in sein Hirn einbrannte.

Auch Kari klappte der Mund auf, als sie Mimi vollkommen nackt rittlings auf ihrem Bruder sitzen saß und in Ekstase ihre Becken kreisen ließ.

Er hatte die Hände an ihren Brüsten und liebkoste sie gerade mit der Zunge, als beide wie erstarrt zu ihren Beobachtern blickten.

„Scheiße“, hörten sie Mimi fluchen, die sofort von ihm runterkletterte und versuchte ihre nackten Körper mit der Bettdecke zu verdecken.

Dabei sahen beide mehr, als sie eigentlich sehen wollten. Mit hochroten Köpfen starrten sie sich an und Wallace konnte Kari anmerken, dass sie am liebsten im Erdboden versunken wäre.

„Mit euch habe ich wirklich nicht gerechnet“, gab Mimi kleinlaut zu und drehte sich zu Tai, der sie ebenso peinlich berührt ansah.

Mit sowas hatte wohl keiner der vier gerechnet.
 

Fortsetzung folgt...

Wendungen.

So etwas Peinliches hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Warum passierte ausgerechnet ihm sowas? Dabei wollten sie doch nur reden.

Er hätte doch wissen müssen, dass er ihr nicht lange widerstehen konnte. Dafür hatte er sie zu sehr vermisst und es machte ihn fertig, dass die letzten zwei Wochen so seltsam zwischen ihnen gelaufen waren. Dabei wollte er doch schon viel eher mit ihr reden, doch etwas hatte ihn davon abgehalten.

Vielleicht war es sein schlechtes Gewissen, das ihn daran erinnerte, dass er mit seiner Ex-Freundin geschlafen hatte, die ihm ebenfalls aus dem Weg ging.

Doch bei Mimi war es anders. Er sehnte sich nach ihr. Konnte sich kaum konzentrieren, wenn sie sich im selben Raum wie er befand, da er sich immer wieder in ihren wunderschönen braunen Augen verlor.

Er war schrecklich nervös geworden, als er sich auf den Weg zu ihr machte, da er Angst hatte, etwas Falsches zu sagen. Über seine Gefühle zu sprechen, fiel ihm nach wie vor schwer, besonders nach dem atemberaubenden Sex, den er mit Mimi hatte.

Es fühlte sich bei ihr alles richtig an, so als hätte er all die Jahre auf sie gewartet.

Als er festgestellt hatte, dass seine Schwester mal wieder ausgeflogen war, konnte er nicht lange an sich halten. Sie versuchten zwar miteinander zu reden, aber schnell wurde der Abstand überwunden, die Klamotten in die nächste Ecke geworfen und sich der puren Leidenschaft hingegeben.

Er hatte ja nicht ahnen können, dass ausgerechnet seine Schwester mittendrin reinplatzte.

Tai war es unfassbar peinlich, sodass er schnell in seine Klamotten schlüpfte und aus dem Hotelzimmer verschwand, wohlwissend alle drei später auf dem Fest wiederzusehen.

Wie sollte er auf Kari nur reagieren? Wollte er überhaupt wissen, was sie alles gesehen hatte?

Nachdenklich stand er neben Matt, der genüsslich an seiner Zigarette zog.

„Du bist so still, alles klar bei dir?“, hakte er besorgt nach und schaute kurz zu seinen Bandkollegen, die ihre Instrumente prüften.

Tai, der einen festlichen Yukata trug, nickte nur und schielte zu Matt, der sich lässig gegen die Bühne gelehnt hatte.

Er hatte mal wieder einen Auftritt, weshalb sie auch viel zu früh auf dem Fest waren und noch nicht sonderlich viel los war.

Die beiden besten Freunde hatten sich soweit es ging wieder vertragen, auch wenn Tai immer noch daran zu knabbern hatte, dass ausgerechnet Matt etwas mit seiner Schwester gehabt hatte – auch wenn außer Knutschen nichts passiert war.

Es war dennoch komisch, auch wenn es ihm nicht schwer fiel, wieder mit ihm unter einem Dach zu wohnen. Sora hingegen machte ihm deutlich mehr Sorgen, weil sie ihm aus dem Weg zu gehen schien. Seit dem Konzert hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen, obwohl er dachte, sie hätten es eigentlich geklärt. Doch dem war wohl nicht so.

„Ich glaube, ich werde mir mal die Beine vertreten gehen“, meinte er nur knapp.

Matt nickte, widmete sich aber schließlich seiner Gitarre.

Tai schnaubte nur und wanderte in Gedanken versunken über den Platz. Es waren nur wenige Menschen bereits hier, da die meisten erst gegen Abend eintrudelten.

Aber das war ihm auch lieber. Er brauchte etwas Zeit für sich, da sein Kopf rauchte.

In letzter Zeit war definitiv zu viel passiert.

Dabei gaben ihm seine Gefühle eine deutliche Richtung vor, die er versuchte einzuhalten.

Er hatte Mimi eine SMS geschrieben, dass er sich bereits auf dem Fest befand, in der Hoffnung sie würde noch vor Kari auftauchen, damit er die Möglichkeit hatte, mit ihr zu reden.

Seit der SMS war bereits über eine halbe Stunde vergangen, weshalb er nicht mehr daran glaubte, dass sie früher auftauchte.

Schnaufend setzte er sich auf einen großen Stein, der sich direkt vor den Toiletten befand und ließ den Kopf hängen. Überfordert fuhr er sich durch die Haare, als plötzlich eine liebliche Stimme ertönte. „Ist schon deprimierend, ganz allein vor den Toiletten zu sitzen, oder?“

Überrascht sah er nach oben und musterte sie von unten bis oben. Sie trug einen grünen Yukata mit Blumenmuster und hatte ihre Haare zu einem hohen Zopf gebunden.

„Mit dir habe ich gar nicht mehr gerechnet“, gab er wahrheitsgemäß zu und lächelte leicht.

Sie beugte sich zu ihm herunter und sah ihn mit großen Augen an.

„Ich schätze mal, dass du mir die SMS nicht ohne Grund geschrieben hast, oder?“

Ein Grinsen zog sich über sein ganzes Gesicht. „Da hast du mich wohl durchschaut. Ich wollte dich sehen.“

„Ging mir genauso“, antwortete sie flüsternd und fuhr liebevoll über sein markantes Gesicht. „War echt peinlich heute, oder?“

„Also es war schon immer mein Traum, von meiner Schwester beim Sex überrascht zu werden“, antwortete er sarkastisch und legte den Kopf schief.

„Wir sollten wirklich miteinander reden“, meinte Mimi auf einmal, während ihr Gesicht etwas ernster wurde.

„Du hast Recht, wir führen uns auf wie Teenager“, bekräftigte er sie und schnaubte leise, als er sich erhob. „Wollen wir uns vielleicht was zu trinken holen? Da hinten gibt es einen Stand mit selbstgemachter Limonade.“

„Limonade?“, hakte sie skeptisch nach und fuhr sich mit den Schneidezähnen über ihre vollen Lippen.

„Klingt echt nicht sonderlich erwachsen, aber sie schmeckt echt verdammt gut“, versuchte er sie zu überreden, als sie näher an ihn herantrat und ihre Hände auf seiner strammen Brust ablegte.

Auffällig begann sie an seinem Kragen zu zupfen und richtete den Blick immer wieder unauffällig zu den Toiletten, die menschenleer waren.

„Ich glaube, wir beide werden wohl nie erwachsen werden“, murmelte sie und vergrub ihre Hände hinter seinem Nacken.

„Ach glaubst du das?“, fragte er grinsend, da er wohl den gleichen Gedanken hatte wie sie.

„Ja“, raunte sie verführerisch, als er sich etwas zu ihr hinunter beugte und ihren zierlichen Köper umfasste.

„Ich glaube, das ist gar nicht so schlimm“, flüsterte er ihr zu und legte begierig die Lippen auf ihre.
 

_
 

Wütend beobachtete er beide aus sicherer Entfernung und ballte seine Hände zu Fäusten. Was bildete sich dieses unverschämte Weib nur ein? Küsste einfach diesen Hampelmann und zog ihn nun auch noch Richtung Toiletten! Was hatte sie nur vor? Bei ihm stellte sie sich immer so prüde an, dabei hatte sie es wohl faustdick hinter den Ohren.

Michael hatte sie in den letzten zwei Wochen lieber in Ruhe gelassen, da die Stimmung doch sehr angespannt war, doch hätte er gewusst, dass sie ihn damit in die Arme dieses Lackaffen trieb, hätte er schon viel eher einen Keil zwischen die beiden getrieben.

Das durfte doch nicht wahr sein. Er konnte sie ihr doch nicht einfach so wegnehmen!

Sowas durfte er nicht zulassen.

Durch Zufall hatte er durch Carter erfahren, dass Mimi auf das heutige Fest gehen wollte. Er hatte gehofft, heute nochmal mit ihr reden zu können, da er nächste Woche bereits zurückfliegen musste.

Ihm ging allmählich das Geld aus, was ihm so gar nicht gefiel.

Er hatte ihr ja nicht umsonst diesen bescheuerten Antrag gemacht. Er brauchte sie. Dringend.

Sie war der Schlüssel, der ihn und seine Familie aus der Misere ziehen sollte.

Denn er wusste genau, dass Mimis Eltern vermögend waren. Und seine Familie brauchte das Geld.

Es hatte alles sehr langsam angefangen, sodass Michael gar nicht bemerkte, wie schlecht es seinen Eltern eigentlich ging. Es war ihm genau genommen auch egal, solange er genügend Geld von ihnen erhielt.

Kurz nachdem er mit Kari geschlafen hatte, erfuhr er jedoch das Unfassbare: Seine Eltern waren pleite.

Sein Vater hatte sich verspekuliert und auf einen Schlag fast das gesamte Familienvermögen verprasst. Ein herber Schlag ins Gesicht, besonders weil er sich nie um Geldsorgen scheren musste.

Deswegen kam er auf die Idee Mimi zurückzugewinnen. Natürlich vermisste er sie auch, jedenfalls irgendwie. Doch sie hatte Geld und wenn er sie zurückgewann, konnte er sicher ihre Eltern dazu überreden, seinen aus der Patsche zu helfen.

Er dachte, dass ein Heiratsantrag ihr Herz erweichen würde, da sie sehen konnte, dass es ihm ernst war. Jedenfalls augenscheinlich.

Doch jetzt war sie drauf und dran, sich mit diesem Kerl auf einer öffentlichen Toilette zu vergnügen, was ihr lautes Stöhnen vermuten ließ.

Er war ihnen nachgegangen und stand im Eingangsbereich, während sich die beiden in einer Kabine verzogen hatten.

„Nicht so laut“, hörte er ihn sagen, während Mimi herzlich seufzte.

„Zieh einfach deine verdammte Unterhose runter“, befahl sie ihm lustbetont.

Michael wurde es allmählich ganz übel. Dieses Verhalten kannte er gar nicht von ihr…

Doch es kam, was er vermutet hatte.

Ein gleichmäßiges dumpfes Stöhnen ertönte, so als würde jemand versuchen so leise wie möglich zu sein. Er hörte, wie sie leise den Namen ihres Liebhabers säuselte, was seine Wut ins Unermessliche trieb.

Er musste hier raus, bevor er noch die Beherrschung verlor…
 

_
 

Wütend stiefelte Davis hinter Takeru her und konnte nicht verbergen, dass ihm die jüngste Entwicklung in Sachen Kari gar nicht gefiel.

Er hatte einfach nicht erwartet, dass Takeru sich so schnell wieder um ihre zarten Finger wickeln ließ.

Beide hatten in letzter Zeit so viel unternommen, dass sich Davis in seine Schulzeit auf der Mittelschule zurückversetzt fühlte.

Was hatte dieses Weib nur wieder gemacht, um ihn am Haken zu haben? Ihm erzählte er ja nichts, da er genau wusste, wie Davis reagierte.

Ja, vielleicht war er zu streng zu ihr, sollte langsam darüber hinweg sein, doch in Wahrheit hatte sie ihm das Herz gebrochen. Sie war seine erste feste Freundin, obwohl ihre ganze Beziehung nur auf einer Lüge aufgebaut hatte. Seither hatte er es erst gar nicht versucht, etwas Ernstes mit einem Mädchen anzufangen, da er Angst hatte erneut an jemanden zu gelangen, der ihm das Herz herausriss.

Deswegen konnte er auch die Blindheit seines Freundes nicht nachvollziehen. Hatte er nicht all die Jahre das gleiche durchgemacht? Wie oft hatten die beiden darüber gesprochen? Und was zur Hölle wurde aus Mariko, die sich aufrichtig für den Blondschopf interessierte?

In ihrer Haut wollte er sicher nicht stecken.

Widerwillig setzte er einen Fuß vor den anderen, lief genervt neben Takeru hinterher, während Yolei und Ken hinter ihnen gingen und sich über belangloses Zeug unterhielten.

Er hingehen konnte es nicht fassen, dass sie sich tatsächlich mit Kari und ihrem komischen amerikanischen Freund treffen wollten. Davis fragte sich, wen sie sich da schon wieder angelacht hatte und ob er auch zu den Auserwählten gehörte, die unter dem Bann von Kari gefangen waren.

Mit ihrer Art konnte sie sicher viele Jungs dazu bringen, sich in sie zu verlieben.

Hexe, schoss ihm augenblicklich durch den Kopf, als er verbittert auf seiner Lippe herum kaute.

Hoffentlich würde er diesen Abend heil überstehen und nicht komplett die Fassung verlieren.

Es machte ihn so unfassbar wütend, wenn Takeru sie in Schutz nahm, so wie es heute Mittag wieder getan hatte.

Davis hatte ihm zu verstehen gegeben, dass er alles andere als begeistert war, Zeit mit Hikari zu verbringen, während er sie beschützte – so wie er es einst als kleiner Junge getan hatte.

„Du weißt doch gar nicht, was bei ihr gerade los ist“, hatte er gesagt und ihn böse angestarrt, so als hätte er sich mehr Verständnis von ihm erhofft.

Doch dieses Verständnis konnte und wollte er ihm nicht entgegen bringen. Warum auch?

Sie lebte ihren Traum und musste sich sicher keine Gedanken darum machen, wie sie ihre Familie von ihren Talenten überzeugte. Nicht so wie Davis, dessen Familie alles in Frage stellte.

Nichts war gut genug, egal wie sehr er sich anstrengte.

Er hatte es nicht so leicht und würde es wohl auch nie leicht haben. Manchmal beneidete er seine Freunde. Heute wollte er allerdings nur schnell den Abend hinter sich bringen.
 

_
 

„Was ziehst du denn für eine Fresse?“, fragte Carter stirnrunzelnd und musterte seinen besten Freund genau. Michael nippte nur niedergeschlagen an seinem Bier und stützte sich an dem Stehtisch ab, den die beiden besetzt hatten.

„Ach, halt deine Klappe“, kam es von ihm, als er seine Bierflasche auf den Tisch knallte und sich seufzend durch die Haare fuhr.

Carter stöhnte nur genervt und fragte sich, welche Laus ihm nur über die Leber gelaufen war.

Seit er von der Toilette zurückgekommen war, verhielt er sich komisch, obwohl Carter mit viel Mühe und Not herausgefunden hatte, dass Mimi das heutige Fest besuchen wollte.

Stundenlang war er in ihrem Hotel rumgeschlichen, bis er Kari und Mimi eher durch Zufall entdeckte und mitanhörte, dass beide auf das Tanabatafest gehen wollten. Was auch immer das genau war.

Er stellte fest, dass hier viele komische Menschen in noch komischeren Gewändern rumliefen und irgendwelche Zettel an seltsame Bambussträucher hängten.

Er war froh bald wieder in den USA zu sein, so langsam hatte er keinen Block mehr auf diesen Käse. Mimi wollte Michael wohl nicht zurückhaben, was Carter nachvollziehen konnte.

Er konnte auch nicht so ganz verstehen, dass Michael immer anderen Weibern hinterhergaffte, wenn er so eine rattenscharfe Freundin wie Mimi gehabt hatte. Aber die Betonung lag ganz klar auf gehabt hatte.

Beide waren Vergangenheit und sie hatte ihm deutlich gemacht, dass sie ihn nicht mehr sehen wollte. Besonders nach der Sache mit Kari, die nach seinem glorreichen Heiratsantrag raus kam.

Manchmal überzog Michael ganz schön das Maß, doch Carter hielt lieber die Klappe, weil er keinen Stress mit seinem besten Freund wollte.

Doch besonders heute ging er ihm gehörig auf den Sack. Was war denn nur vorgefallen? Er zog doch nicht umsonst so eine Fresse…

„Alter, was ist los mit dir?“, hakte er abermals nach, auch wenn Michael ihn bereits giftig anblickte.

„Du willst wissen, was los ist?“, wiederholte er grimmig und verzog das Gesicht. „Sie hat mit einem anderen gevögelt! Das ist los.“

„Mit einem anderen?“, fragte er überrascht und machte große Augen.

„Ja man, auf dem Klo, stell dir das mal vor! Mit mir wollte sie nie etwas ausprobieren und hat sich immer geziert wie ‘ne Jungfrau, während sie mit dem Kerl auf dem Klo fickt! Ist das zu fassen?“, regte er sich auf und knibbelte das Etikett seiner Bierflasche an der Seite ab.

„Du hast sie also beobachtet?!“

„Nicht direkt.“

„Und das heißt?“

„Ich habe sie gehört“, eröffnete er ihm niedergeschlagen. „Hab gelauscht, bis ich es nicht mehr ausgehalten habe. Ich habe dann hinter einem Stand darauf gewartet, dass sie rauskommen. Die waren über zwanzig Minuten drin und als sie rausgekommen sind, hat sie sich ihm wieder an den Hals geworfen und ihm direkt die Zunge in den Hals geschoben.“

Die Empörung war aus seiner Stimme herauszuhören, auch wenn es Carter fast schon ein wenig ironisch fand. Schließlich hatte er sie gedemütigt und es war kein Wunder, dass sie nach so einer Beziehung Ablenkung suchte.

„Klingt ja echt krass. Was willst du jetzt machen?“, hakte er neugierig nach, weil ihm nur aufgeben in den Sinn kam.

„Keine Ahnung…das ist nur die Schuld von diesem bescheuerten Gör! Hätte sie ihr dummes Maul gehalten, hätte ich sie sicher wieder rumgekriegt.“

Carter zuckte etwas zusammen, da er genau wusste, wen er mit Gör meinte. Michael hatte ihm erst vor kurzem die ganze Geschichte über Kari und das Baby erzählt, was ihn deutlich schockiert hatte.

So etwas hatte er ihm nicht zugetraut, aber schon damals, als er Kari verführt hatte, war sein Meinungsbild gegenüber Michael gehörig ins Schwanken gekommen. Zuerst dachte Carter ernsthaft, dass er sich verhört haben musste, da sein Freund normalerweise nie Probleme hatte irgendwelche Weiber rumzubekommen. Er hatte es immer geschafft, doch nun wusste er auch wie.

Auch er war damals in der Bar gewesen, hatte sich aber zu einer hübschen Dame gesellt, die ihm an diesem Abend ganz schön den Kopf verdreht hatte.

Ihm war aufgefallen, dass Michael versucht hatte, sie erneut abzufüllen, doch viel hatte sie nicht getrunken, was ihn sehr fuchste.

Carter hingegen freute es insgeheim, dass ihn auch mal eine abblitzen ließ.

Bis sich die Stimmung wandte. Nach einem weiteren Cocktail war Kari plötzlich wie ausgewechselt, da sie wild durch die Menge tanzte und sich von Michael betatschen ließ, ohne es wirklich zu merken.

Am Ende hatte er es tatsächlich geschafft sie abzuschleppen, auch wenn die Nacht nicht ohne Folgen für beide blieb.

Anscheinend hatte er sich auch etwas eingeworfen, weshalb er einfach darauf vertraute, dass sie die Pille nahm. Bei Kari war er sich sicher gewesen, dass Michael ihr etwas ins Glas gekippt hatte.

Er hatte es später noch nicht mal geleugnet und gab sogar vor ihm an, da es in der Nacht wohl wild hergegangen war, was wohl unter Drogeneinfluss durchaus „normal“ war.

„Ey ich fass es nicht!“, kam es von Michael, der bedrohlich an Carter vorbei sah und eine Person hinter ihm fixierte. Als er sich herumdrehte, war Michael bereits an ihm vorbei gerauscht und steuerte wütend auf die beiden bekannten Gesichter zu.

Eilig folgte Carter ihm und hoffte inständig, dass sich sein Freund zusammenriss.

Doch er wusste schon nach wenigen Momenten des Aufeinandertreffens, dass er sich gewaltig täuschen würde.
 

_
 

„Und wo ist sie jetzt?“, nörgelte Davis und verschränkte die Arme vor der Brust. Jetzt konnte sie auch noch nicht mal mehr pünktlich sein. Er hatte keine Lust zu warten, schon gar nicht auf sie.

„Sie wollte um halb zehn hier sein, vielleicht wartet sie auch woanders, hier ist es ja ziemlich voll“, meinte Takeru nachdenklich und sah auf seine Uhr.

Davis knurrte merklich genervt, während die anderen ruhig blieben.

„Wir können ja die Stände etwas abklappern, vielleicht finden wir sie ja“, schlug Yolei vor und lächelte leicht.

Davis verrollte nur die Augen. Vielleicht hatte sie sie auch einfach nur versetzt, weil sie genau wusste, dass er nicht gerne Zeit mit ihr verbrachte.

Konnte sicher abschreckend wirken, besonders wenn man so drauf war wie er.

Kari war ihm einfach ein Dorn im Auge.

Dennoch konnte Takeru die drei dazu überreden, etwas über das Gelände zu laufen und Kari zu suchen.

Davis hatte keine Lust und überlegte sich bereits, wie er bei der nächsten Gelegenheit abhauen könnte.

Doch das Schicksal machte ihm einen gewaltigen Stich durch die Rechnung, als die vier an einer abgelegenen Wiese ankamen, die zu dem dazugehörigen Tempel führte.

Lautstarkes Geschrei und Gebrülle ließ sie aufhorchen.

„Hört ihr das?“, fragte Yolei in die kleine Runde, die nur bestätigend nickte.

Neugierig machten sie sich auf den Weg und erkannten tatsächlich einige Personen, die sich wild zu streiten schienen.

„Du blöder Wichser“, hörten sie einen jungen Mann fluchten, der sein Gegenüber am Kragen gepackt hatte.

Neben ihm saß ein Mädchen auf dem Boden, das einen traditionellen Yukata trug und herzzerreißend schluchzte. Davis konnte ihr Gesicht nicht erkennen, da sie ihre Handflächen dagegen drückte, doch als Takeru prompt zu ihr lief und lauthals ihren Namen schrie, war ihm klar, wer dort auf dem Boden kauerte und weinte.

Sein Freund bückte sich sofort zu ihr hinunter, während die beiden anderen blonden Männer miteinander rangelten, bis der eine den anderen unsanft schubste, sodass er auf dem Boden landete.

Keiner der drei jungen Männer trug traditionelle Robe, sondern waren in Jeans gekleidet.

Davis tippte darauf, dass sie nicht von hier sein konnten, da auch ihre Gesichter sehr westlich aussahen.

„Was ist hier passiert?“, fragte Yolei in die Runde, die ebenfalls zu Kari eilte, während Ken und Davis noch am gleichen Fleck standen.

Takeru versuchte immer noch vergeblich Kari zu beruhigen, die mit den Ärmeln ihres Yukatas immer wieder über ihr Gesicht fuhr.

„Du bist ein bescheuertes Arschloch!“, kam es von dem Jungen, der verdattert auf dem Boden saß und aussah, als wollte er dem Kerl gleich an die Gurgel springen. „Wie konntest du ihr das antun? Ist dir klar, was du gemacht hast?“

Doch der Kerl lachte nur überheblich, während sein Freund einige Schritte zurückwich.

„Kann dir doch egal sein. Diese bescheuerte Schlampe hat mein ganzes Leben kaputt gemacht“, sagte er nur bedrohlich, was Kari ein lautes Wimmern über die Lippen jagte.

Davis hingegen verstand nur Bahnhof, konnte aber sehen, dass sich Takeru aufgerichtet hatte und sich dem Kerl mutig entgegen stellte.

Yolei war währenddessen zu Kari auf die Knie gegangen und hielt sie in ihren Armen, als Takeru den Kerl unsanft nach hinten schuppste.

„Wie hast du sie gerade genannt?“

„Was mischst du dich ein?“, fragte der Ältere verdattert und schenkte seinem Freund einen überheblichen Blick.

„Nimm‘ das gefälligst zurück!“, forderte Takeru mit Nachdruck, doch er lächelte nur dreckig.

„Was denn? Ich sage nur die Wahrheit! Wer die Beine breit macht…“

Doch weiter kam er nicht, da Takeru bereits zum Schlag ausgeholt hatte und ihn mit voller Wucht gegen sein Kinn traf.

Michaels Kopf schleuderte zurück, als er sich schmerzerfüllt das Kinn hielt.

„Was ist mit dir denn verkehrt?“, hakte er nach und funkelte ihn böse an.

Davis stockte der Atem, als er bemerkte, wie sich die Körperhaltung von Takeru plötzlich änderte.

Er hörte die Stimme von Wallace, der etwas berichtete, mit dem keiner gerechnet hatte.

Dann kam eins zum anderen und Takeru stürzte mit voller Kraft auf Michael, getrieben von seiner Wut, die sich in seinem Gesicht wiederspiegelte.
 

_
 

Verträumt sah er zu ihr, genoss ihre Nähe in vollen Zügen und zog sie in einem unbeobachteten Moment zu sich. Sie lächelte leicht, als sie seine Arme um sich spürte.

Sie standen mitten in der Menge und lauschten Matts Musik, doch die beiden stellten schnell fest, dass sie ganz ineinander vertieft waren.

Er hatte sich noch nie in seinem Leben so gefühlt. Geborgenheit. Liebe. Leidenschaft.

All das fühlte er, wenn er in ihrer Nähe war.

Sie kuschelte sich an seine Brust, während sie mit dem Kopf im Takt der Musik mitschwang. Der fruchtige Duft ihres Shampoos stieg ihm sofort in die Nase, sodass er seine Nase etwas senkte, um ihn voll und ganz aufnehmen zu können.

Tai war unfassbar glücklich, auch wenn sie sich wie unreife Teenager verhielten, die nicht die Finger voneinander lassen konnten.

Am liebsten wollte er mit ihr alleine sein, sie in seinen Armen halten und so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen, da er sich all die Jahre danach gesehnt hatte.

Mit dem Kapitel Mimi hatte er nie wirklich abgeschlossen, sondern hatte es schlichtweg versucht zu ignorieren, sie aus seinem Herzen zu bannen, wohlwissend dies niemals zu schaffen.

Sie war einzigartig. Seine Traumfrau, die er auch mit all ihren Macken und Fehlern nur zu gern liebte.

Er wusste, dass die Sache mit Sora ein großer Fehler gewesen war, der nur passiert war, weil sich beide einsam gefühlt hatten. Niemals hätte er gedacht, dass es sich so mit Mimi entwickeln würde, da er es auch jetzt noch mehr für einen wundervollen Traum hielt statt Realität.

Noch immer versuchte er die letzten Stunden zusammenzubringen, die einfach nicht in seinen Kopf gehen wollten.

So viel hatte er noch nie für einen Menschen empfunden. Seine Gefühle tanzten wie wild durch seinen Körper und setzten Endorphine frei, die durch ihr Lächeln verstärkt wurde.

Langsam beugte er sich zu ihr hinunter, damit er mit den Lippen ihr Ohr erreichen konnte.

Liebevoll schob er ihre Haare hinter die Ohren und verstärkte den Griff um ihren zierlichen Körper.

„Wollen wir vielleicht von hier verschwinden? Wir müssten uns ja eigentlich immer noch etwas wünschen“, stellte er fest und schielte zu den kleinen Bambusbäumen, die überall aufgestellt waren.

Mimi lächelte verschmitzt und zog ihn noch etwas zu sich, um ihre Lippen auf seine legen zu können.

Nur wenige Sekunden verwickelte sie ihn in einen süßen, aber innigen Kuss, der ihm signalisierte, dass es ihr genauso ging.

„Ich glaube, mein Wunsch ging gerade in Erfüllung“, murmelte sie ihm entgegen, sodass er Mühe hatte sie zu verstehen.

Doch er hatte ihre lieblichen Worte sehr wohl verstanden, weshalb er ihre Hand ergriff und sie langsam aus der Menge zog.

Ohne groß Aufsehen zu erwecken, stahlen sie sich einfach davon.

Matt würde es sicher verstehen, falls es ihm überhaupt auffiel. Es waren viele zu seinem Konzert gekommen und er hatte sicherlich den Überblick bereits verloren. Außerdem kannte Tai sowieso jedes einzelne Lied auswendig, weshalb sich sein schlechtes Gewissen auch in Grenzen hielt.

Kichernd entfernten die beiden sich von der Menge, warfen sich verstohlene Blicke zu und küssten sich flüchtig, als eine schrille Stimme sie abrupt voneinander trennte.

Beide sahen hoch und erkannten Yolei, die hysterisch auf sie zugelaufen kam und wie eine Wildgewordene verzweifelt fixierte.

Sie kam direkt vor ihnen zum Stehen, hielt sich keuchend die Brust und atmete schwerfällig.

„Oh Gott, gut, dass ich euch treffe“, sagte sie, als sie wieder zu Atmen gekommen war.

„Was ist denn passiert?“, fragte Mimi stirnrunzelnd, während Tai ihre Finger immer noch mit seinen verschränkt hatte.

Yolei fiel das allerdings nicht auf, als sie wild gestikulierte und versuchte die passenden Worte zu finden.

„Ihr müsst sofort mitbekommen! Takeru rastet da hinten komplett aus“, fasste sie kurz zusammen, als sie in die entsetzten Gesichter von Tai und Mimi blickte.
 

Fortsetzung folgt...

Freundschaftsbande.


 

08. Juli 2010
 


 

Sie keuchte erstickt, als er ihren Hals mit heißen Küssen benetzte und seine Hand an ihre empfindlichsten Stellen wandern ließ. Mit kreisenden Bewegungen verwöhnte er sie, wanderte von ihrem Hals zu ihrem Mund, um ihn mit seinen Lippen zu versiegeln.

Sie blinzelte leicht und sah wie seine blonden Haare im Mondschein golden schimmerten.

Wie sehr hatte sie sich diesen Moment herbeigesehnt? Wollte ihm nah sein, ihn küssen, berührten und ihm einfach zeigen, dass die beiden ein tiefes Band miteinander verband, das im Schein der Vergangenheit immer stets verborgen blieb.

Sehnsüchtig presste sie ihren Körper noch dichter an seinen, als er sie plötzlich sanft aufs Bett drückte und von ihr abließ.

Er atmete unregelmäßig und sie konnte seinen lustverschleierten Blick auf ihrer Haut deutlich spüren, als er sich sein eigenes Shirt über den Kopf zog und seine stramme Brust vor ihr präsentierte.

Ihr Herz pochte wie wild gegen ihre Brust, als er mit seiner Hand ihr Kleid hochraffte und es ihr über den Kopf zog.

Achtlos warf er es zu Boden und saß lediglich nur in Jeans vor ihr.

Im Rausch des Alkohols wurde sie mutiger, setzte sich ebenfalls auf und griff sofort nach seinem Gürtel, um ihn zügig zu öffnen.

Ihre Lippen trafen wieder aufeinander, als ein leidenschaftliches Gefecht entbrannte und sie den störenden Kopf seiner Hose mit ihren geschickten Fingern löste.

Sie zog mit einer ruppigen Bewegung am Saum seiner Jeans, sodass er sofort verstand, was sie von ihm wollte.

Ohne einen weiteren Moment zu warten, unterbrach er ihren leidenschaftlichen Kuss, zog sich seine Hose und Boxershorts aus, während sie sich von ihrer Unterwäsche trennte.

Völlig nackt fanden sie sich in ihrem Bett wieder, musterten sich mit begierigen Blicken, wohl wissend möglicherweise einen großen Fehler zu begehen.

Doch ihr war es egal. Es war egal, dass er der beste Freund ihres Exs war. Dass er mit dessen Schwester rumgeknutscht hatte und wohl mehr Frauen unter sich liegen hatte, als sie zählen konnte.

Für sie zählte nur dieser Moment, der ihr ihre Sinne komplett raubte.

Gierig presst sie sich ihm entgehen, massierte ihn wohntuend und bemerkte, dass er bereit für sie war.

Ohne eine Reaktion von ihm abzuwarten, kletterte sie auf seinen Schoss und senkte bedacht ihr Becken. Als sie sich miteinander verbanden, spürte sie Vertrautheit, Leidenschaft und pure Liebe, die völlig im Einklang miteinander standen.

Erregt stöhnte sie auf, als sie sich rhythmisch zusammen bewegten und ihren Gefühlen hingaben.
 

Schweißgebadet erwachte Sora und setzte sich ruckartig auf. Ihre Kehle war staubtrocken und ihr Magen schien mal wieder zu rebellieren.

Ihr Herz schlug schnell gegen ihre Brust und ihr Puls pochte hörbar. Sie presste fest die Lippen aufeinander und konnte nicht fassen, dass sich ihr dieser besondere Abend schon wieder ins Gedächtnis geschlichen hatte.

Sora hatte ihr Bestes versucht, alles zu vergessen, was in den letzten Wochen in ihrem Leben passiert war.

Sie konnte sich gar nicht erklären, wie es überhaupt so weit gekommen war. Nie im Leben hätte sie damit gerechnet, dass alles noch komplizierter werden würde, als es ohne hin schon war.

Dabei hing alles an einer Entscheidung. Einer Entscheidung, die sie bewusst getroffen hatte und nicht auf überhöhten Alkoholkonsum schieben konnte. Sie hatte sich von ihren Gefühlen verleiten lassen und eine große Dummheit begangen.

Es begann relativ harmlos, direkt nach dem Konzert von Matt.

Nachdem er sich von seinen kreischenden Fans loseisen konnte, gesellte er sich zu ihnen. Zwar war die Situation immer noch angespannt, doch man merkte, dass Tai und Matt sich ausgesprochen hatten.

Je später es wurde, umso mehr Alkohol floss. Doch Sora hatte zurückgehalten und sich etwas zurückgezogen, da sie weder mit Taichi noch mit Yamato reden wollte. Tai war sie nach der gemeinsamen Nacht immer noch aus dem Weg gegangen, während sie mit Matt seit ihrem Streit kein Wort mehr gewechselt hatte.

Nie im Traum hatte sie daran geglaubt, dass dieser Abend eine ganz andere Richtung einschlagen würde. Doch ein gut angeheiterter Yamato entdeckte sie mitten im Sand sitzend und nachdenklich in die Ferne stierend. Sie wusste gar nicht mehr, wer dieses Gespräch begonnen hatte, doch er hatte sich einfach neben ihr niedergelassen. Es folgte eine merkwürdige Einstiegkonversation, die nach ein paar Drinks immer heiterer wurde, auch wenn sie kaum etwas getrunken hatte. Es war viel mehr das innige Gefühl das sich zwischen ihnen aufgebaut hatte und Sora sogar vergessen ließ, weshalb sie so böse auf ihn gewesen war.

Immer mehr hatte sie sich in seinen meerblauen Augen verloren und willigte nur zu gern ein, als er anbot sie zum Wohnheim zurückzubringen. Den Rest hatte sie schon vor Stunden aus den Augen verloren gehabt.

Doch der Abend endete genauso, wie sie es in ihrem Traum vor Augen hatte. Leidenschaftliche Küsse, begierige Blicke, heiße innige Momente, die ihre Wangen zum Glühen brachten.

Allerdings war all das eine Illusion für eine Nacht, die stetig vor ihrem inneren Auge erschien und ihr zeigte, wie dumm sie doch gewesen war.

Natürlich war es nur Sex. Was sollte es für Matt auch anderes gewesen sein? Dachte sie ernsthaft, er würde sie anders behandeln, nur weil sie miteinander befreundet waren? Schließlich hatte er sich ja auch an Mimi heran gemacht und wahrscheinlich hatte er nur auf einen schwachen Moment ihrerseits gewartet.

Sie war nur eine weitere Trophäe, die er endlich abhaken konnte, denn als sie am nächsten Morgen aufwachte, war er weggewesen.

Nichts deutete daraufhin das er je da gewesen war. Es blieb nur die schmerzliche Erinnerung.

Schwerfällig kämpfte sich Sora aus dem Bett und hielt ihre Hände krampfhaft vor dem Bauch zusammen, da es ihr mal wieder übel wurde.

In letzter Zeit war ihr oft schlecht, besonders morgens, aber auch mitten in der Nacht wurde sie von ihrer Übelkeit aus dem Bett getrieben. Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Glas Wasser, das sich auf ihrem Nachtisch befand.

Sie nahm einen großzügigen Schluck und versuchte somit den ekligen Geschmack, der sich in ihrem Mund gebildet hatte, hinunter zu spülen. Doch die Kohlensäure heizte ihre Übelkeit an, sodass sie es gerade noch so schaffte das Glas wieder auf dem Nachtisch zu platzieren, um dann geradewegs zur Toilette zu stürmen.

Sie riss die Tür auf und kniete sich würgend über den Klodeckel. Sie schnappte nach Luft, während sich der beißende Geschmack ihres Abendessens in ihrem Mund verteilte.

Erschöpft sackte sie vor dem Klo zusammen und stützte sich ein wenig ab, bevor sie sich den Mund mit der Hand abwichen konnte.

„Was ist nur los mit mir?“, fragte sie sich selbst und blieb einen kurzen Moment benommen sitzen, bevor sie sich dazu bewegen konnte aufzustehen und ihren Mund auszuspülen.

Schwerfällig schritt sie zum Waschbecken und ließ das kühle Wasser über ihre Handgelenke laufen.

Danach nahm sie etwas Wasser auf, um es sich ins Gesicht zu spitzen. Das kühle Nass erfrischte ihre Sinne und ließ sie etwas runterkommen. Wahrscheinlich hatte sie sich eine Magen-Darm-Grippe eingefangen, oder bekam schlicht und ergreifend eine Sommergrippe.

Sora presste die Lippen aufeinander, als sie ihr fahles Gesicht in Spiegel betrachtete. Mit ihren schlanken Fingern fuhr sie über ihre blasse Haut und bemerkte erst jetzt wie fertig sie aussah.

Ihr schien alles zu viel zu werden.
 

_
 

Sie tapste aus dem Badezimmer und machte gerade das Licht aus, als sie Taichi leise aufstöhnen hörte.

Mimi presste die Lippen aufeinander, ging auf ihn zu und beugte sich zu ihm hinunter.

„Du weißt schon, dass du auch bei mir im Bett schlafen kannst“, meinte sie fürsorglich, nachdem sie festgestellt hatte, dass er immer noch wach lag.

Taichi richtete sich auf und drehte sich seiner Schwester zu, die mit dem Rücken zu ihm in ihrem Bett lag und seelenruhig zu schlafen schien.

Er hatte es sich auf dem Boden vor ihrem Bett bequem gemacht, auch wenn er nicht den Eindruck machte, dass es sonderlich gemütlich war.

„Ich…“, er zögerte und wandte den Blick von Mimi, da er anscheinend nicht wusste, was er über all das sagen sollte.

Nachdem Yolei völlig aufgebracht bei ihnen angekommen war, kam eins zum anderen und Mimi konnte nicht fassen, dass sich dieser wundervolle Abend zum Alptraum entwickelte.

Takeru hatte wie wild auf Michael eingedroschen und konnte nur schwerfällig von Ken und Davis zurückgehalten werden.

Als sie auch noch mit Taichi und Yolei im Gepäck auftaucht war, eskalierte die Situation zusehends.

Michael war außer sich vor Wut und scheute es auch nicht seine Abneigung gegenüber Taichi zum Ausdruck zu bringen.

Anscheinend hatte er die beiden auf dem Fest gesehen und das in einer eindeutigen Position, worauf seine Wortwahl schließen ließ.

Seine wüsten Beschimpfungen richteten sich irgendwann auch gegen Mimi und sprangen wirr zwischen ihr und Hikari hin und her.

Mimi bezeichnete er als Schlampe, die bei dem nächstbesten Kerl einfach so die Beine breit machte, während er zu Kari weitaus schlimmere Sachen sagte, an die Mimi gar nicht mehr denken wollte.

Tai sah daraufhin rot, hatte ihn schon am Kragen gepackt und drohte ihm ebenfalls eine zu verpassen, als sich Mimi dazwischenwarf und das Schlimmste wahrscheinlich damit verhinderte.

Carter hatte daraufhin Michael gepackt und vom Festgelände gezogen, während eine völlig verstörte Kari in Wallace Armen lag und kaum im Stande war einen ordentlichen Satz auf die Beine zu stellen.

Gemeinsam standen sie noch eine Zeitlang zusammen, während Takeru versuchte etwas Licht ins Dunkele zu bringen. Doch Kari schluchzte noch heftiger, weshalb Mimi sich dazu entschloss, sie zurück ins Hotel zu bringen.

Taichi, der bereits relativ viel mitbekommen hatte, stand unter Schock, konnte sich aber nicht davon abbringen lassen sie zu begleiten.

Und hier stand sie nun, direkt vor ihm, wohlwissend, dass sie darüber sprechen mussten.

„Der Boden ist sicher unbequem…“, stellte Mimi leise fest und versuchte insgeheim herauszufinden, ob er auch böse auf sie war.

Er hatte nichts dergleichen zu ihr gesagt, aber dennoch spürte sie, dass etwas zwischen ihnen stand, das vor wenigen Stunden nicht der Fall war. Sie hatte gehofft, dass sie ihre Angelegenheiten endlich in den Griff bekämen, schließlich waren sie sich in letzter Zeit so nahe gekommen, dass sie einen Streit mit ihm einfach nicht verkraften konnte.

„Das ist schon in Ordnung. Ich möchte gerne in ihrer Nähe sein“, antwortete er, wirkte aber recht unterkühlt auf sie.

Mimi seufzte nur und fuhr sich mit den Fingerspitzen durch ihre langen Haare. Gut, wenn er es nicht anders haben wollte…dann kam sie eben zu ihm.

Sie wandte sich von ihm ab und ging mit schnellen Schritten zu ihrem Bett, schnappte sich ihr Kissen und ihre Decke, als sie wieder vor ihm erschien.

Sie ging in die Knie, warf ihr Kissen neben seins und ließ sich direkt neben ihm nieder. Überrascht beäugte Taichi sie und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. „Was soll das denn?“

„Na, wenn du nicht zu mir kommst, komme ich eben zu dir“, antwortete sie wie selbstverständlich und schüttelte ihr Kissen auf, bevor sie ihren Kopf darauf bettete. Der Boden war wirklich sehr hart und sie wusste beim besten Willen nicht, wie sie heute Nacht nur ein Auge zu bekommen sollte.

„Das ist doch viel zu unbequem für dich“, stellte Taichi nüchtern fest und stütze seinen Kopf auf seiner Handfläche ab. Er wanderte mit seinem Blick über ihren zierlichen Körper und musterte sie nachdenklich.

„Wie lange wusstest du es schon?“, fragte er auf einmal und war ungewöhnlich ruhig, was Mimi beunruhigte.

Sie drehte sich auf den Rücken, starrte zur Decke und spiele auffällig an ihren Fingern.

„Ich habe in ihrer Tasche ein Ultraschallbild gefunden. Natürlich habe ich sie darauf angesprochen und ihr versucht irgendwie zu helfen, aber…“

Ihre Stimme brach ab, als sie realisierte, was Kari alles durchmachen musste. Dass sie die Wahrheit nicht gesehen hatte, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt war.

„Sie hat mir nie gesagt, was damals genau vorgefallen war und das mit Michael wusste ich auch erst seit kurzem. Deswegen hatten wir uns auch so sehr gestritten. Auch von der Fehlgeburt wusste ich nichts, bis Wallace sie dazu gedrängt hat, es mir zu sagen. Zu mir hat sie immer gesagt, sie hätte es wegmachen lassen, obwohl ich schon immer gedacht hatte, dass das Verhalten gar nicht zu ihr passt. Schließlich liebt sie doch Kinder über alles“, murmelte sie immer leiser werdend und kämpfte mit ihren eigenen Emotionen, die sie übermannten.

Sie presste die Lippen fest aufeinander und unterdrückte ein leises Wimmern, dass ihrer Kehle entwich.

Michael hatte nicht nur Kari sehr wehgetan, sondern auch ihr. Es gab mal eine Zeit in der sie ihn geliebt hatte und gerne ihre Zukunft mit ihm geplant hätte, auch wenn Taichi immer in ihrem Hinterkopf spuckte. Er hatte sie mehrfach betrogen, gab ihr oft das Gefühl wertlos zu sein, sodass sie sich irgendwann selbst einredete.

Plötzlich spürte sie Taichis Arm unter der Decke ihren Bauch entlang fahren. Sie sah zu ihm auf und erkannte, dass er sich über sie gebeugt hatte und sie dichter an sie heran zog.

„Dich trifft beim besten Willen keine Schuld. Wie oft habe ich mit Kari geskyped und nicht gemerkt, wie schlecht es ihr ging. Ich hätte es merken müssen, besonders nachdem sie sich immer unregelmäßiger bei mir gemeldet hatte. Aber ich hatte mir eingeredet, dass sie erwachsen ist und gut auf sich selbst aufpassen kann. Keiner konnte ahnen, dass es so eskaliert, weder du noch ich.“

Zärtlich fuhr er über ihre Wange und trocknete ihre aufkommenden Tränen.

Sein Blick war so liebevoll, dass sie sich ich in seinen Augen allmählich verlor. Die Wut und der Ärger schienen verschwunden zu sein, zurückblieb die Gewissheit, dass sie etwas tun mussten.

Es half nichts, auf Michael loszugehen, ihn wild zu beschimpfen und ihm das Vergangene vorzuhalten. Man konnte es nicht mehr ändern. Das Baby existierte nicht mehr und Kari musste lernen, mit dem Schmerz zurecht zu kommen.

Doch das schaffte sie nicht allein. Deswegen wollte Mimi ihr beistehen.

„Was wird eigentlich aus uns?“, fragte Tai plötzlich, unterbrach seine liebevollen Bewegungen und sah sie unvermittelt an.

Erwartungsvoll schaute er auf sie hinab und trotz der Dunkelheit konnte sie ein leuchtendes Schimmern in seinen Augen erkennen.

Sie setzte sich ein wenig auf und fuhr ihm einige Haarsträhnen seiner wilden Mähne aus dem Gesicht.

„Ich weiß nicht, ich weiß nur was mein Herz mir sagt“, raunte sie und ergriff seine Hand, um sie zu ihrem Brustkorb zu führen.

Wild pochte es gegen ihre Brust, als sie seine Hand dagegen pressen spürte.

Er lächelte leicht, nahm seine Hand von ihrer Brust und führe ihre an seine. Auch sein Herz schlug schnell und gleichmäßig gegen ihre Hand und sie wusste genau, wie sie diese Geste zu deuten hatte.

Sie wanderte mit ihrer Hand hoch zu seinem Nacken, ließ sich nach hinten fallen und zog ihn automatisch nach unten, sodass er über ihr lag.

Ein intensiver Blickwechsel folgte, als er seine Lippen auf ihre legte.
 

_
 

Er befüllte sich ein Glas Milch und setzte sich an den Küchentisch. Verzweifelt fuhr er sich über sein Gesicht und zuckte zusammen, als er mit den Fingern über seine Platzwunde strich, die Ken notdürftig verarztet hatte.

„Du kannst wohl auch nicht schlafen“, ertönte plötzlich eine Stimme und TK schreckte zusammen.

Er blickte auf und sah in Davis Gesicht, der ihm ein müdes Lächeln schenkte.

Wortlos setzte er sich ihm gegenüber und schwieg für einen kurzen Moment, als er letztlich doch das Wort ergriff.

„Wie lange wusstest du es schon?“, hakte er nach und musterte ihn interessiert.

TKs Gesicht verfinsterte sich etwas, als die Worte von Michael in seinem Kopf wiederhallten. Er hatte Kari als Schlampe bezeichnet, obwohl er etwas getan hatte, wofür er ins Gefängnis gehörte.

„Seit zwei Wochen, ungefähr. Ich hatte sie doch mit zu uns nach Hause gebracht und da hat sie es mir erzählt. Ich habe sogar das Ultraschallbild gesehen“, erinnerte er sich zurück.

„Denkst du, dass dieser Kerl eine Strafe bekommt? Er kann doch nicht…“

Davis Stimme brach automatisch ab, da es ihm unangenehm war, darüber zu sprechen.

Vor wenigen Stunden hatte er Kari praktisch noch gehasst, sie dafür verurteilt, ihn so verletzt zu haben, obwohl sie sich dafür entschuldigt hatte. Und jetzt? Jetzt hatte sich alles geändert.

Takeru konnte immer noch nicht fassen, was Michael getan hatte und das er auch noch so blöd war, es Kari und Wallace unter die Nase zu reiben.

Allein die Geschichte rund um die Schwangerschaft hatte Kari belastet und jetzt kam raus, dass Michael an allem schuld war.

Takeru war froh, dass Tai es nicht mitbekommen hatte, da er ihn sicher dafür umgebracht hätte. Doch jetzt befand er sich in einer Situation, mit der er nicht umgehen konnte.

Sollte er es Taichi erzählen? Wie ging es Kari, die danach komplett zusammengebrochen war?

Er musste doch irgendetwas tun, Michael durfte damit nicht durchkommen.

Der Blonde fing Davis mitleidigen Blick auf, konnte aber auf seine Frage keine Antwort geben.

Schließlich waren nur Kari, Wallace, Michael und sein Freund dabei gewesen, als er es zugegeben hatte.

Hier stand es ganz klar, Aussage gegen Aussage. Michaels Freund würde sicher nicht freiwillig zugeben, dass Kari von ihm Drogen bekommen hatte, um lockerer zu werden.

Doch sie war damals nicht Herr ihrer Sinne gewesen, hatte sich sicher nur auf ihn eingelassen, weil er ihr etwas ins Glas gekippt hatte.

Was sollte er jedoch mit diesen Informationen anfangen? Zur Polizei gehen? Er könnte wetten, dass Michael sicher auf dem schnellsten Weg das Land verlassen würde.

Aber es musste doch eine Möglichkeit geben, doch zurzeit wusste er nicht welche.

Er seufzte resigniert und blickte zu Davis.

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht“, beantwortete er seine Frage zögerlich.

Alles was er wusste, war das er für Hikari da sein würde.
 

Fortsetzung folgt...

Ängste.

Behutsam setzte er sich aufs Bett und strich ihr sanft über ihren Rücken, während er seinen Nacken reckte. Die Nacht auf dem Boden war wirklich sehr unbequem gewesen, auch wenn er nicht alleine dort geschlafen hatte.

Gut, geschlafen war wirklich der falsche Ausdruck dafür. Die halbe Nacht hielt sie ihn wach, indem sie ihm sanfte, aber leidenschaftliche Küsse schenkte, die Lust auf mehr machten.

Doch er riss sich zusammen, auch wenn er die Ablenkung wirklich gut gebraucht hätte.

Er hatte ein schlechtes Gewissen gegenüber seiner Schwester, da er erst jetzt bemerkte, wie fertig sie doch war. Früher hatte er sie nach wenigen Sekunden durchschaut gehabt, doch diesmal war es ihm nicht gelungen und sie drohte daran zu zerbrechen.

Die Wut auf diesen Typen, der nicht nur seine Mimi verletzt hatte, sondern auch seine Schwester geschwängert hatte, wuchs ins Unermessliche. Am liebsten hätte er ihm auf der Stelle den Hals umgedreht, doch er wusste, dass es nichts brachte. Er war schon lange nicht mehr dieser impulsgeladene kleine Junge, der alles unbedacht und kopflos erledigte.

Nein, er war erwachsen geworden und bemerkte, dass er handeln musste.

Ein leises Stöhnen ertönte und seine Schwester hob kurz den Kopf an, drückte ihn allerdings wieder direkt ins Kissen, als sie Taichi vor sich sitzen saß.

Mimi war etwas zu Essen holen gegangen, weshalb er ihre Abwesenheit nutzen wollte, um mit ihr zu reden. Er wollte ihre Sicht der Dinge hören, auch wenn er sich vorstellen konnte, dass es ihr alles andere als leicht fallen würde.

„Kari?“, vorsichtig fuhr er über ihren Kopf, sodass sie zusammenzuckte. „Ich weiß, dass du wach bist.“

Sie drückte ihr Gesicht noch weiter ins Kissen und krallte ihre Nägel in den weichen Bezug.

„Ich will echt nicht mit dir darüber reden, Tai“, murmelte sie angeschlagen, hob ihren Kopf allerdings nicht an, sodass er Schwierigkeiten hatte sie zu verstehen.

„Aber wir müssen darüber reden. Dir geht es beschissen und ich habe rein gar nichts gemerkt. Und ich fühle mich deswegen wirklich furchtbar“, erwiderte er schuldbewusst.

„Hier geht es aber nicht um dich!“, brachte sie plötzlich voller Elan hervor und setzte sich mit weitgeöffneten Augen auf – den Tränen nahe.

„Ich habe so vielen Menschen weggetan und habe diesem Kind alle Möglichkeiten genommen!“

Irritiert blickte er sie an und konnte nicht nachvollziehen, warum sie so etwas behauptete. Er versuchte sie zu beruhigen in dem er ihre Schultern ergriff, doch sie wand sich aus seinem Griff und ging auf Abstand.

„Kari, das was du sagst ist Schwachsinn. Mimi hat mir erzählt, dass dieser Kerl…“

„Na und? Ich hätte in diesem Moment reagieren müssen!“, antwortete sie völlig hysterisch und gestikulierte wild vor ihrem Gesicht. „Doch weißt du was? Als der Arzt mir gesagt hatte, dass ich das Baby verloren hatte, war ich unglaublich erleichtert gewesen, da es nicht mehr mein Problem war! Und was sagt das über mich aus?“, fragte sie mit Nachdruck und weinte bitterlich.

Tai starrte sie fassungslos an und wollte gar nicht richtig glauben, was seine Schwester gerade gesagt hatte. So kannte er sie gar nicht. Sie sah aus, als würde sie jeden Augenblick zerbrechen, wenn man sie zu fest berühren würde.

Doch Tai erkannte auch den tiefsitzenden Schmerz in ihren Augen, der ihm signalisierte, wie sehr sie ihre eigenen Worte bereute.

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, was du alles durchmachen musstest“, begann er sanft und rutschte dichter an sie heran, was sie kritisch beäugte. „Aber ich weiß, dass du dieses Baby bekommen hättest und sicher eine tolle M…“

„Nein, wage es ja nicht das auszusprechen!“, drohte sie ihm und riss die Augen unter Schock noch weiter auf. „Ich habe es nicht verdient und ich…“

Ein lautes Schluchzen überkam ihre Lippen und ließ sie schutzlos auf dem Bett zusammensacken.

Tai reagierte sofort und schlang die Arme schützend um sie.

Er presste sich so dicht an sie, dass er schon Angst hatte, ihr die Luft zum Atmen zu nehmen, doch als er spürte, wie sie sich an seinem Shirt festklammert und auch ihren Griff um ihn verfestigte, wusste er, dass sie noch nicht verloren war.

„Kari, hör mir bitte zu“, sagte er leise und machte keinerlei Anstalten sie loszulassen. „Du kannst nichts dafür, auch nicht das du im ersten Moment Erleichterung empfunden hast. Du warst doch ganz auf dich gestellt und natürlich hattest du auch Angst. Aber dennoch weiß ich, was du für ein wundervoller Mensch bist und deswegen kann ich sehr wohl sagen, dass du eine tolle Mutter geworden wärst.“

Kaum hatte er diesen einen Satz ausgesprochen, stieß sie einen unterdrückten Schrei aus und vergrub sich noch tiefer in seinem Shirt.

Tai hingehen hielt sie fest umklammert und wollte sie am liebsten gar nicht mehr loslassen.

Man sagte zwar, dass die Zeit alle Wunden heilen würde, doch er wusste genau, dass Kari noch viel davon brauchen würde, um alles zu verarbeiten. Und er wollte ihr in dieser Zeit beistehen, egal was auch passierte.
 


 

11. Juli 2010
 


 

Er konnte immer noch nicht glauben, dass er hier war. Noch weniger konnte er glauben, dass er dieses zarte Wesen auf seinen Armen trug. Seine kleine Schwester.

Mit Babys hatte er nicht sonderlich viel am Hut gehabt. Fand sie immer sehr laut und teilweise auch echt schmutzig, aber er musste zugeben das er Saya durchaus süß fand.

Mit großen Augen begutachtete seine Mutter ihn in dem Umgang mit dem Baby. Sie hatte ihm gezeigt, wie er sie richtig halten musste, doch sie war ein sehr lebhaftes Mädchen, dass ihre Arme nach ihm ausgestreckt hatte und vorsichtig nach seiner Hand griff.

Sie umfasste seinen Zeigefinger und gluckste freudig, als Matt ihr etwas entgegenkam, sodass sie sanft in seinen Finger beißen konnte. Da sie noch keine Zähne hatte, tat es auch nicht weh, weshalb er sie auch belustig beobachtete.

„Sie ist für ihr Alter ganz schön aufgeweckt“, stellte er fest und schaukelte sie behutsam in seinem Arm.

„Dreimal darfst du raten von wem sie das hat“, erwiderte seine Mutter nur grinsend.

„Bestimmt nicht von mir“, entgegnete Matt sofort, nachdem er ihre deutlichen Blicke verstanden hatte.

„Doch, sie ähnelt dir mehr als du glaubst. Sie sieht zwar Takeru etwas ähnlicher, aber sie ist wirklich genauso wie du. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie du mich immer mit deinen großen blauen Augen erwartungsvoll angestarrt hast“, schwelgte sie in ihren Erinnerungen.

Nachdenklich blickte er in das zarte Gesicht seiner Schwester und bereute es zu tiefst, versucht zu haben, sie aus seinem Leben fern zu halten.

Sie konnte am allerwenigstens etwas dafür. Es war vielleicht sogar Schicksal, dass das Band, das seine Eltern einst umgab, neu geknüpft wurde.

„Was wird eigentlich aus dir und Papa? Ich habe nicht danach gefragt…“, seine Stimme brach ab und er fand sich in einem tiefen Strudel der Empfindungen wieder, der ihn unverhofft erfasste.

Er hatte Angst. Angst, sich wieder wie der kleine Junge zu fühlen, der seine Familie verloren hatte. Angst, neue Hoffnungen zu schöpfen, die mal wieder zerstört werden könnten.

Er war kein Optimist und wusste, dass selbst ein kleines Baby an der Sachlage nichts ändern konnte.

Seine Eltern hatten sich einfach in einem schwachen Moment erwischt. Sein Vater war schon lange sehr einsam und seiner Mutter wurde mit dem Auszug von Takeru regelrecht der Boden unter den Füßen weggezogen. Natürlich war diese Vertrautheit zwischen ihnen immer noch vorhanden, schließlich hatten sie sich auch einmal geliebt, auch wenn sich Yamato sicher war, dass bei beiden noch Gefühle vorhanden waren.

Doch Gefühle allein reichten manchmal nicht aus. Egal, wie sehr man sich auch liebte, vielleicht sollte man sie in manchen Momenten einfach tief in seinem inneren verschließen. So wie er es getan hatte, jedenfalls so lange bis es nicht mehr ging.

Seine Gedanken schwirrten mal wieder zu Sora, auch wenn er es versuchte zu verdrängen.

Was hatte er sich nur dabei gedacht? Er wollte sich zwar bei allen entschuldigen, aber er hatte nicht geplant gehabt mit ihr zu schlafen.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, lag sie friedlich neben ihm, dicht an ihn gekuschelt, sodass es ihm schwer fiel, aus dem Bett aufzustehen.

Doch er musste gehen, da sie sicher sonst gefragt hätte, was es zu bedeuten hatte. Ob es überhaupt etwas bedeutete…

Ihm wurde schlagartig bewusst, dass er bei dieser Frage nicht hätte lügen können. Er liebte sie, deswegen lenkte er sich auch mit diesen dämlichen Weibern ab. Sie hatten ihm nichts bedeutet, sie waren lediglich dazu da, eine Lücke in seinem Herzen zu füllen, die Sora hinterlassen hatte.

Und jetzt war es einfach nur kompliziert. Sie war die Ex von seinem besten Freund, von der er hätte die Finger lassen sollen.

„Ist alles in Ordnung bei dir? Du wirkst geistesabwesend“, fragte seine Mutter besorgt und er erinnerte sich daran, dass er ihr eine Frage gestellt hatte. Doch ihre Antwort hatte gar nicht mitbekommen, weil er seinen Gedanken zu sehr nachhing.

„Was hast du gesagt? Tut mir leid, ich hatte gestern einen Auftritt und bin wohl noch ziemlich müde“, redete er sich raus und lächelte leicht.

Seine Mutter hob ihre Kaffeetasse an und nippte leicht daran. Ihre Augen zeigten einen hoffnungsvollen Schimmer, den Matt schon lange bei ihr nicht mehr gesehen hatte.

„Wir werden uns bemühen und hoffen, dass wir Saya und euch weiterhin gute Eltern sein werden. In den letzten Jahren hat sich einiges verändert und ich glaube dein Vater ist wirklich mit der Zeit sehr erwachsen geworden. Aber natürlich weiß ich noch nicht, was die Zukunft bringen mag, aber egal was es ist, ich werde stolz darauf sein, so tolle Kinder aufgezogen zu haben.“

Matt lächelte und vergrub seine Nase im dem kleinen Haarflaum seiner Schwester.

Möglichweise war es an der Zeit etwas zu verändern. Er konnte nicht ewig vor seinen Gefühlen weglaufen, sondern musste sich ihnen stellen.
 

_
 

Er hatte einiges verpasst und schien nur noch bedingt durchzublicken. Er konnte nicht fassen, was Yolei ihm erzählt hatte. Zwar hatte er mitbekommen, dass Taichi in letzter Zeit öfter bei seiner Schwester war und Yamato sich generell komisch verhielt, aber mit so einer Bombe hatte er nicht gerechnet.

Völlig hysterisch war Yolei bei ihm ausgetaucht, da sie eigentlich für ihre Statistikklausur im nächsten Monat lernen wollten. Natürlich wollte er auch ein bisschen Zeit mit ihr verbringen, gerade wenn seine Mitbewohner ausgeflogen waren. Doch ihm fiel direkt auf, dass sie sich nur schwer konzentrierten konnte und mit den Gedanken stets woanders war.

Zuerst hatte er gedacht, dass es an ihm lag, da seit Ken Wind von ihrer Beziehung bekommen hatte, alles etwas angespannter zwischen ihnen geworden war.

Doch Yolei überraschte ihn wie jedes Mal aufs Neue. Da er ebenfalls sehr viel Zeit mit lernen verbrachte, um sein Stipendium weiterhin halten zu können, verzichtete er dieses Jahr aufs Tanabatafest und hatte dementsprechend von dem ganzen Drama rund um Kari gar nichts mitbekommen.

„Du hättest sie mal sehen sollen…ich habe sie kaum wiedererkannt. Sie sah so zerbrechlich aus und dieser Kerl…“, ihr stockte augenblicklich der Atem und ihr Gesicht verfärbte sich vor Wut. „Wie herablassend er über sie gesprochen hatte und dann fängt er auch noch Mimi an zu beleidigen! Ist das zu fassen?“

Ihre Augen blitzten gefährlich, sodass Izzy schon ein bisschen Angst vor ihr bekam.

Sie war immer sehr mitfühlend und dementsprechend impulsiv. Eine Eigenschaft, die zwar beängstigend sein konnte, Izzy aber stets an ihr bewundert hatte.

Er war immer recht zurückhaltend, was Gefühle anbetraf. Lieber setzte er sich alleine mit ihnen auseinander, als sie der Welt zu präsentieren. Wahrscheinlich war dies auch ein Grund, warum er Schwierigkeiten hatte sich zu Yolei zu bekennen.

Wenn sie glücklich war, brüllte sie es durch die Gegend, konnte sich kaum beherrschen und wollte am liebsten jedem zeigen, wer oder was sie so glücklich machte.

Doch Izzy hatte Angst, dass genau das ihr Unglück bedeutete.

Er war distanziert, schüchtern und lebte oft in seiner eigenen Welt. Was passierte, wenn diese Beziehung im Bodenlosen endete, weil er ihr einfach nicht das geben konnte, was sie sich wünschte?

Aufmerksamkeit. Komplimente. Romantik. All das eben, was eine gute Beziehung ausmachte.

Er fühlte sich überfordert, wusste aber auch, dass er sie, mit dem was sie gerade am Laufen hatten, nur hinhielt und sich vor dem Konstrukt Beziehung lediglich drückte.

Gepresst in eine enorme Erwartungshaltung, die er sich selbst gesteckt hatte, wurde er von Mal zu Mal unsicherer.

Es war nicht in Ordnung, ihr so nahe zu kommen und sie immer wieder aufs Neue zu vertrösten.

Er musste dringend handeln. Sie kam zu ihm wenn sie Probleme hatte, wollte seine Meinung dazu hören, so als wäre sie das Wichtigste der Welt. Izzy hatte schon bemerkt, dass ihr diese Beziehung sehr ernst war und sie gerne etwas Festes daraus machen würde.

Und auch er wollte sie an seiner Seite wissen. Sie war eine der wenigen Mädchen, die ihn verstand, sich für Computer interessierte, aber auch die Welt in ihren schönsten Nuancen wahrnahm und immer das Positivste aus einer aussichtslosen Situation zog.

Wie oft hatte sie ihn aufgeheitert, wenn er unter diesem ganzen Stress zu ersticken drohte? Wie oft hatte er diese unglaubliche Wärme aus ihrem Blick herauslesen können, die nur für ihn allein bestimmt war? Er wollte ihr etwas zurückgeben. Er wollte ihr die Beziehung ermöglichen, die sie verdiente.

Wie hypnotisiert fing er ihren aufbrausenden Blick auf. Nein, sie ließ sich wirklich niemals aus dem Konzept bringen. Redete mit dem Herzen, wenn sie für eine Sache brannte.

Er wusste, wie wichtig Hikari ihr war, dass sie jahrelang gut miteinander befreundet waren und dass sie es mitnahm, dass ein Jahr alles verändert hatte.

„Ich würde so gerne mit ihr reden, aber ich habe große Angst etwas Falsches zu sagen. Das mit dem Baby…es hat sie verändert. Ich habe gemerkt, dass sie sehr distanziert war, aber…“

Sie hielt inne, als Izzy plötzlich näher an sie heranrückte und zärtlich über ihre Wange fuhr, die sich erröteten. „W-Was soll das denn?“, hakte sie verwundert nach und schien den Faden verloren zu haben.

Izzy lächelte und beugte sich ihr entgegen, um ihr einen kurzen aber innigen Kuss auf die Lippen zu hauchen.

Yolei ließ sich trotz der anfänglichen Verwirrung darauf ein und fand sich in seinen Armen wieder, die ihr Halt gaben.

„Ich denke, wir haben auch einige Dinge zu besprechen“, murmelte er leise vor sich hin, ohne sie loszulassen. Er spürte, dass sich ihr Körper augenblicklich anspannte, weil sie wahrscheinlich mit dem Schlimmsten rechnete. Doch Izzy ließ sich nicht beirren. Auch er wollte seine Gefühle sprechen lassen, auch wenn sie ihm manchmal Angst einjagten.

„Ich weiß, dass es kompliziert geworden ist, seit Ken die Wahrheit weiß, aber auch ich habe mir viele Gedanken um uns gemacht und festgestellt, dass es so nicht weitergehen kann.“

Yolei wandte sich aus seiner Umarmung und sah ihn fassungslos an. „W-Willst du etwa Schluss machen? Ken hat versprochen…“

„Nein!“, unterbrach er sie mit Nachdruck und lächelte verschmitzt. „Ich dachte eher an das Gegenteil!“

„An das Gegenteil?“ Yolei runzelte verwirrt die Stirn und schien überhaupt keinen Schimmer zu haben, auf was er hinaus wollte.

Belustig beäugte er sie und griff zielstrebig nach ihrer Hand. „Ich würde es gerne offiziell machen!“

Yolei klappte die Kinnlade nach unten. „Offiziell? Aber du hast doch immer…“

Sie rang mit ihrer Fassung und konnte gar nicht mehr verbergen wie glücklich sie seine Worte machten. Damit hatte sie nicht gerechnet.

„Ich muss gestehen, dass ich keine Beziehung wollte, weil ich eine Heidenangst davor hatte. Ich bin überhaupt nicht der Typ, der gerne über seine Gefühle spricht, sage auch sicher oft das Falsche, obwohl ich es ganz anders meine. Aber mir ist bewusstgeworden, dass ich unglaublich gerne in deiner Nähe bin und nicht mehr länger weglaufen möchte. Ich will es wagen, mit allem was dazugehört“, erklärte er ihr ausführlich und sah vollkommen euphorisch in ihre funkelnden Augen.

„Das heißt also…“, sie brauchte den Satz nicht auszusprechen, um zu wissen, wie er es gemeint hatte.

Überglücklich sprang sie in seine Arme und beide segelten die Matratze hinunter. Sie lag auf ihm und hauchte ihm einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen, den er allzu gern erwiderte.

Glückhormone tanzten durch seinen Körper und bestätigen ihn, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
 

Fortsetzung folgt...

Schmetterlingseffekt.


 

12. Juli 2010
 


 

Seufzend ließ er sich am Küchentisch nieder und studierte die Zeitung, die im interessante Jobangebote aufzeigten sollte, um sein Leben endlich wieder besser in den Griff zu bekommen. Doch je länger er sich die Annoncen über Minijobs ohne Aufstiegsmöglichkeiten durchlas, desto frustrierter wurde er.

Niedergeschlagen fuhr er sich durch die kurzen Haare und schob die Zeitung beiseite, um sich am Tisch besser abstützen zu können.

„Lass mich raten…es ist wohl wieder nichts Gescheites dabei, oder?“, ertönte eine behutsame Stimme, als Joe schiefgrinsend aufblickte.

„Nein. Wahrscheinlich muss ich dich doch noch länger belästigen“, antwortete er leicht beschämt und konnte nicht fassen, dass er sich schon knapp zwei Wochen bei ihr durchschnorrte.

„Du belästigst mich doch nicht“, lächelte sie sanft und setzte sich ihm mit einer dampfenden Tasse Kaffee gegenüber. „Ich finde es sehr schön Gesellschaft zu haben und abends ist wenigstens ein Mann im Haus. Da habe ich gleich viel weniger Angst.“ Sie grinste und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Er war sich wirklich nicht sicher, ob er das als Kompliment auffassen sollte. Wahrscheinlich würde sie einen potenziellen Einbrecher eher K.O. schlagen als er. Sie war eben eine taffe junge Frau, die wusste, was sie von ihrem Leben erwartete und wie sie ihre Ziele auch erreichte.

Er hingegen, landete vom Regen in der Traufe und bereute es von Tag zu Tag mehr, sein Medizinstudium aufgegeben zu haben.

Sein Vater hatte es geschafft. Er war am Boden der Tatsachen angelangt und hatte keinerlei Möglichkeiten mehr, dass zu vollenden, was er sich vorgenommen hatte.

Unzufrieden ließ er den Kopf hängen und ließ zu, wie die Hoffnungslosigkeit sein Herz vereinnahmte.

„Was soll ich denn jetzt nur machen? Ich kann noch nicht mal eine Packung Milch bezahlen, wie soll ich da jemals mein Studium beenden können?“, fragte er verzweifelt und sah ihr direkt in die Augen.

Ihr Blick wurde auf einmal ganz weich, als sie ihre Hand nach ihm ausstreckte und sanft auf seiner niederlegte.

„Joe, ich weiß, dass du im Moment eine schwierige Zeit durchmachst, aber du darfst nicht aufgeben.“

Angespannt presste er die Lippen aufeinander und entzog sich langsam ihrem nett gemeinten Aufheiterungsversuch.

„Und wie soll ich das bitte schön machen? Ohne Geld habe ich keine Chance und diese Jobs werden mich nicht weiterbringen. Damit kann ich weder ein Zimmer bezahlen, noch meine Semestergebühren. Von den Büchern möchte ich erst gar nicht anfangen“, schnaubte er ohne Luft zu holen und fuhr harsch über das raue Papier der Zeitung, die ihm heute mal wieder nicht weiterhelfen konnte.

Bisher hatte er noch niemanden, außer ihr, von seiner misslichen Lage erzählt. Natürlich wussten seine Eltern auch Bescheid, ohne das er ihnen etwas gesagt hatte. Sein Vater versuchte einfach Druck auf ihn auszuüben, damit er doch noch seine Meinung änderte.

Er hatte eine Zeitlang wirklich überlegt gehabt, ob er nicht doch wieder zu seinem Medizinstudium zurückkehren sollte. Des Friedens Willen – da auch der Streit mit seinem Vater ihn nervlich an den Rand des Wahnsinns trieb. Er wollte doch nur akzeptiert werden. Unabhängig davon, was er beruflich einmal ausüben würde.

„Vielleicht sollte ich einfach…“

„NEIN!“, unterbrach sie ihn energisch. „Denk nicht mal daran!“

„Aber Asuka, ich kann dir doch nicht ewig…“

„Joe, ich möchte nicht, dass du dich wegen deinem Vater völlig verbiegst. Du solltest die Möglichkeit haben deine Träume zu leben und nicht die deines Vaters.“

„Aber ich…“, versuchte er ihr zu widersprechen, als sie ihm erneut ins Wort fiel.

„Ich habe mit meinem Vater gesprochen. Er hätte ein Jobangebot für dich.“

„Was?“, fragte Joe verblüfft nach und konnte nicht fassen, was Asuka ihm gerade angeboten hatte.

„Naja, ich habe mal nachgefragt, ob er für die Sommerbetreuung noch Leute sucht und ja. Es war noch eine Stelle frei und bisher hast du doch sowieso nichts zu tun, oder?“

Sie hob provokant die Augenbraue, als Joes Grinsen ins Unermessliche wuchs.

„Also ist es dein Ernst?“

„Ja“, nickte sie bestätigend. „Du musst mir doch die ganzen Unkosten zurückerstatten. Gerade dein Milchverbrauch ist echt enorm“, witzelte sie, doch Joe konnte kaum noch stillsitzen, als er sich ein Herz nahm und aufstand.

„Vielen Dank“, raunte er, als er Asuka in eine herzliche Umarmung zog, die sie sanft erwiderte. Ein unglaublich großer Stein fiel ihm vom Herzen, da eine große Last von seinen Schultern genommen wurde.
 


 

17. Juli 2010
 


 

„Und du glaubst das reicht?“, fragte Yolei skeptisch nach und schaute prüfend auf den Tisch, der mit den Einkäufen zugepflastert war.

„Ich habe ja nur ein paar Kommilitonen eingeladen! Zehn Leute oder so“, schwächte Davis ab und zuckte mit den Schultern.

Mittlerweile hatte er gar keine große Lust auf die Party, aber er hatte seine Unifreunde schon vor rund einem Monat zu sich eingeladen. Doch noch abzusagen, brachte Davis dann nicht mehr über sein Herz, auch wenn ihm im Moment andere Dinge durch den Kopf gingen.

Takeru verbrachte den Abend bei Hikari, da ihr Bruder mit Mimi ausgehen wollte. Davis hatte noch nicht mal richtig mitbekommen, dass sich zwischen Tai und Mimi etwas entwickelt hatte.

Als er sie das letzte Mal gesehen hatte, hatten sie sich praktisch noch gehasst und jetzt gingen sie miteinander aus? Diese verdrehte Welt sollte mal ein Mensch verstehen.

Er konnte es definitiv nicht.

„Wo hast du eigentlich den Alkohol her?“, stieg Ken mit in das Gespräch ein und verschränkte augenblicklich die Arme vor der Brust.

„Meine Schwester hat sich bereit erklärt uns welchen zu besorgen und ohne Alkohol ist es ja auch keine richtige Party“, steuerte Yolei bei und klopfte Ken gegen die Brust, was ihn ganz aus dem Konzept zu bringen schien. Davis verdrehte nur die Augen.

War er etwa immer noch in sie verliebt? Er beobachtete ihn genau, sah wie sich sein Blick trübte und ein verbitterter Gesichtsausdruck sich über ihn legte.

Davis Gesichtszüge wurden auf einmal ganz weich, als er bemerkte, dass sich die Stimmung seines besten Freundes nur wegen einer kleinen, unbedeutenden Berührung änderte. In Wirklichkeit war sie nämlich viel bedeutsamer, als Daisuke es wahrgenommen hatte.

Frustriert schnappte ich Ken ein Bier und öffnete es mit dem Flaschenöffner, als er sich stöhnend auf dem Sofa niederließ, während Yolei breitgrinsend eine SMS tippte.

Sein Blick wanderte zwischen seinen beiden Freunden hin und her, denn irgendwas stank hier gewaltig zum Himmel. Wo kam nur dieses Honigkuchenpferdgrinsen her? Und warum wirkte Ken noch deprimierter als sonst? Und warum schien alles hinter seinem Rücken zu laufen?

Oder war er einfach derjenige, der nicht richtig zuhören wollte, sondern sich in seinem eigenen Selbstmitleid suhlte?

Genau genommen hatte er viel Zeit verbracht, sich über Karis Anwesenheit aufzuregen, ihr das Leben schwer zu machen und seinen Freunden auf den Wecker zu gehen.

Resigniert stellte Davis fest, dass er oft nur an sich selbst gedacht hatte. Er war nach all den Jahren immer noch beleidigt und in seinem männlichen Stolz gekränkt, weil Kari ihn nicht haben wollte. Natürlich war es nicht in Ordnung von ihr gewesen, aber sie hatte sich entschuldigt. Eine Entschuldigung, die er die ganze Zeit ignoriert hatte, um ihr weiterhin die Schuld in die Schuhe zu schieben. Schon während der Beziehung hatte er gemerkt, dass etwas nicht stimmte, dass sie unglücklich war und mit sich selbst haderte. Wahrscheinlich wollte sie ihn gar nicht verletzten und war deswegen so lange mit ihm zusammengeblieben, da sie wusste, wie er reagieren könnte.

Er war wie ein kleines Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug abgenommen hatte.

Diese Erkenntnis wurde ihm immer klarer, nachdem er von Karis trauriger Geschichte erfahren hatte.

Vor wenigen Wochen hätte er ihr sicher noch die Pest an den Hals gewünscht, doch in Wirklichkeit hatte er nie gewollt, dass ihr so etwas Grausames passierte.

Und auch seine schlechte Laune hatte er an seinen Freunden ausgelassen. Er machte Takeru Vorwürfe, da er sich einfach erwachsener verhalten hatte als er selbst. Man konnte nicht ewig nachtragend sein, auch wenn das vielleicht die einfachere Lösung gewesen wäre, da man dann an seiner Beziehung nicht mehr arbeiten musste. Doch Davis musste zugeben, dass er die Freundschaft zu ihr vermisste und dass er sich vorgenommen hatte, mit ihr zu reden, wenn sie sich etwas beruhigt hatte. Denn Takeru war nicht grundlos bei ihr. Taichi hatte Angst sie alleine zu lassen.

Sein Blick wanderte wieder zu Ken, dem er geraten hatte Yolei gehen zu lassen, statt um sie zu kämpfen. Ihm wurde bewusst, dass er für einen kurzen Moment sich selbst in seinem besten Freund gesehen hatte. Dass er Angst hatte, das eine Entscheidung alles verändern könnte. Was wäre, wenn Ken und Yolei ein Paar geworden wären? Wie hätte es sich auf ihr WG-Leben ausgewirkt und was wäre passiert, wenn sie sich dann doch getrennt hätten?

Er wollte einfach nicht das riskieren, was er bei Kari längst verloren hatte. Ihre Freundschaft, die sie miteinander verband, aber durch zarte Gefühle ins Wanken gebracht werden konnte.

Er hatte egoistisch gehandelt. Wollte seine Freunde vor etwas schützen, dass keinen Schutz nötig hatte.

Davis hatte alle anderen Möglichkeiten ausgeblendet gehabt und entschied sich dazu das Negative zu sehen, statt einer positiven Zukunft entgegen zu schauen.

Ganz klar: Er hatte es komplett verbockt.
 

_
 

Fassungslos kauerte sie auf ihrem Bett und sah in ihren kleinen schwarzen Kalender, den sie auf ihre Knie gebettet hatte.

Ungläubig schüttelte sie immer wieder den Kopf und zählte erneut nach, obwohl sie das schon drei Mal getan hatte. Wieder kam sie auf das gleiche Ergebnis und spürte wie die Panik in ihr hochkroch. Angespannt knabberte sie an ihrem Daumennagel, schmiss den Kalender neben sich aufs Bett und zog ihre Beine dicht an ihren Körper.

Völlig kraftlos ließ sie ihren Kopf auf ihre Knie sinken und bemerkte ein deutliches Brennen in ihren Augen, als sich die ersten salzigen Tränen lösten.

Wie konnte sowas nur passieren? Und warum passierte es ausgerechnet ihr?

Sie war noch gar nicht bereit für sowas.

Schwerfällig hob sie den Kopf an, als sich ein qualvoller Laut von ihren Lippen löste und sie hektisch mit ihren Handflächen über ihre nassen Augen fuhr.

„Das darf nicht wahr sein“, murmelte sie schwach und begann zu zittern, als ihr bewusst wurde, dass sich ihr ganzes Leben verändern würde.

Wie konnte sie nur so dumm sein? Sie war doch sonst immer verantwortungsbewusst damit umgegangen, denn gerade beim Thema Verhütung wollte sie nichts dem Schicksal überlassen.

Doch das Schicksal hatte ihr nun einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht und stellte alles auf den Kopf, was ihr lieb und heilig war.

Schwerfällig versuchte sie die Abende zu rekonstruieren an den ES passiert sein könnte.

Sie wusste noch genau, dass Tai und sie nicht verhütet hatten, jedenfalls nicht mit Kondom. Die Vertrautheit, die für einen kurzen Moment zwischen ihnen herrschte, ließen alle Zweifel ausblenden und sie in alte Muster verfallen.

Schon während ihrer Beziehung hatten sie irgendwann auf das Kondom verzichtet gehabt, da Sora die Pille nahm und beide einander vertrauten.

Doch bei Matt war es eine ganz andere Sache. Sie erinnerte sich nicht mehr, ob er überhaupt etwas benutzt hatte, oder ob er sie gefragt hatte, ob sie die Pille nahm. Es war einfach passiert.

Dieser leidenschaftliche, unvergessliche Moment, der ihr immer noch schlaflose Nächte bereitete, aber ihr auch zeigte, was sie riskiert hatte.

In diesen zauberhaften Minuten war es ihr völlig egal gewesen, was zuvor zwischen ihnen alles passiert war und was möglicherweise nach der gemeinsamen Nacht noch folgen könnte.

Mit einem Baby hatte Sora ganz sicher nicht gerechnet.

Verzweifelt versuchte sie sich daran zu erinnern, ob sie ihre Pille vergessen hatte, oder ob es ihr während der Einnahme nicht gut ging, sie vielleicht erbrochen hätte – aber sie konnte sich an nichts dergleichen erinnern.

Aber dennoch war sie überfällig. Und das schon länger als sie zugeben wollte. Sie hatte es praktisch verdrängt, weil sie sich den Konsequenzen nicht stellen wollte.

Einen Test hatte sie noch nicht gemacht, obwohl sie sich heute Morgen in ihrer Verzweiflung sogar einen gekauft hatte. Sie hatte ihn in ihrer Schreibtischschublade versteckt, in der Hoffnung, dass ihre Periode doch noch auftauchen würde.

Doch nichts er gleichen geschah. Die Panik in ihr wuchs. Die Gewissheit über ihren Fehler wurde ihr immer klarer.

Sie hatte mit zwei Männern geschlafen. Dicht hintereinander. Es lagen gerade mal drei Tage dazwischen. Wie sollte sie nur ausmachen, wer der Vater war, wenn sie tatsächlich schwanger wäre?

Ein Baby? Das passte absolut nicht in ihren Lebensplan.

Mit wackeligen Beinen stand sie langsam auf und schritt zu ihrem Schreibtisch. Wehmütig blickte sie über die Broschüren, die ihrem Leben einen neuen Wendepunkt geben sollten.

Mit zitternden Fingern nahm sie eine in die Hand, sah wie der Eifelturm sie anlächelte und ihr von einer Zukunft in Paris vorschwärmte.

Vor kurzem hatte sie sich für ein Austauschprogramm beworben, dass in der Modemetropole stattfinden sollte. Es gab nur wenige Plätze und nur die besten Studenten des Jahrganges wurden ausgewählt, um diese einzigartige Chance zu bestreiten.

Sora war eine der Glücklichen.

Ihr Gesicht verzog sich, als sie plötzlich von einer unbändigen Wut erfasst wurde, mit einer harschen Bewegung ihren gesamten Schreibtisch abräumte und in sich zusammensackte.

Ein lautes Schluchzen erfüllte den Raum, als sie ihre Arme vor der Brust verschränkte und ihre Tränen ihr gesamtes Gesicht benetzten. Was hatte sie nur getan?

Sie würde nicht nur ihr Leben damit versauen, sondern auch das Leben ihrer Freunde. Tai war ihr Ex-Freund, der in ihre beste Freundin verliebt war, während Matt als bester Freund ihres Exes tabu für sie gewesen wäre.

Sie schnappte nach Luft, als sie sich versuchte etwas zu beruhigen, auch wenn es ihr nicht sonderlich gut gelang. Hastig schob sie ihre Schublade auf und griff blind nach dem Test, der ihr Gewissheit geben sollte.
 

_
 

„Verdammt nochmal Davis! Wo kommen die ganzen Leute her?“, brüllte Yolei aufgebracht, als sie sich zu Davis durchdrückte.

„K-Keine Ahnung…so viele waren ja gar nicht geplant gewesen. Was weiß ich, wo die alle herkommen?!“, rechtfertigte er sich und zuckte hilflos mit den Achseln.

Eigentlich hatte er nur eine kleine Party mit seinen Kommilitonen geplant gehabt – jedenfalls hatte er das Yolei erzählt. Doch nach und nach kamen immer mehr Menschen, die ihre Wohnung einnahmen, sodass nur noch wenig Bewegungsfreiheit herrschte.

„Die geilste Party ever!“, rief plötzlich ein unbekannter Typ, der auf ihren Esstisch stieg und sein T-Shirt über den Kopf zog und seine nicht vorhandenen Bauchmuskeln präsentierte.

Völlig fassungslos starrte Yolei von dem Kerl zu Davis, dessen Mund ebenfalls aufgeklappt war.

„Kennst du den etwa?“, schrie sie, um gegen die dröhnende Musik anzukommen.

„Was? Nein! Den habe ich noch nie gesehen. Genauso wie 90 Prozent der restlichen Leute. Ich hätte echt nicht über Facebook einladen sollen“, murmelte er hörbar.

Yolei entgleisten ihre Gesichtszüge, als sie Davis sofort am Arm packte und in eine leere Ecke zog.

„Wie du hast die Leute über Facebook eingeladen? Hast du wenigstens an das Häkchen gedacht, um es nicht öffentlich zu posten?!“

„Welches Häkchen?“, fragte er fast schon mechanisch. „Ich muss da ein Häkchen anklicken?!“

Hysterisch fuhr er sich durch die Haare, während Yolei ihre eigene Wut kontrollieren musste.

„Bist du komplett bescheuert?! Du hast das ganz sicher an deine gesamte Freundesliste geschickt, die es dann ihren Freunden geschickt haben! Man Davis, ich könnte echt platzen! Wo ist eigentlich Ken?“, redete sie sich in Rage und suchte mit den Augen nach ihrem Mitbewohner, der vom Erdboden verschluckt war.

„Woher soll ich das denn wissen? Hier sind zu viele Menschen!“, rechtfertigte Davis sich.

„Und wem seine Schuld ist das?“, giftete Yolei schnippisch und drückte sich an den tanzenden Personen harsch vorbei, um in ihr Zimmer zu gelangen.

Was dachte sich Davis nur? War er komplett verrückt geworden? Sie war echt froh, dass Izzy von diesem ganzen Irrsinn verschont blieb. Eigentlich wollte sie ihn sogar zur Party einladen, doch beide hatten sich dazu entschieden, ihre Beziehung am 1. August öffentlich zu machen. Sie hatten diesen besonderen Tag gewählt, um es ihren Freunden mitzuteilen. Im Moment hing immer noch diese schwarze Wolke über ihnen, die mit Michael aufgetaucht war und einfach nicht vorbeiziehen wollte.

Deswegen wollte sie noch ein bisschen warten und ihr gemeinsames Glück genießen, indem sie so viel Zeit wie möglich miteinander verbrachten.

Doch im Moment wollte sie einfach nur die zahlreichen Menschen aus ihrer Wohnung haben. Eine Einladung über Facebook? Dass, konnte wirklich nur von Davis kommen.

Genervt erreichte Yolei ihr Zimmer und öffnete ihre Tür, da sie sich einfach nur ins Bett fallen lassen wollte. Vielleicht konnte sie den ganzen Lärm mit einem guten Hörbuch ausblenden, auch wenn sie nicht wirklich daran glaubte.

Plötzlich blieb sie wie versteinert mitten in ihrem Zimmer stehen. Ihre Augen waren gefährlich geweitet, als ein heißes Stöhnen den Raum erfüllte. Ihr klappte der Mund auf, während sich das Bild, dass sich vor ihr bot, in ihrem Kopf einbrannte.

„Wer zur Hölle seid ihr denn und was macht ihr in meinem Zimmer?“, brüllte sie aufgebracht und spürte wie ihre Wangen knallrot anliefen.

Natürlich wusste sie, was das Pärchen dort machte, aber warum ausgerechnet in ihrem Bett?

„Na Süße, willst du mitmachen?“, fragte der Typ, den sie noch nie gesehen hatte, provokant.

Das Mädchen grinste lasziv über die Schulter, als sie das Tempo erhöhte und sich beide in Ektase lustvoll miteinander bewegten.

Angewidert verzog Yolei das Gesicht, rannte panisch aus ihrem eigenen Zimmer und war wütend das sie ihren einzigen Zufluchtsort verloren hatte. Doch sie würde keine Minute länger in ihrem Zimmer bleiben, nicht solange sich die beiden immer noch miteinander vergnügten.

Resigniert zog es sie auf den Balkon, mit dem Wissen, wohl ihr ganzes Zimmer im Nachhinein desinfizieren zu müssen.

Sachte zog sie die Balkontür auf und musste zu ihrer eigenen Überraschung feststellen, dass ausgerechnet Ken sich ebenfalls draußen befand.

Er hatte eine Bierflasche in seiner Hand und stierte in den unendlich wirkenden Sternenhimmel, ohne Yolei zu bemerken.

Sie presste die Lippen aufeinander und klopfte sachte an die Glasscheibe, sodass er sie prompt bemerkte. Schnell drehte er den Kopf zu ihr und musterte sie traurig, als Yolei einfach auf den Balkon trat, die Tür hinter sich schloss und sich auf den freien Stuhl neben ihm niederließ.

„Da drinnen ist echt was los“, begann sie ein Gespräch und lächelte vage.

„Keine Ahnung, wen Davis da alles eingeladen hat“, erwiderte Ken und wandte sofort den Blick von ihr, was Yolei irritierte. Schon länger hatte sie das Gefühl, dass er ihr aus dem Weg ging. Und sie konnte sich nicht vorstellen, dass es allein an Izzy lag.

„Und was machst du hier so alleine draußen? Willst du dich nicht einem netten Mädchen an den Hals schmeißen?“, hakte sie grinsend nach, wohlwissend, dass Ken kein Aufreißertyp war.

„Klar, als ob ich eine aufreißen könnte. Ich habe so viel Erfahrung wie ein Glücksbärchi, dass mit seinem Wolkenauto die bösen Buden zur Rechenschaft zieht“, meinte er sarkastisch und nippte großzügig an seinem Bier.

Verwundert über diesen seltsamen Vergleich, schüttelte Yolei nur den Kopf. „Was redest du dir da nur ein? Du könntest bestimmt das ein, oder andere nette Mädchen für dich begeistern.“

„Aber ich will nicht irgendeine für mich begeistern“, antwortete er scharf und schenkte ihr einen festen Blick. „Ich will nur eine.“

Yolei schluckte. Seine Entschlossenheit erschrak sie etwas, da sie es von ihm nicht kannte. Sein glühender Blick brannte auf ihrer Haut, als er sich näher zu ihr rüber beugte und sie seinen alkoholgetränkten Atem vernahm.

Wie viel hatte er nur getrunken? Seine Augen waren ganz glasig und sahen sie betrüb an.

„Ken…“, murmelte sie leise, als er unvermittelt seine Hand hinter ihrem Nacken vergrub und sie näher heranzog.

Völlig perplex starrte sie ihn an und überlegte einen Moment zu lange, als er plötzlich seine Lippen auf ihre legte.

Unter Schock weiteten sich ihre Augen und sie konnte nicht fassen, was gerade passierte.

Sie war wie gelähmte, dachte über seine Worte nach und fragte sich, ob er sie gemeint hatte.

Er hatte bereits die Augen geschlossen und küsste sie hingebungsvoll, während sie sich im Rausch der Empfindungen wiederfand. Seine Küsse waren bedacht und vorsichtig, aber dennoch sehr sinnlich, auch wenn ihr dieser Gedanken ganz und gar nicht gefiel. Sie musste sofort damit aufhören.

Sie hatte doch einen Freund! Koushiro.

Das Bild ihres Freundes blitzte vor ihrem inneren Auge auf, als sie Ken unsanft von sich stieß.

Benommen blieb er auf dem anderen Stuhl sitzen, während Yolei die Hände vor ihrem Gesicht zusammenschlug.

„Tut mir leid…aber das kannst du doch nicht machen“, erwiderte sie verzweifelt. „Du weißt doch, dass ich mit Izzy zusammen bin.“

Stille kehrte ein, als Yolei merkte, dass Ken sein Handeln schlagartig bewusst wurde. Hektisch sprang er auf, versuchte weiterhin sein Gesicht zu wahren, auch wenn es ihm jetzt noch schwerer fiel.

„Oh Gott, es tut mir leid. War nicht so gemeint“, antwortete er nur und wollte gerade panisch den Balkon verlassen, als Yolei ihn daran hinderte, indem sie seinen Arm festhielt.

Sie atmete tief ein, als sich eine Frage anbahnte, die ihr unbewusst schon viel länger auf dem Herzen lag. „Ken…bist du etwa in mich...?

Er seufzte nur, blickte stur in die andere Richtung und signalisierte, dass er mit ihr darüber nicht sprechen wollte. Doch warum küsste er sie einfach und zog danach direkt den Schwanz ein? Sie mussten doch darüber reden!

„Das spielt keine Rolle. War dumm von mir“, entgegnete er und streifte sie mit einem verletzen Gesichtsausdruck, als er sich von ihr bestimmend losriss und zur Party zurückeilte.

Yolei sank den Stuhl hinab und berührte geistesabwesend ihre Lippen, während in ihrem Kopf ein einziges Chaos herrschte. Ken hatte sie geküsst. Sie hatte es zugelassen, wenn auch nur für einen kurzen Moment.

Es war wie der berühmte Schmetterlingseffekt, bei dem der Flügelschlag eines kleinen Schmetterlings einen Tornado des Grauens auslösen könnte.
 

Fortsetzung folgt...

Wünsche.

Eine unangenehme Stille legte sich über die beiden, als sie sich von der Pizzeria zurück zum Hotel aufmachten.

Es war komisch für Wallace ausgerechnet mit Takeru Zeit alleine zu verbringen, auch wenn sie sich gerade auf dem Weg zu Kari befanden.

Sie hatten beschlossen zwei große Pizzen zu besorgen, da Kari immer noch sehr ungern das Hotelzimmer verließ, auch wenn Michael und Carter schon längst wieder in Amerika waren.

Amerika.

Wallace schluckte bei dem Gedanken an seine Heimat. Bereits am Montag würde er wieder zurückfliegen, um auch seiner Mutter einen Besuch abzustatten, die er auch bereits eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte, weil sie in Colorado lebte.

Irgendwie wollte er gar nicht weg, da er Hikari nicht allein lassen wollte, doch dann sah er wie Takeru und sie miteinander umgingen, sodass er sich völlig fehl am Platz fühlte.

Er fragte sich wirklich, warum sie ihn heute eingeladen hatte. Lag es etwa nur daran, weil er bald wieder zurückfliegen würde? Hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie lieber Zeit mit ihrem ‚ach so tollen‘ besten Freund verbringen wollte, statt mit ihm, obwohl er extra für sie hergeflogen war?

Sein Herz zog sich schmerzvoll zusammen.

Ja, er war extra wegen ihr nach Japan gekommen.

Nicht um seinen Vater zu besuchen, nein, es war nur wegen ihr.

Weil er sich immer noch Hoffnungen machte, die im trügerischen Glanz der Verzweiflung förmlich zerschlagen wurden.

Denn wenn er ehrlich war, hatte er niemals eine gehabt.

Missmutig blickte er zu dem Blonden, der zwei Pappkartons balancierte, während Wallace mürrisch die Hände in seinen Hosentaschen vergraben hatte.

Er war eben nicht er, stellte er ernüchternd fest. Zwar hatten sie einige intensive Momente erlebt, doch er wusste, dass es kein Vergleich zu Takeru war.

Er war derjenige, der Hikari fast sein ganzes Leben lang kannte. Derjenige, der sie immer beschützt und ihr in schwierigen Lebenslagen beigestanden hatte.

Er kannte sie in und auswendig, war möglicherweise sogar ihr Seelenverwandter, auch wenn Wallace glaube, dass Hikari es selbst noch nicht begriffen hatte.

„Du hast wirklich so ein Glück“, löste sich schnaubend von seinen Lippen, als Takeru irritiert den Kopf zu ihm drehte.

„Was? Wovon redest du denn?“

„Oh Gott, habe ich das gerade etwa laut gesagt?“, fragte er peinlich berührt nach und konnte nicht fassen, was er gerade zu ihm gesagt hatte.

„Du bist wirklich ein seltsamer Vogel, Wallace“, stellte Takeru amüsiert fest und grinste leicht, als Wallace langsam mit einstieg.

„Ich glaube, das habe ich schon öfter gehört. Meistens rede ich schneller, als ich eigentlich denken kann.“

„Erinnert mich an meinen Freund Daisuke. Er ist auch sehr impulsiv und hat das Herz auf der Zunge“, erwiderte Takeru lachend und passte sich Wallace Gehtempo an.

„Ihr seid wohl alle eine große Clique, oder?“, fragte der Blondschopf interessiert.

Takeru rümpfte nur kurz die Nase und schien gedanklich seine Freunde kurz durchzugehen, bevor er antwortete.

„Naja, ich habe das Gefühl, dass wir uns alle ein bisschen auseinandergelebt haben“, erwiderte er wahrheitsgemäß. „Früher haben wir alle so oft etwas zusammen unternommen, aber dann hat jeder seinen eigenen Weg eingeschlagen und auf diesem haben wir uns nach und nach verloren.“

Die Wehmut war aus seiner Stimme herauszuhören und Wallace fragte sich sofort, ob er damit auch Hikari meinte. Auf Wallace machten die zwei nach wie vor einen innigen Eindruck, der sich immer mehr bestätigte, je öfter er sie zusammen sah.

„Ist das bei dir und Hikari auch der Fall?“, rutschte ihm prompt heraus, sodass es sich am liebsten auf die Zunge gebissen hätte.

Reflexartig hielt er sich die Hand vor den Mund und blickte unsicher zu Takeru, der ausdrucksleer auf den Pizzakarton starrte, aber seine flüssigen Schritte nicht unterbrach.

„Sorry…d-das geht mich ja gar nichts an“, stellte er kleinlaut fest.

Takeru blieb abrupt stehen, sodass Wallace sich ihm zuwandte und schon Angst hatte eine Grenze überschritten zu haben, als der junge Japaner zu erzählen begann.

„Unsere Beziehung ist einfach nur kompliziert. Wir kennen uns schon seit wir klein sind und waren immer die besten Freunde gewesen, die alles gemeinsam überstanden hatten. Aber dann hat sie sich in meinen Bruder verliebt, der wirklich jedes Mädchen haben konnte. Kari war in dieser Zeit sehr unglücklich gewesen und flüchtete sich sogar in eine Beziehung mit einem gemeinsamen Freund, die dann jedoch in die Brüche gegangen ist.“

Er hielt kurz inne, während Wallace ihm einen eindringlichen Blick schenkte. Er kannte nur wenig über Hikaris Vergangenheit, weshalb ihn die Erzählungen schon etwas schockierten. Kari machte nicht den Eindruck, als würde sie mit irgendjemandem eine Beziehung anfangen, in den sie nicht verliebt war. Die Sache mit Michael blendete er lieber aus, da in dieser Nacht Dinge passiert waren, die niemals hätten passieren dürfen…

„Ich glaube, sie ist damals in viele Dinge einfach so reingeschlittert, weil sie unglücklich verliebt war, aber ich würde immer zu ihr halten, egal was auch noch passiert. Selbst wenn sie noch schwanger wäre, ich wäre für sie da gewesen!“

Seine blauen Augen fixierten ihn voller Überzeugung, sodass Wallace sofort klar wurde, was er schon die ganze Zeit vermutet hatte.

Er war in sie verliebt. So wie er.

Ein kalter Griff umfasste sein Herz, als sich ein brennender Schmerz in seiner Kehle ausbreitete.

Jedoch war es keine Eifersucht, die er spürte.

Viel mehr, war es die Erkenntnis, dass er jemanden loslassen musste, den er in kurzer Zeit unglaublich lieb gewonnen hatte.

Er war in Kari eben nur verliebt. Etwas, dass wieder vergehen konnte, besonders, wenn sie in Japan bleiben würde.

Doch Takeru empfand weitaus mehr für sie.

Es war bedingungslos und aufopfernd. Die reinste Form der Liebe, die aus Freundschaft geboren wurde.
 

_
 

„So, jetzt nur nochmal abschmecken und schon können wir essen“, erwiderte sie fröhlich und schnappte sich einen Löffel, um die Soße, die sie gemeinsam zubereitet hatten, probieren zu können.

Sie stellte sich vor den Herd und rührte sie nochmal um, bevor sie etwas davon auf den Löffel aufnahm und zu ihrem Mund führte.

Sie pustete leicht, bevor sie kostete.

„Und?“, fragte Taichi gespannt und stellte sich so, dass er ihren Hals sachte küssen konnte.

Seine Hände wanderten ihre Taille entlang und platzierten sich lautlos auf ihrem Bauch, sodass er sie noch näher an sich heranziehen konnte.

„Mhm, ich glaube es fehlt noch ein bisschen Salz“, merkte Mimi an und kicherte, während Taichi immer noch ihren Hals liebkoste. „Taichi…das kitzelt! Man, hör auf damit! Wir kochen gerade.“

„Irgendwie habe ich gar nicht so wirklich Hunger“, erwiderte er lustbetont, während Mimi ihm einem empörten Blick schenkte und sich direkt von ihm losmachte.

„Du denkst wohl bei jeder Gelegenheit an Sex!“, stellte sie entrüstet fest und stemmte die Hände in die Hüfte. „Ich dachte wir wollten heute einen romantischen Abend verbringen und auch mal reden.“

„Machen wir doch“, entgegnete Taichi schmollend und zog sie an der Schürze wieder zu sich. „Wir haben uns doch die ganze Zeit unterhalten und ich kann doch nichts dafür, dass du selbst in ’ner Schürze so verdammt sexy aussiehst.“

Mimi schmunzelte leicht und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Wange.

„Du kannst echt froh sein, dass deine Mitbewohner heute ausgeflogen sind. Da bleibt noch genügend Zeit für Unanständigkeiten“, murmelte sie verführerisch und wandte sich wieder ihrer Soße zu.

Taichi biss sich unmittelbar auf die Unterlippe und war insgeheim auch sehr froh, dass sie heute niemand stören würde.

Izzy war zum Lernen verabredet und wohl die ganze Nacht unterwegs, während Yamato das erste Mal auf Saya aufpasste und bei seiner Mutter übernachtete.

Mimi verteilte eine Prise Salz im Topf und rührte mit dem Kochlöffel beherzt um, während Taichi sie beobachtete. Er konnte die Leidenschaft sehen, die sie mit dem Kochen verband. Sie schmeckte erneut ab und blickte zufrieden zu Tai, der nicht mehr an sich halten konnte und erneut ihre Nähe suchte.

„Was ist denn heute nur los mit dir? Du bist so schmusebedürftig“, antwortete Mimi belustig und erwiderte seine Umarmung sofort.

Er schlang die Arme um sie und vergrub sein Gesicht an ihrer Halsbeuge.

Er wollte sie gar nicht mehr loslassen, da ihn immer wieder die gleichen deprimierenden Gedanken quälten. Schon seit einigen Tagen überlegte er fieberhaft, wie es mit ihnen weitergehen würde. Seit Karis Freund Wallace verkündet hatte, dass er wieder zurückflog, kreisten Taichis Gedanken, um einen baldigen Abschied, der ihm sicherlich bevorstehen würde.

Seine Schwester hatte ihm bereits versichert, dass sie vorerst nicht in die USA zurückkehren würde und sich ein Urlaubssemester nahm, um all das Erlebte verarbeiten zu können. Sie hatte sogar vor es ihren Eltern zu sagen, doch bisher hatte ihr einfach noch der nötige Mut gefehlt. Taichi stand auf jeden Fall hinter ihr, aber was war mit Mimi? Sie kannte Karis Entscheidung bereits, hatte sich aber nicht geäußert, ob sie es ebenfalls in Erwägung zog, länger hier zu bleiben, was in Taichi eine große Unruhe auslöste.

Was wenn sie bald wieder in die USA fliegen würde? Wäre all das nur eine kurze Liaison, die bei ihrem nächsten Aufeinandertreffen keinerlei Bedeutung mehr hatte?

Nein, das hier war mehr. Er liebte sie. Deswegen konnte er sie auch nicht mehr gehen lassen.

Gedankenverloren drückte er sie noch fester an sich, als Mimi sich zu ihm drehte und die Arme um seinen Hals schlang. Sie hatte verstanden, dass diese Umarmung mehr bedeutete, als es den Anschein machte.

„Ich will nicht, dass diese Zeit hier endet“, flüsterte er ihr zu, als er spürte wie sie ihre Finger in seinen Haaren vergrub.

„Ich auch nicht…“, erwiderte sie nur schwach und löste sich soweit, dass die beiden sich ansehen konnten.

Taichi beugte sich zu ihr hinunter, sodass sich ihre Nasenspitzen zärtlich berührten und den Moment der aufkommenden Verzweiflung überschatteten.

Warum konnten sie nicht einfach glücklich sein? Wieso musste sie in den USA studieren?

Er fühlte sich einfach nur ohnmächtig, wusste nicht, was er tun sollte. Was richtig und was falsch war. Sollte er sie bitten, hier zu bleiben? Wäre es nicht ein zu großes Opfer?

Auch er hatte schon mit dem Gedanken gespielt, seine Heimat hinter sich zu lassen und einfach mit ihr mitzugehen, doch das konnte er seiner Schwester nicht antun. Nicht in dieser Situation. Sie brauchte ihn doch…

Welche Alternativen blieben ihm überhaupt noch? Verbittert presste er die Lippen aufeinander, als er plötzlich eine zarte Berührung an seiner Wange wahrnahm.

Sie schenkte ihm einen liebevollen Blick, als sie sich etwas auf die Zehenspitzen stellte und ihm einen innigen Kuss auf die Lippen hauchte, den er nur allzu gern erwiderte.

Vielleicht machte er sich auch zu viele Gedanken. Möglicherweise musste er einfach die Momente genießen, die ihm mit seiner Traumfrau noch blieben.

Dennoch haftete sich die Ungewissheit an sein Herz, sodass er wusste, dass er sie nicht allzu lange ignorieren konnte.
 

_
 

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass du schon bald wieder fliegst“, sagte Kari traurig und richtete ihren Blick zu Boden.

In ihrer Hand hielt sie noch immer ihr Stück Pizza, doch ihr war der Appetit abrupt vergangen, als ihr bewusst wurde, das der Abschied von Wallace immer näher rückte.

Sie war ihm unglaublich dankbar, dass er ihr die ganze Zeit über beigestanden hatte. Er war in dem letzten Jahr zu einem wahnsinnig guten und zuverlässigen Freund geworden, den sie nicht mehr missen wollte.

„Ich hoffe doch, dass du uns auch wieder besuchen kommst“, meinte Takeru grinsend und drückte Wallace das letzte Stückchen Pizza in die Hand.

Lachend nahm es Wallace entgegen und nickte bestärkend.

„Klar, mein Dad wohnt ja auch hier und ihn werde ich bestimmt wieder an Weihnachten besuchen kommen“, erzählte er ausschweifend und biss beherzt in seine Pizza hinein.

Kari lächelte ebenfalls und fühlte sich in der Gegenwart der Jungs richtig geborgen. Sie hatten sich auf dem Zimmerboden niedergelassen und wollten noch gemeinsam einen Film sehen, bevor sich Wallace auf den Nachhauseweg machte. Takeru hatte beschlossen die Nacht über bei ihr zu bleiben, weil Mimi, so wie sie sie kannte, sowieso bei ihrem Bruder übernachten würde.

Irgendwie machte Kari es richtig nervös, wenn sie daran dachte, mit Takeru ein Zimmer zu teilen. Sie wusste noch nicht mal wieso. Wie oft hatten sie schon in einem Bett geschlafen gehabt? Wie oft hatte er schon bei ihr übernachtet? Es war also nichts Ungewöhnliches, aber trotzdem spürte sie dieses nervöse Kribbeln in ihrer Magengegend.

Wie sollte sie es nur aushalten, wenn sie später alleine waren?

Sie konnte sich immer noch nicht erklären, warum sie Takeru geküsst hatte. Vielleicht war sie aufgewühlt gewesen…schließlich hatte er gerade von dem Baby erfahren.

Aber als er ihr sagte, dass er versuchen wollte, seine Gefühle für sie abzulegen, war etwas in ihr zerbrochen. Sie konnte dieses Gefühl schlecht beschreiben. Es war wie ein Gewicht, dass sich auf ihren Brustkorb drückte und ihr die Luft zum Atmen raubte.

„Ach mir fällt da noch was ein“, meldete sich Wallace zu Wort und stopfte sich den Rest Pizza in den Mund, bevor er in seiner Hosentasche zu kramen begann.

Er zog ein zusammengefaltetes Papier hervor, als er es Kari direkt vor die Nase hielt.

„Das ist mir letztens in die Hände gefallen und ich glaube, es könnte dir wirklich helfen.“

Argwöhnisch runzelte sie die Stirn, als sie das Papier entgegennahm und aufklappte.

Ihre Augen weiteten sich augenblicklich, während sie Wallace gerührt anstarrte. Wo hatte er denn diese Liste nur ausgegraben? Das war doch schon eine halbe Ewigkeit her, als sie sie zusammengeschrieben hatten.

„Was ist denn eine ‚Liste der Banalitäten‘?“, fragte Takeru neugierig und betrachtete den Zettel über Karis Schulter hinweg.

Wallace legte ein geheimnisvolles Lächeln auf und kräuselte die Lippen. „Ich denke, Hikari wird dir das in Ruhe erklären. Du hast jetzt die glorreiche Aufgabe, alles mit ihr abzuarbeiten.“

„Was? Wovon redest du denn?“, hakte Takeru verwundert nach, während Kari immer noch das Stückchen Papier anstarrte und ihren Gedanken nachhing.
 


 

„Liste der Banalitäten?“, fragte sie ungläubig als er auf einmal ein graues Notizbuch herauskramte und eine Seite herausriss.

„Sowas sollte jeder Mal in seinem Leben gemacht haben!“ Wallace grinste leicht und zog einen Kulli hinter seinem Ohr hervor. „Welche banalen Dinge möchtest du in deinem Leben auf jeden Fall noch machen?“, fragte er und wartete gespannt auf ihre Antwort. Kari überlegte kurz, doch schnell schoss ihr in den Sinn, warum er das Ganze machte. Es war wegen dem Baby.

„Wallace du brauchst mich nicht auf zu heitern. Ich komm schon klar!“, sagte sie mit gefaster Stimme, die jeden Augenblick wieder ins Straucheln geraten konnte.

„Hikari“, ermahnte er streng. „Du brauchst das jetzt. Gestern warst du vollkommen fertig gewesen und sag jetzt ja nicht, dass ich mir das aus den Fingern sauge!“

Das Gegenteil konnte sie schlecht behaupten. Er war bei ihrem Beinahe-Zusammenbruch live dabei gewesen. Sie fühlte sich überfordert und hatte das Gefühl von jedem unter Druck gesetzt zu werden. „Aber wie soll mir das helfen? Das Baby verschwindet dadurch ja nicht!“, meinte sie im Flüsterton und starrte auf den Tisch, an dem sie saßen.

Wallace griff auf einmal ihre Hand und warf ihr einen verständnisvollen Blick zu. „Ich möchte nur, dass du weißt, dass das deine Entscheidung ist und nicht die der anderen. Vielleicht hilft dir die Liste herauszufinden was du willst! War bei mir so!“

„Bei dir? Du hattest auch so eine dämliche Liste?“, fragte sie grinsend und zog ihre Hand zurück. Nähe konnte sie im Moment wirklich nicht ertragen.

Er lächelte schwach und erzählte ihr seine Geschichte.

„Mein bester Freund Gus und ich haben sie als wir sieben waren geschrieben und kurz vor unserem Abschluss haben wir all diese Sachen gemacht.“

„Und was stand da drauf?“, wollte sie neugierig wissen.

Wallace musste nicht lang überlegen. Seine Banalitäten würde er im Leben nicht vergessen.

„Wir haben einen Road Trip gemacht mit seiner Klapperkiste von Wagen. Einmal ging uns sogar, das Benzin aus und wir mussten mitten in der Wüste schlafen.“

„Klingt spannend“, meinte sie sarkastisch.

„Oh man Kari. Du hattest doch als Kind bestimmt auch einen verrückten Traum, den du unbedingt mal erfüllen wolltest. Sei mal ein bisschen kreativ.“

Sie lachte leise und fuhr sich durch ihre halblangen braunen Haare. „Ich wollte mal einen Matschengel machen.“

„Einen Matschengel?“, wiederholte er skeptisch.

„Ja. Einmal war ich mit TK, Matt und Tai Schlittenfahren. TK und ich waren neun und Matt und Tai waren zwölf. Während beide immer um die Wette den Hang hinuntergefahren sind, haben TK und ich lieber Schneeengel gemacht“, erzählte sie fast schon nostalgisch.

„Und wie seid ihr auf Matschengel gekommen?“

„Naja im Sommer gibt es keinen Schnee“, kicherte sie.

„Habt ihr es gemacht?“

Sie schüttelte den Kopf und Wallace zückte seinen Stift und schrieb: Erstens. Einen Matschengel machen.

„Ich bin auch noch nie auf einen Baum geklettert“, gab sie kleinlaut zu.

„Interessant“, murmelte Wallace. Er konnte ja nicht wissen, dass sie immer ein sehr anfälliges Kind war, was Krankheiten anbelangte. Ihre Eltern hätten es niemals zugelassen, dass sie wie Tai auf Bäume stieg. Dafür hatten sie Kari zu sehr im Kokon der Fürsorge eingebettet. Zu groß war die Angst, dass ihr etwas passieren könnte. Doch Wallace stellte keinerlei Fragen. Er schrieb nur fleißig mit.

Zweitens. Auf einen Baum klettern.

„Gut, machen wir weiter. Was fällt dir noch ein?“
 

_
 

Er strich ihren marklosen Rücken entlang, während sie sich an ihn kuschelte und ihren Kopf gegen seine nackte Brust drückte.

Sie fuhr über seinen Arm, erreichte seine warme Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen.

„Das war sehr schön“, murmelte sie mit verhangener Stimme und sah verstohlen zu ihm hoch, indem sie den Kopf leicht abhob.

„Ja, fand ich auch…“, erwiderte er nur und Mimi konnte gar nicht in Worte fassen, wie sie sich in diesem Moment fühlte. Sie war richtig euphorisch, sehnte sich immer weiter nach seiner Nähe, auch wenn sie gerade in seinen Armen lag und sie sich lange und intensiv geliebt hatten. Es war nicht genug. Sie wollte mehr. Sie wollte etwas Festes.

„Tai…“

„Mimi…“

Beide hielten sofort inne, als sie die ernste Stimme des jeweils anderen vernahmen.

Was wollte er ihr bloß sagen? Schon als sie zusammen gekocht hatten, verhielt er sich so merkwürdig. Redete ständig von Abschied und wie all das nur weitergehen würde.

Dabei hatte sie selbst keine Ahnung.

Eine Fernbeziehung fand sie im Anbetracht der Entfernung und des Zeitunterschieds fast unmöglich zu führen. Nein, sie könnte sowas sicher nicht aushalten und würde vor Sehnsucht nach ihm sicher zergehen.

Anspannung machte sich in ihrem Körper breit, als sie sich nervös auf die Unterlippe biss und dem Gespräch am liebsten aus dem Weg gehen wollte.

Genau genommen wollte sie auch gar nicht darüber sprechen! Sie hatten doch noch genug Zeit ein paar unbeschwerte Wochen miteinander zu genießen, warum sollten sie denn jetzt ausgerechnet darüber sprechen?

Bestimmend setzte sie sich etwas auf und attackierte, ohne auf seine Reaktion zu warten, seinen Mund.

„Warte…was tust du denn?“, erwiderte er überrascht, doch Mimi verwickelte ihn von der einen auf die andere Sekunde in einen leidenschaftlichen Kuss.

Es dauerte nicht lange, bis er erneut bereit war und Mimi rittlings auf seinen Schoss kletterte und sich rhythmisch auf ihm zu bewegen begann.

Er stöhnte leise auf, während sie ihre Nägel sanft in seinen Brustkorb krallte und sich kaum halten konnte.

Sie spürte seine Hände an ihren Hüften, die ihren Bewegungen Sicherheit gaben, während sie sich langsam zu ihm runter beugte, um ihn erneut zu küssen.

Ihre Lippen berührten sich begierig, als er sich einen kurzen Moment später keuchend von ihr löste.

„Bitte bleib“, löste sich schwerfällig von seinen Lippen und seine Atmung wurde immer kürzer.

„Was?“, fragte Mimi verwundert und bewegte sich auf einmal viel bedachter.

Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet, auch wenn er diese Aufforderung wirklich etwas romantischer hätte formulieren können.

Doch Mimi hatte keine Zeit darüber nachzudenken, als er ihren Nacken ergriff, sie erwartungsvoll zu sich zog und ihren Hals mit kleinen Küssen bedeckte.

„Bitte…bleib…bei…mir…“, sagte er während den einzelnen Küssen, die sich auf ihrer Haut einbrannten.

Mimi schloss daraufhin die Augen und konnte die Welle der Gefühle nicht mehr steuern, die geradewegs auf sie zukam. Sie stöhnte in Ekstase, als Tai ihren Körper an seinen schmiegte und endlich die Worte zu ihr sagte, die sie all die Jahre von ihm hören wollte.

„Ich liebe dich…“

Erschöpft brach sie auf ihm zusammen und rang nach ihrem Atem. Stille kehrte ein, als Mimi nur sehr langsam verarbeitete, was Taichi alles zu ihr gesagt hatte.

Er wollte, dass sie bei ihm blieb und er hatte…

Sie hatte kaum Zeit zu reagieren, als er erneut ihr Kinn anhob und ihr tief in die Augen sah.

„Ich will dich nicht verlieren. Ich weiß, dass ich gerade eine unglaubliche Entscheidung von dir verlange, aber bitte bleib. Du würdest mich zum glücklichsten Mann der Welt machen…bitte gib uns…“

Er kam nicht weiter, da sich Mimi langsam aufgerafft hatte und ihre Lippen mit seinen versiegelte.

Es war nur ein kurzer Kuss in dem jedoch so viel Liebe steckte, dass er ihre Antwort bereits wusste.

„Ich liebe dich auch“, flüsterte sie ihm zu und fuhr glücklich über seine schweißbenetzte Stirn, bevor sie wieder nach seinen Lippen suchte.

Voller Freude erwiderte er ihren nächsten Kuss und verlor sich ganz darin, während Mimi bereits Pläne schmiedete, wie sie alles in die Wege leiten konnte.

Denn ihr wurde immer mehr bewusst, dass New York schon lange nicht mehr ihr Zuhause war. Sie musste hierbleiben, um glücklich zu werden. Nur in Japan konnten sich ihre Wünsche endlich erfüllen. Mit Taichi an ihrer Seite.
 

_
 

Sie atmete tief ein, als sie sich im Spiegel betrachtete. Sie trug bereits ihren Pyjama, während sich Takeru bereits in Mimis Bett bequem gemacht hatte.

Ihre Hände zitterten etwas, auch wenn sie sich versuchte krampfhaft am Waschbecken festzuhalten.

Sie schluckte hart, als sie ihre verkrampften Finger löste und in Richtung Tür verschwand.

Nach einem weiteren schweren Atemzug, öffnete sie die Badezimmertür und schaltete das Licht aus.

Ihr Blick war zu Takeru gerichtet, der immer noch die Liste durchging, die Wallace ihren überreicht hatte.

Hikari hatte völlig vergessen, dass sie sie gemeinsam mit ihm geschrieben und zehn banale Wünsche darauf festgehalten hatte.

„Also über den Matschengel komme ich immer noch nicht hinweg. Als wir noch klein waren, fandest du Matsch doch mega eklig! Ich erinnere mich noch gut daran, wie du in diese eine Pfütze getreten bist und vor Ekel los gequietscht hast“, schwelge Takeru in seinen Erinnerungen, während Hikari mit wackeligen Knien zu ihrem Bett schritt.

„Da war ich sieben, oder acht“, verteidigte sie sich empört. „Außerdem stehen auf der Liste lauter Dinge, die ich mich nie getraut habe.“

„Ja“, antwortete Takeru langezogen. „Hätte nicht gedacht, dass du in ein Schwimmbad einbrechen willst. Ich glaube, deine Liste ist zu neunzig Prozent illegal.“

„Was?! Stimmt doch gar nicht“, antwortete Kari entsetzt und schlug ihre Bettdecke zurück, damit sie sich darunter verkrümeln konnte.

„Das war doch nur Spaß. Ich zieh‘ dich nur ein bisschen auf“, erwiderte er lässig und lächelte so, dass sich einige Grübchen auf seinem Gesicht abzeichneten.

Angespannt fuhr sich Kari fahrig durch ihre Haare und versuchte mit Takeru Blickkontakt zu halten, was ihr einfach nicht gelang.

Es lag einfach zu viel Unausgesprochenes über ihnen, sodass Kari noch Zeit brauchte, um mit ihm offen reden zu können.

Wo kamen diese Gefühle nur her? Und wieso konnte sie sie so schlecht zuordnen?

Je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, desto schlimmer wurde es.

„Vielleicht sollten wir jetzt schlafen“, schlug sie mit zitternder Stimme vor, als sie Takeru auch schon den Rücken zuwandte und sich unter die Decke vergrub.

Ihr Herz klopfte immer noch wie wild und schien sich auch nicht beruhigen zu wollen, auch wenn Takeru ihr nur einen kurzen Gute-Nacht-Gruß zurief und danach sofort das Licht löschte.

Was war nur los mit ihr?

Wieso passierte es ausgerechnet jetzt? Sie hatte Takeru immer als Freund wahrgenommen, was hatte sich plötzlich verändert?

Verbittert presste sie die Lippen aufeinander und versuchte zu schlafen, unwissend, dass Takeru sie sogar bis in ihre Träume verfolgen würde…
 

Fortsetzung folgt...

Verletzlichkeiten.


 

19. Juli 2010
 


 

„Und bist du schon nervös?“, fragte Asuka lächelnd, während sie ihm die Räumlichkeiten der Betreuungsstätte zeigte.

Interessiert inspizierte Joe jeden kleinsten Winkel und sah sich neugierig um. Einige Kinder kamen ihm schreiend entgegengerannt, sodass er leicht zusammenfuhr und unsicher Asuka musterte.

„Du gewöhnst dich sicher schnell an die Lautstärke“, munterte sie ihn auf und ging weiter.

„Wo werde ich denn überhaupt heute eingesetzt?“

Joe wusste, dass die Sommerbetreuung bereits in vollem Gang war und er lediglich als Springerkraft eingesetzt wurde. Auch wenn es Asuka niemals zugeben würde…aber bestimmt hatte sie ihren Vater überredet gehabt ihm diesen Job zu geben.

Verständlich, wenn man bedachte, dass er sich bei ihr Zuhause durchschnorrte und einfach keinen Fuß fassen konnte.

Deswegen wollte er sich auch nicht beschweren. Er wollte dem Ganzen eine Chance geben.

„Naja, die meisten Teams sind schon voll besetzt, aber wir haben ein Plätzchen für dich gefunden“, erwiderte sie geheimnisvoll und steuerte geradewegs auf eine der vielen Türen zu, hinter der sich Joes neuer Arbeitsplatz verbarg.

„Bist du bereit deine neuen Kollegen kennenzulernen? Sie sind auch alle ganz handzahm und beißen tun sie auch nicht“, witzelte sie und drückte die Tür auf.

Joe grinste und folgte ihr ohne weiteres, als er plötzlich vor Schreck erstarrte.

„Ich soll in der Küche arbeiten?“, hakte er ungläubig nach, als blankes Entsetzen sein Gesicht zierte.

Er und Küchenarbeit? Sie hatte wohl noch nicht seine tollpatschige Seite kennengelernt, die ihm das Lebens des Öfteren erschwerte.

„Nur diese Woche. Nächste wird dann gewechselt“, informierte Asuka ihn und rümpfte ihre feine Nase, während sie mit den Augen jemanden zu suchen schien. „Dein Partner müsste hier auch irgendwo rumlaufen.“

Sie ging ein paar Schritte vor, während Joe mit zaghaften Schritten eintrat und erstmal Schlucken musste.

Im Moment war die Küche wie leergefegt und alles glänzte vor Sauberkeit, was sicher nicht mehr der Fall war, wenn Joe sich darin aufhielt.

Unwohlsein stieg in ihm empor, als er hilfesuchend nach Asuka Ausschau hielt, die jedoch gerade um die Ecke verschwunden war.

Missmutig ließ Joe die Schultern hängen und folgte ihr lautlos, als sie auf einmal mit einem älteren Jungen wiederauftauchte und Joe augenblicklich seine Bewegungen einstellte.

„Cody?!“, brachte Joe nur zu Stande, als die beiden direkt vor ihm stehen blieben.

„Hey, wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen“, antwortete er lachend, während seine tiefe Stimme durch Mark und Bein ging.

Joe konnte sich noch nicht mal erinnern, wann er den Jüngsten ihrer Gruppe das letzte Mal gesehen hatte.

Es war sicher eine ganze Weile her.

Cody war ein ganzes Stück größer geworden und war fast genauso groß wie er. Seine Haare waren deutlich gewachsen und standen etwas unordentlich zur Seite ab.

Doch am meisten hatte sich seine Stimme verändert, die viel männlicher und dunkler klang als vorher.

„Oh das ist ja ein Zufall. Ihr kennt euch?“, fragte Asuka. „Iori arbeitet schon den dritten Sommer bei uns.“

Sie lächelte und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter, als er sich verlegen den Kopf tätschelte.

„Ja, wir sind miteinander befreundet, aber ich habe gar nicht gewusst, dass du hier jetzt arbeitest“, erwiderte Cody überrascht, während Joes Blick sich verfinsterte.

Sie wären miteinander befreundet, hatte er gesagt.

Doch mittlerweile fühlte es sich gar nicht mehr danach an. Ihre Freundschaft hatte sich besonders in den letzten Monaten stark verlaufen, was Joe sehr bedauerte.

Jedoch passierte sowas meist eher unbemerkt, da man oftmals mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hatte. So ging es auch Joe, der nach dem ganzen Stress mit seinem Vater, Zeit für sich brauchte, um wieder ein klares Ziel vor Augen zu haben.

Aber meist verlor man dadurch etwas viel Wichtigeres. Etwas, dass Joe sehr plötzlich erfasste und sein Herz mit Wehmut füllte, wenn er in Codys freudiges Gesicht blickte.

Ihre einstige Freundschaft war nicht mehr so, wie sie einmal war. Und diese Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht.

„Okay, dann kann ich euch ja ruhig alleine lassen. Viel Spaß und lasst euch später von den Kindern nicht auf der Nase herumtanzen“, kicherte Asuka und verließ die Küche, während sich ein betretendes Schweigen zwischen den beiden einstellte.

„Ich habe vorhin mal ein paar Kochbücher durchforstet und ein paar Rezepte markiert. Die Kinder kommen in ungefähr einer halben Stunde und bis dahin sollten wir uns für etwas entschieden haben“, meinte er auf einmal und löste sich aus seiner starren Position.

Unsicher presste Joe die Lippen aufeinander, als Cody auf einmal auf einen der Tische zusteuerte, auf denen er die Kochbücher ausgebreitet hatte.

„Du kannst gerne mal reinschauen“, schlug er ihm euphorisch vor, doch Joe fühlte sich regelrecht gehemmt. Ein verhaltenes Lächeln kam über seine Lippen und er schlich sich sachte heran, ohne wirklich zu wissen, was auf ihn nachher zukommen würde.

Es fiel ihm auch unsagbar schwer ein Gespräch mit Cody zu beginnen, da ihm erst jetzt auffiel, wie sehr er sich von den anderen distanziert hatte.

Er fühlte sich ihnen nicht mehr zugehörig, sondern eher wie ein Fremdkörper, den man abgestoßen hatte.
 

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„Hier sieht es immer noch aus wie Sau! Ich kann echt nicht glauben, was ihr unserer Wohnung angetan habt!“, knurrte Takeru erbost und schien es immer noch nicht fassen zu können, welches Chaos sie nach zwei Tagen immer noch aufzuräumen hatten.

Ihre Wohnung ähnelte einem wahrhaftigen Schlachtfeld und erst nach und nach konnte man die einzelnen Wohnbereiche wiedererkennen, doch Yolei schien mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein.

Während Davis ein Seminar in der Uni besuchte, befand sich Ken noch auf der Arbeit, weshalb das Aufräumen an Takeru und ihr hängen blieb.

Doch ihr war es ganz recht, dass sie nicht mit Ken zusammen aufräumen musste. Später war sie noch mit Izzy verabredet und sie konnte es kaum erwarten ihre Wohnung zu verlassen.

Es lag nicht daran, weil sie schmutzig war, aber in Kens Gegenwart hielt sie es einfach nicht mehr aus. Bevor er von der Arbeit wiederkommen würde, wäre sie längst verschwunden – jedenfalls hatte sie es sich vorgenommen.

Nach der Party war sie ihm kontinuierlich aus dem Weg gegangen, was in einer WG leichter gesagt als getan war.

Doch das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass sich ihr guter Freund an nichts mehr erinnerte.

Dieser Abend schien sich aus seinem Gedächtnis gebrannt zu haben und hinterließ bei Yolei ein mulmiges Gefühl, dass sie kaum in Worte fassen konnte.

Ken hatte sie geküsst. Er hatte indirekt zugegeben, dass er Gefühle für sie hatte und sie hatte Izzy von all dem noch nichts erzählt gehabt.

Sie rang förmlich mit ihrem schlechten Gewissen, obwohl sie den Kuss noch nicht mal richtig erwidert hatte. Sollte sie es ihm tatsächlich sagen und wohlmöglich ihre frische Beziehung damit aufs Spiel setzen?

Noch vor der Party hatte er mit dem Gedanken gespielt gehabt, sie seinen Eltern vorzustellen. Wenn sie jetzt etwas sagen würde, würde es sie sicher wieder zurückwerfen und das Vertrauen, dass sie mühevoll aufgebaut hatten, bekäme deutliche Risse, auch wenn es strenggenommen nicht ihre Schuld war.

Warum hatte Ken sie einfach so geküsst? Und warum hatte sie ihn nicht sofort von sich gestoßen?

Wieso hatte sie dieses nervöse Kribbeln in ihrer Magengegend gespürt, dass sie an ihre zarten Gefühle zurückerinnerte, die sie mit zwölf Jahren eine Zeitlang für ihn gehegt hatte?

Ihr Herz setzte plötzlich aus, als sie daran zurückdachte.

Warum konnte sie nicht einfach ein unkompliziertes Liebesleben haben?! Ein lautes Seufzen löste sich von ihren Lippen, als Takeru sie anstarrte, während er versuchte einen weiteren Müllsack zu schließen.

„Ist alles in Ordnung bei dir?“

Yolei stöhnte nur genervt auf, raffte einige Dosen zusammen und ging auf Takeru zu. Er öffnete den Müllsack abermals, während Yolei ihm einen wehleidigen Augenaufschlag schenkte.

„Warum ist Liebe nur so kompliziert? Kannst du mir das mal verraten?“

Verblüfft starrte der Blondschopf sie an und rang nach einer Antwort.

Doch Yoleis Herz lag mal wieder auf der Zunge, weshalb sie einfach zu reden begann, ohne groß darüber nachzudenken.

„Ich mein, wenn man doch jemanden gefunden hat, sollte man doch bei einem anderen Kerl kein Herzklopfen bekommen, oder?“, hakte sie verzweifelt nach, während Takerus Gesicht ganz blass wurde.

„Du triffst dich mit zwei Kerlen?!“, fragte er ungläubig. Sein Mund klappte augenblicklich auf, doch Yolei schlug ihm nur unsanft gegen die Brust.

„Nein! Das tue ich nicht! Ich heiße ja nicht Takeru Takaishi!“

Mürrisch verzog TK das Gesicht.

„Ich treffe mich nicht mit zwei Mädchen gleichzeitig!“, widersprach er sofort vehement.

„Ach nein? Du hängst doch ständig mit Kari zusammen und Mariko ist wohl deine Notlösung, wenn du mal wieder Sex willst“, unterstellte sie ihm vorsätzlich.

Sie musste sich zusammenreißen, da die Sache mit Mariko sie immer noch fuchsteufelswild werden ließ. Sie hatte mitbekommen, wie ihre Freundin wegen der Sache mit Takeru litt.

Es war nicht so, dass sie ihn nicht verstehen konnte, schließlich wollte sie ja ebenfalls für Hikari da sein, aber Mariko so auszunutzen, passte für sie einfach nicht zusammen.

„Waren wir nicht gerade bei dir? Und außerdem habe ich Mariko schon ziemlich lange nicht mehr getroffen, falls sie dir das verschwiegen haben sollte“, raunzte er und wollte sich gerade wieder den Abfällen widmen, als Yolei ihn sanft am Arm packte und ihn dazu veranlasste kurz inne zu halten.

„Du solltest nochmal mit ihr reden. Ich glaube, sie macht sich immer noch Hoffnungen und sowohl du als auch ich wissen, dass sie mehr als nur Sex will.“

Genervt riss sich Takeru von ihr los und fuhr sich hektisch durch seine kurzen blonden Haare.

„Das weiß ich selbst, aber was soll ich zu ihr sagen? ‚Sorry, ich bin immer noch in meine beste Freundin verliebt, die von einem anderen Kerl schwanger war und durch ihre Fehlgeburt am Boden zerstört ist?‘ Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine Entschuldigung für mein Verhalten ist, geschweige denn, dass sie es akzeptiert.“

„Aber du musst trotzdem ehrlich zu ihr sein“, löste sich von Yoleis Lippen, als diese Aussage sie wie ein Schlag ins Gesicht traf. Ehrlich sein…

Ihr ganzer Körper spannte sich an und ihr Herz zog sich schmerzvoll zusammen.

Sie musste Izzy von dem Kuss mit Ken erzählen.

Es gab keine andere Alternative. Eine Beziehung baute auf Vertrauen auf und sie würde alles zu Nichte machen, wenn sie ihm jetzt die Wahrheit verschweigen würde.

Auch sie musste ehrlich sein. Ken hatte sie zwar geküsst und möglicherweise alte Gefühle geweckt, die jedoch niemals in einer gemeinsamen Zukunft enden würden.

Sie hatte sich in Izzy verliebt und fühlte sich in seiner Gegenwart wie auf Wolken, die ihr die Zuversicht gaben, dass sie auch dieses Problem aus der Welt schaffen konnten.
 

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Erschöpft schlenderte Daisuke den Campus entlang und hatte seine Hände tief in den Taschen seines Kapuzenpulli vergraben.

Sein Magen knurrte bereits, doch er hatte sich vorgenommen erst zuhause eine Kleinigkeit zu essen, da er keine Lust auf seine Kommilitonen hatte, die ihm in den Ohren lagen, was für eine geile Party er am Wochenende doch geschmissen hatte.

Er hatte das Gefühl, dass sie sich am liebsten wieder selbst einladen wollten, während er diesen Abend schnellstens aus seinen Erinnerungen streichen wollte.

Er konnte immer noch nicht fassen, welches Chaos hinterlassen wurde und dass sie es bisher immer noch nicht in den Griff bekommen hatten.

Man konnte wohl schnell einen kompletten Hausstand auf den Kopf stellen. Es wieder in Ordnung zu bringen, konnte dann wiederrum Tage dauern.

Eigentlich hatte er erwartet, dass Yolei ihm am nächsten Tag die Hölle heiß machen würde, aber komischerweise wirkte sie auf ihn völlig geistesabwesend, während Takeru regelrecht tobte, als er von Hikari nach Hause kam.

Auch Ken verhielt sich eigenartig, doch Davis hatte noch keine Gelegenheit gehabt mit ihm zu sprechen, da auch er heute Morgen die WG früh verlassen hatte.

Und auch wenn er am liebsten auf der Stelle ins Bett fallen würde, drückte er sich herum, um dem Aufräumen zu entgehen, obwohl Davis wusste, dass er wohl nicht drum herumkommen würde.

Ein genervter Laut löste sich, als er auf einmal aufsah und auf der Mauer ein bekanntes Gesicht sitzen sah.

Überrascht runzelte er die Stirn und ging langsam ein paar Schritte auf sie zu, als ihm einfiel, dass er sie gar nicht bei der Party gesehen hatte.

Sie hatte ihre langen braunen Haare zu einem hohen Zopf gebunden und blickte niedergeschlagen auf das Display ihres Handys, bevor sie es wieder in der Tasche verschwinden ließ.

Sie fuhr sich verzweifelt durch ihr Gesicht und schien zu versuchen ihre aufkommenden Tränen zu unterdrücken, weshalb sich Davis ein Herz nahm und auf sie zugesteuert kam.

„Mariko? Ist alles in Ordnung?“, fragte er behutsam, als das Mädchen ruckartig ihren Kopf anhob und er die Tränen in ihren Augen schimmern sah.

Auch wenn er sie nur über Yolei kannte, konnte er es kaum ertragen ein Mädchen weinen zu sehen. Dass hatte er bei Kari bemerkt, als sie Tanabata völlig aufgelöst auf dem Festgelände kauerte und sich kaum beruhigen ließ.

Davis war eigentlich nicht der Tyo Kummerkasten, bei dem sich seine Freunde gerne ausheulten. Oftmals gab er ihnen Ratschläge, die weniger hilfreich waren und sich meist nur an seinen eigenen Bedürfnissen orientierten. Doch er hatte sich vorgenommen, dass er etwas ändern wollte.

Er wollte nicht länger egoistisch und nachtragend durch die Welt laufen, stur nur auf seinen eigenen Weg blicken – nein er wollte sich ändern.

„Daisuke? Dich habe ich ja schon ewig nicht mehr gesehen“, sagte sie mit dünner Stimme und fuhr sich über ihre tränende Augenpartie, als Davis seinen Rucksack von den Schultern nahm und nach einem Taschentusch für sie kramte.

Etwas unbeholfen zog er die Packung hervor und hielt es ihr einfach unter die Nase, ohne große Worte zu verlieren.

Dankend nahm sie es an und ihre zitternden Finger umschlossen die weiche Verpackung, als sie sich ein Taschentuch hervorzog und herzlich hinein schnäuzte.

„Danke, das habe ich wirklich gebraucht“, wisperte sie niedergeschlagen, als sich Davis auf der kleinen Mauer neben ihr niederließ.

„Ich habe vorhin Takeru eine SMS geschrieben, aber er hat schon auf die Letzten nicht geantwortet. Ich bin wirklich eine dumme Kuh, weil ich geglaubt habe, dass er mir diesmal zurückschreibt“, sprudelte es aus ihr hervor.

„Dabei war ich für ihn wohl wirklich nur eine Bettgeschichte…“

„N-Nein, also das…“

„Du brauchst ihn nicht zu verteidigen. Ich habe es verstanden. Er kann ja auch nichts für seine Gefühle. Genauso wenig, wie ich etwas für meine kann.“

Sie lächelte schwach, als sie das Gesicht von Daisuke wandte und erneut mit ihren Tränen kämpfte.

Daisuke krampfte die Finger in seinen Kapuzenpulli und haderte mit seinem eignen Gewissen. Einerseits wusste er, dass Takeru nie etwas Ernsthaftes mit Mariko in Erwägung gezogen und ihr dies auch nicht verheimlicht gehabt hatte. Aber er konnte auch Mariko verstehen, gerade weil er sich in einer ziemlich ähnlichen Lage befunden hatte. Auch er wusste, wie es war, wenn jemand, den man aufrichtig geliebt hatte, einen nicht haben wollte. Kari war damals nur mit ihm zusammengekommen, um ihre Gefühle für Yamato zu verdrängen, während Takeru bei Mariko versuchte, Hikari zu vergessen. Streng genommen saßen sie sogar im gleichen Boot, auch wenn es ihm bislang nie aufgefallen war.

„Liebe ist wirklich scheiße. Sie reißt dir das Herz heraus und benutzt es einfach als Trampolin. Sowas masochistisches.“

„Masochistisch? Du meist wohl eher diabolisch. Es kann doch nicht sein, dass Liebe als das schönste Gefühl dieser Erde beschrieben wird, wenn sie so wehtut und sie in ihrer Grausamkeit keine Grenzen kennt. Darauf kann man doch gut und gern verzichten“, brummte Mariko deprimiert und ließ die Mundwinkel hängen.

„Wow, anscheinend haben gerade zwei Liebespechvögel wahrhaftig zusammengefunden. Warum haben wir uns noch nicht früher unterhalten?“

Mariko grinste leicht und schüttelte den Kopf. „Anscheinend war ich zu beschäftigt gewesen, Takeru für mich zu gewinnen, dass mir deine negative Einstellung in Sachen Liebe glatt entgangen ist“, witzelt sie, da sie oftmals schon mitbekommen hatte, wie Davis über die Liebe dachte.

„Vielleicht habe ich auch insgeheim gehofft, dass es bei Takeru anders ist, aber ich verliebe mich wohl nur in Menschen, die mich nicht haben wollen“, murmelte sie verbittert und krallte sich in den rauen Stoff ihres Faltenrocks, während Daisuke sie nachdenklich betrachtete.

Sie sah auf einmal so zerbrechlich aus, weshalb er sich kaum getraute etwas zu sagen. In solchen Fällen war schon ein Wort manchmal viel zu viel.

Plötzlich grummelte sein Magen laut auf, als er ihn peinlich berührt erfasste und prompt rot anlief.

„Sorry, ich habe noch kein Mittagessen gehabt“, gestand er ihr lachend und tätschelte sich unbeholfen den Hinterkopf.

„Oh, ich habe dich sicher aufgehalten. Du warst bestimmt auf dem Weg zur Mensa, oder?“, hakte sie nach, als Davis spontan eine Idee durch den Kopf schoss.

„Ähm, naja eigentlich hatte ich noch andere Pläne, aber mein Magen schreit förmlich nach Essen und mit ihm will ich mich ganz sicher nicht anlegen, außerdem habe ich gesehen, dass es frischen Schokopudding gibt und meine Mutter meint immer zu mir, dass es nichts gibt, was Schokolade nicht heilen könnte“, berichtete er ihr nickend.

Er sprang euphorisch von der kleinen Mauer und streckte ihr die Hand entgegen. Überrascht zog sie eine Augenbraue in die Höhe und schien nicht ganz zu verstehen, auf was er hinauswollte.

Grinsend legte er den Kopf schief.

„Na los! Ich glaube, dass brauchst du jetzt!“, sagte er bestimmend und griff nach ihrem Handgelenk.

Mariko ließ sich von der Mauer hinunterziehen, schaffte es gerade noch so ihre Tasche mitzureißen, als Davis sie auch schon hinter sich herzog.

„Na du bist aber von der Wirkung von Schokolade ganz schön überzeugt“, steuerte sie bei und wirkte auf ihm immer noch völlig perplex.

Doch er ließ sich nicht verunsichern und schenkte ihr einen aufmunternden Blick. „Klar, Schokolade ist das perfekte Trostpflaster für gebrochene Herzen“, flötete er fröhlich und verschwand mit Mariko in Richtung Mensa.
 

Fortsetzung folgt...

Neuanfänge.


 

20. Juli 2010
 


 

„Nie im Leben! Vergiss‘ es!“, murrte Kari und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Aber es steht auf deiner Liste“, untermauerte Takeru hartnäckig und hielt sie in die Höhe. Knurrend verengte Kari die Augen zu Schlitzen und konnte nicht fassen, in welcher Situation Wallace sie nur zurückgelassen hatte.

Kurz bevor er in die USA zurückgekehrt war, um seine Mutter zu besuchen, hatte er ihr ihre Liste der Banalitäten überreicht, die er die ganze Zeit für sie aufbewahrt hatte.

Kari musste zugeben, dass sie die Liste bereits völlig vergessen und gar nicht mehr an das Stück Papier gedacht hatte, auf dem ihre geheimsten Wünsche festgehalten waren.

Und nun stand sie tatsächlich hier. Vor ihr erstreckte sich ein riesiger Ginkgobaum, der nur darauf wartete erklommen zu werden – jedenfalls nach Takerus Ansicht.

Als Kari noch jünger war durfte sie die wenigsten Sachen machen, die ihr Bruder ohne weiteres machen durfte. Das lag daran, dass sie als Kind oft krank war und ihre Mutter sie häufig sehr überbehütete, gerade was vermeintliche Gefahren beinhaltete.

Auf einen Baum klettern, etwas das man als Kind sicher schon oft gemacht hatte. Eine Banalität, aber für sie etwas ganz Besonderes. Kari erinnerte sich noch gut daran, wie sie neidvoll auf Taichi aufblickte, wenn er die Welt entdeckte, während sie immer auf der Stelle lief.

Aber dennoch ging ihr alles viel zu schnell. Als Takeru sie angerufen hatte und fragte, ob sie etwas gemeinsam unternehmen wollten, hätte Kari niemals gedacht, dass ihm ausgerechnet DAS vorschwebte.

„U-Und was, wenn ich runterfalle?! Einen höheren Baum konntest du wohl kaum finden“, erwiderte sie ängstlich und betrachtete den Ginkgobaum respektvoll.

„Wir müssen ja nicht ganz nach oben klettern, nur bis zu dem dicken Ast!“

„Bis zu dem dicken Ast? Weißt du wie hoch das ist?!“

„Also nachgemessen habe ich jetzt nicht unbedingt“, gab Takeru lachend zu und ergriff ihren Arm, doch Kari versteifte sich komplett, sodass sie sich nicht von der Stelle bewegte.

„Das ist nicht dein ernst! Ich werde ganz sicher runterfallen!“, eröffnete sie ihm mit weitgerissenen Augen.

„So ein Quatsch“, winkte Takeru ab und blinzelte hoch, „ich werde dich natürlich festhalten. Du fällst schon nicht!“ Sein Kopf schnellte zurück und er schenkte ihr ein herzliches Lachen, was Karis Herz zum Höherschlagen brachte.

Dieses Gefühl. Dieses warme Kribbeln in ihrer Magengegend…es war schon wieder da. Woher kam es nur und warum klopfte ihr Herz plötzlich so stark gegen ihre Brust?

War es wegen Takeru? Und wenn ja, was hatte das nur zu bedeuten?

Doch Kari blieb keine Zeit länger darüber nachzudenken. Kaum hatte sie sich etwas entspannt, zerrte Takeru sie in Richtung des Baums und versuchte sie weiterhin zu motivieren endlich ihr Ziel zu erklimmen.

Kari blickte nach oben als die zarten Sonnenstrahlen durch die grünen Blätter schienen und sie in goldenes Licht hüllten.

Vielleicht war es an der Zeit einen Neuanfang zu wagen. Sich ihren Ängsten zu stellen und neuen Gegebenheiten eine Chance zu geben. Ihr Leben hatte sich um einhundertachtzig Grad gedreht. Nichts war mehr so, wie es früher war. Sie hatte sich verändert und musste damit zurechtkommen. Es gab kein Zurück mehr. Sie musste nach vorne schauen.
 

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Sanft streichelte er ihr über den blonden Schopf, während sie freudig vor sich hin gluckste. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen als er förmlich aus seinen Gedanken gerissen wurde.

„Und das ist auch kein Problem für dich? Ich werde mich auch wirklich beeilen“, versicherte sie ihm nachdrücklich.

„Mama, mach dir bitte keinen Stress! Wir kommen schon klar“, erwiderte Yamato lachend.

So kannte er seine Mutter. Sie wollte nie irgendwem Umstände bereiten und stellte sich meist zurück. Doch als sie heute Morgen völlig verzweifelt bei ihm anrief, wusste Yamato bereits, dass er sie nicht hängen lassen konnte.

Sie hatte nämlich einen Zahnarzttermin, denn sie nur ungern verschieben wollte, da sie sich scheinbar schon länger mit Zahnschmerzen herumquälte.

Eigentlich hatte sie mit seinem Vater ausgemacht, dass er heute auf Saya aufpassen sollte, doch sein Vater hatte ihr kurzfristig abgesagt, weil mal wieder irgendwelche Probleme im Sender aufgetaucht waren, die er nicht ignorieren konnte.

„Es tut mir echt leid, dass alles so kurzfristig war, aber du kennst ja deinen Vater. Wenn es um die Arbeit geht, vergisst er gut und gerne mal seine Verpflichtungen“, murrte sie angesäuert und konnte nicht verbergen, dass sie die Situation sehr ärgerte.

Wie Yamato bereits befürchtet hatte, änderte seine Schwester rein gar nichts an der Situation zwischen seinen Eltern. Sein Vater lebte für seinen Beruf, während sich seine Mutter mehr Unterstützung erhoffte.

Es war das leidige Thema, dass sie schon während ihrer Ehe beschäftigt hatte und letztlich zu Trennung führte.

Er war sich daher nicht sicher, ob auch nicht in nächster Zeit Probleme auf sie zukamen, die das Wohl seiner Schwester gefährden könnten.

Yamato hatte schon mehr als einmal gemerkt, dass die verkorkste Beziehung seiner Eltern auch auf ihn abfärbte. Als er noch jünger war, hatte er seine Mutter und Takeru oft vermisst, konnte dies aber nie in Worte fassen, weshalb er alles mit sich alleine ausmachte. Sich der Dunkelheit, die in seinem Herzen wohnte, hingab und sich immer mehr verschloss.

Ihm fiel es auch unglaublich schwer überhaupt Beziehungen einzugehen, da er sich fürchtete, dass sie nicht halten würden und er wieder alleine wäre.

Deswegen bevorzugte er flüchtige Bekanntschaften. Nie mehr als eine Nacht. Am liebsten war es ihm, wenn er noch nicht mal die Namen kannte.

Doch er hatte einen Fehler begangen. Er hatte mit jemandem geschlafen, für den er ernsthafte Gefühle entwickelt hatte, ohne es zu wollen.

Gefühle, die etwas in ihm auslösten, dass er noch nie empfunden hatte.

Sehnsucht. Geborgenheit. Vertrauen. Liebe.

Jedoch war er nicht in der Lage dazu zu stehen. Lieber versteckte er sich hinter einer perfekten unterkühlten Fassade, die sein Herz in Stücke zerriss und ihn innerlich förmlich zerbrach.

„Stimmt etwas nicht? Du siehst so traurig aus“, stellte seine Mutter besorgt fest und blieb mitten im Raum stehen.

Yamato, der immer noch Saya auf dem Arm hielt, senkte betroffen den Kopf und schnupperte an dem süßlich riechenden Haarflaum seiner Schwester, der ihn irgendwie beruhigte.

„I-Ich…“, mehr kam nicht über seine Lippen als ein dicker Kloß seinen Hals versperrte und ihm am Weiterreden hinderte.

Er wusste nicht, was er ihr sagen sollte. Ob es wirklich so gut war, ihr seine Bedenken zu äußern?

Außerdem fühlte er sich ja nicht nur allein deswegen schlecht…

Er hatte mit Sora geschlafen und konnte sie seither nicht vergessen, auch wenn er sie nicht mehr gesehen hatte.

Er traute sich einfach nicht den ersten Schritt auf sie zuzugehen, auch wenn sie vielleicht sogar darauf wartete.

„Yamato, du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, antwortete sie behutsam und schnitt auf ihren Sohn zu.

Überrascht hob dieser den Kopf an und musterte seine Mutter nachdenklich als ihm bewusst wurde, dass sie ihn durchschaut hatte.

Sanft fuhr sie ihm über die Wange als er plötzlich von seinen eigenen Emotionen überrascht wurde und sich wieder in die Haut des kleinen ängstlichen Jungen zurückversetzt fühlte, der jeden Augenblick zu zerbrechen drohte.

„Dein Vater und ich kommen im Moment sehr gut miteinander aus und es ist völlig okay, wenn wir mal miteinander streiten oder ich wütend auf ihn bin. Das zeigt nur, dass wir uns noch etwas zu sagen haben und es auch einen guten Grund hatte, warum Saya in unser Leben getreten ist“, erzählte sie mit einem Lächeln, während sie zärtlich über den Kopf ihrer Tochter streichelte.

Vollkommen irritiert verzog Yamato das Gesicht und verstand plötzlich gar nichts mehr.

„U-Und was heißt das jetzt?“

„Eigentlich wollten wir euch das zusammen erzählen, aber ich glaube, das ist der richtige Zeitpunkt. Wir waren nicht ganz sicher, wann wir es euch erzählen sollten, weshalb wir auch noch etwas gewartet haben. Aber am Wochenende hatten wir ein langes und intensives Gespräch darüber und haben uns dazu entschlossen, es nicht nur als Familie nochmal zu probieren.“

Yamatos Gesichtszüge entglitten vollkommen. „A-Aber als wir uns das letzte Mal darüber unterhalten hatten, klang das noch ganz anders“, stellte er fassungslos fest. Vor noch nicht mal vierzehn Tagen hatte sie ihm etwas ganz Anderes gesagt. „Hab ihr das jetzt einfach ganz spontan entschieden?“

Seine Mutter schüttelte nur den Kopf und lächelte mild.

„Nein, er…wir…es hat schon nach ihrer Geburt angefangen. Er war fast jeden Abend bei uns und hat mich unterstützt. Und wir haben irgendwann gemerkt, dass sich all das sehr richtig anfühlt. Dass wir noch Gefühle füreinander haben, die wir einfach verdrängen wollten.“

Sprachlos stand er seiner Mutter gegenüber und wusste nicht so recht, wie er das Gehörte in Worte verpacken sollte. Das Ganze ging schon über zwei Monate? War das ihr ernst?

„Ich weiß gar nicht so recht, was ich dazu sagen soll“, stotterte Yamato ungläubig und rümpfte die Nase. Takeru schien auch noch nicht Bescheid zu wissen, aber seit der Sache mit Kari, hatten sie nicht sonderlich viel Kontakt zueinander gehabt.

„Wir reden später in Ruhe, okay?“, schlug seine Mutter ihm vor und drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Wange, bevor sie sich von Saya verabschiedete und einen wenige Momente später aus der Tür verschwand.

Yamato hingegen blieb völlig perplex zurück. Gefangen in den Worten, die seine Mutter ihm auf den Weg gegeben hatte.
 

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„Oh mein Gott, ich werde sterben“, murmelte Hikari theatralisch und blickte angstvoll zu ihrem besten Freund, der sie bereits überholt hatte und schon auf einem der dicken Äste saß sowie sie grinsend musterte.

„Komm, du hast es bis hier hin geschafft, jetzt schaffst du es auch sicher noch rauf“, erwiderte er locker und ließ die Beine baumeln.

„Ich dachte, du wolltest mich festhalten, falls ich falle“, giftete sie und griff behutsam nach dem dicken Ast, der sich auf der anderen Seite befand.

Gut, vielleicht stellte sie sich auch zu sehr an. Sie war gerade mal ungefähr einen Meter vom Boden entfernt, aber trotzdem könnte sie sich verletzen, wenn sie unglücklich fiel.

Sie konnte Takeru absolut nicht verstehen! Sah er nicht, dass sie verdammt nochmal Angst hatte? Warum ließ er sie so ins Messer laufen und saß seelenruhig auf dem Ast, während sie sich einen abquälte?

Kari schnaufte herzlich und blickte hoch. Sie schluckte und nahm ihren ganzen Mut zusammen, um sich hochzuziehen.

Sie biss die Zähne aufeinander, zog sich auf den Ast und bohrte sich mit den Nägeln fest in die raue Rinde, bis sie auf einmal den nötigen Halt fand, der ihr die Sicherheit zurückgab.

Sie atmete erleichtert auf, setzte sich hin und hielt sich mit einer Hand am massiven Stamm des Baumes fest, der sie und Takeru trennte.

„Siehst du! Du hast es geschafft! Und das ganz ohne Blessuren“, kommentierte er und lehnte sich ihr entgegen.

Doch Hikari war ganz verzaubert von dem Ausblick, der sie erwartete. Auch wenn sie nur ein Stück hochgeklettert waren, erstreckte sich der hellblaue Himmel vor ihnen. Die Vögel zwitscherten und die Wolken zogen schweigsam an ihnen vorbei, während in Kari die Glücksgefühle tanzten.

Für manche klang es sicher banal, aber für sie war es ein ganz besonderer Moment, den sie mit einer besonderen Person in ihrem Leben teilen durfte.

Sie fühlte sich auf einmal ganz frei – so als könnte sie nach langer Zeit wieder atmen.

Kari spürte wie die frische Luft durch ihre Lungen pulsierte und sie neu belebte. Sie war stolz darauf, dass sie es sich getraut hatte, auch wenn sie es ohne Takeru sicher noch nicht einmal probiert hätte.

Ein kurzer Blick huschte zu ihrem Freund, der ebenfalls in den unendlich wirkenden Himmel schaute.

„Unglaublich, in solchen Momenten komme ich mir richtig winzig vor“, sagte er plötzlich und schloss die Augen, während die Sonne sein blondes Haar zum Glänzen brachte.

„Du und winzig? Schon klar, vielleicht früher mal“, antwortete Kari belustig als sie sich daran zurückerinnerte, dass es sogar mal eine Zeit gab, in der sie sogar ein ganzes Stückchen größer als er war.

„Ja, mittlerweile bin ich sogar ein bisschen größer als Matt“, gab er unbedacht zurück und erstarrte augenblicklich. Auch Kari blickte ihn verstört an, da sie bisher noch nicht wirklich über die Matt-Sache gesprochen hatten.

Sie hatte ihn geküsst – ihren Kindheitsschwarm. Ein Traum, den sie Jahre lang tief in ihrem Herzen gehütet hatte, wurde erfüllt. Jedoch fühlte es sich nicht so an, wie sie es sich erhofft hatte.

Das große Kribbeln, die unzähligen Schmetterlinge, die durch ihren Bauch flattern sollten, blieben aus. Zurück blieb das Gefühl von Scham und Enttäuschung.

Möglicherweise hatte sie nur einem Traum hinterhergejagt. Einem Traum, der in der Realität wie eine Seifenblase zerplatzt war und sie auf den Boden der Tatsachen zurückholte.

Sie würde nie mehr als eine kleine Schwester für Yamato sein. Auch wenn sie sich geküsst hatten. Es war ein Fehler, den Yamato ihr unmissverständlich klargemacht hatte.

„T-Tut mir leid…i-ich wollte nicht von ihm anfangen…ist dir sicher unangenehm“, stammelte Takeru zurückhaltend und blickte ins Leere.

„Schon gut, wenn wir ehrlich sind, hätte ich bei ihm sowieso nie eine Chance gehabt“, räumte sie ein und zwang sich zum Lächeln.

Auch wenn sie sich damit abgefunden hatte, spürte sie einen dumpfen Schmerz in ihr emporsteigen.

Seit dem Vorfall war sie ihm so gut es ging aus dem Weg gegangen, da sie eine Konfrontation mit ihm scheute. Aber auch vor dem Gespräch mit Takeru hatte sie Angst.

Auch ihn hatte sie in einem schwachen Moment geküsst – warum wusste sie nicht.

Jedoch wusste sie, dass sie ihm damit wehgetan hatte. Er war in sie verliebt und dass schon eine gefühlte Ewigkeit, ohne, dass sie etwas gemerkt hatte.

Aber dennoch war er immer für sie da gewesen. Stand ihr während ihres Liebeskummers bei, obwohl es für ihn selbst die Hölle auf Erden gewesen sein musste.

Und dann war da die Sache mit ihrem Baby…

Wie oft fand sie in seinen Armen Zuflucht, die sie nicht verdient hatte. Sie drängte sich ihm auf, ignorierte seine Gefühle und schürte obendrein seine Hoffnungen, die sie nicht erfüllen konnte.

Schuldbewusst biss sie sich auf die Unterlippe und zog ihr zartes Lippenfleisch schmerzvoll nach hinten, während sie ein deutliches Brennen in ihren Augen vernahm.

„T-Takeru?“, ertönte ihre brüchige Stimme.

„Mhm?“

„Hasst du mich manchmal?“, fragte sie gerade heraus und wartete auf seine Reaktion.

Zuerst war es ganz still und Kari traute sich nicht zu ihm hin zu sehen, weshalb sie ihre Fingernägel noch tiefer in die Rinde des Baumstammes rammte.

Es war kaum zu ertragen als plötzlich seine tiefe Stimme die Stille durchdrang und ihr durch Mark und Bein ging.

„Warum sollte ich dich hassen? Ich glaube, du müsstest langsam wissen, dass das Gegenteil der Fall ist.“ Seine Stimme war ganz ruhig und eine Gänsehaut zog direkt über ihren Arm, da sie sofort wusste, was er mit „Gegenteil“ meinte.

Er liebte sie.

Und er hatte keinen Grund mehr seine Gefühle für sie zu verstecken.

Sie wusste Bescheid und war heillos überfordert damit.

Warum konnte er sie nicht hassen? Sie könnte ihn sogar verstehen…nach all dem was passiert war, hatte sie seine Liebe doch gar nicht verdient.

Hikari hatte nicht nur ihn verletzt, sondern alle Menschen, die ihr lieb und teuer waren. Daisuke miteingeschlossen, der früher einer ihrer besten Freunde war und heute noch nicht mal fähig war mit ihr ein ruhiges Gespräch zu führen, ohne sie daran zu erinnern, wie sehr sie ihn verletzt hatte.

Abrupt löste sich eine warme Träne, die lautlos ihre rosige Wange hinunter wanderte.

„Ich…oh verdammt“, schluchzte sie auf. „Wieso kannst du mich nicht einfach hassen? Du hättest allen Grund dazu! Ich bin ein furchtbarer Mensch! Du musstest so viel unter mir leiden…und ich? Ich kann…ich will einfach das alles wieder so wie früher wird! Ist das zu viel verlangt?“, fragte sie kläglich und atmete ganz schwer. Aus der einzelne Träne wurde ein Tränenmeer, dass unkontrolliert über ihre Wangen floss.

Vorsichtig fuhr sie sich immer wieder über ihre Augenpartie, doch sie konnte sich nicht mehr beruhigen. Alles war ihr zu viel geworden.

„Hat dir der Kuss etwas bedeutet? Und bitte sei ehrlich“, wisperte er unvermittelt und brachte ihr Herz zum Stocken.

Ein leiser Seufzer löste sich von seinen Lippen als diese simple Frage ausgesprochen hatte.

Der Kuss.

Hatte er ihr etwas bedeutet? Wenn ja, was?

Sie wurde immer unruhiger und ihre Finger begannen zu zittern, auch wenn sie versuchte sich dadurch nicht den Halt nehmen zu lassen.

Doch sie fühlte sich bereits hoffnungslos verloren.

„Takeru, ich weiß es nicht…“, antwortete sie mit schwerem Herzen, mit dem Wissen ihn wohl erneut enttäuscht zu haben.

Langsam blinzelte sie ihm entgegen und sah wie sich ein mildes Lächeln auf seine Lippen legte, dass sie verunsicherte.

„Naja, wenigstens sagst du nicht, dass es dir nichts bedeutet hat…“, kam es von ihm zurück während er sich unbeholfen den Hinterkopf tätschelte und gelöst auf sie wirkte.

Sie hingegen betrachtete sein Gesicht, dass auf einmal wieder etwas ernster wurde.

„Könntest du dir denn vorstellen, dass wir…“

„Was?!“, sie errötete sofort, bevor er überhaupt seine Frage zu Ende stellen konnte.

„Naja, das ist jetzt eine rein hypothetische Frage…also, naja nicht ganz…ich müsste lügen, wenn ich mir nach dem Kuss keine neuen Hoffnungen gemacht hätte“, gestand er sich ein und wahr ehrlicher denn je zu ihr.

Hikari hingegen schwamm in ihrer Verunsicherung. Was sollte sie ihm nur sagen? Warum fiel es ihr so schwer einen klaren Gedanken diesbezüglich zu fassen?

Sie verstand ihre Gefühle nicht mehr. Einerseits hatte sie Angst ihn ebenfalls zu verlieren, andererseits bemerkte sie die zarten Veränderungen, die sich zwischen sie geschlichen hatte.

Sie müsste lügen, wenn sie sagen würde, dass ihr die Sache mit Mariko nichts ausmachte.

Sie müsste lügen, wenn sie sagen würde, dass sie ihn nicht noch einmal küssen wollte.

Ihre Gefühle hatten sich verändert. Und auch sie musste sich das eingestehen.

Hikari schluckte beherzt als sie ihn durchdringend ansah und die Lippen kräuselte.

Es war Zeit die Veränderung zuzulassen und zu dem zu stehen, was sie so sehr verunsicherte.

Es war Zeit für einen Neuanfang...
 

Fortsetzung folgt...

Gewissensbisse.


 

21. Juli 2010
 


 

Angestrengt knabberte sie an ihrem Daumennagel und konnte ihre wirren Gedanken kaum sammeln, während sie das weiße Teststäbchen sinken ließ und sich auf ihrem Bett zusammenkauerte.

Was hatte all das nur zu bedeuten? Wie konnte das nur sein?

Sie verstand plötzlich gar nichts mehr.

Es war bereits der fünfte Test in Folge, den sie in den letzten Tagen gemacht hatte.

Er war negativ – genau wie all die anderen auch.

Allerdings waren ihre Beschwerden nach wie vor da. Übelkeit, Schwindel, ein deutliches Ziehen im Unterleib, dass von Tag zu Tag schlimmer zu werden schien und immer noch keine Periode, die ihr Erleichterung verschaffen könnte.

Normalerweise wäre Sora schon längst zum Arzt gegangen, doch vor lauter Uni-Stress schob sie es mal wieder auf die lange Bank.

Möglicherweise wollte sie auch einfach nur die Tatsachen verdrängen, da sie Angst hatte, dass ihr Frauenarzt doch noch eine Schwangerschaft bestätigen könnte, die im Moment einfach gar nicht in ihren Lebensplan passte und wohl alles noch komplizierter machen würde.

Was sollte sie tun, wenn sie tatsächlich ein Kind erwartete? Sie konnte noch nicht mal sagen, wer der Vater war und was sollte aus ihrem Studium werden?

Das Austauschprogramm konnte sie vergessen, wenn sie ein Kind bekam, dass sie noch nicht mal haben wollte.

Augenblicklich biss sie sich auf die Unterlippe und schämte sich für diesen Gedanken.

Nicht haben wollen.

Als wäre es eine Krankheit, die man umgehen könnte, wenn man sich rechtzeitig hätte impfen lassen…

War sie wirklich so egoistisch? Sie dachte gerade an ihr potenzielles Kind. Ein hilfloses Baby, dass auf eine zuverlässige Mutter angewiesen war.

Und sie nahm es nur als Belastung und Störfaktor wahr, dass ihr Leben zwar verändern würde, aber doch nicht schlechter machte.

Behutsam legte sie ihre Hand auf ihren flachen Bauch und spürte durch den dünnen Stoff ihres Shirts ihre warmen Finger, die sanft darüberstrichen.

Ja, es war definitiv nicht optimal. Sie hätte sich durchaus bessere Umstände für ein Kind gewünscht, doch sie konnte es nicht mehr ändern, wenn es tatsächlich so war.

Doch warum war der Test negativ? Sie hatte doch alle typischen Beschwerden…

Ruckartig setzte sie sich und stand zügig auf, um zu ihrem Schreibtisch zu gehen. Sie kramte aus ihrer Schublade ein kleines Adressbuch mit allen wichtigen Nummer hervor und wollte gerade nachschlagen, wann die Notfallsprechstunde bei ihrem Frauenarzt stattfand als ein starker stechender Schmerz ihren Unterleib durchbohr.

Sie verzog das Gesicht, biss die Zähne zusammen und ließ das Adressbuch auf den Boden fallen, während sie sich mit beiden Händen krampfhaft an ihrem Schreibtisch festhielt bis der Schmerz abgeklungen war.

Sora atmete unruhig und setzte sich sofort auf ihren Schreibtischstuhl, um wieder zur Ruhe zu kommen.

Doch nur wenige Minuten später, spürte sie erneut dieses stechende Gefühl, dass in ihr Übelkeit auslöste. Sie hielt sich reflexartig den Bauch und beugte sich etwas nach vorne.

Es schien ein wenig zu helfen, da der Schmerz nach kurzer Zeit tatsächlich wieder abklang und sie in der Lage war sich einigermaßen zu bewegen.

Etwas schwerfällig raffte sie ihr Adressbuch vom Boden auf als sie plötzlich ein seltsames Gefühl zwischen ihren Beinen bemerkte.

Verwundert schlurfte Sora behutsam zum Badezimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie ließ zaghaft die Hose und Slip runter und setzte sich auf die Toilette als sie tatsächlich eine kleine blutige Stelle in ihrer Unterhose entdeckte.

Eine unfassbare Erleichterung breitete sich in ihrem Körper aus und ließ sie sofort entspannen, auch wenn sie sich zuvor noch ganz andere Gedanken gemacht hatte.

Sie hatte ihre Periode bekommen! Endlich!

Sora konnte gar nicht in Worte fassen, welch großer Stein von ihrem Herzen fiel.

Die letzten Tage waren wahrhaftig der Horror gewesen und scheinbar waren ihre Beschwerden aufgrund des Stresses zurückzuführen, den sie einfach zu sehr unterschätzt hatte.

„Oh Gott“, löste sich von ihren Lippen und Tränen der Erleichterung rannen ihre Wangen hinunter.

Hektisch wischte sie sich über ihre rosige Haut und atmete entspannt aus.

Die Last, die bis vor kurzem auf ihrer Schulter ruhte, fiel blitzartig ab, auch wenn Sora zugeben musste, dass sie solch starke Schmerzen von ihrer Periode gar nicht kannte.

Vielleicht machte sie sich aber auch zu viele Gedanken, weshalb sie sich auch nicht wundern brauchte, wenn sie ihre Empfindungen möglicherweise falsch interpretierte.

Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie allerdings noch nicht, dass ihr Gefühl sie diesmal nicht trügen würde…
 

_
 

„Was für ein Chaos“, seufzte Joe und konnte gar nicht fassen, welchen Dreck man beim gemeinsamen Backen doch hinterlassen konnte.

„Komm runter Joe, wir bekommen doch gleich Hilfe“, beruhigte Cody ihn und linste in den Speisesaal, wo die Kinder genüsslich den Kuchen verspeisten, den sie gemeinsam gebacken hatten.

Die beiden waren schon mal vorgegangen, um das Chaos etwas vor zu sortieren und die spitzen, gefährlichen Gegenstände zu beseitigen.

„Du machst das wirklich gut“, stellte Joe anerkennend fest und reichte Cody eine Rührschüssel weiter, die er gerade abgespült hatte.

„Ach, nach drei Jahren habe ich wirklich langsam Routine. Das kommt bei dir sicher auch bald! Viele Kinder kommen schon seit Jahren immer wieder her und freuen sich auf das abwechslungsreiche Programm in den Sommerferien“, erzählte er mit einem Lächeln und stellte die Schüssel zu den anderen hinzu, sodass die Kinder sie nur noch in die Spülmaschine einräumen mussten.

„Weißt du…“, begann er leise und richtete den Blick wieder zum Essenssaal, „manche Kinder kommen aus ärmlichen Verhältnissen und haben leider nicht das Geld, um mit ihrer Familie in Urlaub zu fahren. All das hier, wird über einen Förderverein finanziert, weshalb die Eltern auch kein Vermögen ausgeben müssen und ich denke, dass tut auch den Kindern sehr gut, da sie eine sinnvolle Beschäftigung erhalten und trotzdem schöne Sommerferien haben.“

„Verstehe…“, murmelte Joe beeindruckt und erinnerte sich nur ungern an seine Kindheit zurück, die nur aus Lernen bestand. Oft hatte er Zusatzkurse in den Ferien besucht, nur um seine Noten zu verbessern. Kind sein blieb bei ihm deswegen oft auf der Strecke, weshalb ihm diese Zeit hier auch unglaublich guttat. Er hatte eine sinnvolle Aufgabe gefunden, fühlte sich wichtig und vor allem gebraucht.

Er erkannte, dass es durchaus wichtig war, seine Träume zu verfolgen, egal was sein Vater oder andere davon hielten. Es war sein Leben und er durfte sich nicht länger reinreden lassen.

„Sag mal, was hältst du davon, wenn wir uns am 1. August mal wieder mit allen anderen treffen“, kam ihm auf einmal in den Sinn und sprach es ohne Bedenken aus.

„Du meinst wie eine kleine Réunion?“

„Ja, genau! Es ist schon eine halbe Ewigkeit her, seit wir uns alle gesehen haben und irgendwie vermisse ich das! Ich habe langsam das Gefühl, dass wir immer mehr den Anschluss verlieren und unsere Freundschaft viel mehr in der Vergangenheit liegt. Und ich möchte nicht, dass all das, was wir zusammen erlebt haben, nur noch eine blasse Erinnerung wird!“, erklärte er aufrichtig und spürte förmlich, wie sehr die Wehmut in seiner Stimme mitschwang.

Er wollte nicht das auch noch verlieren. Er wollte die guten Dinge in seinem Leben festhalten und seine Freunde gehörten definitiv dazu. Sie waren der Grund, warum er sich damals weiterentwickelte und er hatte das Gefühl, dass sich alle mittlerweile voneinander distanziert hatten.

Sein Blick wanderte zu Cody, der ihn überrascht ansah.

„Wow, solche Worte habe ich gar nicht von dir erwartet! Ich glaube, du wärst ein besserer Psychologe als du zurzeit denkst“, erwiderte er grinsend, während Joe ganz rot um die Nase wurde.

Stimmt, er hatte ihm ja bereits von seinem großen Traum erzählt gehabt. Und es wurde auch Zeit, dass es die anderen endlich erfuhren.

„Naja, ich muss doch wirklich langsam mal ein bisschen an meiner optimistischen Einstellung arbeiten, findest du nicht?“, fragte er und tätschelte sich verlegen den Hinterkopf.

„Ach, ich glaube, dass bekommst du wirklich gut hin! Deine Idee finde ich übrigens sehr gut. Ich habe die anderen auch schon ewig nicht mehr gesehen und würde es toll finden, wenn wir zusammen grillen würden oder vielleicht sogar zelten“, schlug Cody euphorisch vor.

„Zelten? Ich glaube, da spielt Mimi nicht so ganz mit, aber ich hätte schon eine Idee, was wir machen könnten“, antwortete Joe geheimnisvoll und wandte sich Cody zu.
 


 

23. Juli 2010
 


 

Sie saß auf seinem Bett und war ganz in ihr Buch vertieft, während auch er an seinem Schreibtisch saß und fleißig lernte. Das Semester war bald zu Ende, weshalb der Prüfungsstress ins Unermessliche wuchs.

Yolei war immer gerne vorbereitet und war nicht der Typ, der auf den letzten Drücker lernte, aber diesmal viel es ihr unsagbar schwer sich zu konzentrieren. Und sie wusste, dass es nicht an der Anwesenheit ihres Freundes lag.

Sie hatten sich darauf geeinigt gehabt, am 1. August ihre Beziehung öffentlich zu machen. Der spontane Einfall einen Grillabend in einer Hütte zu organisieren, den ihr Cody gestern per SMS mitgeteilt hatte, passte daher perfekt in ihren gemeinsamen Plan, aber warum fühlte sich all das auf einmal so merkwürdig an?

Sie wollte doch, dass sie Izzy endlich als ihren festen Freund bezeichnen durfte, doch immer, wenn sie an diese Situation dachte, musste sie unweigerlich an Kens trauriges Gesicht denken.
 

„Aber ich will nicht irgendeine für mich begeistern. Ich will nur eine.“
 

Sie vergrub ihr Gesicht noch tiefer in ihr Buch und konnte nicht verhindern, dass ihr augenblicklich ganz warm wurde.

Mittlerweile war sie sich sicher, dass er nur sie damit meinen konnte. Nicht nur weil er sie geküsst hatte – nein, sein ganzes Verhalten ihr gegenüber hatte sich verändert.

Immer wenn sie sich alleine in der Wohnung befanden, verschwand er sofort in sein Zimmer und kam erst wieder raus, wenn Davis oder Takeru zurückgekehrt waren.

Auch die Tatsache, dass er kaum noch ein Wort mit ihr wechselte, löste in Yolei Unbehagen aus. Wie sollte sie mit dieser Situation umgehen? Sie konnten sich doch nicht ewig aus dem Weg gehen, auch wenn Ken es durchaus versuchte.

Irgendwann würden auch Davis und Takeru mitbekommen, wie merkwürdig sich beide verhielten und Yolei war nicht bereit den WG-Frieden wegen sowas aufs Spiel zu setzen, auch wenn sie natürlich wusste, dass er nichts für seine Gefühle konnte.

Dennoch hätte er sie nicht küssen dürfen…

Sie schluckte als sie kurz zu Izzy aufsah, der immer noch ganz in seine Bücher vertieft war und versuchte konzentriert zu lernen.

Das schlechte Gewissen gegenüber ihm stieg wieder in ihr hoch und erschwerte ihr Herz, da sie sich immer noch nicht getraut hatte, ihm die Wahrheit zu beichten.

Sie wusste noch nicht mal, warum sie sich so zierte, da sie den Kuss auch nicht erwidert, sondern Ken sofort von sich gestoßen hatte.

Aber sie wollte auch nicht, dass zwischen den beiden Jungs Unfrieden herrschte, da sie den wirklich schon genug hatten. Sie hatte keine Lust mehr auf Stress und Streit, den die Wahrheit sicher mit sich ziehen würde.

Doch war es in Ordnung, den Mund zu halten, nur um des Friedens Willen?

Was wenn es Izzy irgendwann herausbekam und wütend auf sie werden würde, weil sie sich dazu entschieden hatte, ihm nichts zu sagen?

Und wie sollte sie die Sache mit Ken klären, ohne seine Gefühle vollkommen zu verletzten und ihn vor den Kopf zu stoßen?

Trotzig ließ sie sich die Wand hinuntergleiten und spürte die weiche Matratze unter sich, die sie jedoch nicht vor dem harten Boden der Tatsachen bewahrte.

Warum musste ausgerechnet sie in solch eine Situation hineingeraten? Wieso konnte es nicht einmal ohne Drama und Chaos ablaufen, dass ihr Leben praktisch schon auszeichnete?

Sie wollte keinen der beiden verletzen, auch wenn sie realisierte, dass sie keine andere Wahl hatte.

Manchmal musste man eine Entscheidung treffen, selbst wenn man einen wichtigen Menschen deswegen verlieren würde.

Und Yolei war sich sicher, dass sie beide unter diesen Umständen ganz sicher nicht halten konnte.

Sie musste sich entscheiden, auch wenn ihr Herz nicht zwischen Freundschaft und Liebe wählen wollte.
 

_
 

Entspannt machte sie sich auf den Weg zu ihrer besten Freundin. Sie hatte Knabberzeug und ein paar DVDs besorgt, um einen ihrer berühmten Mädelsabende einläuten zu können.

Seit sie wieder hier war, hatte sie ihre beste Freundin ganz schön vernachlässigt gehabt.

Zu groß waren die Sorgen rund um Kari und der zunehmende Stress mit Michael und Taichi, der an ihren Nerven gezerrt hatte - auch wenn sie die Unstimmigkeiten mit Tai mittlerweile längst aus der Welt geschafft hatte. Sie standen sich näher denn je und Mimi war unfassbar glücklich, wie sich alles zwischen ihnen entwickelt hatte.

Nie im Leben hatte sie erwartet gehabt, dass ein Sturkopf wie Taichi so einen großen Platz in ihrem Herzen einnehmen konnte, obwohl sie schon viel länger gemerkt hatte, dass zwischen ihnen eine ganz besondere Beziehung bestand.

Schon seit sie mit ihm das erste Mal geschlafen hatte, fühlte sie eine sehr innige Verbindung, die sie nicht mehr missen wollte.

Dennoch ist es ihr bisher sehr schwer gefallen mit Sora darüber zu sprechen, schließlich waren sie Ex-Partner, die über drei Jahre eine Beziehung miteinander führten. Eine Beziehung, die Mimi immer mit blanker Eifersucht verfolgt hatte, auch wenn sie es natürlich bei den beiden nie zugegeben hätte.

Vielleicht war das auch der Grund gewesen, warum sie sich auf Michael eingelassen hatte.

Um ihre Gefühle zu verdrängen, sich abzulenken und diese Leere in ihrem Herzen zu füllen, die ihr unglaubliche Schmerzen bereitet hatte.

Aber sie wusste auch, dass sie ehrlich zu ihrer Freundin sein musste, die ihr das neue Glück mit Taichi sicher auch gönnen würde. Jedenfalls glaubte Mimi nicht, dass Sora noch romantische Gefühle für ihn hegte. Sie hatte selbst sogar schon diverse Andeutungen gemacht, da sie durchaus mitbekommen hatte, dass zwischen Tai und ihr diese Spannung herrschte.

Und jetzt machte sie sich tatsächlich Gedanken, ihr Leben in Japan weiterführen zu können.

Nachdem Tai sie darum gebeten hatte, hier zu bleiben, hatte sie sofort „Ja“ gesagt, ohne groß darüber nachzudenken. Sie hatte auf ihr Herz gehört, dass ihr diese Entscheidung quasi abnahm, auch wenn sie wohl vor der größten Veränderungen ihres Lebens stand.

Sie wollte Amerika endgültig hinter sich lassen, auch wenn sich ihre Familie dort befand. Ihr Studium wollte sie in Japan weiterführen und hatte sich sogar schon bei diversen Hochschulen umgesehen, bei denen sie sich schleunigst bewerben wollte, um nicht unnötig Zeit zu verlieren.

Sie fühlte sich regelrecht beflügelt, egal welche Widrigkeiten ihr auch bevorstanden. Sie hatte noch nicht mal ihren Eltern von dieser überstützten Entscheidung erzählt, aber es fühlte sich eben genau richtig an, auch wenn einige Dinge durchaus noch im Unklaren lagen.

Wo sollte sie wohnen? Würde sie einen Platz an einer ausgewählten Universität bekommen? Was würden ihre Eltern sagen? Wären sie enttäuscht? Traurig? Wütend?

Auch wenn all das in ihr Unwohlsein hervorrief, freute sie sich auf diese ungewisse Zeit, die ihr vorstand.

Kari hatte sich ebenfalls dazu entschieden, vorerst in Japan zu bleiben und nicht in die USA zurückzukehren. Selbst mit ihren Eltern hatte sie bereits gesprochen und Mimi hatte das Gefühl, dass sie die alte Kari das erste Mal seit langem wiedererkannte.

Sie stand noch vor einem langen und steinigen Weg, aber Mimi war sich sicher, dass sie es mit der Unterstützung ihrer Familie und Freunde schaffen würde. Und es machte sie unglaublich froh, dass auch sie sie auf diesem Weg weiterhin begleiten durfte.

Gut gelaunt kam Mimi an Soras Wohnheimzimmer an und klingelte freudig.

Sie konnte es gar nicht erwarten ihr von ihren Plänen zu erzählen, auch wenn Sora sie sicher für verrückt erklären würde, doch das war ich vollkommen egal.

Sie wollte ihre Freude teilen, mit allem was dazugehörte, selbst wenn sie Gegenwind erfuhr. Es würde sie nicht abhalten ihre Träume zu leben.

Mimi klingelte erneut und war bereits verwundert, dass Sora ihr noch nicht die Tür geöffnet hatte.

Soweit sie wusste, hatte sie heute keinerlei Veranstaltungen und war auch nicht arbeiten, weshalb sie sich auch ohne weiteres auf den Weg gemacht hatte.

Jedoch hatte sie auch auf ihre letzte SMS noch nicht geantwortet, was Mimi stutzig werden ließ.

Sie kramte ihr Handy hervor und wählte die Nummer ihrer besten Freundin, die sie bereits auswendig kannte.

Es dauerte nur einen kurzen Moment bis sie das Klingeln in Soras Studentenzimmer vernahm und ihr auch versicherte, dass sie in ihrem Zimmer sein musste. Sora verließ nie ohne ihr Handy das Wohnheim!

Verunsichert legte Mimi auf und ließ ihr Handy in der Handtasche verschwinden.

Sie bückte sich zu dem Blumenkübel, der sich neben der Tür befand und fischte einen kleinen Schlüssel daraus hervor.

Sora hatte ihr für den Notfall verraten, wo sie ihren Ersatzschlüssel versteckt hielt und diese Situation kam Mimi durchaus spanisch vor.

Ohne weiter darüber nachzudenken, schloss sie die Tür auf und trat ein. Sie legte die Tasche mit dem Knabberzeug im Flur ab und schlüpfte aus ihren Schuhen, bevor sie zaghaft den Wohnraum betrat.

„Sora? Bist du da?“, fragte sie und schritt zur Raummitte. Sie sah sich kurz um und entdeckte auf einmal Soras Handy, dass achtlos auf ihrem Bett lag.

Mimi zog die Stirn kraus und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wo ihre beste Freundin hin verschwunden war.

Selbst zum Einkaufen hatte sie ihr Mobiltelefon immer dabei! Sie musste also hier sein, da gab es keinen Zweifel!

„Sora!“, rief sie verunsichert und hörte plötzlich ein leises Wimmern, dass aus der Richtung des Badezimmers kam.

Zielstrebig lief Mimi hin und wollte gerade die Tür öffnen als sie feststellte, dass sie von innen scheinbar etwas zu blockieren schien.

Von Panik ergriffen übte Mimi ein wenig mehr Druck auf die Tür aus und hört das Wimmern erneut, nur, dass es diesmal um einiges Lauter war.

„Bist du da drin? Na, los lass mich rein!“, forderte sie sie auf, doch es dauerte wieder eine halbe Ewigkeit, bis sich die Person im Badezimmer rührte.

Mimi hörte einen leisen Schmerzensschrei und wie sich scheinbar jemand auf dem Boden entlang robbte.

Sämtliche Schreckensszenarien durchflogen ihre Gedankengänge als endlich die Erlösung kam und sie es schaffte die Tür zu öffnen.

„Oh mein Gott, was ist passiert?“, fragte sie hysterisch als sie tatsächlich ihre beste Freundin auf dem Fliesenboden vorfand. Sie hatte sich zum Waschbecken geschafft und hielt sich schmerzerfüllt den Bauch.

„Geht es dir gut? Wurdest du überfallen?“

Sora schüttelte kaum merklich mit dem Kopf und sah Mimi schmerzerfüllt an.

„N-Nein, i-ich weiß nicht, was hier los ist! Es tut so weh!“, löste sich von ihren Lippen als sie sich erneut vor Schmerzen krümmte und zu Boden sackte.

Mimi ging sofort auf die Knie und strich behutsam über Soras Rücken, doch sie regte sich plötzlich nicht mehr.

„Sora! Sora! SORA!“, rief sie verzweifelt und rüttelte an ihrer Schulter, doch ihre Freundin reagierte nicht mehr.

„Oh Scheiße…was ist hier nur los?“, fragte sie verzweifelt und konnte sich nicht erklären, was mit ihrer besten Freundin los war.

Hilflos zog sie ihr Handy hervor und wählte die Nummer des Notrufes...
 

Fortsetzung folgt...

Tiefschläge.


 

24. Juli 2010
 


 

Manchmal konnte man nicht in Worte fassen, wie man sich fühlte. Oftmals war Schmerz so facettenreich, dass man ihn nicht beschreiben konnte. Es tat einfach weh und man konnte nichts dagegen tun.

Sora rang noch immer mit ihrer Fassung. Sie fühlte sich machtlos und war erschöpft.

Nie im Leben hatte sie erwartet gehabt, sich so hilflos zu fühlen. Alles glitt ihr auf einmal aus ihren Händen und ließ die Unbarmherzigkeit zu, die ihr ganzes Leben für immer verändern würde.

Sie war unglaublich froh, dass Mimi bei ihr aufgetaucht war und sie schnellstmöglich ins Krankenhaus gebracht hatte, aber es bereits zu spät.

Ihr Körper hatte sich gegen sie gewandt und ihr Leben in einen einzigen Alptraum verwandelt, der sie für immer verfolgen würde.

Wie es sich herausstellte, war Sora gar nicht schwanger gewesen. All diese Beschwerden und Symptome, die eine Schwangerschaft in ihren Augen wahrscheinlich machten, wurden von einer Zyste ausgelöst, die sich an ihrem rechten Eierstock befand.

Zyklusstörungen, schmerzhaftete, unregelmäßige Blutungen und sogar Erbrechen sowie Unwohlsein gehörten dazu. Sie hatte die Zeichen einfach nur falsch gedeutet gehabt und war in ihr Unglück gelaufen.

Sie hatte sich voll und ganz auf eine ungewollte Schwangerschaft eingeschossen, sodass sie nichts anders mehr sehen konnte. Selbst diese höllischen Schmerzen, hatte sie darauf bezogen, auch wenn sie ihr selbst merkwürdig vorkamen.

Als sie dann endlich ihre Regelblutung bekommen hatte, war sie sogar sehr erleichtert gewesen, da sie unter diesen fragwürdigen Umständen kein Kind in die Welt setzen wollte. Nicht mit der Gewissheit nicht zu wissen, wer der Vater war.

Doch dieses vermeintliche Kind war ein Phantom, das wohl immer eins bleiben würde.

Tränen sammelten sich in ihren Augen an als sie zur Kanüle an ihrem Handgelenk griff, durch die ihr ein Schmerzmittel verabreicht wurde.

Noch immer breitete sich dieser dumpfe Schmerz in ihrem Inneren aus und ließ sie nur sehr langsam realisieren, was geschehen war.

Sie presste ihre Lippen aufeinander und unterdrückte einen leisen Aufschrei, der förmlich auf ihrer Zunge brannte. Doch sie konnte diesen Schmerz nicht ausdrücken. Der Schock war immer noch zu groß.

Außerdem fühlte sie sich allein, auch wenn sie es gar nicht war.

Mimi war ihr den gestrigen Tag nicht von der Seite gewichen und wollte sie sogar später wieder besuchen kommen. Auch ihre Eltern waren voller Sorge ins Krankenhaus gefahren, nachdem ihre beste Freundin sie informiert hatte.

Sie waren auch dabei gewesen als der Arzt, der die Notoperation durchführte, ihr die Wahrheit über ihren Zustand vor Augen führte.

Komischerweise hatte ihre Mutter mehr geweint als sie, während ihr Vater einfach nur ihre Hand hielt und sie kaum etwas mitzubekommen schien. Die Stimme ihres Arztes hörte sich ganz dumpf an und sie konnte seinen Erklärungen kaum folgen, nachdem er ihr die Gewissheit unterbreitet hatte.
 

„Es tut mir sehr leid Ihnen das mitteilen zu müssen, aber Sie können unter diesen Umständen auf natürlichem Weg nur noch unter sehr erschwerten Bedingungen eigene Kinder bekommen.“
 

Alles was danach kam, fühlte sich wie im Nebel an. Unter erschwerten Bedingungen? Auf natürlichem Weg? Eigene Kinder?

Wenn man jung war, machte man sich über solche Dinge kaum irgendwelche Gedanken, zumal für Sora ein Kind zur jetzigen Zeit eher eine Belastung darstellte als ein gewünschter Segen.

Doch die Tatsachen zu wissen, dass sie wohl nie dieses Glück erfahren würde, entfachte in ihr eine unglaubliche Leere.

Die Zyste, die sich an ihrem Eierstock befunden hatte, war geplatzt und hatte ihr auch diese höllischen Schmerzen verursacht, mit denen sie sich einige Tage herumgequält hatte. Nur in seltenen Fällen konnte eine Zyste tatsächlich gefährlich werden, meist wenn man sie ignorierte und sie nicht anständig behandeln ließ.

In Soras Fall war es wohl besonders kompliziert gewesen, weil die Zyste den rechten Eierstock abgedrückt hatte und auch dieser bei der Notoperation ebenfalls entfernt werden musste. Und auch wenn Sora unter starken Zyklusstörungen litt, war die endgültige Diagnose dennoch ein Schlag ins Gesicht gewesen. Natürlich hätte sie es sich denken können, dass es bei Zyklusstörungen und nur noch einem funktionierenden Eierstock sicherlich Probleme geben könnte, doch sie war sich dem Ausmaß dieser nicht bewusst gewesen, weshalb ihr der standfeste Boden unter ihren Füßen einfach weggezogen wurde.

Ihre Eltern waren vor gut einer halben Stunde gegangen, um ihr einige Sachen aus ihrem Zimmer zu besorgen. Vor ihnen hatte sich Sora noch zusammengerissen und eine makellose Fassade aufrechterhalten, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen. Doch diese Fassade zerbrach schneller als eine Vase aus Porzellan, wenn sie auf einem Steinboden aufschlug.

Fassungslos fuhr sie sich durch ihre roten kurzen Haare und schluchzte herzzerreißend, wohlwissend, dass sie mit dieser Tatsache nicht umgehen konnte.

Zwar hatte sie sich gewünscht nicht schwanger zu sein, weil dies wohl alles in ihrem Leben erschwert hätte, aber dennoch wünschte sie sich irgendwann eine Familie. Eine Familie, die sie wohl nie haben würde…
 

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„Und kommst du jetzt mit oder nicht?“, fragte Taichi völlig durch den Wind und wollte sich gerade seine Schuhe anziehen, während Yamato verloren im Wohnbereich stand.

„Ich…“, druckste er kleinlaut herum und wusste nicht so wirklich, was er antworten sollte.

Natürlich war die Sache rund um Sora ein Schock gewesen und er konnte nicht leugnen, dass er sie gerne sehen wollte, aber nach all dem was zwischen ihnen vorgefallen war, war er sich nicht sicher, ob er ihr gegenübertreten konnte.

Ja, er vermisste sie, aber er hatte auch Mist gebaut. Er hätte niemals einfach so mit ihr schlafen und am nächsten Tag verschwinden dürfen. Das hatte sie nicht verdient, allerdings hatte er keine Ahnung, wie er es wieder gut machen sollte. Ein einfaches „Es tut mir leid“, war definitiv zu wenig.

Doch all das konnte er Taichi nicht sagen.

„Was ist denn jetzt? Mimi wartet doch schon auf mich!“, murrte er ungeduldig und starrte auf sein Handy, dass er unmittelbar in seiner Hosentasche verschwinden ließ.

„D-Denkst du nicht, dass das ein bisschen viel wird? Sie muss sich doch ausruhen“, erwiderte er nur.

Taichi legte jedoch nur den Kopf schief und starrte seinen besten Freund verständnislos an.

„Also manchmal verstehe ich dich echt nicht! Sie ist unsere beste Freundin und macht gerade echt die Hölle durch! Wir sollten für sie da sein und ich denke, dass sie sich freuen würde, dich mal wieder zu sehen. Im Moment bist du echt ständig auf Achse und spielst heile Familie“, antwortete er immer leiser werdend, da er wusste, dass er hier einen wunden Punkt erwischt hatte.

Yamatos Gesichtszüge verfinsterten sich augenblicklich und er wurde von einer unfassbaren Wut erfasst, die er kaum kontrollieren konnte.

„Ach halt doch deine Klappe! Du hast echt von nichts eine Ahnung“, knurrte er erbost und wandte ihm sofort den Rücken zu, um gleich darauf in sein Zimmer zu verschwinden.

Obwohl er die Tür lautstark zuknallte hörte er, wie Taichi ihm zurief, was er doch für ein schlechter Freund sei und dass er sein Verhalten absolut nicht verstehen konnte.

Doch Yamato konnte ihm nicht die Wahrheit sagen, nicht nachdem der Zwischenfall mit Hikari passiert war. Wenn Taichi erfuhr, dass er mit Sora, seiner Ex, geschlafen hatte, kurz nachdem er mit seiner Schwester rumgemacht hatte, würde er ihm sicherlich den Kopf abreißen.

Nicht weil er noch Gefühle für Sora hatte – nein, dafür war ihm die Sache mit Mimi viel zu ernst. Aber er wäre sicher von ihm enttäuscht, wenn er erfuhr, wie er Sora behandelt hatte.

Nichts desto trotz wusste er, dass vor den Konsequenzen seiner Taten nur davonlief. Ihm war klar, dass er früher oder später mit Sora darüber sprechen musste, aber nicht in dieser Situation.

Er hatte überhaupt keine Ahnung, was genau mit ihr passiert war. Taichi hatte ihm lediglich erzählt gehabt, dass Mimi sie bewusstlos in ihrem Zimmer aufgefunden und den Krankenwagen gerufen hatte.

Kraftlos ließ er sich die Zimmertür hinuntergleiten und setzte sich auf den kalten Boden.

„Ich bin wirklich ein Idiot“, löste sich von seinen Lippen, während er seine Stirn gegen seine Knie presste.

Noch ahnte er nicht, dass all das erst der Anfang war und er sich die alten, unbeschwerten Zeiten zurückwünschen würde…
 

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„Also wenn du so weitergähnst, solltest du dich echt besser nochmal ins Bett legen“, meinte Davis mit rümpfender Nase und beobachtete seinen Freund dabei wie er versuchte eine Tasse Kaffee zu trinken, um vor Müdigkeit nicht umzufallen.

Takeru saß ihm direkt gegenüber und rieb sich erschöpft die Augen, während er einen kleinen Schluck an seiner Tasse nippte.

„Diese Liste macht mich echt noch fertig“, grummelte er übermüdet und legte seinen schweren Kopf auf der Tischplatte ab.

Davis konnte nicht anders und musste prompt bei dem Anblick seines Freundes grinsen, da er ihn noch nie so fertig erlebt hatte.

Auch wenn es mittlerweile schon kurz vor eins war, hatte sich Takeru eher widerwillig aus dem Bett gequält, um gemeinsam mit ihm das Mittagessen vorbereiten zu können.

Yolei war noch auf der Arbeit, da sie für Sora einspringen musste, die sich noch im Krankenhaus befand. Keiner von ihnen wusste so wirklich was passiert war, aber Davis war sich sicher, dass es in ihrer kleinen Gruppe schnell die Runde machen würde, zumal Takerus Bruder mit Sora immer sehr eng befreundet war und Takeru bei sowas meist als einer der Ersten Bescheid wusste.

Auch Ken befand sich zurzeit an der Uni, um ein Blockseminar zu besuchen, für dass er sich dieses Semester eingeschrieben hatte, weshalb sie wohl nur noch auf Yolei warten würden, bevor sie aßen.

Dennoch wollte Davis schon mal das Gemüse für seine berühmte Reißpfanne vorbereiten und hoffte inständig auf die tatkräftige Unterstützung seines Freundes, der jedoch drohte auf dem Tisch einzuschlafen.

„Oh man, was habt ihr zwei gestern nur getrieben?“, fragte er süffisant grinsend, wohlwissend, dass rein gar nichts passiert war. Alles war rein platonisch - jedenfalls laut Takerus Aussagen, die sich allerdings sehr glaubhaft anhörten.

„Ich habe dir doch schon erzählt, dass wir tanzen waren und vorher haben wir uns ohne Limit den Bauch vollgeschlagen, wie es auf ihrer Liste stand“, erwiderte er nur leicht genervt und hob langsam den Kopf.

„Wow, immerhin habt ihr die ganzen Kalorien sofort wieder abtrainiert, obwohl es da sicherlich bessere Methoden geben würde.“

Er grinste wieder und ein lautes Stöhnen löste sich von Takerus Lippen.

„Daisuke! Seit wann denkst du nur so einen Mist?! Vor ein paar Wochen wolltest du mich unbedingt von Hikari fernhalten und jetzt kannst du es wohl kaum erwarteten, dass wir uns näherkommen! Bist du etwa mit verbotenen Substanzen in Kontakt gekommen oder woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel?“, fragte er etwas ruppig und stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab, um sein Kinn darauf betten zu können. Seine Augen konnte er immer noch kaum aufhalten, aber Davis erkannte sofort seinen genervten Blick, den seine unüberlegte Aussage ausgelöst hatte.

Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und versuchte den brennenden Blicken seines Mitbewohners auszuweichen, doch das schlechte Gewissen klingelte bereits bei ihm Sturm.

Sicherlich kam es komisch rüber, dass er plötzlich nichts mehr gegen eine aufkeimende Beziehung der beiden hatte.

Einerseits hatte er verstanden, dass er mit seiner nachtragenden Art Kari gegenüber nicht weiterkam und es wohl kaum die Tatsache änderte, dass Takeru sie aufrichtig mochte.

Davis war sich zwar noch unsicher, wie sie dem Ganzen gegenüberstand, aber Takeru hatte ihm sehr wohl erzählt gehabt, dass Kari sich ihnen Gefühlen selbst sehr unsicher war, was Davis mittlerweile durchaus nachvollziehen konnte.

Denn andererseits hatte er am eigenen Leib erfahren, wie sich Gefühle plötzlich verändern konnten. Dass man einem Menschen, dem man die ganze Zeit gleichgültig gegenübersaß, auf einmal mit diesem kribbeligen Gefühl in die Augen blickte, ohne zu wissen, wo es überhaupt herkam.

Es traf einen manchmal wie ein Blitz. Man lernte sich näher kennen, entdeckte Gemeinsamkeiten und nahm die Person in einem ganz anderen Licht wie zuvor wahr.

Und genau das war Davis passiert. Allerdings war die ganze Sache alles andere als unkompliziert.

Er hatte langsam ein wahres Händchen für Chaos und geriet meist an Frauen, die an jemand anderem interessiert waren, was ihn einfach nur frustrierte.

Ein bitterer Geschmack legte sich auf seine Zunge als er wieder zu Takeru blickte. Eine Frage, die ihm schon lange auf der Seele brannte, bahnte sich abrupt den Weg in Richtung Freiheit, sodass Davis die Worte, die aus seinem Mund kamen kaum kontrollieren konnte.

„Sag mal, wie geht es eigentlich mit dir und Mariko weiter?“, fragte er als ihn ein unwohles Gefühl übermannte.

Seine Augen wurden auf einmal ganz groß, während Takeru die Stirn krauszog und verwirrt zu Daisuke blickte.

Mit dieser Frage hatte er ganz sicher nicht gerechnet gehabt, aber Davis wollte einfach die Bestätigung. Die Bestätigung, dass es okay war. Dass er keinen Fehler beging und Takerus Gefühle am Ende doch noch verletzte.

Er wusste selbst, dass es nicht schlau war mit der Ex-Affäre seines besten Freundes Zeit zu verbringen, aber anfangs hatte Mariko ihm einfach nur leidgetan.

Er wollte sie aufheitern, unwissend, dass sie so viele Gemeinsamkeiten miteinanderteilen. Nicht nur er liebte das Kochen über alles, sondern auch sie sammelte Rezepte aus aller Welt. Beide gerieten oft mit ihren Geschwistern aneinander und wussten, wie es sich anfühlte, wenn die Familie nicht richtig an einen glaubte. Davis hatte manchmal das Gefühl in Mariko seinen verlorenen Seelenverwandten gefunden zu haben, auch wenn es möglicherweise kitschig klang, aber er hatte sich noch nie bei einer Person so wohlgefühlt wie bei ihr. Noch nicht mal bei Kari fühlte er sich so verstanden.

Es war fast so als hätten sie sich all die Jahre gesucht und einfach nicht gefunden gehabt.

„Was soll denn mit Mariko sein? Wir haben uns schon ewig nicht mehr getroffen“, erwiderte Takeru halbherzig.

„Ich weiß“, antwortete Davis wissend, „aber findest du nicht, dass du ihr noch wenigstens ein Gespräch schuldig bist?“

„Ein Gespräch?“, hakte Takeru mit angezogener Augenbraue nach.

„Versteh mich bitte nicht falsch, ich weiß ja, dass es zwischen euch nichts Ernstes war, aber ich habe sie öfter mal auf dem Campus getroffen und sie wirkte auf mich sehr niedergeschlagen und ich denke, ihr würde sowas sicher helfen. Mir hätte sowas nach der Sache mit Kari ganz sicher geholfen“, führte er weiter aus und sah direkt, dass Takeru ins Grübeln kam.

Seine Worte schienen ihn erreicht zu haben, auch wenn er natürlich nicht wusste, was er darüber dachte.

Beide schwiegen sich einen kurzen Moment an als Takeru sich leise räusperte und erneut einen Schluck Kaffee zu sich nahm.

Nachdenklich stellte er die Tasse wieder auf den Tisch und reib nervös am Henkel, was er nur machte, wenn er sich mit etwas ernsthaft beschäftigte.

„Ja, vielleicht hast du recht“, antwortete er nach einem Moment des Schweigens. „Zwischen uns ist es nicht optimal gelaufen und sie ist eine sehr liebenswürdige Person, die ich niemals verletzen wollte, aber ich…“

Er stoppte abrupt und sah schamvoll zu Boden.

„Aber du hast immer noch Gefühle für Hikari“, beendete Davis behutsam seinen Satz.

Takeru rang sich nur zu einem Nicken ab, hob aber seinen Kopf nicht an.

Davis lächelte nur vage und konnte sich kaum vorstellen, wie sich sein Freund fühlte. Takeru hatte ein schlechtes Gewissen, auch wenn es ihm nicht besserging. Denn auch Davis handelte durchaus nicht uneigennützig. Selbstverständlich erhoffte er sich etwas, auch wenn er drohte wieder auf den Boden der Tatsachen zu fallen, der ihm gnadenlos offenbarte, dass man Gefühle nicht erzwingen konnte.

Sie waren wie eine chemische Reaktion, da man nicht mehr in den ursprünglichen Zustand zurückkehren konnte, wenn eine prägnante Veränderung bereits geschehen war.
 

_
 

Er konnte gar nicht in Worte fassen, wie unangenehm er diese Situation empfand. Natürlich wollte er seine beste Freundin sehen, da sie sich im Krankenhaus befand, aber er hätte niemals gedacht, dass sich eine solche Befangenheit über sie legen würde.

Er hatte es nach dem Ende ihrer Beziehung erwartet gehabt, aber seine Ängste bewahrheiten sich nicht und sie fanden einen guten Weg wieder „nur“ Freunde zu werden.

Doch sie hatten diesen Neuanfang riskiert, indem sie schwach wurden und sich der Gewohnheit hingaben.

Taichi hatte das Gefühl, dass Sora ihm seither aus dem Weg ging, was der Krankenhausbesuch deutlich bestätigt hatte.

Sie wich seinen besorgten Blicken aus und Taichi konnte Yamato immer noch dafür Ohrfeigen, dass er sich geweigert hatte, ihn zu begleiten. Er konnte seinen Freund beim besten Willen nicht verstehen, auch nicht, dass er sich so vehement dagegen wehrte.

Und Taichi war der Leidtragende in der ganzen Sache.

Es war für ihn schon schlimm genug, dass er mit Mimi hier war, wohlwissend, dass die beiden sowas wie eine Beziehung führten, obwohl er kurz zuvor noch mit Sora geschlafen hatte.

Er hatte ihr nichts davon erzählt, da er sie nicht verletzen und diese unangenehme Situation nicht noch mehr ausreizen wollte.

Doch jetzt war er hier. Alleine mit Sora.

Mimi hatte sich spontan dazu bereit erklärt, etwas Kuchen zu besorgen, da sie sehr wahrscheinlich gemerkt hatte, wie angespannt die Atmosphäre unter den dreien war.

Sora war auch nicht sonderlich gesprächig, was auch an ihren Eingriff lag, von dem sie sich noch zu erholen versuchte.

Mittlerweile wusste Taichi, dass es keine leichte Sache für sie werden würde, wie eine einfache Erkältung oder eine Blinddarmoperation.

Doch so ganz hatte er noch nicht verstanden, was all das für Sora bedeutete. Sie wirkte auf ihn unfassbar müde und ihre Augen waren sehr gerötet, was Taichi darauf schließen ließ, dass sie geweint haben musste.

Behutsam näherte er sich ihr und setzte sich auf einen der Stühle, die sich in ihrem Zimmer befanden.

„Wie geht es dir?“, fragte er völlig verkrampft und hoffte insgeheim, dass Mimi schnellstens zurückkommen würde.

Sie hatte ihr Gesicht zum Fenster gewandt und reagierte kaum auf seine Anwesenheit, was ihn allmählich verärgerte.

Sie waren doch keine Kinder mehr und hatten seines Erachtens doch auch alles zwischen ihnen geklärt gehabt! Warum reagierte sie denn auf einmal nur so?

„Mir geht’s gut“, antwortete sie monoton, sah ihn aber immer noch nicht an.

Er krampfte die Hände in seinem Schoss zusammen und bemerkte sofort, dass sie log.

Warum versuchte sie ihm nach all den Jahren noch etwas vor zu machen?

Mittlerweile müsste sie doch wissen, dass er sie besser kannte…

„Du lügst doch!“, erwiderte er mit fester Stimme, sodass sie kurz zusammenschrak. „Wenn du nicht mit mir darüber reden willst, dann sag es und ich gehe, aber hör auf, mir hier etwas vorzumachen. Ich kenne dich besser!“

„Ach wirklich?!“, brüllte sie plötzlich und wandte den Kopf zu ihm. Tränen rannen ihre Wangen hinunter und der blanke Schmerz spiegelte sich in ihren Augen wieder.

„Du hast überhaupt keine Ahnung, was ich durchgemacht habe!“

Taichi seufzte nur bei ihrer Aussage, auch wenn er merkte, dass sie mit den Nerven völlig am Ende zu sein schien.

„Dann erzähl‘ mir was los ist!“, startete er einen erneuten hoffnungsvollen Versuch und beugte sich zu ihr. Er wollte gerade nach ihrer Hand tasten als sie diese abrupt wegzog und sich hektisch über ihr nasses Gesicht fuhr.

„Die Wahrheit verträgst du doch gar nicht“, antwortete sie nur stur.

„Mensch Sora, das kann ich immer noch für mich selbst entscheiden! Ich möchte dir helfen, aber du…“

„Ich dachte, ich wäre schwanger Tai“, platzte aus ihr hervor und Tais Herz rutschte augenblicklich in die Hose. Hatte er sich gerade verhört?

„D-Du…was? S-Schwanger?!“

Seine Mimik entgleiste vollkommen.

„Dein Gesicht spricht wirklich wahre Bände“, meinte sie ausdruckslos. „Aber ich verstehe dich. Sowas wäre sicher sehr ungünstig, gerade weil es zwischen dir und Mimi scheinbar ganz gut läuft. Aber du hattest Glück, anscheinend bin ich jetzt so steril wie ein Wattestäbchen.“

Ihre Stimme zitterte und sie senkte den Kopf.

Tai, der immer noch nicht die erste Neuigkeit verdaut hatte, verstand im ersten Moment gar nicht, auf was sie hinauswollte. Erst nach und nach realisierte er, was sie ihm gebeichtet hatte.

„Sora…“

„Bitte nicht…bitte sag nicht, wie sehr dir das ganze leidtut! Das will ich nicht hören“, flehte sie jämmerlich. „Ich will all das einfach nur vergessen!“

„A-Aber warum bist du nicht zu mir gekommen? Ich hätte dich damit doch nicht alleine gelassen“, versicherte er ihr, auch wenn er zugeben musste, dass er mit dieser Nachricht mehr als nur überfordert war.

Sora dachte sie wäre schwanger von ihm! Und auch wenn es nicht so war, hätte es durchaus passieren können. Sie waren damals sehr unvorsichtig gewesen, auch wenn in der Vergangenheit nie etwas passiert war.

„Das sagst du doch nur so!“, murmelte sie verzweifelt. „Wie hättest du reagiert, wenn ich tatsächlich schwanger gewesen wäre? Mit deinem Kind? Glaubst du wirklich, dass dich die Situation gefreut hätte?“

Er schwieg.

Denn er konnte nicht leugnen, dass es unpassend war. Gerade wegen Mimi. Wie hätte seine Zukunft mit ihr ausgesehen, wenn er mit Sora ein Kind bekommen hätte? Wäre sie bei ihm geblieben? Wären sie eine gut funktionierende Patchworkfamilie geworden, die ihren komplizierten Alltag gemeistert hätte?

Gott, er war froh, dass sie von all dem nichts mitbekommen würde.

Aber er wusste auch, dass er jetzt für Sora da sein musste. Sie durchlebte einen unglaublichen Verlust und er fühlte sich nicht unschuldig an ihrer Situation. Er war in letzter Zeit zu sehr auf sich fixiert gewesen, sodass er seine Freunde gar nicht mehr richtig wahrgenommen hatte.

Und genau das, musste er ändern.
 

_
 

Sie umklammerte den Gurt ihrer Tasche und presste die Lippen fest aufeinander. Übelkeit stieg in ihr auf als sie die Worte hörte, die für ihre Ohren nicht bestimmt waren.

„Wie hättest du reagiert, wenn ich tatsächlich schwanger gewesen wäre?“, hörte sie die gebrechliche Stimme ihrer besten Freundin, während ihr Herz blitzartig einfror. „Mit deinem Kind? Glaubst du wirklich, dass dich die Situation gefreut hätte?“

Ein unbändiger Schmerz pulsierte durch ihre Adern als sie sich gegen die Wand drückte und ihre Atmung kontrollierte.

Hatte sie gerade richtig gehört? Sora? Ein vermeintliches Baby? Und wann zur Hölle hatten die beiden nochmal was miteinander?

Wollten die beiden sie verarschen? Erst Michael und dann ihre besten Freunde?

Ihr Puls raste förmlich und eine unkontrollierte Wut übermannte sie.

Wie konnte es sein, dass Männer immer wieder die gleichen Fehler beginnen? Sie hatte sich geschworen, niemanden wahllos ihr Herz zu verschenken, der es möglicherweise doch achtlos zerbrechen könnte.

Nach der Sache mit Michael war Mimi sehr empfindlich geworden. Sie wusste, wie es sich anfühlte betrogen zu werden. Sich wertlos zu fühlen und die Scherben ihres gebrochenen Herzens mühselig wieder einsammeln zu müssen.

Und es war nicht das erste Mal gewesen, dass sie sich so fühlte.

War sie denn nur für gewisse Stunden gut genug? Warum hatte sie ihren Gefühlen für Tai erneut eine Chance gegeben? Nur damit er wieder Sora vorzog?

Sie hatten ihr erstes Mal miteinander, doch eine Beziehung war für ihn scheinbar nur mit Sora vorstellbar oder warum kehrte er wieder zu ihr zurück?!

War sie etwa nur eine Ablenkung?

Tränen brannten in ihren Augen wären sie halbherzig das Gespräch der beiden verfolgte.

Sora weinte bitterlich, da sie sich von ihrem Traum, jemals eine Familie haben zu können, scheinbar bereits verabschiedet hatte.

Tai redete ihr gut zu und Mimis Übelkeit verschlimmerte sich.

Er redete mit ihr so unfassbar liebevoll, dass sich Mimi gar nicht vorstellen konnte, dass da keine Gefühle mehr zwischen den beiden herrschten.

Sie hatte sich schon wieder blenden lassen. War auf einen Mann reingefallen, der sie nur verletzte und in Wirklichkeit immer noch an seiner Ex hing, mit der er vor kurzem auch noch geschlafen hatte! All die lieben Worte waren getarnte Lügen, die ihr Herz zum Höherschlagen brachte und nun gnadenlos zerschmetterte.

Ohne das Gespräch weiter anzuhören, zog Mimi ungeniert die Nase hoch und schluckte ihre aufkommenden Tränen tapfer hinunter, bevor sie zum Fahrstuhl stürmte und ihre bevorstehende Zukunft schweren Herzens hinter sich ließ.

Sie wollte all dem nur noch entfliehen. Sie wollte nicht zulassen, dass dieser Tiefschlag sie völlig aus der Bahn warf, denn sie war stark. Auch wenn sie erneut einen Schlussstrich hinter sich ziehen musste…
 

Fortsetzung folgt...

Fügungen.


 

26. Juli 2010
 


 

Er hatte sich tatsächlich dazu durchgerungen und auf Davis‘ Ratschlag gehört. Auch wenn es ihn Überwindung gekostet hatte, saß er ihr tatsächlich gegenüber.

Takeru wunderte sich, dass sie ohne Widerworte einfach eingewilligt hatte und sich zwei Tage später tatsächlich mit ihm verabredet hatte.

Sie saßen in einem kleinen Kaffee, dass sich in Campusnähe befand. Die Atmosphäre war angespannt und Takeru wusste nicht wirklich, wo er anfangen sollte.

Natürlich war eine Entschuldigung angemessen, da er sie ausgenutzt hatte, um seinen Herzschmerz zu betäuben, obwohl er bemerkt hatte, wie sie ihn angesehen hatte.

Ihre Augen funkelten, wenn sie Zeit miteinander verbrachten und er konnte die Sehnsucht aus ihrer Stimme heraushören, wenn sie ihn darum gebeten hatte, doch noch ein bisschen länger bei ihr zu bleiben.

Doch er konnte diese Art von Gefühlen nicht erwidern.

Da er immer noch Kari liebte, egal wie konfus und kompliziert ihre Beziehung auch wirkte.

Er konnte es sich nicht aussuchen und als er einen Blick in Marikos Gesicht wagte, erkannte er, dass sie die Wahrheit schon längst wusste.

Dass sie ihn verloren hatte.

„Es tut mir leid“, murmelte er schuldbewusst und senkte betroffen den Kopf. „Ich weiß, dass es keine Entschuldigung dafür gibt, wie ich dich behandelt habe, aber dennoch wollte ich, dass du es weißt. Es tut…“, wiederholte er, bevor jedoch Marikos zarte Stimme ihn unterbrach.

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Genau genommen, will ich das auch gar nicht hören. Ich wusste, auf was ich mich einlasse, auch wenn ich nicht bestreiten kann, dass es wehtut“, erwiderte sie matt.

Takerus schlechtes Gewissen wuchs allerdings als er sie wie ein Häufchen Elend vor sich sitzen sah. Sie krampfte die Hände in ihrem Schoss zusammen und weigerte sich ihn anzusehen, was er jedoch auch verstehen konnte.

Sie hatten so viel miteinander geteilt. Sie war sein erstes Mal gewesen und auch wenn er keine romantischen Gefühle für sie hegte, war Mariko ihm dennoch wichtig.

Wie oft hatte er sich bei ihr über seine Eltern und die Situation mit Matt ausgekotzt? Wie oft hatte sie ihm immer aufmerksam zugehört, während er seinen gesammelten Frust bei ihr ablud?

Vielleicht war es Schicksal gewesen, dass sie sich damals bei dieser Hausparty getroffen hatten, aber dennoch wusste er, dass er sie unglücklich gemacht hatte.

Er konnte ihr das nicht geben, was sie sich von Herzen wünschte.

Er war in der gleichen Situation wie Kari, die einst Gefühle für seinen Bruder gehegt hatte.

Damals fühlte er sich einfach nur vor den Kopf gestoßen und versank in der ewigen Trauer seiner bislang unerwiderten Gefühle, auch wenn er diese nie ganz verlor.

Wenn man jemanden liebte, sah man ihn eben in einem anderen Licht, weshalb man für das Scheitern auch andere Personen verantwortlich machte, die nichts dafürkonnten.

Er hatte Yamato verachtet gehabt, weil Kari ihn vorgezogen hatte.

Er war eifersüchtig, weil er niemals so wie sein Bruder sein würde. Weil Kari ihn nicht so sehen wollte, wie sie Matt gesehen hatte.

Jedoch befand er sich nun in der gleichen Position. Er mochte Mariko unglaublich gerne und schätzte ihre Freundschaft, die ihm sehr viel Kraft im letzten Jahr gespendet hatte.

Aber er liebte sie nicht, eine Tatsache, die er nicht ändern konnte, auch wenn er es sich sogar wünschte.

Dass sein Herz für eine neue Liebe frei wäre und er einfach das genießen konnte, was viele seiner Altersgenossen schon seit Jahren taten. Eine gesunde Partnerschaft zu pflegen, Kompromisse einzugehen und gemeinsam, Hand in Hand, die Zukunft zu bestreiten, unwissend, was auf einen zukommen mag.

All das wünschte er sich insgeheim, aber auch für Mariko hoffte er auf ein Happy End, auch wenn er nicht derjenige war, der es ihr geben konnte.

„Mariko, ich möchte wirklich, dass du glücklich wirst“, sagte er auf einmal und brachte sie dazu ihn direkt anzusehen.

Ihre Augen glitzerten und er konnte den Schmerz sehen, den er ausgelöst hatte.

„Ich weiß, nur schade, dass es nicht mit dir sein wird“, antwortete sie bitter und wandte hektisch den Blick von ihm.

Ruckartig fuhr sie mit den Fingern zu ihrem Gesicht und strich über ihre Augenpartie, um sich vor ihm nicht die Blöße geben zu müssen.

Und auch Takeru wollte sie nicht zum Weinen bringen, obwohl er auch wusste, dass es leichter gesagt als getan war.

Schweigsam saßen sie sich gegenüber, während die Zeit für einen kurzen Moment einfach stillstand.

Es war nicht leicht einen Menschen gehen zu lassen, den man mochte. Noch schwerer war es einen Menschen gehen zu lassen, den man zu tiefst verletzt hatte.

Doch er befand ich am Wendepunkt. Es wäre egoistisch, sie weiterhin festzuhalten, nur weil er nicht alleine sein wollte.

Er musste sie gehen lassen…
 

_
 

Sie wusste nicht mehr, wo ihr Kopf überhaupt stand. Sie war von ihren eigenen Gefühlen überfordert und konnte nicht in Worte fassen, wie verletzt und enttäuscht sie war.

Wie konnte es nur sein, dass jeder Mensch, dem sie vertraute, sie hinterher doch nur betrog und belog?

Gott sie war so froh gewesen, dass Taichi ihr die Ausrede mit ihren Eltern abgekauft hatte. Es war ganze zwei Tage her als sie das Gespräch zwischen Sora und Tai heimlich mitangehört hatte.

Mimi konnte daraufhin nur die Flucht ergreifen und verstrickte sich in eine fadenscheinige Ausrede, dass sich ihre Eltern bei ihr gemeldet hatten und unbedingt mit ihr über ihre Zukunft sprechen wollten.

Für Taichi war das wohl nichts Ungewöhnliches, weil Mimi tatsächlich den Plan gehegt hatte, endgültig nach Japan zurückzukehren und es bei ihren Eltern sogar dezent hatte durchblicken lassen.

Aber wahrscheinlich war es ihm ganz recht gewesen, dass sie die Zweisamkeit der beiden nicht mehr unterbrochen hatte.

Deswegen hatte er ihr auch so ohne weiteres einfach geglaubt gehabt.

Auch in den letzten Tagen hatten sie eher weniger Kontakt zueinander, was Mimi allerdings nur allzu gut in den Kram passte.

Sie wollte ihn nicht mehr sehen und auch Sora konnte sie im Moment nicht unter die Augen treten, weil sie sich von ihrer besten Freundin einfach nur verraten fühlte, auch wenn sie sich nach wie vor Sorgen um sie machte. Seit sie entlassen wurde, war sie bei ihren Eltern untergekommen, um die Gegebenheiten besser verarbeiten zu können. Mimi wäre gerne für sie da gewesen, aber sie wusste, dass sie es nicht konnte. Nicht nach all dem, was passiert war.

Dass die beiden miteinander geschlafen hatten, war eine Sache. Dass sie allerdings nicht verhüten hatten und Sora eine vermeintliche Schwangerschaft vermutet hatte, eine andere.

Sie verstand plötzlich gar nichts mehr. War sie schon wieder nur die zweite Wahl? So wie sie es all die Jahre für ihn war?

Sie schluckte und kuschelte sich noch tiefer in ihre Bettdecke. Wieso musste sie immer solch ein Pech mit Männern haben? War ihr denn überhaupt kein Glück vergönnt?

Und wie zur Hölle sollte sie Sora und Taichi unter die Augen treten, ohne nicht hemmungslos in Tränen auszubrechen? Fakt war, dass die beiden nochmal was miteinander hatten, obwohl sich zwischen Taichi und ihr etwas entwickelt hatte.

Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Taichi nichts mehr für Sora empfand. Er war nicht der Typ, der sich auf belanglosen Sex einließ, weshalb sie ja auch dachte, dass all das zwischen ihnen eine Bedeutung gehabt haben musste.

War er etwa in sie beide verliebt? Oder wollte er sich Sora warmhalten, im Falle, dass sie doch wieder in die USA zurückkehrte und er alleine zurückblieb?

Gott, es war alles so verwirrend und sie wusste nicht was sie machen sollte.

Ihr würde bestimmt noch die Decke auf den Kopf fallen, wenn sie noch länger in diesem Hotelzimmer bleiben würde!

Bestimmend schlug sie daher die Decke zurück und setzte sich auf. Ihre Glieder fühlten sich schwer an und ihr Augen brannten, sodass sie vorsichtig darüberfuhr.

Ihr Blick wanderte zum Wandspiegel, der sich gegenüber von ihrem Bett befand. Ihre Haare waren zerzaust und sie trug immer noch ihren Schlafanzug, obwohl es bereits weit nach Mittag war.

Sie sah furchtbar aus und ließ sich mal wieder wegen eines Mannes einfach so gehen!

Das durfte nicht passieren!

Sie musste sich aufrappeln und zeigen, dass sie sich nicht unterkriegen ließ.

Mimi musste handeln.

Einen Schlussstrich ziehen und einen Neuanfang wagen, egal wie weh es auch tat.

Sie wollte sich von keinem Mann mehr runterziehen lassen. Nicht von Michael, der sie mehrfach betrogen hatte. Nicht von Taichi, der ihr das Gefühl gegeben hatte etwas Besonderes zu sein, aber dann doch mit seiner Ex ins Bett gehüpft war.

Mimi war eine unabhängige junge Frau! Sie brauchte keinen Mann, um glücklich zu werden. Für ihr Glück war sie selbst verantwortlich und sie wusste genau, was sie jetzt zu tun hatte…
 


 

28. Juli 2010
 


 

Auf manche Fügungen des Schicksals hätte Ken wahrhaftig verzichten könnten. Euphorisch stand sein beste Freund vor ihm, der ihm von dem gemeinsamen Campingausflug berichtete, den Joe und Cody angeleiert hatten.

Er hatte noch nicht mal zugesagt, obwohl er auch schon seit ein paar Tagen davon wusste, aber er hatte sowieso das Gefühl, dass Davis bereits für ihn entschieden hatte.

Es blieb ihm keine andere Wahl – jedenfalls laut Daisuke, der begeistert durch die Wohnung sprang und sich wie ein kleines Kind über den bevorstehenden Ausflug freute.

„Man Ken, das wird einfach klasse! Dann sind wir alle mal wieder zusammen und das am ersten August!“, rief er freudig und tänzelte vor Kens Nase hin und her.

Genervt stöhnte er nur auf und ließ sich auf einem der Küchenstühle nieder, während Davis sein von Euphorie geladenes Tänzchen immer noch nicht beendet hatte.

„Naja, ich weiß ja nicht so recht…glaubst du, dass es eine gute Idee ist? Du bist doch auf Kari immer noch nicht so gut zu sprechen“, warf er bedenkend ein als Davis abrupt stehen blieb und ihn erstaunt anblickte.

„Naja auch wenn wir jetzt nicht die besten Freunde sind, freue ich mich die anderen mal wieder zu sehen. Wir treffen uns einfach viel zu selten und Cody habe ich ewig nicht mehr gesehen“, antwortete er nur verständnislos, während Ken missmutig dreinblickte.

Auch er freute sich, die anderen wiederzusehen, aber er wusste auch, was dieses Zusammentreffen bedeutete. Er kannte Yolei und er konnte sich denken, dass sie auf so einen Moment nur gewartet hatte, um endlich die Beziehung mit Izzy offiziell machen zu können.

Und er war sich nicht sicher, ob er das ertragen würde.

Wahrscheinlich würden alle anderen sich für die beiden freuen, während er sich einfach nur deplatziert fühlen würde, gefangen in seiner eigenen Eifersucht, die ihm den Verstand raubte.

Mein Gott er hatte sie sogar im Vollrausch geküsst und zugegeben, dass er sie mochte! Er kam sich so unglaublich dämlich vor…

„Was ist denn mit dir los? Du siehst so komisch aus“, stellte Davis nüchtern fest und setzte sich ihm direkt gegenüber.

Mit großen Augen sah sein bester Freund ihn an, sodass es Ken sichtlich schwerfiel seinem intensiven Blick standzuhalten.

„Geht es um Yolei?“, fragte er aus heiterem Himmel, während Kens Augen sich entsetzt weiteten.

„W-Wie kommst du darauf? Ich habe doch gar nichts in der Richtung gesagt!“

„Naja aber dein Blick verrät wirklich alles! Außerdem ist mir aufgefallen, dass ihr euch aus dem Weg geht“, offenbarte er ihm.

Na toll, er hatte es also bemerkt. Seit er Yolei geküsst hatte, gingen sie sich tatsächlich aus dem Weg und sie verbrachte auch den heutigen Nachmittag lieber außer Haus.

Doch wie sollte er das nur Davis erklären? Er hatte ihm doch gesagt, dass er die Finger von Yolei lassen sollte und er hatte nicht auf ihn gehört.

„Was soll ich sagen…es ist kompliziert!“, murmelte er kaum hörbar, weshalb Davis näher an ihn heranrutschte.

„Kompliziert? Wie darf ich das denn verstehen?“, hinterfragte er mit angezogener Augenbraue. „Habt ihr zwei etwa?!“ Davis riss die Augen auf, während Kens Gesichtszüge komplett entglitten.

Dachte er ernsthaft, sie hätten…miteinander…was?!

„Daisuke! Hörst du dir überhaupt selbst zu? Da lief nichts“, erwiderte er mit Nachdruck, bevor er seinem Blick nicht mehr Stand halten konnte. „Jedenfalls nicht sowas.“

„Was?! Und das heißt?“, fragte er neugierig nach und beugte sich über den halben Tisch. Ken war wirklich froh, dass sie heute Nachmittag die Wohnung für sich hatten. Dieses Gespräch brauchte wirklich keiner mitzubekommen.

Seine Wangen wurden auf einmal ganz warm als er an den gemeinsamen Kuss zurückdachte. Er wurde selbst immer unruhiger und es fiel ihm schwer auf dem Küchenstuhl sitzen zu bleiben.

Doch es war zu spät, um die Flucht zu ergreifen. Davis würde ihn ohne eine Antwort sicher nicht mehr hier weglassen.

„Wir haben uns geküsst, beziehungsweise habe ich sie geküsst…“

„Was?! Warum erzählst du mir was nicht! Wann ist das überhaupt passiert?“, Davis ruckelte an seinem Arm und schaute ihn ungläubig an, während sich Ken am liebsten auf einen anderen Planten gewünscht hätte. Davis schrille Stimme dröhnte in seinen Ohren als er ihm offenbarte, dass sie sich bereits an der Party geküsst hatten und er es so lange vor ihm geheim gehalten hatte.

„Warum hast du es mir nicht erzählt? Ich weiß, dass ich nicht immer positiv darauf reagiert habe, aber ich bin doch dein bester Freund“, führte er ihm vor Augen und klang sogar ein bisschen enttäuscht, was Ken wunderte.

Er wollte es ihm ja nicht verheimlichen, aber er sah auch einfach keinen Grund darin, es ihm zu erzählen, da die Sache mit Yolei und ihm sowieso nur ein inniger Wunsch bleiben würde.

„Ach Davis, das ist doch jetzt sowieso egal“, stöhnte er genervt und presste verbissen die Zähne aufeinander.

„Warum denn egal? Küsst sie etwa so schlecht?“

„Nein!“, brummte er und wurde langsam sogar ein bisschen sauer. Er wollte nicht mehr darüber sprechen, warum akzeptierte er das denn nicht?

„Und an was liegt es dann? Ich dachte, du magst sie!“

„Ja und wenn schon?“, brüllte er, sodass Davis prompt zusammenzuckte. „Sie ist schon mit jemand anderem zusammen, weshalb sie auch heute sehr wahrscheinlich wieder nicht hier ist. Sie hat mich abgewiesen!“

Seine eigene Stimme hallte noch nach und der Schmerz, der sich in seinem Herzen befand, kroch empor.

Sprachlos klappte Davis der Mund auf und er schien nicht wirklich zu wissen, was er auf Kens Geständnis antworten sollte.

Gab es überhaupt die passenden Worte, wenn man einen Korb bekommen hatte? Ken glaube zurzeit nicht daran. Wahrscheinlich tat es einfach noch zu weh, auch wenn diese Wunden sicher irgendwann ebenfalls verheilen würden. Doch im Moment wollte er einfach seine Ruhe haben, weshalb er aufsprang, ohne auf Davis weiterhin zu achten.

Er wollte gerade in seinem Zimmer gehen als er merkte, dass Daisuke sein Handgelenk ergriff.

Widerwillig wandte er sich ihm zu und erkannte einen entschuldigenden Blick in seinen Augen, der jedoch alles nur noch schlimmer werden ließ.

„Tut mir leid, das habe ich nicht gewusst“, erwiderte er nur. „Ich hoffe, du weißt, dass du mit mir reden kannst, wenn du das möchtest.“

Ken ließ automatisch die Schultern hängen und seufzte nur.

Er wusste, dass es Daisuke nur gut meinte, aber manchmal konnte man auch Dinge einfach zerreden. Es war nicht so, dass er niemals darüber sprechen wollte, allerdings brauchte er noch ein bisschen Zeit.

„Danke“, flüsterte er halblaut und spürte, dass Davis ihn augenblicklich losließ. Ohne aufzusehen, fühlte er diesen mitleidigen Blick auf seiner Haut, den er einfach nicht ertragen konnte.

„Ich denke, ich muss erstmal selbst damit klarkommen.“

„Verständlich…“

Ken schenkte ihm ein trauriges Lächeln, bevor er ihm den Rücken zuwandte und in sein Zimmer verschwand.

Er schloss die Tür und drückte seinen Rücken gegen das massive Holz. Niedergeschlagen presste er die Lippen aufeinander als ihm warme Tränen über die Wangen liefen.

Noch nie in seinem Leben hatte er sich so hilflos gefühlt.

Er war gefangen. Gefangen in der Traurigkeit seines gebrochenen Herzens.
 

Fortsetzung folgt...

Zusammenkünfte.


 

29. Juli 2010
 


 

„Ich bin schon richtig aufgeregt! Ich freute mich, alle wieder zu sehen“, sagte Cody mit einem Lächeln, während er gemeinsam mit Joe einige Lebensmittel einkaufte.

Beide hatten sich dazu entschlossen, sich um das leibliche Wohl ihrer Freunde zu kümmern, weshalb sie nach der Arbeit gemeinsam einen Supermarkt aufsuchten.

Heute wollten sie Dinge wie Getränke und Knabberzeug besorgen, bevor sie sich den frischen Lebensmitteln widmen wollten.

In der Hütte hatten sie genügend Platz, um sich auszutoben, weshalb natürlich auch nützliche Errungenschaften wie Spüli und Toilettenpapier nicht fehlen durften.

„Denkst du, dass vier Stangen reichen?“, fragte Cody verunsichert und hievte sie in den Wagen.

„Mhm, ich denke schon, noch haben ja noch nicht mal alle zugesagt“, informierte Joe ihn nachdenklich. „Ich bin mir auch nicht sicher, ob alle kommen werden.“

„Da hast du leider recht“, murmelte Cody bedrückt.

Bisher hatten Davis, Ken, Takeru, Hikari, Yolei und Izzy fest zugesagt, was eine recht gute Bilanz darstellte.

Allerdings hatten sie von Taichi und Yamato weder eine Zu- noch Absage erhalten. Sora war sich unsicher und hatte Joe geschrieben, dass sie es sich noch überlegen müsste, was auch verständlich war, da sie erst vor kurzem aus dem Krankenhaus entlassen wurde.

Mimi war als Einzige nicht erreichbar gewesen, weshalb Cody seinen Traum, alle wiederzusehen, fast schon aufgab. Vielleicht erwartete er zu viel. Er konnte froh sein, dass die meisten kamen und den ersten August offensichtlich noch nicht vergessen hatten.

Es hatte sich vieles verändert. Sie waren eben keine Kinder mehr, die in ihrer Freizeit Abenteuer erlebten, auch er hatte das begriffen.

Mittlerweile befand er sich im Abschlussjahrgang und wusste, dass der Ernst des Lebens ihm direkt bevorstand. Da er der Jüngste der Gruppe war, blieb er meistens von den Problemen seiner Freunde weitgehend verschont.

Er hatte zwar die Dramen mitbekommen, aber er war damals noch zu jung, um zu verstehen, was die Liebe aus einer Freundschaft machen konnte, besonders wenn sie zerbrach.

Das hatte er anhand von Davis und Hikari gut erkennen können, da nach ihrer Beziehung nichts mehr so war wie früher.

Verletzte Gefühle legten sich über die unbeschwerte Zeit, die Cody genossen hatte und sich insgeheim sehnlichst zurückwünschte.

Doch manchmal gab es kein Zurück, sondern nur ein Vorwärtsgehen, dass alles andere als leicht war.

Erwachsenwerden war kompliziert, aber gehörte zum Leben dazu.

Man konnte nicht ewig ein Kind bleiben, auch wenn man als Kind die Welt viel bunter wahrnahm als Erwachsener. Aber dennoch wollte er diese Sichtweise auf sein Leben nicht verlieren.

Vielleicht würde er im Herzen immer ein kleines Stückchen Kind bleiben, dass hoffte, durch diese Aktion seine Freunde wieder zu vereinen.

„Wir sollten es dennoch positiv sehen. Möglicherweise ist das genau der Anstoß in die richtige Richtung“, antwortete Cody nach einem kurzen Moment des Schweigens.

„Anstoß in die richtige Richtung?“, hakte Joe nach und schaffte zwei Flaschen Spüli in den Einkaufswagen.

Doch Cody musste nicht lange überlegen, um Joe eine anständige Antwort geben zu können.

„Naja, auch wenn nicht alle kommen, ist es eine Möglichkeit alte Zeiten wieder aufleben zu lassen. Und beim nächsten Mal sind dann vielleicht wieder alle dabei. Es ist eben der erste Schritt!“

Joe lächelte bei seinen Worten und schob den Einkaufswagen weiter.

„Von deinem Optimismus sollten sich wirklich ein paar Leute was abschneiden!“, meinte er nur grinsend. „Aber du hast recht, wenn wir jetzt nicht den ersten Schritt machen, wird es irgendwann zu spät sein. Und ich habe auch gemerkt, wie wichtig es ist, Menschen an seiner Seite zu haben, die einen unterstützen.“

Cody nickte nur, da er Joes Worte auf Anhieb verstand. Er wusste, was er durchgemacht hatte und dass es nicht einfach war, sich gegen seinen Vater durchzusetzen. Aber mit der Hilfe von Asuka hatte er es geschafft einen neuen Lebensabschnitt zu starten, der ihn glücklich machte.

Und genau das wollte Cody ebenfalls erreichen. Gemeinsam mit seinen Freunden, die ihn all die Jahre begleitet hatten.

Vielleicht war ihre Freundschaft einfach ein wenig eingeschlafen und es wurde Zeit sie zu erwecken.

Problemen konnte man auf Dauer nicht aus dem Weg gehen. Man musste sich ihnen stellen, um das wahre Glück finden zu können.
 

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„Und wie geht es dir?“, fragte Yolei behutsam und ließ sich auf dem Stuhl neben ihrem Bett nieder.

Sora hatte sich in ihrem alten Jugendzimmer verkrochen und kuschelte sich in ihr Bett, dass sie seit ihrer Entlassung kaum verlassen hatte.

Zwar hatte sie die Nachricht sacken lassen können, aber dennoch realisierte sie nur sehr langsam, was all das für ihre Zukunft zu bedeuten hatte.

Im Moment versuchte sie es einfach nur zu verdrängen, was nicht sehr einfach war, wenn sie in das bedrückte Gesicht ihrer Mutter sah, in dem sich das Mitleid quasi wiederspiegelte.

Daher war sie sehr froh heute Besuch von Yolei bekommen zu haben, die auf der Arbeit des Öfteren für sie eingesprungen war.

„Frau Minazuki wünscht dir übrigens auch gute Besserung und selbst Herr Chiba hofft, dass du bald wieder auf den Beinen bist. Anscheinend bin ich ihm viel zu chaotisch“, lachte Yolei ungezwungen und tätschelte sich unbeholfen den Hinterkopf.

Ach ja. Die Arbeit. Etwas, dass Sora wirklich vermisste. Generell ihren unbeschwerten Alltag, der immer komplizierter zu werden schien.

Sie fühlte sich in einer Zwickmühle gefangen und war unfähig aus dieser auszubrechen.

Sora verstand noch nicht mal, warum sie Taichi ausgerechnet von der vermeintlichen Schwangerschaft erzählt hatte?! Warum hatte sie ihm diese Bürde aufgezwängt, zumal sie die Sache mit Matt einfach unter den Teppich gekehrt hatte?

Sie musste auch zugeben, dass sie richtig erleichtert war als Mimi an jenem Nachmittag nicht mehr ins Krankenhaus zurückgekehrt war, da sie ihr schlechtes Gewissen kaum noch kontrollieren konnte.

Zumal Taichi sich in den letzten Tagen wirklich sehr um sie sorgte und sich mehrfach bei ihr erkundigte, wie es ihr ging.

Sie hatte das Gefühl einen Fehler begangen zu haben, da sie Taichi nicht die komplette Wahrheit gesagt und somit ihn in eine kontroverse Lage gebracht hatte.

Doch sie hatte nicht den Mut ihm auch die Sache mit Matt zu beichten, da sie Angst hatte, dass das die Freundschaft zwischen den beiden komplett zerstören würde. Nach der Sache mit Hikari war das gar nicht so unwahrscheinlich, weshalb sie sich am liebsten auf den Mond wünschen wollte.

Wenn sie ehrlich wäre, würde sie tatsächlich so viele Menschen gleichzeitig unglücklich machen, dass sie es mit ihrem Gewissen überhaupt nicht mehr vereinbaren konnte. Mimi. Taichi. Yamato. Möglicherweise sogar Hikari, die scheinbar die ganze Zeit für Yamato geschwärmt hatte.

Oh man, wie war sie nur in dieses Chaos hineingeraten? Und wie kam sie hier nur wieder raus?

Sie blickte zu Yolei, die freudestrahlend von der Arbeit und der Uni berichtete. Sie strahlte über das ganze Gesicht, so als wäre sie mit sich selbst im Reinen – etwas von dem Sora weit entfernt war.

Verbittert presste sie die Lippen aufeinander als Yolei sie erwartungsvoll anschaute.

„Hast du was gesagt?“, fragte Sora verunsichert.

Yolei lachte nur und stellte ihre Frage erneut. „Weißt du schon, ob du mitkommen wirst? Ich meine zum Grillen. Zum ersten August?“

Ach ja, da war ja noch etwas. Kurz vor ihrem Zusammenbruch hatte sie eine Nachricht von Joe erhalten, der die alte Truppe wieder versammeln wollte.

Auch sie wollte die anderen wiedersehen, allerdings nicht so. Sie fühlte sich schrecklich und hatte vor allem keine Ahnung, wie sie Yamato gegenübertreten sollte.

Er war nach dem Sex einfach abgehauen, weshalb sie nicht verneinen konnte, dass sie sich von ihm benutzt fühlte.

„Yolei, ich glaube ich…“

„Ich weiß, dass du im Moment eine sehr schwere Zeit durchmachst“, unterbrach sie sie behutsam und ergriff ihre Hand. „Aber findest du nicht, dass du gerade jetzt deine Freunde brauchst?“

„Aber ich…ich glaube, ich kann das nicht! Was wenn alle Fragen stellen? Ich kann damit nicht umgehen“, erwiderte sie kaum hörbar.

Es war nicht nur die Angst, Personen zu begegnen, denen sie aus dem Weg gehen wollte. Nein, sie hatte Angst vor dem Mitleid, dass ihr zeigte, was sie verloren hatte.

Dass sie das verloren hatte, was eine Frau ausmachte.

Ihr war bewusst, dass ihre Freunde sicherlich kein Problem hatten diesen Umstand zu akzeptieren. Aber was war mit potentiellen Partnern? Was war mit ihr?

Es war schwer, etwas zu akzeptieren, dass für einen einfach noch nicht greifbar war.

Natürlich hatte sie sich Kinder gewünscht. Mit dem richtigen Mann an ihrer Seite. Zur richtigen Zeit.

Allerdings wurde ihr erst jetzt bewusst, dass es wohl niemals den richtigen Zeitpunkt geben würde.

Nicht jetzt und auch nicht in Zukunft.

Wütend, darüber nichts an ihrer Situation ändern zu können, presste sie die Lippen fest aufeinander.

Sie schluckte und spürte wie die Tränen in ihren Augen erneut aufstiegen. Sie hatte oft geweint und sie war es richtig leid geworden, sich nicht beherrschen zu können.

Sora wollte nicht noch mehr Schwäche zeigen, was natürlich leichter gesagt als getan war.

„Yolei…ich“, begann sie, bevor sie endgültig in Tränen ausbrach und den Halt in Yoleis Armen suchte.

„Sora…“, Yolei strich bedacht über ihren Hinterkopf und hielt sie einfach nur fest. Sie brauchte nichts zu sagen oder etwas anderes zu tun. Sie war hier und das reichte Sora vollkommen.
 

_
 

Er konnte nicht verbergen, dass er sich Sorgen machte. Dass er mehrere Tage nichts von ihr gehört hatte, ließ ihn unruhig werden, auch wenn Kari ihm versichert hatte, dass zwischen ihr und ihren Eltern des Öfteren zu Streitigkeiten kam. Meist brauchte sie danach erstmal ihre Ruhe, doch Taichi hatte ein mulmiges Gefühl.

Seit die Situation mit Sora so eskaliert war, konnte er vor der Wahrheit nicht länger davonlaufen. Er hatte Mist gebaut und musste dazu stehen, weshalb er Mimi alles beichten wollte.

Es könnte natürlich gewaltig schiefgehen, das wusste er, aber er musste ehrlich zu ihr sein.

Er wollte eine Beziehung mit ihr führen und die baute ja schließlich auf Ehrlichkeit auf, zumal die Sache mit Sora für ihn ein einmaliger Ausrutscher war.

Es war die Gewohnheit, die ihn dazu veranlasste soweit zu gehen. Die Geborgenheit, die sich wie ein warmer Mantel um sein Herz hüllte und ihn die Schmerzen der Vergangenheit vergessen ließ.

Denn wenn er ehrlich war, war Mimi immer die Frau gewesen, mit der er zusammen sein wollte.

Deswegen hatte er sich auch auf den Weg zu ihr gemacht.

Mit zitternden Beinen stand er vor ihrer Zimmertür und nahm seinen ganzen Mut zusammen, um an dieser zu klopfen.

Sein Herz setzte aus, während er gedanklich nach den passenden Worten suchte.

Er wollte alles richtig machen und ihr zeigen, wie wichtig sie ihm war.

Es dauerte nicht lang bis Mimi tatsächlich die Tür öffnete und ihn mit weitaufgerissenen Augen anblickte.

„Was machst du denn hier?“, fragte sie gereizt und ihr Blick wirkte auf einmal sehr kalt, was ihn verwunderte.

„I-Ich wollte wissen, ob es dir gut geht. Du hast dich nicht gemeldet…“

„Ach wirklich? Naja jetzt hast mich ja gesehen und dann kannst du auch ruhig wieder gehen“, erwiderte sie schnippisch und wollte ihm geradewegs die Tür vor der Nase zu knallen als Taichi die Hand gegen das massive Holz drückte.

Was war auf einmal nur in sie gefahren? Warum war sie nur so sauer auf ihn?!

„Was soll das denn?“, hakte Taichi prompt nach und konnte gerade verhindern, dass sie ihm die Tür zuschlug, indem er seinen Fuß zwischen den Türschlitz stemmte.

„Man, verschwinde“, knurrte sie nur und drückte dagegen, sodass es sogar tatsächlich etwas wehtat, aber Taichi dachte nicht daran locker zu lassen und lehnte sich mit voller Kraft dagegen.

„Ich will dich nicht sehen, also hau ab“, kreischte sie, was in ihm pures Unverständnis auslöste.

Was war denn nur los mit ihr?

Hatte sie etwa?

Nein, das konnte nicht sein…oder etwa doch?

„Mimi, jetzt lass den Unsinn und lass uns reden wie Erwachsene“, brachte er zustande als der Gegendruck auf einmal nachließ und er in ihr Zimmer bretterte.

Sie war zur Seite gesprungen, während er Schwierigkeiten hatte sich auf den Beinen zu halten und knapp vor ihrem Bett zum Stehen kam.

Auf ihrem Bett lagen ihre Klamotten, die aus dem Schrank geräumt hatte und auf dem Boden hatte sie ihren Reisekoffer ausgebreitet, der Taichi sofort stutzig werden ließ.

„Was hast du denn vor?“, fragte er irritiert. Mimi stand immer noch ungeduldig neben der Tür und hatte sie immer noch nicht geschlossen, um ihnen etwas Privatsphäre zu gönnen.

„Nach was sieht es denn aus? Ich packe, siehst du doch“, antwortete sie starr.

„Du packst? Warum das denn? Hat es mit deinen Eltern zu tun?“, hakte er entsetzt nach und konnte kaum in Worte fassen, was ihm alles durch den Kopf ging.

Was war in den letzten Tagen nur passiert?

„Man Taichi, hau endlich ab! Geh zu Sora und lass mich bloß in Ruhe!“, brüllte sie und riss die Tür ein Stück weiter auf. Erst jetzt fiel ihm auf, dass ihre Augen vollkommen gerötet waren und man den Schmerz darin lesen konnte.

Es gab keinen Zweifel, sie wusste darüber Bescheid.

„Mimi…ich kann dir das erklären“, begann er leise, doch Mimi schüttelte vehement den Kopf.

„Spar dir deine Erklärungen! Ich will sie nicht hören! Ich habe auf so einen Scheiß keinen Bock mehr. Mein Ex hat mich echt genug verarscht und dann höre ich im Krankenhaus, dass du genauso ein Scheißkerl bist!“, klagte sie ihn an. „Wie kannst du mir das antun?“

Ihre Stimme klang weinerlich, aber er merkte, wie sehr sie die Tränen zurückhielt.

Es tat ihm so unglaublich weh, sie so verzweifelt zu sehen, wissend daran schuld zu sein.

„Es tut mir leid…das war damals eine einmalige Sache gewesen! Ich habe es sofort bereut, nachdem es passiert war und ich…“, versuchte er sich zu erklären, bevor er von Mimi unterbrochen wurde.

„Hast du noch Gefühle für sie?“

Diese Gegenfrage überraschte ihn ein wenig, da er eigentlich nie wirklich darüber nachgedacht hatte.

Gefühle für Sora? Früher hätte er diese Frage sicherlich mit einem klaren „Ja“ beantwortet, aber die Zeiten hatten sich geändert und er war sich mittlerweile nicht wirklich sicher, ob er nicht schon damals nur freundschaftliche Gefühle für sie empfand und lediglich jemanden suchte, bei dem er sich wohl und geborgen fühlte.

Vielleicht war er da seiner Schwester gar nicht so unähnlich. Menschen waren nicht gerne allein, auch wenn sie das nur ungern zugaben.

Doch er war gerade im Begriff, die Person zu verlieren, die für ihm am Wichtigsten war.

„Wenn du so lange überlegen musst, ist die Antwort doch schon klar“, erwiderte Mimi erstaunt ruhig. „Also, verschwinde jetzt und lass mich einfach packen. Mein Flug geht morgen früh um sieben.“

Sein Gesicht entgleiste augenblicklich und ihre Stimme hallte in seinen Ohren schmerzhaft nach.

Eine Deadline! Er hatte eine verdammte Deadline! Wollte sie ihm jetzt ernsthaft sagen, dass sie ihren verdammten Flug bereits gebucht hatte?!

„Du willst also abhauen? Das ist ja so typisch! Du bist ja auch abgehauen, nachdem wir das erste Mal miteinander geschlafen hatten! Glaubst du nicht, dass vieles hätte anders laufen können, wenn du damals geblieben wärst?“, fragte er sie direkt und konnte die aufkommende Wut nicht länger verbergen.

Er hatte ihr nie gesagt, wie sehr sie ihn mit ihrem Abgang verletzt hatte. Er hatte ihr auch verborgen, dass er schon damals insgeheim auf eine Chance mit ihr gehofft hatte, die je zerstört wurde, nachdem er alleine in seinem Bett aufgewacht war.

Genau genommen hatte ihn diese Enttäuschung in eine Beziehung getrieben, in der er sich sicher fühlte.

Entsetzt sah Mimi ihn an und ihr Gesicht entgleiste vollkommen.

„Willst du mir jetzt die Schuld an allem geben? Du hast mit deiner Ex geschlafen und dann hast du mit mir geschlafen! Und ich dumme Gans habe gedacht, dass das zwischen uns etwas Besonders ist.“

Sie schluchzte auf und versteckte sich unter ihrem Haarvorhang, was Taichi den Boden unter den Füßen wegzog. So verzweifelt hatte er sie noch nie gesehen! Sie ballte ihre zierlichen Hände zu Fäusten und er sah, wie einige Tränen auf den Boden tropften.

Langsam schritt er auf sie zu und blieb direkt vor ihr stehen. Sie hatte inzwischen die Türklinke losgelassen, weshalb Taichi sie ohne weiteres schließen konnte.

Er musste etwas tun. Er musste ihr zeigen, wie sehr er sie liebte.

Ohne darüber nachzudenken zog er sie näher an sich heran und hob ihr Kinn an, bevor er sehnsüchtig ihre Lippen mit Seinen versiegelte.

Erst wehrte sie sich gegen ihn und versuchte ihn von sich zu drücken, doch er hielt sie so fest, dass es ihr nicht möglich war.

Sie schüttelte den Kopf, während die nassen Tränen ihre Wangen hinunter rannen, er ergriff jedoch ihren Nacken und küsste sie noch leidenschaftlicher.

Sie wankte einige Schritte rückwärts bis sie mit der Wand zusammenstieß und Taichi eine geeinigte Möglichkeit sah, sich etwas von ihr zu lösen. Er küsste sie ein letztes Mal auf die Lippen und entfernte sein Gesicht soweit von ihr, dass er sprechen und ihr direkt in die Augen sehen konnte.

„Es tut mir leid…ich hätte dir das sagen müssen, aber ich wollte dir nicht wehtun, zumal es mir eh nicht bedeutet hat. I-Ich…“, er machte eine kurze Pause und strich ihr eine haselnussbraune Haarsträhne aus ihrem wunderschönen Gesicht. Ihre Lippen glänzen und ihre Augen waren gerötet, aber hingen immer noch an den Worten, die sich von seinem Mund lösten.

„Ich liebe dich! So sehr, dass ich alles für dich tun würde! Gib uns nicht auf und lass uns einfach zusammen sein! Ich bitte dich.“

Mimi senkte nur den Kopf und er konnte ihr Gesicht nicht länger erkennen, bis sie ihn von sich drückte und zur Raummitte wanderte.

Sie seufzte und ließ den Kopf niedergeschlagen hängen.

„Sowas habe ich schon oft gehört…“, murmelte sie mit verhangener Stimme. „Und bisher hat es noch niemand ernst gemeint. Woher soll ich wissen, dass du es ernst meinst?“

Sie wandte sich ihm wieder zu und hatte die Arme schützend vor ihre Brust geschlungen – so als hätte sie Angst erneut verletzt zu werden.

Doch Taichi wusste nicht, was er ihr noch sagen sollte. Er hatte ihr seine Gefühle offenbart, was wollte sie noch mehr?

Er biss sich auf die Unterlippe als ein Gedanke sich in seinem Kopf festsetzte. Er hatte diesen Gedanken bisher nur bei ihr gehegt und wahrscheinlich würde sie ihn für verrückt erklären, aber er war verzweifelt. Er wollte sie nicht verlieren. Nein, er durfte sie nicht verlieren, weshalb er eine klare Entscheidung traf.

Taichi schluckte und trat näher an sie heran, während sie ihn erwartungsvoll betrachtete…
 

Fortzsetzung folgt...

Geständnisse.


 

30. Juli 2010
 


 

„Dein Bruder fährt uns hin? Das ist ja der Wahnsinn“, schwärmte Yolei, nachdem sie ihre Tasche in den Kleinbus eingeladen hatte.

„Ich hole euch sogar sonntags wieder ab“, erwiderte Shin grinsend und half den anderen bei dem Verstauen ihrer Gepäckstücke.

Joe lächelte nur zufrieden. Er war froh, dass sein Bruder die Zeit und Lust hatte sie an die Grillhütte zu fahren, da sie sich in einem kleinen Waldstück, recht außerhalb von Tokio, befand.

Man konnte auch mit dem Zug hinfahren, wäre aber dann den halben Tag unterwegs gewesen, da er an jedem kleinen Bahnhof halten würde. Und da Joe und Cody recht gut eingekauft hatten, war es recht hilfreich einen kleinen Transporter zu mieten.

Nachdem Shin auch zugesagt hatte, konnte auch der Rest problemlos organisiert werden.

„Irgendwie ist es gut, dass wir nicht vollzählig sind, ansonsten hätten wir da niemals reingepasst“, stellte Davis fest, der schon nach dem perfekten Sitzplatz für sich suchte.

„Ach, wenn wir dich in den Kofferraum zu den Taschen gesteckt hätten, wäre das sicher schon gegangen“, lachte Takeru und wuschelte ihm durch seine Haare.

„Hey, meine Frisur“, protestierte der Igelkopf vehement und richtete sich danach sofort wieder seine dunkelroten Haare.

„Aber echt schade, dass nicht alle gekommen sind“, warf Ken ein und blickte in die kleine Runde.

Auch Joe fand es schade, dass vier Personen fehlten. Sogar ihr ehemaliger Anführer war nicht genommen, was einen bitteren Beigeschmack bei dem Ältesten der Gruppe hinterließ.

„Und von Tai habt ihr wirklich überhaupt nichts gehört?“, fragte Joe an Izzy und Hikari gewandt.

Beide sahen sich für einen kurzen Moment an, bevor sie hilflos mit den Schultern zuckten.

„Er war gestern nicht nach Hause gekommen und als ich heute früh weggefahren bin, war er immer noch nicht da gewesen“, antwortete Izzy etwas besorgt.

„Mir hat er nur eine knappe SMS geschrieben, dass er nicht kommen wird und ich nicht weiter fragen soll“, schloss sich Kari mit an. „Als ich versucht habe ihn anzurufen, hat er mich einfach weggedrückt und Mimi hat ihr Handy komplett aus. Ich glaube, die beiden haben sich gestritten, weshalb es vielleicht auch ganz gut ist, dass sie eher nicht mitkommen.“

„Da könntest du recht haben. Beim ihrem letzten kindischen Streit wurden wir aus der Vorlesung geschmissen“, seufzte Davis kopfschüttelnd.

Ein leises Lachen zog sich durch die Runde als sich Yolei wieder zu Wort meldete und eine ernste Miene sich über ihr Gesicht legte.

„Sora wird wohl auch eher nicht kommen. Sie muss erstmal alles verarbeiten, was sicher nicht einfach wird. Aber falls sie doch noch kommen möchte, habe ich ihr die Zugverbindung notiert.“

„Oh, dann kann es ja passieren, dass sie mit Yamato fährt, also falls sie kommt“, warf Takeru bedenkend ein.

Yamato war der Einzige, der ihnen keine klare Absage erteilt hatte, sondern später nachkommen wollte. Joe hatte erfahren, dass er seit kurzem regelmäßig auf seine kleine Schwester aufpasste, da seine Mutter stundenweise wieder arbeiten gehen wollte.

Er wollte ebenfalls mit dem Zug fahren und Takeru Bescheid geben, wenn er losfuhr. Vom Bahnhof aus, lief man noch gut zwanzig Minuten bis man die Blockhütte im Wald erreichte.

Und auch aus diesem Grund war Joe sehr froh, dass sie einen Kleinbus mit samt Fahrer organisieren konnten.

„Wollen wir vielleicht mal langsam los? Wir fahren schon knapp eine Stunde“, meinte Shin und schloss den Kofferraum.

„Ohja, dann müssen wir uns jetzt ranhalten! Wir wollen ja auch heute noch eine Nachtwanderung machen“, ertönte Yoleis euphorische Stimme als sie sich bei Kari freudig unterhakte, bevor alle nach und nach in den Bus einstiegen.
 

_
 

Unsicher stand er am Bahnsteig und stierte immer wieder zur Anzeigentafel, die im verriet, dass sein Zug in zehn Minuten einfahren würde.

Er wusste noch nicht mal, warum er sich tatsächlich dazu entschieden hatte, hinzugehen, aber in gewisser Weise fühlte er sich verpflichtet dazu.

Natürlich wollte er ein Teil der Gruppe sein, auch wenn er das Gefühl hatte, sich von allen allmählich immer weiter zu distanzieren.

Er hatte Angst verstoßen zu werden, weil er das schwarze Schaf war, dass nur noch Ärger machte.

Zwar versuchte er sein Leben zu sortieren, aber er konnte das Chaos nicht verleugnen, dass er hinterlassen hatte.

Die Situation zwischen ihm und Taichi war immer noch etwas angespannt und schien sich über die letzten Wochen verschlimmert zu haben, da er Sora aus dem Weg ging und sie auch im Krankenhaus nicht besucht hatte.

Ihm war klar, dass dieses Verhalten nur auf Unverständnis stoßen würde, aber er konnte ihr nicht unter die Augen treten. Nicht mit dem Wissen, sie so sehr verletzt zu haben.

Und dann war da auch noch Kari, die zusammen mit seinem Bruder und den anderen den ersten August feiern wollte. Er hatte seit dem Vorfall nicht mehr mit ihr geredet gehabt und bei Takeru versuchte er es erst gar nicht. Er hatte alle enttäuscht, die ihm wichtig waren und trotzdem stand er hier, in der Hoffnung eine weitere Chance zu erhalten.

Vergebung zu erbitten, die er überhaupt nicht verdient hatte.

Yamato seufzte und fuhr sich schwerfällig durch seine blonde Mähne.

Er ging zu den Sitzbänken und ließ seine Tasche, die er extra für das Wochenende gepackt hatte, darauf nieder. Auch er setzte sich daneben und versank förmlich in seinen eigenen Gedanken.

Wie sollte er vorgehen? Er stieß ja quasi zur Gruppe dazu, was im Anbetracht der Tatsachen schon unangenehm genug war.

Selbstverständlich hatte er sich sehr über die Einladung gefreut gehabt, zumal er diese regelmäßigen Treffen mit seinen Freunden durchaus vermisst hatte.

Doch konnten sie nach all dem noch miteinander zwanglos befreundet sein?

Wieso war es mit den Jahren nur so kompliziert geworden?

Und vor allem wann hatte dieses Schlamassel überhaupt angefangen?

Er musste nicht lange überlegen…für ihn war klar, dass dieses bekannte Schlüsselereignis in seinem Leben bei seinen beiden besten Freunden zusammenlief.

Nachdem sich beide für eine Beziehung entschieden hatten, fühlte er sich nicht nur wie das bekannte fünfte Rad am Wangen…nein, er musste sich auch tagtäglich mit seiner Eifersucht auseinandersetzen, die in ihm Gefühle freisetzte, die er lieber nicht fühlen wollte.

Wie oft hatte er Taichi neidvoll beobachtet, wenn er Sora liebevoll küsste? Wie oft hatte er sich an seine Stelle gewünscht? Wie oft hatte er irgendwelche Mädchen als Ablenkung gesucht, um Sora endgültig aus seinem Herzen zu verbannen, wohlwissend, dass es nicht funktionierte?

Die Liebe war tückisch. Man konnte sie nicht abspalten und sie aus dem Herzen verbannen, denn sie war eine der stärksten Mächte, die einen einnehmen konnte.

Yamato hatte alles versucht gehabt, aber letztlich war sein Fleisch doch schwach gewesen und er beging den größten Fehler seines Lebens.

Nein, es war nicht die Tatsache, dass er mit Sora geschlafen hatte, denn das bereute er keineswegs.

Aber er hatte sich seiner Angst geschlagen gegeben und sie einfach zurückgelassen, ohne seine wahren Gefühle ihr gegenüber zu offenbaren.

Er war ein lausiger Feigling. Ein Feigling, der immer nur davongelaufen war.

Doch er war es leid, wegzulaufen. Er musste…

Yamato richtete seinen Blick wieder zur Anzeigentafel und erstarrte augenblicklich.

Er riss ungläubig die Augen auf und konnte nicht fassen, wen er vor sich sah.

Ihre rötlichen Haare glänzten im Sonnenlicht. Ihre Haut war immer noch etwas blass und ihre Augen wirkten sehr müde auf ihn als sich ihre Blicke unweigerlich trafen.

Es war nur ein kurzer Moment des Augenkontakts, aber in ihm flammten sämtliche Bilder ihrer gemeinsamen Nacht erneut auf und ließen seine Wangen leicht warm werden.

Sie hatte den Kopf bereits gesenkt, aber es war zu spät sich gegenseitig zu ignorieren, weshalb ihre zarte Stimme seine Ohren sanft erreichte.

„Fährst du etwa auch später hin?“, fragte sie zaghaft.

„J-Ja. I-Ich h-habe noch auf Saya aufgepasst. I-Ich wusste nicht, dass du auch später fahren wolltest“, stammelte er nervös.

„Eigentlich wollte ich gar nicht hinfahren…war eine sehr spontane Entscheidung gewesen“, gab sie offen zu und krallte ihre Finger, um ihre Tragtasche.

Die Anspannung lag ganz klar über ihnen. Sie war auch die letzte Person gewesen, die er am Bahnsteig erwartet hätte.

Aber nun war sie hier. Sie waren beide hier. Allein. Das erste Mal seit jener Nacht.

Er schluckte auffällig und überlegte fieberhaft, was er nur sagen sollte. Jeder Satz hörte sich einfach nur furchtbar an. War es wirklich in Ordnung, sie nach ihrem Wohlbefinden zu fragen? Er wusste ja schließlich, dass es ihr nicht gut ging…

„Sora…“, hörte er seine eigene Stimme ertönen als auf einmal der Zug mit quietschenden Bremsen einfuhr und sämtliche Kommunikation unmöglich machte.

Ihre Haare flogen in alle Himmelrichtungen, bis der Zug zum Stehen kam.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass ihnen eine eineinhalbstündige Zufahrt bevorstand, die für ihn sicher der Horror werden würde.

Manchmal konnten Worte Wunden heilen. In anderen Fällen konnten Worte schneiden wie Messer.

Und er war auf dieses Gespräch alles andere als vorbereitet. Wie sollte er es nur schaffen, ihr endlich die Erklärung zu liefern, die sie verdiente? Sollte er mit der Tür ins Haus fallen? Sollte er sich erst einmal entschuldigen?

Um Himmels Wissen, was sollte er nur tun?

Sein Herz begann zu rasen und er fühlte sich wie festgefroren, was auch Sora zu bemerken schien.

„Kommst du jetzt? Ansonsten fährt der Zug noch ohne dich ab“, sagte sie etwas verkrampft und war gerade im Begriff einzusteigen.

Yamato hingehen zögerte einen Moment. Er fühlte sich unfähig zu bewegen, aber er wusste auch, dass er handeln musste.

Wie bereits gesagt, er war lange genug davongelaufen…

Daher nahm er seinen ganzen Mut zusammen und erhob sich schwerfällig. Jeder Schritt fühlte sich an, als wären seine Füße in Zement gegossen, aber das war seine letzte Chance.

Die Chance, die er endlich ergreifen wollte.
 

_
 

Nachdem gemeinsamen Abendessen, hatte sich die jüngere Generation dazu entschlossen gehabt, tatsächlich eine Nachtwandung zu unternehmen.

Izzy war überhaupt nicht der Naturtyp, weshalb er gemeinsam mit Joe zurückblieb und die Zimmer der kleinen Blockhütte vorbereitete. Die Mädchen schliefen in einem Zimmer, während sich Ken und Davis, Cody und Takeru sowie er und Joe einen Schlafraum teilten.

Da sie wegen eines Staus recht lange unterwegs waren, passierte am ersten Tag nicht mehr sonderlich viel. Nachdem die Zimmer vorbereitet waren, schlug Joe vor ein paar Snacks zuzubereiten.

„Wow, dass sieht echt lecker aus! Was ist das genau?“, fragte Izzy neugierig und beobachtete seinen Freund beim Werkeln.

„Dorayaki. Die habe ich allerdings schon zuhause vorbereitet. Ich wollte einfach ein bisschen frisches Obst dazu machen. Das hat den Kindern in der Ferienbetreuung immer sehr gut geschmeckt“, verkündete er stolz.

Izzy blickte zu seinem Freund auf und erkannte, wie ausgeglichen er auf einmal auf ihn wirkte. Sein Gesicht strahlte und er kam ihm viel lockerer vor als während seines Medizinstudiums.

Man konnte regelrecht sehen, wie entspannt er war und wie gut ihm der Neuanfang tat.

„Du scheinst echt glücklich zu sein“, meinte Izzy lächelnd.

„Ach sieht man das etwa“, lachte Joe und tätschelte sich unbeholfen den Hinterkopf. „Du strahlst aber auch über das ganze Gesicht.“

„Wirklich? Ist mir gar nicht aufgefallen“, sagte er etwas unbeholfen, auch wenn er ganz genau wusste, an wem sein Dauergrinsen lag.

Er war zuhause angekommen und die Zeit mit Yolei fühlte sich so unglaublich intensiv an, dass er sie gar nicht mehr missen wollte.

Sie hatten vorgehabt dieses Wochenende ihre Beziehung bekannt zu geben, doch bisher hatte sich noch ein passender Moment ergeben, bei dem sich alle zusammengefunden hatten.

Daher wollte er eigentlich noch etwas warten, aber Joe schien ihn komplett durchschaut zu haben.

„Okay, wie heißt sie?“ fragte er grinsend.

„Was? Wie meinst du das denn?“

„Ach komm, jetzt stell‘ dich nicht dumm. Hinter so einem Grinsen kann nur eine tolle Frau dahinterstecken“, erwiderte er wissend.

„Wirklich? Steckt bei dir etwa auch eine dahinter?“, stellte er die Gegenfrage, um ihn aus dem Konzept zu bringen, doch Joe hatte ein klares Ziel vor Augen.

„Hör auf meiner Frage auszuweichen! Also wie heißt sie?“

Er schluckte. Joe war wohl hartnäckiger als er ihn in Erinnerung hatte!

Aber er musste auch zugeben, dass er langsam keine Lust mehr auf dieses Versteckspiel hatte.

Er wollte zu ihr stehen und sie endlich als seine Freundin vorstellen.

Ein mattes Lächeln legte sich über seine Lippen, als diese ihren Namen formten.

„Yolei und ich sind ein Paar“, gestand er ihm geradeheraus, was in Joes Gesicht die pure Verwunderung auslöste.

„Was? Echt jetzt? Damit habe ich ja gar nicht gerechnet“, antwortete er beeindruckt. „Wie lange verheimlicht ihr uns das denn?“

„Schon länger…“, murmelte er kleinlaut. Er wollte nicht zugeben, dass dieses ganze Versteckspiel schon seit Silvester lief, doch Joe schien es auch nicht wirklich zu interessieren.

„Oh man, das ist ja krass! Und keiner von uns hat es gemerkt! Ihr seid wirklich sehr geschickt.“

„Ja irgendwie schon und du bist auch der Erste der es offiziell weiß! Wir wollten es den anderen aber auch an dem Wochenende sagen“, eröffnete er ihm nervös.

Er wusste noch nicht mal, warum er sich so unruhig fühlte. Es war eine tolle Nachricht und er sah ja wie sehr sich Joe für ihn freute. Er klopfte ihm ganz stolz auf die Schulter und sein Grinsen war so breit wie sein ganzes Gesicht.

Aber dennoch hatte er Angst. Was wenn sich nicht jeder darüber freute? Genau genommen stimmte es nicht, dass Joe der Erste war, der es wusste.

Allerdings hatte er bei ihm nur wenig Freude gesehen…

Vielleicht lag es ja an ihm, da Izzy selbst sehr große Angst vor dieser Veränderung hatte.

Es wäre dann offiziell und er wollte Yolei nach wie vor als Freund nicht enttäuschen, auch wenn ihm Beziehungen immer noch sehr schwer fielen.

Jedoch gab sie ihm das Gefühl, dass sie alles schaffen konnten. Dass sie, egal was passierte an seiner Seite war. Und genau dieses Gefühl wollte er festhalten und einen neuen gemeinsamen Weg einschlagen.
 


 

31. Juli 2010
 


 

„Na ganz toll, jetzt haben wir uns mitten in der Pampa verlaufen“, grummelte Yolei und wandte sich hilfesuchend umher.

Ken leuchtete mit der Taschenlampe die Wege ab, aber er konnte außer Bäumen und Büschen nicht viel erkennen.

Manchmal brauchte man nur einen Moment, um den Anschluss zu verlieren. In diesem Fall war es ein einfacher Schnürsenkel, der sie von den anderen trennte.

„Du hättest auch ruhig schneller deine Schuhe binden können“, murrte Ken genervt, da Yolei wohl die letzte Person war, mit der er alleine sein wollte.

„Tut mir leid, dass ich mich in einem Ast verheddert und ihn nicht losbekommen habe! Du hättest ja nicht auf mich warten müssen“, raunzte sie verständnislos.

„Ich habe aber die Taschenlampe und tut mir leid, dass ich meine Mitbewohnerin nicht alleine zurücklassen wollte. Da ist wohl der angehende Polizist mit mir durchgegangen“, rechtfertigte er sich gereizt. Warum machte sie ihm jetzt Vorwürfe? Er hatte es doch nur gut gemeint!

Was konnte er dafür, dass Davis und die anderen einfach weitergegangen waren…

Davis!

Nein, das durfte nicht wahr sein. Hatte dieser Mistkerl es etwa geplant gehabt? War er von allen guten Geistern verlassen? Er sollte sich doch nicht einmischen…

Wenn sie wieder heil zur Hütte kommen würden, würde er ihm im Schlaf sicher den Hals umdrehen!

Wütend knabberte er auf seiner Unterlippe herum und realisierte erst gar nicht, dass Yolei immer noch mit ihm sprach.

„Ey, hör mir gefällst zu“, knurrte sie erbost und ruckelte verängstigt an seinem Arm.

„Was ist denn los?“, fragte er und blickte sie verwirrt an.

„Naja hast du das nicht gehört?! Ich glaube hier läuft ein Wolf rum!“, flüsterte sie panisch und hielt sich an seinem Ärmel fest.

„Ein Wolf? Mach dich nicht lächerlich. Hier gibt es keine Wölfe mehr. Und jetzt lass uns einfach die anderen suchen“, erwiderte er kühl und riss sich von ihr los.

Er leuchtete in die Richtung, wo die anderen hin verschwunden waren, doch er konnte kaum etwas erkennen.

„Wir sollten vielleicht…“

„Warum bist du so komisch zu mir?“, ertönte plötzlich Yoleis Stimme. Sie klang sehr fest und durchdrang bebend seinen Körper.

Unsicher drehte er sich zu ihr und er erkannte das sie wütend die Hände zu Fäusten geballt hatte.

„Ich weiß nicht was du meinst…wir sollten echt…“

„Hör auf mit diesem Eiertanz! Du gehst mir aus dem Weg seit du mich an der Hausparty geküsst hast! Du wusstest doch, dass ich mit Izzy zusammen bin! Warum machst du nur sowas?“

„Du fragst mich ernsthaft warum? Du weiß es doch schon!“, unterstellte er ihr mit dröhnender Stimme.

„Nein, du hast gesagt, ich solle es einfach vergessen, aber du gehst mir seitdem einfach nur noch aus dem Weg. Ich dachte wir seien Freunde!“, antwortete Yolei deprimiert.

Freunde? Aber Freunde küsste man doch nicht! Sie war für ihn so viel mehr als das und dennoch versuchte sie die Gegebenheiten zu ignorieren.

Doch er konnte das nicht mehr.

„Du weißt, dass ich mehr für dich empfinde…“

Er schritt etwas näher an sie heran, während sie ihn mit einem unendlich wirkenden Blick quälte.

„Und du weiß, dass ich einen Freund habe.“

Ken presste die Lippen aufeinander und schloss die Augen. Er spürte wie sein Herz gleichmäßig gegen seine Brust pochte und er die Worte, die er schon immer zu ihr sagen wollte, nicht mehr zurückhalten konnte.

„Trotzdem habe ich mich in dich verliebt und ich möchte nicht länger vor diesen Gefühlen weglaufen“, eröffnete er ihr ehrlich, während ihre Gesichtszüge komplett entglitten.

Er war das Risiko eingegangen. Es gab kein Zurück mehr.

Sein Geständnis würde in Zukunft alles verändern.
 

Fortzsetzung folgt...

Aussprache.

Missmutig verabschiedete er sich von der zuvorkommenden Bahnmitarbeiterin, die ihn freundlich informiert hatte, was geschehen war.

Langsam schritt zurück und ließ sich seufzend auf der Bank nieder.

„Und was hat sie gesagt? Fährt heute noch etwas oder sitzen wir hier fest?“, fragte Sora verzweifelt und klammerte sich nervös an ihrer Tasche fest, während Matt überlegte, wie er es ihr schonend beibringen könnte.

„Anscheinend wurde eine Leitung durchtrennt, weil ein morscher Baum umgefallen ist. Sie versuchen es zu beheben, aber das kann wohl noch dauern, zumal es ja schon so spät ist“, erklärte er und schaute sich in dem kleinen Bahnhof um, an dem sie ausgestiegen waren.

Schon als der Zugführer die Durchsage machte, dass sich wegen technischer Probleme die Weiterfahrt verzögern würde, hatte Matt gewusst, dass ihn das Karma eiskalt erwischt hatte.

Während der ganzen Fahrt hatte er mit Sora nur das Nötigste gesprochen, in der Hoffnung in wenigen Stunden bei den anderen sein zu können, doch jetzt sah die Sachlage ganz anders aus.

Sie saßen fest!

„Und was heißt das jetzt? Sollen wir wieder zurück nach Tokio fahren?“

„Ich weiß es nicht, aber wir haben ja jetzt drei Stunden Zeit es uns zu überlegen. Da kommt nämlich der nächste Nachtzug, der zurückfährt!“, eröffnete er ihr.

Soras Gesichtszüge entglitten vollkommen und Yamato merkte sofort, dass ihr diese Tatsache alles andere als Recht war.

„In drei Stunden? Was sollen wir denn solange hier machen? Das ist ein Durchgangsbahnhof. Wir sind hier mitten im Nirgendwo“, schnaubte sie entsetzt und war noch nicht mal bemüht zu verbergen, dass sie sich weit weg von ihm wünschte.

„Das ist mir auch klar, aber ich kann es nicht ändern. Dann müssen wir wohl warten.“

„Na ganz toll…“, jammerte sie und verschränkte wütend die Arme vor ihrer Brust.

Yamato rutschte etwas nach unten und ärgerte sich insgeheim sehr über ihren abfälligen Tonfall.

„Scheinst ja echt begeisterst zu sein“, merkte er unbedacht an.

„Naja, du bist wirklich nicht mein Wahlkandidat, mit dem ich gerne am Bahnhof feststecken möchte…“, gab sie ohne weiteres zu und senkte den Kopf.

Einerseits verletzten ihn ihre Worte, andererseits konnte er sie aber auch verstehen.

Was hatte er denn erwartet gehabt? Dass sie ihm um den Hals fallen würde? Dass alles normal weiterging und er sich keine Gedanken um ihre zerrüttete Freundschaft machen brauchte?

Er hatte mit ihr geschlafen und war danach abgehauen, weil er sich seinen Gefühlen nicht stellen konnte. Nicht mal im Krankenhaus hatte er sie besucht, da er es sich nicht getraut hatte.

Von Tai hatte er nur sehr sporadisch erfahren, was mit ihr eigentlich geschehen war.

Er war einfach ein verdammter Feigling, der noch nicht mal in so einer Situation den Mund aufbekam.

Wütend ballte er seine Hände zu Fäuste und konnte gar nicht in Worte fassen, wie sehr er sich über sein eigenes Verhalten ärgerte.

Er musste etwas tun! Er musste mit ihr reden und ihr sagen, dass ihm diese gemeinsame Nacht etwas bedeutet hatte, auch wenn es zwischen ihnen noch komplizierter werden würde!

Er musste…

Auf einmal blickte er zu einem leeren Platz neben sich. Sora und ihre Sachen waren verschwunden, was in ihm eine rasante Panik auslöste.

Hektisch blickte er sich um und versuchte sie ausfindig zu machen.

Aus dem Augenwinkel heraus, konnte er gerade noch erkennen, wie sie den Bahnhof verließ und wieder aus seinem Leben verschwand.

„Sora“, rief er reflexartig, aber sie konnte ihn nicht mehr hören.

Wo zur Hölle wollte sie nur hin? Sie kannte sich doch genauso wenig aus, wie er! Er musste ihr folgen, nicht das sie sich noch verlieren würden!

Abrupt packte er seine Tasche, schulterte sie und rannte ihr, ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, einfach hinterher.
 

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„Yolei? Wo bist du?“, rief Kari verzweifelt und blickte zu den Jungs, die ebenfalls ihre beiden Freunde aus den Augen verloren hatten.

„Ich versteh‘ das nicht…sie waren doch direkt hinter uns“, murmelte Davis verständnislos und brüllte den Namen seines besten Freundes.

Doch es war vergeblich. Bestimmt waren sie schon eine längere Zeit verschwunden, weshalb sie außer Hörweite waren.

Kari sah sich ängstlich um und richtete einen fragenden Augenaufschlag zu Takeru, der sich nachdenklich durch die Haare fuhr.

„Was sollen wir denn machen? Wir kennen uns doch hier gar nicht aus!“, sagte Kari und bereute es förmlich die anderen auf diese Nachtwanderung mitgeschleppt zu haben.

Eigentlich hatte es Takeru vorgeschlagen, doch sie wusste, dass er es nur wegen ihr getan hatte.

Sie hatte es sich gewünscht und auf der Liste der Banalitäten festgehalten, die sie nach und nach abarbeiteten, nur um ihr die Wünsche zu erfüllen, die sie im Heimlichen gehegt hatte.

Was sollten sie nur tun? Sie mussten die beiden unbedingt wiederfinden!

„Also Handyempfang habe ich hier überhaupt nicht“, mischte sich Cody ein und seufzte resigniert. „Wie sieht es bei euch aus?“

Zeitgleich kramten alle ihre Handys hervor, nur um zum gleichen Ergebnis zu erlagen.

„So ein Mist! Wo sind wir hier? Am Arsch der Welt?“, fragte Davis kopfschüttelnd und grummelte genervt.

Aber auch Kari hatte sich diese Nachtwanderung anders vorgestellt gehabt. Natürlich wollte sie Zeit mit ihren Freunden verbringen, aber ganz sicher nicht unter so einem Preis!

Was wenn den beiden etwas passiert war? Vielleicht liefen sogar wilde Tiere frei herum, die sie anfielen und schlimm verletzten!

Blankes Entsetzen machte sich in Karis Gesicht breit, da sie ihr Kopfkino einfach nicht unterdrückten konnte.

Angespannt knabberte sie an ihrem Daumen, bis sie plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter spürte.

„Mach dir keine Sorgen, okay? Wir werden sie schon finden“, beruhigte sie die sanfte Stimme von Takeru, der sich neben sie gesellt hatte.

„Vielleicht sollten wir zum Haus zurückkehren“, schlug Cody vor und sah sich um.

Doch der Wald war undurchsichtig und die dichten Bäume erschwerten ihnen die Sicht.

„Weißt du denn noch aus welcher Richtung wir gekommen sind? Irgendwie habe ich den Überblick verloren“, gab Davis zu Bedenken, da sie seit einer halben Stunde ziellos nach ihren Freunden gesucht und sogar den Weg verlassen hatten.

Wahrscheinlich würden sie sich auch heillos verlaufen, wenn sie nicht richtig aufpassten.

„Aber wir müssen die Zwei finden! Wir können ja schlecht bis zum Sonnenaufgang warten“, meinte Kari starrsinnig.

„Weißt du wie groß der Wald ist? Da finden wir sie niemals, jedenfalls ganz sicher nicht im Dunkeln“, meinte Davis nachdenklich.

„Aber…“

„Vielleicht sollten wir einfach zwei Gruppen bilden und sie suchen“, warf Takeru ein, bevor Kari kontern konnte.

„Zwei Gruppen? Du hast wohl noch nie einen Horrorfilm gesehen! Wenn man sich trennt läuft man immer dem Mörder vor die Füße! Sowas geht nie gut aus“, warf Davis mit runzelnder Stirn ein.

„Aber, wenn wir jeweils zu zweit suchen finden wir sie sicher eher. Dahinten laufen zwei verschiedene Wege entlang und da bietet sich das Aufteilen wirklich an. Wir können sie ja wenigstens mal abgehen und uns in einer halben Stunde wieder hier treffen“, führte Takeru weiter aus und deutete auf die zwei Wegspuren, die wieder zurückführten.

Eine führte wohl zurück zum Haus, während die andere einen zum Bahnhof lotste, der sich in der Nähe befand.

Davis blickte missmutig zu Takeru, knickte dann aber schließlich doch ein.

„Okay, aber wenn wir in einer halben Stunde niemanden gefunden haben, treffen wir uns wieder genau hier!“

„Aber wie wollen wir uns gegenseitig verständigen, wenn wir Ken und Yolei sowie den richtigen Weg gefunden haben“, merkte Cody bedenkend ein.

„Naja wir kommen dann am besten so oder so, zum vereinbarten Treffpunkt zurück, dann laufen wir am wenigsten Gefahr uns zu verpassen“, sagte Takeru bestimmend.

„Gut und wer geht mit wem?“ Davis hielt die Taschenlampe seinen Händen und leuchtete Hikari damit direkt ins Gesicht, sodass sie die Augen ruckartig zusammenpresste.

„Naja du hast eine Taschenlampe, also nimmst du am besten Hikari mit! Cody und ich können uns sicher mit unseren Lampen am Handy den Weg leuchten.“

Kari riss bei diesem Vorschlag blitzartig die Augen weit auf und sah zu Davis, der ein mürrisches Gesicht machte. Er hatte scheinbar nicht sonderlich viel Lust sich mit ihr zusammen auf die Suche zu begeben, was sie auch verstehen konnte.

Seit sie wieder hier war, hatten sie noch keine Gelegenheit gehabt sich auszusprechen. Kari wollte sich unbedingt bei ihm nochmal entschuldigen, doch sie hatte bisher noch nicht die passenden Worte gefunden, die eine mögliche Versöhnung vorantreiben könnten.

Vielleicht war genau, dass ihre Gelegenheit!

Angespannt wartete sie auf eine Antwort von Daisuke.

„Na gut, wenn es unbedingt sein muss“, antwortete er lustlos und richtete die Taschenlampe zu Boden. „Aber wir gehen diesen Weg hier ab! Der andere sieht nach ‚Ich warte auf dich, um dir den Kopf abzuhacken‘ aus.“

Takeru rollte daraufhin nur mit den Augen und wandte sich Cody zu. Hikari schenkte ihrem besten Freund einen unsicheren Blick, den er jedoch mit einem hoffnungsvollen Lächeln auffing.

Er nickte ihr bestätigend zu, bevor sich die Wege der Freunde trennten.

Nervös folgte sie Daisuke, unwissend, was sie erwarten würde.
 

_
 

„Jetzt warte doch mal! Du kennst dich doch hier gar nicht aus!“, murrte Yamato, während er schwerfällig versuchte mit Sora Schritt zu halten. Doch sie war darauf fokussiert so schnell wie möglich von ihm wegzukommen.

Dieses wirre Kribbeln, dass sie in seiner Gegenwart verspürte, hatte sie wahnsinnig gemacht, weshalb ihr nur die Flucht übrigblieb.

Er war wirklich der letzte Mensch auf Erden, mit dem sie alleine sein wollte! Sie bereute es unglaublich, dass sie mit ihm zusammen in den Zug gestiegen war und diese unangenehme Lage erst heraufbeschwört hatte!

Sie hätte doch wissen müssen, dass es sich hierbei um keine gute Idee handeln konnte. Zumal hatte sie auch genug mit sich zu tun, da passte Yamato ihr überhaupt nicht in den Kram.

„Lass mich doch einfach in Ruhe! Ich komme schon zurecht!“, erwiderte sie bockig und verstand nicht warum er ihr ausgerechnet jetzt hinterherlief!

Er hatte sie damals gehen lassen und jetzt? Jetzt plagte ihn wohl das schlechte Gewissen.

„Man, bleib doch mal stehen“, hörte sie ihn hinter sich brüllen. Scheinbar kam er langsam etwas außer Atem, weshalb sich seine Stimme fast schon ein wenig überschlug.

Doch sie konnte ihm nicht in die Augen blicken, geschweige denn mit ihm reden! Nicht nachdem, was alles passiert war.

Deswegen ignorierte sie sein Betteln und wurde sogar einen Schritt schneller, was ihn noch wütender werden ließ.

„Sag mal hörst du schlecht?“, rief er ihr nach.

„Lass mich einfach in Ruhe! Ich möchte alleine sein.“

Sie drehte sich nicht herum, sondern konzentrierte sich darauf einen schnellen Fluchtweg zu finden, doch plötzlich spürte sie seine Hand an ihrem Arm.

Er drehte sie ruckartig zu sich, sodass Sora leicht ins Straucheln geriet.

„Verdammt Yamato! Was soll das?“, fragte sie verzweifelt, weigerte sich aber noch immer ihm in die Augen zu sehen, da sie wusste, dass sie hierbei nur schwach werden würde.

„Sora…ich würde gerne mit dir reden“, sagte er nach einem kurzen Moment des Schweigens.

Sie biss sich auf die Unterlippe und versuchte das unterschwellige Gefühl des aufkommenden Schmerzes zu unterdrücken.

Er wollte mit ihr reden? Nach all dem was passiert war? Wollte er sich ihr ernsthaft erklären, warum er einfach abgehauen war und sie auch als Freund im Stich gelassen hatte?

Egal, was er sagen würde, Sora wusste, dass sie ihm nicht verzeihen konnte.

Deswegen schwieg sie auch weiterhin und versuchte sich aus seinem festen Griff zu befreien, was ihr allerdings nicht gelang.

„Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe“, gab er zu, nachdem er realisiert hatte, dass sie nicht reagierte. „Und ich weiß auch, dass es dafür keine Entschuldigung gibt. Ich bin einfach gegangen und ich kann das auch nicht wieder gut machen, aber du solltest wissen, dass es für mich eben nicht nur Sex war.“

Überrascht sah sie ihn an und ihre Blicke trafen sich das erste Mal seit langem wieder.

In seinen Augen erkannte sie die pure Wehmut, die auf Ihren schmerzerfüllt lag.

Sagte er sowas etwa bei jeder? Sollte es die Sache etwa einfacherer machen?

Von Wut gepackt, riss sie sich umgehend los.

„Hört auf, sowas zu mir zu sagen! Du hast mich behandelt wie all die anderen Weiber, mit denen du im Bett warst und sogar bei der Schwester deines besten Freundes hast du noch nicht mal Halt gemacht“, rief sie ihm prompt in Erinnerung, da sie die Sache mit Kari weder vergessen noch abgeschlossen hatte. „Du nutzt doch die Frauen nur nach deinen eigenen Bedürfnissen aus und schämst dich noch nicht mal dafür.“

Matts Augen wurden immer trüber, während Sora einfach nicht mehr an sich halten konnte. Ihr schossen die Tränen in die Augen und es ärgerte sie, dass er mitbekam, wie schlecht es ihr wegen ihm in Wirklichkeit ging!

Sie wollte diese Schwäche nicht zugeben, aber sie musste ihm auch zeigen, dass er mit seinem Verhalten im Leben nicht weiterkommen konnte…nicht ohne etwas Wichtiges zu verlieren.

„Du bist so erbärmlich! Hat es dir etwa die Sprache verschlagen oder hat dir noch niemand ins Gesicht gesagt, wie beschissen dein Verhalten ist? Ich dachte, wir wären Freunde, aber ich kann nur noch Verachtung für dich empfinden“, schluchzte sie herzzerreißend und fuhr sich mit den Händen über ihr nasses Gesicht. „I-Ich hasse dich!“

Drei Wörter. Eine eindeutige Bedeutung.

Doch Sora sprach nicht die Wahrheit. Wenn sie ihn wirklich hassen würde, würde es wohl kaum so sehr wehtun. Das Problem war, dass genau das Gegenteil der Fall war. Nach all dem war sie immer noch in ihn verliebt! Und sie wusste nicht, wie sie diese Gefühle wieder loswerden konnte.

„Jetzt lass mich einfach in Ruhe“, flehte sie kraftlos und hoffte, dass sie den Abstand von ihm fand, den sie in dieser Lage benötigte.

Daher wandte sie ihm den Rücken zu, ohne ihn nochmal anzusehen, setzte sich in Bewegung, bevor seine tiefe Stimme erklang und ihre Welt komplett durcheinanderbrachte.

„Du hast das Recht auf mich sauer zu sein, aber dennoch möchte ich, dass du die Wahrheit kennst und meine Beweggründe besser verstehst“, murmelte er halblaut und brachte Sora tatsächlich dazu stehen zu bleiben.

„Ich habe es gehasst als ich herausgefunden habe, dass du mit Taichi zusammen bist. Immer wenn ihr euch geküsst habt, wollte ich am liebsten den Raum verlassen und meine Eifersucht im Alkohol und bei anderen Frauen verdrängen. Doch je länger ihr zusammen ward, desto schwerer fiel es mir, meine Fassade aufrecht zu erhalten. Als ich von euer Trennung erfuhr, hatte ich mich gefreut gehabt und mich gleichzeitig geschämt so zu denken. Aber als wir uns dann nähergekommen sind, war mir das völlig egal gewesen. Ich hatte weder an Tai gedacht, noch daran, dass die Ex-Freundin unter besten Freunden tabu sein sollte. Ich wollte einfach, dass du mich in einem anderen Licht wahrnimmst, aber als es passiert war, hatte ich unglaublich große Angst bekommen, da die Realität mich wieder eingeholt hatte“, erwiderte er mit ruhiger aber fester Stimme. „Ich wollte dich nie verletzten, Sora. Aber ich wollte auch nicht die Freundschaft von uns Dreien riskieren, auch wenn es sich komplett bescheuert anhört, weil ich gerade das getan habe.“

Sora atmete unruhig und konnte seine Worte noch gar nicht richtig verarbeiten als sie sich langsam zu ihm drehte und mit den Augen auf seinen Lippen lag, die ihr ein langgehütetes Geheimnis offenbarten.

„Ich konnte meine Gefühle nicht mehr vor dir verbergen, denn all die Jahre habe ich immer wieder nur an dich gedacht. I-Ich habe mich in dich verliebt!“, gestand er ihr ehrlich und auf Sora steuerte eine unfassbare Gefühlswelle zu, die sie nicht mehr kontrollieren konnte.
 

_
 

Es fühlte sich merkwürdig an, ausgerechnet mit dem Mädchen alleine zu sein, dass ihm das Herz gebrochen hatte. Doch Davis musste auch zugeben, dass er mittlerweile keinen unbändigen Hass mehr für sie empfand.

Natürlich hatte sie ihm weggetan, doch er wusste von Takeru, wie sehr sie ihr Verhalten bereut hatte. Insgeheim hatte er sogar gehofft gehabt mit Kari an diesem Wochenende unter vier Augen sprechen zu können.

Takeru ist seinem Ratschlag mit Mariko gefolgt, weshalb auch er den nächsten Schritt in Richtung Versöhnung wagen wollte.

Hikari war wieder hier und ein Teil seines Lebens, auch wenn er sich anfangs vehement dagegen gewehrt hatte.

„Ich hoffe wirklich, dass wir die beiden finden“, meinte sie besorgt, während Davis das Ganze etwas lockerer sah.

Vielleicht war es auch für Ken die perfekte Gelegenheit mit Yolei zu sprechen und den heiligen WG-Frieden wiederherzustellen.

„Den beiden wird schon nichts passiert sein, sie sind ja immerhin zu zweit, genauso wie wir“, beruhigte er sie mit sanfter Stimme.

Wie sollte er das Gespräch nur beginnen? Sie war so auf Yolei und Ken fixiert, dass es ihm kaum möglich erschien ein neues Gesprächsthema anzufangen.

Es war ja auch kein angenehmes Thema! Schließlich waren sie Ex-Partner, die damals viel falsch gemacht hatten.

„Du hast sicher recht, aber ich wäre echt beruhigter wenn wir sie finden würden. Schließlich kennen sie sich doch genauso wenig hier aus wie wir.“

Sie zermarterte sich immer noch den Kopf. Eine Eigenschaft, die er immer an Hikari bewundert hatte. Die anderen kamen immer zuerst.

Wahrscheinlich hatte es ihn deswegen damals so sehr mitgenommen, da Kari dieses eine Mal nicht an die anderen, sondern an sich selbst gedacht hatte.

Sie hatte Gefühle für Matt und war nur mit ihm zusammengekommen, um sich von diesen abzulenken. Er glaubte auch nicht mal daran, dass sie ihn bewusst mit ihrem Verhalten verletzten wollte, aber scheinbar passierte genau das, wenn man zu oft auf andere schaute als auf sich selbst.

Man vergisst auf sich Acht zu geben und verstickt sich in ein fadenscheiniges, aber gebrechliches Grundgerüst der Lügen, dass irgendwann sowieso eingebrochen wäre.

Er blieb stehen und fixierte sie nachdenklich, bevor auch sie sich fragend zu ihm drehte.

„Was ist los? Hast du etwas gehört?“

Davis konnte gerade noch mit dem Kopf schütteln, bevor die Worte aus ihm rausplatzen, die er schon immer einmal zu ihr sagen wollte.

„Du solltest manchmal wirklich mehr auf dich selbst achten! Es ist nicht gesund, sich nur um andere zu kümmern und mit sich selbst so stiefmütterlich umzugehen. Du weißt, wie das mit uns ausgegangen ist und ich schätze, dass du damals schon viel eher versucht hast, die Sache zwischen uns zu beenden, aber mir nicht wehtun wolltest“, fasste er zusammen und wurde augenblicklich ein wenig rot um die Nase.

Er hatte es angesprochen! Er hatte…! Von Stolz erfüllt richtete er den Blick zu Kari, die ihn überrascht anblickte.

„Davis…wie kommst du denn jetzt darauf?“, wollte sie wissen.

„Genau genommen, wollte ich mich schon länger bei dir für mein dämliches Verhalten entschuldigen. Ich habe dich immer wieder geschnitten und hinter deinem Rücken über dich gesprochen. Ich weiß, dass das jetzt sehr überraschen für dich kommen mag, aber ich verstehe es langsam. Man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt oder wen man verletzt, aber man kann sich aussuchen, ob man in der Lage ist demjenigen zu verzeihen“, antwortete er aufrichtig.

„Daisuke…“

„Es tut mir leid! Und ich würde gerne einen Neuanfang starten“, offenbarte er und beugte sich entschuldigend nach vorne.

Er hielt diese Position, bis Kari langsam auf ihn zugeschritten kam und direkt vor ihm stehen blieb.

„Du solltest dich wirklich nicht bei mir entschuldigen“, gab Kari leise zurück und brachte Davis dazu sich langsam aufzurichten.

„Ich bin diejenige, die sich entschuldigen sollte. Ich habe dich verletzt, obwohl ich das gar nicht wollte. Du warst immer ein toller Freund gewesen und ich habe diese Beziehung echt kaputt gemacht“, sagte sie unter Tränen, die Davis niemals wecken wollte.

„Hey, hör sofort auf zu weinen“, sagte er leicht panisch und ergriff ihre Schultern. „Ich wollte nicht, dass du dich jetzt schlecht fühlst. Du gehörst doch zu uns!“

Er lächelte sanft und Hikari wusch sich die aufkommenden Tränen hastig weg.

„Irgendwie war das die ganze Zeit mein Problem. Es ist so viel passiert und ich wollte einfach wieder zurückfinden. Besonders zu mir selbst.“

„Du bist ganz sicher auf dem richtigen Weg dorthin“, bestärkte Davis sie und drückte ihre Schultern kurz. „Die Kari, die ich kenne, ist so unglaublich stark, sodass sie alles schaffen kann, egal wie viele Steine ihr im Weg liegen sollten!“

„Das hast du wirklich schön gesagt. Davis, ich…“

„Gott, ich habe also doch richtig gehört. Wir haben euch überall gesucht“, schnaubte Ken, der aus einem dunkeln Gebüsch getappt kam.

Yolei ging ein paar Meter hinter ihm und sah alles andere als glücklich aus, während sein bester Freund komischer Weise genau das Gegenteil ausstrahlte. Er wirkte sogar richtig gelöst, weshalb Davis ihm später unbedingt noch auf den Zahn fühlten musste.

„Wir haben auch nach euch gesucht. Gott sei Dank, geht es euch gut“, meldete ich Kari zu Wort und ließ von Daisuke ab, dessen Hände vor kurzem noch auf ihren Schultern geruht hatten.

„Wo sind Takeru und Cody? Habt ihr die beiden auch verloren?“, fragte Ken, nachdem er sie nicht entdecken konnte.

„Nein, wir haben uns nur aufgeteilt, um euch zu suchen. Wir gehen gleich wieder zum Treffpunkt zurück, damit wir alle zusammen zum Haus zurückkehren können. Jetzt wissen wir ja, welcher Weg der Richtige ist“, meinte Davis beruhigt, sah aber wieder zu Kari, die sich mit Yolei unterhielt.

Auf einmal trafen sich ihre Blicke und ein warmes Lächeln erstreckte sich über ihr Gesicht. Ihre Lippen formten ein eindeutiges Wort, dass Davis nicht missverstehen konnte.

„Danke.“

Es war nur ein Wort, aber dennoch steckte so viel Bedeutung dahinter. Zufrieden grinste Davis zurück und wusste, dass er den richtigen Schritt gewagt hatte. Zwar konnten sie nicht alles an einem Abend klären, aber der Anfang war endlich gemacht.

Und das machte Davis unglaublich glücklich.
 

Fortzsetzung folgt...

Verluste.

Vollkommen erschöpft schloss er die Tür zur WG auf und trat ein. Er schlüpfte aus seinen Schuhen und warf seine Tasche in die nächste Ecke.

Seufzend begab er sich in die Küche und konnte nicht fassen, dass es mittlerweile schon weit nach drei Uhr nachts war.

Er war vollkommen erledigt, aber er wusste auch, dass er nach diesem aufregenden Tag nicht so einfach schlafen gehen konnte.

Nicht nachdem er sich Sora offenbart hatte.

Nicht nachdem sich alles so verändert hatte.

Es gab kein Zurück mehr. Er konnte nur noch vorwärtsschreiten.

„Man, ich bin echt ein Idiot“, murmelte er und lehnte seine Stirn gegen die Zimmerwand.

„Das sage ich dir doch schon die ganze Zeit, schön dass du es auch endlich erkannt hast“, ertönte eine Stimme im Dunkeln.

Erschrocken fuhr er zusammen und richtete seinen Blick auf den Fußboden. Seine Augen hatten sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnt, weshalb er tatsächlich seinen besten Freund vor sich sitzen sah.

„Was zur Hölle machst du da?“, fragte er verständnislos und beugte sich zu ihm hinunter.

„Eine Party feiern! Sieht man doch“, erwiderte er mit schwerer Zunge und hob die Bierdose an, bevor er einen kräftigen Schluck zu sich nahm.

Um ihm herum stapelten sich bereits die geleerten Dosen, was in Yamato ein ungutes Gefühl hervorrief.

„Wie viel hast du denn schon getrunken?“

„Noch nicht genug“, antwortete er resigniert und blickte ins Leere.

„Was ist denn passiert?“ Yamato ließ sich neben ihm nieder und musterte ihn besorgt.

Doch Taichi rang sich nur zu einem Lächeln ab.

„Ich bin ein Arschloch. Das ist passiert.“

„Du sprichst echt in Rätseln. Es ist drei Uhr morgens und du sitzt hier und betrinkst dich hemmungslos“, rief er ihm ins Gedächtnis, um ihn zum Reden zu bewegen.

Allerdings zuckte er nur gleichgültig mit den Schultern, so als wäre ihm alles völlig egal.

Es war eine Eigenschaft, die Yamato manchmal wahnsinnig werden ließ.

Wenn er bemerkte, dass es seinem besten Freund schlecht ging, aber er nicht darüber reden wollte, da er mal wieder keine Schwäche zeigen konnte.

Natürlich war ihr Verhältnis nach wie vor angespannt, aber dennoch wollte er in Zukunft für seine Freunde da sein, egal wie sehr er sich darum auch bemühen musste.

„Du weißt schon, dass es leichter wird, wenn du es aussprichst“, startete er einen erneuten Versuch.

„Ich glaube, dass würde nichts ändern. Sie ist weg und ich konnte sie nicht aufhalten“, murmelte er halblaut, doch Yamato verstand jedes einzelne Wort.

In seinem Kopf begann es zu rattern, da Taichi ihm deutliche Hinweise gegeben hatte und mit „Sie“ konnte er nur eine Person meinen.

„Was ist denn genau passiert?“

„Man, deine ganze Fragerei nervt wirklich“, brüllte er aufgebracht und seine Gesichtszüge wurden auf einmal ganz angespannt, bevor die Verzweiflung über ihn einbrach und ihn in eine Art Redeschwall versetzte.

„Mimi ist weg! Ist es das, was du hören wolltest? Ich habe sie verloren, weil ich etwas echt Bescheuertes gemacht habe und ich konnte sie deswegen nicht am Gehen hindern. Weißt du wie beschissen sich das anfühlt?“

Taichi stellte die leere Dose ab und zog seine Beine dicht an seinen Körper, um seine Arme darauf ablegen zu können. Er drückte seine Stirn dagegen und Yamato konnte sich nicht daran erinnern, ihn jemals so verzweifelt gesehen zu haben.

Noch nicht mal nach der Trennung von Sora…

„Sie ist also in die USA zurückgekehrt? Aber wann? Und vor allem warum?“

„Du merkst echt nicht wie unpassend deine Fragerei gerade ist. Ich möchte nicht darüber reden, schon gar nicht mit dir“, antwortete er stur und stand abrupt auf, während Yamato einen deutlichen Stich in seiner Brustgegend verspürte.

„Tut mir leid…“, entschuldigte er sich verbissen, auch wenn die Worte seines besten Freundes ihn tief getroffen hatten.

Schon gar nicht mit dir. Diese Worte hallten in seinem Kopf nach, sodass er gar nicht bemerkt hatte, dass Taichi schon längst in sein Zimmer verschwunden war.

Er saß noch eine Weile auf dem kalten Fußboden und versuchte das Geschehene immer noch zu verarbeiten. Wahrscheinlich würde sich nicht alles von heute auf morgen verändern, auch wenn er sich vorgenommen hatte, sich selbst zu verändern.

Es war ein Prozess. Ein Prozess, der Zeit in Anspruch nehmen würde. Aber Yamato wollte alles versuchen, denn das Letzte was er wollte, war seine Freunde endgültig zu verlieren…
 


 

1. August 2010
 


 

Der Tag, der Tage war gekommen. Sie hatten den 1. August erreicht, auch wenn einige Komplikationen auf sie gewartet hatten.

Nachdem sie sich im Wald zusammen mit Ken verlaufen hatte, konnte Yolei es eigentlich kaum erwarten, dass dieser Tag ebenfalls endete.

Sie war angespannt und wusste nicht wirklich, was sie von seinem Liebesgeständnis halten sollte.

Warum jetzt? Wieso hatte er diesen ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht? Sie war doch unfassbar glücklich. Mit Izzy. Und jetzt wurde alles nur noch komplizierter.

Sie hatte ihrem Freund noch nichts davon erzählt und überlegte, ob sie es ihm überhaupt erzählen sollte.

Schließlich waren Ken und sie Mitbewohner, die sich nicht unbedingt aus dem Weg gehen konnten.

Daher war sie hin und hergerissen, aber da sie die nächsten Tage sowieso bei Izzy verbringen wollte, war sie froh, wenn sie in wenigen Stunden aufbrechen würden.

Sie hatten sich gemeinsam zum Grillen draußen verabredet und genossen die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut.

Die Stimmung war sogar recht ausgelassen, obwohl Yolei Ken immer noch nicht in die Augen sehen konnte.

Er stand mit Davis, Kari und Takeru zusammen am Feuer und grillte Marshmallows, die Joe von seinem Großeinkauf mitgebracht hatte.

Joe, Cody und Izzy saßen gemeinsam mit ihr am einem Tisch, den sie aufgestellt hatten.

Sie hatte sich selbstverständlich demonstrativ neben Izzy gesetzt, da sie heute ebenfalls ihre Beziehung vor den anderen verkünden wollten.

Doch für Yolei fühlte es sich einfach falsch an.

Sie hatte Kens trauriges Gesicht deutlichen gesehen gehabt…wollte sie ihm das etwa auch noch antun?

Angespannt knabberte sie auf ihrer Unterlippe und versuchte telepathischen Kontakt zu ihrem Freund aufzunehmen, der sich allerdings angeregt mit den Jungs unterhielt.

Es war zwecklos. Izzy schien überhaupt nichts von eindeutigen Blicken mitzubekommen.

Er nahm sie zwar wahr, aber verzog nur verwirrt das Gesicht.

Yolei seufzte leise und ließ sich resigniert den Stuhl hinabrutschen.

Plötzlich bemerkte sie Izzys Hand auf ihrer und sämtliche Alarmsignale klingelten bei ihr Sturm.

„Hört mal alle her“, ertönte seine Stimme selbstbewusst. „Ich muss euch allen etwas sagen!“

Um Gottes Willen, er hatte ihre Blicke komplett missverstanden!

Was sollte sie nur tun? Sie konnte ja ihre Hand nicht wegreißen und ihm sagen, dass es jetzt gänzlich der falsche Zeitpunkt war. Daher hielt sie die Luft an und versuchte, dass unregelmäßige Klopfen ihres Herzens zu unterdrücken.

„Also eigentlich wollen wir euch etwas sagen“, er richtete seinen Blick auf sie und Yolei wurde es auf einmal ganz warm. Doch diese Wärme fühlte sich unangenehm an.

Sie schluckte und sah augenblicklich zu Ken, der seinen Kopf gesenkt hatte und scheinbar schon wusste, was ihn erwartete.

Ihr schlechtes Gewissen wuchs, je länger ihre Anspannung anhielt.

War es falsch, glücklich zu sein, wohlwissend, jemanden in sein Unglück zu stürzen?

„Du weißt, dass ich mehr für dich empfinde…“

Ein undefinierbarer Schmerz breitete sich in ihr aus, doch sie klammerte sich umso fester um Izzys Hand, der sie liebevoll anlächelte.

„Yolei und ich sind ein Paar“, sprach er endgültig aus und sein Gesicht sah so aus, als würde ihm ein riesiger Stein vom Herzen fallen.

Yolei hingehen fühlte sich von diesem Stein einfach nur erschlagen.

Mitleidig hielt sie den Augenkontakt zu Ken, doch er starrte einfach nur zu Boden.

„Und du weißt, dass ich einen Freund habe.“

Ein wildes Gewusel entstand, nachdem Izzy endlich zu ihnen gestanden und sie als Paar geoutet hatte.

Kari war die erste, die sie beglückwünschte und ihr sagte, wie sehr sie sich für die beiden freuen würde.

„Damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet, aber ihr Zwei seid wirklich immer für eine Überraschung gut“, kam es von Takeru, er ihnen ebenfalls gratulierte.

Nur Davis und Ken hielten sich zurück. Von Ken kam ein leiser, kaum hörbarer Glückwunsch, während Davis völlig entsetzt wirkte und gar nicht mehr zurechtkam.

„Wow, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Wann ist, dass denn passiert?“, kam es etwas uncharmant von ihm, aber Yolei war es schließlich nicht anders gewöhnt.

Nachdem Izzy ihre Liebesgeschichte kurz zusammengefasst hatte, ging es Yolei um einiges schlechter.

„Trotzdem habe ich mich in dich verliebt und ich möchte nicht länger vor diesen Gefühlen weglaufen.“

Wann? Wann hatte sich Ken in sie verliebt? Als sie schon mit Izzy zusammen war? Oder schon vorher? Er hatte nichts dazu gesagt, da er meinte, dass es egal wäre.

Er liebte sie und könne es nicht ändern – dass waren seine Worte gewesen. Worte, dir ihr zeigten, dass sie ihn nur verlieren konnte. Denn sie hatte sich entschieden.
 

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„Wow, dass mit Izzy und Yolei kam ja echt überraschend“, meinte Kari und ging zusammen mit Takeru ins Haus, um noch einige Leckereien zu holen, die Joe in der Küche vorberietet hatte.

„Aber sie war in letzter Zeit auch wirklich komisch gewesen. Sie war oft nicht zuhause und hatte selbst die Nacht woanders verbracht. Allerdings hätte ich nie im Leben gedacht, dass Izzy dahinterstecken könnte.“

„Ich auch nicht“, bestärkte Hikari ihn. „Aber solange er sie glücklich macht, ist alles gut.“

Sie lächelte zufrieden vor sich hin und konnte gar nicht in Worte fassen, wie gut ihr dieses Wochenende getan hatte.

Davis und sie hatten den ersten Schritt gewagt und wollten gemeinsam an ihrer Freundschaft arbeiten, die ihr nach all den Jahren nach wie vor wichtig war.

Und all das hatte sie nur einer Person zu verdanken.

Ein verstohlener Blick verirrte sich zu Takeru, der sich bereits die Platte mit den Fleischspießen geschnappt hatte.

Für Kari blieb das restliche marinierte Fleisch, dass sie gleich auf den Grill legen wollten.

„Takeru“, sagte sie seinen Namen behutsam.

„Ja?“, fragte er verwundert.

„Ich möchte mich nochmal ganz herzlich bei dir bedanken. Wegen dir hatte ich die Möglichkeit mich ein bisschen mit Davis auszusprechen. Und das war mir unglaublich wichtig.“

Takeru lächelte nur verlegen.

„Das weiß ich doch. Punkt drei auf deiner Liste.“

Verwundert sah sie ihn an und hielt das Tablett kerzengerade in ihren Händen.

„Punkt drei? Du hast dir sogar die Nummerierung der Punkte gemerkt?“, hakte sie belustigt nach.

„Naja, nicht jeden, aber ich glaube, dass dir dieser Punkt mit am Wichtigsten war oder?“

Stille kehrte ein und Hikari überlegte, was sie darauf antworten sollte.

Alle Punkte waren ihr in gewisser Maßen wichtig, obwohl es auch einige Sachen auf der Liste gab, die ihr mehr bedeuteten als andere.

Die Versöhnung mit Davis hatte eine besondere Priorität, da sie ihn in der Vergangenheit sehr verletzt hatte, ohne es zu wollen.

Dennoch durfte sie davor nicht weglaufen. Sie wollte ihm zeigen, dass er ihr nach wie vor wichtig war. Und vor allem wie sehr sie ihn als Freund schätzte.

Der Anfang war gemacht, jetzt lag es an ihr.

„Ja, da könntest du recht haben. Und ich glaube, wir sind auf einem sehr guten Weg.“

„Das freut mich“, antwortete er matt und sah sie liebevoll an.

Dieses einzigartige Lächeln, dass er an den Tag legte, hinterließ bei ihr eine zarte Gänsehaut und auch ihre Knie wurden auf einmal ganz weich.

Seine Augen strahlten, auch wenn sie blau waren, eine unglaubliche Wärme aus, die sie jedes Mal umhüllte.

Takeru war ein ganz besonderer Mensch in ihrem Leben, das war ihr mittlerweile bewusstgeworden, auch wenn sie sich lange gegen diese Art von Gefühlen gewehrt hatte.

Sie musste sich eingestehen, dass sie mehr als nur Freundschaft für ihn empfand.

Sie hatte sich in sein großes Herz verliebt, das ihre innere Dunkelheit von Tag zu Tag immer mehr vertrieb und ihre unsichtbaren Narben verheilen ließ.
 

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„Du hast, dass mit den beiden gewusst oder?“, fragte er seinen besten Freund, der allmählich seine Sachen zusammenräumte und in seiner kompakten Reisetasche verstaute.

Er drehte sich noch nicht mal zu ihm herum, was Davis wütend werden ließ.

„Hallo? Ignorierst du mich etwa?“

Er pritschte nach vorne zu Ken Bett und musterte ihn herausfordernd.

„Ich habe dich sehr wohl gehört, aber ich weiß nicht, was ich dir antworten soll. Ich habe dir doch gesagt, dass es einen anderen gibt. Was macht es für einen Unterschied, dass es Izzy ist?“, hakte er verständnislos nach und zog den Reißverschluss zu.

„Entschuldige mal, aber das macht einen gewaltigen Unterschied, oder willst du dir das etwa immer mitangucken, wenn wir uns treffen? Diese Liebesbekundungen? Mir würde das auf den Sack gehen!“

Ken seufzte nur, wandte seinem besten Freund den Rücken zu und setzte sich auf sein Bett.

„Natürlich nervt es mich, aber was soll ich machen? Sie weiß von meinen Gefühlen und hat sich trotzdem für ihn entschieden. Und Izzy ist auch ein lieber Kerl! Ich will nicht, dass das alles komisch zwischen uns wird“, gestand er sich ein.

Davis schob Kens Tasche beiseite und legte sich bäuchlings auf die Matratze, die weich unter ihm federte.

Er machte sich ganz klar Sorgen um Ken!

Hätte er gewusst, dass Izzy Yoleis heimlicher Freund ist, hätte er Kens Verzweiflung viel besser nachvollziehen können.

Es war scheiße das Mädchen, dass man liebte an einen anderen Kerl zu verlieren. Was noch beschissener war, war das Mädchen, dass man liebte an einen Freund zu verlieren.

Wahrscheinlich konnte Ken sich nicht vorstellen, wie gut sich Davis in seine Situation hineinversetzen konnte, auch wenn bei ihm das Gegenteil der Fall war.

Mariko mochte Takeru schon vorher und er hatte sich hinterher in sie verguckt, was die Lage jedoch nicht vereinfachte. Er stand im Schatten seines Freundes, während sie ihm immer noch hinterher trauerte.

„Und was möchtest du jetzt tun? Du kannst ihr ja schlecht aus dem Weg gehen“, führte Davis ihm vor Augen.

Schließlich waren sie ja auch alle Mitbewohner.

„Ich bekomme das schon irgendwie hin“, versicherte Ken ihm und krampfte immer wieder seine Hände zusammen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass er sich unwohl fühlte.

Doch Davis konnte doch nicht einfach so lockerlassen. Bevor er allerdings etwas sagen konnte, meldete sich Ken erneut zu Wort.

„Vielleicht besuche ich in nächster Zeit meine Eltern ein bisschen öfter. Mama freut sich immer, wenn ich ein paar Tage bei ihnen bleibe. Und vielleicht ist es danach nicht mehr so schlimm“, meinte er zuversichtlich und zwang sich zu einem Lächeln, dass Davis ihm natürlich nicht abkaufte.

Schmerz konnte man nicht abstellen. Er war allgegenwärtig und quälte einen sogar, wenn man nicht an ihn denken wollte.

Manchmal war es leichter gesagt als getan, Dinge oder Personen hinter sich zu lassen.

Wenn sie einem jedoch so unglaublich wichtig waren, zeigte der Schmerz einem nur, was man verloren hatten. Er war brutal, unbeugsam und echt erbarmungslos.

Daher brauchte man Menschen an seiner Seite, die einen stützen und den nötigen Halt gaben.

Und Davis wollte genau dieser Mensch für seinen besten Freund sein.

Ein Mensch, auf den Ken auch in seiner dunkelsten Stunde bauen konnte.
 

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Schlecht gelaunt schlurfte er in die Küche und riss die Kühlschranktür auf, um sich ein kühles Wasser zu genehmigen. Sein Kopf schmerzte und rings um ihn herum stapelten sich die Bierflaschen, die er unbedingt noch entsorgen musste, bevor Izzy nach Hause kam.

In den letzten zwei Tagen hatte er mehr getrunken, als ihm eigentlich bewusst war.

Doch der Alkohol schaffte es nicht seinen Schmerz zu betäuben.

Er war einfach ein unfassbarer Idiot, der sogar seinen besten Freund vergrault hatte.

Nach der nächtlichen Auseinandersetzung war Yamato am nächsten Tag zu seiner Mutter verschwunden und bisher nicht wieder zurückgekehrt.

Auch wenn er sich wie ein Arsch verhalten hatte, konnte er dennoch nichts für Taichis Situation, weshalb er sich am liebsten doppelt in den Hintern beißen wollte!

Warum lief alles nur so schief?

War er etwa verflucht? Konnte er denn gar nichts richtigmachen?

Er seufzte und knallte die Kühlschranktür wieder zu.

Schwerfällig schleppte er sich an den Küchentisch und ließ sich auf einem Stuhl nieder.

Was zur Hölle hatte er sich nur gedacht? Dass sein überstürztes Handeln all seine Fehler wieder gut machen würden?

Ja, er hatte mit seiner Ex geschlafen, doch konnte Mimi nicht sehen, dass es für ihn bedeutungslos war? Dass sie die Frau war, mit der er zusammen sein wollte?

Doch er konnte sie auch verstehen.

Sie hatte alles mit angehört und es hatte ihn selbst geschockt, dass Sora dachte, sie wäre von dieser einen Nacht schwanger geworden.

Was wäre passiert, wenn diese Annahme zur Realität geworden wäre? Hätte er dann trotzdem mit Mimi zusammen sein können, wenn er mit einer anderen ein Kind gehabt hätte?

Er schluckte.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er ihr diese besondere Frage nicht gestellt hatte, weil er sie von Herzen liebte.

Er hatte sie ihr gestellt, um sie festzunageln.

Ihr das Gefühl zu geben, dass sie die Einzige für ihn wäre, obwohl er sich in den letzten Wochen zunehmend um Sora gekümmert hatte.

Wie hatte all das nur auf sie gewirkt?

Sicherlich konnte sie ihn deswegen überhaupt nicht ernst nehmen.

Er hatte ihr diese Frage gestellt, weil er egoistisch war.

Frustriert legte er die Ellenbogen auf dem Tisch ab und stützte sein Kinn darauf, als er die Haustüre hörte.

Er sah auf und zuckte zusammen. Taichi hatte schon gedacht, dass Izzy zurückgekommen sei, doch die Anspannung verwandelte sich in Erleichterung als er in das Gesicht seines besten Freundes sah.

„Yamato“, murmelte er seinen Namen und wurde auf einmal ganz verlegen.

Auch zu ihm hatte er einige blöde Dinge gesagt, die sein nüchternes Ich, ihm am liebsten um die Ohren schlagen wollte.

Er wollte keinen Streit. Vor allem nicht mit den Menschen, die ihm nach wie vor sehr wichtig waren. Menschen wie Yamato.

„Hey, na geht’s dir besser?“, fragte er behutsam und legte seinen Schlüssel auf die Ablage, die sich im Flur befand.

Taichi zwang sich zu einem Lächeln, schüttelte aber zeitgleich den Kopf, weil er ihm nicht länger etwas vorspielen wollte.

Hätte er gleich die Wahrheit gesagt, wäre Mimi sicherlich nicht gegangen!

„Willst du darüber reden?“

Er presste wehmütig die Lippen aufeinander und fühlte sich in der Zeit auf einmal zurückversetzt.

Er dachte an die Worte, die er zu ihr gesagt hatte, überlegte, ob er etwas hätte anders machen können, doch er kam zu dem Entschluss, dass es nichts an Mimis Entscheidung geändert hätte.

Tai hatte einfach den richtigen Zeitpunkt verpasst und jetzt musste er mit den Konsequenzen leben!

„Ich habe ihr einen Antrag gemacht! Ohne einen Ring und ohne darüber nachzudenken.“

„D-Du hast was?“, hakte Yamato entsetzt nach und setzte sich ihm gegenüber. „Einfach so? Aus einer Laune heraus? Ihr seid doch noch gar nicht lange zusammen.“

„Ich weiß, aber sie wollte wieder zurück in die USA fliegen und ich habe mir nicht mehr zu helfen gewusst“, erklärte er ihm verzweifelt.

„Aber warum? Ich dachte sie wollte länger hier bleiben…“, fasste Yamato ungläubig zusammen.

„Das ist sehr kompliziert, aber ich habe sie sehr verletzt und dachte, dass ich es so wieder gut machen könnte“, meinte er und verstand erst jetzt, wie bescheuert es sich eigentlich anhörte.

Es wiedergutmachen? Kein Wunder, dass sie ihm eine gescheuert hatte.

„Mit einem Heiratsantrag? Aber ist das nicht zu extrem? Bist du dir denn sicher, dass du sie überhaupt mal heiraten willst?“

Typisch Yamato. Hier sprach wohl ganz klar der Pessimist Schrägstrich Scheidungskind aus ihm.

Doch für Taichi gab es nur eine Antwort.

„Ja! Da bin ich mir so sicher wie noch nie! Ich habe noch nie solche intensiven Gefühle für eine Frau gehabt. Ich habe sie vermisst und es wirklich zu merken. Erst als sie wieder da war, spürte ich, dass ich das fehlende Puzzleteil in meinem Leben gefunden hatte. Und ich wollte sie nicht mehr ziehen lassen, aber jetzt ist sie dennoch gegangen.“

Er erinnerte sich an ihr schmerzverzerrtes Gesicht und an die bitteren Tränen, die sich in ihren Augen gesammelt hatten.

Sie war so enttäuscht gewesen, schrie ihn an und weinte bitterlich.

„Ihr Ex-Freund hatte ihr vor ein paar Wochen ebenfalls einen Antrag gemacht. Sie hat mir vorgeworfen, dass ich nicht besser als er wäre. Dass pure Berechnung hinter meinen Worten steckte, obwohl ich sie schon ernst gemeint hatte, aber sie gerne unter anderen Bedingungen gefragt hätte. Danach hat sie mich einfach rausgeworfen und mich nicht mehr reingelassen“, erzählte er weiter.

„Und dann bist du einfach so gegangen? Das hört sich aber nicht nach dem Taichi an den ich kenne“, meinte Yamato.

„Es hätte nichts mehr geändert, glaub mir. Ich habe Scheiße gebaut und kann sie nicht mehr rückgängig machen.“

„Und deswegen gibst du einfach so auf?“ Skeptisch musterte Yamato ihn.

„Das habe ich doch gar nicht gesagt“, wehrte er sich und wandte den Blick von ihm.

Nein, er wollte nicht aufgeben. Er wollte kämpfen, aber sie brauchte jetzt einfach ein bisschen Zeit.

Zeit, die er ihr unbedingt geben wollte. Er war nicht bereit sie erneut zu verlieren.

„Dann solltest du dich in den nächsten Flieger setzen und sie zurückholen“, erwiderte er mit brennendem Blick.

Überrascht sah Taichi ihn, da er so einen entschlossenen Ausdruck noch nie zuvor bei seinem besten Freund gesehen hatte.

„A-Aber ich habe doch gesagt, dass es nicht so einfach ist.“

„Ach komm schon! Was ist so schlimm, sodass sie dir nicht verzeihen würde?“, fragte er unnachgiebig.

Taichis Herz setzte für einen kurzen Moment aus, da ihm bewusstwurde, dass er vor der Wahrheit nicht länger davonlaufen konnte. Weder vor Mimi, noch vor Matt.

Wahrscheinlich könnte er die Situation besser verstehen, wenn er ALLES wusste.

Taichi atmete daher tief ein und wieder aus, bevor er den Tatsachen Worte verlieh, die seine Beziehung zu Mimi schon erschüttert hatten.

„Ich habe mit Sora geschlafen“, sprach er endgültig aus und blickte in das entsetzte Gesicht seines besten Freundes.
 

Fortzsetzung folgt...

[Akt 3] Kontaktabbruch.


 

I don't know who I am without you.

Tell me you love me, Tell me you love me. Demi Lovato. 2017.
 


 

11. Oktober 2010. Odaiba, Japan. Parkgelände.
 

„Und warum meldet er sich nicht bei mir?“, fragte Taichi aufgebracht und funkelte seine Schwester verzweifelt an. Das Chaos, dass sich in seinem Herzen befand, hatte sich auch nach zwei Monaten immer noch nicht beruhigt. Er musste etwas tun, doch er war so hilflos wie ein Fisch auf dem Trockenen, der das Salzwasser unter seinen Kiemen herbeisehnte.

„Ich habe dir schon mal gesagt, dass Wallace mit dem Studium viel zu tun hat und es nicht einfach schleifen lassen kann. Nicht so wie du!“

Der Ton seiner Schwester ärgerte ihn ungemein. Sie klang richtig vorwurfsvoll und brachte überhaupt kein Verständnis für seine Situation auf, jedenfalls kam es ihm so vor.

„Was willst du mir denn damit jetzt sagen?“, fragte er gereizt.

„Das ich mir Sorgen um dich mache. Mama und Papa übrigens auch“, erwiderte sie und senkte den Blick. „Ich glaube, zwei Sorgenkinder verkraften sie nicht.“

Taichi schluckte. Seit Hikari wieder zu ihren Eltern gezogen und ihnen die Wahrheit erzählt hatte, hatte sich einiges verändert.

Mittlerweile besuchte sie regelmäßig einen Therapeuten, der mit ihr ihre Vergangenheit aufarbeitete und ihr einen neuen Weg aufzeigte, den sie nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Therapie einschlagen wollte.

Schuldgefühle legten sich auf einmal über ihn und erschwerten ihm das Atmen.

In den letzten Wochen hatte er sich äußerst egoistisch verhalten, nur um seinem Ziel ein Stückchen näher zu kommen.

Er arbeitete von früh bis spät, besuchte kaum noch Veranstaltungen an der Uni und vernachlässigte sowohl seine Familie als auch seine Freunde, was ihm schmerzvoll bewusstwurde.

„Tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. I-Ich denke, ich bin wohl einfach ziemlich verzweifelt“, gab er kleinlaut zu und suchte erst gar nicht nach den passenden Ausreden, die ihn sowieso nicht weiterbringen würden.

Mittlerweile hatte er sogar Karis Freund Wallace vor den Karren gespannt, um Informationen über Mimis Verbleib herauszufinden.

Auch sie hatte einen gewaltigen Schlussstrich gewagt, indem sie in die USA zurückgekehrt war.

Jegliche Kontaktversuche scheiterten und selbst bei seiner Schwester meldete sich Mimi meist nur sporadisch, weshalb Wallace als Spitzel vor Ort sicher keine schlechte Idee war.

Allerdings wusste Taichi nicht viel. Von Wallace hatte er lediglich erfahren, dass Mimi ein Urlaubssemester genommen hatte und zurzeit in einem kleinen Café in New York arbeitete.

Mehr hatte selbst er nicht herausfinden können, was Taichi gewaltig fuchste.

Er wollte sie wiedersehen und sparte wie ein Verrückter für seinen Flug nach New York. Wenn er so weitermachen würde, hätte er Anfang November genügend Geld angespart, um sich den Flug und einige Tage in New York leisten zu können.

Jedoch durfte er nicht vergessen, dass er sich immer noch im hier und jetzt befand. Es gab Menschen, die ihn brauchten und auch seine Schwester gehörte dazu.

„Wie läuft die Therapie denn? Machst du gute Fortschritte?“, fragte er behutsam nach und lehnte sich gegen die Parkbank, auf der sie saßen.

Hikari lächelte nur matt und strich eine braune Haarsträhne aus ihrem Gesicht.

„Sie findet es gut, dass ich die Liste abarbeite. Und heute steht auch schon der nächste Punkt darauf an“, sagte sie und klang richtig euphorisch.

„Und was hast du diesmal geplant?“, hakte er neugierig nach.

„Tja…das erfahren nur wenige Auserwählte.“

„Und ich gehörte nicht dazu?!“

Sie schüttelte nur den Kopf und lächelte lieblich. „Tut mir leid, große Brüder sind leider unerwünscht.“

„War ja klar“, er verdrehte die Augen, konnte aber nicht verbergen, dass es ihn glücklich machte, sie so unbeschwert zu sehen. Je länger sie wieder hier war, desto besser schien es ihr zu gehen.

„Kommt Takeru denn wieder mit?“

Es war eine Frage, die ihm einfach auf der Zunge brannte. Er fühlte sich wohler, wenn er dabei war und Kari jemanden hatte, an den sie sich anlehnen konnte.

Doch schon länger bemerkte er, dass sie sich komisch verhielt, wenn er den Namen ihres besten Freundes in den Mund nahm.

Sie zuckte auch heute sofort zusammen und schielte ertappt zur Seite.

„Natürlich kommt er mit. Wie immer eben“, versuchte sie es abzuschwächen, doch ihre nervöse Stimmfarbe ließ Taichi stutzig werden.

„Also seid ihr alleine unterwegs?“

Sie musste gar nicht antworten, damit Taichi wusste, dass sie sich alleine mit Takeru verabredet hatte.

Anscheinend konnten sich Beziehungen in einer unglaublichen Geschwindigkeit verändern. Aus einer flüchtigen Bekanntschaft konnte eine innige Freundschaft entstehen. Aus einer jahrelangen Freundschaft konnte sich eine leidenschaftliche Liebe entwickeln.

Aber auch eine Rückentwicklung war möglich, wenn man denjenigen verletzte, den man eigentlich so sehr geliebt hatte.

Er hatte nämlich das Gefühl, dass Mimi und ihn nur noch eine flüchtige Bekanntschaft miteinander verband und das lodernde Feuer allmählich verglühte, wenn er nicht bald etwas unternehmen würde.
 

_
 

Er seufzte und schluckte seine Zweifel hinunter, bevor er die Klingel betätigte.

Mittlerweile war es schon Abend geworden, doch für Oktober war es immer noch recht mild, weshalb ihrem Vorhaben auch nichts im Wege stehen sollte.

Dennoch war Takeru nervös.

War es nicht illegal, was sie gemeinsam vorhatten? Wieso hatte sie sowas überhaupt auf ihrer Liste stehen?

Was wenn sie erwischt werden würden? Bestimmt würden ihre Eltern den Kontakt zu ihm verbieten!

Doch er hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken.

Sie öffnete bereits die Tür und lächelte ihn vollkommen begeistert an.

„Na, bist du bereit?“, fragte sie nervös und verabschiedete sich schnell von ihren Eltern, bevor sie die Tür hinter sich schloss.

„Naja wäre sicher komisch, wenn ich es nicht wäre. Findest du wirklich, dass das so eine gute Idee ist? Was wenn wir erwischt werden?“

„Ach, das werden wir schon nicht“, winkte Hikari sofort ab und setzte sich in Bewegung.

„Aber sowas können wir doch nicht wissen!“, stellte Takeru fest und versuchte mit ihr mitzuhalten.

„Ich wusste ja nicht, dass du so ein Angsthase bist“, trällerte sie fröhlich und wirkte unbeschwert auf ihn.

Hatte sie denn überhaupt keine Angst? Wie konnte sie nur so ruhig bleiben?

„Ich bin kein Angsthase“, verteidigte sich er sofort. „Aber trotzdem darf ich doch wohl meine Bedenken äußern.“

„Also wenn du so denkst, werden wir ganz sicher erwischt. Aber ich habe mir extra eins ausgesucht, dass ein bisschen unbekannter ist. Außerdem ist es schon seit gut zwei Wochen geschlossen“, beruhigte sie ihn.

Doch in Takerus Innern herrschte immer noch das pure Chaos, dass durch die Stimme seines Gewissens verstärkt wurde.

Wie kam Kari auch auf die Idee ausgerechnet in ein Schwimmbad einzubrechen?

Bestimmt würde man sie erwischen!

So etwas Illegales hatte er in seinem Leben noch nicht getan. Und jetzt würde er ausgerechnet für seine beste Freundin in den Knast wandern!

Okay, vielleicht sah er wirklich alles zu dramatisch, aber diese Liste ließ ihn allmählich wahnsinnig werden!

Er wusste, dass nicht mehr viel fehlte, aber bei einigen Dingen war er gespannt, wie sie es umsetzen sollten.

Er war kein Zauberer, aber dennoch versuchte er für sie etwas Magisches zu erschaffen.
 

_
 

„Er ist ja schon wieder da“, murmelte Sora, während sie die Bestellung fertigmachte. „Hast du ihm etwa gesagt, wie ich arbeite?“

Yolei runzelte verwirrt die Stirn. „Warum sollte ich das tun? Und nur zu deiner Info: Er kommt fast jeden Abend nach der Uni her. Ich schätze mal nicht, dass er genau weiß, wann du arbeitest.“

„Oh man, ich fasse es nicht“, sagte sie ungeduldig und tippte mit dem Finger auf die Theke, während sie auf die warmen Getränke wartete, die gerade von ihrem einzigartigen Kaffeevollautomaten zubereitet wurden.

„Seine Anwesenheit scheint dich ja ganz schön aus dem Konzept zu bringen. Ich finde seine Bemühungen echt süß.“

„Ja, das schon, aber ich habe dir doch erklärt, dass ich für sowas noch nicht bereit bin. Das Date war ein Fehler“, gestand sich Sora ein und blickte wieder unweigerlich zu Takeomi, der sie heimlich beobachtete.

Sie fand ihn schon unglaublich süß und hatte sich während ihrer Verabredung auch unglaublich gut mit ihm verstanden gehabt, aber dennoch fühlte es sich für sie nicht richtig an.

„Vielleicht kannst du ihm ja dezent durch die Blume sagen, dass ich emotional geschädigt bin und deswegen Beziehungen eher vermeide.“

„Das werde ich ihm ganz sicher nicht sagen, auch wenn wir morgen eine Veranstaltung zusammen haben“, knurrte Yolei aufgebracht.

Sora wusste, dass ihre Freundin es nur gut gemeint hatte als sie ihr Takeomi, einen Kommilitonen, vorgestellt hatte.

Doch nach all den harten Wochen brauchte Sora einfach noch ein bisschen Zeit für sich.

Sie war nicht bereit Platz für jemand Neuen zu machen, was auch unweigerlich mit Yamatos Liebesgeständnis zu tun hatte.

Sie hatte damit überhaupt nicht gerechnet gehabt, aber dennoch hatte sich nichts zwischen ihnen verändert. Die Distanz schien noch größer geworden zu sein, denn seit jenem Tag hatte sie nichts mehr von ihm gehört gehabt.

Er war aus ihrem Leben verschwunden, so als wäre er ein Geist, der niemals existiert hatte.

Und dann gab es da noch Takeomi, der sie fast jeden Abend im Café besuchte und auf ein weiteres Date hoffte.

„Vielleicht solltest du ihm noch eine Chance geben! Ihr braucht doch nichts zu überstürzen! Du musst ihn ja nicht gleich heiraten“, erwiderte Yolei mit einer Unbeschwertheit, die Sora insgeheim bewunderte.

Seit sie offiziell mit Izzy zusammen war, konnte man Yolei Glück förmlich spüren. Jede Faser ihres Körpers schien völlig mit sich im Reinen zu sein, ein Schritt von dem Sora noch weit entfernt war.

„Ich weiß nicht so recht. Er ist sehr nett und ich…“

„Sora bitte red‘ dich nicht wieder raus! Du versucht immer nur nach Gründen zu finden, warum du nicht liebenswert bist, obwohl du genau weißt, dass das völliger Unsinn ist! Du hast verdient glücklich zu sein, egal, was in der Vergangenheit passiert ist. Wenn er dich liebt, liebt er alles an dir, ohne Ausnahme!“

Yoleis fester Blick war auf sie gerichtet, sodass Sora gar nicht richtig wusste, was sie darauf antworten sollte.

Sie hatte ja recht, aber…

„So, jetzt bringst du die Bestellung zu Tisch 5 und dann redest du mit ihm! Und wehe du gibst mir Widerworte“, sprach Yolei einfach weiter, holte die beiden heißen Tassen und stellte sie bestimmend auf Soras Tablette.

Unsicher richtete Sora erneut den Blick zu Takeomi, der sie ebenfalls ansah und ein liebevolles Lächeln auf den Lippen hatte.

„Na los“, feuerte Yolei sie abermals an, bevor Sora sich mit klopfendem Herzen in Bewegung setzte.
 

_
 

Behutsam strich er über die Saiten seiner Gitarre und ein melodischer Klang erfüllte sein Zimmer, der im Nachhall jedoch sehr traurig wirkte.

Yamato saß auf seinem Bett und hatte den Blick zum Fenster gerichtet. Es war bereits dunkel und er befand sich alleine in der Wohnung.

Izzy war heute Abend noch mit Yolei verabredet, da sie ins Kino wollten und Taichi hatte sich mal wieder mit Arbeit zugeschüttet, sodass er seinen besten Freund kaum noch zu Gesicht bekam.

Anfangs war ihm das sogar ganz recht gewesen, da er mit Taichis Geständnis absolut nicht zurechtkam.

Er hatte sogar eine Zeitlang bei seiner Mutter gewohnt, da er absolut nicht nachvollziehen konnte, was aus ihrer Freundschaft geworden war.

Jeder hatte sein Geheimnis, dass jedoch eines Tages sowieso ans Tageslicht kommen würde.

Nie im Leben hatte er damit gerechnet, dass Sora und Tai nach ihrer Trennung nochmal was miteinander haben könnten, besonders nicht nach der gemeinsamen Nacht, die er mit Sora erleben durfte.

Fakt war allerdings, dass Sora tatsächlich sogar kurz hintereinander mit beiden geschlafen hatte!

Und das war noch nicht mal die eigentliche Tatsache, die ihn schockte.

Nachdem er sich mit Taichi ausgesprochen hatte, erfuhr er nach und nach immer mehr Hintergründe, unteranderem auch, dass Sora dachte, dass sie schwanger gewesen wäre.

Während sie Tai hinterher von ihrem Verdacht berichtete, hatte sie ihn einfach außen vorgelassen, obwohl er genauso beteiligt gewesen wäre.

Ein leichter Stich zog sich durch seinen Brustkorb und brachte ihn dazu, sein melancholisches Spiel zu unterbrechen.

Niedergeschlagen legte er seine Gitarre beiseite und kramte sein Handy hervor.

Seit seinem Liebesgeständnis hatte er nicht mehr mit Sora gesprochen gehabt. Und auch sie hatte sich kein einziges Mal bei ihm gemeldet, was ihn deutlich hinterfragen ließ, ob sie tatsächlich genauso empfand wie er.

Matt hatte den ersten Schritt gewagt, doch nachdem, was alles passiert war, hatte er nicht das Gefühl, dass es für sie eine gemeinsame Zukunft geben würde.

Er hatte sich zwar mit Taichi ausgesprochen, der ihm ebenfalls versichert hatte, dass es eine einmalige Sache ohne Gefühle war, aber dennoch konnte er die Wut und diesen unbändigen Schmerz darüber kaum in Worte fassen.

Er hatte versucht einen Song über seine Empfindungen zu schreiben, doch meist saß er vor einem leeren Blatt, da seine Worte das Papier nicht angemessen füllen konnten.

Er konnte dem, was er fühlte, mit seinen Worten einfach nicht gerecht werden!

Es war aussichtslos. Er befand sich mitten in einem tiefen Loch. Einer Sinneskrise, aus der kein Ausweg führte.

Seufzend öffnete er seinen Posteingang und scrollte zu Soras Namen. Er öffnete ihre Nachrichten und stellt fest, dass sie ewig nicht mehr miteinander geschrieben hatten. Ihre letzte Nachricht war vor ihrer ersten gemeinsamen Nacht gewesen.

Im Juni. Kurz nachdem die Sache mit Hikari geschehen war.
 

Ich kann dich nicht verstehen! Du machst noch nicht mal Halt vor der Schwester deines besten Freundes. Wie kann man nur so schwanzfixiert sein? – Sora.
 

Schwanzfixiert. So direkt kannte er sie gar nicht und er musste schmunzeln, wenn er ihre Worte las, die die letzte Hoffnung in ihm weckten.

Reagierte man so, wenn keine Gefühle im Spiel waren?

Hatte er vielleicht doch den Hauch einer Chance, das Ruder erneut herumzureißen und endlich die Beziehung zu führen, die er sich insgeheim all die Jahre wünschte?

Hoffnungsvoll tippte er eine SMS an sie, doch mit jedem Wort wurden seine Finger schwerer.

Auf einmal hörte er auf und blickte auf die geschriebenen Worte, die sein Herz bedrückten.
 

Ich möchte dich sehen! Heute Abend noch! – Yamato.
 

Er schluckte und realisierte erst jetzt, wie fordernd seine Worte wirkten. Schnell löschte er die Nachricht wieder und begann erneut.
 

Können wir uns heute treffen? Ich würde dich gerne sehen. – Yamato.
 

Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Konnte er sowas abschicken? Er hatte sich doch wochenlang nicht bei ihr gemeldet! Er hatte ihr noch nicht mal eine Begründung für sein Verhalten geliefert!

Deswegen löschte er auch diese Nachricht wieder und startete einen weiteren Versuch.
 

Ich weiß, das mit dir und Taichi und würde gerne mit dir darüber sprechen! Ich weiß, dass alles echt beschissen zwischen uns gelaufen ist, aber ich will nicht das, was wir hatten aufgeben! Bitte melde dich. – Yamato.
 

Unzufrieden starrte er auf die Kurznachricht und schüttelte nur den Kopf. Er konnte doch nicht mit der Tür ins Haus fallen und ihr einfach sagen, dass er das mit ihr und Taichi wusste. Bestimmt war ihr die Sache alles andere als angenehm.

Nein, auch diese Nachricht konnte er so definitiv nicht abschicken. Er musste sie ebenfalls löschen!

Kaum hatte er es erledigt gehabt, warf er auch schon sein Handy beiseite und rieb sich über seine Schläfen.

Er bekam Kopfschmerzen und ärgerte sich über seine eigene Feigheit, die ihm das Leben schwermachte.

Konnte er nicht einmal ein Fünkchen Mut besitzen? Seit wann war er überhaupt so schüchtern?

Sein Leben war einfach nur zum Kotzen…

Plötzlich ertönte ein leises Klingeln, dass seine Aufmerksamkeit erregte.

Er blickte auf sein Handy, dessen Display ihm eine neue Nachricht anzeigte.

Verwundert öffnete er sie und stellte fest, dass sie von Sora war.
 

Wie bitte? Woher weißt du davon? – Sora.
 

Seine Augen weiteten sich und die blanke Panik bereitete sich in seinem Körper aus, sodass er leicht Zittern musste.

Hatte er? Nein, nie im Leben! Er hatte es doch gelöscht…

„Oh Scheiße…nein, das darf nicht wahr sein! Shit!“, fluchte er, nachdem er feststellte, dass er die Nachricht nicht gelöscht, sondern an Sora gesendet hatte.
 

_
 

„Okay, wir sind hier!“, sagte Takeru, während Hikari den Zaun betrachtete, der sie von dem Schwimmbad trennte.

Auch wenn sie es nicht zugeben wollte, war sie sehr nervös.

Natürlich hatte auch sie Angst erwischt zu werden, aber dieses kribbelige Gefühl, jeden Augenblick etwas Verbotenes zu tun, beflügelte sie auch, weshalb sie keine Sekunde mehr an sich halten konnte.

„Dann legen wir mal los! Wir könnten versuchten über die Sträucher zu Klettern! Über den Zaun werden wir es sicher nicht schaffen“, rätselte sie und blickte Takeru herausfordernd an, der sich jedoch nur ängstlich umblickte.

„Hey, jetzt beruhig dich doch mal. Hier ist niemand! Wir sind zu weit außerhalb und es wird sich sicher keiner stören, wenn wir ein bisschen schwimmen gehen“, versuchte sie ihn zu beruhigen.

„Was du willst auch schwimmen gehen? Ich habe keine Badesachen dabei“, erwiderte er peinlich berührt.

Hikari kicherte nur. „Wozu gibt es denn Unterwäsche, oder trägst du etwa keine?“, fragte sie spitzfindig, bevor sie realisierte, was sie da zu ihm gesagt hatte.

Plötzlich lief sie knallrot an und bereute ihre Worte umgehend, auch wenn sie sich vor Takeru cool geben wollte.

Ihr fiel deswegen auch gar nicht auf, dass ihre Worte, auch ihn völlig aus dem Konzept gebracht hatten!

„Ähm…naja erstmal müssen wir wohl reinkommen“, stammelte ihr bester Freund und versuchte das Gesagte möglichst zu ignorieren, was bei Hikari ein unwohles Gefühl hinterließ.

Ihr Spruch war sehr provokant gewesen, aber dennoch schien er gar nicht darauf eingehen zu wollen, was sie ärgerte.

Seit sie wieder so ein inniges Verhältnis zueinander aufgebaut hatten, veränderten sich ihre Gefühle allmählich, während sie bei Takeru einfach nicht mehr durchblicken konnte.

Er war nach wie vor sehr lieb zu ihr, aber sie hatten bisher nicht mehr über diesen Kuss gesprochen, der in ihr etwas ausgelöst hatte.

Anfangs dachte sie, dass es eine reine Impulshandlung war, da Takeru derjenige war, der sie wegen des Verlust ihres Babys aufgefangen hatte.

Mittlerweile glaubte sie nicht mehr daran.

Doch wie sollte sie ihm das nur verständlich machen?

Sie hatte ihn doch schon genug verletzt und dass Letzte, was sie wollte, war ihre zarte Freundschaft erneut zu gefährden, nur weil sie sich in seinen Armen so sicher und geborgen fühlte.

Vielleicht war sie auch einfach egoistisch und wollte ihn in ihrer Nähe haben, um sich besser zu fühlen.

Konnte man sowas überhaupt als Liebe bezeichnen? Oder spielen ihre Gefühle ihr mal wieder einen Streich?

Frustriert sah sie sich um, doch Takeru war bereits weitergegangen und suchte nach einem geeigneten Eingang.

Langsam folgte sie ihm und überlegte, ob es tatsächlich so eine gute Idee war mit ihm alleine herzukommen. Wäre Yolei oder noch einer von den Jungs dabei gewesen, hätte sie sicherlich solche Gedanken, die ihre Sinne vernebelten und sie zum gemeinsamen Nachtschwimmen anregten.

„Ich glaube da hinten kommen wir auch so durch! Anscheinend hat niemand gesehen, dass die Hecke dort hinten abgestorben ist. Wir müssen nur ein paar Äste entfernen“, erklärte er ihr ausführlich. „Bist du dir immer noch sicher, dass du das machen willst?“

Ihre Blicke trafen sich erneut und deutliche Zweifel stiegen in ihr auf.

Was wollte sie mit dieser Aktion nur bezwecken? Sie hätte sich doch für etwas völlig anderes entscheiden können, aber sie hatte diese Situation, wenn sie ehrlich war, mit Absicht heraufbeschworen.

Sie wollte eine Lage schaffen, in der beide auf sich gestellt waren und in der sie sich fallen lassen konnten. Eine reine Impulshandlung, die ihr verraten sollte, wie es mit ihnen weitergehen konnte.

Kari wusste, dass sich all das ziemlich wirr anhören musste, aber sie wollte niemanden mehr verlieren, der ihr wichtig war. Deswegen musste sie sich ihrer Gefühle klarwerden, um Takeru nicht noch weiter zu verletzen.

Und auch, wenn ihr Verstand sagte, dass es besser wäre, nicht über die Hecke zu klettern, sprach ihr Herz eine ganz andere Sprache.

„Ja, so sicher wie noch nie“, antwortete sie felsenfest und war bereit. Bereit für all das, was in dieser Nacht auch noch geschehen würde.
 

Fortsetzung folgt...

Chancenreichtum.


 

You were the only one, that even kinda came close.

Hold me tight or don’t, Mania. Fall out Boy, 2018.
 


 

Kaum hatten sie es über die Hecke geschafft, machte sich schirre Panik in ihm breit. Er betrat tatsächlich unbefugtes Gelände. Sie taten etwas Illegales, in der Hoffnung vor möglichen Konsequenzen verschont zu bleiben.

Doch Takerus Anspannung wuchs je mehr sie das Schwimmbad erkundigten. Eine große Rasenfläche erstreckte sich vor ihnen. Es gab zwei Schwimmbecken, dass für Kinder und Erwachsene geeignet war.

Hinter der Wiese befand sich ein kleiner Spielplatz, damit auch die Kleinsten den vollen Schwimmbadspaß mitnehmen konnten.

Ein Kiosk und eine Imbissbude befanden sich am Eingang, sowie auch die Toiletten und Spintreihen, um seine Sachen darin einschließen zu können.

Doch Takerus Blick richtete sich erneut zu dem Schwimmbecken, dass Hikari tatsächlich erkunden wollte.

„Und du willst wirklich schwimmen gehen? Findest du es nicht etwas zu kalt dafür?“, hakte er nach und betrachtete die seichten Bewegungen des Wassers.

Der Geruch von Chlor stieg unweigerlich in seine Nase, als Hikari tatsächlich ihre Tasche auf das Gras sinken ließ.

Ihr Blick war unergründlich, dennoch wirkte er sehr fokussiert.

Ein Strahlen war in ihren braunen Augen deutlich zu erkennen, sodass Takeru wusste, dass er sie von dieser Idee nicht abbringen konnte.

„Also das deute ich jetzt einfach mal als ein ‚Nein‘. Temperatur hin oder her. Aber wenn du dich erkältest, dann…“

„Ich bin kein kleines Kind mehr“, unterbrach sie ihn scharf. „Du kannst mich nicht vor allem beschützen und das musst du auch nicht.“

Sie zog ihre Schuhe und Socken aus und rannte einfach los. Takeru hatte kaum einen Moment Zeit zu reagieren.

„Hey warte!“, rief er ihr nach und versuchte ebenfalls seine Schuhe zu entfernen.

„Na los komm! Wir haben nicht ewig Zeit“, quiekte sie und steuerte direkt auf den Beckenrand zu, bevor sie kurz stehen blieb.

Aufgeregt blickte sie auf die Wasseroberfläche, in der sich der helle Mond spiegelte.

„Und du willst das jetzt wirklich machen?“, fragte er erneut, doch Hikari zog bereits ihr Shirt über ihren Kopf und entblößte sich vor ihm im BH.

Auch wenn Takeru nicht gucken wollte, konnte er sich einfach nicht nehmen lassen einen Blick zu wagen. Sie trug einen rosanen Spitzenbh und den dazugehörigen Slip, den sie ihm als Nächstes präsentierte, nachdem sie aus ihrer Jeans geschlüpft war.

Seine Wangen wurden auf einmal ganz warm, als er sie so leicht bekleidet vor sich sah.

„Na los, oder kommst du nicht mit rein?“, fragte sie lächelnd. Ihr schien es überhaupt nichts auszumachen, dass er sie so sehen konnte.

Bestimmt, weil sie immer noch in ihm nur einen Freund oder wohl eher einen Bruder sah, vor dem man sich nicht schämen brauchte.

Frustriert stöhnte er auf und entledigte sich eher widerwillig seinen Kleidungsstücken, die neben Hikaris Klamotten landeten.

Unbehaglich näherte er sich ihr und verschränkte die Arme vor seiner Brust, um sich etwas zu wärmen.

„Das ist eine Schnapsidee“, fluchte er und blickte nach unten.

„Aber trotzdem hast du sofort deine Sachen ausgezogen“, trällerte Hikari fröhlich und musterte ihn auffällig.

Ihr Blick schweifte über seinen Körper, sodass Takeru sich komplett nackt fühlte, obwohl er noch eine Unterhose trug.

„Starr dich so“, grummelte er. „Das ist schon unangenehm genug.“

„Tut mir leid“, entschuldigte sie sich leise und wandte das Gesicht von ihm.

Ob sie ihn mit seinem Bruder verglich?

Er schluckte.

Ja, sie sahen sich sehr ähnlich. Ähnlicher als Takeru überhaupt wollte.

Und er konnte nicht behaupten, dass ihn diese Tatsache sonderlich glücklich machte.

Plötzlich spürte er ihre zarten Finger auf seinem Oberarm, die eine deutliche Gänsehaut bei ihm hinterließen.

Überrascht schaute er sie mit weitaufgerissenen Augen an und sah einen Gesichtsausdruck, den er noch nie zuvor bei seiner besten Freundin gesehen hatte.

Ihre Wangen waren leicht gerötet und ihre Augen wirkten so, als wollten sie viel mehr sagen, als sie eigentlich über ihre Lippen brachte.

„Gibst du mir deine Hand?“, fragte sie fast schon ein wenig eingeschüchtert.

Er löste seine angespannte Haltung und verschränkte seine Finger mit ihren.

„Okay, dann gibt es wohl kein Zurück mehr, oder?“

„Das gibt es doch nie“, antwortete sie zurückhaltend. „Wir schreiten immer voran!“

Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, da er ihre optimistischen Worte nur allzu gerne hörte.

Sie war auf dem Weg der Besserung und er würde an ihrer Seite stehen. Egal, was auch passierte.

„Gut, dann auf drei?“

„Ja“, hauchte sie ihm entgegen, während er zu zählen begann.

„Eins…“

Beide verstärkten ihren Griff und richteten den Blick auf das windstille Wasser.

„Zwei…“

Sie machten sich bereit, sprangen aber noch nicht ab.

„Drei!“

Takeru nahm leicht Anlauf und sprang ab, während er immer noch Hikaris Hand hielt.

Er tauchte in das kalte Wasser ein, dass ihn prompt nach unten drückte.

Schnell schwamm er zurück an die Oberfläche und suchte auch schon nach Hikari, die er unter Wasser verloren hatte.

Schnaufend tauchte er auf und blickte auf den Haarvorhang seiner besten Freundin, die hustend versuchte ihre freie Sicht wiederzuerlangen.

Ihre Haarspange hatte sich gelöst und Hikari fuhr sich hektisch durch das Gesicht, was Takeru deutlich amüsierte.

„Dafür, dass du nicht reinspringen wolltest, hast du aber eine Menge Spaß“, stellte Hikari bissig fest.

„Naja, wenn du dein haariges Gesicht sehen würdest, wärst du sicher genauso amüsiert wie ich“, tönte er überheblich und näherte sich ihr langsam, um ihr zu helfen.

„Haha, ich lache mich gleich tot! Ich hätte einen Pferdeschwanz machen sollen“, murrte Hikari wehleidig.

„Warte ich helfe dir“, versprach Takeru und führte sie zum Rand, damit sie wieder stehen konnten.

„Also du machst der bärtigen Dame wirklich Konkurrenz“, erwiderte er belustig, nachdem Hikaris Haare immer noch ihr Gesicht versteckten.

„TK, das ist so gemein von dir“, antwortete sie beleidigt, fuhr mit der Hand unter ihren Haarvorhang und strich ihn komplett nach hinten, sodass eine Tolle entstand, die Takeru jedoch noch mehr zum Lachen brachte.

„Jetzt siehst du echt aus wie Elvis“, sagte er sofort, während Kari erbost zu ihm schaute.

„Na warte! Dir wird das Lachen noch vergehen“, drohte seine beste Freundin spielerisch.

„Ach komm schon, das ist wirklich witzig“, rechtfertigte er sich, bevor seine Freundin sich jedoch auf ihn stützte und unter Wasser drückte.
 

_
 

„Und wie hat dir der Film gefallen?“, fragte Yolei freudig und hakte sich bei ihm unter.

„Naja, er war ganz gut“, antwortete er unsicher und starrte zu Boden.

Wenn er ehrlich war, hatte er nicht sonderlich aufgepasst, sondern hing seinen eigenen Gedanken während der gesamten Vorstellung nach.

„Nur ganz gut? Ich fand ihn fantastisch!“, erwiderte Yolei verständnislos.

Doch Izzy war nicht danach mit ihr zu diskutieren, weshalb er sich bedeckt hielt.

Er war froh endlich in sein Bett zu fallen und sich von diesem anstrengenden Tag zu erholen.

Auch wenn er Yolei den Abend nicht verderben wollte, musste er zugeben, dass er sich heute ziemlich übernommen hatte.

Nach der Uni war er direkt zum Café geeilt, um Yolei fürs Kino abzuholen.

Er war bereits hundemüde gewesen, aber er wollte sie auch nicht enttäuschen, weshalb er sich vor ihr versuchte zusammen zu reißen.

Er wollte ihr doch ein guter Freund sein, der sie auf Händen trug und ihr jeden Wunsch von den Lippen ablas.

Er wollte seinen eigenen hohen Erwartungen gerecht werden, die er sich selbst auferlegt hatte, wohlwissend, dass er sie wohl niemals erfüllen konnte.

Das Leben war einfach ein Chaos, dass jeden Tag eine neue Überraschung für ihn bereithielt.

Überraschungen, mit denen er nicht zwangsläufig gerechnet hatte.

Er beobachtete Yolei aus dem Augenwinkel heraus und presste wehmütig die Lippen aufeinander, während sie sich liebevoll an ihn kuschelte.

Sie waren endlich offiziell ein Paar, was ihn äußerst glücklich stimmte, wenn da nur nicht diese eine Sache wäre…

„Kommst du noch mit zu mir?“, fragte er mit brüchiger Stimme und kämpfte gegen sein schlechtes Gewissen an, das ihn bereits seit letzter Woche verfolgte.

„Lenke ich dich auch nicht zu sehr ab?“, hakte sie kess nach und zwinkerte ihm zu. „Du hast doch morgen schon zeitig Uni.“

„Ach, das klappt schon“, antwortete er gespielt locker und hauchte ihr einen kurzen bitter schmeckenden Kuss auf die Lippen.

Heute Abend würde er mit ihr reden – das hatte er sich fest vorgenommen!

In einer ganz entspannten Atmosphäre, ohne irgendwelche Hintergedanken.

Bestimmt würde sie seine Sachlage verstehen.

So eine Chance bot sich ihm ja nicht alle Tage!

Dennoch grummelte sein Magen vor Nervosität.

Was, wenn sie die Neuigkeiten nicht gut aufnahm? Er war überhaupt nicht gut darin, solche großen Entscheidungen schonend zu verpacken. Izzy war mehr wie eine Elefant im Porzellanladen, der alles zu Bruch brachte, was ihm in den Weg kam.

Doch diese Beziehung wollte er nicht gefährden. Sie war das Kostbarste, das er in seinem Leben zurzeit besaß, aber dennoch konnte er nicht leugnen, dass seine Zukunft förmlich nach ihm schrie.

Er hatte vor kurzem das Angebot für ein Auslandssemester in den USA erhalten. Von der Caltech, um genau zu sein – eine der Eliteuniversitäten rund um Technik.

Ein geheimer Traum, der sein Herz deutlich zum Höherschlagen brachte.

Nie im Leben hatte er erwartet gehabt, dass sich ihm eine solche Chance je bieten würde. Nicht mal in seinen kühnsten Träumen.

Allerdings fand er sich jetzt in einem Zwiespalt wieder, der ihn nachts nicht schlafen ließ.

Was sollte er tun? Auf seinen scharfen Verstand hören, der ihm sagte, dass er diese Chance nur einmal im Leben haben würde?

Oder auf sein flehendes Herz, dass ihm vor Augen führte, dass er jemanden an seiner Seite hatte, den er auf gar keinen Fall verlieren wollte?

Er hatte die Qual der Wahl und wusste nicht, wie er sich entscheiden sollte.

Musste er überhaupt eine Entscheidung treffen? Konnte er nicht beides haben? Erfolg und Liebe?

Wieso musste man immer davon ausgehen, dass eine Entscheidung von Nöten war?

Vielleicht war er diesbezüglich einfach nur ein Pessimist.

Nichts desto trotz war ihm klar, dass er mit Yolei reden musste. Er konnte dieses Geheimnis nicht ewig vor ihr verbergen.
 

_
 

„Okay ich kann nicht mehr! Meine Augen brennen schon“, meldete sich Hikari schnaufend und hielt sich am Beckenrand fest, während Takeru immer noch durchs Wasser pirschte.

„Du hast doch damit angefangen“, erwiderte er provokant und ließ sich auf dem Rücken treiben.

„Und wegen dir ist es eskaliert“, konterte sie sofort.

„Ey, das stimmt doch gar nicht“, entgegnete er und kam ihr unweigerlich näher.

Kraftlos klammerte sich Hikari am Beckenrand fest, als ein diabolisches Grinsen seine Lippen zierte.

„Takeru, ich kann wirklich nicht mehr“, hauchte sie atemlos, nachdem sie feststellte, dass er versuchte nach ihr zu greifen. Sie blockierte daraufhin immer wieder seine Hände, doch er wollte einfach nicht lockerlassen, was sie wahnsinnig werden ließ.

„Nein“, quietschte sie als er sie an den Armen gepackt hatte und zu sich zog. Krampfhaft klammerte sie sich an ihm fest, in der Hoffnung, dass er sie so nicht unter Wasser tunken konnte.

„Bist du jetzt ein kleines Klammeräffchen?“, fragte er belustigt, während er sich leicht im Wasser mit ihr hin und her bewegte.

Ihre Beine hatte sie um seine Hüften geschlungen und nachdem sie sich von seinem hartnäckigen Griff befreien konnte, umklammerte sie mit ihren Armen seinen Nacken.

Ihr war nicht bewusst, wie nah sie sich in diesem Moment waren, sie realisierte es erst als sie seine Hände hinter ihrem Rücken spürte.

Wortlos blickte sie ihn an, während ihr Herz plötzlich lautstark gegen ihre Brust pochte.

Er bewegte sich mit ihr zum Rand und schien genauso hypnotisiert zu sein wie sie, da er ebenfalls den Blick nicht von ihr wenden konnte.

Sie schielte zu seinen Lippen, die zum Küssen einluden. Eine süße Versuchung, die ihr den Kopf vernebelte und jeden klaren Gedanken verjagte.

Auf einmal spürte Hikari einen Widerstand, der ihr signalisierte, dass sie am Beckenrand angekommen waren.

Doch keiner der beiden regte sich auch nur.

Starr blickte sie ihm in seine hellblauen Augen, die sie immer an das weite Meer erinnerten.

Die kalte Luft erfasste sie und ein leichtes Zittern überkam Hikari sofort.

Sie waren schon zwanzig Minuten in dem kalten Wasser, jedoch konnte sie sich einfach nicht von ihm lösen.

Beziehungsweise wollte sie es nicht.

Sie schluckte, als sie feststellte, wie sich ihr Arm bewegte und zärtlich über Takerus markantes Gesicht streichelte. Er erschrak zuerst, doch Hikari ließ sich nicht beirren.

Sie wollte ihm zeigen, dass er für sie weit mehr als ein Freund war. Dass er ihr in der schlimmsten Stunde ihres Lebens immer beigestanden hatte und ihr ein Licht wies, dass allmählich die Dunkelheit ihres Herzens vertrieb und es mit Hoffnung füllte. Mit der Hoffnung, ihr Leben endlich wieder auf die Reihe zu bekommen und einen Neustart zu wagen.

Mit ihm.

Es war ein einzigartiger Augenblick. Eine Chance, die sie so nie wiedererhalten würde.

Sie musste es riskieren.

Zaghaft lehnte sie sich ihm entgegen und befeuchtete nervös ihre Lippen, indem sie kurz mit der Zunge darüberfuhr.

Takeru hingegen betrachtete ihre Bewegungen mit Argwohn.

„Hikari, was hast du…“

Doch weiter kam er nicht, da sie seine Lippen sehnsuchtsvoll mit Ihren verschloss und voller Hingabe ihre Gefühle in diesen einzigen Kuss steckte.

Es war jener Moment, der ihr Leben für immer verändern würde…
 


 

14. Oktober 2010. Odaiba, Japan. Bibliothek.
 

Es war bereits Abend geworden, doch das hielt ihn nicht vom Lernen ab. Er hatte bald eine wichtige Prüfung, die er unbedingt gut bestehen musste. Auch die Abschlussklausuren standen in den nächsten Monaten an, weshalb er sich mehr als nur überfordert fühlte.

Er hatte deutliche Probleme in Japanisch und Englisch, weshalb er sich schon gar nicht mehr richtig konzentrieren konnte. Je länger er sich die Schritt für Schritt Anleitung zur Gedichtsanalyse anguckte, desto mehr Fragen kamen auf.

Fragen, die ihm heute sicher keiner mehr beantworten konnte.

Er war einer der letzten Bibliotheksbesucher und wollte sich auch zeitnah auf den Heimweg machen, um seiner Mutter keine Sorgen zu bereiten.

Frustriert schlug er sein Lehrbuch zu und lehnte sich seufzend nach hinten.

Seine warmen Finger wanderten müde durch sein Gesicht. Er vergrub seine Fingerspitzen in seinen kurzen Haaren und blickte sich um.

Einige saßen immer noch hochkonzentriert an ihren Aufgaben, während ihm der Allerwerteste langsam wehtat. Auch er saß schon mehrere Stunden auf seinem Platz, hatte jedoch nicht das Gefühl mehr zu wissen als vorher.

„Am besten lasse ich es für heute sein“, grummelte Cody niedergeschlagen und widmete sich wieder seinen Büchern, die er zusammensuchte, um sie in seiner Tasche verschwinden zu lassen.

Danach streckte er sich herzlich, bevor er lethargisch aufstand und seine Tasche schulterte.

Langsam schritt er zum Ausgang und nahm seine Umgebung nur noch bedingt wahr.

Seine Gedanken kreisten um seine schulische Laufbahn, die sein ganzes Leben entscheiden könnte.

Was wenn er in den Prüfungen nicht gut abschnitt? Was wenn er sich von seinem Traum, Anwalt zu werden, verabschieden musste?

Plötzlich stieß er mit jemandem zusammen und strauchelte leicht. Er konnte sich gerade noch halten, ehe er nach oben sah und einen entschuldigenden Blick aufsetzte.

„Tut mir sehr leid, ich war wohl…Ken?“, fragt er überrascht und blickte in das verwunderte Gesicht seines Freundes.

„Cody? Was machst du denn hier? Alles in Ordnung?“

„Ja“, lachte er unsicher. „Ich habe wohl zu lange gelernt und bin nicht mehr ganz so aufnahmefähig, was meine Umgebung anbetrifft.“

„Stimmt, du müsstet doch bald Abschlussprüfungen haben“, fasste Ken zusammen und Cody kam das Gespräch auf einmal sehr steif vor.

Es war lange her seit er mit Ken unter vier Augen gesprochen hatte.

Früher konnte er ihn gar nicht leiden, weil ihm alles so leichtfiel und er oftmals überheblicher rüberkam als er eigentlich war.

Genau genommen war auch er jemand, der sich schnell verunsichern ließ und an sich zweifelte.

„Kommst du denn wenigstens gut voran?“, hakte er nach und hielt ein Buch in seinen Händen, das Cody zuerst gar nicht bemerkt hatte.

Einführung in die Kriminologie. Eine Aufsatzsammlung.

„Es geht. Ich glaube ich bin einfach kein Sprachgenie“, antwortete er niedergeschlagen und wollte das Thema direkt umlenken. „Und du? Leihst du dir für die Uni ein Buch aus?“

„Ach das? Nein, ich bringe es schon zurück! Ich bin gestern fertig geworden und wollte es zuhause nicht länger rumliegen lassen. Bei meinem Glück landet es zwischen Davis‘ Kochbüchern.“

Er grinste, doch seine Augen wirkten betrübt.

Cody konnte sich nicht erklären warum, aber irgendwie machte Ken auf ihn keinen guten Eindruck. Er erinnerte ihn ein bisschen an Joe, der erst nach und nach zu sich selbst gefunden hatte.

Während der Ferienbetreuung hatte Cody den Älteren besser kennen lernen können und festgestellt, dass sein Leben alles andere als einfach war.

Dass er sehr zu kämpfen hatte, vor allem mit sich selbst.

In Kens Augen erkannte er genau diesen Zwiespalt, den er zuvor auch schon bei Joe entdeckt hatte.

Doch was sollte er nur sagen? Er konnte sich doch nicht immer in das Leben seiner Freunde einmischen, zumal er oftmals außen vor war und viele Momente nicht mitbekommen hatte.

Daher fühlte er sich wie gefangen, indem er nicht wusste, ob er immer noch richtig dazugehörte oder nicht? Ob er noch ein genauso guter Freund sein konnte, auch wenn er die anderen nicht mehr regelmäßig sah?

Er schluckte und kalte Verbitterung legte sich um sein schweres Herz.

„Ich bringe dann mal mein Buch zurück! War schön dich getroffen zu haben“, brachte Ken hervor, nachdem ihr Gespräch ins Stocken geraten war.

Cody hingegen presste nur die Lippen aufeinander. Sollte er ihn wirklich so gehen lassen? Er merkte doch, dass ihn etwas bedrückte!

Vielleicht sollte er seine Chance nutzen, um ihm näher auf den Zahn fühlen! Er wollte nicht länger der Außenseiter sein! Er war genauso ein Teil der Gruppe wie die anderen auch!

Daher drehte er sich abrupt herum und kaute nervös auf seiner Unterlippe.

„Du sag mal…“, brachte er hervor und musste einen Moment überlegen, was er ihn überhaupt fragen wollte.

Ken drehte sich interessiert herum, doch Cody wollte einfach nichts Passendes einfallen!

Er druckste herum und schielte in seine Tasche, aus der sein Englischbuch hervorlugte.

Genau! Das war die perfekte Idee, dachte er, als es ihn wie ein Geistesblitz durchzog.

„Würdest du mir vielleicht Nachhilfe in Englisch geben? Du warst doch immer ziemlich gut gewesen und ich könnte wirklich Hilfe gebrauchen“, eröffnete er ihm beschämt.

„In Englisch?“, hakte Ken irritiert nach.

„Ja, ich bin wirklich nicht sonderlich gut und b-bald ist meine erste wichtige Prüfung“, gestand er ihm errötend. Seine Wangen schienen Feuer gefangen zu haben – jedenfalls fühlte es sich danach an.

Sein Herz schlug schnell aber gleichmäßig, obwohl er sich fragte, warum er sich zu diesem Schwachsinn verleiten ließ.

„Ähm, also…wir können es gerne versuchen! Wann hast du denn Zeit?“, stammelte er überrascht.

Ein Nachhilfelehrer? Diese Blamage wollte er sich eigentlich nicht geben, aber es war wohl die einzige Möglichkeit einen Fuß in die Tür zu bekommen. Er konnte sich nämlich nicht vorstellen, dass sich Ken ihm einfach so öffnen würde. Er brauchte viel Fingerspitzengefühl dafür!

Aber er wollte es riskieren. Für die Freundschaft, die ihm nach wie vor immer noch viel bedeutet, selbst wenn sich alle nach und nach aus den Augen verloren hatten.

Und diesmal war er sich sicher, dass das der richtige Weg war, um sein Ziel zu erreichen!
 

Fortsetzung folgt...

Zwiespalt.


 

Your love made me crazy if it doesn't, you ain't doin' it right.

Don’t blame me, Reputation. Taylor Swift, 2017.
 


 

14. Oktober 2010. Odaiba, Japan. Kleines Bistro.
 

„Kannst du mir bitte erklären, wie wir in dieses Schlamassel geraten sind? Ich mein‘ früher war alles so einfach und unkompliziert gewesen und jetzt? Jetzt komme ich mir vor, als befände ich mich in einem komplexen Harem!“

Sie seufzte und lehnte sich sorgenvoll zurück.

„Harem? Wie kommst du denn darauf?“, fragte Taichi entrüstet und ließ die Essstäbchen sinken.

„Naja, jeder hat was mit jedem! Herzen werden gebrochen und Liebe ist nur ein Mythos, der in Märchen existiert!“, erwiderte Sora deprimiert.

„Sag mal mit welchem Pessimisten hast du dich denn getroffen? Ich dachte langsam, dass sich alles wieder normalisiert…“

„Ich glaube wir sind davon weitentfernt! Merkst du nicht wie verkorkst wir alle sind? Wir hatten nochmal was miteinander, dann schlafe ich mit Matt, der deine Schwester beinahe verführt hätte und dann noch die Sache mit Mimi! Glaub mir, wir sind alles andere als normal!“, fasste sie zusammen und fragte sich ernsthaft, ob sie heute Morgen zu viel Kaffee getrunken hatte.

Wo dieses plötzliche Redebedürfnis herkam, konnte sie sich beim besten Willen nicht erklären.

Sie fühlte sich generell neben der Spur, was sich seit der SMS von Matt verschlimmert hatte.

Ausgerechnet hatte sie sich zuvor zum zweiten Mal mit Takeomi verabredet, der sie wirklich gerne näher kennen lernen wollte. Gestern waren sie einen Kaffee trinken und Sora versuchte sich voll und ganz auf ihr Gegenüber zu konzentrieren, was gar nicht so leicht war.

Ihr schwirrten die unterschiedlichsten Gedanken durch den Kopf und veranlassten sie dazu, das letzte Jahr Revue passieren zu lassen.

Alles was ihr lieb und teuer war, stand plötzlich auf wackeligen Beinen.

Ihr Leben hatte sich um hundertachtzig Grad gedreht. Es gab keine Widerkehr. Dinge, die passiert waren, konnte man nicht mehr rückgängig machen. Sie waren irreversible.

Auch, wenn sie es noch immer nicht akzeptiert hatte.

„Was ist denn nur los mit dir? Ich mache mir echt Sorgen um dich“, sagte Taichi auf einmal und legte die Essstäbchen beiseite. „Willst du darüber reden?“

Sora biss sich gequält auf die Unterlippe und konnte ihren Freund noch nicht mal richtig ansehen. So viele Fragen schwirrten durch ihren Kopf und erschwerten ihr den Fokus zu halten.

Ihre Gedanken kreisten um Matt, seine SMS, Takeomi und welche Auswirkung all das für ihre Zukunft haben würde.

„Was gibt es denn noch darüber zu reden? Du hast Matt gesagt, dass wir was miteinander hatten und jetzt will er darüber sprechen. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet und dann verkuppelt mich Yolei auch noch mit einem Kerl, der echt verdammt nett ist, aber davonlaufen würde, wenn er erfährt wie kaputt ich in Wirklichkeit bin.“

Sie richtet den Blick zu Tai und spürte, wie sich die Tränen in ihren Augen sammelten.

„Wie soll das Ganze nur besser werden? Mimi ist auch weg und meldet sich nicht mehr bei mir, obwohl ich ihr geschrieben und gesagt habe, wie leid mir das alles tut. Ich…“

Ihre Stimme brach ab und sie senkte augenblicklich den Kopf, um ihr tränenüberströmtes Gesicht vor Taichi zu verbergen.

Es war unfair ihn erneut mitreinzuziehen. Sie hatte sich heute mit ihm getroffen, weil sie jemanden zum Reden brauchte und auch wusste, dass er derjenige war, der Matt von allem erzählt hatte.

Sie war nicht böse auf ihn, sondern schämte sich viel mehr für ihr Verhalten. Denn von Ehrlichkeit war sie damals weit entfernt gewesen. Sie behielt einen Teil der Wahrheit immer in ihrem Herzen, wohlwissend, dass dies nur zu Chaos führen würde.

Laut Taichi hatten Matt und er sich ausgesprochen. Es auf ihre Art und Weise geklärt, auch wenn Sora nicht unbedingt wusste, was dies bedeuten sollte.

„Hey, jetzt beruhige dich doch erstmal“, ertönte seine sanfte Stimme. Vorsichtig spürte sie seine Hände auf ihren Schultern, was sie dazu brachte ihn unweigerlich anzusehen.

„Ich weiß, dass du Matt unglaublich viel bedeutest, was die ganze Situation nicht einfacher macht, sondern vielleicht sogar komplizierter. Du weißt, dass das damals zwischen uns ein Ausrutscher war, der passiert ist, weil wir beide verletzt waren. Aber das zwischen dir und ihm geht doch schon viel länger so. Wir wollten es nur nicht sehen.“

Irritiert runzelte Sora die Stirn und wusch sich hektisch über die Augenpartie.

„Wovon redest du? Wir haben vorher nie…schon gar nicht während unserer Beziehung!“, rechtfertigte sich Sora sofort.

„Das weiß ich doch“, antwortete Taichi behutsam und ging wieder etwas auf Distanz. „Aber ich habe irgendwie geahnt, dass zwischen euch mehr ist. Besonders bei ihm. Er hat sein komplettes Verhalten geändert, nachdem wir zusammengekommen waren, hatte viele Bettgeschichten, wirkte aber nie glücklich damit. Und du kannst mir nicht sagen, dass du seine wehmütigen Blicke nie mitbekommen hast, wenn wir zusammen waren. Er hat dich schon damals geliebt. Und wir alle haben viele Fehler begangen, die uns das Leben jetzt erschweren, aber du darfst nicht aufgeben! Und vor allem darfst du dich nicht dafür bestrafen, was einmal war. Du solltest nicht länger in der Vergangenheit leben und dir eine Illusion mit irgendeinem Typen aufbauen. Folge deinem Herzen, denn es sagt dir, was du zu tun hast.“

Er beendete seinen Monolog und lächelte sie liebevoll an.

In diesem Moment realisierte Sora, dass sie diejenige war, die sich die ganze Zeit im Weg gestanden hat.

Ja, sie hatte Fehler begangen. Fehler, die man nicht mehr rückgängig machen konnten, egal wie sehr man es sich wünschte.

Manchmal sah sie ihre Unfruchtbarkeit sogar als Strafe für ihr damaliges Handeln.

Doch je länger sie darüber nachdachte, desto absurder kam es ihr vor.

Sie durfte glücklich sein.

Auch wenn sie für dieses Glück einiges in Kauf nehmen musste. Denn sie wollte keinen Takeomi. Sie wollte keinen Tai. Denjenigen, den sie wollte, hatte sein Herz vor ihr geöffnet.

Und es wurde Zeit, dass sie dasselbe tat.

„Danke, Taichi“, flüsterte sie ihrem besten Freund entgegen. Er hatte ihr den nötigen Mut geschenkt. Mut, den sie brauchte, um den nächsten Schritt zu wagen.
 


 

18. Oktober 2010. Odaiba, Japan. Kino.
 

Liebe konnte einen wahrhaftig wahnsinnig werden lassen. Davis hatte jedoch nie erwartet, dass ihn diese besagte Liebeswucht so schnell noch einmal befallen würde.

Nach Hikari hatte er der Liebe den Rücken gekehrt und schlug sich auch weitestgehend alleine durchs Leben. Hatte er eine bessere Hälfte in seinem Leben vermisst gehabt?

Wohl kaum.

Aber er kannte es auch nicht besser.

Die erfolglose Beziehung zu Kari brachte ihm zwar erste Erfahrungen ein, aber tief in seinem Inneren hatte er von Anfang an gemerkt, dass mit dieser Beziehung irgendetwas nicht stimmte.

Das Gefühl bedingungslos und mit all seinen Fehler geliebt zu werden, stellte sich einfach nicht bei ihm ein.

Meist spürte er einfach, dass sie nur mit halben Herzen bei ihm war und er einer Illusion hinterherjagte.

Er konnte sie nie berührten, sondern betrachtete sie aus der Ferne, bis sie wie eine Seifenblase zerplatzte und ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholte.

Doch eigentlich befand er sich schon lange nicht mehr in der Vergangenheit.

Die Gegenwart hatte ihn eingeholt und er konnte nicht wirklich behaupten, dass er darüber glücklich war.

„Also ich hätte heute richtig Lust auf einen Actionfilm mit viel Explosionen“, sagte seine Begleitung euphorisch, während er deprimiert zu ihr schielte.

„Klar, alles was du willst“, murmelte er halblaut, da er sich einfach etwas anderes erhofft hatte.

Es war nicht das erste Mal, dass sie zusammen im Kino waren oder generell Zeit miteinander verbrachten. Dennoch fühlte es sich nicht richtig an.

Er war wieder in der gleichen Situation wie damals.

Die bekannte Notlösung, die man gerne ergriff, wenn kein anderer zur Verfügung stand.

Auch wenn Davis Mariko unglaublich gerne mochte, konnte er nicht verbergen, wie bitter ihm diese Erkenntnis erneut aufstieß.

Schon seit mehreren Wochen lief dieses verhängnisvolle Spiel, dass in einer qualvollen Dauerschleife sein Leben bestimmte.

Er hatte sie gern. Mehr als nur gern. Er war im Begriff sich in sie zu verlieben, wohlwissend, dass ihr Herz immer noch Takeru gehörte.

Seinem Freund. Seinem Freund, der nur noch Augen für seine Ex hatte.

Gott, klang das kompliziert.

Wie geriet man nur in solche Konstellationen? War der Teufel involviert und beobachtete ihn hämisch grinsend in seinem Hamsterrad, dass einem endlos wirkenden Teufelskreis glich?

Was sollte er nur tun?

Weniger Zeit mir ihr zu verbringen wäre wohl die logische Konsequenz. Doch konnte er ihr das wirklich antun?

Er blickte unauffällig zu ihr und sah ihre Begeisterung, die sich auf ihrem ganzen Gesicht ausgebreitet hatte.

Sie schenkte ihm ein glückliches Lächeln und deutete auf den Film, den sie gerne sehen wollte.

Davis nickte nur verhalten, ohne ihrer Geste zu folgen.

Ihm war es nämlich völlig egal, welchen Film sie sahen, auch wenn eine romantische Komödie eher zu seinen Favoriten zählte.

Insgeheim wollte er nur mehr Zeit mit ihr verbringen, auch wenn ihre Gefühle eine andere Sprache sprachen als Seine.

Vielleicht war es sein Schicksal, der unglückliche gute Freund zu sein, den man treu an seiner Seite wusste.

Möglicherweise konnte nur er aus dieser Freundeszone ausbrechen, indem er ehrlich zu sich selbst und anderen war.

Doch im Moment war er nicht bereit dazu. Er wollte nicht das verlieren, was er noch hatte.

Eine Freundin, mit der er unbeschwert Zeit verbringen konnte.

Gefühle waren in dieser Situation eher hinderlich.

Deswegen atmete er tief ein, lächelte mild und atmete seufzend aus.

„Na, dann lass uns die Karten kaufen“, erwiderte er mit schmerzendem Herzen und stellte sich gemeinsam mit ihr an der Kasse an.
 

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Liebevoll strich er über ihren nackten Rücken und blickte durch das Schlafzimmer, dass sie seit wenigen Wochen gemeinsam miteinander teilten.

„Ich hätte nie gedacht, dass sich mein Leben so verändern würde“, murmelte er und bemerkte, wie sie fragend den Kopf anhob. Sie legte ihr Kinn auf seiner Brust ab und sah hoch.

„Ich hoffe, dass es sich nur um gute Veränderungen handelt.“

Er grinste verschmitzt, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie sanft auf ihre weichen Lippen.

„Die Besten, die ich mir je vorstellen konnte“, sagte er mit bebender Stimme.

Joe konnte es einfach nicht fassen.

Er lag neben einer Frau im Bett. Er hatte Sex! Er! Derjenige, der vor wenigen Monaten nur mit seinen Büchern eine Beziehung führte! Und es war wirklich nicht schlecht. Aber er wollte sich ja nicht selbst loben.

Zufrieden legte sie sich erneut auf seine Brust, während er zärtlich durch ihre langen Haare strich.

Liebe war wirklich etwas Unglaubliches!

So intensive Gefühle hatte er noch nie empfunden.

Doch nach und nach wurde ihm klar, dass Veränderungen unaufhaltsam waren.

Manchmal fing es nur mit einem winzigen, fast schon unbedeutenden Moment an, der hinterher alles zu verändern schien.

Schon mehrere Monate war die Wohnung von Asuka sein neues Zuhause geworden.

Eigentlich nur etwas Vorrübergehendes, bis er wieder auf eigenen Beinen stehen konnte, was aufgrund seiner Situation doch schwieriger war als erwartet.

Zwar versuchte er sich selbst zu finanzieren und sein Studium zu schaffen, jedoch war das leichter gesagt als letztlich getan. Er hatte sich sogar einige Wohnungen angesehen, doch da die meisten Vermieter auch für Studentenwohnungen eine Absicherung haben wollten und er auf seine Eltern nicht zurückgreifen konnte, war das Streben nach Eigenständigkeit eher ein Wunschdenken als Realität.

Ihm war es daher anfangs unangenehm weiterhin bei Asuka zu wohnen, ohne Miete zu zahlen, weshalb sie eine Einigung erzielten.

Er gab etwas zu den anstehenden Kosten hinzu, teilte sich mit ihr die Hausarbeit und kochte auch ab und zu etwas Leckeres für sie.

Auch die Abende verbrachten sie oft gemeinsam auf der Couch. Redeten über Gott und die Welt. Gaben sich gegenseitig Mut und befürworteten die Träume des jeweils anderen.

Oft bemerkte man eine Veränderung der Beziehung, doch in Joes Fall war alles sehr schleichend.

Anfangs war es wirklich nur ein schmackhaftes Abendessen und lange Gespräche vor dem Fernsehen, bei dem sie regelmäßig nah beieinander einschliefen. Doch die Grenze überschritten sie nie.

Auch wenn die Umarmungen manchmal länger dauerten als sie sollten.

Jedoch fühlte sich die Geborgenheit, die er nur bei ihr spürte, einfach richtig an, so als hätte er seinen heimischen Hafen endlich gefunden.

Dennoch traute sich anfangs keiner den entscheidenden Schritt zu wagen. Es dauerte einen ganzen Monat, bis sich die Berührungen und die intensiven Blicke häuften.

„Ich bin richtig glücklich“, flüsterte sie, kreiste zärtlich über seine Brust und hinterließ bei ihm eine wohlige Gänsehaut, die diesen vergangenen Moment in seinen Gedanken neu entflammte.

Es war ein Augenblick.

Eine Sekunde.

Ein Blick.

Eine unbedachte Handlung.

Der Impuls, sie küssen zu wollen, war schon länger allgegenwärtig, doch an diesem einen Abend, unter Kerzenschein, konnte sich keiner der beiden zurückhalten.

Der Kuss war süß, prickelte auf seinen Lippen und schürte sein Verlangen nach mehr.

Es war eine reine Bauchsache. Sein Kopf war auf Flugmodus.

„Manchmal glaube ich, dass es ganz einfach geht. Dass man sich einfach findet, ohne es zu merken“, antwortete er verträumt.

„Du meinst wie Seelenverwandtschaft?“

Joe verfestigte seinen Griff um sie, um ihr zu signalisieren, dass er sie nie wieder loslassen wollte.

„Genau, das“, wisperte er ihr zu, ehe er seine Lippen erneut mit ihren versiegelte.
 

_
 

Traurig blickte sie auf das Meer hinaus und spürte eine tiefsitzende Angst, die sie wie eine unberechenbare Welle erfasste.

Sie saß im kalten Sand und kuschelte sich in ihre dünne Jacke, die ihr jedoch nicht genügend Wärme spenden konnte.

Die Wellen rauschten tosend an ihr vorbei, sodass sie das Gefühl hatte, dass ihr komplettes Leben durch ihre Finger glitt.

Oftmals tat man Dinge, die man absolut nicht verstehen konnte. Küsste den besten Freund. Ging im Tagelang aus dem Weg. Versteckte sich vor den eigenen Gefühlen, die auf einmal so klar vor einem erkennbar waren, dass man ihnen ausgeliefert war.

Langsam senkte sich die Sonne hinab und küsste das Meer. Das dunkelblaue Wasser leuchtete in einem grellen rot, dass in ihren Augen brannte und ihre Tränen hervorrief.

Warum war sie nur so dumm? Wieso lief sie vor ihren Gefühlen weg?

Es war nicht, dass erste Mal, dass sie ihn geküsst hatte. Es war nicht das erste Mal, dass sie diese Gefühle in ihrem Herzen spürte.

Doch es war das erste Mal, dass sie Angst vor jedem weiteren Schritt hatte.

Sie wollte ihm nicht aus dem Weg gehen, doch sie wusste nicht, was sie zu ihm sagen sollte.

Nach all dem konnten sie doch nicht so einfach zusammenkommen. Das wäre nicht fair.

Sie hatte ihn verletzt – mehr als nur einmal – und dann sollte die Lösung so einfach sein?

Hikari konnte es selbst nicht fassen.

Nach dem gemeinsamen Kuss hatten sich ihre Wege einfach getrennt. Er hatte zu ihr nichts gesagt, sondern sie einfach mit diesem Blick angesehen. Diesem Blick, dem sie nicht lange standhalten konnte.

Er wirkte unschuldig wie ein Schuljunge, aber sie konnte auch seine Hoffnung erkennen, die er all die Jahre in seinem Herzen getragen hatte.

Die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft. Eine glückliche Beziehung. Vielleicht sogar eines Tages mehr als das.

Doch für Hikari war all das noch weit entfernt. Sie hing immer noch an ihrer Vergangenheit, unwissend, ob sie sie je loslassen konnte.

Schweren Herzens erhob sie sich, klopfte den Sand von ihrer Hose und machte sich langsam auf den Heimweg. Ihre Gedanken kreisten jedoch weiterhin um ihn.

Sie musste handeln. So, konnte sie definitiv nicht weitermachen. Ihr Herz hatte sich verdammt nochmal entschieden. Wieso zögerte sie also?

Aus Angst? Aus Schuld?

Wollte sie sich etwa selbst bestrafen, indem sie sich ihrem Glück entzog?

Verbittert presste sie die Lippen aufeinander und wanderte durch die Straßen Tokios.

Vielleicht sollte sie nochmal mit ihm reden? Ihm sagen, wie sie derzeit fühlte?

Ach, es war einfach frustrierend! Wieso konnte alles nicht…

Plötzlich stieß sie mit jemandem zusammen und landete mit wedelnden Armen unsanft auf ihrem Hinterteil.

Ein dumpfer Schmerz breitete sich aus und sie musste sich für einen kurzen Moment sammelten, bevor sie die Situation einschätzen konnte.

Sie hatte noch nicht hochgesehen, als auf einmal eine Stimme ertönte, die einer Person gehörte, mit der sie überhaupt nicht gerechnet hatte…
 

Fortsetzung folgt...

Freiheiten.


 

Come and paint the world with me tonight.

Rainbow, Rainbow. Kesha, 2017.
 


 

„Hier“, dröhnte ihre gebrochene Stimme in ihren Ohren. Sie nahm die Limodose entgegen, sah sie allerdings nicht an.

Hitze stieg in ihr auf und allgemeines Unwohlsein kämpfte sich empor.

Es war ihr unangenehm, sich in ihrer Gegenwart aufzuhalten. Sie konnte nicht mal erklären wieso.

Sie setzte sich neben sie, doch Kari brachte einfach kein einziges Wort über ihre rauen Lippen.

Was sollte sie auch groß sagen? Sie hatten nicht sonderlich viel Kontakt zueinander gehabt und sie hatte lediglich von ihrem Bruder erfahren, was mit ihr passiert war.

Hinzukam, dass sie gegenüber ihr ein unglaublich schlechtes Gewissen hatte.

Sie war keine gute Freundin gewesen, die ihr eine Schulter zum Anlehnen anbot, eben weil sie es nicht konnte. Weil ihr Schmerz, Kari an ihren eigenen Verlust erinnerte.

Ihre Freundin seufzte leise auf und nippte an ihrer Getränkedose.

„Unangenehme Situation, oder?“, sagte sie fast schon ein wenig ironisch und lächelte, was Hikari aus dem Augenwinkel heraus erkannte.

Sie konnte gar nicht in Worte fassen, wie unangenehm dieser Augenblick des Schweigens für sie war.

Dinge zu wissen, die man eigentlich gar nicht wissen sollte und die man streng genommen über Dritte erfahren hatte.

Sollte sie ihr daher sagen, wie leid ihr alles täte? Obwohl sie eine gewisse Distanz zwischen ihnen spürte?

Kari fuhr sich mit den Schneidezähnen hektisch über ihre Unterlippe, ehe sie kurz zu ihr schielte.

Sie blickte weiterhin in die Ferne, so als würde sie auf die große Veränderung warten.

Gemeinsam hatten sie sich auf einer Parkbank niedergelassen und genossen den kühlen Wind, der sie erfasste.

„Ich weiß nicht so wirklich, was ich sagen soll“, gab Kari nach einigen Momenten des Schweigens zu.

Auch wenn man sich in ähnlichen Situationen befand, konnte man nie ganz nachvollziehen, was der andere gerade durchmachte.

Manche kamen besser zurecht als andere. Und sie befand sich mitten in ihrer Aufarbeitung, während ihre Freundin noch am Anfang stand.

„Geht mir genauso“, flüsterte Sora leise und drehte die Dose nervös in ihren Händen. „Ich bin es auch ehrlich statt, ständig darüber zu sprechen und es dadurch immer wieder zu durchleben.“

„Ja, es kommt einem so vor wie eine Endlosschleife, die einfach nicht durchbrochen werden kann“, stimmte Kari mit ein und verstand auf einmal ganz genau, wie sie sich fühlte.

Natürlich war es besser über erlebte Momente zu sprechen, doch manchmal fehlten einem einfach die Worte.

Die Freiheit über alles offen zu sprechen, hatte eben nicht jeder. Manchmal war es ein langer Prozess, der erst angestoßen werden musste.

Kari blickte zu Sora, deren Blick so unendlich traurig wirkte, sodass sie jede Sekunde zu zerbrechen drohte.

Doch auch ihr fiel es schwer die richtigen Worte zu finden. Sie suchte und suchte, jedoch klang nichts angemessen und gut genug um ihren Schmerz zu lindern. Vielleicht gab die richtigen Worte überhaupt nicht.

Das Unwohlsein durchzog immer noch ihren Körper und sie spielte an der Dosenöffnung, die immer noch verschlossen war.

„Vielleicht sollte man nicht immer darüber sprechen, sondern die Vergangenheit einfach verschließen und in der Gegenwart leben“, murmelte sie hoffnungslos.

Kari wurde auf einmal hellhörig. Die Vergangenheit verschließen? In der Gegenwart leben?

Hatte sie nicht genau das versucht?

„Ich denke, dass man sich damit nur selbst betrügt. Die Vergangenheit kann man nicht wegsperren. Sie wird immer ein Teil von uns sein, da sie eben schon passiert ist. Man kann sie nicht verleugnen, egal wie sehr man es auch versucht.“

„Aber ich will sie nicht akzeptieren. Ich will sie verändern“, sagte sie bitter und presste gequält die Lippen aufeinander. Tränen sammelten sich in ihren Augen und Kari wurde von Panik erfasst.

Sie war noch nicht bereit dieses Gespräch zu führen! Wie sollte sie jemandem Hoffnung schenken, wenn sie selbst so hoffnungslos war?

„Ich…“, sie setzte an und verstummte augenblicklich. Der Hall ihrer Stimme dröhnte immer noch in ihren Ohren und ein dicker Kloß wuchs innerlich heran, der ihren Hals versperrte.

Sie schluckte, sah zu Sora, nahm ihre Verzweiflung wahr und spürte das gleichmäßige Schlagen ihres aufgeregten Herzens.

Sie musste doch irgendetwas tun.

So konnte sie sie nicht zurücklassen! Nicht mit dem Wissen, welche Gedanken durch ihren Kopf wirbelten, die ihr so bekannt vorkamen.

Kari atmete daher tief ein, hielt für einen Moment die Luft an und sammelte sich, bevor sie einen tiefen Seufzer ausstieß.

„Ich kann dir keinen guten Ratschlag geben. Wir haben ähnliches durchgemacht, aber dennoch sind unsere Geschichten grundverschieden. Ich kann dir nicht versprechen, dass es besser wird, denn das hast nur du ganz allein in der Hand. Ich kann dir nur sagen, dass du nicht alleine bist, auch wenn du dich so fühlst. Ich dachte oft, dass sich die Welt gegen mich verschworen hat und mir das schlechteste auf Erden wünscht. Aber ich habe auch nicht gesehen, wie viele Menschen hinter mit gestanden und versucht haben, mich aufzufangen. Ich habe sie teilweise selbst von mir weggestoßen und bin deswegen auch so tief gefallen. Allerdings werden, die Menschen, die dich von Herzen lieben niemals gehen. Sie stehen vielleicht im Hintergrund, sind aber immer in Reichweite, damit sie dir die Hand reichen können, wenn du wieder gestürzt bist. Sie lassen dich nicht allein. Und das Gefühl von Einsamkeit verschwindet, wenn du dazu bereit bist, es gehen zu lassen. Denn wir haben uns dazu entschieden einsam und unglücklich zu sein. Um uns zu bestrafen. Um uns das Glück zu nehmen, weil wir es angeblich nicht verdient haben. Um die Kontrolle nicht erneut zu verlieren, nur weil wir Gefühle zulassen, die uns Angst machen. Die uns verständlicher Weise Angst machen, weil Verlust das Schlimmste ist, was einem passieren kann, auch wenn es zum Leben dazu gehört“, sie ergriff instinktiv ihre Hand und blickte sie durchdringend an, während sie ihren Monolog weiter ausführte. „Wir gewinnen und verlieren. Wir lieben und wir hassen. Wir machen Fehler und lernen dazu. Und genau das macht uns aus. Wir dürfen uns nicht dafür bestrafen menschlich zu sein. Irrational zu agieren und manchmal unser komplettes Leben auf den Kopf zu stellen. Denn genau das, macht es besonders. Wir haben die Freiheit zu entscheiden, welchen Weg wir morgen wählen wollen.“

Die Anspannung zwischen den beiden Frauen löste sich langsam und Stille kehrte ein.

Es folgte kein weiteres Wort.

Verständnis und Erleichterung spiegelte sich in ihren Augen wieder, als sie in einer tiefen Umarmung versanken, die beiden neue Kraft schenkte.

Hikari erkannte plötzlich, dass sie lange genug weggelaufen war und sich nun allem stellen musste. Sie hatte nur diese eine Chance. Dieses eine Leben, dass sie glücklich verbringen wollte.
 


 

20. Oktober 2010. Odaiba, Japan. Pizzeria.
 

Der Geruch von Tomatensoße lag in der Luft und Izzy konnte nicht mehr länger verleugnen, dass er gewaltigen Hunger hatte. Sein Magen grummelte, während er die Karte studierte und sich letztlich für eine klassische Pizza Salami entschied.

Auch seine Begleitung hatte zügig gewählt, weshalb sie auch zeitnah bestellen konnten.

„Ich habe vielleicht einen Kohldampf. War echt eine gute Entscheidung sich heute zu treffen. Ich hatte durchgehend Uni und keine Zeit zum Mittagessen“, jammerte Joe und sah fast schon so aus, als würde er am liebsten die Tischservierte annagen, die er in seinen zitternden Fingern hielt.

Izzy schmunzelte leicht, konnte aber seinen Freund verstehen, denn sein Magen hing auch bereits in den Kniekehlen.

Dennoch versuchte er sich auf sein Gegenüber zu konzentrieren, der prompt mit der Tür ins Haus fiel.

„Hast du denn schon mit Yolei über das Auslandssemester gesprochen?“

Insgeheim ärgerte er sich darüber, dass er Joe bereits davon erzählt hatte, doch mit irgendjemandem musste er darüber doch sprechen! Besonders über seine Ängste.

„Nein, ich bringe es einfach nicht übers Herz. Sie will gerne mehr Zeit mit mir verbringen und dann soll ich von dem Auslandssemester anfangen, dass mich noch mehr von ihr distanzieren würde?“

Er stöhnte laut und nahm einen großzügigen Schluck seiner Cola, die seinen trockenen Rachen befeuchtete.

„Aber Geheimnisse sind immer schlecht für eine Beziehung“, warf Joe bedenkend ein.

„Seit wann bist du denn jetzt ein Beziehungsexperte? Asuka und du seid noch in der Honeymoon-Phase“, antwortete er schnippisch und verdrehte die Augen.

„Das war auch eher allgemein gemeint. Und lass mich doch! Sie macht mich eben glücklich“, er grinste verschmitzt und Izzy erkannte sofort, dass er die Wahrheit sprach.

„Und das freut mich wirklich für dich“, gab Izzy zu, versank aber wieder sofort in seinen eigenen Problemen, die ihm einfach so groß und unumgänglich schienen. „Dennoch will ich Yolei nicht verletzen. Ich muss mich bald entscheiden, aber ich will sie auch nicht verlieren.“

„Was sagt dir denn dein Verstand?“, fragte Joe geradeheraus, während Izzy bei dieser Frage die Stirn runzelte.

„Mein Verstand? Fragt man nicht eher nach dem Herz- oder Bauchgefühl?“

„Ja, bei den meisten Menschen, aber du hörst doch viel mehr darauf, was dir dein Kopf sagt, selbst wenn dein Bauchgefühl und dein Herz Rumba tanzen würden. Was möchtest du denn? Was sagt dein brillanter Verstand?“

Izzy schwieg, da er wohl nicht lange darüber nachdenken musste.

Wenn es nach seinem Verstand ging, war die Entscheidung für ihn so klar wie Kloßbrühe. Doch konnte er sein Bauchgefühl und sein Herz wirklich so umgehen?

Würde Yolei seine Entscheidung ohne weiteres akzeptieren?

Wohl kaum.

„Du weißt, was er sagen würde, aber ich kann sowas nicht alleine entscheiden. Ich bin doch jetzt in einer Beziehung“, rechtfertigte er sich.

„Und nur weil du in einer Beziehung bist, bist du automatisch nicht mehr Izzy? Du hast deine Entscheidungen immer rational getroffen und du weißt, dass das eine unglaubliche Möglichkeit für dich wäre. Yolei weiß das sicher auch und wird es verstehen. Du darfst es nur nicht bis zum Schluss vor ihr verheimlichen!“

„Ich weiß, aber…“

„Hey, hör auf mit deinem Aber! Ich weiß wie schwer es ist Entscheidungen zu treffen, da es mir selbst lange sehr schwer gefallen ist. Dennoch solltest du deine Möglichkeiten ergreifen und vor allem solltest du mit deiner Freundin reden. Sie liebt dich und unterstützt dich sicher!“

Bevor Izzy etwas erwidern konnte, wurden auch schon ihre Pizzen serviert. Hungrig blickte er auf seinen Teller, konnte aber das Essen nicht genießen, da er tief in seinem Inneren wusste, das Joe recht hatte. Er musste handeln. Am besten noch heute Abend.

Izzy musste Yolei die Wahrheit sagen.
 


 

21. Oktober 2010. Odaiba, Japan. Wohngemeinschaft.
 

Es war mitten in der Nacht als er endlich nach Hause kam. Er hatte den ganzen Abend mit seiner Band geprobt und war froh endlich in sein Bett zu fallen.

Müde schloss er die Wohnungstür auf und fand einen dunkeln Eingangsbereich vor. Seine Mitbewohner schienen beide bereits zu schlafen, weshalb er leise die Tür schloss und auf Zehenspitzen versuchte sein Zimmer zu erreichen.

„Was schleichst du denn so rum? Bist du eine Katze, oder was?“, ertönte plötzlich die Stimme seines besten Freundes, der am Küchentisch saß.

Matt wandte herum und zuckte zusammen.

„Sag mal spinnst du? Wieso erschreckst du mich so? Und warum zur Hölle sitzt du im Dunkeln?“

„Konnte nicht schlafen, was ist deine Ausrede?“, stellte er sofort die Gegenfrage und grinste verschmitzt.

Anscheinend hatte er eine andere Vermutung, wo Yamato gewesen sein könnte…

„Oh man, nicht das, was du denkst! Wir hatten Probe, weil wir morgen einen wichtigen Auftritt haben“, antwortete er leicht genervt und setzte sich zu ihm.

„Ich hatte schon gedacht, dass du Sora wieder nachstellst. So langsam solltest du ein bisschen offensiver vorgehen, statt dich ständig in der Nähe des Cafés herumzutreiben“, erwiderte er belustig.

Doch Yamato hatte seinen Sinn für Humor deutlich verloren.

Seit der SMS waren mehrere Tage vergangen, in denen Sora lediglich den Kontakt zu seinem besten Freund suchte statt zu ihm.

Er wusste nicht, was er noch versuchen sollte, sodass er aus völliger Verzweiflung fast jeden Abend um die gleiche Uhrzeit im Café auftauchte, nur um Sora abzupassen.

Zu seinem Pech hatte sie meist schon früher Feierabend, weshalb er sich einen Kaffee genehmigte und danach wieder nach Hause ging.

Dieses Spiel spielte er jetzt seit knapp fünf Tagen.

Er hatte keine Ahnung, was er noch tun sollte, da er nicht das Gefühl hatte, dass sie ihn überhaupt noch sehen wollte.

„Was soll ich denn deiner Meinung nach, machen? Ich kann doch nicht einfach bei ihr aufschlagen und meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Zumal hat das in der Vergangenheit ja nicht sonderlich gut funktioniert“, gab er zu und schenkte seinem besten Freund einen deprimierenden Blick, den er im Dunkeln jedoch nicht sehen konnte.

Er antwortete auch nicht sofort, weshalb Yamato gleich vermutete, dass er über etwas nachdenken wollte.

Er ließ ihm die Zeit, wurde aber ungeduldig nachdem er weitere fünf Minuten geschwiegen hatte.

„Tai…“, ertönte seine angespannte Stimme.

„Ich glaube, sie bestraft sich im Moment selbst für die letzten Monate. Ihr geht es nicht sonderlich gut und sie hat Angst davor wieder glücklich zu sein und vor allem welche Erwartungen mit diesem Glück verbunden wären“, erklärte er sachlich.

„Erwartungen? Was meinst du denn damit?“, wollte er wissen, da er sich nichts darunter vorstellen konnte.

Taichi seufzte nur.

„Du weißt doch, was los ist. Wie ihre Situation zurzeit ist. Natürlich beschäftigt sie die Tatsache keine Kinder mehr bekommen zu können. Ich denke, dass sie sehr gerne über ihren Schatten springen würde, aber sie hat Angst, dass sie erneut zurückgestoßen wird. Was ist, wenn du mal irgendwann Kinder möchtest, sie dir aber diesen Wunsch nicht erfüllen kann? Ich glaube, dass diese Tatsache sie sehr fertigmacht.“

„Aber ich…Kinder sind doch noch so weit weg. Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“, antwortete er beschämt, da ihm erst jetzt bewusst wurde, wie sehr sie unter diesen Umständen litt. Etwas, dass er nur sehr schwer nachvollziehen konnte. Schließlich war er ja keine Frau.

Und dieser Umstand bedeutete für Sora ebenfalls den Verlust ihrer Entscheidungsfähigkeit. Sie hatte nicht länger die Freiheit zu sagen, dass sie gerne einmal eine Familie hätte.

Ihr wurde diese Entscheidung abgenommen, indem sie keine Wahl mehr hatte.

„Vielleicht solltest du dir darüber Gedanken machen. Bist du bereit mit ihr diesen Weg zu gehen oder hast du Bedenken, die dir zurzeit einfach noch nicht bewusst sind?“

Eine schwerere Frage konnte er ihm wohl kaum stellen.

Woher sollte er wissen, was er in fünf, sechs Jahren wollte?

Zurzeit wollte er definitiv noch keine Familie gründen, aber was, wenn er in ein paar Jahren den Wunsch nach einem eigenen Kind hegte?

Konnte Liebe solche Hindernisse überstehen oder waren sie schon zum Scheitern verurteilt, bevor sie überhaupt diese Beziehung begonnen hatten?

Fakt war, dass er sie liebte. Aber reichte Liebe auch aus?

„Ich denke, du solltest dir erst darüber klar werden, bevor du mit ihr zusammen kommst, ihr Hoffnungen machst und dich dann doch umentscheidest. Sie ist zurzeit sehr labil und braucht jemanden an ihrer Seite, der ihr das Gefühl von Geborgenheit liefert.“

Ohne eine Antwort abzuwarten stand er auf und wollte gerade in sein Zimmer gehen, ehe Matt ihn irritiert aufhielt.

„Hey du kannst mich doch jetzt nicht so zurücklassen! Ich weiß doch selbst nicht, was ich tun soll. Sie redet überhaupt nicht mehr mit ihr!“

Taichi wandte sich ihm zu und lächelte spitzfindig. „Dann bring sie dazu mit dir zu reden! Irgendwann wird sie dir zuhören. Sei einfach hartnäckig. Das ist jedenfalls mein Motto“, sagte er überzeugend und holte einen kleinen Koffer aus seinem Zimmer.

„Hä? Wo willst du denn hin? Es ist mitten in der Nacht!“, stellte Yamato verunsichert fest.

„Ich habe das Geld zusammen und mir ein Flugticket besorgt. Ich fliege um fünf Uhr!“, eröffnete er ihm.

„Nach Amerika?“, hakte Yamato nach und blickte zur Uhr. Es war kurz vor zwei. Sein Flug ging bereits in drei Stunden.

„Ja, ich kann nicht mehr länger zusehen und nichts tun. Ich werde Mimi zurückgewinnen und wenn es das Letzte ist, was ich tue.“

Beeindruckt sah Yamato zu seinem besten Freund, der felsenfest vor ihm stand und einen ganz klaren Ausdruck in seiner Stimme hatte, die für ihn nur eins bedeuten konnte.

Er war kampfbereit.

Er würde alles dafür tun, um Mimi zurückzuerobern.

Vielleicht war Taichi ein Stückchen weiter als er. Möglicherweise hatte er Sora noch nicht genug gezeigt, dass er alles für sie aufnehmen würde.

Sein Freund hatte zwar recht, dass er diese Fragen, die er ihm gestellt hatte, beachten musste, aber für keine Beziehung gab es eine Garantie.

Das hatten ihm seine Eltern beigebracht. Manchmal war das Schicksal eine entscheidende Komponente, die alles auf den Kopf stellen konnte.

Und allein deswegen wollte er es versuchen.

Lächelnd stand er auf und umarmte seinen besten Freund plötzlich, der überrascht diese liebevolle Geste entgegennahm.

„Hey, was soll das denn?“, fragte er grinsend.

„Ich möchte dir einfach Danke sagen. Ich glaube, jetzt weiß ich genau, was ich zu tun habe“, murmelte er und ließ Taichi auch schon wieder los. „Aber jetzt sollten wir dafür sorgen, dass du rechtzeitig deinen Flieger bekommst.“

Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, verließen sie auch wenige Minuten später gemeinsam die Wohnung. Ab jetzt würden beide ihre eigenen Wege gehen, die in vielerlei Hinsicht doch so ähnlich waren. Beide wollten ihre Traumfrauen zurückgewinnen, um endlich in eine gemeinsame Zukunft starten zu können. Wahrscheinlich würde es nicht einfach werden, aber das war das Leben bekanntlich nie.

Allerdings hatte er eine endgültige Entscheidung getroffen.

Matt würde weiterkämpfen.
 

Fortsetzung folgt...

Liebesbeweise.


 

Baby, you're all I need.

Wildfire, Confident. Demi Lovato, 2015.
 


 

Er wusste nicht, warum sie ihn ausgerechnet hier hinbestellt hatte. Es war laut, hektisch und absolut keine Atmosphäre um dieses heikle Thema zwischen ihnen zu besprechen!

Mittlerweile war er es sogar richtig leid geworden, dass dieses ewige Hin und Her ihre Beziehung bestimmte. In den letzten zehn Tagen war sie auf Abstand gegangen, schrieb ihm per SMS, dass sie Zeit zum Nachdenken bräuchte.

Er hatte es mittlerweile aufgeben ihre sprunghafte Art zu hinterfragen, auch wenn sein Herz immer schwerer wurde, je länger er die Hoffnung in seinem Inneren am Leben erhielt.

Irgendwann musste sie eine Entscheidung treffen. Waren sie nur gute Freunde? Oder waren sie mehr als das? Küsste man seinen besten Freund wirklich so leidenschaftlich oder war diese Illusion seiner unerbittlichen Hoffnung geschuldet, die sich nach allem immer noch nicht geschmälert hatte?

Unsicher sah er sie an, erkannte, dass sie seinem Blick kaum Stand halten konnte und beschämt die Augen von ihm wandte.

„Ich weiß nicht wirklich, wo ich anfangen soll“, säuselte sie so leise, dass er schon Probleme hatte sie zu verstehen.

Angespannt wandte er sich auf seinem Sitzplatz umher und versuchte den lauten Geräuschpegel des Cafés, in dem sie saßen, auszublenden.

„Wie wäre es, wenn wir einfach bei dem Kuss im Schwimmbad anfangen“, schlug er trocken vor, auch wenn er bemerkte, dass seine eigenen Wangen auf einmal ganz warm wurden.

Wenn er daran zurückdachte, stellten sich seine Nackenhärchen auf und sein Puls schlug unkontrolliert. Sein Mund wurde staubtrocken, was ihm das Schlucken deutlich erschwerte.

Sie wirkte so verunsichert auf ihn, sodass er schon glaubte, dass jedes weitere Wort ihr zu viel werden könnte.

Doch auch er konnte nicht länger mit dieser Unsicherheit umgehen, weshalb ein Gespräch unausweichlich war.

So konnten sie nicht weitermachen!

So wollte er gar nicht weitermachen!

„Kari…hör mal…ich möchte…“, begann er zögerlich.

„Ich weiß manchmal auch nicht, warum ich solche Dinge tue und mir mein Leben noch schwerer mache“, unterbrach sie ihn.

Überrascht blickte Takeru zu seiner besten Freundin und verstummte. Sie sah ihn zwar immer noch nicht richtig an, aber er wollte ihr die Möglichkeit lassen, sich zu erklären.

„Ich glaube, ich habe in diesem Moment gar nicht gedacht, sondern mich einfach verleiten lassen…“

Takeru schluckte. Verleiten lassen? Was meinte sie damit nur?

Wollte sie ihm indirekt mitteilen, dass sie noch immer seinem Bruder hinter trauerte und er die leidige Notlösung war?

Bitte nicht!

Unbändige Wut stieg auf einmal in ihm auf, auch wenn er sie unterdrücken wollte, schaffte er es nicht wirklich.

„Was soll das heißen? Willst du mich mit einem Impulskauf vergleichen? Etwas, dass man eigentlich gar nicht haben wollte, aber dann doch kauft, weil es sich einfach anbietet?“, fragte er gereizt.

Er wusste manchmal selbst nicht, woher er diese jämmerlichen Metaphern nahm. Vielleicht hatte ihn sein Studium mehr beeinflusst als er je zugeben würde, doch er konnte damit auch eins erreichen.

Das erste Mal seit langem sah sie ihn unvermittelt an und er erkannte die Traurigkeit in ihren Augen, die sofort die Schuldgefühle in ihm aufflammen ließen.

„Tut mir leid. Ich hätte das nicht sagen sollen…“

Er spürte die aufkeimende Distanz zwischen ihnen und schaffte es einfach nicht die drohende Stille zwischen ihnen zu zerbrechen.

Es war eine Zerreißprobe ihrer Freundschaft, die schon lange keine mehr war.

Er hatte sich in sie verliebt und diese Tatsache konnte er nicht ignorieren.

Takeru konnte nicht mehr ihr bester Freund sein.

Nicht nachdem, was alles zwischen ihnen passiert war.

Er musste…

„Aber du hast doch vollkommen recht“, durchbrach ihre zarte Stimme das Schweigen. „Ich habe mich unfair verhalten, weil ich mir meinen Gefühlen einfach nicht mehr sicher bin. Aber ich möchte es herausfinden. Mit dir zusammen.“

Überrascht sah Takeru sie an, da er die Bestimmtheit aus ihrer Stimme heraushörte.

Ihr Blick war fest und ihre Augen strahlten eine unglaubliche Wärme aus, sodass er sich plötzlich wohl und geborgen fühlte.

Er brachte nur ein knappes Nicken zustande, weil sie ihn völlig aus dem Konzept gebracht hatte. Damit hatte Takeru wirklich nicht gerechnet. Manchmal war das Leben ein einziges Chaos, dass einem über den Kopf wuchs.

Doch mittlerweile waren beide bereit dieses Chaos zu ordnen. Vielleicht sogar ein Risiko einzugehen, dass ihnen jedoch zeigen würde, ob mehr als nur Freundschaft hinter ihrer Beziehung steckte.
 

_
 

„Wir sollten darüber reden“, startete er einen erneuten Versuch, nachdem sich die beißende Stille über sie gelegt hatte. Er hatte heute endlich seinen Mut zusammengenommen, um mit ihr über die bevorstehenden Veränderungen zu sprechen.

Nein, er war viel mehr mit der Tür ins Haus gefallen und erkannte relativ schnell, dass er sie völlig damit überfahren hatte.

Sie saßen in ihrem Zimmer, an die Wand gelehnt, während seine Freundin kein einziges Wort über die Lippen brachte. Er beobachtete sie, sah wie ihre Lippe zitterte und wie sie ihre Hände zu Fäusten ballte.

„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll“, löste sich auf einmal schwerfällig von ihr.

Unsicherheit stieg in ihm auf und ihn überkam das Bedürfnis sie in den Arm zu nehmen, doch je länger er wartete, desto größer wurde die Distanz zwischen ihnen, auch wenn sie immer noch dicht nebeneinandersaßen.

Er atmete nur seufzend aus, blieb aber weiterhin stumm.

Izzy hatte das Gefühl, dass Worte manchmal mehr kaputt machen konnten, als den Menschen bewusst war. Meist war es nur ein Satz, der alles über den Haufen werfen konnte.

Ein Moment, der alles veränderte.

So wie bei ihnen.

„Du willst doch sicher gehen oder?“, fragte sie zögerlich, so als hoffte sie eine andere Antwort zu erhalten.

Doch er konnte sie nicht länger anlügen. Das hatte er schon die ganze Zeit getan, ohne es wirklich zu wollen. Es war wie eine Teufelsspirale.

„Ja.“

Nur weil man etwas vor dem anderen verbarg, hieß es noch lange nicht, dass es nicht existent war.

Er lebte in einem Traumschloss, hatte gehofft, dass es sich ohne Probleme klären würde, wohlwissend, dass er zu lange gezögert hatte.

Die Enttäuschung in ihrem Gesicht hatte wahre Bände gesprochen.

Eigentlich waren sie zum Kochen verabredet gewesen, doch nachdem er mit der Wahrheit rausgerückt war, schien die Zeit plötzlich still zu stehen.

Jeder Atemzug fühlte sich unendlich lang an, doch er bekam nicht die nötige Luft um sich zu regen und endlich zu handeln.

Er musste ihr doch zeigen, dass sie sich keine Sorgen machen brauchte!

Doch er war wie erstarrt.

Sein „Ja“ hatte einen deutlichen Anstoß in die falsche Richtung gegeben, denn auf einmal hörte er ein leises Schluchzen, dass nur von ihr kommen konnte.

Izzy traute sich nicht hinzusehen, auch wenn sein Herz innerlich zersprang.

Er liebte sie doch, hatte ihr aber gleichzeitig so sehr wehgetan, dass er sich am liebsten dafür Ohrfeigen wollte.

„Wir können das schaffen“, wollte er sagen, doch seine Lippen waren versiegelt.

Ihr leises Wimmern war als einziges zu hören und brannte sich in seinen Ohren ein.

Er war so verdammt feige.

Niedergeschlagen presste er die Beine fester gegen seinen Körper.

Egal, was er auch zu ihr sagen würde, würde die Tatsache nicht ändern, dass er sie belogen hatte.

Er hatte ihnen die Möglichkeit genommen, gemeinsam zu entscheiden.

Denn er hatte sich bereits entschieden.

Was es für ihre Beziehung bedeutete, konnte er derzeit nicht vorhersagen.

Alles, was er wusste war, dass er einen Menschen verletzt hatte, den er aufrichtig liebte.
 


 

23. Oktober 2010. New York. USA. Hotelzimmer.
 

„Also ich habe herausgefunden, wann sie dort arbeitet, aber ich weiß nicht, ob es so schlau wäre, sie dort abzufangen“, meinte sein Gegenüber skeptisch und rutschte die Stuhllehne nachdenklich hinunter.

„Und ich sage dir, wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Ich bin schon einen verdammten Tag hier und konnte sie immer noch nicht sehen! Weißt du wie schlimm sowas ist?“

Wallace verzog augenblicklich das Gesicht.

„Du scheinst wohl unter wahrhaftigem Liebesentzug zu leiden. Aber ich möchte dich ungern auf den Boden der Tatsachen zurückführen, aber um den Hals wird sie dir sicher nicht fallen. Ich hätte eher Angst, dass sie dich mit ihrem Kochlöffel jagt“, untermauerte er seine Ansichten.

Doch Taichi war ganz sicher nicht hier, um aufzugeben!

Nach einem langen Flug und Jetlag war er endlich in New York angekommen und bereit Mimi gegenüber zu treten.

Von Karis Freund Wallace hatte er einige überraschende Informationen erhalten, die er so ganz sicher nicht erwartet hätte.

Mimi hatte wohl ein Urlaubssemester genommen und arbeitete nebenbei als Küchenhilfe in einem bekannten Restaurant der Stadt.

Wallace hatte nach langem Hin und Her sogar ihre Arbeitszeiten herausbekommen, weshalb Taichi sie heute nach ihrer Schicht überraschen wollte.

Er wollte ihr rote Rosen kaufen und sie danach auf eine romantische Verabredung einladen, die im Central Park stattfinden sollte.

„Es wird sicher alles gut werden“, bestärkte er sich selbst und setze sich Wallace gegenüber. „Ich will, dass sie weiß, dass ich um sie kämpfen werde.“

„Okay, aber stell‘ dich erstmal darauf ein, dass sie nicht begeistert sein wird. Sie hat ihr komplettes Leben auf den Kopf gestellt und keiner wusste anfangs, wo sie überhaupt abgeblieben war“, erzählte Wallace weiter. „Ich habe mich bei ihren Kommilitonen durchgefragt und weißt du wer mir weiterhelfen konnte?“

Taichi runzelte sofort die Stirn und schüttelte automatisch den Kopf.

„Nein, wer?“

„Carter! Der Handlanger von Michael. Anscheinend hat er auch noch nicht aufgegeben.“

Wut stieg in ihm auf, als er diesen Namen hörte.

Michael.

Er könnte wahrhaftig kotzen, wenn er an dieses schmierige Lächeln dachte, dass seine Lippen zierte als sie sich das letzte Mal begegnet waren. Er hatte nicht nur Mimi widerliche Dinge angetan, sie betrogen und belogen – nein, auch seine Schwester war seinem Charme verfallen und fand sich nun in ihrer eigenen Hölle wieder.

Er würde diesem Arschloch am liebsten die Fresse polieren, obwohl er Mimi sicherlich nicht weniger wehgetan hatte als er.

Die Sache mit Sora war eine Kurzschlussreaktion gewesen, dessen Auswirkungen er nicht einschätzen konnte. Damals hatten Mimi und er sich mehr gestritten als ehrlich zu ihren Gefühlen zu stehen.

Erst nach und nach hatte er verstanden, wie viel ihm diese besondere Frau bedeutete.

Genau genommen traf es ihn wie einen Blitz, der seinen ganzen Körper erfasste und ihm die Wahrheit offenbarte.

Er liebte sie. Aufrichtig. Bedingungslos. Heißblütig.

Er musste sich jetzt einfach beweisen, weshalb er alles auf eine Karte setzen würde!

Sie war alles, was er zum Leben brauchte.
 

_
 

Sie schnitt das Gemüse klein und hackte die Kräuter, die gemeinsam den einzigartigen Geschmack der Soße ergeben sollten.

Es war warm, doch Mimi hatte sich an die Hitze der Küche gewöhnt und arbeitete mittlerweile sehr gerne hier.

Ihr gefiel die Dynamik, die im Team herrschte. Alle arbeiteten Hand in Hand zusammen und ergaben eine unzerbrechliche Einheit, bei denen das Wohlergehen des Gastes an oberster Stelle stand.

Und auch Mimi war ein Teil dieser Einheit geworden, die ihr das Gefühl gab, gebraucht zu werden.

In den letzten Monaten hatte sie einiges durchgemacht, weshalb ihr bewusst wurde, dass sie das Leben, das sie führte, nicht mehr ertragen konnte.

Wollte sie wirklich Schauspielerin werden? War die Juilliard wirklich die richtige Schule für sie oder war der Drill, dass was sie täglich krank machte?

Sie war es einfach so leid geworden. Sie konnte diese scheinheiligen Gesichter nicht länger ertragen, weshalb sie nach ihrer Rückkehr einen Entschluss traf.

Mimi wollte sich nicht länger verarschen lassen. Sie war unabhängig und stark!

Sie brauchte weder einen Mann an ihrer Seite, noch eine Eliteuniversität, auf der sie sich schon lange nicht mehr heimisch fühlte.

Sie wollte etwas komplett Neues! Einen richtigen Neuanfang, der mit einem drastischen Schritt begann.

Kurz nach ihrer Landung in New York hatte sie beim nächstbesten Friseur ihre langen Haare auf Schulterlänge gekürzt und trug einen trendigen Longbob, mit dem sie sich richtig befreit fühlte.

Danach lief fast alles automatisch.

Sie musste nicht mehr lange nachdenken, um ihre Entscheidungen abzuwägen! Sie war ihr eigener Herr, weshalb sie ohne das Wissen ihrer Eltern ein Urlaubssemester beantragte.

Natürlich musste sie ihnen erklären, warum sie plötzlich wieder bei ihnen wohnen wollte, doch Mimi war kreativ und erzählte einfach, dass sie es mit Michael am gleichen Campus nicht mehr aushielt und lieber Zeit mit ihrer Familie verbringen wollte.

Eine dreiste Lüge, doch ihr war mittlerweile alles egal.

Ihre Eltern glaubten noch immer, dass sie brav die Uni besuchte und fleißig lernte, doch mittlerweile arbeitete sie hier. Sie hatte sich ganz einfach beworben und den Job sogar recht zeitnah erhalten.

Im Moment verbrachte sie fast ihre komplette Freizeit mit ihren Arbeitskollegen, die alle ein wenig älter waren als sie.

Wahrscheinlich würde ihr dieser Lebensstil auf Dauer nicht guttun, doch sie wollte nicht an ihre Zukunft denken, sondern im Hier und Jetzt leben.

„Hey Mimi, gehst du heute wieder ins Stardust?“, fragte Jackson verschmitzt und entfernte die Gräten der Forelle, die heute als Tagesgericht auf der Speisekarte zu finden war.

Mimi lächelte nur verwegen. „Naja, wenn du mich schon so höflich fragst, kann ich doch nicht nein sagen.“

„Ich hatte gehofft, dass du das sagst“, erwiderte er grinsend und Mimi wurde augenblicklich ganz warm.

Jackson war wirklich ein netter Kerl, der als Koch hier arbeitete. Er war bereits neunundzwanzig und hatte fast schon die komplette Welt gesehen, was Mimi beeindruckte.

Sie unterhielt sich unglaublich gerne mit ihm und war schon öfter mit Jackson und seinen Freunden feiern gewesen.

Er sah auch unfassbar gut aus, weswegen er auch die perfekte Ablenkung für sie darstellte.

Es faszinierte Mimi, dass er bereits älter und erfahrener war als sie, weshalb schnell mehr zwischen ihnen passierte als sie eigentlich erwartet hatte.

Sie hatten viel Spaß miteinander und Mimi spürte wie die schmerzende Wunde ihres Herzens, die Taichi hinterlassen hatte, allmählich geflickt wurde.

Sie war nicht verliebt, sondern lebte einfach ihr Leben.

Ohne Konsequenzen und Verantwortung.

Wie jeden Tag verging die Arbeit wie im Flug und gegen Abend verstaute sie wie immer ihre Arbeitskleidung in ihrem eigenen Spint.

Erleichtert schloss sie ihn und freute sich insgeheim auf den heuten Abend, den sie im Kreise ihrer neuen Freunde und einigen Drinks verbringen wollte.

Sie nahm ihre Tasche und verabschiedete sich vorläufig, ehe sie den Mitarbeiterraum verließ.

Mimi war befreit. Befreit von ihren ehemaligen Lasten.

Liebe? Gab es sowas überhaupt?

Mittlerweile glaube sie nicht mehr daran und wollte die Vergangenheit hinter sich lassen, unwissend, dass sie hinter der nächsten Tür auf sie wartete.

Sie verließ das Restaurant und wollte sich gerade in Bewegung setzen, um ihren Bus zu erwischen als ihr Blick an ihm hängen blieb.

Mimi riss die Augen auf und bemerkte wie die Wut in ihr aufstieg.

„Nein, das darf nicht wahr sein“, flüsterte sie ungläubig und schüttelte den Kopf.

Was wollte er wieder hier? Konnte er sie nicht endlich mal in Ruhe lassen?

„Boah verschwinde!“, brüllte sie augenblicklich und setzte sich unbeirrt in Bewegung.

Doch er wäre nicht er, wenn er ihr nicht hinterherlief.

„Jetzt warte doch mal! Ich will doch nur mit dir reden!“, erwiderte er verbissen und hatte immer noch nicht verstanden, dass er für sie gestorben war.

Seit Carter herausgefunden hatte, wo sie arbeitete, tauchte er öfters auf, als ihr lieb war.

Mal kam er mit Pralinen, ein anderes Mal mit einem Strauß Rosen, die sie vor seinen Augen in die nächste Mülltonne gepfeffert hatte.

„Lass mich jetzt endlich in Ruhe Michael! Ich bin nicht dein Eigentum“, führte sie ihm vor Augen und wollte an ihm vorbeigehen, als er herrisch ihr Handgelenk ergriff.

„Hey, so kannst du nicht mit mir reden! Wir müssen das doch endlich mal klären!“

„Was willst du denn noch klären? Es ist vorbei und jetzt verpiss‘ dich!“, raunzte sie und wandte sich umher, doch er wollte sie einfach nicht loslassen.

Ihre Tasche rutschte schon von ihrer Schulter als sich sein Griff noch mehr um sie verfestigte.

Das durfte doch nicht wahr sein!

Sie musste dringend etwas tun! Doch es war das erste Mal, dass er sie sogar körperlich belästigte. Sonst gab er sich nach einer Abfuhr meist geschlagen, doch heute war scheinbar ein Punkt erreicht, an dem er ein „Nein“ nicht mehr akzeptieren konnte.

„Du gehörst mir! Wir gehören zusammen, wann verstehst du das denn endlich?“, schrie er unerschütterlich.

Angsterfüllt blickte sie ihn an und sah in sein wutverzerrtes Gesicht, ehe eine weitere Stimme sich in das Geschehen einmischte.

„Lass sie sofort los!“, ertönte die bekannte Stimme, die ihr durch Mark und Bein ging sowie ihr Innerstes erschütterte.

Sie wandte sich sofort um und blickte in sein Gesicht. Völlig erstarrt stand sie der Vergangenheit gegenüber, die sie vermeintlich längst hinter sich gelassen hatte…


Nachwort zu diesem Kapitel:
RANDOM NOTE: Mir wurde auch schonmal das Bier auf ner Uni-Feier geklaut. Voll dreist diese Studenten!:P Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So heute auch nur ein Nachwort :D
Langsam aber sicher, geht die Story wirklich in eine Richtung ;) Vielen Dank für die lieben Kommentare und die vielen Favoriteneinträge! Ihr seid wirklich klasse :))
Freue mich auch heute wieder sehr über euer Feedback! Ich hoffe auch, dass die vielen Zeitsprünge nicht so verwirrend für euch sind. In der Zunkunft werden es wirklich weniger werden, versprochen :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So das wars mal wieder ;)
Dieses Kapitel ist sogar etwas länger geworden als das letzte. Das Nächste ist sogar nochmal länger als das hier. Irgendwie komme ich bei dieser Story nie zum Punkt.
Im Moment macht es mir wirklich sehr viel Spaß an dieser Geschichte zu schreiben, auch wenn ich zugeben muss, dass diese vielen verschiedenen Sichten in unterschiedlichen Handlungssträngen manchmal sehr verwirrend sein können.
Das nächste Kapitel wird daher nur in der Gegenwart (Mai 2010) spielen.
Ich werde es jetzt wirklich so machen, dass die Gegenwartssichten immer am Anfang oder am Ende stehen werden. Je nachdem wie es passt.
Falls es zu schwer nachvollziehbar ist oder es zu Verwirrungen kommen könnte, dann schreibt es mir bitte in die Kommentare ;) Ich werde mir dann etwas einfallen lassen :P
Die Zeitsprünge werden jedoch immer weniger werden, sodass die Story am Ende nur noch in der Gegenwart spielt.
Ich habe mich auch dazu entschieden, die Story in Akte zu unterteilen, wie ich es bei L.O.V.E. gemacht habe :)
Sie wird wahrscheinlich etwas länger werden und da dachte ich mir, dass es sinnvoll sei :))

An dieser Stelle möchte ich mich wirklich ganz, ganz herzlich bei meinen lieben Lesern und Kommentarschreibern bedanken. Ich weiß, dass die Story nicht bei jedem so gut ankam, aber trd bin ich jedes Mal geflasht wie viel Zuspruch ich doch von euch bekomme! Vielen Dank <3 Ihr seid wirklich die Besten!
Fühlt euch gedrückt ;)

LG
dattelpalme11 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Soo das war´s mal wieder :)
Eine sehr aufmerksame Leserin (die ich im nächsten Nachwort von L.O.V.E. nochmal erwähnen werde) hat bereits geahnt, was bei der Familie Takaishi/Ishida los ist. Takeru und Yamato bekommen noch einen Bruder oder eine Schwester! Ob das die Eltern wieder zusammenbringen wird?
TK ist hoffnungsvoll. Und Matt ist eben Matt. Eine schwierige Situation zwischen den beiden Brüdern :/
Aber was erwartet ihr auch von der „OOC-Mistverzapferin“ :D Ich bin eben für sämtlichen OOC-Mist zu haben und trete gerne meine Charaktere mit Füßen ;)
Okay das war wirklich genug Sarkasmus für heute. Dennoch finde ich es echt cool wie meine Leser, auf den Letzten Kommentaraufstand bei L.O.V.E. reagiert haben. Ihr seid wirklich die Besten und keine Sorge von sowas lasse ich mich nicht unterkriegen!
Dennoch möchte ich an dieser Stelle an etwas anderes erinnern! Am Montag ist ein wirklich unfassbar guter Schauspieler von uns gegangen. Die Rede ist von Robin Williams, dem ich wirklich sehr schöne Kindheitserinnerung verdanke.
Seine Filme haben mich immer inspiriert, etwas weiter zu machen, an das ich glaube. Mein Lieblingsfilm von ihm war definitiv „Hook“, der auch in meinem DVD-Regal steht. Wahrscheinlich werde ich ihn sogar demnächst wieder anschauen, um alte Erinnerungen hervorzurufen :)
Ich muss auch wirklich gestehen, dass mein letztes Wochenende, gerade wegen besagter Person, nicht gerade so prickelnd war. Mir wurden in persönlichen Nachrichten, Dinge an den Kopf geworfen, die unter die Gürtellinie gingen. Und sowas ist nicht in Ordnung.
Und dann stirbt jemand, der in seinen Filmen immer so positiv gewirkt hat, an Depressionen.
Ich muss gestehen, dass ich in meiner Familie selbst schon einen ähnlichen Fall hatte, der mich sehr geprägt hat und dadurch auch wieder etwas in den Vordergrund gerückt ist.
Und statt Beleidigungen auszusprechen, könnten wir ab und zu ein paar nette Worte für andere übrig lassen.
Spread the Love. Geht hin und sagt euren Liebsten, wie sehr er sie schätzt und vor allem was ihr an ihren mögt.
Die Filme von Robin Williams haben mich gelehrt, zu dem zu stehen, was mich ausmacht und auch Fehler akzeptieren zu lernen. Er hat mich mit seiner positiven Art jedes Mal aufs Neue mitgerissen.
Daher möchte ich an dieser Stelle „Danke“ sagen.
Nicht viele Menschen sind in der Lage andere zu inspirieren. Sie wirklich mit ihren Taten und Worten zu erreichen. Er war dazu in der Lage. Er war einer meiner Kindheitshelden. Deswegen: Danke schön und Ruhe in Frieden.
Und auch ein ganz liebes Dankeschön an meine lieben und treuen Leser!
Da ich vorhin von Spread the Love gesprochen habe, möchte ich auch meine Liebe ein bisschen versprühen.
Ich möchte eine Story erwähnen, die ich persönlich sehr gelungen finde :) Die Autorin habe ich bereits einmal erwähnt aber ich möchte nochmal ganz spezifisch auf ihre Story „Fünf Jahre-(K)eine Freundschaft für immer“ eingehen. Die Rede ist natürlich von der lieben Juju ;) Ich finde deine Geschichte einfach wunderbar und freue mich immer wie Bolle wenn ein neues Kapitel erscheint! Ich hoffe du beglückst uns mit noch weiteren tollen Kapiteln.
Wer die Geschichte noch nicht kennt, sollte unbedingt mal bei ihr vorbeischauen :) Ich denke euch wird die Story genauso fesseln wie mich. Schaut also unbedingt mal vorbei! Ihr werdet es nicht bereuen ;))
Soo und nun liegt es an euch: Versprüht eure Liebe. Drückt eure Großmutter. Backt eurer Mutter einen Kuchen oder sagt einfach mal wie lieb ihr jemand anderen habt.

Liebe Grüße
dattelpalme11. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ähm ja…Tai und Mimi sind wirklich kindisch oder?
Zugegebener Maßen ist dieser Textmarker-Krieg keine erfundene Story. Ich habe mich tatsächlich mal mit einigen Kommilitonen auf sowas eingelassen, nur das es unsere Dozentin nicht gemerkt hat. (Ich glaube sie war schwerhörig und irgendwie auch blind xD)
Den einen haben wir so verunstaltet, dass es so aussah, als hätte er einen fetten blauen Fleck am Arm. Jedenfalls dachte seine Schwester wir hätten ihn während der Vorlesung misshandelt xD

The Story of my life ;)
Naja ich hoffe, euch hat das Kapitel dennoch ein bisschen gefallen und selbstverständlich freue ich mich über eure Meinung ^^

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
dattelpalme11 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Huhu ihr Lieben :)
Endlich kommt auch hier wieder ein neues Kapitel online ^^
Und ich muss zugeben, dass ich dieses Kapitel absolut nicht mag xD Irgendwie habe ich ellenlang gebraucht es zu schreiben, weil es so eine Art Filler war. Es wird nicht unbedingt was Neues aufgedeckt, sondern nur Geschehnisse zusammengefasst.
Aber ihr könnt mir ja gerne mal schreiben, wie ihr es gefunden habt ;)
Das nächste Kapitel wiederrum finde ich persönlich, um einiges interessanter.

Wie ich bereits bei L.O.V.E. erwähnt habe, werde ich ab November jeden Monat zwei neue Kapitel hochladen. Im Moment hänge ich wieder bei einem Fillerkapitel, aber ich habe schon ein paar fertiggestellt :P Ich hoffe deswegen, dass es zu keinen größeren Ausfällen kommen wird :)

Ich möchte an dieser Stelle auch ganz herzlich meine neuen Leser begrüßen, da in der Pause doch ein paar Neue hinzugekommen sind ^^
Ich hoffe natürlich, dass euch generell die Story auch weiterhin gefällt, auch wenn ich mit dem aktuellsten Kapitel nicht ganz so zufrieden bin :P
Wie auch einige sicher gemerkt haben, war dieses Kapitel sehr „Song-lastig“ :D
Eine Band kann ich persönlich wirklich sehr empfehlen, da sie mich doch sehr überrascht haben.
Die Rede ist von „The Pretty Reckless“. Die Frontfrau/Sängerin Taylor Momsen kennen vielleicht einige von euch aus Gossip Girl (Rolle: Jenny Humphrey).
Ich bin auch tatsächlich auf die Band gestoßen, als ich einen kleinen Gossip Girl Fan Flash hatte.
Natürlich ist Alternative Rock nicht für jeden was, aber trotzdem haben mich die beiden Alben wirklich überzeugt (Ich höre sowas normalerweise nicht :P)
Die beiden Alben kann man sich auf Youtube anhören ;) Die Songs sind wirklich toll, aber ich würde nicht empfehlen sich die passenden Musikvideos anzuschauen, da sie…ähm jaa ein bisschen sexistisch sind xD
Aber trotzdem super tolle Lieder. Meine persönliche Empfehlung ;)

So aber jetzt genug von mir und meinem verkorksten Musikgeschmack :D
Man liest sich sicher bald wieder ;)

Liebe Grüße
dattelpalme11 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Soo jetzt wurde tatsächlich Mimis und Tais Geheimnis gelüftet :D Wer hat damit gerechnet? :DD
Also geplant war es von mir nicht gewesen. Ursprünglich waren die kursiven Textabschnitte für einen komplett anderen Plot geplant und sind demensprechend auch ein wenig älter.
Ich habe ihn nie weiterschrieben und habe mir nur irgendwann gedacht, dass es vielleicht in diese Geschichte als Rückblick gut hineinpassen würde :)
Mal sehen was sich daraus noch ergibt :D

Leider habe ich im Moment nicht so viel Zeit an dieser Geschichte weiterzuschreiben, da mein Fachwechsel doch ein paar Komplikationen mit sich zieht.
So wie es aussieht, bin ich mit meinem Beifach bereits fertig, aber mir fehlen noch zwei Hausarbeiten als Modulprüfungen, die ich jetzt nach schreiben muss.
Ich hoffe natürlich, dass ich es weiterhin schaffe, 1-2 Kapitel im Monat hochzuladen. Noch habe ich ein paar auf Vorrat ;)

Ich freue mich natürlich auch sehr darüber, dass ein paar neue Leser hinzugekommen sind :)
An dieser Stelle ein herzliches Willkommen von mir ;)
Und schaut gerne mal beim nächsten Nachwort von L.O.V.E. vorbei, da ich wieder eine ganz tolle Geschichte als Empfehlung für euch habe ^^

Das war´s jetzt erstmal von mir ;)
Ich hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen und ich freue mich natürlich über euer Feedback ^^
Liebe Grüße

dattelpalme11

Edit: Am Samstag ist das zweite Digi-Ei endlich geschlüpft ;P Und es beinhaltete alle Silhouetten der acht Digi-Ritter :D
Das nächste Ei steht auch schon fest und wird das von Kari sein. Ich hatte irgendwie zu Sora tendiert, aber naja ;)
Hier ist nochmal der Link dazu: http://digimon-adventure.net/ (japanische Version)
Sagt mir einfach mal, was ihr von den neuen Silhouetten haltet :)) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Soo da ich im letzten Kapitel ein wenig Tais und Mimis Vergangenheit beleuchtet habe, wollte ich in diesem Karis Vergangenheit thematisieren.
Ich hoffe, dass dadurch einige Dinge und Ereignisse klarer geworden sind :)
Mir persönlich gefällt das Kapitel nicht soo ganz...ich weiß nicht warum, vielleicht wegen der vielen Flashbacks xD
Und wenn ich mich komplett verrechnet habe, müssten die Flashbacks alle nach der Sache zwischen Tai und Mimi spielen…sorry heute geht es mir leider nicht so gut, deswegen entschuldigt bitte meine Verwirrtheit und Tendenz zu mehr Rechtschreibfehlern :D

Bevor ich euch in Ruhe lasse, möchte ich noch eine wirklich „coole Sache“ ankündigen.
Auf Fanfiction.de startet ab dem ersten Dezember ein Adventskalender für alle Digimon-Liebhaber :)
Mehrere Autoren haben sich zusammengeschlossen und schreiben mindestens einen (manche sogar zwei) OS.
Ich durfte auch zwei schreiben, die am 05.Dezemeber und am 22.Dezember online kommen werden (auf fanfiction.de). Den Ersten habe ich bereits fertig und ich habe mich für ein Paar entschieden, dass viele von euch kennen, aber die leider nie so wirklich im Fokus einer Geschichte stehen :(
Deswegen habe ich mich einfach mal an dem Paar versucht und irgendwie habe ich mich verknallt…ach das ist schon etwas Seltsames mit dieser Fanliebe *hüstel*

Naja ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn wir mal bei unserem Adventskalender vorbeischauen würdet :)
Ich hoffe auch, dass euch das Kapitel ein bisschen gefallen hat ;)

Liebe Grüße
dattelpalme11

Edit: Es gibt auf http://digimon-adventure.net/ drei neue Digi-Eier zum Streicheln. Diesmal müssen sie "nur" 500.000 mal angeklickt werden. So wie es aussieht, sind es die Digi-Eier von Joe, Kari und TK :)
Viel Spaß beim Klicken ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Okay, da ist wohl das Date zwischen Matt und Mimi etwas anders abgelaufen, als sich die beiden erhofft hatten :P
Random Note: Die Szene zwischen TK und Kari ist true shit (Neues seltsames Lieblingswort xD).
Ehm, mir ist vor kurzem selbst so etwas Ähnliches passiert. Ein Freund, den ich schon länger nicht mehr gesehen hatte, hatte sich anscheinend einen neuen Klamottenstil zugelegt. Und da habe ich auch gedacht: „Sah der immer schon so gut aus?“ o.O
Oh je…vllt sollte ich aufhören solche Details mit dem Internet zu teilen…naja ist aber auch manchmal ganz witzig :D
Ich habe auch übrigens das Gefühl, dass diese Geschichte viel zu lang wird…und ich weiß wirklich nicht ob ich das gut oder schlecht finden soll o.O

P.S.: Für alle Adventskalender-Verrückten: Seit Montag gibt es unseren Adventskalender auf Fanfiction.de zu lesen. Es sind schon ein paar tolle Geschichten online. Also schaut ruhig mal vorbei, wenn ihr Lust habt :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Soo das war das Weihnachtskapitel. Etwas unspektakulär, aber ich wollte es noch um die Weihnachtszeit gerne hochladen :3
Kommen wir nun zum lustigeren Teil, im wahrsten Sinne des Wortes :D
Ich habe wieder eine Empfehlung für euch!
Diese Geschichte ist ursprünglich bei einem Facebooktalk entstanden, den wir in unserer Adventskalendergruppe hatten.
Wegen eines Tippfehler, ist dem lieben Lenoan, eine kleine Geschichte mit dem Namen „Digimon-The Sofa Chronicles“ eingefallen ;) Er hat sie vor ein paar Tagen abgetippt und sie ist einfach soo unfassbar lustig, dass ich sie euch nicht vorenthalten konnte ;)
Hier ist der Link für alle Leseratten: http://www.fanfiktion.de/s/548f00f600034c662d1bdd1b/1/Digimon-The-Sofa-Chronicles
Also schnappt euch euer Sofamon und lest euch einfach mal rein ;)

Des Weiteren möchte ich mich ganz herzlich bei einer lieben Leserin bedanken, die mir Anfang Dezember ein kleines Weihnachtspäckchen zugeschickt hat :3
Ich habe absolut nicht damit gerechnet und hatte an diesem Tag wirklich miese Laune gehabt :/
Also vielen Dank an die liebe abgemeldet, dir mir meinen Tag ganz schön erheitert hat :)
Schaut auch gerne mal bei ihren tollen Geschichten vorbei! Sie schreibt zwar nicht über Digimon, aber das Lesen lohnt sich!
Absolut! :)

Liebe Grüße und schon mal fröhliche Weihnachten!
dattelpalme11

Edit: Anscheinend wurde in einem japanischen Magazin bestätigt, dass Davis und Co bei der neuen Digimon-Staffel dabei sein werden :) Digimon 02 wird also NICHT übergangen! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Soo kommen wir nun zu dem lustigen Spoiler-Teil :D Ich bin selbst ein sehr neugieriger Mensch und freue mich immer sehr über neue Updates meiner Lieblingsstorys oder halt auch kleine Spoiler ;D (deswegen lese ich Kommentarantworten immer sehr genau :D I’m creepy xD)

SPOILER WARNING!!!

Soo, um was geht es überhaupt in der neuen Story? Das haben sich sicher schon viele gefragt.
Es dreht sich um ein großes Geheimnis, das die Welt der Hauptperson gehörig auf den Kopf stellen wird. Musik spielt ebenfalls eine sehr große Rolle, da ich finde, dass sie sehr heilsam sein kann und auch hilft Probleme zu verarbeiten. Hauptinspirationsquelle war das Album 1989 von Taylor Swift, aber auch Bands wie The Pretty Reckless konnten meinen Gedankenhorizont ein wenig erweitern.
Desweitern habe ich versucht, mich auf eine Person zu spezialisieren. Ich schreibe gerne aus mehreren Sichten und wollte einfach mal etwas anderes ausprobieren. Ich bin mir nicht sicher, ob das immer so geklappt hat. Dafür spucke ich zu gerne in den Köpfen meiner Charaktere herum.
Es werden auch mehr einige Charaktere von mir eingebaut werden. Irgendwie finde ich meine eigenen Charaktere in meinen Geschichten ziemlich flach und das wollte ich einfach mal ändern, indem ich ihnen erstens einen größeren Auftritt ermögliche und facettenreichere Charaktereigenschaften einbaue.
Mir persönlich hat es auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht, diese Charaktere zu konzipieren, auch wenn ich befürchte, dass manche einen derben Humor haben werden o.O
Allgemein lässt sich sagen, dass ich bereits 16 Kapitel fertig gestellt habe. Die Kapitel sind durchschnittlich circa 2000 Wörter lang und somit relativ fixt runterzuschreiben.
Den Titel werde ich euch erst demnächst verraten. Anfangs ist mir wirklich kein guter eingefallen, aber mit diesem bin ich ganz zufrieden :)

Soo und jetzt werde ich euch mal einen kurzen Textausschnitt zum Lesen bereitstellen. Vielleicht hat der ein oder andere ja schon eine Idee, um was es in der Geschichte gehen wird :D

Eine kühle Brise kam ihr entgegen und der Nebel in ihrem Kopf schien sich zu verschlimmern. Sie hielt sich kurz an der Hauswand fest und sah zum Himmel, der Sternenbedeckt war.
„Geht´s dir gut?“, fragte Izzy sie plötzlich und berührte zaghaft ihren Arm.
„Ja klar, mir ist nur etwas Schwindelig“, antwortete sie. Genaugenommen ging es ihr gar nicht gut.
Ihre Knie waren weich wie Wackelpudding und sie hatten einen komischen Geschmack im Mund, der ohnehin schon sehr trocken war.
„Ich bring dich noch nach Hause“, bot Izzy ihr an und sah aufmunternd zu ihr.
„Danke, das ist nett“.
„Dann bringe ich Sora nach Hause!“, bestimmte Tai grinsend und bot ihr seinen Arm zum Festhalten an.
„Ach Tai, ich finde schon noch alleine nach Hause, außerdem kannst du doch Kari nicht alleine gehen lassen“, meinte sie und schüttelte den Kopf.
„Ich kann sie nach Hause bringen!“, meldete sich Matt nun zu Wort. „TK muss ja auch noch irgendwie zu Mama kommen, also wäre das kein Problem danach auch noch Sora bei ihrer Mutter abzuliefern“.
Er grinste und kassierte von Sora einen eindeutigen Blick. „Was heißt hier abliefern? Ich bin doch kein Paket“, murrte sie, lächelte aber im nächsten Augenblick wieder.
Tai zog die Mundwinkel nach oben und kräuselte leicht die Lippen.
„Gut dann wäre das ja geklärt“, erwiderte er, wirkte auf Mimi jedoch sehr enttäuscht.
Diese Erkenntnis schlug ihr wiederrum auf den Magen, der sich anfühlte, als hätte sie Backsteine gegessen.
„Na dann, gehen wir mal los“, sagte Izzy und sah zu Mimi, die immer noch an der Wand gelehnt stand.
„Ja okay“, murmelte diese und bewegte sich langsam.
„Ach, und wenn ihr noch Hilfe braucht, könnt ihr mir morgen ja ne SMS schreiben“, ergänzte der Rotschopf, während Mimi sich halbherzig von allen verabschiedete.
Sie war bei Tai angekommen und zog ihn in eine eher flüchtige Umarmung, als er sie plötzlich fest an sich drückte.
Mimi spürte seinen warmen Atem neben ihrem Ohr.
„Vielen Dank für den Kuchen. Ich glaube, so ein tolles Geschenk habe ich noch nie von jemandem bekommen“, hauchte er und eine leichte Gänsehaut überkam sie.
Dann hatte er sie wieder losgelassen. Perplex sah sie ihn an. Tai grinste nur schief.
„Komm gut nach Hause“.
„Ja du auch“, flüsterte sie und ging mit Izzy los, auch wenn ihre Gedanken noch um seine Worte kreisten. (Auszug Kapitel 7).


Okay, das war der kleine Auszug, den ich sicherlich noch hundertmal überarbeiten werde, bevor ich ihn online stelle xD Welche Paare ich mir überlegt habe, werde ich vorerst unkommentiert lassen. Es ist sehr viel Raum nach oben, für eine Menge Chaos und Intrigen.
Was ich genau geplant habe, weiß ich leider selbst noch nicht :D
Ich hoffe, jedoch das euch dieser kleine Einblick gefallen hat, auch wenn er nur sehr kurz war ;)
Ich werde versuchen, die neue Geschichte bald hochzuladen :) Aber ich will zuvor, noch ein paar Kapitel geschrieben haben, damit ich ungefähr weiß, wohin die Story mich führen wird ^^
Ich hoffe, dass ich vllt ein paar von euch neugierig gemacht habe ;)

Und natürlich hoffe ich auch, dass euch das heutige Kapitel gefallen hat.
Bis demnächst und viele liebe Grüße an euch <3
dattelpalme11 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)
Endlich gibt es von mir mal wieder etwas zu lesen :D Ich weiß, dass ich im Moment leider nicht soo aktiv bin :) Ich hoffe, trotzdem, dass ihr mir weiterhin treu bleiben werdet :P
Leider kann ich im Moment an dieser Geschichte nicht weiterarbeiten, aber ich habe noch ein paar Kapitel auf Vorrat, sodass jeden Monat ein Neues online kommen kann ;D
Aber wie ich schon im letzten Nachwort erwähnt habe, wird es bald eine neue Geschichte von mir geben, die ich versuchen werde demnächst online zu stellen.
Sie heißt "The Story of a Bastard Child" und wird so ein bisschen anders als meine üblichen Geschichten werden. Eigentlich hatte ich ursprünglich auch einen anderen Titel gehabt, aber ich glaube er spoilert zu sehr die Haupthandlung der Geschichte, weshalb ich mich für diesen entschieden habe.
Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wie ihr sie finden werdet und ich hoffe, dass euch das heutige Kapitel ebenfalls gefallen hat ;)

Liebe Grüße
dattelpalme11 :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)
Ich habe es diese Woche endlich geschafft, dieses Kapitel Korrektur zu lesen und musste mit erschrecken feststellen, dass es wieder unfassbar lang geworden ist.
Diesmal ist mir das Korrekturlesen auch besonders schwer gefallen, da ich mich noch um zwei Hausarbeiten kümmern muss. Wer kleine Fehlerchen findet, darf sie deswegen gerne behalten :D

Ich habe auch vor kurzem eine neue Geschichte hochgeladen und würde mich sehr freuen, wenn ihr mal vorbeischaut ;D
Sie heißt The Story of a Bastard Child und ich habe mich bei dieser Geschichte, mal an etwas Neues herangewagt, da ich diesmal versuche, nur aus einer Sicht zu schreiben :> Wer meine Geschichten schon länger verfolgt, weiß das ich vorzugsweise immer aus mehreren Sichten schreibe ;)
Wer Lust und Interesse hat, kann gerne mal vorbeischauen!
Ab April werde ich hoffentlich auch wieder mehr Zeit haben, mich dieser Geschichte zu widmen. Leider werde ich das monatliche Update vorerst beibehalten, bis ich wieder ein paar mehr Kapitel auf Vorrat habe. Ich hoffe, ihr seid mir deswegen nicht all zu böse :/

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich für eure lieben Worte bedanken :) Es freut mich, dass ihr mir treu bleibt, auch wenn es hier im Moment so wenige Updates gibt. Aber ich werde daran arbeiten :>

Liebe Grüße
dattelpalme11 :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
ich wollte dieses Kapitel eigentlich erst später hochladen, aber ich habe gesehen, dass letztens die 100 Kommentare geknackt wurden! Daher gibt es das heutige Kapitel etwas früher als gewöhnlich :D
An dieser Stelle möchte ich einen großen Dank an meine fleißigen Kommentarschreiber aussprechen :> Vielen Dank für eure lieben Worte, die mich auch stets zum Weiterschreiben motivieren :)
Ein weiterer Dank, geht an die liebe Juju, die das Kapitel Korrektur gelesen und mir somit viel Arbeit abgenommen hat :>

Demnächst wird es auch ein Update bei "Bastard Child" geben ;)
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ohje, willkommen im Chaos...
Ich glaube, meine Charaktere machen wirklich was sie wollen -.- Unfassbar!
Ob ich die jemals gebändigt bekomme? xD
Ich hoffe dennoch, dass es euch gefallen hat :>

Diesmal geht wieder ein besonderer Dank an die liebe Juju, die mir zurzeit sehr viel Korrekturarbeit abnimmt! Vielen Dank, meine Liebe <3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :>
Da ich mir vorgenommen habe diese Geschichte ein wenig voranzutreiben und vielleicht sogar demnächst schon zu beenden, dachte ich mir einfach, dass ich spontan ein neues Kapitel hochlade :)
Ich habe mittlerweile auch wieder eher den Faden gefunden und bin bereits fleißig am weitertippen ;)
Es hat mich wirklich gerührt, dass noch so viel Interesse an dieser Story besteht, dass ich euch natürlich nicht all zu lange warten lassen wollte :'D

Ich hoffe, dass heutige Kapitel hat euch gefallen! <3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Soo, auch hier gibt es mal wieder ein neues Kapitel.
Ich hoffe, es hat ein paar Fragen aufgeworfen, die ich natürlich noch versuchen werde zu beantworten.
Und da es in meiner anderen Geschichte im Moment nur wenige "schöne" Szenen mit Tai und Mimi zu lesen gibt, habe ich mir überlegt einfach hier mal ein bisschen Michi-Kitschi einzubauen ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :D
Und schon wieder gibt es was Neues von mir zu lesen o.O Ich schmeiße die neuen Kapitel ja raus wie Konfetti :D
Ich hoffe, ihr habt nicht bald die Schnauze voll von mir xD
Aber gut, dieses Kapitel wollte ich unbedingt noch im alten Jahr hochladen, da es den Abschluss des ersten Aktes bildet.
So und die Bombe ist endlich geplatzt! Ich habe schon von Anfang an hasche Kritik bezüglich meiner Charakterdarstellung von Kari einstecken müssen, weil sie doch sehr OOC-mäßig rüberkäme, aber ich denke jetzt wird ihr Handeln vielleicht ein bisschen klarer werden.
Ich muss gestehen, dass ich nur noch 3 Kapitel auf Vorrat habe, weshalb die Wartezeiten hier sehr wahrscheinlich wieder länger werden könnten :/ Irgendwie bin ich immer noch nicht so wirklich in der Story drinnen und lenkte mich lieber mit einer seichten Liebesgeschichte ab, statt ihr weiterzuschreiben xD
Ich hoffe meine Beta-Leserin tritt mir demnächst mal in den Po! :D
Aber wo wir schon bei Beta-Leserin sind: Ein ganz liebes Dankeschön geht an die liebe Juju, die sich immer so viel Mühe macht meine dusseligen und echt dämlichen Fehler auszubessern :D <33 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
ich melde mich nun auch endlich mal wieder bei dieser Story zurück.
Euch wird sicher aufgefallen sein, dass der Aufbau des zweiten Aktes etwas anders ist. Die Songs und genauen Orts-und Zeitangaben fallen ab jetzt weg, da wir uns nur noch in der Gegenwart bewegen werden :P
Dieses Kapitel ist sozusagen auch nur der Einstieg des zweiten Aktes und demensprechend auch nicht sehr lang.
Ich muss zugeben, dass ich an dieser Geschichte schon wieder länger nicht weitergeschrieben habe, da mir der bekannte "Flow" etwas gefehlt hat. Beziehungsweise wusste ich nicht so wirklich, wo ich ansetzten sollte, da noch eine Menge Probleme geklärt werden müssten.
Allerdings habe ich gestern einen kleinen Inspirationsschub bekommen, der von der lieben Juju ausgelöst wurde, als wir uns wieder über unsere Geschichten unterhalten haben :D <3
Sie hat mich auf die ein oder andere Idee gebracht und ich hoffe daher, dass ich bald ein bisschen mehr Zeit finde, daran zu werkeln ;D
Ich hoffe, dass es daher okay ist, wenn hier vorerst nur unregelmäßige Updates folgen werden. Zwei Kapitel habe ich noch in Petto und hoffe, dass ich sie bald etwas vermehren kann :D

Ich hoffe es hat euch gefallen und wie immer freue ich mich sehr über eure Meinungen :) <3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
auch hier melde ich mich mal wieder mit einem neuen Kapitel zurück!
In letzter Zeit wurde ich nämlich öfters gefragt, wann auch hier wieder ein neues Kapitel online kommen wird :>
Ich möchte allerdings keinen festen Upload-Tag einführen, da ich bei dieser Geschichte leider nie weiß, wie gut oder schlecht ich voran komme.
Zum Kapitel selbst lässt sich sagen, dass ich absolut kein Takari schreiben kann >.< Ich weiß nicht wieso, aber mittlerweile schreibe ich sehr ungern über die Beiden, auch wenn sie früher zu meinen absoluten Lieblingspärchen gehört haben :/
Aber gut, so ist das manchmal eben :D Geschmäcker ändern sich eben und es gibt ja hier genug gute Takari-Schreiber ;)
Ich hoffe dennoch, dass es euch gefallen hat! <3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)
Da ich bei meiner anderen Geschichte wieder fleißig Kapitel hochgeladen habe, dachte ich mir, dass auch ihr mal wieder ein Update folgen sollte >_<
Ich habe bereits gesehen, dass diese Geschichte einige Favoriten dazu bekommen hat und wollte mich bei allen bedanken, die diese Story immer noch so fleißig verfolgen. Ein besonderer Dank geht auch an meine fleißigen Kommentarschreiber, die mich stetig motivieren, die Geschichte nicht aufzugeben, auch wenn ich in der letzten Zeit oft darüber nachgedacht habe xD
Wir haben hier so eine kleine Liebe-Hass-Beziehung, aber ich hoffe natürlich, dass euch die chaotischen Wendungen, die sich mein kranker Kopf ausgedacht hat, dennoch gefallen werden :D Im nächsten Kapitel wird ein gewaltiger Hammer auf euch zukommen, den hoffentlich die wenigsten erwarten werden :> Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :3
Es ist wieder soweit und auch hier folgt ein neues Update :)
Ich habe so ein bisschen die Hoffnung, dass es mich zum Weiterschreiben anheizt, weil ich tatsächlich jetzt nur noch ein Kapitel auf Vorrat habe >_<
Ich bin auch sehr gespannt, wer mit dieser kleinen Wendung am Anfang gerechnet hat :P Sora ist also nicht nur Tai näher gekommen, sondern auch Matt o.o Ich glaube, dass schreit schon förmlich nach Drama :D
Ich möchte mich auch ganz <3-lich für die ganzen neuen Favoriten bedanken, die hinzugekommen sind :) Ich bin immer noch sprachlos und bemühe mich sehr, dieser Geschichte ein schönes Ende zu ermöglichen ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)
Heute lade ich tatsächlich mein letztes Kapitel hoch, dass ich noch auf Vorrat hatte xD
Aber ich habe bereits mit dem neuen Kapitel angefangen und hoffe, dass ich jetzt tatsächlich einen monatlichen Updatetag einhalten kann.
Ich weiß, dass ich die Geschichte wirklich sehr vernachlässigt habe, weil ich mit "Bastard Child" einfach besser voran gekommen bin. Aber da meine andere Geschichte seeeehr bald beendet wird, möchte ich natürlich auch mehr Aufmerksamkeit auf "Die Zeit deines Lebens" verlagern.

Dieses Kapitel möchte ich einer ganz lieben Autorin widmen, die sich mal vor Ewigkeiten ein süßes Liebeskapitel zwischen Yolei und Izzy gewünscht hat :) Und hier ist ein bisschen Zucker für dich *_*
Die Rede ist von der lieben Sakuran, deren Geschichten ich wirklich unglaublich gerne lese <3 Ich weiß, dass du im Moment sehr viel Stress hast, aber ich wollte gerne nochmal erwähnen, wie sehr ich deine Geschichten mag und das ich mich sehr freue, wenn es weitergeht :) Egal, wie lang ich warten muss :D <3

Natürlich hoffe ich auch, dass euch das Kapitel gefallen hat :) Vielen Dank für euer liebes Feedback zu dieser Story :> Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)
Ach im Moment herrscht bei mir wirklich freudiges Chaos, da sich ständig etwas ändert. Ursprünglich dachte ich, dass ich freitags nicht mehr hochladen kann, weil ich arbeiten bin, aber das hat sich leider dann doch etwas verändert, da ich als Springer eingeteilt wurde >_<
Jedenfalls ärgert es mich jetzt ein bisschen, dass ich extra deswegen den Uploadtag von "Bastard Child" nochmal umgelegt habe -.- Aber ich dachte mir jetzt einfach, dass ich heute mal das neue Kapitel von "DZdL" hochladen kann :D
Der Uploadtag von BC wird dann weiterhin montags sein, da ich nicht ständig hin und her springen will >_<

Ich muss gestehen, dass ich das neue Kapitel noch nicht mal angefangen habe, aber trotzdem hoffe, dass ich es für September dann fertig haben werde :D
Ein Fun Fact zu diesem Kapitel: Es ist unter einer sehr intensiven Einnahme von Schmerzmitteln entstanden, weshalb es wohl auch so verrückt geworden ist xD
Es bahnt sich auf jeden Fall sehr viel Chaos an und ich bin mal gespannt, was ihr zu den einzelnen Wendungen sagen werdet :> Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)
Wie ich bereits bei meiner One-Shot-Reihe erwähnt hatte, wollte ich bei Gelegenheit hier mal weiterschreiben. Ich hätte nicht erwartet, dass ich schon dieses Wochenende dazu Gelegenheit bekomme, weil ich auch noch mit einigen OS beschäftigt bin, aber ich hatte mal richtig Lust darauf wieder ein Kapitel hier zu tippen :>
Ich habe mir in letzter Zeit auch viele Gedanken um diese Geschichte gemacht, weil sie so ein bisschen ihre ursprünglichen Wurzeln verloren hatte. Das hat mir nicht so gut gefallen, weil ich das Gefühl hatte, dass ich irgendwas schreibe und nicht das, was mir eigentlich gefällt. Aber ich glaube, ich bin wieder auf dem richtigen Weg und hoffe, dass er euch auch weiterhin gefallen wird :)
Chaos und Intrigen sind natürlich vorprogrammiert ;)<3

Ich freue mich natürlich wie immer sehr über eure Meinungen :)

Kleine Random Info: Der kursiv geschriebene Teil ist mindestens zwei Jahre alt xD Ich hatte ihn mal vorgeschrieben und konnte ihn erst jetzt verwenden :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
ich hoffe ihr seid alle gut ins Jahr 2017 gestartet!
Ich bin noch mitten in meiner Abschlussarbeit, aber komme soweit ganz gut voran, weshalb ich auch heute Zeit hatte, dieses Kapitel fertig zu schreiben :)
Es gab hier schon länger kein Update mehr, weil es mir in letzter Zeit generell ein bisschen schwer gefallen ist, mich zum Tippen aufzuraffen. Ich hatte einfach das Gefühl nichts Sinnvolles zu Stande zu bringen, weshalb ich auch meine beiden Geschichten pausiert hatte, da ich auch nicht irgendeinen Unsinn hochladen wollte, mit dem ich am Ende selbst nicht zufrieden bin.
Ich hoffe ihr versteht das und auch das meine Zeit im Moment leider nicht für regelmäßige Updates reicht.
Ich versuche auch hier wieder ein bisschen mehr zu schreiben, weil ich die Geschichte dieses Jahre gerne beenden möchte :) Wie ihr auch seht, hat die Geschichte ein neues Titelbild bekommen, dass Hikari darstellen soll :D
Auch "Vergissmeinnicht" erhält ein neues Titelbild, dass ich mit einem neuen Kapitel zusammen hochladen werde :>
Wann das der Fall sein wird, kann ich euch leider noch nicht sagen, also haltet einfach weiterhin die Augen auf! ;>

Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen und ich freue mich natürlich wie immer über eure Meinungen :)
Liebe Grüße
dattelpalme11 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
heute kam mal wieder ein neues Kapitel von DZdL online!
Ich habe gestern noch relativ lange an diesem Kapitel gesessen, weil ich es unbedingt fertig bekommen und hochladen wollte.
Ihr wisst sicher, dass ich zurzeit viel über meine Geschichten nachgedacht habe und möglicherweise auch ein bisschen kritischer gegenüber ihnen eingestellt bin als noch vor ein paar Monaten.
Das liegt einerseits daran, dass ich durchaus merke, dass meine Leserschaft sich sehr verändert hat und ich leider nicht wirklich weiß, an was es liegt. Vielleicht ist nach acht Jahren auch einfach so ein bisschen die Luft raus xD
Anderseits wurde mir bei dieser Geschichte auch bewusst, dass ich sie wohl nicht mehr weitergeschrieben hätte, wenn sie nicht schon online gewesen wäre.
Normalerweise schreibe ich in erster Linie für mich und ich hatte immer sehr viel Spaß daran. Bei dieser Geschichte habe ich jedoch das Gefühl, dass ich sie mehr für andere schreibe, weil ich natürlich sehe, dass sehr viele diese Geschichte auf den Favos haben und sicherlich gerne wissen möchten wie sie zu Ende geht.
An die aktiven Leser möchte ich an dieser Stelle einen großen Dank aussprechen, da sie mir auch immer wieder Anstöße geben, wie ich die Geschichte weitergestalten kann :>
Aber ich möchte auch realistisch bleiben und gebe an dieser Stelle offen zu, dass mir manchmal wirklich die Motivation fehlt weiterzutippen.

Ich möchte dieser Geschichte wirklich ein würdevolles Ende bereiten, so wie es bei meinen anderen Geschichten der Fall war.
Ich hoffe, ihr könnt das nachvollziehen und seid mir deswegen nicht all zu böse, wenn die Kapitel länger auf sich warten lassen!

Liebe Grüße
dattelpalme11 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben!
Das letzte Update ist schon wieder eine Ewigkeit her, doch ich wollte euch wissen lassen, dass es auch hier durchaus weitergeht :)
Mittlerweile versuche ich zur ursprünglichen Idee dieser Geschichte zurückzugelangen, da ich das Gefühl hatte, dass ich mich zu sehr von anderen beeinflussen gelassen hatte und dadurch auch in eine Richtung gegangen bin, die ich eigentlich so gar nicht wählen wollte.
Mir ist das bewusst geworden als ich meine allererste Planung zu dieser Geschichte gefunden hatte und ich hoffe, dass es mir gelingt sie so weiterzuerzählen, wie es ursprünglich geplant war :)
Das nächste Kapitel ist schon fertig geschrieben und die Planung des zweiten Aktes ist auch komplett abgeschlossen, weshalb ich auch sehr optimistisch bin, dass alles so klappt, wie ich mir das wünsche :)

Ich möchte mich auch nochmal bei allen Lesern und Kommentarschreibern für ihre Treue bedanken!
Ich finde es echt unglaublich, dass mittlerweile so viele mitlesen, obwohl die Story seit Mitte März pausiert hat!
Ich hoffe, dass ihr auch weiterhin viel Freude beim Lesen haben werdet und natürlich freue ich mich auch sehr über eure Meinungen, Vermutungen und konstruktiven Ratschläge!

Liebe Grüße und bis demnächst ♥
dattelpalme11 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)
Nach der Koumi-Woche geht es auch hier wieder weiter! Vielen Dank für euer Feedback zum letzten Drabble♥
Ich werde auch noch alle Kommentare beantworten :>
Im Moment ist es bei mir ein bisschen chaotisch, weil bald wieder die Uni startet, weshalb das Lesen und Schreiben bei mir auch wieder etwas zu kurz kam >.<
Dieses Kapitel war allerdings schon fertig gewesen und es wurde auch schon für Nachschub gesorgt :D
Viele hatten ja vermutet, dass Sora wie Hikari eine Fehlgeburt erlitten haben könnte, was allerdings nicht der Fall war. Natürlich ist Soras Situation sehr selten, aber ich fand es ganz spannend auch mal diese Thematik zu behandeln, weil man ja über ungewollte Schwangerschaften so viel liest und seltener Storys über das krasse Gegenteil.
Und am Ende hat auch noch Mimi von dem kleinen Techtelmechtel zwischen Sora und Tai erfahren, was sicher nur Chaos bringen kann...ich glaube Sui Ishida hat leider keinen guten Einfluss auf mich xD

Ich hoffe trotzdem, dass euch das Kapitel gefallen hat und ihr viel Spaß beim Lesen hattet :>
Und falls ihr schon den neuen Digimon Adventure tri Film gesehen habt, könnt ihr mir mal gerne in die Kommentare schreiben wie ihr ihn fandet :D Ich werde dazu auch noch einen kleinen Eintrag posten ;)

Liebe Grüße und bis demnächst ♥ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :>
Ich melde mich heute mit einem etwas außerplanmäßigen Kapitel zurück! Eigentlich sollte das Update erst nächste Woche kommen, aber aufgrund einer neuen Projektidee habe ich den Upload etwas vorgezogen!
Nächste Woche wird es allerdings auch regulär ein neues Kapitel geben, damit ich nicht aus meinem neuen Rhythmus komme :D
Allerdings haben die liebe Khaleesi26 und ich uns wieder zusammengesetzt und uns ein kleines Weihnachtsprojekt überlegt. Da es dieses Jahr keinen Adventskalender auf ff.de geben wird, dachten wir, dass wir vielleicht wieder eine kleine Drabblereihe organisieren möchten, da diese immer sehr schnell geschrieben sind und bisher auch immer sehr gut ankamen.
Aber wir wollten natürlich auch unsere Leser miteinbeziehen und gemeinsam ein bisschen weihnachtliche Stimmung verbreiten.
Wie bei meinem Wunsch-OS-Projekt und Khalessis 5-Wörter-OS-Reihe hatten wir uns überlegt, dass ihr uns einfach einen weihnachtlichen/winterlichen Begriff mit Paar-Wunsch zuschickt und wir uns dann dazu eine Kleinigkeit überlegen.
Das Projekt wird im Dezember starten und ihr habt bis nächste Woche Samstags Zeit uns eure Wörter zu schicken :> Wenn wir alle Wörter haben, werden wir uns auch überlegen, wie wir das ganze Projekt gestalten werden :D Dazu wird dann nochmal eine Info folgen.
Ihr könnt euer Stichwort mit Paarwunsch entweder unten in die Kommentare schreiben oder per ENS zuschicken (Betreff: Weihnachtsprojekt).
Wir hoffen, dass wir ein paar interessante Konstellationen zusammen bekommen werden :P
Wir wünschen euch auch viel Spaß beim Mitmachen :)

Und natürlich hoffe ich auch, dass euch das außerplanmäßige Kapitel gefallen hat ;)
Das Nächste kommt dann bereits nächsten Sonntag und wird sich mit einigen interessanten Zusammenkünften beschäftigen!

Liebe Grüße
dattelpalme11 ♥ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)
Wie versprochen kam auch diesen Sonntag wieder ein neues Kapitel online!
Erstmal möchte ich mich für mittlerweile 200 Kommentare bedanken! Ich hätte niemals erwartet, dass ich bei dieser Geschichte so viel Feedback erhalten werde, gerade weil ich sie nicht so regelmäßig hochgeladen habe. Deswegen vielen Dank an diejenigen, die immer treu mitdabei waren und fleißig ihre Meinungen dagelassen haben ♥

Bei diesem Kapitel ist mir aufgefallen, dass ich das erste Mal aus Codys Perspektive geschrieben habe xD Leider kam er immer ein bisschen zu kurz, aber auch er wird noch eine wichtige Rolle in der Geschichte einnehmen.
Und ich möchte mich auch für diesen fiesen Cliffhanger am Ende entschuldigen >_< Ihr könnt mir ja mal gerne schreiben, was ihr vermutet, was Taichi als Nächstes vorhat :D

Des Weiteren wollte ich mich auch bei denjenigen bedanken, die uns bisher Begriffe zu unserem Weihnachtsprojekt geschickt haben :D Die liebe dattelpalme94 wird uns ebenfalls bei diesem Projekt unterstützen und wir haben beschlossen, dass diejenigen, die uns noch keinen Begriff und Paarwunsch geschickt haben, dass auch noch die ganze nächste Woche tun können :>
Wir hoffen, dass wir noch ein paar tolle Begriffe erhalten werden :D

Nächste Woche wird es auch bei Vergissmeinnicht weitergehen :) Im Moment schwanke ich noch bezüglich des Uploadtags, der entweder alle zwei Wochen, Donnerstags oder Sonntags sein wird :D Ihr könnte mir ja mal gerne Bescheid geben, welcher Tag euch lieber wäre :>

Soo aber jetzt habe ich genug geredet!
Ich hoffe es hat euch gefallen und wie immer freue ich mich über eure Meinungen :) ♥ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)
Zuerst möchte ich euch einen schönen und erholsamen 1. Advent wünschen!
Ich habe mich leider ziemlich erkältet und liege flach, aber ich wollte unbedingt dieses Kapitelchen noch online stellen :) Bitte habt daher etwas Nachsicht bezüglich der Korrektur >_< ♥
Wie einigen sicher aufgefallen ist, hat diese Geschichte ein neues Titelbild erhalten, dass mir selbst auch unglaublich gut gefällt :) Es soll Hikari darstellen und die Veränderung, die sie in den nächsten Kapiteln durchmachen wird, aufzeigen. Blue Spring Ride von Io Sakisaka hat mich dazu inspiriert es zu zeichnen ♥

Des Weiteren wollte ich noch ganz kurz auf unser Weihnachtsprojekt verweisen, dass ich gemeinsam mit Khaleesi26 & dattelpalme94 ab dem 18.12 starten werde :) Hierbei handelt es sich um eine Weihnachtswoche, die euch die Tage bis zum 24.12 versüßen soll. Das Projekt wird auf unserem Gruppenaccount Tarima zu finden sein! Ich hoffe, ihr schaut fleißig rein, wenn's soweit ist :)

Auch zu dieser Story gibt es eine kleine Überraschung! Da ich mit dem zweiten Akt fast fertig bin, habe ich mich dazu entschlossen, diesen auch im alten Jahr noch zu beenden :) Daher werden noch zwei weitere Kapitel im Dezember folgen! Einfach sonntags mal die Augen aufbehalten ;)
Im nächsten Kapitel werden Sora & Matt sowie Hikari & Davis eine größere Rolle einnehmen ;)

Liebe Grüße und bis demnächst ♥ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)
Ich wünsche euch einen schönen und vorallem erholsamen 2. Advent! Bei uns schneit es gerade und so langsam kehrt auch bei mir die Weihnachtsstimmung ein ;)
Dennoch wollte ich unbedingt das nächste und zweitletzte Kapitel des 2. Akts für euch online zu stellen!
Wenn alles klappt wird am 3. Advent das nächste Update folgen!
Auch bei Vergissmeinnicht gibt es eine kleine Kapitelankündigung! Das Nächste wird am Donnerstag online gehen, da es während der Weihnachtswoche keine Uploads bei meinen eigenen Geschichten geben wird ;)

Ich hoffe sehr, dass euch dieses Kapitel gefallen hat und wie immer freue ich mich sehr über eure Meinungen :)♥

Liebe Grüße und bis demnächst :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

Heute kam das letzte Kapitel des zweiten Aktes und auch das letzte Kapitel für dieses Jahr online!
Der dritte Akt ist wieder ähnlich aufgebaut wie der Erste und es wird auch ein kleiner Zeitsprung von ein paar Monaten folgen. Die vorläufige Playlist für Akt 3 ist schon bei den "Charakteren" zu finden und wer möchte kann gerne mal reinschauen :)

Ich hoffe, dass ich auch nach wie vor an der Story fleißig weiterwerkeln kann, da ich mir als Ziel für 2018 vorgenommen habe, meine beiden laufenden Geschichten zu beenden.

Ich hoffe ihr hattet alle einen wunderschönen Heiligabend und feiert auch die nächsten Tage im Kreise eurer Liebsten <3
Ich wünsche euch an dieser Stelle auch schon mal einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Mit beiden Geschichten wird es dann 2018 weitergehen :)

Liebe Grüße ♥ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
auch hier begrüße ich euch ganz herzlich zum dritten und letzten Akt dieser Geschichte :)
Dieser Akt ist wieder ähnlich aufgebaut wie der Erste, weshalb sowohl die Songs als auch die genauen Ortsangaben zurückkehrt sind ;) Die Ortsangaben werden benötigt weil dieser Akt nicht nur in Japan spielen wird :>
Das nächste Kapitel habe ich auch schon angefangen und ich bin sehr optimistisch, dass ich es am 1. Sonntag im Februar auch hochladen kann :)
Des Weiteren wollte ich euch noch eine Soundtrackempfehlung dalassen, da ich mich durch diesen auch sehr inspiriert gefühlt habe, dieses Kapitel zu schreiben :>
Es handelt sich um den Soundtrack von Your Name, den ich am Donnerstag im Kino gesehen habe :) Sowohl die Songs als auch der Film selbst sind sehr empfehlenswert ♥

Morgen geht es dann, wenn nichts dazwischen kommt, auch mit Vergissmeinnicht weiter!
Liebe Grüße und einen schönen Restsonntag :> Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
heute ist wieder der erste Sonntag im Monat und Zeit für ein neues Kapitel von DZdL!
Ich habe es erst gestern fertig geschrieben und das Nächste schon vorgeplant, damit ich mich bald ransetzen kann :)
Ich muss zugeben, dass mir der Takari-Teil dieses Kapitels besonders viel Spaß gemacht hat, auch wenn ich normalerweise nicht so gerne über die beiden schreibe ^^
Im nächsten Kapitel werden Sora und Tai ein Gespräch miteinander haben und auch Joe sowie Davis werden wieder ein bisschen Screentime bekommen!

Ich wünsche euch noch einen schönen Sonntagabend und bis demnächst ♥ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,

das letzte Update ist wieder einige Monate her und ich habe keine Ahnung, wer die Geschichte überhaupt noch verfolgt oder nicht.
Ich hatte in den letzten Monaten leider kaum Zeit zum Schreiben, da Privat einiges los war bzw. immer noch ist. Vergissmeinnicht hatte ich ja bekanntlich vorgeschrieben und keine Probleme ab und zu etwas hochzuladen. Bei dieser Geschichte sieht es ein bisschen anders aus, aber dennoch hoffe ich, dass ich beide dieses Jahr zu Ende bringen kann :)
Ihr könnt ja mal gerne mitraten, wen Kari getroffen hat :> Kleiner Hinweis: Takeru ist es nicht ;)

Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
diesmal geht es tatsächlich nach einer Woche bereits weiter :) Dieses Kapitel ging sehr leicht von der Hand und ich mochte besonders die Gespräche zwischen den einzelnen Hauptfiguren :>
Tatsächlich ist Kari mit Sora zusammengestoßen, da ich schon länger gerne ein Gespräch mit den beiden haben wollte. Sie sitzen in ähnlichen Booten und ich denke, dass dieses Gespräch einiges verändern wird.
Im nächsten Kapitel wird es einen Ortswechsel geben und zwei bekannte Gesichter werden wieder auftauchen :D

Bis dahin wünsche ich euch ein schönes und erholsames Restwochenende :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben!
Bevor morgen die Michi-Woche startet wollte ich unbedingt noch das neue Kapitel hochladen :>
Es hat beim Schreiben ein Eigenleben entwickelt, denn eigentlich war Michaels Auftritt an dieser Stelle noch nicht geplant gewesen >_<
Ich fand es dennoch sehr passend und hoffe, dass ihr euch freut auch Mimi und Wallace wiederzusehen :)

Ich hoffe, es hat euch gefallen und wie immer freue ich mich sehr über eure Meinungen ;)

P.S.: Vergissmeinnicht wird vorerst pausieren, da mir zurzeit zum Hochladen einfach die Motivation fehlt und ich mich aufs Schreiben der Geschichte konzentrieren möchte! Ich bitte daher um euer Verständnis <3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (239)
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Von:  Hallostern2014
2018-07-23T20:01:04+00:00 23.07.2018 22:01
Huhu😘😘

Ich fand das Kapitel auch schön.

Vor allem weil Kari und T.K es versuchen wollen. Denn wenn die es nicht versuchen wissen die beiden, vor allem Kari nie ob es doch geklappt hätte.
Ich drücke beiden auf jedenfall die Daumen.

Yolei und Izzy tun mir leid. Man merkt wie sehr beide sich lieben. Aber leider ist das Leben so. Man muss Entscheidungen treffen, die nicht schön sind und schmerzhaft. Wichtig ist, dass beide an sich glauben und an ihre Beziehung. Und viel reden.

Tai ist also endlich in der Nähe von Mimi. Ich bin so froh, dass Wallace ihn dabei hilft. Und viele Infos gesammelt hat.

Ich bin gespannt ob der andere Typ mit den Mimi ihren ,, Spaß'' hat dazwischen funkt. Ich hoffe mal nicht. Wenn ja währe Tai an Boden zerstört obwohl er ja Schuld daran ist, dass sie weg ist.

Dennoch hoffe ich aufs Mimi's ihre Gefühle für Tai. Und sie den anderen Typen fallen lässt. Auch wenn's ne lockere Geschichte ist.

Tai kam aber rechtzeitig. Michael ist echt, dass letzte. Er muss endlich kapieren, dass Mimi kein Bock auf so ein Arschloch hat.

Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht
Ganz liebe Grüße 😘😍❤🌷
Von:  Jea1995
2018-07-23T06:38:38+00:00 23.07.2018 08:38
Tolles Kapitel:)
Ich find's toll das Kari endlich mal klar über ihre Gefühle mit T.K spricht das wird auch Zeit...;) aber ich kann auch in Verstehen da es langsam nervt das sie nicht weiß was sie will :(
Izzy war endlich ehrlich zu Yolei und jetzt müssen wir abwarten wie es weiter läuft aber eine Fernbeziehung ist immer schwierig aber dennoch hoffe ich es klappt denn die passen gut zusammen:)
Tai gefällt mir von Kapitel zu Kapitel besser wie er um Mimi Kämpft :D die Szene mit Wallace hat mir gefallen:)
Ich find's toll das Mimi ihr Leben ihn griff bekommen hat dennoch glaube ich das sie nicht ganz von Tai weg ist aber das sehen wir dann im nächsten Kapitel:)
Über Michael er nervt mich einfach nur und ich hoffe er lässt Mimi endlich in Ruhe für alle mal.
Lass dir Zeit mit deiner anderen Story:)
Liebe Grüße <3
Von:  Suben-Uchiha
2018-07-22T17:12:27+00:00 22.07.2018 19:12
Moin meine liebe Tami,

Cooles Kapitel. Da wurden ja mal so ein paar offene Fragen geklärt was z.B mit Wallace oder mit dem "Lackaffen" passiert ist. :)
Es hat mich richtig gefreut als ich gelesen habe das Wallace Taichi ein bisschen in New York unter die Arme greift. Der Junge ist einfach super nett. Vielleicht gibts irgendwo ja auch noch ein süßes Mädchen für ihn. verdient hätte er es :)
Und ich bin total gespannt wie es weiter geht mit der Situation von Mimi. ich bin mir eigentlich tot sicher das Tai der Kerl ist der sie von Michael befreien wird. Sauer wird sie auf Tai bestimmt noch sein. xD

Hui das das zwischen Izzy und Yolei so läuft gerade war ja irgendwie abzuwarten. Da bin ich wirklich gespannt ob das wirklich hält. Und ich bin gespannt ob Ken in der ganzen Sachen vielleicht auch noch eine rolle spielt :)

Ach und Takeru und Hikari haben sich endlich zusammen gesetzt. Am anfang dachte man erst das Kari wieder keinen Ton rausbekommen wird und das ganzen wieder in der Luft hängen bleiben wird. Aber gegen Ende hat sie ja dann doch ausgepackt und ich bin gespannt wie es mit den beiden weiter gehen wird.

Ich freue mich auf jeden fall auf das nächste Kapitel.

LG
Sven
Von:  Suben-Uchiha
2018-07-04T15:37:37+00:00 04.07.2018 17:37
Moin meine liebe Tami,

Hui das ging ja schnell mit dem neuen Kapitel :)
War schon ziemlich überrascht da ich eher mit einem neuen Kapitel zu Vergissmeinnicht gerechnet habe.
Aber kommen wir jetzt mal zur Story.

Ich war überrascht das es Sora war mit der Kari zusammengestoßen ist. Aber im nach hinein war es doch die sinnvollste Begegnung aus dem Grund den du schon im Nachwort erwähnt hast.
Aber ich finde es gut das beide durch das Gespräch jetzt erkannt haben das man die Vergangenheit nicht ändern kann und man damit leben muss und nach vorne schauen musst. Bin gespannt wie es für beide weiter gehen wird.

Izzy steht weiter hin vor einer schweren Entscheidung. Aber ich muss sagen das Joe nicht gerade unrecht hat. Izyy war immer ein Typ der neugierig und wissbegierig war und das darf und sollte er wegen einer Person nicht umändern.
Es ist meines Erachtens immer das schlechteste wenn man sich während einer Beziehung sich selbst verleugnen und so sein will wie sein Partner sich wünscht. Izzy sollte das Auslandssemester antreten und wenn Yolei ihn wirklich liebt wird sie es verstehen.

Das Männergespräch am Ende von Tai und Matt fand ich wirklich gut.
Und ich fand es super das beide jetzt sich aufmachen und für ihre große Liebe kämpfen.
Ich bin total gespannt was Tai in den USA erleben wird und ich hoffe er schafft es Mimi wieder für sich zu gewinnen. :)

Ich freue mich schon auf nächste :)

LG Sven
Antwort von:  dattelpalme11
22.07.2018 13:04
Vielen Dank für dein liebes Kommentar :)
Diesmal ja :D Vergissmeinnicht pausiert sozusagen. Mehr dazu werde ich im nächsten Nachwort kurz erwähnen.

Ich finde die Begegnung zwischen den beiden auch notwendig, damit sich beide weiterentwickeln können :> Ich denke die nächsten Kapitel werden für beide sehr interessant werden :>

Ich denke auch, dass ihm das Gespräch mit Joe geholfen hat. Izzy hat sich ja auch insgeheim irgendwie schon entschieden aber es ist immer gemein, sowas vor dem Partner zu verbergen :/

Haha beide haben wohl genügend Mut angesammelt :D
Tai wird bestimmt einiges erleben ;) Bin selbst noch nicht sicher was genau :D

Das Nächste kommt dann im Laufe des Nachmittags :D
Liebe Grüße :>
Von:  Hallostern2014
2018-07-02T17:10:37+00:00 02.07.2018 19:10
Huhu😘😘

Ich bin stolz auf Sora und Kari. Auch wenn es für mich sehr überraschen kam. Dennoch wurde es Zeit, dass die beiden sich auch unterhalten.

Aber Kari hat recht. Man sollte die Vergangenheit nicht hinderlich lassen. Man sollte aus den Fehler lernen die man da begangen hat. Ich finde sie hat mit allem recht was sie gesagt hatte. Und vielleicht Hilft es nicht nur Sora sonder ihr auch. Sie sollte sich ihre Ängste auch stelle und endlich mit T.K über ihre Gefühle reden.

Joe finde ich hier auch ganz toll. Und er hat recht. Izzy sollte endlich mit Yolei reden. Auch wenn es anfangs schwer ist. Aber wenn sie ihn wirklich liebt. Wird sie es einsehen.

Zu Matt und Tai. Tai wirkt immer erwachsener. Wie er mit Matt redet. Er gibt ihn einen Wichtigen Ratschlag. Denn er hat recht. Was ist wenn er wirklich später eine Familie will. Das sollte er erstmal sich überlegen. Dennoch sollte er auch mit Sora reden. Über die allgemeine Situation die sie jetzt haben. Erst sollte das geklärt werden. Dann wie es mit den beiden weiter geht. Und Matt sollte direkt zu Sora gehen. Anstatt ihr auf der Arbeit aufzulauern.

Ich hoffe für Tai, dass er seinen eigenen Mut für Mimi genau so aufbringen kann. Wie bei Matt als er ihn Beichte, dass er mit Sora geschlafen hat.

Ich bin gespannt wie Mimi auf ihn reagiert.

Freue mich schon aufs nächste Kapitel.
Ganz liebe Grüße und einen schönen Wochenstart und Wochenende.😘🤩😎❤
Antwort von:  dattelpalme11
22.07.2018 12:41
Vielen Dank für dein liebes Kommentar :)
Ich bin auch sehr stolz auf die Beiden :> Ich glaube auch, dass sie das Gespräch gebraucht haben :)
Das hast du schön gesagt ;> Ich denke nämlich auch, dass ihre eigenen Worte ihr auch helfen können :> Mal sehen wie es hier weitergeht ;)

Joe ist ein kleiner Held :D Jedenfalls in dieser Story ;) Und ich finde auch, dass er Recht hat! Vielleicht hat Izzy jetzt auch ein bisschen mehr Mut :>

Tai ist irgendwie mit der Geschichte gewachsen, obwohl er sicher auch noch Dummheiten begehen wird :D Aber er hat Recht! Matt muss sich bewusst werden, ob er das alles wirklich will, auch wenn es mega hart klingt :/ Und ja, er sollte auch mit Sora sprechen! Also von Face to Face ;)

Mal sehen, ob Tai da der Mut nicht verlässt :O Ursprünglich sollten ja im nächsten Kapitel nur zwei alte Bekannte auftauchen, aber jetzt sind es doch drei geworden o.o
Das könnte jedenfalls interessant werden o.o

Das Kapitel kommt dann heute Nachmittag :)
Dir einen schönen Restsonntag <3
Von:  Jea1995
2018-07-02T08:24:46+00:00 02.07.2018 10:24
Tolles Kapitel :)
Ich hatte ehrlich gesagt nicht mit Sora gerechnet aber ich fand's trotzdem gut :)) und ihr Gespräch war sehr dringend da sie beide in einer Fase sind wo sie niemand an sich ran lassen wollen und als Sora dann Tais Beispiel genommen hat und ehrlich mit Kari gesprochen hat ich fand es einer meiner Lieblingsszenen :-)
Joe hab ich ihm letzten Kapitel total vergessen;) ich mag ihn sehr in dieser Geschichte und bin froh das er jetzt mal auch Glück hat und sich wohl fühlt denn das hat er verdient :D ich mochte es sehr was er zu Izzy gesagt hat denn ich geb ihm da recht er sollte mit Yolei sprechen und ehrlich mit ihr sein immerhin ist es sein Traum und darauf hat er immer hingearbeitet:) ich bin gespannt wie es da weiter geht.
Ich mag Tai einfach in letzter Zeit sehr in deiner Story:) toll das er versucht jeden aufzumuntern und Kraft zu geben :D ich hoffe doch das er das auch bei Mimi so überzeugend sein kann ;) auch wenn ich glaube das es schwerer wird ;D
Und über Matt ich bin gespannt was uns da erwartet:))
Liebe Grüße <3
Antwort von:  dattelpalme11
22.07.2018 12:35
Vielen Dank für dein liebes Kommentar :)
Freut mich, dass ich dich mit Sora überraschen konnte :D
Ich fand die Szene zwischen Sora und Kari auch sehr wichtig, weil beide ähnliches durchmachen und sich vielleicht besser verstehen können :>
Joe ist auch einer meiner Lieblingscharaktere in der Geschichte! Seine Geschichte gefällt mir nach wie vor noch sehr gut :> Und er ist für Izzy auch ein guter Freund, den er jetzt auch braucht :)
Haha ich glaube Tai wird sich sehr anstrengen ;) Ich habe gerade das aktuelle Kapitel beendet und werde es heute Nachmittag noch hochladen :>
Matt wird auch demnächst wieder vorkommen :D

Liebe Grüße <3
Von:  Suben-Uchiha
2018-06-26T10:56:52+00:00 26.06.2018 12:56
Moin meine liebe Tami,

Das war mal wieder ein super Kapitel :)
Endlich hat sich Sora entschieden sich auf Matt zu zu bewegen. :) Da musste erst der gute alte Tai ihr Mut zusprechen. Aber dafür hat man ja Tai. Er ist ja nicht umsonst der Träger des Wappen des Mutes. Naja außer es betrifft ihn selber. xD

Und Davis tut mir irgendwie Leid. irgendwie gerät er immer an Mädels die mit dem herzen immer noch an jemand anderem hängen. :/ Aber hey. Wer weiß ob Davos bei ihr nicht doch noch aus der Friendzone kommt. :) Der Glaube stirbt bekanntlich zuletzt. :)

Oh wie süß Joe und Asuka sind endlich zusammen. Das freut mich sehr für unseren ältesten Digiritter.
Ich finde nach seiner ganzen Reise hat er es wirklich verdient. Und vielleicht war es Schicksal das er Asuka damals getroffen hatte :)

Ach herrje. Kari und ihr Gefühle. Da muss ich echt sagen das sie sich selbst total im Weg steht. Sie sollte sich mal um 180° Grad drehen und ihre Arschbacken zusammenkneifen. xD Es ist vielleicht etwas hart gesagt. Aber wahr. Auch sie muss einsehen das sie auch Glück verdient hat.
Aber ich bin wirklich gespannt wenn sie trifft. Meine zwei Tipps wären Wallace oder Matt :)

Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel :)

LG Sven :)
Antwort von:  dattelpalme11
01.07.2018 11:14
Vielen Dank für dein liebes Kommentar :)
Haha ja der gute alte Tai schubst gerne Menschen in die richtige Richtung :D Vielleicht braucht der Gute auch nur einen kräftigen Schubs ;)

Jaa, da hast du recht >_< Er hat da schon ziemlich Pech, obwohl Mariko ihn schon zu mögen scheint...vllt muss er sich auch einfach mal was trauen, was leichter gesagt als getan ist xD

Das stimmt :> Wenigstens läuft es bei Joe soweit unkompliziert in Sachen Liebe :D Aber er hat ja auch alles andere ziemlich gut in den Griff bekommen.

Ich denke Kari fällt es immer noch schwer sich auf jemanden einzulassen. Ich denke, dass sie sich damit auch ein bisschen bestraft...man muss ja auch bedenken, dass die Fehlgeburt noch nicht all zu lange her ist :(
Okay :D Interessante Vermutung :D Mal sehen, ob du recht behältst :D

Das nächste Kapitel kommt dann heute :)

Liebe Grüße :>
Von:  Jea1995
2018-06-25T06:23:46+00:00 25.06.2018 08:23
Tolles Kapitel :)
Das Gespräch zwischen Tai und Sora hat mir am besten gefallen:)
Ich fand's toll das Tai endlich ihr die Augen Geöffnet hat und ihr klar gemacht das es nichts bringt in Mitleid zu versenken...;)
Davis tut mir leid ich wünsche ihm von Herzen das es klappt und er jemand findet der ihn will aber ich weiß nicht ob Maiko dafür dir richtige ist naja ich lass mich mal überraschen:D
Kari rennt also wieder weg naja wenigstens ist sie dieses mal ehrlich zu sich selber und steht zu ihren Gefühlen:) trotzdem kann sie so nicht mit T.K umgehen denn der hat schon viel wegen ihr durch gemacht. Ich glaube sie trifft auf Matt :)
Liebe Grüße <3
Antwort von:  dattelpalme11
01.07.2018 10:54
Vielen Dank für dein liebes Kommentar :)
Mir hat das Gespräch zwischen den beiden auch am besten gefallen :D Tai ist sehr ehrlich zu ihr und ich glaube das braucht Sora zurzeit auch :> Selbstmitleid wird sie nicht weiterbringen :/
Ich glaube Davis hat einfach manchmal ziemlich Pech. Er ist einfach ein guter Freund und kommt oftmals nicht darüber hinaus >_<
Ich denke auch, dass sie nicht weglaufen kann und es definitiv auch nicht sollte...das hätte TK nämlich nicht verdient >_<
Interessante Vermutung :D Mal schauen, ob du richtig liegst ;) Du wirst es im nächsten Kapitel lesen :D

Liebe Grüße <3
Von: abgemeldet
2018-06-24T19:50:23+00:00 24.06.2018 21:50
Wer wer wer wer ?? Haaaarrrrrr
Antwort von:  dattelpalme11
01.07.2018 10:33
Vielen Dank für dein liebes Kommentar :)
Das erfährst du dann heute ;)
Liebe Grüße!
Von: abgemeldet
2018-06-24T19:02:18+00:00 24.06.2018 21:02
Hellooooo :)
Ich hab mich eben so gefreut als ich die ENS Benachrichtigung fürs neue Kapitel bekommen hab!
Sehr schön, dass du die Zeit gefunden hast weiter zu schreiben. Ich freu mich echt sehr und werd die Story auf jeden Fall auch weiterverfolgen.
Bei Vergissmeinnicht hab ich irgendwie den Anschluss verloren, aber jetzt bald in den Sommerferien hol ich das auch noch nach ;).

Das Kapitel war echt gut geschrieben und ich bin schon gespannt aufs nächste :). Vor allem wer auch immer fort auf Kari trifft? Vielleicht Wallace, Mimi? Keine Ahnung, ich weiß auch gar nicht ob die noch in der Gegend sind :D.

Liebste Grüße,
lele-Chan
Antwort von:  dattelpalme11
01.07.2018 10:33
Vielen Dank für dein liebes Kommentar :)
Freut mich, dass du diese Geschichte auch weiterhin verfolgst und die andere demnächst weiterverfolgen möchtest :>

Das nächste Kapitel kommt tatsächlich schon heute :P Diesmal war ich mit dem Schreiben ein bisschen schneller gewesen ;) Mal sehen, wen Kari letztlich trifft :D Verraten werde ich vorerst noch nichts :D

Liebe Grüße :>


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