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Elysium

Suche nach dem Glück
von

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Buch I

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Elysium

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© by Lady Kate / Chiyo May
 


 

~
 

Jeder Mensch trägt in seinem Inneren eine Kerze. In ihrer Größe unterscheiden sie sich von Person zu Person nicht. Verschieden groß und stark ist einzig und allein das Licht, das davon ausgeht, die Flamme, welche entweder schwach und klein oder kräftig und hell am Docht lodert.
 

So wie jeder Mensch diese innere Kerze besitzt, so besteht auch bei einem jeden eine schützende Hülle, die dafür sorgt, dass das Licht, wenn es erst einmal angezündet wurde, nicht so einfach wieder ausgeht.
 

Vor langer Zeit entfachte sie ein Feuerchen in dir, das sich warm und wohlig anfühlte. Du erkanntest es, du spürtest es. Aber anstatt den Schirm dazu zu nutzen, das Licht vor der Außenwelt zu schützen, schütztest du stets nur die Außenwelt vor diesem Licht. Und so lerntest du, es zu vergessen.
 

Doch wie alles im Universum erfüllt auch dieses so unbedeutend erscheinende Lichtlein einen bestimmten Sinn. Und auch wenn dein Kopf glaubt, es vergessen zu können - dein Herz wird sich immer erinnern.
 

~
 


 

Buch I: Suche nach dem Glück
 

Where do I begin

To tell the story of how great a love can be

The sweet love story that is older than the sea

The second truth about the love she gave to me

Where shall I start
 

***
 

Regen zog sich wie ein roter Faden durch Ranmas Lebensgeschichte. Zumindest seit seines Fluchs. Es regnete damals als er mit seinem Vater in Nerima ankam. Es regnete an jenem Tag, als er seiner 'Verlobten' zum ersten Mal ins Gesicht blicken sollte. Es regnete an seinem ersten Schultag, gerade dann, als der geistig leicht verwirrte Kuno ihn zum Kampf herausgefordert hatte. Es regnete und regnete und regnete. Wann immer ihm ein wichtiger Kampf bevor stand, regnete es. Wann immer er auf dem Weg zur Schule war und seinen Schirm vergessen hatte, regnete es.
 

Doch eines Tages...
 

... regnete es wieder. Aber an diesem Tage sollte er von einem Schutzengel gehütet werden, der seine sichernde Hand freundlich über ihn hielt. Dieser Engel hatte kurzes dunkles Haar, das voluminös im Nacken hing, strahlende schokoladenbraune Augen, in denen man sich leicht verlieren konnte und ein Lächeln, welches selbst den kältesten Eisbrocken zum Schmelzen brachte. Dieser Engel trug den Namen Akane.
 

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Das ist also mein Prolog. Bevor ich weiter veröffentliche würde ich gerne erstmal eure Meinung hören. Wenn es zu schnulzig klingen sollte, breche ich ab. ^^

Meine Wärme, Deine Wärme

With her first hello

She gave a meaning to this empty world of mine

There'd never be another love another time

She came into my life and made the living fine

She fills my heart
 

***
 

Wütend liefen die beiden jungen Menschen unter einen Baum, um im Schutze seiner dichtgewachsenen Äste das herabfallende Wasser von sich fern zu halten. Ein lauter Donner ertönte und ließ die feuchten Zweige erbeben. Das nasse Laub raschelte laut auf.
 

"So ein Mist!!" schrie der Junge zornig ohne seine Weggefährtin anzuschauen. Sein langer, dunkler Pferdeschwanz flog ihm bei seinen hastigen Bewegungen wild die Ohren. "Schlimm genug, dass mein Alter mich ausgerechnet mit dir hier her geschickt hat wegen dieses blöden Trainings. Jetzt muss es auch noch anfangen zu regnen!!" Außer sich stampfte er in die mittlerweile aufgeweichte Erde.
 

"Ranma..." entgegnete das Mädchen in einer Mischung aus Trotz und Besonnenheit. "Hier können wir nicht stehen bleiben. Hast du nicht gehört, dass es blitzt?"
 

Entnervt rollte er mit den Augen und hob aufgebracht seine Arme. "Was schlägst du vor?? Soll ich vielleicht einfach weiterlaufen und das Training als Mädchen fortsetzen? Dann war doch alles umsonst! Frauen haben im Kampfsport nichts zu suchen, das habe ich doch schon oft genug gesa--"
 

Noch ehe er weiter sprechen konnte, traf ihn plötzlich ein harter Gegenstand im Gesicht. "Verstehe..." gab sie daraufhin mit vor Wut bebender Stimme zurück und zog den kleinen Schirm, mit dem sie Ranma soeben gewaltsam zum Schweigen gebracht hatte, wieder an sich heran. "Aber alles, was ich im Moment sehe, ist, dass du als Mann wirklich noch viel an deiner Deckung arbeiten solltest!" Mit erhobener Nase betätigte sie ein kleines Knöpfchen, um den Schirm weit auf zu spannen. "Jedenfalls habe ich im Gegensatz zu dir natürlich an solche Situationen im Voraus gedacht und diesen Klappschirm eingepackt."
 

Verdutzt schaute Ranma auf seine Begleitperson, während er sich den Kiefer rieb.
 

"Na was denn? Kommst du nun oder nicht? Ich weiß ja nicht wie du das siehst, aber ich bin dafür, dass wir uns schleunigst einen besseren und vor allem sichereren Unterschlupf als diesen alten Baum suchen sollten!" Noch immer beleidigt wandte sie ihr Gesicht von ihm ab und schielte nur kurz zu ihm herüber. Dennoch bot sie ihm gleichzeitig fürsorglich Platz neben sich unter dem Schirm an.
 

Einen Moment noch zögerte er. Einen Moment, den er brauchte, um in seinem Kopf Klarheit über die tatsächlich sehr freundliche Geste, die ihm soeben entgegen gebracht wurde, zu verschaffen. Mit einem dankenden Nicken trat er sodann zu ihr und schwieg für die nächsten Minuten. Wie er so neben seiner oft so geheimnisvollen Verlobten wider Willen herschritt, erkannte er, dass es wohl doch nicht so schlimm gewesen war, von ihren Vätern gemeinsam auf diese Trainingsreise geschickt worden zu sein. Denn wenn man außer Acht ließ, dass sie hin und wieder zu brutalen Ausbrüchen neigte und unverständlich schnell verletzt war, steckte in ihr doch eine sehr hilfsbereite Person. So verärgert er in den vergangenen Stunden auch über ihre Anwesenheit, ihr ständiges Unzufriedensein, schlichtweg über ihr Geschlecht, das auf einer Männerreise seiner Meinung nach nicht das Geringste zu suchen hatte, war, desto wohler fühlte er sich ganz plötzlich. Erst glaubte er, dieses mysteriöse 'wohlige Etwas' sei einfach der Tatsache entsprungen, dass er ein weiteres Mal der Verwandlung zum Mädchen entkommen war, denn nun konnte er bequem und gemütlich unter dem sicheren Schirm nach einem trockenen Unterschlupf Ausschau halten. Doch schon bald wurde ihm klar, dass da irgendwie noch mehr sein musste. Erleichterung macht sich meistens in der Lunge bemerkbar. In etwa in Brusthöhe. Vielleicht sogar noch ein Stückchen darüber. Ganz plötzlich aber empfand er anstelle des frischen kühlen Windes in seiner Brust eher eine aufsteigende, knisternde Wärme in seinem Bauch. Die Welt um sich herum vollkommen vergessend, gab er sich einfach diesem Gefühl hin, ohne weiter den Grund erforschen zu wollen. Unausgesprochen übergab er sein Vertrauen in Akanes Hände, die den Schirm trug und somit Richtung und Tempo ihres ungeplanten Regenmarsches bestimmte. Manchmal konnte sie wirklich wie ausgewechselt sein und scheinbar gar nichts mehr mit dem üblichen aggressiven Machoweib zu tun haben.
 

Nach langer Zeit musste er nun erstmals wieder an jenen Tag zurückdenken, als er in ihr Leben trat. Damals brach ein genau solcher Platzregen aus. Aber nicht nur diese Gemeinsamkeit sollte diese beiden Tage prägen. Auch ihre freundliche Begrüßung mit dem Angebot eine Freundschaft zu schließen bereiteten ihm ewige Wärme in seinem sonst so kalten Herzen. Zumindest glaubte er, es sei kalt. Als er noch ein Kind war, hatte sein Vater ihm stets einzuprägen versucht, niemals große Gefühlsausbrüche zuzulassen, denn die Ehre eines Kampfsportlers ließe dies nicht zu. Ranma wuchs im Widerspruch auf. Einerseits lernte er erbittert und zielstrebig zu kämpfen, andererseits beobachtete er seinen Vater, wenn er manchmal ganz plötzlich anfing zu weinen und zu betteln. Seit dem ersten Hallo, das seine 'Verlobte' ihm geschenkt hatte, wuchs die Wärme, die sie in ihm auslöste. Doch gleichzeitig hatte er sich stets gezwungen, eben diese zurückzuhalten. Je größer und stärker die innere Wärme wurde, desto härter kämpfte er dagegen an, redete sich ein, sie nicht einmal zu kennen. Und so vergaß er sie mit der Zeit. Er hatte sie verdrängt, indem er sich immer neuen Streitereien aussetzte, sie unbewusst provozierte. Aber nun, da diese Situation auf unerklärliche Weise so viele Erinnerungen wieder wach rief, erinnerte er sich. Sie beide waren ganz allein. Und obwohl er in den letzten drei Tagen kaum etwas anderes getan hatte, als sie zu beleidigen und sie ihm bei diesem verhexten Spiel immer wieder unwissend in die Falle tappte und wütend konterte oder schmollte, war sie in einer für sie selbst nicht allzu großen Not dazu bereit, über all dies hinweg zu sehen und ihm als Freund zur Seite zu stehen, der sie vom ersten Tag an für ihn sein wollte. Wie bloß schaffte sie es, in bestimmten Situationen einfach so nett zu sein? Ganz sicher hätten andere Mädchen, die bedauernswerter Weise nur schwer aus seinem Leben wegzudenken wären, in einem solchen Moment das selbe für ihn getan. Vielleicht hätten sie sogar einen viel schöneren Schirm gehabt und ihn ihm ganz alleine überlassen. Doch jene Mädchen verfolgten stets ein bestimmtes Ziel bei ihren Aktionen. Dieses hier handelte ganz einfach selbstlos. Sie tat es aus Freundlichkeit, nicht um eine bestimmte Gegenleistung zu erhalten. Ließ sie sich denn durch nichts abschrecken? Wahrlich hatte er sein Bestmöglichstes getan, um sie vor ihm selbst zu schützen, doch noch immer gab sie ihr erstes Versprechen an ihn nicht auf. Entweder hatte er bisher eine sehr schlechte Leistung vollbracht, indem er sie nicht weit genug von sich selbst wegdrängte oder... sie war ein Engel.
 

"Eine Höhle!" rief sie plötzlich in einem hellen Ton. "Schau doch, Ranma. Wir sind gerettet!" Erfreut wandte sie ihr Gesicht zu ihm, um seinen Blickkontakt einzufangen.
 

Noch immer sprach er nicht. Es war nicht so, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Er wollte ganz einfach nicht sprechen, denn er hatte schlichtweg zu viel zu sagen. In ihm brodelte die Angst, dass diese in seinem Bauch schlummernden Worte unaufhaltsam zum Ausbruch kommen würden, sobald er seinen Mund öffnete. Zu bedeutend war die Geste, welche sie ihm entgegen gebracht hatte. Kaum einer hätte dies je verstanden. Aber sie tat es allem Anschein nach. Sie schluckte alle Gedanken eines Streits herunter, um ihm zu helfen. Denn er hasste es, sich in ein Mädchen zu verwandeln. Er hasste es abgrundtief, Wölbungen an seinem Körper zu spüren, die plötzlich an Hüfte und Brust, statt an den Oberarmen lagen. Er verabscheute es, klein und niedlich zu sein, hatte er doch sein Leben lang nur darauf hingearbeitet, stark zu sein. Egal, wie lange er den Fluch schon mit sich herumgetragen hatte und wie oft er sich seitdem verwandeln musste, es änderte nichts daran, dass jedes einzelne Mal mit einem großen Schrecken verbunden war. Denn ebenso bedeutete jedes Mal einen weiteren Verlust, einen weiteren Beweis von Schwäche. Und obgleich sie es vom ersten Tag an gehasst hatte, ihm im Kampf zu unterliegen, respektierte sie diese seiner 'Ängste' und behandelte sie meist mit großer Behutsamkeit, statt sie auszunutzen. So war eben nur sie: Akane.
 

Vorsichtig wrang sie ihre Jacke aus. Scheinbar spürte sie seinen schuldbewussten Blick im Rücken, denn nach einiger Zeit, die er kein Wort herausgebracht hatte, drehte sie sich schließlich zu ihm um. "Was ist los?" Ihre Frage klang nicht so, als wäre sie ganz nebenbei gestellt worden.
 

Zögerlich öffnete er seinen Mund und zog seine Schultern an. "Du... du bist nass geworden", lautete seine Feststellung, doch seine Worte ertönten fast schon als Frage.
 

Akane nickte. "Das macht mir nichts", sprach sie sodann weiter und widmete sich wieder dem Trocknen ihrer Kleider. "Ich habe den Schirm sowieso hauptsächlich deinetwegen mitgenommen. Auch wenn du es eigentlich..."
 

"Auch, wenn ich es eigentlich gar nicht verdient habe", fiel er ihr ins Wort. Etwas erschrocken drehte sie sich zu ihm um und erkannte seinen ernsten, aber dennoch warmen Blick. Dieser sollte jedoch nicht lange andauern, denn sobald ihn ihre Augen trafen, wandte er sein Gesicht zur Seite und bemühte sich, sie mit einer so kühlen und gleichgültigen Stimme wie nur irgend möglich zu informieren, dass er ein kleines Feuer anzünden werde. Aus seinem schweren Rucksack packte er alle nötigen Utensilien heraus. Kopfschüttelnd betrachtete Akane sein Tun und gab dann ihre Verwunderung darüber kund, dass er Streichhölzer und sogar trockene Holzscheite mit sich herumtrug, aber einen simplen Alltagsgegenstand wie den Schirm vergaß.
 

"Du verstehst nichts davon. Bist ja nur ein Mädchen. So was ist eben Männersache", gab er trocken zurück. Irgendetwas ärgerte ihn allmählich wieder an ihrer Anwesenheit. Dieses Gefühl konnte er nicht genau erfassen, doch er wusste, es war da. Hatte er sich eben noch zusammenreißen müssen, ihr keine Liebeserklärung zu machen, so war er nun bereits wieder in der Stimmung, ihr irgendeine Beleidigung an den Kopf zu werfen. Oder sie damit von sich fern zu halten.
 

Sekunden der Schweigsamkeit zogen vorüber. Aus den Sekunden wurden Minuten, aus den Minuten wurden Stunden. Bald wurde es Nacht. Seit Ranmas letztem Kommentar über die angebliche geistige Rückständigkeit der Frau verblieben sie beide ohne einen weiteren Wortwechsel. Viele Beschäftigungen bot die kleine Höhle ihnen nicht. Rausgehen konnten sie noch viel weniger, da aus dem anfangs harmlosen kleinen Frühlingsgewitter bald ein starker Sturm wurde, der wütend umher tobte. So verbrachten sie die gemeinsame Zeit damit, still vor dem winzigen Lagerfeuer zu hocken und in die Flamme zu starren.
 

Ranma dachte über nichts Bestimmtes nach. Durch die Jahre lange Übung hatte er gelernt, seinen Kopf in schwierigen Situation frei zu machen. Dies war definitiv eine sehr schwierige Situation. Noch nie zuvor hatte er so viel Zeit alleine mit Akane auf solch engem Raum verbracht. In ihm mischten sich abwechselnd Freude und Wut. War das anstrengend. Ein Glück für ihn, dass er sich bestens in der Meditation verstand. Sein Geist schwebte hinfort, überquerte die weiten Dächer, der schier endlosen Regenwälder, glitt durch die unerforschten Tiefen des Ozeans und flog zuletzt schnell und hoch durch die Lüfte wie ein geflügeltes Fabelwesen. Er war so stark in sein mentales Training versunken, dass er gar nicht bemerkte, wie die Zeit vergangen war. Erst als sein müdes Auge eine Bewegung auf der anderen Seite des Feuers wahrnahm, rührte sich sein Körper langsam wieder.
 

Es war Akane. Mit einem langen Stock stocherte sie im Feuer herum. Allem Anschein nach versuchte sie es anzubehalten. Ein Blick über seine linke Schulter hinweg verriet ihm, dass die Sonne bereits untergegangen war. Zwar hatte der Sturm sich mittlerweile gelegt, doch noch immer prasselten vereinzelte Regentropfen vom schwarzen Nachthimmel herab. Erst jetzt erkannte er auch den Duft, den der starke Regen in den Bäumen und Sträuchern zurückgelassen hatte.
 

"Bist du müde?" fragte er sie leise und biss sich sofort auf seine Zunge. Wie konnte er bloß vergessen, dass er für die nächste Zeit nicht mit ihr reden wollte? Zu heikel war diese ganze Situation aber auch. Es drang keine Antwort an sein Ohr. Bereits in der festen Annahme, dass sie bloß wieder schmollte, richtete er sich ein Stück weit auf, um ihr Gesicht besser erkennen zu können und vor ihr dann wieder einmal gehörig seine Meinung zu vertreten. Doch mit offenem Mund stockte er. Das kleine orangefarbene Licht, das von unten herauf ihr Gesicht beleuchtete, ließ sie so vollkommen anders als sonst aussehen. Verwundert legte er seinen Kopf schief. Ganz plötzlich sah sie gar nicht mehr wirklich wie Akane aus. Natürlich hatte sie noch immer die selben Gesichtszüge, war von der selben Statur, hatte die selbe Frisur - einfach alle Formen waren die selben wie vorher. Dennoch lag etwas Fremdes auf ihr. So nachdenklich wie sie in die kleine Flamme schaute, die ihr warmes Licht spendete, wirkte sie fast nicht mehr menschlich. Auch nicht tierisch, nein. Eher übermenschlich. Die zarten, warmen Töne, welche ihr Antlitz auf so ungewohnte Art berührten, verliehen ihr etwas geradezu Mystisches. Sie sah aus wie ein Engel.
 

"Warum starrst du mich so an?" fragte sie nach einer Weile in einem ruhigen Ton. Sie zitterte am ganzen Körper. Erst jetzt erkannte Ranma dies, nachdem er durch die leichte Vibration in ihrer Stimme darauf aufmerksam geworden war.
 

"I-ich..." begann er verunsichert, als er mit hochrotem Kopf ertappt wurde. "Ich hab' dir eine Frage gestellt und du hast nicht geantwortet!" Innerlich klopfte er sich selbst auf die Schulter für seine brillante Reaktionsfähigkeit und dem hinzu noch sehr scharfen Ton, den er spontan ergriff.
 

"Ich habe dir geantwortet", gab sie jedoch sofort zurück und zerstörte früh all seinen sich gerade aufbauenden Stolz. "Hör das nächste Mal einfach zu. Ich sagte, dass ich müde bin, aber hier ganz sicher nicht schlafen kann."
 

Ranma schluckte. "Wieso nicht?" Mehr konnte er vorerst nicht heraus bringen.
 

Noch immer schaute sie nicht vom Feuer hoch. "Meine Sachen sind komplett durchnässt und die Schlafsäcke hast du ja freiwillig zurückgelassen."
 

Er öffnete bereits seinen Mund, doch noch ehe er sprechen konnte, kam sie ihm mit seinem Standartsatz vorweg: "Männersache - ich weiß." Plötzlich bildeten sich winzige Tränen in ihren Augen. Schützend vergrub sie ihr Gesicht in ihren Armen, die sie um die angewinkelten Beine verschränkte. "Aber lei-- leider bin ich nun mal kein Mann."
 

Das war wieder mal zu viel für ihn. Was hatte sie nun schon wieder? Sie war doch sonst immer so taff. Warum bloß fing sie ausgerechnet jetzt an zu weinen? Weit und breit war niemand, den er hätte zu Hilfe ziehen können. Nun war er ganz allein gefragt. Den Anblick eines weinenden Mädchens konnte er noch nie ertragen. Ganz besonders nicht, wenn es sich um dieses Mädchen handelte. Irgendwie musste er sie trösten. Doch wie? Er hatte ja keinen blassen Schimmer, warum sie denn überhaupt weinte.
 

"A-akane..." setzte er etwas tollpatschig an, als er näher rückte und legte ihr zaghaft einen Arm um die Schulter. Ungewohntes Gefühl. Jetzt saßen sie also beide mutterseelenallein in einer kleinen Höhle vor einem romantischen Feuer und er hielt sie praktisch im Arm. Ihr schnelles Hochschrecken bei seiner plötzlichen Berührung machte es nicht gerade einfacher. Schwer schluckte er. Da sie sich vorhin ihre Jacke ausgezogen hatte, war ihr Oberkörper nur noch mit einem T-Shirt bekleidet. Seine Hand lag an ihrem nackten Arm, auf ihrer glatten Haut. Hautkontakt... in einer kleinen Höhle vor einem romantischen Feuer. Es gibt tatsächlich immer eine Steigerung! Aber nein... Er wollte sie doch trösten, weil sie auf einmal anfing zu weinen. Voller Konzentration bemühte er sich, sein inneres Gleichgewicht zu finden und sich durch keine dummen Gedanken mehr ablenken zu lassen. Doch plötzlich bemerkte er etwas Seltsames. Es war nicht bloß so, dass sie zitterte, ihre Haut war zudem eiskalt. Fragend richtete er sein Gesicht auf sie. Erst durch die gewonnene Nähe erkannte er ihren blassen Teint.
 

"Akane? Geht es dir gut?" fragte er besorgt und konnte doch die Antwort deutlich von ihren Augen ablesen.
 

"Mir ist kalt..." flüsterte sie. Ihre Lippen waren blau gefärbt.
 

Seine Sorge wuchs. Eilig schnappte er sich ihren Rucksack und kramte alles hervor, was der Inhalt ihm bot. Doch nichts davon war auch nur ansatzweise trocken. Fluchend stopfte er ihr durchnässtes Gut wieder zurück in die Tasche und drehte sich dann verzweifelt zu seiner eigenen um. Mit einem Kopfschütteln schloss er seine Augen. Er hatte nichts anderes eingepackt als Brennholz und Unmengen an Proviant.
 

"Oh Mist!" fluchte er noch einmal und zog entgeistert an seinem Haar. Akanes Anblick schmerzte ihn. Es schmerzte ihn, dass es ihr schlecht ging, weil sie ihrer Selbstlosigkeit wegen für ihn unter dem Schirm Platz gemacht hatte und dadurch selbst ganz nass wurde. Aber ganz besonders schmerzte es ihn, dass er noch immer eines ganz genau wusste: Er hatte es nicht mal verdient.
 

"Bleib doch ruhig, Ranma. Mir ist nur kalt. Das ist alles."
 

Erschrocken wandte er sich zu ihr. Nein! Nein, das war nicht alles. Für ihn war es so viel mehr. Aber wie sollte sie es auch verstehen? Wieder betrachtete er ihre Erscheinung ausgiebig. Obwohl er bereits ihr bleiches Gesicht und den bläulichen Mund bemerkt hatte, änderte sich nichts an der Tatsache, dass sie noch immer aussah wie ein Engel. Ein Engel... Ein selbstloser, freundlicher, hübscher Engel, der vor langer Zeit, als er auf diesen stieß, ein zunächst kleines Lichtlein in ihm anzündete und ihm damit einen Sinn schenkte, auf dieser Welt zu sein.
 

"D-du wirst meine Kleider bekommen. Sie sind noch ganz trocken." Angestrengt spielte er ein gelassenes Lächeln hervor. "Ich hab' sie sogar extra angewärmt."
 

Akanes blasse Wangen glühten schlagartig hellrot auf. "Du... kannst doch nicht... du kannst doch nicht nackt hier drinnen sitzen." Verlegen sank ihr Blick zu Boden. So tat es auch Ranmas. Gepackt von einer neuen Idee setzte er an zu sprechen, doch ein weiteres Mal kam Akane ihm zuvor: "Vergiss es. Du wirst dir nicht meine nassen Kleider anziehen. Außerdem weißt du ganz genau, dass sie dir nicht passen, selbst, wenn du dich verwandelst."
 

Er seufzte. Im Moment war ihm so gar nicht danach, sie zu beleidigen oder gar zu verletzen, aber dennoch stimmte es. Zwar war sie nicht dick, aber ihre Figur unterschied sich doch gewaltig von der seinen. Eigentlich war es eher andersherum; ihre Kleider waren zu schmal geschnitten für seinen Körper.
 

"Und was..." begann er nach einem Moment leise. "Wenn ich mir die Kleider nicht ausziehe?"
 

Verwundert schaute Akane zu ihm auf und blickte ihm fragend ins Gesicht.
 

Ranma beantwortete ihre stumme Frage, indem er wieder näher zu ihr rückte und vorsichtig und doch in einer schnellen, möglichst emotionslosen Bewegung beide Arme eng um ihren Körper schlang. "Versteh mich nicht falsch", ermahnte er sie trotzig. "Ich tue das nur, damit du nicht mehr frierst."
 

"Wieso um alles in der Welt sollte ausgerechnet ich--" setzte sie wütend an, verstummte aber plötzlich und atmete laut aus. "Können... wir denn--? Würde es dir nichts ausmachen?"
 

Wortlos schüttelte Ranma den Kopf und signalisierte ihr somit, dass er willens war, sie die ganze Nacht hindurch in seinen Armen warm zu halten. Mit ernster Miene starrte er an die Höhlenwand. Sie war grau und sah sehr glitschig aus. Genau das Richtige für sein Auge. Er musste sich auf etwas fixieren, das möglichst kalt wirkte, sodass er jegliche Gefühle vergessen konnte. Sodass er schnell nicht mehr bemerkte, dass es sich irgendwie gut anfühlte, Akanes schmale Gestalt sanft an sich zu pressen. Eine unglaublich harte Nuss war es. Aber sicher zu bewältigen, ganz sicher...
 

Auf einmal fasste sie zaghaft mit beiden Händen seine Schultern und lehnte ihr Gesicht gegen seine Brust. Ein zufriedener Seufzer ertönte. "Gute Nacht, Ranma", flüsterte sie und klang so süß und unschuldig wie ein kleines Kind.
 

Sein Gesicht war wie versteinert. Es fühlte sich an, als hätte er soeben eine dieser Injektionen bekommen, die er vom Zahnarzt her kannte. Solche, welche einem jegliches gewohntes Gefühl entziehen. Was zurückbleibt ist ein bloßes undefinierbares Kribbeln. Auch wenn er eine ebensolche Spritze erst ein einziges Mal bekommen hatte, würde er diese Wirkung nie vergessen. Besonders jetzt erinnerte er sich dunkel daran, da seine aufkommenden Gefühle denen von damals sehr stark glichen. Nicht imstande, seine Gesichtsmuskeln im Zaum zu halten, weiteten sich seine Augen. Nur innerlich streichelte ihn ein unsichtbares Lächeln.
 

Die felsige Wand färbte sich rosa-rot und wirkte so weich wie tausend Wattebäusche.
 

***
 

Dunkelheit...
 

~Du erinnerst dich.
 

Woran erinnere ich mich?

~An mich.
 

Wer bist du?

~Das weißt du.

...

~Schon einmal hast du so empfunden.
 

Ich erinnere mich nicht.

~Du warst gerade mal sechs Jahre alt, als ihr euch begegnet seid.
 

Wem soll ich begegnet sein?

~Ihr.
 

Nein... Ich erinnere mich nicht.

~Ihr beide ward noch sehr klein. Es war bei Kobe.
 

Was war bei Kobe?

~Sie saß auf einem Stein und weinte. Du erkanntest ihr Gesicht nicht,

~denn sie verbarg es hinter ihren winzigen Händen.
 

Warum wollte ich es erkennen?

~Obwohl du sie nicht kanntest, tat dir ihr Schluchzen so sehr weh

~in deinem Herzen.
 

Wer war sie?

~Ein Engel...
 

...
 

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© by Chiyo May aKa LadyKate
 

[Und wieder einmal Kiavalou gewidmet - auch wenn sie mich hier wahrscheinlich gar nicht finden wird ^^]

Erinnere Dich

She fills my heart

With very special things

With Angels voice

With wild imaginings
 

***
 

Im Morgengrauen legte sich der Regen. Die ganze Nacht über hatte der Wind wild und unbändig das kühle Wasser vom Himmel bis hin zu ihnen in die Höhle gepeitscht. Wann immer sich ein paar Tropfen in ihre Richtung verirrten, schloss Ranma seine Arme enger um Akane, um sie vor der ihr gefährlichen Nässe zu schützen; wenn es auch nur noch ein Nieselregen im Sturmgetöse war. Ihr Schlaf war unruhig und doch schlief sie fest. Geradezu unerschütterlich wirkte ihre Ruhepause, da selbst die stärksten und lautesten Windböen es nicht schafften, sie wach zu rütteln. Dennoch vernahm er immer wieder ein leises Winseln aus ihrem Mund, hörte die zu undeutlich ausgesprochenen Worte, die sie im Traum mit so viel Schmerz in ihrer Stimme erklingen ließ.
 

Als die ersten Sonnenstrahlen an sein Gesicht drangen, löste er seine Umarmung und legte ihren Oberkörper vorsichtig auf seinen Rucksack, damit sie noch etwas weiter ruhen konnte. Rückwärts krabbelte er einige Meter von ihr weg. Wie zu einer Salzsäule erstarrt, schaute er auf sie und richtete sich dann geistesabwesend auf, um den Staub von seinen Kleidern abzuklopfen.
 

Mit einem lauten Gähnen begrüßte er den neuen Tag als er müde seine Glieder streckte. Die ganze Nacht über hatte er nicht geschlafen. Ihn hielt das Gefühl wach, über Akane wachen zu müssen, obgleich er gleichzeitig sehr schläfrig wurde. Nicht durch die Tageszeit, sondern, weil die Wärme, welche durch die Nähe ihrer beiden Körper entstanden war, ihn erholsam zudeckte und seinen Sinnen sanft das verführerische Angebot zuflüsterte, sich selbst ein wenig von den Strapazen des Tages auszuruhen. Doch sein Wille, die ihm selbst zugeteilte Aufgabe zu erfüllen, war letztlich stärker.
 

Der Sturm der vergangenen Nacht hatte seine Spuren hinterlassen. So legte sich ein kühler Mantel über die felsige Berglandschaft. Blinzelnd schaute Ranma vom Eingang der Höhle aus gegen die Sonne. Irgendetwas war anders an diesem Morgen. Etwas hatte sich verändert. Alles, was er wusste, war, dass er sich aus irgendeinem unerfindlichen Grund für gewöhnlich anders fühlte, wenn er morgens aufstand. Nachdenklich warf er einen Blick über die Schulter hinüber zu Akane. Noch immer schlief sie. Das Feuer war längst verglüht, doch um sie warm zu halten, hatte er sie mit ihrer mittlerweile getrockneten Jacke zugedeckt, ehe er die Höhle verließ. Es schien ihr gut zu gehen; den Umständen entsprechend. Schulterzuckend drehte er sich wieder um und entfernte sich munter von der Höhle. Voller Elan hopste er von einem Bein aufs andere, sprang von einigen erhöhten Felsen auf sichere Äste. In sich spürte er ein starkes Brodeln, dass er endlich befreien wollte. Er spürte Energie, die jede seiner Muskelfasern in schnellen, kraftvollen Bewegungen ungeduldig zu verbrennen verlangte. Diese Energie erfüllte seinen ganzen Körper und trug ihn schwungvoll und galant hinfort. Immer schneller trieb ihn sein spontaner, zielloser Ausflug, immer höher. Solange bis er schließlich auf dem höchsten Punkt des felsigen Berges, der ihnen auch mit seiner kleinen Höhle Unterschlupf für die Nacht geboten hatte, angekommen war und von dort aus sich der Sonne näher fühlte, denn je zuvor. Es war kein sonderlich hoher Berg und dennoch versetze ihn das Erklimmen eines jenen in ungeahnte Euphorie. Die Aussicht von dort oben war einfach sagenhaft. Leuchtende Baumkronen unter der lauen Morgensonne lagen in einem kleinen Tal, das umringt von einem schmalen Fluss war. Sein ruhiges Plätschern drang bis zu ihm hinauf. Demzufolge schien die Strömung aus irgendeinem Grund recht stark gewesen zu sein. Ranma gefiel dieser Gedanke: Ein schmales Gewässer, das in unberührter Natur in geschmeidigen Kurven ruhig für sich und doch wild und ungebändigt vor sich hin fließt. Ein weiteres Mal zerbrach er sich ohne das Mitwissen anderer den Kopf über die verrücktesten Dinge: Wenn er ein lebloses Objekt der Natur wäre, dann am liebsten dieser Fluss. "So viel Leben in etwas doch eigentlich Leblosem", dachte er sich mit kindlicher Aufregung. Lächelnd füllte er seine Lungen mit der frischen, dünnen Luft und atmete diese dann wieder mit einem lauten Seufzer aus. Bunte Schmetterlinge eines unbekannten Ursprungs tummelten sich in seinem Bauch und trafen in hektischen Bewegungen immer wieder aufeinander. Leise auflachend fasste Ranma mit einer Hand an seinen Bauch und versuchte auf diesem Wege, das viel zu aufdringliche Kitzeln ein klein wenig zu unterdrücken. Dann jedoch machte er sich für einen kurzen Augenblick Gedanken. In der Tat war es ein klein wenig seltsam, wie seine Stimmung ständig von einem Extremum zum nächsten wechselte. Ganz besonders in letzter Zeit. War er letzte Nacht noch in heller Sorge über Akanes gesundheitlichen Zustand, bloß weil sie ein paar Wasserspritzerchen abbekommen hatte, so... ging es ihm jetzt gut. Einfach nur gut. Ein schlichtes Wort, das meistens jedoch viel zu stark unterbewertet wird. Gut. Vielleicht war alles sogar 'perfekt', doch mit diesem Wort pflegte er stets sehr sparsam umzugehen. War da doch schließlich noch immer die Kleinigkeit zu beachten, dass er die Ursache für seine prächtige Laune nicht kannte. Zwar war er nie ein großer Philosoph oder Wissenschaftler gewesen, der alles und jedem auf den Grund gehen möchte, aber diese durch und durch positive Energie war tatsächlich beinahe schon angsteinflößend, so sehr belebte sie ihn aus heiterem Himmel.
 

Mit einem Kopfschütteln wimmelte er alle nervenden Gedanken von sich ab. Ein Lächeln platzierte sich wieder auf seinem Gesicht und mit einem solchen betrachtete er mit erneut entfachter Begeisterung den herrlichen Ausblick.
 

Goldene Baumkronen, leuchtende rosa Wolken, ein sich schlängelnder wilder Fluss, der sich frei und unkontrolliert seinen Weg bahnt und Luft. Viel frische, klare, in seinen Atemwegen so wohltuende Luft. War es das, was die Menschen als 'Eins mit sich selbst sein' bezeichneten? Die Augen öffnen und die zauberhafte Welt genüsslich einatmen oder auch sie schließen und sich von all den süßen Erinnerungen ein Lächeln auf die Lippen legen zu lassen? Für einige kurze Augenblicke wurde er von dem Wunsch ergriffen, für immer auf diesem Berggipfelchen stehen zu bleiben und mit dieser ungeheuren Naturkraft, mit dieser überwältigenden, kraftspendenden Freiheit zu verschmelzen und von ihrem Zauber hinfort getragen zu werden. Lächelnd schaute er gen Himmel und streckte seine Arme weit über seinen Kopf aus. Ob er es schaffen würde, eine Wolke zu berühren? Er würde sie zu sich herunterziehen, sich bequem auf ihr setzen und dann weit weit weg fliegen. Er würde den Wind in den Haaren spüren, den Wind in seinem Gesicht, er würde schneller fliegen als all die wilden, aufgeregten Schmetterlinge in seinem Bauch. Er würde Glück empfinden, tief und rein und ehrlich und dann etwas aus voller Kehle hinausschreien.
 

... etwas...
 

Genau wie etwas an diesem Tage plötzlich anders war.
 

***
 

...
 

~Du erinnerst dich.
 

Wer bist du?

~Das weißt du.

...

~Sie war umringt von Gänseblümchen, die sie heiter anstrahlten.

~Und inmitten dieses freudigen Naturtanzes weinte sie.

~Du wolltest, dass sie genau wie all die Blumen lacht.
 

Warum wollte ich das?

~Trotz ihrer Tränen empfandest du sie als die schönste Blume von allen.
 

Ich erinnere mich nicht.

~Du sahst ihr kurzes, strubbeliges Haar und wolltest ihr darüber streichen.

~Du wolltest sie in den Arm nehmen und sie von ihrem Zittern befreien.
 

Wer war sie?

~Ein Engel...
 

***
 

Mit leeren Augen schaute Ranma auf Akanes schlafenden Körper. Sie wirkte sehr ruhig und friedlich. Schier unvorstellbar, dass sie im Wachzustand ein wahrer Wildfang war. Sie sah schön aus als sie schlief. Er erkannte dies. Aber auf seinem Gesicht lag kein Lächeln bei dieser Feststellung. Etwas war merkwürdig. Etwas war anders...
 

"Hey Akane... Wach auf." Leise sprach er zu seiner Verlobten, nachdem er sich ihr mit sicheren Schritten genähert hatte und sich dann zu ihr hinunterbeugte.
 

*Du erinnerst dich*
 

Für einen Augenblick meinte er eine Stimme gehört zu haben und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Was ist los bloß los mit mir? Seufzend schüttelte er seinen Kopf. Mit einem kräftigen Räuspern suchte er seine feste Stimme zurück zu holen und setze laut und bestimmt an: "Bist du taub? Steh endlich au--"
 

Leere.
 

Mitten in seinem Satz brach er ab. Irgendetwas bremste ihn. Er konnte nicht erfassen, wo es herkam und wie genau es sich in ihm Wirkung verschaffte. Ganz plötzlich rügte er sich innerlich für seinen scharfen Ton. Beinahe wütend schaute er an sich selbst hinunter und ließ dann wieder seinen Blick zu Akane schweifen. Was war das bloß für ein eigenartiger Schein, der sie mit einem Mal umgab? Es war kein sichtbarer Schein, wie etwa der einer Glühbirne. Viel mehr wirkte es so, als machte sich ihre Aura selbstständig. Es hätte jedoch keinesfalls ihr Ki sein können. Dafür war sie nicht trainiert genug.
 

"Akane..." flüsterte er in einem ihm selbst fremden Ton. Langsam öffnete sie ihre Augen und sah ihn unverwandt an. Fragen über Fragen standen ihm ins Gesicht geschrieben, doch er war zu gefesselt von dieser eigenartigen Magie, die ihn mit einem Mal in ihren Bann zog. "Ich erinnere mich..." Das Bedürfnis nach Freiheit und ein leichter Widerstand rangen in seinem Kopf, seinem Blick und seiner Stimme. Fassungslosigkeit breitete sich in ihm aus.
 

Verwundert schaute sie zu ihm auf. Mit geöffnetem Mund setzte sie an, etwas zu sagen, doch just in diesem Moment wurde ihre zarte Stimme von einem lauten Grollen verschluckt. Ein schrilles, lärmendes Quietschen mischte sich darunter, ehe beide Geräusche schlagartig verstummten und nun eilige Schritte auf dem weichen, matschigen Boden zu vernehmen waren.
 

"Kinder! Endlich haben wir euch gefunden!!"
 

Erschrocken schauten Akane und Ranma zum Ausgang der Höhle hinüber.
 

"Paps?" fragte Akane überrascht, als sie die Stimme der im Gegenlicht nur als Schatten erkennbaren Gestalt erkannt hatte.
 

"Wir haben uns solche Sorgen um euch gemacht. In den Nachrichten wurde über einen Taifun berichtet, der in dieser Gegend tobte. Er riss unzählige Bäume um - so stark war er. Ich bin so glücklich, dass euch nichts passiert ist." Tränenblind fiel Soun seiner jüngsten Tochter um den Hals und überschüttete sie mit Küssen.
 

An Akanes Gesicht war deutlich ihre Verwirrung abzulesen. "Ranma, was wolltest du--?"
 

Sobald ihr Verlobter den fragenden Ton aus ihrer Stimme herausgefiltert hatte, drehte er sich eilig von ihr weg. Erstaunt über sich selbst stellte er in seinem Kopf tausend Fragen. Fragen, die sie ihm zu stellen versuchte, welche er aber nicht beantworten konnte. "Warum habe ich das bloß gesagt? Woran soll ich mich denn auf einmal erinnern?" wunderte er sich perplex. Ein starkes Schamgefühl mischte sich in seine Ratlosigkeit. Und Wut. Wut über sich selbst, über seine Dummheit, gewisse Dinge auszusprechen, die besser im Verborgenen bleiben sollten. Wut darüber, dass diese Dinge noch nicht einmal existent waren und er nur für den Bruchteil einer Sekunde meinte, sie zu spüren. Wut darüber, die Ehre als Martial Artist zu verlieren. Und Scham gegenüber Akane, die nun allen Grund hatte, um ihn wieder als abartig oder so etwas zu bezeichnen. Er wollte sich doch nicht so schwach gegenüber anderen zeigen. Ganz besonders sollte Akane ihn nicht von einer solchen Seite kennen lernen. Irritiert drehte er sich wieder zu ihr um. Doch sie war nicht mehr da. An dem Platz, wo sie wenige Minuten zuvor noch friedlich geschlafen hatte, befand sich nur noch sein ausgebeulter Rucksack.
 

"Komm, mein Kind. Wir fahren sofort nachhause. Sie haben angesagt, dass heute Nacht ein noch viel stärkerer Sturm toben soll."
 

Als er Souns Stimme vernahm, wirbelte er herum. Der noch immer weinende Mann hatte ihr einen Arm um die Schulter gelegt und schob sie sanft, aber bestimmt nach draußen. Etwas unbeholfen blieb Ranma einige Sekunden stehen und schaute ihnen nach, ehe er sich hastig seinen Rucksack schnappte und ihnen hinterherlief.
 

"Hey! Heißt das, das Training ist schon beendet?"
 

Was redete er da auf einmal? Er wollte doch nie auf diese beknackte Trainingsreise zusammen mit Akane. Alles, was er wollte, war doch einfach nur allein zu sein. Sein Kopf versuchte vergeblich seine Schritte zu verlangsamen und seinen Mund zu schließen, doch sein Körper gewann seinen eigenen starken Willen und richtete sich für einen kurzen Moment nicht nach den Befehlen seines Meisters.
 

"Halt, mein Junge!" Abrupt kam Ranma zum Stehen als sich ihm jemand in den Weg stellte und ihm seine flache Hand entgegenstreckte. Ranma blinzelte gegen das Licht. "Oyaji. Du bist auch hier?"
 

Genma schaute seinen Sohn ernst an. "Du solltest dich schämen. Willst du etwa deiner zukünftigen Ehefrau den Platz streitig machen?"
 

Ranma zögerte nicht lange ehe er empört zurückrief: "Was soll der Quatsch schon wieder?! Und was für einen Platz sollte ich ihr denn wegnehmen wollen?"
 

Räuspernd deutete Genma auf ein großes Objekt, das sich cirka 20 Meter zu seiner Rechten befand. Erst dann erkannte Ranma den dunkelgrünen Pickup. "Was? Wo habt ihr den denn aufgetrieben?"
 

Auf Ranmas Frage, die unbeantwortet bleiben sollte, folgte eine strenge Ermahnung seines Vaters. "Du wirst hoffentlich keinen Ärger machen und freiwillig hinten aufsteigen. Vorne ist nicht mehr genügend Platz." Mit einem kräftigen Schubs drängte er Ranma auf die Ladefläche zu steigen. Der stolperte jedoch nur wenige Schritte vorwärts und drehte sich dann mit geballten Fäusten wieder zu seinem Vater herum. "Spinnst du Alter? Seit wann brauchen wir solche Teile?? Von mir aus kannst du ja hinten aufsteigen - ich laufe lieber!"
 

Plötzlich vernahm er Akanes Stimme. Leicht erschrocken wandte er sich zu der Richtung ihres Ursprungs. Soun war gerade dabei, seine immer noch leicht geschwächte Tochter durch die Beifahrertür hinein zu helfen, als sie sich zu Ranma umdrehte. In ihrem Gesicht lag eine ebenso große Verwirrung wie er sie in sich selbst spürte. Ganz sicher war er sich nicht, aber er meinte, sogar auch ein wenig Verzweiflung herauszulesen. Dieser ganze große Zirkus entstand so überraschend - wie eigentlich alles in ihrem Leben - dass sie beide sich sehr überrumpelt fühlten. Sich nicht ganz in die gewechselte Situation einfügend, richtete sie ihre fragenden Augen auf ihn und wehrte sich soweit es ihre Kraft zuließ gegen das permanente Schieben ihres ignoranten Vaters.
 

"Ranma? Was wolltest du mir sagen?"
 

Mit offenem Mund blieb er stehen und sah ihr hinterher. "Ich..." begann er. Auf einmal spürte er eine starke Röte, die ihm ins Gesicht stieg, als sich ihre Blicke trafen. Erst jetzt wurde er sich der Intimität wirklich bewusst, die sie in der vergangenen Nacht ausgetauscht hatten. Sie hatten eine ganze Nacht damit verbacht, sich gegenseitig fest zu halten... ohne Streitereien, ohne unangenehme Gefühle. Friedlich und harmonisch schöpften sie eine ganze Nacht lang Kraft und Energie aus der Wärme des fremden und doch so vertrauten Körpers.
 

"Ranma, bitte sag es mir doch! Ich weiß, dass es etwas Wichtiges war. Das spüre ich." Noch einmal ertönte Akanes heisere Stimme.
 

"Ich... Ich erinnere mich nicht mehr", gab Ranma nach kurzem Überlegen hilflos zurück und log dabei nicht. Was sie nun wohl von ihm dachte? Hoffentlich nicht, dass er ihr nach der vergangenen Nacht eine Liebeserklärung oder so machen wollte! Schließlich hatte er sie ja nicht freiwillig gehalten, sondern nur, weil er ständig auf diesen Tollpatsch aufpassen musste. Eingeschüchtert wandte er seinen Blick von ihr ab und fuhr mit den Augen hektisch von einer Seite zur anderen. Was waren das bloß auf einmal für komische Gedanken? Wieso wollte er bleiben? Wieso wollte er Akane aus dem Griff ihres Vaters losreißen und sie zurückholen? Er konnte sie doch nicht ausstehen. Sie war doch ein Machoweib. Ein nervendes, brutales, ewig meckerndes und ihn zu Unrecht für alles verantwortlich machendes Machoweib. Erneute Verwirrung überfiel ihn. Nur neben sich stehend erkannte er, wie sie sich endgültig ins Innere des Wagens begab und ihn unverwandt durch das schmutzige Glas ansah, während er sich ohne weitere Gegenwehr von Genma auf die Ladefläche ziehen ließ.
 

"Kann's jetzt endlich los gehen?" rief ein ihm unbekannter Mann ungeduldig vom Fahrersitz aus.
 

***
 

Mit angewinkelten Beinen saß Ranma auf dem feuchten, metallenen Boden des hinteren Wagenteils und stützte sein Kinn auf die Knie. Die ganze weite Fahrt über hatte Ranma kein Wort zu seinem Vater sprechen können. Noch wagte er es, sich umzudrehen, um Akane noch einmal zu sehen. Vielleicht würde der Wind es schaffen, ihm seine Verwirrung zu nehmen und sie mit sich fort zu tragen.
 

***
 

...
 

~Du erinnerst dich.
 

Wer bist du?

~Das weißt du.

...

~Lange beobachtetest du sie ohne zu sprechen.

~Nach einer Weile gingst du auf sie zu

~und nahmst zärtlich ihre Hand in deine.
 

Wie reagierte sie?

~Mit einem warmen Lächeln ließest du ihr Schluchzen verstummen

~und zaubertest ein Lächeln auf ihre Lippen.

~Dein Gesicht spiegelte sich in ihren glänzenden Augen wieder,

~doch du erkanntest es nicht, da jener Ausdruck dir bisher fremd war.
 

Warum befiel er mich?

~Weil ich in dein Leben trat. Sie machte dir ein kostbares Geschenk.
 

Wer war sie?

~Ein Engel...

Bedeutungsvolle Tränen

She fills my soul with so much love

That anywhere I go I'm never lonely

With her along

Who could be lonely
 

***
 

Mehr aus der Gewohnheit als aus der Notwendigkeit heraus, wischte Ranma sich mit dem Handrücken über die Stirn. Seine Haut war trocken. Theatralisch seufzend verdrehte er die Augen und rollte Kuno mit seinem Fuß auf die Seite. Nachdenklich schaute er auf den KO geschlagenen Oberschüler herab, ehe er sich zu ihm hinunterbeugte. "Du kannst es einfach nicht lassen, was?" flüsterte er mit einem Kopfschütteln in Richtung seines bewusstlosen Gegners. "Dabei müsstest du es eigentlich schon längst wissen." Arrogant erhob er sich wieder und drehte sich von ihm weg. "Kämpfe mit dir sind in letzter Zeit die reinste Zeitverschwendung. Du stellst nicht mal mehr ansatzweise eine Herausforderung dar."
 

Er vergrub die Hände in den Hosentaschen, als er sich zurück zum Tendo Anwesen begab. Die Fahrt auf der Ladefläche des Pickups war so eintönig und lang gewesen, dass er sich, sobald sie am frühen Abend Nerima erreicht hatten, als erstes etwas loslösen wollte und ziellos durch die Gegend streifte. Chaotisch wie sein Leben nun einmal war, konnte dieser als 'friedlichen Ausklang' geplanter Spaziergang keinesfalls ruhig vonstatten gehen. Mousse und Kuno hatten ihm allem Anschein nach einen Peilsender untergeschoben, denn sie schafften es immer wieder, ihn überall aufzuspüren und ihn dann zu einem Kampf auf 'Leben und Tod' herauszufordern. Natürlich beendete er jeden dieser Kämpfe als Sieger. Und nichts in seinem Leben war so aufregend wie ein Sieg. Jedoch konnte er jene Ausgänge kaum noch als solche bezeichnen. Ihm fehlte ein ernstzunehmender Gegner, das Gefühl, seine Kräfte bis zum Limit zu treiben, Reiz und Nervenkitzel, die aufregende Adrenalinstöße in seinem Körper verursachten. Ihm fehlte... ein Sinn. Etwas, das ihm zeigte, am Leben zu sein. Und da war sie schon wieder: Die Wut. Unaufhaltsam, unkontrollierbar und als wenn eben genanntes nicht schon schlimm genug wäre, zu allem Überfluss auch noch undefinierbar.
 

Mit einem Hops über die Mauer landete er ihm Garten und schlenderte von dort aus schnurstracks in den Dojo. Eine Strohpuppe diente besser zur Abregung als diese Chaoten in Nerima, die sich allen ernstes Martial Artists nannten. War das der Preis dafür, der Beste zu sein? Gähnende Langeweile, weil es weit und breit niemanden gab, der in ihm noch das Feuer eines spannenden Kampfes entfachen konnte? Mit leerem Blick stand er am Eingang der Trainingshalle und rollte von seinen Fußballen auf die Hacken. Durch ein leises Knirschen unter seinen Sohlen wurde er auf einen kleinen spitzen Stein aufmerksam, der am Boden lag. Ruhig hob er ihn auf und schaute sich ihn lange wortlos an, bis er auf einmal seine Brauen ernst zusammenschob. Wie eine Marionette, die von den Fäden eines weit über ihm stehenden Puppenspielers gelenkt wurde, führte er plötzlich die scharfe Kante des Steines an seine Haut heran. Sein Blick veränderte sich nicht, als er mit seinen Fingern den Druck auf den Gegenstand verstärkte und ihn entlang seiner Elle hinunterzog. Blut quoll aus einem langen, feinen Kratzer. Verschlafen blickte er auf das intensive Rot des dickflüssigen Sekrets und spürte seine Mundwinkel leicht zucken. Auf einmal weiteten sich seine Augen in Entsetzen. "Was mach' ich hier eigentlich?!" flüsterte er fassungslos zu sich selbst.
 

"Ranma-kun!"
 

Erschrocken ließ er den Stein fallen und wirbelte herum. "Do-do-doktor Tofu? Was machen Sie denn hier?"
 

Trotz der mangelnden Freundlichkeit in Ranmas Begrüßung behielt der junge Arzt, der mit einem kleinen Koffer in der Hand plötzlich hinter Ranma auftauchte, sein Lächeln im Gesicht. "Hausbesuch. Dein Vater rief mich an, weil er wegen Gelenkschmerzen nicht zur Arbeit kommen konnte. Da ich bereits Feierabend und nichts weiter zu tun habe, dachte ich, ich könnte mal nach ihm sehen."
 

Ranmas Gesicht spiegelte leichte Ansätze von Mitleid gegenüber des viel zu gutgläubigen Mannes wieder. "Wie sie meinen..." Tofu lächelte noch immer.
 

"Und was ist das? Wieder mal Akanes Werk?"
 

"Was? OH! Ähh... nein..." Nervös versteckte Ranma seinen blutenden Arm hinter dem Rücken. "Nicht Akane-- Auf dem Weg hierher hatten mich wieder mal die üblichen Gegner überfallen. Immer im Training, Sie wissen schon." Schluckend spielte er ein Lachen heraus und war nun ziemlich froh, dass Mousse und Kuno ihm heute wieder etwas Zeit gestohlen hatten, da er jetzt wenigstens nicht lügen musste. Nun ja, nicht wirklich.
 

"Verstehe", antwortete er nachdenklich. "Wenn du willst, kann ich es gleich desinfizieren. Alles, was ich brauche, ist--"
 

"Nein nein, schon gut!" Schweißtriefend winkte Ranma ab. "Kommen Sie, ich bring' Sie zu meinem Alten. Der hat medizinische Betreuung nötiger, wette ich." Er war bereits dabei, den Dojo zu verlassen, als Doktor Tofus Stimme ihn für einen weiteren Augenblick zurückhielt.
 

"Ich bin froh."
 

Fragend drehte Ranma sich zu ihm um. "Dass mein Vater Ihre Hilfe braucht? Ihre Praxis läuft doch sehr gut. Ja, ganz ehrlich. Alle in der Gegend sprechen darüber, was für ein zuverlässiger Chiropraktiker Sie sind."
 

Ein sanftes Kopfschütteln unterbrach ihn. "Nein nein, das meine ich nicht. Ich spreche davon, dass es nicht Akane war. Scheinbar hast du allmählich erkannt, was ich dir damals klarmachen wollte."
 

Angestrengt nachdenkend kratzte Ranma sich mit dem Zeigefinger das Kinn. "Was könnte das denn gewesen sein?"
 

Ein leises Lachen ertönte, ehe sein Gegenüber sich abwandte und zum Hauseingang hin marschierte. Ohne sich noch einmal zu dem jungen Martial Artist umzudrehen beantwortete er dessen Frage: "Ich sagte, dass du eines Tages schon erkennen wirst, was für ein süßes, liebes Mädchen sie ist. Und das hast du schon vor einer guten Weile, oder?"
 

Ranma war froh, dass Tofu ihm nicht mehr hinterher sah. Sonst hätte er womöglich die purpurne Röte in seinem Gesicht bemerkt und noch viel lauter gelacht. Grimmig stampfte er in den Sand vor den Treppenstufen des Dojos. "Ich hab' nie gesagt, dass ich sie süß finde..." Schmollend verzog er sein Gesicht. Sein Blick fiel wieder auf den langen Kratzer an seinem Arm. Sein Körper verarbeitete Verletzungen in der Regel sehr schnell. So verheilte auch diese unnatürlich rasch und war kaum noch zu bemerken. Das Blut war mittlerweile geronnen und hatte sich in ein rostiges Braun verwandelt. Nachdenklich inspizierte Ranma den eigentlich noch sehr frischen Schnitt und seufzte, weil er sich einfach nicht erklären konnte, warum er das getan hatte. Nachdenklich schaute er dann auf die kleine weiße Narbe an seiner Hand. Schon seit er ein kleines Kind war, zierte sie die Kuppe seines linken Zeigefingers. Verwunderlich war, dass diese Wunde nie vollständig verheilt war. Vielleicht, weil er es aus irgendeinem Grund selbst nie wirklich wollte. Denn diese Narbe hatte eine Bedeutung. Sie machte ihn glücklich, wenn er sie sich ansah. Glücklich... Blinzelnd fuhr er mit seinem Blick hoch und lief eilig durch den Garten. Schon von weitem konnte er Doktor Tofu erkennen, wie er verwirrt auf einem Teelöffel kaute und zwischendurch an einem Keks nippte. Kasumi schaute ihn erheitert an und kicherte hinter vorgehaltener Hand. Ranmas Schritte verlangsamten sich. Stirnrunzelnd blieb er bald darauf stehen und legte seinen Kopf schief. Die rötliche Abendsonne hatte sich über Nerima gelegt und ließ die beiden jungen Menschen, die er im Blickfeld hatte, wie einen Teil eines schönen, nahezu perfekten Bildes wirken. In diesem Augenblick, in dem er die Schönheit und Harmonie entdeckte, die von ihnen ausging, so verwirrt Doktor Tofu in Kasumis Anwesenheit auch sein mochte, wurde er sich des Grundes für Tofus und Kasumis stetiges Lächeln bewusst. Sie waren glücklich. Sie wussten, weshalb sie glücklich waren. Und vielleicht könnte man sogar so weit gehen zu sagen, dass sie sich darüber bewusst waren, wofür sie lebten. Diese Erkenntnis in sich aufnehmend, verspürte Ranma keine Freude und er fühlte sich auch nicht angetrieben zu lächeln. Denn obwohl er es diesen beiden Menschen von Herzen gönnte, ihr Lebensglück zu finden, sei es gemeinsam, durch das Führen einer Praxis oder das Kochen von köstlichen Mahlzeiten, war er in diesem Moment einfach nur neidisch.
 

***
 

Akane war zum Abendessen nicht herunter gekommen. Überfürsorglich hatte Soun ihr fürs Erste Bettruhe verordnet, nachdem er sie trotz heftiger Proteste ihrerseits aus dem Pickup bis hinauf in ihr Zimmer getragen hatte. Zwar war Doktor Tofu nicht ihretwegen gekommen und sein Spezialgebiet lag auch nicht in der Allgemeinmedizin, doch von seinem Studium her hatte er sich mit der ein oder anderen Heilungsmethode verschiedener Erkrankungen befasst, behauptete er mit einer für ihn ungewöhnlichen Selbstsicherheit. Und so bestand er darauf, eine seiner treuesten und liebsten Patienten für eine Minute aufzusuchen, um sich zu vergewissern, dass es ihr so weit gut ging. Als Ranma vom Tisch aufgestanden und die Treppe hoch gegangen war, um in seinem Zimmer ein kleines Nickerchen zu halten, hörte er vom Flur aus Akanes Stimme. "Das ist kalt", kicherte sie etwas heiser und brachte damit auch Tofu zum Lachen. Missmutig hob Ranma eine Augenbraue und blieb eine Weile mit dem Fuß auf der letzten Treppenstufe stehen. Auf einmal machte er kehrt und fegte die Stufen wieder hinunter. Mit einem kräftigen Satz landete er kurze Zeit später auf dem Dach und lief hektisch hin und her.
 

"Diese miese-- Vor anderen gibt sie sich ständig so süß und anständig. Ich bekomme immer nur ihre schlechten Seiten zu spüren. Nur weil ich nicht den ganzen Tag so rumgrinsen kann wie dieser Ich-habe-studiert-also-kann-ich-alles-Wunder-Dok." Die Menschen, die an dem Haus vorbeigingen und seine wilden Selbstgespräche mit erschrockenen Gesichtern bemerkten, hatte er in seiner Aufregung gar nicht wahrgenommen. "Ich hab's so satt. Ich hab's so verflucht satt. Bin ich hier eigentlich der einzige, der... der keinen Grund findet zu... lächeln?" Seufzend sank er in die Hocke und rollte sich mit angewinkelten Beinen nach hinten. Fest zusammengekugelt schaute er in den Himmel und fixierte den ersten Stern am Firmament. Mit einer krausgezogenen Stirn fragte er sich, was in Akanes Zimmer gerade vor sich gegangen war und ganz besonders, ob Akane sich für Doktor Tofus Spezialbehandlung frei machen musste. Kopfschüttelnd versuchte er diese Gedanken schnellstmöglich loszuwerden. Doch dieser störende Schmerz in seinem Bauch blieb konstant. Er seufzte ein weiteres Mal. War er etwa eifersüchtig? Auf dieses flachbrüstige, breithüftige, zu kurz geratene Machoweib?? Ganz sicher nicht. Davon abgesehen wusste er schon längst um Tofus unausgesprochene Liebe zu Kasumi. Da bestand also keinerlei Gefahr. Akane hingegen hatte Jahre lang für ihn geschwärmt und könnte ein kleines Tête à Tête als Oben-ohne-Behandlung in ihrem Zimmer durchaus genießen. Ach! Er tat es schon wieder. Er ließ sich schon wieder von derartigen Gedanken mitreißen. Verärgert schlug er sich mit der flachen Hand ins Gesicht. Aus Faulheit, Müdigkeit und fehlender Motivation behielt er seine Hand genau da, wo sie laut an seine Wange geklatscht war und beobachtete weiterhin mit halbem Interesse den soeben aufgegangenen Stern. "Ein Kampf... Ich brauche wahrscheinlich einfach nur wieder einen richtig interessanten Kampf, sonst gehe ich hier vor lauter Langeweile noch ein." Plötzlich drängte sich ein Bild vor das des hell erleuchteten Sterns am Himmel. Es zeigte Doktor Tofu im Wolfskostüm und angelegtem Stethoskop, wie er mit seinen riesigen Klauen nach Akane griff, die sich kichernd auf einem Schafsfell räkelte. Ranmas Augen sprangen heraus. "Lächerlich", flüsterte er hastig als ihm eine dicke Schweißperle die Schläfe hinabrann. "Ist mir doch egal, was die da treiben." Beleidigt schloss er seine Augen.
 

***
 

...

Du erinnerst dich.
 

Wer bist du?

~Das weißt du.

...

~Als sie dir freundlich zurücklächelte hast du es gespürt und nie verloren.

~Du hast es über die Jahre bloß vergessen. Denn du wolltest vergessen.
 

Was habe ich verloren?

~Das Gefühl, was es heißt glücklich zu sein. Den Sinn. Den Grund.
 

Wie hatte ich damals dazu finden können?

~Indem du es zugelassen hast.

...

~"Weine nicht mehr, kleines Mädchen." - "Du bist sehr lieb."
 

Wer war sie?

Ein Engel...
 


 

***
 

Fröstelnd öffnete er die Hintertür des Tendo-Hauses und schloss sie im nächsten Moment leise hinter sich. Es schien bereits jeder schlafen gegangen zu sein, denn im ganzen Haus war es stockduster. Er selbst war auf dem Dach eingeschlafen und hatte nun bloß noch zwei Wünsche für den Augenblick: Ein Glas frische Milch, denn seine Kehle war staubtrocken. Und sein warmes, weiches Bett. Leise stöhnend streckte er sich. Seine Gelenke knackten und sein Rücken schmerzte. Hinzu kam, dass sein Kopf sich irgendwie seltsam anfühlte. So als hätte er gerade einen sehr bedeutungsvollen Traum gehabt, doch er konnte sich wie so oft nicht an seine Träume erinnern. Gedanklich vor sich hinschimpfend schlich er zum Kühlschrank und legte gerade eine Hand an den Griff als er durch ein Geräusch aufmerksam wurde, dass aus dem Inneren des Hauses drang. Verwundert drehte er sich um und warf einen Blick auf die kleine Küchenuhr. Sie verriet ihm, dass es bereits nach Mitternacht gewesen war. Nabiki hatte immer alles in ihrem Leben ordentlich und strickt nach Plan ausgeführt. Dazu zählten auch ihre Schlafenszeiten. Darum schloss er sie schon mal ganz klar aus. Kasumi ging auch immer recht zeitig zu Bett, da sie schließlich jeden Tag als erste aufstand, um für alle Frühstück zu machen. Akane... Für Akane fiel ihm auf die Schnelle nichts Passendes ein, allerdings wusste er auch nicht, was sie mitten in der Nacht im Haus zu tun gehabt hätte, zumal am nächsten Tag wieder die Schule für sie beginnen würde. Sein Vater war ohnehin das reinste Faultier und Soun alleine wäre nachts sicher nicht aufgeblieben, um mit sich selbst Go zu spielen; andere Interessen schienen die beiden Herren ja kaum zu haben. Happosai war bereits eine Weile nicht aufgetaucht, seitdem er seine Beutetouren für eine Weile etwas auswärts tätigen wollte, wie er die Tendos freundlichst in einem kurzen Abschiedsbrief informiert hatte. Oder war er wieder zurückgekehrt? Auf Zehenspitzen schlich er durch das dunkle Haus entgegen der Quelle des leisen Geräuschs. Als er die Küche verlassen und den stockdusteren Flur erreicht hatte, erkannte er, dass aus dem Teezimmer ein schwaches bläuliches Licht schien. Mit gekräuselter Stirn streckte er seinen Kopf nach vorne, um möglichst geräuschlos einen Blick von dem nächtlichen Geschehen erspähen zu können. Plötzlich zuckte er zusammen. Jemand hatte geschluchzt - er hatte es ganz deutlich gehört! Dann vernahm er ein Rauschen. Es klang wie Stimmgewirr... oder Bandsalat. Ein leises Knistern mischte sich darunter, dann erklang wieder das zaghafte Schluchzen, ehe dieses von einem kurzen Piepton verdrängt wurde.
 

"Wenn es dir nichts ausmacht, dann... macht es mir auch nichts aus..."
 

Seine Augen weiteten sich bis zum Anschlag. "Was zur--?!" flüsterte Ranma erschrocken als er panisch seine eigene Stimme wieder erkannte. Aber das war doch unmöglich. Er hatte schließlich nicht gesprochen. Oder doch? Es war spät, ja... Aber-- Nein! Unmöglich. Wenn es ein Traum wäre, dann würde er doch... dann würde er doch... Dann würde er wie sonst auch in all seinen Träumen vor einem riesigen gedeckten Tisch sitzen und genüsslich seinen Gaumen mit einer Leckerei nach der nächsten erfreuen. Doch hier war kein gedeckter Tisch. Keine köstlichen Speisen. Alles was sich unmittelbar um ihn herum befand, war der bläuliche Schein, das fast lautlose Rascheln und das leise Schluchzen. Und seine eigene Stimme.
 

Kopfschüttelnd näherte er sich schließlich so unauffällig wie nur irgend möglich der unheimlichen Geräuschquelle. Als er am Türrahmen angelangt war, schaute er vorsichtig in das nur schwach und weder von Lampen, noch von Kerzen beleuchtete Zimmer hinein. In das blaue Licht getaucht erkannte er eine kleine, zierliche Person, die im Dustern nur einen winzigen Schatten darstellte. Als er diese wahrnahm, überfiel ihn kein Schrecken und kein Mitleid. Seine Gefühle waren wie abgestorben und alles, was sein Auge erhaschen konnte, wurde direkt und ohne Umschweife an sein Gehirn weitergeleitet. "Akane", verriet dieses ihm. Allmählich breitete sich leichte Verwirrung in ihm aus und ließ somit wieder ganz sachte, seine Emotionen mit einwirken. "Akane weint", erkannte er, als er die zerknüllten Taschentücher neben ihr liegen sah. "Warum weint sie?" fragte er sich geradezu mechanisch. Zittrig streckte sie ihren Arm aus und betätigte einen Knopf der Fernbedienung. Wieder war dieses unangenehme Geräusch zu vernehmen, das nach einer Mischung aus Stimmgewirr und Bandsalat klang. Dann erst schweifte sein Blick langsam zum Fernseher hinüber, der ihnen kühles, aber dennoch sanftes Licht spendete. Wieder drückte sie auf eine Taste der Fernbedienung und beendete damit den monotonen Lärm.
 

"Verstehe, du willst mich also nicht küssen."
 

Erschrocken fuhr Ranma zusammen. Was hatte Akane da zu ihm gesagt? Und wann hatte sie ihn überhaupt bemerkt? Doch noch ehe er auf ihre ihn stark verwirrende Aussage kontern konnte, hörte er auch schon wieder seine eigene Stimme sagen: "So ist es nicht! Ich meine doch nur... Wenn es dir nichts ausmacht, dann... macht es mir auch nichts aus."
 

Sein Unterkiefer klappte herunter. Er wusste nicht, ob er entsetzt über seine eigene Blödheit sein sollte, weil er es nicht früher bemerkt hatte oder sich vielleicht doch ein wenig... geschmeichelt fühlen sollte durch das, was sich vor ihm abspielte. Akane saß zusammengekauert und eng in eine Wolldecke gewickelt auf dem Fußboden und schaute sich immer wieder das Video an, welches Soun und Genma einst heimlich von Ranma und ihr gedreht hatten. Es spielte an jenem Tag als Ranma von Mikado geküsst worden war und Akane ihm daraufhin beweisen wollte, wie viel gewiefter als er sie doch war. Daraufhin wollten sie sich im Dojo küssen. Sie 'wollten' - aber dazu kam es nie. Denn kurz bevor der große Augenblick stattfinden sollte, ertappten sie ihre äußerst nervigen Väter beim Spannern und weg war die knisternde Stimmung. Knisternd oder irgendwas in dieser Richtung. Jedenfalls war Ranma schon ziemlich seltsam zumute als er so mit ihr da saß und sie ihre Augen schloss, um seinen Kuss über sich ergehen zu lassen. Damals überkamen ihn ganz plötzlich Schuldgefühle. Er wollte diese Situation nicht ausnutzen, wollte ihren ersten Kuss nicht genauso fürchterlich werden lassen, wie seine eigene erste Erfahrung jener gleichen. Kennen gelernt hatte er sie als durchsetzungsfähiges, zähes Mädchen mit einem starken Kampfwillen. Ihre damalige Bereitschaft, von ihm geküsst zu werden, führte er zu jenem Zeitpunkt allein darauf zurück, dass sie nicht als Verlierer den Dojo verlassen wollte. Und dies stimmte ihn ungeahnt nachdenklich. Er verstand nicht viel von Liebe und all dem Hin und Her zwischen Verliebten, die sich gegenseitig ihre Zuneigung ausdrücken wollten. Aber eines wusste er doch zumindest: Einen Kuss sollte man nicht ohne einen guten Grund verschenken bzw. entgegen zu nehmen. Ungeheuerlich starke Gewissensbisse übermannten ihn. Ja, Akane war entschlossen, diesen Kuss zwischen ihnen beiden an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt stattfinden zu lassen. Und ja, er wollte es so gerne. Aber sie erklärte sich ausschließlich aus den falschen Motiven dazu bereit. Und so ließ er ab und stotterte nervös ein paar Worte vor sich hin, um jenen Augenblick herauszuzögern... um Sekunden, Minuten, vielleicht aber auch Monate - solange bis sie beide aus freien Stücken es wollten. So sah es damals aus. Seine Gedanken- und Gefühlswelt brachten ihm stets nur jene Akane näher, welcher er am ersten Tag in Nerima begegnet war. Im Nachhinein betrachtet kam ihm erstmals die Überlegung in den Sinn, dass sie es vielleicht getan hätte, weil sie ihn wenigstens ein ganz klein wenig gern hatte. Zumindest waren Herz und Kopf sich darüber einig, dass die Akane, die er in den vergangenen Monaten näher kennen lernen durfte, durchaus kein oberflächliches Geschöpf war, dass sich so einfach zu undurchdachten Taten hinreißen lassen würde. Im Gegenteil - sie war ein sehr sanfter und gefühlvoller Mensch. Vielleicht zu gefühlvoll für diese kalte Welt, sodass sie all ihre Sanftheit hinter einer harten, gefährlich dreinblickenden Schale gut zu verbergen lernte.
 

Wie er sie nun so vor sich sitzen sah, schluchzend, weinend vor dem Fernseher, wurde es ihm schlagartig bewusst. Sie war kein Machoweib; alles andere als das. In Wirklichkeit nämlich, war sie mädchenhafter als all ihre Freundinnen und Mitschülerinnen. Doch dieser Überschwung an zärtlichen Emotionen war für sie scheinbar gleichzusetzen mit Schwäche. Denn sobald jemand hinter diese Seite kam, sie etwa zum Rende-vouz ausbat, reagierte sie mit Wut und Zorn. Dieses Mädchen hatte Angst davor, weiblich zu sein. Dennoch schien ein Teil von ihr sich immer danach gesehnt zu haben, auf gewisse Art begehrt zu werden. Oder bloß von gewissen Personen? Sticheleien wie "unsexy" brachten sie ganz eindeutig in Rage. Aber warum? Aus welchem Grund befand sie sich in einem solchen emotionalen Zwiespalt?
 

Ranma schluckte und rückte vorsichtig näher an die Wand aus Angst entdeckt zu werden. Die plötzlich aufkommende Furcht konnte er sich ebenso wenig erklären wie zunächst ihre Tränen. Der Gedanke, sie in diesem Augenblick anzusprechend, drückte irgendwie beschämend auf sein Gemüt. Wie oft war er Akane schon in diesem Zimmer begegnet? Wie oft hatte er sich zu ihr gesellt, wenn sie ferngesehen hatte? Sie wohnten nun schon ziemlich lange unter einem Dach und sahen sich Tag ein Tag aus. In dieser breiten Zeitspanne gab es Tage, an denen er am liebsten seine Sachen gepackt hätte, um zu verschwinden. Vielleicht nicht für immer, aber für eine Weile - so wütend machte sie ihn manchmal. Dann erinnerte er sich noch an Momente, in denen eine Peinlichkeit nach der anderen im Zusammenhang mit ihr stattgefunden hatte. Wie etwa die erste Begegnung im Bad. Oder das riesige Chaos rund um die Zeit, als Nabiki ihre Stelle als Ranmas Verlobte angetreten hatte. Und hin und wieder, wenn auch nur ganz selten, gab es Augenblicke, die er am liebsten für immer angehalten hätte. Als sie mit ihm fort gehen wollte, obwohl er seine Kraft durch die Moxibitions-Pressur verloren hatte zum Beispiel. Als sie sich für ihn und gegen die Superkräfte durch den Anzug entschieden hatte. Als er ihr Gesicht seit langer Zeit wieder erblicken durfte, nachdem er von dem Kampf gegen Herb zurück gekehrt war und ihr endlich wieder als Mann gegenüber stehen konnte. Und auch als er sie in der Höhle mit seinem Körper warm gehalten hatte. Aber jene Momente waren zugleich stets gekoppelt mit irgendwelchen tragischen, beschämenden oder schmerzhaften Ereignissen. Und so zog er es vor, sie zu verdrängen und sich nicht mehr an sie zu erinnern. Zweifellos waren es schöne Momente; jedoch nicht von Dauer und wahrscheinlich auch nicht dafür bestimmt, lange anzuhalten. Doch nun in diesem Augenblick, da er sie beobachtete, wie sie vor dem Fernseher saß, sich das Band ansah, dessen Existenz er bereits vergessen hatte, nachdem der Tag, an dem es gedreht worden war, sich dem Ende geneigt hatte, als er ihre Tränen bemerkte und ihre Schluchzer hörte, da meinte er zum ersten Mal, nicht bloß einen winzigen Ausschnitt aus ihrem so tiefen und vielschichtigen Charakter offenbart zu bekommen, sondern zum ersten und vielleicht auch das einzige Mal in seinem ganzen Leben ihr gesamtes, wunderschönes, gebrechliches Wesen in voller Pracht hell aufleuchten zu sehen. Eigentlich hätte es ihn melancholisch stimmen müssen, diese Seite von ihr bei einer Begegnung wie dieser kennen zu lernen und darüber hinaus auf unerklärliche Weise zu verstehen, was der Grund ihrer Tränen war. Aber nun, da er sie so sah wie sie war, da er sie beobachtete, wie sie weinte, verstand, warum sie weinte, sich daran erinnerte, wie Tofu und Kasumi sich noch am selben Abend gegenüber gestanden hatten und einander anlächelten, mischte sich zu dem Schmerz, den er jedes Mal empfand, wenn er Akane weinen sah, noch ein anderes, fast vergessenes Gefühl: Er war glücklich. Glücklich auf eine Art, die er vor langer Zeit schon einmal zu kennen geglaubt hatte. Glücklich nicht allein zu sein. Als er dies erkannte, lehnte er seinen Kopf erschöpft gegen den Türrahmen und flüsterte seine Worte so leise, dass sie Akane nicht erreichen konnten.
 

"Weine nicht... Akane..."

...
 

*Wein nicht mehr, kleines Mädchen*
 

---
 

Hoffentlich gefällt es euch noch und wird nicht zu schnulzig... oder sogar langweilig. Tut mir leid, ich fürchte, das ist nicht so ganz mein Genre. Ranma verhält sich etwas seltsam, aber ich hoffe, das mittels meiner Erklärungen etwas aufdecken und / oder 'entschuldigen' zu können. ^^

Sturm und Drang

I reach for her hand

It's always there
 

***
 

"Ranma, warum starrst du mich so an?"
 

Verträumt blickte er noch einen Moment mit dem Kinn in seine Hand gestützt zu seiner Verlobten hinüber, ehe er hoch schreckte und den roten Schleier auf ihren Wangen erkannte. "Oh! Ich... ich..." Panik überkam ihn. Was mochte sie jetzt wohl von ihm denken? Eilig kramte er in seinem Kopf nach einer guten Ausrede und zog es sogar für den Bruchteil einer Sekunde in Erwägung, ihr die Wahrheit zu sagen: Er hatte festgestellt wie damenhaft sie doch war, wenn sie ein mal kurz vergaß, sich unnahbar und kalt zu geben. Doch wie so oft endete sein Versuch, das richtige zu sagen im genauen Gegenteil. "Ich habe mich nur gefragt, ob du schon wieder zugenommen hast."
 

Diesmal hatte sie tatsächlich für einen Moment gezögert, ehe sie sich gewaltsam für seine Sticheleien rächte. Etwas unentschlossen schlug sie ihm ihren Pantoffel auf den Kopf. "Autsch! Ich meine... Heute keinen Hammer zur Hand?"
 

"Doch", bemerkte sie überraschend ruhig. "Die kleine Gnade hast du bekommen, weil du mich diesmal zur Abwechslung in einem sehr sanften Ton beleidigt hast. Das war so unheimlich, dass mir der Schock noch immer lähmend in den Muskeln sitzt." Lachend streckte sie ihre Zunge raus und sprang vom Frühstückstisch auf, um sich ihre Schultasche zu schnappen.
 

Baff blieb Ranma mit weit aufgerissenen Augen zurück. Sie hatte recht! Seine Stimme hätte eigentlich etwas bösartiger klingen müssen. Wenn schon beleidigen, dann aber wenigstens richtig. Warum hatte er sie heute früh nicht unter Kontrolle? Irritiert schaute er zu seinem Vater hinüber. Dieser nickte langsam. Sein Blick verriet nichts Gutes.
 

"Ich glaube, du solltest wieder auf Trainingsreise gehen. Vielleicht werden dir dann deine weibischen Angewohnheiten ausgetrieben." Seine Brillengläser funkelten hell auf. "Wir wollen schließlich alle Hindernisse, die sich vor eurer Verlobung auftun, aus dem Weg räumen." Ein herzhaftes Lachen folgte auf die eisige Kälte, mit der Genma soeben den Raum gefüllt hatte. Ranma schluckte und stolperte Akane hinterher. Auf dem ganzen Weg zur Schule hatte er sie keines Blickes mehr gewürdigt. Er war einfach nur stumm auf dem Zaun neben ihr hergerannt. Ein Teil von ihm wollte sie weiter ansehen, wollte wieder diese Seite an ihr entdecken, die er gestern heimlich und unbemerkt gefunden hatte. Letztlich gewann jedoch jener Teil in ihm den inneren Kampf um sein Handeln, der nur ein einziges Ziel vor Augen hatte: Der weltbeste Martial Artist zu werden. Martial Artists zeigen keine Schwäche, Martial Artist denken nicht über das Leben nach oder machen sich darüber Sorgen. Zähneknirschend beschleunigte er sein Tempo mit jedem Schritt, sodass Akane Probleme hatte, mit ihm mitzuhalten. Doch das bemerkte er erst später. Solang er sich bewegte, solang er einfach geradeaus lief war alles gut. Doch sobald er sich für eine Richtung zu entscheiden hatte, kam er ins Stocken und die Probleme nahmen überhand. So rannte er einfach immer schneller, um vielleicht ein paar dieser bösen Gedanken hinter sich zu lassen und wie jeden Morgen in bequemer Lässigkeit das Schultor zu durchqueren. Und tatsächlich zeigte seine Strategie allmählich Wirkung, indem er sich auf halber Strecke bereits ein wenig erleichtert und befreit fühlte.
 

***
 

Gelangweilt gähnte Ranma, als der Lehrer den strohblonden Austauschschüler aus Deutschland zu sich nach vorne an seinen Pult rief.
 

"Also Martin, diese Stunde wird allein dir zur Verfügung stehen", erklärte er dem leicht unbeholfen wirkenden Schüler. Dann wandte er sich zur Klasse und ermahnte diese in einem weitaus strengeren Ton: "Ihr werdet alle aufmerksam sein Referat mitverfolgen. Wer Unsinn macht, darf die nächsten zwei Wochen Reinigungsdienst übernehmen!"
 

Mit einer winkenden Geste signalisierte er Martin sodann, zu beginnen.
 

"Also..." setzte er schüchtern an und räusperte sich. "Ich werde euch heute ein Gedicht von Friedrich Gottlieb Klopstock ins Japanische übersetzen. Der Titel lautet 'Das Rosenband' - es ist in meinem Heimatland sehr bekannt." Noch einmal räusperte er sich und nahm einen Schluck aus dem ihm bereit gestellten Glas Wasser.

"Im Frühlingsschatten fand ich sie;

Da band ich sie mit Rosenbändern:

Sie fühlt' es nicht, und schlummerte.
 

Ich sah sie an; mein Leben hing

Mit diesem Blick an ihrem Leben:

Ich fühlt' es wohl, und wußt' es nicht.
 

Doch lispelt' ich ihr sprachlos zu,

Und rauschte mit den Rosenbändern:

Da wachte sie vom Schlummer auf.
 

Sie sah mich an; ihr Leben hing

Mit diesem Blick an meinem Leben,

Und um uns ward's Elysium."

Mit halbem Interesse lauschten die Schüler seinen Worten. Während Martin sich im Anschluss an die Interpretation und die historische Einbettung machte, hatte Ranma schon längst weggehört. Ihm geisterte eine ganz andere Frage durch den Kopf.
 

"Was zum Teufel soll denn 'Elysiung' sein??" rief er laut heraus und ärgerte sich, dass dieser Streber von Austauschschüler Worte beherrschte, die ihm selbst bis dato vollkommen unbekannt waren.
 

"Elysium...", gab Martin verständnisvoll wieder und lächelte sanft. "Damit wird der Augenblick des vollkommenen Glücks bezeichnet." Er machte eine kurze Pause. "Das Gedicht stammt aus der Epoche der Aufklärung. Zu jener Zeit lernten die Menschen, insbesondere die Künstler, ihre Gedanken ganz offen wiederzugeben, sie ihrer Umwelt zu vermitteln und betont die Liebe an der Natur darzustellen."
 

Ranma stutzte. Dies war ausnahmsweise mal eine halbwegs interessante Unterrichtsstunde. "Liebe an der Natur darstellen - wie soll das denn gehen?" lautete seine aufmerksame Frage, als er für einen Moment seinen Mund von dem Bleistiftende befreite, auf welchem er schon die gesamte Unterrichtsstunde gekaut hatte.
 

"Nun ja... Liebe, Natur und der Widerstand gegen den allgemeinen Rationalismus waren für die Künstler der Aufklärung eben ein Ganzes, das allein nicht bestehen könnte. Zwei der bedeutendsten Gegenströmungen jener Zeit waren der Pietismus und die Vorromantik, an welche Klopstock nicht zuletzt wegen seines stetigen Bezugs auf das Überirdische eigentlich eher anknüpft, da er seine Werke sehr gefühlsbetont verfasste. Jene eigenwilligen Kunstrichtungen behielten es sich zum Ziel, das Subjektive stärker zu betonen als es die Aufklärer taten. Die Dichter, deren Absicht es war, der Aufklärung entgegen zu wirken hielten sich zwar trotz dessen teils an das aufklärerische Gedankengut, weswegen Klopstock sich wohl auch in diese Sparte einfügen lässt, doch durch die feine Abstufung von jener nannten sie ihre Bewegung unter anderem auch 'Empfindsamkeit'; sie widmeten sich eher den emotionalen Aspekten. So wurde ein Liebespaar auf einem Gemälde zum Beispiel gerne in freier Natur gemalt, während Dichter bevorzugt Blumen, Tiere oder ähnliches aus ihrer Umwelt als Metaphern für ihre Emotionen genutzt haben. Sie arbeiteten auch gerne mit Farben. Rot, Gold - alles, was sehr ausdrucksstark war und vor allem Sinnlichkeit darstellte."
 

Vor Schreck fiel Ranma der Stift aus dem Mund. Farben, Natur, Gefühle... Das kam ihm doch alles sehr bekannt vor. Waren also letztlich die Farben, welche er vor nicht allzu langer Zeit von dem Berggipfel aus bestaunt hatte, der Grund für sein unglaublich stark aufgeschwungenes Gemüt als er hoch oben stand und sich dem Himmel so nah, dem Leben so mächtig fühlte? Er konnte Martin zunächst nicht so recht folgen als dieser von der Sache mit den 'Gegenströmungen' erzählt hatte, aber den Rest, meinte er, ganz gut verstanden zu haben. Und einer Sache war er sich ganz sicher: Dieser Klopstock schien echt einiges auf dem Kasten gehabt zu haben.
 

Gefühle, Natur und das Überirdische. Drei Elemente, die sich nur zu einem verschmolzen wirkungskräftig zeigen. Das Überirdische. So wie... Engel?
 

***
 

Der Schulgong ertönte und entließ die Schüler der Furinkan in die Mittagspause. Lachend stürmten die Jungen und Mädchen aus dem Klassenzimmer, um es sich an diesem sonnigen Tag auf der Wiese des Schulhofs gemütlich zu machen oder sich am Schulkiosk ein Yakisoba-Brötchen zu kaufen; denn die waren am heißesten begehrt und trugen tagtäglich dazu bei, dass die in Harmonie lebenden Schulkameraden zu unerbittlichen Gegnern am Verkaufsstand mutierten. Nur einem blieb es an besagtem Tag verwehrt, sich der Schlacht zu stellen, noch konnte er seinen Körper genüsslich in der Sonne räkeln.
 

"Hey du. Hast du mal eine Minute Zeit?" Mit einem Finger, den er ihm von hinten in den Kragen seiner Schuluniform hakte, hielt Ranma den blonden Austauschschüler davon ab, zur Tür hinauszuspazieren.
 

"Ähhh.... Was ist denn?" fragte Martin leicht verunsichert zurück.
 

"Ich würde gerne etwas mit dir besprechen, wenn's dich nicht stört. Wegen deines... du weißt schon, deines Auftritts von eben." Lässig lehnte Ranma gegen die Wand und schlug erst nachdem er seinen Satz beendet hatte die Lider hoch, um seinem Gegenüber in die Augen zu blicken. Dieser begann allmählich zu zittern, während sein Gesicht von schwacher Bliche befallen wurde.
 

"A-also..." stotterte er verängstigt zurück. "Wenn ich etwas gesagt haben sollte, das dich beleidigt hat oder so, dann tut es mir sehr leid. Aber weißt du, ich bin kein Kampfsportler. Ich habe Asthma, kann also nicht mal den Schulsport mitmachen und--"
 

"Wovon zum Teufel redest du?" Mit nicht geringer Verwunderung fiel Ranma ihm ins Wort und ließ seinen Kragen los. "Ich hab' nicht vor, mich mit dir zu schlagen."
 

"Nicht?" fragte Martin mit großen Augen zurück. Die Erleichterung in ihm machte sich deutlich bemerkbar.
 

Stirnrunzelnd schüttelte Ranma seinen Kopf. "Warum sollte ich?" fragte er schließlich schulterzerzuckend zurück. "Ich schlag' mich nur mit ernstzunehmenden Gegnern. Nichts gegen dich. Was ich eigentlich wollte war, dass... naja..... dass du mir etwas mehr von diesem Elysium oder wie das heißt erzählst. Du weißt schon, der Kram mit den Farben und der Natur und so."
 

Martins Gesicht erhellte sich nun vollends. "Ahhh! Du interessierst dich also für die Epoche der Aufklärung! Hätte ich dir gar nicht zugetraut..."
 

"Was?!"
 

"Nichts!! Ich... ich meine, wenn dich der Bezug zur Natur in der Poesie interessiert, kann ich dir verraten, dass es da noch eine andere sehr interessante Epoche gab. Die... wie heißt das Wort auf Japanisch noch mal...??" Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe und starrte geistesabwesend an die Decke. Plötzlich hob er mit leuchtenden Augen seinen Zeigefinger. "Ich hab's: 'Sturm und Drang'! Genau, so hieß sie."
 

"Sturm und Drang", wiederholte Ranma langsam. "Das klingt ja fast wie... eine Kampftechnik. Kannst du mir darüber mehr erzählen?"
 

"Ich bin zutiefst erfreut, dass du so viel Interesse zeigst. Gerne will ich dir darum mehr über dieses meiner Lieblingsthemen beibringen."
 

Ranma rollte genervt mit den Augen und winkte ihm müde zu. "Alles klar, alles klar. Aber lass dann bitte dieses geschwollene Gerede sein."
 

Schluckend straffte Martin seine Schultern. "Klar. Wie wär's wenn wir das draußen weiter besprechen?"
 

"Nichts dagegen einzuwenden", antwortete Ranma heiter.
 

***
 

Hungrig biss Martin in sein Yakisoba-Brötchen und schloss genüsslich seine Augen als er den ersten Bissen hinunterschluckte. "Mmm... lecker schmeckt das. Wegen des ständigen großen Gedrängels am Schulkiosk kam ich noch nie dazu, es zu probieren. Danke noch mal!"
 

"Kein Problem", gab Ranma unberührt zurück. "Eine Hand wäscht die andere. Also dann los."
 

Eifrig nickte der blonde Junge und zog aus seiner Tasche ein Buch hervor. "Also? Wo fangen wir an?"
 

Ranma konnte sich nicht helfen und musste lachen als er dem ausländischen Schüler ins Gesicht schaute - der Mund nicht nur von einem breiten Lächeln, sondern auch von vielen Brotkrümeln umspielt. "Wie wär's mit dem Anfang?" Sie tauschten muntere Blicke aus. "Erzähl mir doch mehr über die Sache mit dem Sturm und Drang."
 

***
 

Ranma hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Der Schulhof war heute noch belebter als sonst. Grund dafür war das anstehende Schulfest, auf das bereits emsig hingearbeitet wurde. Daher hatten sich die Schüler nach der Mittagspause nicht mehr in den Klassenräumen wiederzufinden, sondern rannten hektisch über das Grundstück der Schule zwecks Aufbauarbeiten, Übermittlungen von Planänderungen an die einzelnen Teamleiter oder Stichkontrollen über gute Arbeit, vorrangig jedoch aufgrund des Übungsdurchgangs des Unterhaltungsprogramms, an dem sich der Großteil der Schüler beteiligte. Martin hatte sich längst von ihm verabschiedet, da er als erster Flötenspieler bei den Orchesterproben nicht fehlen durfte. Er selbst wusste sich keiner Aufgabe zu verschreiben. Wenn es denn keinen guten Kampf mit würdigen Gegnern gegeben hatte, was hätte er da schon großartig anstellen können? Ein starker Kämpfer zu sein, brachte zwar immer wieder Vorteile mit sich, wirkte sich aber in Situationen wie dieser als recht nutzlos aus. Daher zog er es vor, sich so lange den azurblauen Himmel anzusehen, bis jemand auf seine fehlende Anwesenheit aufmerksam wurde. Komplett der Schule fernbleiben wollte er schließlich nicht. Das hätte nur unnötigen Stress, unter anderem mit leicht reizbaren und nicht minder gefährlichen Englischlehrerinnen, gegeben. Still und unauffällig hatte er es sich auf einem Ast bequem gemacht und ging tief in sich. Mit dem ganzen Poesie-Geschwätz hatte er noch nie sonderlich viel anfangen können. Aber aus Martins Mund klang alles sehr logisch und teilweise sogar geradezu faszinierend. Ganz besonders hatten es ihm die Erzählungen um die Zeit der Stürmer und Dränger angetan. Diese sahen in ihrer Kunst, so klärte Martin ihn auf, eine Vereinigung von der Vernunft, dem Gefühl und der Natur, ähnlich einiger Irrwege der Aufklärung. Nur, dass sich in diesem Fall eine stärkere Tendenz zur Utopie abzeichnete. Freiheit und Selbstverwirklichung des Individuums galten als Leitmotiv dieser kurzen, aber dafür umso ausdrucksstärkeren Epoche. Nachdenklich schaute er auf seinen Arm. Die Wunde, die er sich am Vorabend zugefügt hatte, war bereits vollständig verheilt, doch die Erinnerung lag ihm noch immer beängstigend im Mark. Dunkel meinte er sich zu erinnern, dass ein Lehrer ein mal von Leuten erzählt hat, die sich absichtlich selbst verletzen, um sich damit von ihrer Unzufriedenheit mit dem Leben abzulenken, indem sie die Schmerzpunkte auf eine andere Stelle fixieren. Hatte er das getan? War der Grund für seinen kurzzeitigen Aussetzer gewesen, dass ihm schlicht und einfach das Glück in seinem Leben fehlte? Seiner Erziehung gemäß hatte er sich stets bemüht, einzig und allein die Kampfkunst als Lebensmotiv zu haben und sich dementsprechend von keinen Schwächen übermannen zu lassen. Konnte es also sein, dass er durch seine verbissenen Versuche, es seinem Vater recht zu machen, gar nicht bemerkt hatte, wie labil er in Wirklichkeit war? Eigentlich hatte er immer geglaubt, sehr stark zu sein; körperlich wie auch psychisch. Bei genauerer Überlegung begann dieses Bild jedoch zu bröckeln, wenn er seine nervlichen Zusammenbrüche Revue passieren ließ, die allesamt von verlorenen Kämpfen ausgingen.
 

Seufzend erinnerte er sich an seine Empfindungen als er in der vergangenen Nacht Akane weinen gesehen hatte. Würde sie sich ein solches Filmmaterial ansehen, wenn ihr die Erinnerung daran unangenehm oder der Mensch mit dem sie dort zu sehen war, unsympathisch war? Ranma hatte es gespürt: Egal wie sehr sie sich so oft dagegen wehrte, sie mochte ihn. Das Gefühl einer Person so wichtig zu sein, dass sie in einer gemeinsamen Erinnerung mit ihm schwelgend zu weinen beginnt, hatte für ihn eine ungeahnt große Bedeutung gewonnen. Es war nicht einfach nur das Gefühl jemandem etwas zu bedeuten, sondern dieser einen Person. Konzentriert blickte er auf ihre gemeinsame Geschichte zurück und sah schöne wie auch sehr unschöne Bilder vor sich, wobei letzteres deutlich überwog. Sie schlug ihn, beschimpfte ihn, grenzte ihn vom ersten Tag an aus. Dann jedoch zwischendurch erkannte er immer wieder ein winziges Lächeln auf ihrem Gesicht und weg war die Wut. Leider nur so lange bis es zum nächsten Streit gekommen war. Verwirrung befiel seinen Kopf. War es also so, dass in einem Machoweib ein liebenswertes Wesen schlummerte oder wartete eher das Biest in einem auf den ersten Blick unschuldigen Mädchen auf sein Erwachen? Fest stand, Akane besaß die eine und die andere Seite. Fest stand, sie konnte ihn rasend machen, sodass er vor Wut kochte und sich vollkommen vergaß. Fest stand, sie konnte ihn dann und wann aber auch glücklich machen. So wie gestern. Fest stand, auch wenn die Streitereien quantitativ deutlich vorne lagen, überwogen sie jedoch nicht an Bedeutung in ihrer Beziehung zueinander im Gesamtanblick. Sie nervte ihn oft, sie machte ihn wütend und beschuldigte ihn zu Unrecht für alles erdenkliche. Aber dennoch konnte er nicht mit reinem Gewissen sagen, dass er sie nicht mochte. Als er alle Fakten sorgsam gesammelt hatte, überlegte er sich wie die Stürmer und Dränger jenes Problem gelöst hätten. Er konnte ja schlecht ein Gedicht schreiben. Dazu war er nicht... wie sagt man? ... 'kultiviert' genug. Viel mehr musste er sich in das Prinzip eines Gedichts hineinversetzen. Mittels der Natur hatte er vor Kurzem schon einmal zu fast vergessenen Glücksgefühlen gefunden. Ebenso als er das wahre Wesen von Akane erblickte und natürlich auch als er sie in den Armen hielt. Wieder war letzteres auszuschließen. Sie hätte es nur falsch verstanden, wenn er sie plötzlich mit Zärtlichkeiten überschüttet hätte. Oder noch schlimmer: Sie hätte es richtig verstanden. Darum entschied er sich vorerst, sie einfach besser kennen zu lernen, mehr von dieser Seite zu sehen, die ihre Sanftheit und Verletzlichkeit wiederspiegelte. Mithilfe von Martins leicht verständlichen Erklärungen hatte er sich endlich wieder ein neues Ziel setzen können, sah nach langer Zeit wieder einen interessanten Kampf: Er wollte sich Akane nähern und mehr Zeit mit ihr verbringen, um wieder zu jenem undefinierbaren Etwas zu gelangen. Auf dem Gebiet der Faustkämpfe verstand er sich ja bereits bestens. Aber dies hier war härter, schwieriger, komplizierter. Erstmals wurde etwas herausgefordert, was er nie auch nur in Erwägung zog zu trainieren: Gefühlsoffenbarung.
 

Geduldig hatte Martin ihm des weiteren erzählt, dass der erste Schritt, den die Stürmer und Dränger, wie auch die Aufklärer auf dem Weg dazu taten, im inneren Gleichgewicht bestand. In anderen Worten konnte es mit der Gefühlsoffenbarung nur dann funktionieren, wenn man sich seiner Gefühle eindeutig bewusst wurde und nicht länger gegen sie ankämpfte. Dazu gehörte auch das sich Aufbäumen gegen den Absolutismus. Betrachtete er nun also seinen Vater als Gegner und sich selbst als Element des Sturm und Drangs, dann war alles, was er zu tun hatte, all seine bisherigen Gewohnheiten im Umgang mit seinen in diesem Plan bedeutenden Mitmenschen, gemäß der Sturm-und-Drang-Schule der Martial-Arts-Gefühlsoffenbarungs komplett umzukrempeln.
 

Ein zuversichtliches Lächeln platzierte sich auf seinem Gesicht als er sich selbst zunickte. Gerne hätte er seine Pläne weiter ausgearbeitet, doch plötzlich holte ihn eine Stimme unsanft aus seinen Gedanken in die Gegenwart zurück.
 

"Ranma Saotome, du unartiger Junge! Komm da sofort runter und beteilige dich wie alle anderen an den Vorbereitungen für das Schulfest!"
 

Zu sagen, dass Hinako-senseis plötzliche Präsenz ihm unangenehm war, wäre deutlich untertrieben gewesen. Nur in knapper Not hatte er sich auf dem Ast halten können, nachdem er das kleine Mädchen erblickt hatte, welches bereits drohend eine 50 Yen Münze zückte.
 

Sich den Nacken kratzend sprang Ranma vom Baum herunter. "Tut mir leid, aber ich fürchte, ich kann mich nicht wirklich beteiligen. Ich spiel' kein Instrument oder so und wenn irgendjemand mich zwingt, etwas auf einer Bühne zu tanzen, dann--"
 

Genüsslich und laut gähnte die kleine Lehrerin und schaute dann überrascht zu ihm auf. "Oh. Wolltest du noch etwas sagen? Naja, ist ja nicht so wichtig. Dann beteilige dich gefälligst wenigstens an den Aufbauarbeiten, statt hier einfach nur herumzulungern. Andere packen schließlich auch mit an."
 

"Aufbauarbeiten..." Gleichgültig zuckte Ranma mit den Schultern. "Ich denke, das werde ich hinbekommen."
 

"Schön zu sehen, dass du auch mal ein braver, gehorsamer Schüler sein kannst", gab Hinako daraufhin mit glänzenden Augen zurück und fand sich ganz in ihrer Rolle als missionierende Lehrerin wieder. "Schade nur", fügte sie im Anschluss langsam hinzu. "dass du dich nicht genauso wie Akane Tendo beteiligen kannst. Sie ist wirklich eine große Bereicherung für uns alle." Munter lächelte sie ihm zu. Ranma öffnete perplex seinen Mund, um weiter nachzuhaken, doch noch ehe er den ersten Ton herausgebracht hatte, war sie bereits verschwunden. Die Organisatoren des Süßigkeiten-Standes hätten wirklich etwas vorsichtiger sein müssen.
 

***
 

Die Arbeiten, die er zugeteilt bekommen hatte, waren monoton und alles andere als aufregend gewesen. Körperliche Ertüchtigung hätte man das Schrauben und Drehen nun wirklich nicht nennen können. Und während zwei oder gleich mehrere Schüler sich schwitzend und stöhnend mit dem Transport eines Tisches abquälten, trug Ranma ohne sonderliche Anstrengung einen ganz alleine. War das langweilig. Statt in der öden dunklen Turnhalle herumzusitzen, wäre er viel lieber wieder hinausgegangen. Ihm wäre schon irgendeine Beschäftigung eingefallen bei einem schönen Wetter wie diesem.
 

Genervt vor sich hingrummelnd drehte er gerade eine Schraube in eine Schiene des Reisbällchenstands als wie aus dem Nichts auf einmal wunderschöne Klänge an sein Ohr drangen. Das Kichern und Lachen der Mädchen, die mehr Unsinn als Sinn ins Mikrophon sprachen, hatte er bewusst überhört. Auch zog es nicht weiter seine Aufmerksamkeit auf sich als Akanes Name erwähnt wurde, woraufhin kurz ihre Stimme in kichernden Protesten ertönte. Schließlich verstummten die Lacher jedoch, was Ranma ebenso wenig interessierte, wie der ganze vorherige Heckmeck. Doch jene Klänge, die nun sanft durch die kleinen aufgestellten Lautsprecher drangen, paralysierten ihn für wenige Momente, bis er sich schließlich von seine Starre lösen konnte und sich neugierig herumwandte. Mit geweiteten Augen und offenem Mund sah er Akane leicht verkrampft auf einer provisorischen Bühne aus alten Tischplatten stehen. Schüchtern umfasste sie das Mikrophon mit beiden Händen und sang zaghaft hinein. Er konnte nicht verstehen, was genau sie gesungen hatte, da der Liedtext auf Englisch war. Hinako-sensei wäre vor Freude in die Luft gesprungen, wenn seine Englischkenntnisse Fortschritte aufgezeigt hätten, doch seine Einstellung zum schnöden Pauken blieb mit Ausnahme von Martins knapper Exkursion bislang konstant. Dies änderte jedoch nichts daran, dass die Klänge, die melodisch und glockenklar aus ihrem Mund ertönten, sein Herz sanft berührten, so als zündete jemand ein kleines Lichtlein darin an. Ihre Stimme war nicht sonderlich kräftig, erreichte aber dennoch sehr hohe Töne in leichten, gänsehauteinflößenden Vibrationen. Nach und nach füllte sich die Halle mit einer wohligen Wärme. Ruhe kehrte ein, als schließlich auch der letzte Schüler von seinem Werkzeug abließ, um dem zauberhaften Gesang zu lauschen. Von weitem konnte man die Röte in ihrem Gesicht deutlich erkennen, als sie ihr zunehmendes Publikum bemerkte, doch trotz dessen festigte sich ihre Haltung und die Töne glitten mit jedem Takt fließender und klarer von ihren Lippen. Aus den hohen Fenstern, die in der Wand lagen, fielen vergnügt helle Sonnenstrahlen hinein und ließen Akanes Erscheinung aufleuchten. Geschmeidig umspielte sie das von hinten an sie herandringende Licht und wirkte wie ein Heiligenschein.
 

Ranma schaute sie bewundernd an, offen und ehrlich wie er sie noch nie zuvor in aller Öffentlichkeit angesehen hatte. Wann hatte sie überhaupt gelernt, so zu singen? Oder hatte sie es schon immer gekonnt? Erst jetzt fiel ihm auf, dass er sie noch nie singen gehört hatte. Umso hypnotischer wirkten jene wohligen, weichen Töne in diesem Augenblick. Ihre Stimme zog ihn in ihren Bann und ließ es nicht zu, weiterhin zu verbergen, was in ihm schlummerte. Und da war es wieder. Das Gefühl, das ihn überkam als sie ihm lächelnd unter dem Schirm Platz gemacht hatte, das Zusammenspiel von Sehnsucht und Glück als er sie in der vergangenen Nacht hatte weinen sehen, die Erkenntnis, dass sie das Licht anzog und ihm scheinbar ihre eigene Energie wiedergab. Ihre Stimme floss in seinen Geist wie ein zartes Versprechen. Eines, das ihm sagte, sie werde immer da sein, sie sei es immer gewesen und wenn es jemanden auf der Welt gibt, der es schafft, diese innere Leere und das Gefühl der Sinnlosigkeit von ihm zu nehmen, jemanden, dem er diese Seite von sich zeigen kann, ohne Angst haben zu müssen, dass etwas Schlimmes darauf folgt... dann sei sie es. Denn eigentlich hatte er dies bereits gespürt, als er das erste Mal in ihre Augen sah.
 

Lächelnd schloss er seine Augen, um eins mit jener warmen Empfindung zu werden.
 

***

...

Du erinnerst dich...
 

Wer bist du?

~Das weißt du...

...

~Du warst noch ein Kind.

~Doch erst durch sie lerntest du es.
 

Was lernte ich?

~Was es heißt, Kind zu sein.
 

Wie lehrte sie es mich?

~In dem sie dich einen Teil ihrer farbenfrohen Welt werden ließ.
 

Wer war sie?

~Ein Engel...
 

***
 

"Akane..."
 

"Huh?" Überrascht drehte sie sich zu ihm um. Ihr erster Blick fiel aus Gewohnheit über die linke Schulter hinweg auf den Zaun, neben dem sie hergelaufen war. Als sie diesen leer vorfand, bemerkte sie erst, dass sie bereits ein paar Schritte weitergegangen war, während er hinter ihr stehen geblieben war. Hinter ihr, nicht neben ihr wie sonst. Mit ihrer Schultasche in der einen Hand und dem Liedtext, den sie gerade in Gedanken auswendig lernte, in der anderen, wirbelte sie herum. Ihre Stimme zog sich von Verwunderung bis hin zu vorsichtiger Sorge. "Was ist los?"
 

Ernst schaute Ranma einfach geradeaus, durch den erhobenen Blick vortäuschend, eine Stärke zu besitzen, zu der er in Wirklichkeit gerade nicht finden konnte. Mit unlesbarer Miene rieb er seine Zähne fest aufeinander, sodass ein leises Knirschen zu vernehmen war und nicht unbedingt rettend der recht misslichen Situation beitrug. Doch dies sollte nicht sein Hauptproblem sein. Mit rasendem Herzen bemühte er sich, all seinen Mut zusammen zu nehmen und sagte schließlich in einem trotzigen Ton: "Ich will noch nicht nachhause gehen." Ihre großen, fragenden Augen forderten ihn auf, weiter zu sprechen. Als sich ihre Blicke für einen Moment trafen, konnte er seine würdevolle Pose nicht mehr lange beibehalten und sein glühendes Gesicht sank zu Boden, um ein paar Grashalme am Wegrand näher zu inspizieren. "Ich... ich... naja.... du weißt schon." Verstohlen schielte er kurz zu ihr hinauf. Sie lächelte? Gut. Sie lächelte. Sehr gut! "Ich...... also, ich habe mich gefragt, ob du vielleicht Lust hast............ auf den Jahrmarkt zu gehen......?"
 

"Mit dir?" fragte sie misstrauisch zurück und zog ihre Augenbrauen hoch. Wortlos nickte er. "Ehm.... Und ich nehme an, ich soll wieder als Begleitung dienen, nicht wahr? Meine Güte, du bist schlimmer als ein kleines Baby. Na gut. Ausnahmsweise mal. Aber wo kriegen wir jetzt..." Kopfschüttelnd drehte sie sich nach allen Seiten um und entdeckte bald einen Wasserhahn an der Grundstücksmauer von Ikeda-san, einer netten alten Dame, die ebenfalls eine treue Patientin von Doktor Tofu war. "Na komm schon her", seufzte sie genervt als sie den angeschlossenen Gartenschlauch aufhob. Ranma sah sie in einer Mischung aus Verwirrung und Entsetzen an.
 

"Wa-was hast du vor?" stotterte er hilflos.
 

"Na... Willst du nicht lieber als Mädchen hingehen?"
 

"WAS??"
 

"Mach mir nichts vor, Ranma. So lange du nicht am Trainieren bist, ist es dir doch immer egal, ob du dich verwandelst. Naja, egal vielleicht nicht. Regen verabscheust du immer noch wie die Pest, ganz gleich wo du bist und was du gerade tust. Aber du verwandelst dich ja oft genug aus freien Stücken." Gleichgültig zuckte sie mit den Schultern. "Dein Appetit ist eben meistens größer als dein Stolz."
 

"Bist du jetzt fertig?!" schrie Ranma sie an, fasste sich aber schnell wieder. "Ich hab' nie vorgehabt, mich zu verwandeln. Eigentlich... e-eigentlich würde ich viel lieber als Mann mit dir... ähm... mit dir auf den Jahrmarkt gehen." Japsend zuckte er zusammen. Nicht weil sie ihn verbal oder nonverbal während des sich anbahnenden Gefechts angriff, sondern weil sie nun übers ganze Gesicht strahlte. Mit ineinander gefalteten Händen und großen glitzernden Augen schaute sie ihn erwartungsvoll an.
 

"Ist das wirklich wahr, Ranma?"
 

"Ähm.... also.... ja... sonst hätte ich ja nicht gefragt. Also......" Puh! War das anstrengend. Was war denn auf einmal in sie gefahren? Ein kleines Wörtchen und sie flippt völlig aus. War das noch normal? Er hatte sie schließlich nur gefragt, ob sie mit ihm auf einen Jahrmarkt gehen würde. Mehr nicht. Oder verstand sie es etwa als Einladung zum Rende-vouz?? Schon wieder machten sich diese fürchterlichen, aufdringlichen Schmetterlinge in seinem Bauch breit. Ängstlich schluckte er den dicken Klos in seinem Hals hinunter. Warum schaute sie ihn noch immer so an? Erwartete sie, dass er etwas hinzufügte? Man, hatte sie ein schönes Lächeln, wenn sie es nur hin und wieder mal zuließ. "Ich... ich..." stotterte Ranma in seiner Verzweiflung. "Ich hab' nur keinen Bock, allein hinzugehen. Das ist alles. A-alleine essen... das wirkt doch armselig."
 

Kichernd legte sie den Kopf schräg. "Manche Dinge ändern sich einfach nie."
 

***
 

Ranma dankte wie so oft in dieser Woche den Göttern. Diesmal war der Grund jener, dass der Jahrmarkt, welchen er zusammen mit Akane besuchen wollte, nicht allzu weit entfernt von ihrer Schule aufgebaut war. Eine Zugfahrt hätte ihn an diesem Tag wahnsinnig gemacht. Schlimm genug, dass ihn urplötzlich die seltsamsten Gedanken übermannten. Darüber hinaus auch noch Akane an der Seite zu haben, raubte ihm alle paar Minuten aufs Neue die Sinne und drängte sich unaufhaltsam zwischen seinen Stimmbändern und seinem sonst so tüchtigen Gehirn. Und wieder einmal schafften es schnelle, gleitende, luftdurchschneidende und erquickende Bewegungen seinen Geist für eine Weile frei zu machen und ihn etwas aufzulockern. Was hatte er eigentlich zu befürchten? Akane wusste nichts von seinem Plan. Und solang er sich ihr gegenüber wie immer verhielt, vielleicht auch etwas netter als sonst, würde alles glatt gehen. Davon abgesehen hatte er fürs Erste ohnehin nichts weiter geplant, als etwas mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Aber allein schon dieser Gedanke bewegte etwas in ihm. Vielleicht waren es auch die Ereignisse der vergangenen Tage, die dieses Gefühl in seinem Bauch verstärkten. Er wusste es nicht. Alles, was er mit Sicherheit behaupten konnte war, dass er sich wieder nach einem Augenblick wie letzte Nacht sehnte. Er wollte Akane ein weiteres Mal ansehen und diese Gewissheit spüren, dieses Gefühl haben, dass sie seinem Leben einen Sinn geben kann und ihn als Mensch, nicht nur als Martial Artist schätzte.... oder sogar... mochte.
 

Seltsamerweise, so meinte er, hatte auch sie sich an diesem Tag etwas anders als sonst verhalten. Vielleicht, weil er sich in kleinen Schritten bemüht hatte, ihre Beziehung zueinander auf andere Art und Weise zu erforschen und ihr mit ungewohnter Nettigkeit gegenüber trat. Vielleicht, weil sie es doch als Rende-vouz ansah und sich ein solches insgeheim immer gewünscht hatte. Dies war zwar äußerst unwahrscheinlich, doch nach dem, was sich in der vergangenen Nacht vor seinen Augen abgespielt hatte, sollte ihn nichts mehr überraschen. Das Prinzip war also ganz einfach. Wahrscheinlich zu einfach, sodass er in der Vergangenheit den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen hatte oder schlichtweg nicht sehen wollte: War er nett zu ihr, war sie es auch zu ihm. So simpel und doch so schwierig... manchmal.
 

Wortlos liefen sie nebeneinander über den belebten Platz, an dem sich Schießbuden, Essensstände und lustige Unterhaltungsshows tummelten. Die Musik der vielen verschiedenen Bühnen, die dort aufgestellt waren, vermischte sich in seinen Ohren zu einem unangenehmen Lärm, doch gleichzeitig war Ranma auch dankbar über die hohe Lautstärke auf dem Marktplatz. Sein Herz trommelte so laut, dass sich alle nach ihm umgedreht hätten, wenn er in ruhigerer Atmosphäre gewesen wäre. Hin und wieder wagte er es, aus dem Augenwinkel einen kurzen verstohlenen Blick auf Akane zu werfen und wunderte sich jedes Mal aufs Neue, weshalb er sich ihr gegenüber nicht einfach so neutral wie immer geben konnte. Es war schließlich nicht so, dass sie alleine wären oder er überstürzt mit irgendetwas Falschem herausgebrochen wäre. Lediglich dieser miese Gedanke in seinem Hinterkopf, welcher ihn an die Geschehnisse um das Videoband erinnerte, ließ ihn nicht los. Und wann immer er all seinen Mut bündeln konnte, um kurz zu ihr hinauf zu schielen, erblickte er zwar das genaue Gegenteil von dem, was ihn letztlich dazu veranlasste, sich auf diesen gemeinsamen Nachmittag einzulassen, doch es war nicht minder schön anzusehen. Bei jeder bunten Laterne, die ihr Auge erhaschte, bei jeder noch so unspektakulären 'Attraktion' für die verrückt gekleidete Moderatoren auf kitschig dekorierten Bühnen warben, bei jedem Teddybären, der vorne an einer Schießbude ausgestellt war leuchteten ihre Augen in schier unbändiger Freude auf.
 

"Schade...", sagte sie plötzlich in leichter Enttäuschung und brach damit die lang angehaltene Stille zwischen ihnen beiden.
 

"Was ist los?" fragte Ranma so gelassen es ihm möglich war.
 

"Ich komme mir etwas fehl am Platze vor."
 

Er entspannte etwas und kräuselte die Stirn. "Ich verstehe nicht, was du meinst."
 

"Schau dich doch mal um." Mit einer Geste deutete sie auf alle sie passierenden Menschen. "Wir hätten uns vielleicht erst zuhause umziehen sollen, ehe wir hierher gekommen wären. Ich hätte so gerne meinen Yukata angezogen."
 

Schon wieder schaffte sie es, ihn zu überraschen. Da behauptete sie also immerzu, sich über Äußerlichkeiten keine Gedanken zu machen und dann das. "Das macht doch nichts", gab er unverständlich in einem Kopfschütteln zurück. "Du siehst auch so g-- Ich meine...... Es geht schon." Sich selbst innerlich rügend presste er seine Lippen zusammen. Glücklicherweise hakte sie nicht weiter nach und nahm seine unvollständige Aussage bloß mit einem dankenden, warmen Lächeln entgegen. "Ich hab' mich ja schließlich auch nicht umgezogen." sprach er hastig weiter, um die Situation zu entschärfen. "Also... warum solltest du dich dann unbedingt... du weißt schon.... umziehen?"
 

"Ich weiß nicht...", gab sie wenige Sekunden später schließlich Antwort auf seine Frage. "Vielleicht... vielleicht ist es manchmal einfach besser, sich auf die ein oder andere Veränderung einzulassen, statt immerzu nur im selben Trott zu schwimmen." Ein weiteres Lächeln strahlte ihm entgegen. Sein Gesicht war wie versteinert. Er wusste ganz genau, dass sie sich auf nichts weiter als ihre Kleidung bezogen hatte, doch für ihn bedeuteten ihre Worte und ihr Lächeln in diesem Moment so viel mehr. Wenn er... es nun einfach zulassen würde? Der Grund für seine stetige Nervosität, wann immer sie sich näher kamen, war vielleicht nur der, dass er noch immer nicht mit sich selbst ins Reine gekommen war; mit sich selbst und seinen Gefühlen ihr gegenüber. Dabei war es doch genau das, was die Künstler des Sturm und Drangs taten, um sich für ihre Werke inspirieren zu lassen - sie lernten zu ihren Empfindungen zu stehen. Auf einmal erschien ihm alles längst nicht mehr so kompliziert. Hier waren nur er und sie; abgesehen von den vielen fremden Menschen. Es war niemand darunter, der sich störend in ihre Beziehung eingemischt hätte. Und so konnte er es einfach genießen, mit ihr zusammen zu sein, anstatt vor lauter Sorge, etwas Falsches zu sagen oder zu tun, fast einzugehen. Als er nur wenige Stunden zuvor auf dem Ast liegend über sein weiteres Vorgehen nachgedacht hatte, glaubte er, endlich ehrlich mit sich selbst geworden zu sein. Aber in Wahrheit kam er diesem Ziel nur ein winziges Stück näher. In Wahrheit nämlich umgab ihre unsichtbare Bindung zueinander noch so viel mehr.
 

"Oh schau mal. Ein Karussell!" rief sie plötzlich in heller Begeisterung.
 

"Was?" fragte Ranma leicht dümmlich mit angehobenen Augenbrauen zurück. Doch da war Akane ihm schon einige Schritte voraus und eilte auf das bunte Fahrgeschäft zu, auf welchem sich hauptsächlich Pferdemodelle an goldgestrichenen, geriffelten Stangen in lustigen Wellenbewegungen im Kreis drehten.
 

~ Akane... bitte bleib stehen. Ich möchte dein Gesicht sehen. Ich möchte wieder diesen Zauber sehen, diesen Schein. In dir steckt eine so kindliche Seele. Du bist so rein und unschuldig. Wie konnte ich mich durch das, was du hinter deinem harten Auftreten zu verbergen versuchst, nur jemals so täuschen lassen? Wie konnte ich mich täuschen lassen wollen? Was wahr ist, sehe ich nun: Dein klares Lachen, das Funkeln in deinen aufgeregten Augen, deine unglaublich große, unerschöpfliche Gier nach Leben... Akane... Ich möchte wieder glücklich sein. Zeig mir wie es geht. Bitte... ~
 

Sehnsüchtig hielt er das zarte Band seines Blickes zu seiner Verlobten fest. Fröhlich suchte sie mit einer Hand an einer der Halterungen, die an den Karussellpferden angebracht waren ihr Gleichgewicht. Mit der anderen strich sie sich kichernd ein paar Strähnen, die der leichte Fahrtwind sanft in ihr Gesicht geweht hatte, aus der Stirn.
 

Ranma beobachtete sie direkt von dem benachbarten Karussellpferd aus. Er hatte nicht mal darüber nachgedacht, wo er sich befand, nachdem Akane ihn einfach hinter sich her- und mit hinauf auf das Karussell gezogen hatte. In seinem Kopf drehte sich plötzlich alles, sodass er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. In diesem Augenblick gab es keine Scham darüber, sich wie ein kleines Kind auf einem Jahrmarkt zu amüsieren. Es existierte nicht die Scham, dass er sich wohl fühlte, da wo er gerade war. Das leichte Auf und Ab der wippenden Pferde verursachte eine leichte Übelkeit in ihm. Die vielen Stimmen, die heitere Kindermusik, die von der buntbemalten Karusselldecke her drang, der süße Duft nach gebrannten Mandeln und Zuckerwatte, Akanes Lachen, die vielen Farben, der frische Wind,... alles vermischte sich, geriet in einen riesigen Strudel und wurde in hektischen, verwirrenden Bewegungen darin verschluckt. Facetten eines schönen Tages, eines fast perfekten Augenblicks blieben. Oder war er sogar perfekt? War dies das sogenannte Elysium? Nein... Nicht wirklich. Es gab so vieles, was er ihr sagen wollte als sie beide so da saßen; sie auf einem rosabemalten, er auf einem grünen Karussellpferd. Aber er tat es nicht.
 

*Gefühlsoffenbarung*
 

Hätte er denn das vollkommene Glück finden können ohne diese notwendige Maßnahme? Wahrscheinlich eher nicht. Aber für ihn war dieser Augenblick nichtsdestotrotz kostbar. Verwirrt ließ er seinen Blick von Akane ab und betrachtete seine zu einem riesigen bunten Farblecks verschmolzene Umwelt mit großem Staunen. Er schluckte. Der Wind streichelte ihn so sanft an diesem Abend. Langsam schloss er seine Augen. Ja... dieser Augenblick war kostbar. Denn auch wenn er Akane nicht mehr anschauen konnte, wusste er doch noch immer, dass sie da war. Er hörte ihre mädchenhafte, weiche Stimme, die in einem munteren Lachen erklang, er spürte ihre Anwesenheit, ihre Freude, ihr Lebensgefühl. Und all das reichte für den Augenblick aus, um ein wenig von ihrem Glück auf ihn zu übertragen. Seine Augen hielt er verschlossen. Ganz langsam, aber dennoch sicher führte er seine Hand zu ihr hin. Seine unsichtbare Hand, seine geistige. Und dann schließlich griff er nach ihrer. Physisch hatte er sie nicht berührt. Es waren ihre Auren, die sich in jenem magischen Moment zärtlich umarmten.
 

"Nie wieder" flüsterte er in den Wind. In seinen Lidfalten fühlte er die frische Luft heranwehen und seine unerkannten Tränen trockneten noch ehe sie seine Augen verlassen konnten. "Nie wieder will ich dich loslassen."
 

Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Und obwohl er seine Augen noch immer verschlossen hatte, spürte er den selben Ausdruck auf ihrem Gesicht entstehen, als ihr Lachen zaghaft verschwand.
 

~ Ich habe es gespürt, als ich dich in der Höhle gehalten habe und du meinen Halt erwidert hast. Ich habe es gespürt als ich dich mit einem anderen Mann alleine wusste und dein Kichern hörte. Ich spüre es jetzt. Ganz deutlich.
 

..................... Ich liebe dich........... ~
 


 

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Danke an alle lieben Leser, die es bis hier hin geschafft haben. ^^ Dieser Teil ist leider viel länger geworden, als ich es eigentlich geplant hatte. Zudem kann es gut möglich sein, dass der ein oder andere Übergang etwas schief in der Geschichte heraushängt. Aber da ich ja versprochen habe, spätestens heute zu posten, blieb mir nicht mehr die Zeit, alle Fehler auszumerzen. Oder anders gesagt: Ich habe mir dieses Kapitel kein einziges Mal komplett durchgelesen. *trief* Hoffentlich ging es trotzdem noch so einigermaßen. Kussi!
 

~Chiyo-chan

Zwei Seelen und ein Wunsch

Eines Vorweg. Einen Großteil dieses Kapitels habe ich bereits vor einiger Zeit geschrieben. Aber leider ist mein PC kaputt gegangen und alle Daten gingen verloren. Ich fürchte, als ich dies alles beim zweiten Mal niederschreiben musste, konnte ich irgendwie nicht mehr so viel Herz mit einbringen. Gomen. Und es tut mir übrigens auch leid, dass das hier so ewig lang geworden ist. ~_~
 

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Zwei Seelen und ein Wunsch


 

How long does it last

Can love be measured by the hours in a day

I have no answers now

But this much I can say

I know I need her till the stars all burn away


 

***
 

Ranma erwachte früh. Früher als sonst. Vielleicht lag es daran, dass etwas anderes ebenfalls nicht so wie sonst war. Er fühlte sich erfüllt. Die Erinnerungen des vergangenen Abends rauschten durch seinen Kopf wie ein bunter Vogel, der seine weiten Schwingen galant zum Fliegen ausbreitet. Gewiss war jenes Geschöpf von edler Natur, doch trotzdem verspielt und fröhlich und quicklebendig. Mit seinen weichen Federn malte er ein Lächeln auf Ranmas Gesicht, als er ihn an die neugewonnene Erkenntnis erinnerte. Nun wusste er es ganz sicher: Er liebte Akane. Sich streckend schloss er seine Augen für einen weiteren kurzen Moment und genoss das Gefühl, seinen Platz auf der Welt zu kennen. Schwungvoll und strahlend, heller als der vergnügte Sonnenschein dieses gar zauberhaften Morgens öffnete er die Tür seines Zimmers, um auf den Flur hinauszutreten. Und da war sie - Akane; immer noch im Schlafanzug. Ein seltener Anblick, war sie doch stets bereits fertig angekleidet, wenn er sich gerade schwer und meist noch im Halbschlaf von seinem Futon erhob. Wahrlich süß sah sie aus als sie sich müde die Augen rieb und die Schäfchen, die auf den Stoff ihres Ärmels gestickt waren bei ihren Bewegungen auf und ab hüpften. Einen langen Moment blieb sie ebenso stumm wie er selbst war vor ihm stehen und blickte ihn verschlafen an. Sie blinzelte. Auf einmal schreckte sie ein wenig zurück und fragte mit großen Augen: "Ist irgendwas passiert? Warum bist du schon so früh auf??" Nervös versuchte sie mit den Fingern ihr vom Schlaf zerzaustes Haar etwas zu glätten. Vergeblich, was sie jedoch auf unbeschreibliche Art noch süßer aussehen ließ. Aufgeweckt öffnete Ranma seinen Mund, um zu sprechen, doch es wollte kein einziger verflixter Ton seiner Kehle entweichen. Erschrocken suchten seine Augen den Boden. In wilden, verrückten Kreisen zuckten seine Pupillen von einem Winkel seiner Augen zum anderen, ehe er plötzlich wieder einen Schritt zurück tat und sich zu einem Lächeln zwang, das wahrscheinlich aber viel mehr wie ein dümmliches Grinsen ausgesehen haben muss, als er langsam die Tür wieder zuschob. Wie dicke Hagelklumpen fühlten sich die Schweißperlen auf seiner Stirn an, als sie in eisiger Langsamkeit hinabrannen. Stöhnend schlug er seinen Kopf an die Tür. Das war jetzt ganz sicher alles andere als schlau gewesen. Was sollte sie nun von ihm halten? Einige Sekunden verharrte er so, ehe eine schreckliche Vision ihn zusammenzucken ließ. Akane würde bestimmt wieder wütend werden, weil sie nach diesem zugegeben äußerst merkwürdigen Auftritt bloß wieder glauben würde, er habe etwas zu verbergen. Das Problem lag aber ganz woanders und dies wurde ihm soeben als er in ihre Augen gesehen hatte schmerzlich bewusst. Zwar wusste er, dass er Akane wollte, er wollte sie mehr als alles andere, alsbald kehrte jedoch ein weiteres Gefühl auf, das unglücklicherweise einen eher unschönen Kern in sich trug: Wie sollte er sich diesen einen Platz, den er doch so gerne besetzen wollte, sichern? Wie in Trance schlich er ins Bad, wusch sich, putzte sich die Zähne und schwebte anschließend gedankenverloren die Treppe hinunter.
 

***
 

"Warum rennen wir so? Heute sind wir doch gar nicht spät dran!!" Völlig außer Atem hechelte Akane die Worte aus sich heraus, doch da Ranma keine Antwort darauf geben konnte, tat er einfach so, als hätte er sie durch das laute Knartschen des rostigen Zauns, auf dem er lief, nicht gehört. Die Sache war unglaublich brenzlig geworden. Öffnete er seinen Mund, würden ohnehin nur wieder irgendwelche Beleidigungen herausfließen. So wie immer. Diese Sitte hatte sich eben zwischen ihnen beiden von Anfang an festgebrannt und dachte scheinbar gar nicht daran, sich dezent zurückzuziehen. Und nun die alles entscheidende Frage: Würde sich irgendein Mensch in einen Dummkopf verlieben, der es nicht ein einziges Mal schafft, auch nur eine winzige Nettigkeit an den Tag zu bringen? Die Antwort stand bereits fest, ehe er selbst sich diese Frage gestellt hatte. Zum Problem ließ sich nicht viel mehr sagen. Er schaffte es einfach nicht. Unmöglich schien es ihm, ihr einen Strauß roter Rosen zu schenken und sie anschließend schick zum Essen auszuführen; von kleinen finanziellen Schwierigkeiten ganz abgesehen. So war er einfach nicht und so wollte er gewiss auch nicht werden, um sie für sich zu gewinnen. Zumindest musste es nicht gleich so stark ins Extreme überschwanken. Davon abgesehen befürchtete er, etwas Falsches sagen oder tun zu können, das sie letzten Endes womöglich nur abschrecken würde, denn immerhin beschlich ihn da noch die leise Vermutung, dass sie ihn auch ein wenig mochte. Ob es denn Verliebtheit war, konnte er natürlich nicht ausmachen, zumal sie beide noch nie ein ernsthaftes Gespräch über dieses Thema geführt hatten und leider hatte er nicht die geringste Ahnung, wie er ein solches unauffällig anfangen sollte, ohne sich bis auf die Knochen zu blamieren. Ranma wusste, nach dem jetzigen Standpunkt führte nur ein einziger Weg zu ihr hin. Und dieser beinhaltete Martin als kurze Haltestelle. Keine Frage, er musste wieder mit ihm reden. Bestimmt wusste er wieder irgendetwas Schlaues, das er Ranma mit auf seinen holprigen Weg geben könnte. Mit ihm an der Seite würde er mit Sicherheit eine Lösung finden. Operation Sturm und Drang sollte in die zweite Runde eingehen. Doch was diesen Kampf anbetraf - und gewiss war dies des Wortes Kampf voll und ganz würdig - musste er leider zugeben, alleine nicht sehr weit zu kommen, da er sich nicht gerade auf viel Wissen stützen konnte.
 

***
 

Wie erwartet und erhofft war Martin bereits sehr früh in der Schule. Doch zu Ranmas Pech war dieser zu beschäftigt, um auf dessen hektische Fragen näher einzugehen und verabredete sich von daher wie bereits am Vortag mit ihm für die Mittagspause auf der Wiese des Schulhofs. Ungeduldig hatte Ranma auf ihn im Schatten eines großen, alten Baumes gewartet. Als sein Schulkamerad mit leichter Verspätung endlich eintraf, warf Ranma ihm das wohlverdiente Yakisoba-Brötchen hinüber und forderte schnellstmöglich zu beginnen, nachdem er sich in einen Schneidersitz fallen gelassen hatte. Zu lang war er während der an diesem Tag schier endlosen Unterrichtsstunden auf seinem Stuhl hin- und hergerutscht, so dringend war sein Bedürfnis, endlich Antworten auf seine Fragen zu erhalten.
 

"Einverstanden. Wie wäre es, wenn wir noch einmal das Gedicht besprechen, das ich im Unterricht vorgetragen habe?" Auf ein Nicken von Ranmas Seite, fuhr Martin fort. "Das Gedicht beginnt wie folgt:

Im Frühlingsschatten fand ich sie.

Da band ich sie mit Rosenbändern.

Sie fühlt' es nicht und schlummerte.

Alles so weit verstanden?" vergewisserte er sich vorsorglich.
 

Ranma dachte einen Augenblick nach. "Also da ist so ein Typ, der eine Frau findet und sie in ein Rosenband wickelt. Und sie wacht dadurch nicht mal auf? Klingt etwas komisch."
 

Martin kicherte. "Nein, nein. Du darfst nie vergessen, dass die Künstler, vor allem in dieser Epoche, sehr stark mit Metaphern - bildliche Sprache - und Symbolik arbeiteten!"
 

"Aha..." Ranma klang nicht wirklich so, als hätte er dies verstanden.
 

"Pass auf. Das Rosenband symbolisiert die Bindung zweier Liebender zueinander. Oder besser gesagt, in dieser Strophe noch die Liebe des lyrischen Ichs - das ist ein jener, den du gerade als 'so ein Typ' bezeichnet hast - zu einer Frau. Während sie schläft, ergo nichts von seiner stillen Sehnsucht zu ihr mitbekommt, beobachtet er sie und hüllt sie in seinen liebenden Blick."
 

Leicht verunsichert verzog Ranma das Gesicht und rollte die Augen zur Seite. "Also, das klingt immer noch irgendwie seltsam. Aber wenn ich dich richtig verstanden hab', starrt der Typ sie an und fühlt sich ihr allein schon dadurch ein Stück weit nah. Richtig?"
 

"Ja!" rief Martin aus. "Na bitte, du hast es doch erfasst. Vergnügt klatschte er in die Hände. "Weiter zur nächsten Strophe:

Ich sah sie an; mein Leben hing

Mit diesem Blick an ihrem Leben.

Ich fühlt' es wohl und wußt' es nicht.

Das dürfte jetzt recht einfach sein. Er vergeht vor Sehnsucht nach ihr und fühlt sich ihr allein durch seinen Blick nah. Jedoch findet diese Zuneigung lediglich auf seiner Gefühlsebene statt. In Worte fassen kann er es - steh's im Widerspruch zum erzählten Gedicht - nicht, da er jene Empfindung zwar verspürt, sich aber in seinem Kopf nicht ganz darüber im Klaren ist, WAS sie zu bedeuten hat."
 

"Ahhh...." gab Ranma verstanden von sich. "Hey, warum lachst du?"
 

"Ach... Es ist nur so... Ein wenig erinnert mich das lyrische Ich an dich. Du magst dieses Gedicht, nicht wahr?"
 

Etwas verlegen neigte Ranma seinen Kopf zur Seite ehe er mit den Schultern zuckte und zugab: "Es ist ganz in Ordnung."
 

"Siehst du? Aber beschreiben, warum du es 'ganz in Ordnung' findest, kannst du nicht, oder? Ich wette, dies ist nicht der einzige Fall in deinem Leben, in dem ein solches Beispiel zutreffend wäre." Dies verstand Ranma nur zu deutlich. Doch als seine Wangen schlagartig aufglühten, ergriff Martin glücklicherweise auch schon wieder das Wort. "Nächster Teil:

Doch lispelt' ich ihr sprachlos zu

Und rauschte mit den Rosenbändern.

Da wachte sie vom Schlummer auf.
 

Sie sah mich an; ihr Leben hing

Mit diesem Blick an meinem Leben.

Und um uns wards Elysium.

Möchtest du es nun mal probieren?"
 

Angestrengt überlegte Ranma und blies die Wangen auf, als er sein Kinn schwungvoll in seine Hand warf. Nach einer Weile sagte er schließlich: "Dieser Typ... das lyrische Ich... oder wie das heißt... überwindet sich dazu, ihr seine Gefühle mitzuteilen... vielleicht?" Unsicher hob er eine Augenbraue.
 

"SUUUPER!!" hocherfreut sprang Martin auf, bemerkte jedoch Ranmas erschrockenen Blick und setzte sich schnell wieder. "Ich meine, das war absolut richtig! Da er sich nicht länger zurückhalten kann, weckt er seine Geliebte auf, gleichzusetzen damit, dass er ihr die Augen bezüglich seiner Empfindungen ihr gegenüber öffnen möchte. Ich bin sehr stolz auf dich." Zufrieden lächelte nun auch Ranma. Martin sprach weiter. "In der letzten Strophe kehrt sich dann die Situation um. Sie schaut ihm in die Augen und die Abhängigkeit, Sehnsucht und Zuneigung macht sich nun in ihrem Blick bemerkbar. Sie erwidert seine Gefühle. Und als das lyrische Ich diese Erkenntnis aufnimmt, ist er von dem größten Glück erfüllt."
 

"Das Elysium..."
 

"Ganz richtig."
 

"Aber was ich nicht verstehe ist, woher das 'lyrische Ich' weiß, dass sie ihn auch liebt. Sie schaut doch nur zurück."
 

Martin räusperte sich. "Da darfst du nicht das Symbol des Rosenbandes vergessen. Das Rosenband steht nicht nur für seine Zuneigung ihr gegenüber, sondern auch für die unsichtbare Verbindung ihrer beiden Seelen. Sehr erfahren bin ich auf dem Gebiet selbst noch nicht", gestand er dann leicht verlegen, "aber ich glaube, zu einem solchen Gefühl, zu Emotionen von derart starkem Ausmaß, kann man nur dann gelangen, wenn man seinen Seelenverwandten gefunden hat. Und ich vermute, Klopstock, der Verfasser dieses Gedichts, wollte mit diesem Werk die Beziehung zweier Seelenverwandter zueinander darstellen."
 

"Seelenverwandte? Was soll das schon wieder sein? Wie können denn Seelen verwandt sein?" Herzhaft lachte Ranma, doch sein Gesprächspartner blieb ernst.
 

"Du weißt ehrlich nicht, was Seelenverwandtschaft bedeutet?"
 

Laut räuspernd setzte Ranma sich wieder gerade hin. "Na und? Was dagegen? Seelenverwandtschaft... So was geht doch gar nicht."
 

"Also mit diesem Begriff", fiel Martin ihm bestimmt, aber ruhig ins Wort, "meint man die Bindung zweier Menschen, die durch das Schicksal füreinander bestimmt sind und sich irgendwann im Leben auf jeden Fall finden werden. Es wird der Zustand bezeichnet, in dem es nicht nötig ist zu sprechen, weil sich jene zwei Menschen verständigen können, ohne sich einer für andere verständlichen Sprache zu bedienen."
 

Ranma stöhnte. "Man, das ist kompliziert. Wie um alles in der Welt soll man denn wissen, ob man seinem Seelenverwandten begegnet? Ist das so eine Art Telepathie, oder was?"
 

"Nein..." Mit leicht aufkommender Verzweiflung schüttelte Martin seinen Kopf. Doch plötzlich schoss ihm eine Idee in den Sinn. "Es ist eigentlich ganz einfach. Schließ deine Augen", befahl Martin.
 

"Was?", japste Ranma ein wenig erschrocken. "Was hast du vor?"
 

"Tu's einfach."
 

"Hier vor allen Leuten? Hör mal... du bist doch hoffentlich nicht--"
 

"Tu's einfach!" forderte Martin nochmals.
 

Leise vor sich hin fluchend gab Ranma nach und schloss, nachdem er sich vorsorglich vergewissert hatte, das niemand ihn beobachtete, etwas unentschlossen seine Augen. "Aber eines noch!" ermahnte er ihn streng, als er seine Lider plötzlich wieder hochschlug. "Wenn du auf dumme Gedanken kommen solltest, dann--"
 

"Schon gut. Ich habe ganz gewiss nicht vor, dich in irgendeiner Weise zu erzürnen. Vertrau mir einfach." Nachdem Ranma tatsächlich artig gehorcht hatte, fuhr Martin fort. "Stell dir einfach folgendes vor." Räuspernd machte er es sich etwas bequemer und begann sodann zu erzählen. "Wenn du die Straße entlang gehst und plötzlich jemanden bemerkst, der dir auf unbeschreibliche Art ins Auge fällt, indem er sich von allen anderen abhebt. Jemand, der für dich den Duft eines weiten Blumenfeldes versprüht und deine Sinne kaum etwas anderes mehr wahrnehmen lässt. Du näherst dich dieser Person, unwissend darüber, deiner Seelenverwandten so nahe zu sein. Eure Augen treffen sich... du siehst die Ewigkeit in den ihren. Du lächelst, sie lächelt zurück. Doch innerhalb eines Wimpernschlags ist sie auf einmal verschwunden... und du bist wieder allein. Aber du bist dennoch erfüllt von einem warmen Gefühl, das dir verrät, dass du, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, einen Engel gesehen hast. Du tröstest dich mit dem Gedanken und der Gewissheit, dass es doch himmlische Geschöpfe gibt, die auf der rauen Erdoberfläche daher schreiten... und dass dir eines Tages das unermessliche Glück zuteil werden wird, eines jener solchen Geschöpfe der Schönheit und Perfektion dein eigen nennen zu dürfen. Geistesabwesend setzt du deinen Weg fort. Aber jenes wunderbare Geschöpf hält dich fest, hat all deine Sinne gefesselt. Nicht länger willst du warten. Endlich willst du es wissen. Du drehst dich um und nur ein Gedanke treibt dich dazu an: Wenn sie sich jetzt auch nach mir umdreht, dann weiß ich es."
 

Gebannt lauschte Ranma der Erklärung des Austauschschülers. Als dieser jedoch mit einem leisen Seufzer abbrach, öffnete Ranma blinzelnd seine Augen und fragte ihn ungeduldig: "Und weiter? Was dann?"
 

"Das kommt ganz darauf an." In aller Ruhe biss er von seinem Yakisoba-Brot ab und kaute langsam und genüsslich, während sein aufmerksamer Zuhörer vor Spannung fast einging. "Also... Hast du wirklich nicht die geringste Ahnung?" fragte er schließlich zurück.
 

Ranma dachte nur wenige Sekunden nach, verzog dann sein Gesicht wie ein kleines Kind vor einem riesigen Teller Spinat und schüttelte schulterzuckend seinen Kopf.
 

Diesmal seufzte Martin laut, absichtlich laut, und rollte mit den Augen. "Das ist doch wirklich nicht zu fassen. Wenn sich jene Person ebenfalls zu dir umdreht, dann weißt du es! Dann weißt du, dass SIE und niemand anderes deine Seelenverwandte ist!"
 

Tief konzentriert kratzte sich Ranma mit dem Zeigefinger die Wange. Sein Gesicht wechselte binnen weniger Momente von Erkenntnis zu Ratlosigkeit, wieder zurück zur Erkenntnis, woraufhin sich nochmals diese lästige Ratlosigkeit breit machte und die bald darauf folgende Erkenntnis ein weiteres Mal von tiefer Ratlosigkeit verdrängt wurde.
 

"Geht es dir gut?" fragte Martin leicht eingeschüchtert durch Ranmas ziemlich imposantes Schauspiel.
 

Resigniert schüttelte dieser den Kopf. "Im Prinzip verstehe ich es ja. Und es klingt fantastisch! Aber... Weißt du, ich falle ständig überall auf. Du weißt ja... der Fluch. Davon abgesehen habe ich mehr Verlobte, als ich zählen kann. Und wenn die mir bloß hinterher schauen, wenn ich ihnen den Rücken kehre, anstatt mir wieder am Arm zu hängen, wäre das noch WENIG! .... was ist?"
 

Künstlich hustend richtete Martin sich ein Stück weit auf, vermutlich um etwas eindrucksvoller zu wirken, denn plötzlich sprach er in einem sehr lehrerhaften Ton weiter: "Ranma. Ist das dein Ernst? Glaubst du nicht, dass du ein paar kleine Denkfehler gemacht hast?"
 

Ranma schaute gen Himmel und kniff seine Augen zusammen. Nach einer Weile sagte er schließlich: "Nein... keine Denkfehler. So und nicht anders ist es nun mal."
 

"Ranma! Wir sprechen hier davon, was DU willst... Was DICH glücklich macht. BIST du denn glücklich, wenn eine deiner Verlobten sich dir an den Hals wirft?"
 

"Natürlich nicht!" antworteten Ranmas Reflexe schneller als er selbst es konnte und erst nach einem Moment fiel ihm die leichte Freude auf, endlich nach so langer Zeit von jemandem diese Frage gestellt zu bekommen. Sonst nahm ja offensichtlich jeder von Vornherein an, er würde sich in seinem ihm aufgedrängten Harem mehr als wohl fühlen. "Nein, ich hab' nie eine von ihnen gebeten, mir so nachzusteigen..."
 

"Na bitte. Da hast du deine Antwort. Wenn DU diesen unerklärlichen, doch umso stärkeren und dringenderen Wunsch verspürst, dass diese eine Person, und damit meine ich nur sie und keine andere, sich zu dir umdreht und dir ebenfalls hinterher sieht, DANN weißt du, es ist deine Seelenverwandte; nicht, wenn dir irgendjemand aus irgendwelchen Gründen seine Aufmerksamkeit schenkt. Und nur dann kannst du auch wahrhaftig von Glück sprechen."
 

Ranmas Gesichtszüge entspannten sich, als sein Blick zu Boden wanderte und er ein tonloses, kurzes Lachen ausstieß. "Elysium, heh?"
 

Martins Mund formte sich zu einem Lächeln. "So ungefähr."
 

"HA! HA! HA! Mein Sohn, was lungerst du hier so verschlafen auf der Wiese rum? Und wo ist deine Verlobte?"
 

Erschrocken sprang Ranma auf seine Füße. "Oyaji? Und Tendo-san... Was macht ihr hier?" Sein überraschter Blick wechselte von seinem Vater und dem von Akane, welcher in einem sehr merkwürdigen dunklen Gewand erschienen war.
 

Von hinten legte Martin ihm eine Hand auf die Schulter, nachdem auch er sich erhoben hatte, und sagte leise: "Ich glaube, sie sind hier, weil sie eingeladen wurden." Er trat vor ihn und lächelte. "Das Schulfest beginnt doch gleich."
 

"Schulfest? Das ist heute?!" fragte Ranma dümmlich zurück. "Kein Unterricht mehr?" Martin nickte. "Oh. OH! Gut!" Wie recht ihm dies doch kam. Bei all den wirren Gedanken, die ihm im Kopf umherschwirrten, hatte er gar nicht mehr daran gedacht, dass es an diesem Tag stattfinden würde. Und da das Frühlingsfest, welches sie hier feierten, anders als der Schulbasar, im Innern der Schulgebäudes stattfand, fiel ihm auch keine Dekoration oder ähnliches auf. Nun allerdings, da er der Angelegenheit mehr Aufmerksamkeit schenkte, erkannte er, dass sich mehr Menschen als sonst auf dem Schulgelände tummelten und dass außerdem aus der Turnhalle ein lautes Stimmgewirr bis zu ihnen herüber hallte. Dankend für die glückliche Fügung des Schicksals schnipste er laut und vergnügt. "Nix dagegen, heute nicht mehr pauken zu müssen. Heh heh."
 

Mit einem lachenden Kopfschütteln entfernten sich die beiden älteren Herren wieder, um nach eigener Aussage, einen seriösen Blick über das Geschehen zu werfen. Zwar wusste Ranma, dass sie nichts weiter wollten, als sich voll stopfen und dann ein kindisches Spiel nach dem anderen spielen, aber ihm fehlte die Lust, sich auch nur einen Augenblick länger mit ihnen zu befassen. So ließ er sie einfach gehen.
 

"So. Ich muss jetzt auch los. Unsere Folklore-AG ist bald mit dem Auftritt dran", erinnerte Martin ihn. "Aber wenn ich dir zum Schluss noch eine Frage stellen dürfte..."
 

"Schieß los", gab Ranma zurück.
 

"Wie kommt es, dass du dich plötzlich so stark für solche Dinge interessierst? Du warst doch früher nicht so, oder?"
 

"Ehhhm... Es ist nicht direkt so, dass ich mich für Poesie interessiere. Es ist einfach so... Also ich--" Er stockte. Plötzlich wurde eine Tür des linken Flügels vom Hauptgebäude aufgeschoben. Heraustraten einige Mädchen. Unter ihnen war Akane. Irgendetwas Undefinierbares an ihr schaffte es, dass Ranma abrupt aufhörte zu sprechen und sie stattdessen hemmungslos anstarrte. Am heutigen Tag sah sie ganz besonders hübsch aus. Aber vielleicht kam es ihm auch nur so vor, weil er sie nun mit ganz anderen Augen betrachtete. Und endlich getraute er sich, sie wieder anzusehen. Jetzt, da er weit genug von ihr entfernt stand, um sich nicht dafür rechtfertigen müssen, seinen Blick nicht von ihr zu lassen. Fast so wie dieser lyrische Dingsbums, der die schlafende Frau beobachtet. Sein Herz seufzte bei ihrem Anblick, als hätte er sie erstmals seit einer Ewigkeit wieder sehen dürfen. Aus der Ferne erkannte er ihre pfirsichglatte Haut, die in der milden Sonne samtig schimmerte. Für einen langen Augenblick vergaß er vollkommen, wovon er soeben gesprochen hatte, denn all jene Gedanken wurden von der Frage verdrängt, ob sie denn auch wie ein Pfirsich schmecke. Gewiss war es eine törichte Frage, die er selbst sich da stellte, doch sie überkam ihn schneller als er sie als solche realisierte. Aber es war wahr. Er wollte es wirklich wissen, auf einmal. Er wollte wissen, wie ihr Haar duftet, wollte wissen, wie es sich anfühlt, ihre Haut zu berühren, ihre Lippen. Sie war wie ein frischer Pfirsich, den er soeben von einem Baum gepflückt hatte. So schön, so appetitlich, so unberührt. Der Grund, weswegen es ihm am besten schmeckte, Obst direkt vom Baum zu naschen war, dass noch nie zuvor jemand jene Frucht, die er sich pflückte, berühren durfte. Dass nur er in den Genuss kam, sie in seinen Händen zu halten und anschließend zu kosten. Und nun, da er seine Verlobte ansah, sich vom seidigen Glanz ihrer Haare leicht blenden ließ, ihre elegante Robe bemerkte, in die man sie gekleidet hatte, da verspürten seine Lippen wie noch nie zuvor die Gier und Sehnsucht, die ihren zu treffen.
 

"Verstehe..." sprach Martin plötzlich leise aus, während er selbiges Bild fixierte, dass Ranma bereits mehrere Sekunden wortlos observierte. "Du also auch, ja?"
 

Erschrocken wandte Ranma sich zu ihm und erkannte, dass er ihn völlig vergessen hatte.
 

Der trübe Schleier eines Lächelns legte sich über Martins Lippen. "Ja... Eigentlich habe ich es von Anfang an gespürt. Ihr passt auch sehr gut zusammen."
 

"Hey... Alter. Was ist los?" Ranma beugte sich vor, um sein Gesicht zu erkennen. Dann jedoch schreckte er zurück. "Du willst doch nicht sagen, dass..... dass du...."
 

Martin atmete ein leises Lachen aus. Dann bemühte er sich sichtlich um ein Lächeln und drehte sein Gesicht zu Ranma. "Wer liebt sie nicht?"
 

"Waaaahh!!! Du... du... du bist in.... du...."
 

"Beruhige dich, Ranma." Beschwichtigend wank er ihm mit beiden Armen zu. "Es ist nicht so, wie du denkst. Ich liebe sie auf eine andere Art und Weise. Und außerdem... ist da noch ein anderes Mädchen. Akane wird für mich immer eine unerreichbare Schönheit bleiben, die ich aus der Ferne beobachte und an deren Existenz ich mich erfreuen kann. Aber verliebt bin ich... in eine andere."
 

Schluckend kratzte Ranma sich den Nacken und klopfte Martin dann den Rücken. "Na dann. Viel Glück. Packst das schon, ganz sicher." Warum fühlte es sich auf einmal so seltsam an, mit ihm zu reden?
 

"Ich weiß es nicht. Aber trotzdem... danke. Oh, jetzt muss ich aber wirklich los." Winkend verabschiedete er sich von Ranma und eilte auf eine kleine Menschentraube zu, die sich auf der rechten Seite des Schulhofs befand. Just in diesem Moment ertönte der Schulgong. Mit schnellen Schritten bemühte Ranma sich, rechtzeitig in die Turnhalle zu gelangen, denn soeben meinte er durch die Lautsprecher gehört zu haben, wie Akanes Name aufgerufen wurde. Das hatte zu bedeuten, dass sie nun wieder singen würde, was er sich um keinen Preis der Welt entgehen lassen wollte. Als er außer Atem das Tor der Turnhalle erreicht und sich durch die Menge hektisch durcheinander plappernder Leute, die allesamt wie ein überdimensional großer Ameisenhaufen wirkten, gekämpft hatte, erkannte er mit verzogenem Gesicht, dass Kuno es war, der ihren Auftritt angekündigt hatte und Akane bereits dabei war, daraufhin verlegen auf die Bühne zu treten. Noch weiter verzog sich sein Gesicht, als er beobachtete, wie der unnütze Oberschüler einen Blumenstrauß hervorzog und ihn ihr überreichte. Doch alles, was danach geschah, bekam er nur neben sich stehend mit. Es geschah wie in Zeitlupe. Er sah wie Kuno sie anlächelte. Klick. Er sah wie sie die Rosen verlegen entgegen nahm. Klick. Er sah, wie er sich noch ein Stück zu Akane hinüberbeugte. Klick. Er sah, wie sich ihre Augen weiteten und die prächtigen Blüten näher an sich heranzog. Klick. Er sah, wie er sie plötzlich küsste. Wie er sie küsste... Wie Kuno Akane küsste!
 

Wie möge sich ein Mensch fühlen, dem bei vollem Bewusstsein sein Herz herausgeschnitten wird? Was möge es für ein Gefühl sein, plötzlich ohne Herz zu sein, nachdem ein Fremder Störenfried, einem ein scharfes Skalpell in die Brust geschlitzt hatte, um sich seines Lebensspenders eigen zu machen? Noch nie wurde Ranma operiert. Aber dennoch kannte er jenes Gefühl in diesem Moment so gut, wie ein Mensch es nur kennen konnte. Es begann mit einem tiefen, beißenden Schmerz, der ihn innerlich zu zerreißen drohte. Langsam breitete sich jene bittere Empfindung in ihm aus, schlüpfte in seine Kehle, die sich drückend zuschnürte, kroch hinab in seine Beine, die sich für einen Sekundenbruchteil weich wie Pudding anfühlten und dann schließlich schoss sie wie ein starker Stromschlag hinauf in seinen Kopf. Bebend ballte er seine Hände zu Fäusten. "Dieser....... Mistkerl....." Seine Augen begannen zu glühen. Er hat Akane geküsst. Er hat sie GEKÜSST. Ihren ersten Kuss bekam sie von KUNO! Am ganzen Körper zitternd, stampfte er einen Schritt vorwärts. Dann einen weiteren. Und plötzlich rannte er. Rücksichtslos stieß er die Menschen beiseite, die ihm im Weg standen. Er hatte keinen Plan, was er tun wollte. Ihm fiel nichts Sinnvolles ein. Seine Beine trugen ihn einfach weiter, näher zu diesem Abschaum von Mensch, der es wagte, Akane zu küssen. "WAS TREIBT IHR DA?!?!" brüllte er außer sich, als er nur noch wenige Meter vor ihm stand und begann seine Faust zu schwingen. Und wieder geschah alles wie in Zeitlupe. Er sah Akane. Sie schluckte. Kunos erschrockenes Gesicht. Das Aufschreien einiger entsetzter Zuschauer, die seinen Ausbruch mit ansahen. Und dann schließlich seine Hand, die so kräftig aufschlug, wo es sie unkontrollierbar hingezogen hatte. Der Oberschüler ging zu Boden, ehe er sich in Kampfposition begeben konnte. Vor Schreck ließ Akane die Blumen fallen. Die tiefroten Blütenblätter segelten umher und wurden wie von dem kräftigen Seufzer eines Riesen über ihren Köpfen hinfort getragen. Keuchend und mit noch immer geballter Faust stand Ranma über seinen bewusstlos geschlagenen Feind, zitternd, wutentbrannt. Stille.
 

Und dann allmählich erst, begann er zu verstehen, wurde sich darüber bewusst, was er soeben getan hatte. Wortlos starrte er in die vielen fragenden Gesichter der unzähligen Menschen, die ihn beobachteten. "Ich..." begann er sich einfallslos zu entschuldigen. "Zeit für das Programm!" rief er plötzlich mit einer heiteren Stimme und hob animierend seine Arme, doch das Publikum, Akanes Publikum, schien sich noch nicht so recht aus seinem kleinen Schock lösen zu können. Eingeschüchtert ließ er seine Arme wieder neben sich sinken und drehte sich schuldbewusst zu Akane um. "Oh. Heh heh... Also, ich glaube, du wolltest jetzt ein Lied singen, oder? ............ A-Akane...? Geht's dir gut?"
 

"Ranma..........." knurrte sie und erstach ihn mit einem messerscharfen Blick. "Immer. Immer wieder. Warum musst du mir immer alles ruinieren? Warum heute?!"
 

"Akane. Hör zu, ich wollte nicht--" Noch ehe er aussprechen konnte, spürte er plötzlich einen dumpfen, festen Schlag auf seiner Stirn und plötzlich war es als pustete jemand das Lichtlein in der Nacht aus.
 

"Hey... Ich wollte doch...", hörte er wie aus weiter Ferne Hinako-sensei jammern.
 

Und es wurde dunkel. Stockdunkel.
 

***

...

~ Du erinnerst dich...
 

Wer bist du?

~ Das weißt du.

...

~ Obwohl ihr beide noch sehr jung ward, spürtet ihr es.
 

Was spürten wir?

~ Dass ihr für einander besteht. Ihr spürtet es in der Wärme, wie auch in der Wut.
 

Warum war ich wütend?

~ Weil du Angst hattest. Angst, man würde sie von dir nehmen

~ und du müsstest wieder alleine sein.
 

Wer war sie?

~ Ein Engel...


 

***
 

"Was zur--" Stöhnend rieb Ranma sich den Kopf und richtete sich schwer auf. Noch nicht ganz bei sich blickte er sich um. "Warum bin ich plötzlich zuhause?" Sein Blick glitt an sich selbst hinunter. "Und warum bin ich ein Mädchen?!"
 

"Wie schön, dass du endlich aufgewacht bist, Ranma. Möchtest du etwas heißes Wasser?" Mit einem freundlichen Lächeln betrat Kasumi das Teezimmer, in dem Ranma soeben erwacht war, um ihm eine dampfende Teekanne zu reichen.
 

"Danke..." murmelte Ranma und trat benommen einen Schritt auf die Veranda, um das warme Nass über sich zu gießen. "Brrr...." Schüttelnd warf er das Wasser von seinen Haaren und Kleidern, dann wandte er sich der ältesten Tendo-Schwester zu. "Wie bin ich hier hergekommen?" Erst jetzt bemerkte er, dass Kasumi scheinbar ein neues Kleid trug. Eigentlich nahm er solche Dinge nur sehr schwer wahr, aber in diesem Fall war es einfach ungewohnt, sie so zu sehen. Ihr Kleid war vom Kragen bis zum Rockzipfel dunkel. Noch nie, jedenfalls nicht so weit er sich erinnern konnte, hatte er die sonst so freundlich und hell erscheinende Kasumi in einem solch düsteren Aufzug gesehen. Misstrauisch kräuselte er die Stirn. "Und was ist hier eigentlich los?"
 

Sie kicherte leise. "Tut mir leid. Ich fürchte, Akane hat heute etwas zu fest zugeschlagen. Du warst ohnmächtig. Und weil dein armer Vater dich nachhause tragen musste und du ihm als Junge zu schwer warst, hatte er etwas kaltes Wasser über dich geschüttet."
 

"Tche. Das sieht ihm ähnlich." Schnaubend ließ er sich in einen Schneidersitz fallen. "Und was ist mit Akane?"
 

Mit einem sanften Kopfschütteln schwand Kasumis Lächeln. "Bitte verzeih mir Ranma. Es liegt mir fern, dich zu kritisieren, aber ich fürchte... diesmal bist du vielleicht ein klein wenig zu weit gegangen. Sie sollte doch heute eigentlich vorsingen, nicht wahr?"
 

Zu weit gegangen? Ranma war verwirrt. Schon so oft hatte er sich mit Kuno geschlagen. Er hatte ja keine Ahnung gehabt, wie wichtig Akane der Auftritt gewesen war. Sie hatte schließlich nie ein Sterbenswörtchen darüber verloren. Und davon abgesehen hätte sie noch immer auftreten können... nachdem er den Leib des ohnmächtigen Kendoisten beiseite geschafft hätte. Es war schließlich nicht so, dass er die Bühne zerschmettert hatte oder so. "Ich... Woher sollte ich denn wissen, wie viel es ihr bedeutet auf so einer Bühne zu stehen??"
 

"Das ist es nicht... Schau mal Ranma. Der heutige Tag ist... Also, Akane hätte es sich einfach verdient gehabt, wenn sie heute etwas Aufmerksamkeit und Lob erhalten hätte."
 

Erschrocken kippte Ranma hinten über und griff mit beiden Händen nach der Tischkante, um sich schwach daran hochzuziehen. Verstohlen schaute er über die matte Platte hinweg. "Sie hat doch nicht heute... Geburtstag, oder?"
 

Leicht seufzend sank ihr Gesicht, sodass er nicht mehr all ihre Züge deutlich erkennen konnte. Ihre feinen Mundwinkel erhoben sich zu einem sachten Lächeln. Aber warum wirkte sie trotzdem so traurig? "Nein, Ranma. Heute ist nicht ihr Geburtstag." Sie machte eine kurze Pause, als Ranma laut und erleichtert ausatmete. Mit einem ernsten Blick schaute sie ihm dann wieder in die Augen. "Heute ist der Todestag unserer Mutter."
 

***
 

Akanes Stirn war schweißnass. Der Schweiß rann ihr Gesicht hinab, ihre Arme und Fäuste. Ihr Atem war laut und stoßend. Doch sie hörte nicht auf zu trainieren. Wild schreiend, zerschmetterte sie einen Ziegelstein, sprang auf, zerfetzte eine Strohpuppe, trat unbestimmt die Luft, die sie umgab und zerschmetterte einen weiteren Ziegelstein, den sie während einer Kata, in sekundenschnelle zwischen zwei Bewegungsabläufen hastig positioniert hatte. Ihr Gi war so mitgenommen, dass die Naht an beiden Ärmeln aufgerissen war. Doch es störte sie nicht. Unaufhaltsam, schier unkontrollierbar und voller Energie trainierte sie weiter, schlug vor sich hin, immer kräftiger und schneller, trat, sprang in die Luft, drehte sich im Flug und dann.... erkannte sie ihn in der Tür stehend.
 

"Was willst du?" bellte sie ihn an.
 

Ruhig betrat er den Dojo. "Du bist ein Dummkopf", flüsterte er schließlich leise. Leicht schüttelte Ranma seinen Kopf, verständnislos darüber, dass sie ein Lächeln herausspielte, dass sie zur Schule ging und alles so tat wie sonst auch und es scheinbar nicht mal in Erwägung zog, sich ihm anzuvertrauen. "Warum? Warum hast du mir nichts gesagt? Warum hast du dir den ganzen Tag über nichts anmerken lassen?"
 

In ihren Augen brannte ein loderndes Feuer der Wut. Doch dahinter erkannte er ihre Verzweiflung. Er erkannte, dass sie verstand, wovon er sprach. "Weil es dich nichts angeht."
 

"Weil's mich nichts angeht... Heh. Du weißt, ich hab' mir nicht ausgesucht, dein Verlobter zu sein. Aber wir leben jetzt nun mal unter einem Dach. Wie leben zusammen. Natürlich geht's mich was an!"
 

"Kein Zwang!" gab sie trotzig und laut zurück. "Du musst dich nicht verpflichtet fühlen, mich aufzuheitern, nur weil du hier bei uns auf unsere Kosten lebst! Davon abgesehen geht es mir", mit voller Wucht zerschlug sie einen weiteren Ziegelstein, "fantastisch!"
 

"Machoweib!!" schrie er zurück, als er sich für den Augenblick nicht mehr fassen konnte und durch eine weitere Beleidigung seine Gefühle zum Ausdruck brachte. "Das war ein Versuch dich aufzuheitern."
 

Akane hielt ihre linke Hand noch immer zu einer Faust geballt, als sie ihre Rechte aus dem zersplitterten Stein zog und auch diese zu einer drohenden Faust ballte. Unwillkürlich begann sie zu zucken. "Ich-- habe dich nie-- darum GEBETEN!!" brüllte sie zurück und schlug hemmungslos nach ihm. Erschrocken sprang Ranma zurück und wich ihren Schlägen aus. Etwas war anders als sonst, wenn sie ihn angriff. Sie trat nicht nach ihm. Sie ging ohne jede Technik vor. Man, diesmal musste sie ECHT wütend gewesen sein, denn sie schien alles um sich herum zu vergessen und nur noch den Wunsch zu verspüren, all ihre negative Energie an ihm auszulassen.
 

"Hör auf!" rief er ihr irritiert zu. Warum bloß war sie auf einmal wieder so wütend? Hatte er denn nicht etwas Nettes zu ihr gesagt? Würde sie sich vielleicht besser fühlen, wenn er ihr einen Treffer gönnen würde? Der Gedanke lag ihm nicht gerade wohl im Magen. "Wem versuchst du eigentlich was vorzumachen?" fragte er sie in dem Versuch, ihre Aggressivität mittels eines Gespräches ein wenig herunterzuschrauben. Doch allem Anschein nach hatte sie kein Interesse ihm zuzuhören. Immer kräftiger schlug sie auf ihn ein, obwohl er jeden ihrer Schläge ohne große Anstrengung abwehren konnte, gab sie nicht auf. "Ich kauf' dir nicht ab, dass der Tod deiner Mutter dich so kalt lässt!" Mit diesen Worten griff er eine Faust, mit der sie ihn gerade schlagen wollte, dann die andere und hielt sie beide fest. Sie stockte. Es lag nicht daran, dass er sie festgehalten hatte, denn sein Griff lag sehr locker. Es muss damit zusammengehangen haben, was er gesagt hatte. Mit großen, wässrigen Augen schaute sie ihm ins Gesicht, ohne jeden Anstand sich aus seinem Halt zu befreien. Ernst blickte er zu ihr hinab. "Du musst nicht so tun als ob... Weine ruhig, wenn du weinen willst. Niemand verlangt von dir, dass du immerzu stark bist." Hilflos suchte er ihren Blickkontakt zu erhalten, doch ihre Augen sanken in seine Brusthöhe. Obwohl sie ihre Augenbrauen eng zusammengeschoben hatte, machte sich ein leichtes Zucken derer bemerkbar und zeitgleich begannen ihre Lippen zu zittern. "Akane... Weine ruhig", wiederholte er flüsternd.
 

"So...? Ist es das, was du willst?" begann sie in fröstelnder Ruhe zu sprechen, platze dann jedoch mit lautem Gebrüll heraus: "Willst du mich unbedingt weinen sehen??" Mit einem lauten Schrei riss sie sich von ihm los und stieß ihn dann von sich. "Gibt dir das eine Genugtuung?"
 

"Akane. Ich... ich..."
 

"Du... was? Du willst, dass ich schwach bin. Es reicht dir nicht, mich ständig zu ärgern, indem du schneller läufst oder stärker beim Armdrücken bist."
 

"Jetzt sei doch endlich mal still!" Entschlossen funkelten seine Augen sie an, während er wild herum gestikulierte, um jede einzelne Silbe mit einer schwungvollen Bewegung seiner Arme zu unterstreichen. "Dich unbedingt weinen sehen... Dich unbedingt weinen sehen! Darum geht es nicht, verdammt noch mal! ICH WÜRDE MICH EHER SELBST VERLETZEN ALS DICH WEINEN ZU SEHEN!! Verflucht, kapierst du das nicht?!"
 

"..."
 

"Ich... Ich mein' doch nur... Dir ist niemand böse, wenn du weinst. Niemand wird dich auslachen oder dich verspotten. Es ist ganz natürlich. Darum... wein' ruhig... wenn's dir dann besser geht. Wein laut... Das ist besser als.... heimlich und allein zu weinen..." Kopfschüttelnd seufzte er, als er ihr immer tiefer sinkendes Gesicht erkannte, und ließ die Arme kraftlos neben seinem Körper baumeln. "Hör mal... Ich bin nicht gut in so was. Trösten oder so, das ist einfach nicht mein Ding. Aber ich dachte einfach, du solltest wissen, dass es keine Schande ist... zu weinen und mal schwach zu sein. Natürlich ist es irgendwie besser, wenn du lächelst, aber... ich mag es nicht, wenn es nicht echt ist... und-- ......A-akane...?"
 

"Ranma......" Ihre Stimme war heiser und leise, so leise, dass er sie kaum hören konnte.
 

"Was...?"
 

Laut schluchzend hob sie plötzlich wieder ihr Gesicht an, sodass sich ihre Blicke trafen. Sodass er die Tränen in ihren Augen sehen konnte, die wie winzige Diamanten ihre Augen zierten und doch einen so schmerzhaften Anblick boten. "Ranma...." Ehe er sich versah, stolperte sie plötzlich auf ihn zu und klammerte sich fest an den Stoff seines Hemdes. Vollkommen überrumpelt taumelte er einen Schritt zurück, ehe er realisierte, dass sie weinend ihre Arme um ihn geschlungen hatte. Weinend... Sie weinte. Es war so schrecklich, sie so zu sehen. Wie jedes Mal. Doch wenigstens, so versuchte er sich selbst zu beruhigen, waren dies ihre ehrlichen Tränen. Es war besser, er würde für sie da sein, wenn sie offen weinte. So zu tun, als wüsste er nicht, dass sie innerlich vor Kummer zerging, war wohl das Dümmste, was er hätte tun können. Schmerz und Erleichterung darüber, dass sie sich ihm anvertraute, indem sie vor ihm ihre so verletzliche Seite ans Tageslicht kommen ließ, taten sich gleich stark, gleich mächtig in ihm auf. Aber er wollte nicht entscheiden, welches Gefühl das Richtige oder hier angebracht war. Denn nun gab es nur eines, was er tun konnte. Er musste sie trösten, sodass sie nicht bloß vor ihm verstummte, sondern er sich auch tatsächlich sicher werden konnte, dass sie nicht mehr traurig und verletzt war. Vorsichtig hielt er sie im Arm und strich ihr über den Rücken. "Es ist schon gut", flüsterte er. "Es ist in Ordnung, wenn du weinst." Gott, wie sehr wünschte er sich jetzt, er könnte ihr sagen, wie sehr er sie liebt. Aber er konnte nicht. Er konnte es einfach nicht.
 

***
 

Es war spät in der Nacht. Nachdem Kasumi sich ihrer kleinen Schwester angenommen hatte und sie mit frisch gebackenen Plätzchen aufzuheitern versuchte, war Ranma erschöpft hinauf in sein Bett gegangen. Er fühlte sich kaputt und ausgelaugt. Akanes Tränen taten ihm so weh, dass er sich all seiner Kräfte komplett beraubt gefühlt hatte. Aber trotz alledem war er einfach nicht müde genug, um endlich einzuschlafen. Neben ihm schnarchte der dicke Panda genüsslich im Schlaf. Ranma schaute seinen Vater an, beobachtete den Mann, dem er seine Existenz zu verdanken hatte. So oft hätte er ihn verfluchen können für alles, was er ihm angetan hatte. Dafür, dass er ein normales Dasein als Kind mit Freunden auf Spielplätzen aufgeben musste, um sein Leben dem Training zu verschreiben. Dafür, dass er ihn in eine Heirat zwang. Dafür, dass er seiner Mutter das Versprechen gab, aus ihm einen vollwertigen Mann zu machen und er nach einer weiteren dummen Idee - der, ihn nach Jusenkyo zu führen - um sein Leben fürchten musste. Aber im Moment verspürte er all diesen Zorn nicht. Hätte er all jenes nicht getan, dann würden sie, seine Eltern und er, jetzt als kleine Familie irgendwo ein ruhiges Leben führen, was an sich eigentlich ganz nett klingt. Zwar etwas langweilig, aber immerhin sicher. Doch wenn dem so wäre, dann wäre er niemals Akane begegnet. Dann würde er nicht im Tendo-Haus leben, wo er sich so zuhause fühlte, wie noch nirgendwo zuvor. Vor allem aber hätte er Akane dann nicht trösten können als sie weinte. Akane... Komisch war das. Als sie ihn vorhin im Dojo mit diesem seltsamen Blick angesehen hatte... da kam es ihm für einen Moment so vor, als sei er in Klopstocks Gedicht gehext worden. Er brauchte sie, das hatte er mittlerweile erkannt. Aber... brauchte sie ihn auch?
 

Schwer seufzend erhob er sich und stieg schlapp die Treppe hinab. Es war nach zwei Uhr in der Nacht und er erwartete nicht wirklich, jemanden im Untergeschoss vorzufinden. Doch plötzlich wurde er auf ein Rascheln aufmerksam, das aus der Küche drang. Akane? Sofort drangen sich ihm die Bilder in den Kopf, die sein Auge nur wenige Tage zuvor wahrgenommen hatte, als er ebenfalls nachts durch das Haus schlich. Vorsichtig tapste er sich vor. Sein Herz klopfte so fest als würde es darum betteln, aus seiner Brust herausspringen zu dürfen. Neugierig streckte er seinen Kopf durch die offene Küchentür. Das einzige Licht, das den Raum beleuchtete, drang aus dem offenen Kühlschrank, vor dem er hinter der Kühlschranktür nur hüftabwärts eine schmale Gestalt erkannte, die, so, als würde sie etwas suchen, hektisch Flaschen und Gläser aneinander klirrte. Dann schließlich, als sie scheinbar gefunden hatte, wonach sie suchte, schlug sie die Tür schwungvoll zu und schaute ihm direkt ins Gesicht.
 

"Ehhh ich..." stotterte Ranma leicht verlegen, erschrak dann jedoch, als er Nabikis schelmisches Grinsen erkannte. "Nabiki. Uff. Hallo." Er war so gefestigt in der Hoffnung, es würde Akane sein, dass er gar nicht mehr in Erwägung gezogen hatte, eventuell jemand anderen vorzufinden.
 

"Wenn du Akane suchst, sie ist ebenfalls noch wach."
 

"Wa-warum sollte ich das?" knurrte Ranma zurück und bemühte sich zu verbergen, wie richtig sie doch lag.
 

"Ganz einfach." Lässig lehnte sie ihren Körper gegen den Kühlschrank und schwang die fast leere Milchtüte in einer Hand. "Du hast mich mit einem Lächeln angeschaut und mit einem waaaahnsinnig enttäuschten Gesicht gegrüßt. Och wie süß." Ein belustigtes Lachen entfuhr ihr. Und noch ehe Ranma kontern konnte, sprach sie auch schon weiter. "Akane wäre dir wohl lieber gewesen, was?"
 

Zähneknirschend lehnte er sich vor. "Wieso sollte ich ausgerechnet dieser wilden Furie nachts begegnen wollen?!" gab er erbost zurück, meinte aber, dass sein rauer Ton bei ihr aus irgendeinem Grund keine Wirkung zeigte, da sie ihm nur müde zuwinkte und ihn perplex verstummen ließ.
 

"Jedenfalls, wenn du sie suchst, sie ist da drüben." Sie deutete auf den Verandaaufgang. "Ich würde ja zu gerne auf bleiben und sehen, was ihr zwei Ferkel so aus der Nacht macht, aber ich bin leider zu müde. Du musst auch gleich alles aus einem Tag raushauen, was?" Gähnend streckte sie sich, als sie ihn hinter sich ließ und sich die Treppe hinaufschleppte.
 

Ranma schluckte und verharrte einige Sekunden auf dem selben Fleck, ehe er vorsichtig zum Teezimmer hintrat, um sich davon zu überzeugen, dass Nabiki auch wirklich die Wahrheit gesagt hatte. Und tatsächlich. Da sah er sie. Die Kleidung hatte sie mittlerweile gewechselt. Anstelle des Karate-Gis trug sie nun ein luftiges orange-gelbes Sommerkleid, das mit kleinen türkisen Schiffchen und Wölkchen bedruckt war. Als eine leichte Briese aufwehte, wirbelte ihr Rock kurz auf und tanzte mit ihrem Haar um die Wette. Einerseits wirkte sie sehr kindlich, andererseits so graziös und edel wie eine große Dame. Definitiv war ihr Anblick von tiefer, reiner und purer Schönheit. Wieder spürte er die Verlegenheit in sich aufsteigen, weil er sie ein weiteres Mal mitten in der Nacht heimlich beobachtete.
 

"Ach, Ranma, eines noch."
 

"Ack! Nabiki?? Ich dachte, du bist bereits in dein Zimmer gegangen." Keuchend hielt er sich mit einer Hand die Brust, nachdem er einen Satz zurück gemacht hatte, strengte sich trotz dessen jedoch an, zu flüstern, um Akanes Aufmerksamkeit nicht auf sich zu ziehen. Schlimm genug, dass er sich jetzt höchstwahrscheinlich vor ihrer Schwester rechtfertigen musste. Diese lächelte jedoch nur schief und beugte sich ein wenig nach vorne, um ebenso leise zu antworten.
 

"Mir ist nur noch etwas eingefallen, das ich dir sagen wollte." Sein fragender Blick forderte sie auf fortzufahren. "Sei gut zu ihr. Sie hat es verdient." Damit machte sie ein zweites Mal kehrt und stieg die Treppe hinauf. Baff blieb Ranma zurück. War dies die Zeit der Veränderungen? Versuchte sie ihn nicht auszuquetschen? Machte sie sich nicht über ihn lustig als sie bemerkte, was er da getan hatte? Nicht mal die üblichen Erpressungsversuche fielen an. Kopfschüttelnd wollte er glauben, was sich soeben abgespielt hatte, doch dies war nicht so einfach, wie es klingen mag. Darum entschied er sich, einfach das zu tun, was er eigentlich viel sehnlicher wünschte. Er nahm einen tiefen Atemzug und ging schließlich zu Akane hinaus auf die Terrasse.
 

"So spät noch wach?"
 

"Oh. Du bist es." Überrascht drehte sie sich zu ihm um und lächelte ihm kurz zu, ehe sie sich wieder ihrer Beschäftigung widmete. "Ja, weißt du, Sayuri hat die ganze Woche von nichts anderem als diesem Kometen geredet, der heute Nacht... in etwa...... 21 Minuten... zu sehen sein soll. Sie hat regelrecht gedrängelt, dass ich ihn nicht verpassen darf, weil mir durch ihn ja immerhin ein Wunsch zusteht." Leise lachte sie. "Sie hat einfach eine viel zu romantische Seele. Aber du weißt ja wie sie ist."
 

~ Ich weiß wie du bist. ~
 

"Jedenfalls dachte ich, ich könnte ihr den Gefallen tun und ihn mir ansehen. Ich habe zwar kein Teleskop, aber das macht nichts. Sie versicherte mir, dass ich ihn auch so bestens erkennen werde."
 

"Klingt doch nicht schlecht. Ich bin dabei."
 

Verwundert wandte sie ihr Gesicht zu ihm. "Du?? Du willst dir allen ernstes die Sterne angucken?"
 

"Wieso nicht?"
 

"Wenn ich dich zitieren darf", antwortete sie und verstellte ihre Stimme " - 'Warum gucken die in diesen komischen Schnulzen nachts immer in den Himmel? Da ist doch nichts weiter als viele kleine Pünktchen' - Zitat Ende." Kichernd fiel sie in ihren normalen Ton zurück.
 

"Schon gut", gab er schmollend von sich und machte kehrt. "Ist mir nicht so wichtig."
 

"Nein, warte Ranma. So war es nicht gemeint." Als er ihr einen Blick über die Schulter hinweg zuwarf, erkannte er ihr warmes Lächeln. "Ich würde mich sehr freuen. Warum auch immer, du dich plötzlich für Astronomie interessierst."
 

Stumm hockte er sich auf den Boden der Veranda. Nachdem sie ihren Rock geglättet hatte, setzte sie sich neben ihn. Noch einmal schaute sie ihn an und wieder begann sie zu lachen.
 

"Was jetzt?" seufzte er genervt.
 

"Es ist nur... deine Stirn..." Mit dem Zeigefinger deutete sie auf die Beule von ziemlich beträchtlicher Größe, die nun seinen Kopf zierte. "Ich fürchte das war ich. Tut mir leid..."
 

Ranma schaute sie nicht weiter an. "Mir tut es leid", sagte er nach einem Moment kaum hörbar. "Ich schätze, ich hab' dir den Tag ganz schön ruiniert, was?"
 

Ein Seufzen antwortete ihm. "Ranma, ich frage mich nur... Warum? Aus welchem Grund kannst du es mir nie gönnen, einmal... einmal etwas gut zu machen?"
 

"Was? Nein, Akane. Das hast du VÖLLIG falsch verstanden. Darum ging es überhaupt nicht. Im Gegenteil, wirklich. Ich hätte dich gerne singen gehört." Erst nachdem er ausgesprochen hatte, wurde er sich darüber bewusst, dass er ihr versteckt ein Kompliment gemacht hatte.
 

Leicht errötet schaute sie aus dem Augenwinkel zur Seite. "Und weshalb hast du dich dann wieder schlagen müssen? Und dann auch noch mitten auf der Bühne... vor meinem Auftritt."
 

"Sag mal", gab er daraufhin streng zurück ohne auf ihre Frage zu antworten und stemmte sich beleidigt seine Fäuste in die Seiten. "Stört's dich überhaupt nicht, dass Kuno dich geküsst hat? Scheinbar nicht. Pfeh..."
 

"Eh... Kuno?" Erst etwas zaghaft, dann jedoch laut und herzlich schallte ihr Lachen heraus. "Sagen wir es mal so: Sein Kuss hat mich überhaupt nicht gestört."
 

"Waaaaaas?!?!?!" rief Ranma erschrocken und starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. "Soll das heißen, es hat dir gefallen, von diesem Lackaffen deinen ersten Kuss zu bekommen?? ...................... also............. Ist mir doch egal. Aber... Ich dachte--"
 

"Ehm..... Ranma...?" Ihr Ton wurde mit einem Mal sehr ruhig und ernst, als sie ihren Blick schüchtern von ihm abwandte. "Den ersten Kuss... also...." Unruhig zupfte sie an den Rüschen ihres Kleides. "Den ersten Kuss.... habe ich doch... von dir bekommen..." Sie errötete noch tiefer. Er selbst hatte leider nicht die geringste Ahnung, wovon sie sprach. Ein leichtes Husten kroch aus ihrem Mund. "Katzenfaust" sprach es gut verhüllt, so als würde sie es dem Schicksal überlassen, ob er sie verstehen würde oder nicht. Das schier Unmögliche wurde wahr; sie errötete noch tiefer.

Ranmas Gesicht hingegen war wie versteinert. Katzenfaust... Katzenfaust. Katzenfaust! Ja richtig! Als er das erste Mal vor ihr im Neko-ken war, hatte er sie geküsst!! Er. Hatte. Sie. Geküsst. Das sagte man ihm zumindest. Aber es war wahr. Nie hatte er sich an etwas aus dem Neko-ken erinnern können, was gemäß der vielen Peinlichkeiten, die er in ebendiesem Zustand verbrochen hatte, vielleicht auch ganz gut war. Doch in diesem Augenblick wuchs sein Bedürfnis, eine jener Erinnerungen zurück in sein Gedächtnis rufen zu können, ins Unermessliche. Die Erinnerung an die Nähe zu ihr, frei von jeder Schamhaftigkeit, das Gefühl wie es ist, wenn seine Lippen ihre Haut berühren. Ihren ersten Kuss bekam sie von ihm... von Ranma selbst. Er war der erste Mann, der sie jemals küssen durfte. Wie sehr wünschte er sich, auch der letzte und überhaupt einzige zu sein, dem dieses kostbare Privileg zuteil wurde. Wärme durchflutete seinen Körper. Er hatte Akane geküsst. Und sie hatte es stets in Erinnerung behalten. Er war der erste Mann, der sie küssen durfte. Wie gut das klang. Wie sehr er sie doch liebte.
 

"Außerdem", fügte sie nebensächlich hinzu, "hat Kuno mich nicht geküsst. Wenn du genau aufgepasst hättest, dann wüsstest du, dass ich ihm seine schleimigen Rosen vor seine noch schleimigeren Lippen gehalten habe. Deswegen regte ich mich auch nicht weiter darüber auf. Soll er doch Blumen küssen so viel er will." Ranma kippte vor Schreck zur Seite. "Aber es ist süß von dir, dass du eifersüchtig bist." Ihr Grinsen rappelte ihn wieder auf.
 

"Wer ist hier eifersüchtig auf--" begann er in seiner tiefen, beleidigenden Stimme, unterbrach sich dann jedoch selbst, als er nicht nur erkannte, dass wahr war, was sie sagte, sondern auch, dass er endlich Schluss machen wollte, mit all den überflüssigen Streitereien, in denen er vor seinen wahren Gefühlen stets nur feige flüchtete.
 

Damit setzte eine Stille ein, die einige Minuten anhalten sollte und in ihm wieder die eigenartigsten Fragen heraufbeschwur.
 

"Warst du schon mal verliebt?" Ohne auch nur einen einzigen Moment darüber nachzudenken, entwischte ihm die Frage ganz plötzlich.
 

Akane schaute nachdenklich in den Gartenteich, über den sich der schwarze Schleier der Nacht gelegt hatte. In ihren Augen lag etwas Fremdes, so als schwebte sie in Gedanken weit hinfort. "Ich weiß nicht... Ich glaube schon."
 

Ranma fühlte sich ein wenig gekränkt durch ihre Antwort. Gleichzeitig überkam ihn eine schmerzende Neugier. "Wer war er?" fragte er so unauffällig wie möglich. Er wollte wissen, was das für ein Junge sein konnte, dem Akane ihr Herz schenkte. Sicher irgend so ein Herzensbrecher. Ein geschniegelter Prinz, der die Damenwelt immerzu mit einem charmanten Lächeln beglückt, einer Lady stets die Tür aufhält, sie zum Essen einladen würde, süße Liebesbriefe auf parfümiertes Papier schreibt und... das Gegenteil von dem darstellte, was er selbst war. Verärgert wandte Ranma sich von ihr ab. "Na? Willst du mir nicht antworten? Scheint ja ein großes Geheimnis zu sein."
 

"Nein, das ist es nicht", gab Akane sehr ruhig zurück. "Es ist nur so... Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau. Es ist schon ziemlich lange her."
 

Verwundert drehte Ranma sich wieder um und sah ihr ins Gesicht. "Wie kannst du dann meinen, verliebt gewesen zu sein? Bedeutet verliebt sein nicht, dass..."
 

"Es ist ganz anders", unterbrach sie ihn. Noch immer wandte sie ihr Gesicht nicht zu ihm hin, sodass er nur ihr Profil im fahlen Licht der Sterne erkennen konnte. "Wer genau er war, weiß ich bis heute nicht. Aber damals nachdem meine Mutter gestorben war, hatte er mir sehr geholfen."
 

Ranma hörte ihr aufmerksam zu. Mit einem Mal verschwand sein gebrochener Stolz und stattdessen füllte sich seine Brust mit aufrichtigem, tiefem Mitgefühl gegenüber Akane, die sich viel zu früh von ihrer allen Erzählungen nach wirklich unwahrscheinlich liebevollen Mutter verabschieden musste.
 

Ein zartes Lächeln berührte ihre Lippen. Doch noch immer blieb ihr Blick glasig. "Wir wollten zusammen fort laufen. Ich sehe all diese Bilder nur sehr verschwommen vor mir." Seufzend schüttelte sie leicht ihren Kopf. "Ich weiß selbst nicht genau, warum ich glaube, dass ich in ihn verliebt war. Er war einfach so liebevoll, so anders als die anderen. Sein Versuch mich zu trösten wirkte nicht nur wie der einfache Wunsch, mich möglichst schnell zu beruhigen. Denn so kam es mir vor, wann immer irgendjemand anderes mich in den Arm nahm oder zu mir sprach, wenn ich weinte. In seinen Augen lag so viel Sorge. Fast schien es, als hätte ich meinen Schmerz auf ihn übertragen. Auch wenn ich leider vieles vergessen habe und es mir heute nur wie ein Traum vorkommt, an die unendliche Tiefe seiner Augen werde ich mich immer erinnern. Aus irgendeinem Grund gab sie mir sehr viel Kraft und Hoffnung, sodass ich plötzlich aufhörte zu weinen und lächeln musste." Ihre letzten Worte erklangen nur noch in einem vorsichtigen flüstern, ehe sie vollkommen verstummten.
 

"Denkst du noch oft an ihn?"
 

"Nein", antwortete Akane kurz und bündig, als sich ihr Lächeln ein kleines Stück weitete. "Weißt du", fuhr sie fort. "Ich brauche ihn eigentlich gar nicht mehr. Deswegen denke ich auch nicht mehr an ihn. Nur weil du mir eben diese Frage gestellt hast, habe ich mich überhaupt erst wieder an ihn erinnert."
 

"Heißt das... du bist nicht mehr traurig? Du weinst nicht mehr?" fragte Ranma irritiert.
 

Wieder schüttelte Akane ihren Kopf. "Nein, nicht wegen meiner Mutter. Es ist alles schon sehr merkwürdig. Nachdem er mich damals getröstet hatte, habe ich nie wieder ihretwegen geweint. Natürlich war ich oft, noch öfter als ich es überhaupt zählen kann, traurig darüber, dass sie nicht mehr da ist. Der Gedanke, dass sie nie wieder zurückkehren wird, mir abends vor dem Einschlafen ein Gutenachtlied singt oder mir die Haare bürstet und dabei mit mir herumalbert, schmerzt noch immer. Oft denke ich an sie und vermisse sie. So wie heute. Aber weinen musste ich nie wieder."
 

"... Du hast vorhin im Dojo geweint..."
 

"Ja. Aber... Das war etwas anderes. Ich weinte nicht, weil dies der Jahrestag war, an dem-- Ich... ich weinte wegen dem, was du gesagt hast."
 

"Was? Oh. Puh. Na siehst du, ich hab' doch gesagt, ich bin schlecht im Trösten. Jetzt bringt dich das, was ich dir sage, um dich aufzuheitern, erst zum Weinen."
 

"Nein, nein. So meinte ich es nicht." Ihre Stimme wurde leiser. "Ich meine... Es hat mich einfach sehr berührt, was du gesagt hast. Weil... weil du mir erlaubt hast, mich so zu fühlen, wie ich es möchte. Als meine Mutter damals krank wurde, sagte man mir, ich solle artig sein, um sie nicht zu enttäuschen. Ich solle wieder lächeln, damit sie mich gut in Erinnerung behält. Verstehst du? Ich wollte nicht lächeln. Mir war nicht nach Lächeln zumute. Es tat doch so unglaublich weh."
 

"Akane..."
 

"Der Grund, weswegen ich heute so wütend wurde, war, dass mich jeder aufheitern wollte. Ich hatte auch keine Lust auf diesen Auftritt. Und was dich betrifft... Ich war bloß so unglaublich sauer, weil ich glaubte, du hättest ihn mir aus Neid kaputt gemacht. Und sobald ich nachhause gekommen war, versuchte mich jeder zum Lachen zu bringen. Die Menschen verstehen einfach nicht, dass mir an einem Tag wie diesem nicht zum Lachen zumute ist, wenn ich so tun soll, als sei nichts gewesen."
 

"Ich glaube... ich verstehe so langsam", bemerkte Ranma nachdenklich.
 

"Aber... es ist sehr schwer zu erklären. Ich möchte gar nicht weinen. Aber wenn doch... Dann sollen mich die Menschen lassen. Dann sollen sie mich auf meine Art mit dem Schmerz fertig werden lassen, anstatt mir meine Gefühle aufzuzwängen. Nachdem mich der geheimnisvolle Junge damals getröstet hatte und erkannte, wie verletzt ich war, ging es mir besser. Es ging mir besser, weil er verstand, wie ich mich fühlte. Und allein die Gewissheit, dass es wenigstens einen Menschen auf der Welt gibt, dem das nicht egal ist, hat mich gestärkt. Deine Worte wühlten bloß alte Erinnerungen auf. Das ist alles... Eigentlich musste ich weinen, weil... Ich glaube, ich musste weinen, weil es mich irgendwie... glücklich gemacht hat."
 

Erleichtert atmete Ranma still aus. Dieser andere Typ hatte ihn zunächst aufgeregt. In seinem Kopf malte er sich eine Gestalt aus, die ähnlich dieses schleimigen Mikado Sanzenins war. Doch allem Anschein nach war der Junge, dem Akane ihr Vertrauen geschenkt hatte, viel mehr jemand, dem er danken sollte. Er hatte es geschafft, Akane die Tränen zu nehmen. Vielleicht wurde sie sogar ein klein wenig durch seinen Einfluss zu dem, was sie heute war: eine starke Kämpferin, die immer zu ihrer Meinung steht und sich nicht so einfach unterkriegen lässt. Ganz schön seltsam. Genau das war es eigentlich immer, was ihn an Akane geärgert hatte, weswegen er sie als Machoweib hänselte, die niemals einen Ehemann finden würde. Und nun in diesem einen Augenblick schätzte er sie so sehr für diese ihrer wertvollsten Eigenschaften.
 

"Da ist sie", hauchte Akane entgeistert und verfolgte mit ihren Augen den Kurs der Sternschnuppe, die hoch über ihnen in einem hellen Funkeln erschien und am schwarzen Himmelszelt eine silberne Spur aus Sternenstaub hinterließ. "Du darfst dir was wünschen." Auch Ranma war nun dabei, das so winzig erscheinende Objekt zu beobachten, das schon so viel gesehen hatte auf seiner langen Reise und doch all seine Erlebnisse für immer als ein unentschlüsselbares Geheimnis in sich tragen würde. Der Komet selbst war nicht viel mehr als ein Gesteinsbrocken, der sich durch die Schwerelosigkeit des Alls gemütlich hinfort in alle Weiten tragen ließ; so viel wusste selbst er mit seiner recht spärlichen Allgemeinbildung. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er einer Sternschnuppe so viel Beachtung geschenkt hatte. Allerdings hatte er zuvor auch erst zwei gesehen. Diese waren jedoch nichts weiter als Himmelskörper, die ihm für eine Sekunde erschienen, ehe sie sich wieder in der Weite des Nichts auflösten. Doch in dieser Nacht war alles anders. Ein geheimnisvoller Nebel umgab den reisenden Stern und zog sich nur für wenige Bruchteile einer Sekunde hinter ihm her. Ranma fragte sich, ob er selbst genauso aussehen würde, wenn er gerade einen Kampf austrägt und seine ihn umhüllende Aura aufleuchtet. In seinem Kopf schwirrten viele Gedanken umher. Aberglaube war für ihn von klein auf nichts als Hokuspokus. Trotzdem wollte er diesen einen Wunsch nutzen so wie er einen Lotterie-Gewinn abholen würde, auch wenn der Preis etwas für ihn vollkommen Unbrauchbares war. Es hätte schließlich nicht schaden können. Aber was wünscht man sich, wenn man nur diesen einen Wunsch frei hat? Er wollte der weltbeste Martial Artist werden. Er wollte endlich Ruhe vor allen Geisteskranken, die es immer wieder mit Bravur schafften, sein Leben komplett umzukrempeln. Unmengen an Geld und jeden Tag gratis Feinkost frei Haus wären selbstverständlich auch nicht schlecht. Aber wahrscheinlich war letzteres so die Art Wunsch, die einem eine Sternschnuppe nur schwer erfüllen konnte. Selbstverständlich wollte er wieder ein richtiger Mann werden. Das war wohl Wunsch Nummer Eins. Obwohl... Was, wenn er endlich den Jusenkyo-Fluch losgeworden wäre? Würden dann all seine Probleme gelöst sein? Würde er dann nicht mehr nachts auf das Dach steigen mit dem Gefühl der Leere und Nutzlosigkeit? Sollte er sich vielleicht stattdessen wünschen, immer einen Sinn in seinem Leben zu sehen? Etwas, das ihn daran erinnert am Leben zu sein, auch wenn er die Welt um sich herum nur wie durch dickes Panzerglas wahrnimmt, während er vergebens versucht, aus der engen Kapsel, die ihn umgibt, auszubrechen? Laut atmete er aus, als er erkannte, in welch unintelligente Sphären seine Gedanken hinfort glitten. Denn wie auch der Weg zu seinem eigentlichen Wunsch, zu eines jeden größten Wunsches, aussehen mochte, ob in der Befreiung des Fluches oder in Form von Macht und Stärke - das spielte keine sonderlich große Rolle. Streben wir alle doch hauptsächlich immer nur nach einem: glücklich zu werden. Das Bild der passierenden Sternschnuppe hatte sich schon fast vollständig in der Atmosphäre aufgelöst, als er endlich seinen wahren Wunsch erkannte. Und als die Sternschnuppe schließlich ganz vor seinen Augen verschwand, musste er lächeln. Noch immer schaute er zum Himmel hinauf, suchte nach einem Lichtlein, das ihm wenigstens ein kleines Stück des Mysteriums All aufdecken würde und genoss es, in diesem Moment Akane auf für alle anderen Menschen dieser Welt unverständliche Art nahe sein zu dürfen. Er fand diesen Himmel wunderschön. Zu schön, um seine Augen auch nur einen kurzen Moment zu schließen, um zu blinzeln. Am liebsten wollte er diesen Augenblick für immer sicher in ein kleines Kästchen einschließen, das er dann mit sich herum tragen würde, um nie etwas von diesem Gefühl zu verlieren. Die Sterne funkelten silbern am Firmament und übermittelten ihm eine warme Nachricht. Eine, die er zwar nicht entschlüsseln konnte, aber trotzdem auf unbeschreibliche Art verstand. Und in diesem Augenblick war er dankbar, so dankbar, dass er diesen Schatz, der ihm soeben zum Geschenk gemacht wurde, nicht alleine erfahren musste, sondern ihn mit Akane teilte. Lächelnd wandte er sein Gesicht zu ihr und betrachtete ihr Profil. Ein Gedanke überkam ihn.
 

~ Wenn du mich jetzt ansiehst, dann weiß ich es. Dann kann ich mit Sicherheit sagen, dass es ein Spiel des Schicksals war und uns beide zusammen führte. Dann kann ich sagen: Ich weiß, dass du meine Seelenverwandte bist. Das einzige Geschöpf unter diesem schönen Nachthimmel, das mich glücklich machen kann. Bitte Akane... Schau mich an...~
 

Er blinzelte und dann sah er es. Wie das kleine, aber wunderschöne Licht, das von einer schimmernden Perle ausgeht, wenn man vorsichtig die Muschel öffnet, welche sie behutsam umgibt, glänzten ihre großen, braunen Augen ihm entgegen, als sie ohne zu sprechen zu ihm zurück schaute. Und auch sie lächelte. Sie lächelte ihr wunderschönes, einzigartiges Akane-Lächeln. Fassungslos nahm er es in sich auf, sog es tief in sich hinein und wagte es nicht, auszuatmen und eventuell etwas von dieser Süße wieder aufgeben zu müssen. Könnte dieser Augenblick doch nur für immer anhalten. Würde er jenes Bild doch auf ewig in sich tragen können. Als lange Momente verstrichen waren, in denen keiner von ihnen etwas sagte, löste er schließlich tief ausatmend den Druck in seiner Lunge. Und dann erkannte er es. Vielleicht überkam ihn gerade sogar die wichtigste Erkenntnis seines gesamten bisherigen Lebens. Er spürte es noch immer in sich. Das Glück, die Wärme. Dies war ein Augenblick von vielen, wie ein winziges Sandkörnchen in der weiten Wüste. Nur ein kurzer Augenblick, so hatte er befürchtet. Nur die kurze Erscheinung eines Glücksgefühls. Doch er lag falsch. Denn dies war ein Augenblick für die Ewigkeit. Der Augenblick, an dem sich zwei Seelen wiederfanden, die das Schicksal zusammengeführt hatte. Als ihm dies klar wurde, wandelte sich sein Lächeln. Nicht mehr war er nervös oder aufgeregt. Nun war er ruhig und gelassen, befriedigt und entspannt. Mit innerer Zuversicht und so viel ungeahntem Vertrauen, wie er es noch nie zuvor in sich gespürt hatte, wandte er sein Gesicht wieder ein Stück von ihr ab, um weiter die Sterne zu beobachten. Nicht länger war es nötig, ihr etwas mit einem Blick mitzuteilen. Auch nicht war es von Nöten, Worte walten zu lassen. Auf der ganzen Welt vermochte es ohnehin keine Sprache, seine Gefühle zureichend zu beschreiben. Und so entschied er sich, eine Sprache zu sprechen, von der er zwar nicht sehr viel verstand, welche Akane, seine Seelenverwandte, seine Seelenverwandte... aber ganz sicher verstehen würde. Vorsichtig suchte er, ohne seinen Blick von den Sternen abzuwenden, mit seinen Fingerspitzen ihre Hand. Es dauerte nicht lange, denn seine Instinkte führten seine Bewegung wie die unsichtbare Kraft zweier Magnetpole, die sich gegenseitig anziehen. Als die Kuppen seiner Finger sanft über ihren Handrücken strichen, wirkte Akane weder überrascht noch erschrocken, ehe sie ihre Hand ein Stück zu ihm heranführte und den leichten Druck, der in seinem zögerlichen Griff lag, erwiderte. Nein... Worte waren nicht mehr nötig. Denn in diesem Moment zählte nur eines: Ihre Hand in seiner. Für den Anfang war ihm das genug. Er war glücklich.
 

***

...

~ Du erinnerst dich...
 

Wer bist du?

~ Das Licht.

...

~ Auch wenn du meinst zu vergessen, tief in dir wirst du dich immer erinnern.

~ Sie wird dich immer an mich erinnern.
 

Wer war sie?

~ - "Mein Name ist Ranma Saotome. Wie heißt du?"

...

~ Ein Engel

...

~ - "Akane. Ich heiße Akane Tendo. Ich mag dich Ranma."

...

~ Dein Engel.
 


 

---

*räusper* Diesmal ein ganz besonders großes Dankeschön an euch. Eure Kommentare haben mich richtig aufgebaut. Ihr ahnt ja gar nicht, wie sehr ich mich gefreut habe. ^_^ Daher Danke an Final--Heaven, die mir von Anfang an so lieb Mut zugesprochen hat, an vegetto4ssj, weil er irgendwie ein Trendwort in dieser Kommentarleiste gesetzt hat *lach* und selbstverständlich auch für die ehrliche Kritik (immer willkommen, wenn konstruktiv und angemessen), an Sandra, weil sie wohl die mit Abstand längsten Kommentare verfasst, an Mitsuki11, weil sie mir ebenfalls von Anfang an Mut zu dieser Story gemacht hat, an DocSon, weil sie glaube ich meine älteste Leserin ist, an Tamaryn12, weil sie so einen lieben Kommi verfasst hat, an Nihao-kun, weil ich schon immer einen Kommentar auf holländisch haben wollte (Juhuu!!), an Sojachan, weil ich sie sowieso lieb hab, an Tomomo, weil ich gar nicht erwartet habe, so spät noch einen Kommi auf diesen Teil zu bekommen und selbstverständlich an Kiavalou, der diese FF immerhin gewidmet ist, weil sie die beste deutsche Schreiberin ist. (Hey, was haltet ihr euch noch länger hier mit mir auf? Kiavalous FFs sind es viel viel mehr wert, gelesen zu werden. *__* ~~ schlechte Eigenwerbung *trief*) Kussi!
 

~Chiyo-chan
 

Edit: Dies hier ist eigentlich nicht der letzte Teil. So weit sind noch 3 weitere zu diesem Buch geplant. Oder haltet ihr es so für ein gutes Ende? Hmm... Weiß nicht.
 

Zwei Seelen und ein Wunsch II - Elysium Special

Manchmal ist es nur ein kurzer Moment. Ein Wimpernschlag. Eine zarte, winzige Seifenblase, die dir entgegen segelt und sanft über deine Haut streicht. Pastellene Emotionen, ein leises Kitzeln. Doch als du nach ihr greifen willst, um sie nicht wieder loszulassen, zerplatzt sie plötzlich und alles ist wieder so wie vorher. Der graue Alltag nimmt dich erneut ein und es ziehen dichte, dunkle Gewitterwolken vor das wärmespendende Licht. Manchmal aber ist ein Moment für die Ewigkeit. Auch wenn man sich gar nicht mehr erinnert.
 

Begegnungen.
 

Es kann bei einem Training in den Bergen geschehen:
 

"Ah! Du hast mich erschreckt."

"Ups. 'tschuldige. Hab' nicht erwartet, hier jemanden zu treffen. Hier, du hast deinen Hut verloren."

"Da-danke... Ich bin mit meiner Schulklasse hier und hab' mich verlaufen. Weißt du wo es zum Dorf geht?"

"... Da lang."

*Sie dreht sich zu mir um...*
 

Ein Blick.
 

~
 

Oder auch mit der fremden Person am anderen Ende der Telefonleitung:
 

"Sprech' ich da nicht mit der Honshu Herbergszentrale?"

"Nein... Du bist hier bei Tendo."

"Oh..."

"... Ist noch irgendetwas?"

"Ich weiß nicht. Ich hatte gerade nur... Schon gut. 'Tschuldige die Störung."

*Ich möchte noch nicht auflegen...*
 

Eine sanfte Stimme.
 

~
 

Manchmal rennt man sogar wortwörtlich hinein:
 

"Au!"

"Woah!"

"..."

"Hey, bist du in Ordnung?"

"Wo kamst du auf einmal her?"

"Heh heh... Weiß selbst nicht so genau. Ich lauf' meistens so schnell, dass ich kaum noch sehe, wohin's eigentlich geht. Mein Vater sagt, daran muss ich noch arbeiten."

"Oh... Du machst also auch Kam-- Ah. Meine Schwester ruft mich. Ich muss gehen. Danke fürs Aufhelfen."

*Ihre Hand war so... klein*
 

Eine unscheinbare Berührung.
 


 

Wer nur ein einziges Mal in seinem Leben, wenn auch nur für einen kurzen Moment, eine solche Seifenblase streicheln darf, der kann sich glücklich schätzen. Jeder Mensch wird mit einem Seelenverwandten geboren und erhält die Chance, seine eigene Seele mit diesem verschmelzen lassen. Doch um eins mit jener zauberhaften, doch zugleich sehr empfindsamen Erscheinung zu werden, bedarf es mehr als nur die Begegnung. Denn die schimmernde Haut der Seifenblase ist schön, aber auch sehr dünn und verletzlich. Doch nur wenn du selbst dazu bereit bist und dich der Seifenblase mit einer genau solchen Sanftheit nähern kannst, dann erst sind zwei füreinander bestimmte Seelen imstande auf jene magische Art zu fusionieren. Denn selbst, wenn einem das unbeschreibliche Glück zuteil wird, dem ihm vom Schicksal auserkorenen Menschen zu begegnen, bleibt es oft nur bei einer kurzen Erscheinung... ehe die Seifenblase mit einem lautlosen Knall zerplatzt. Und einige wiederum, fangen die Seifenblase so vorsichtig und behutsam auf, wie es nur irgend möglich ist, ohne es überhaupt zu wissen, und pflegen und hegen sie, sodass ihre zarten warmen Töne in das Licht fließen, welches sie am Leben hält.
 

Dunkelheit...
 

Du erinnerst dich an mich. Das weißt du.

Schon einmal hast du so empfunden. Du warst gerade mal sechs Jahre alt, als ihr euch begegnet seid. Ihr beide ward noch sehr klein. Es war bei Kobe. Sie saß auf einem Stein und weinte. Du erkanntest ihr Gesicht nicht, denn sie verbarg es hinter ihren winzigen Händen. Obwohl du sie nicht kanntest, tat dir ihr Schluchzen so sehr weh in deinem Herzen.
 

*Fast schien es, als hätte ich meinen Schmerz auf ihn übertragen.*
 

Sie war umringt von Gänseblümchen, die sie heiter anstrahlten. Und inmitten dieses freudigen Naturtanzes weinte sie. Doch du wolltest, dass sie genau wie all die Blumen lacht. Denn trotz ihrer Tränen empfandest du sie als die schönste Blume von allen. Du sahst ihr kurzes, strubbeliges Haar und wolltest ihr darüber streichen. Du wolltest sie in den Arm nehmen und sie von ihrem Zittern befreien.

Lange beobachtetest du sie ohne zu sprechen. Nach einer Weile gingst du auf sie zu und nahmst zärtlich ihre Hand in deine. Mit einem warmen Lächeln ließest du ihr Schluchzen verstummen und zaubertest ein Lächeln auf ihre Lippen.
 

*...sodass ich plötzlich aufhörte zu weinen und lächeln musste*
 

Dein Gesicht spiegelte sich in ihren glänzenden Augen wieder. Doch du erkanntest es nicht, da jener Ausdruck dir bisher fremd war. Sie machte dir ein kostbares Geschenk. Als sie dir freundlich zurücklächelte hast du es gespürt und nie verloren. Du hast es über die Jahre bloß vergessen. Denn du wolltest vergessen. Du warst noch ein Kind. Doch erst durch sie lerntest du, was es heißt, Kind zu sein, indem sie dich einen Teil ihrer farbenfrohen Welt werden ließ.

Obwohl ihr beide noch sehr jung ward, spürtet ihr, dass ihr für einander besteht. Ihr spürtet es in der Wärme, wie auch in der Wut. Wut, weil du Angst hattest. Angst, man würde sie von dir nehmen und du müsstest wieder alleine sein.
 

Ein Engel...
 

Du erinnerst dich... Auch wenn du meinst zu vergessen, tief in dir wirst du dich immer erinnern. Sie wird dich immer an mich erinnern.
 

Dein Engel.
 


 

Zwei Seelen und ein Wunsch II: Elysium Special

~für alle, die noch an das Schicksal glauben...

...und nie aufgeben, nach ihrem Glück zu suchen~


 

Der kleine Junge war wütend. Mindestens genauso wütend wie sein Magen ihn laut und unkontrolliert seit nunmehr einer halben Ewigkeit anknurrte. Sein blöder Papa hatte es wieder mal fertig gebracht und ihm das Essen geklaut. 'Wer nicht schnell genug ist, hat eben Pech gehabt!' lachte er, als er sich genüsslich die Finger leckte und sich dann zufrieden seinen kugelrunden Bauch rieb. Sein Sohn solle es als Training betrachten und habe schändlichst versagt, erklärte er. Wie lange sie bereits unterwegs auf Trainingsreise waren, wusste Ranma nicht. Alles, was er wusste, war, dass der Typ an einer Tankstelle die Stadt, in der sie sich für einige Tage niederlassen wollten, Kobe nannte. Beeindruckt hatte Ranma über den weiten Hafen hinweg gesehen, an dem sich die gigantischen Prachtbauten wie Riesen über das vom Nebel zugedeckte Meer lehnten. Dennoch gefiel ihm der Standort, an dem sie ihr Zelt aufgeschlagen hatten, weitaus besser. Sein Papa hatte irgendetwas von 'Rokko-san' gefaselt. Ja, genau, so hieß das wunderschöne Fleckchen Erde. Ranma liebte die Farbe Grün. Er liebte die vielen Pflanzen, die sich wirr und verwachsen über die Wege und um die vielen moosbedeckten Baumstämme schlängelten. Er liebte es, zwischen Sträucher zu kriechen oder auf hohe Bäume zu klettern, um sich in den dichten Baumkronen zu verstecken. Heute aber nutzte er die verwachsene Natur nicht, um trotz aller Proteste und Schimpfe von Seiten seines Vaters den natürlichen kindlichen Spieltrieben nachzugeben, sondern weil er davonlief. Weg von seinem Papa. Grummelnd stapfte er den kiesigen Bergweg hinauf. Er musste ja schon mindestens eine zilliarden Stunden unterwegs gewesen sein. Leider wusste er das nicht so genau, weil er noch nicht gelernt hatte, die Uhr zu lesen. Und selbst wenn, so etwas Kostbares wie eine Uhr besaß er gar nicht. Wie dem auch sei, sein Ausbüchsen hatte zweierlei Gründe. Zum einen wollte er sich so schnell wie nur irgend möglich etwas Essbares verschaffen, zum anderen fand er es an der Zeit, seinem Vater eine kleine Lektion zu erteilen. So ging das schließlich nicht, dass er ihm jeden Abend sein wohlverdientes Essen stibitzte. Und das auch noch, wenn sein Papa selbst es war, der ihn mit den anstrengendsten Aufgaben unendlich lange aufgehalten hatte. Müde setzte er einen Schritt vor den anderen. Seine kurzen Beinchen wurden allmählich wirklich schwer. Nach einer Weile kam er zum Stehen und schaute sich etwas eingeschüchtert um.
 

"Wo bin ich hier eigentlich?" fragte er sich mit aufkommender Hilflosigkeit als er erkannte, dass er sich längst nicht mehr auf dem sauberen Wanderpfad, der den Berg hinaufführte, befand und seine Füße stattdessen den Leben von unschuldigen kleinen Grashälmchen ein jähes Ende setzte. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er schnurstracks in die pure Wildnis gerannt war. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Nicht mal ein Anzeichen dafür, dass überhaupt schon einmal ein Mensch an diesem Platz gewesen war, gab es. Sein leerer Bauch jammerte mit ihm um die Wette. Sollte er wieder umkehren? Aber was dann? Er würde seinem Papa direkt in die Arme laufen. Schließlich hatte er seine Rufe gehört als er ihn hinter sich ließ, um vor ihm zu entkommen und nicht noch eine Nacht hungrig schlafen gehen zu müssen. Seine Überlegungen konnte er nicht weiter vertiefen, denn plötzlich wurde er auf ein Geräusch aufmerksam. Neugierig trat er auf den Baum zu, der ihm die Sicht zu dem Verursacher dieser merkwürdigen Laute verdeckte. Mit seinen kleinen Händen fasste er vorsichtig an den dicken, breiten Stamm und lugte schüchtern daran vorbei. Wie könnte man am besten beschreiben, was er dort vorfand? War es überraschend? War es hübsch? Oder vielleicht doch eher erschreckend? Was auch immer, ihn beschlichen zwei Gefühle gleich stark. Eines drang sich mit lästiger Hartnäckigkeit bis zu seinen Gesichtsmuskeln hinauf und wollte seine Mundwinkel partout nicht sein lassen, wo sie schon den ganzen Abend lang waren: sehr tief unten. Das andere Gefühl wiederum stimmte ihn ein wenig traurig.
 

Das Bild, welches sich seinem Auge bot, war unabstreitbar zauberhaft schön. Er sah umgeben von vielen beträchtlich hohen Bäumen eine weite Wiese, auf welche die laue Abendsonne sanftes rotes Licht warf; fast wie eine von Scheinwerfern beleuchtete Arena. Er sah Blumen. Unmengen an wundervollen, kleinen Gänseblümchen. Und inmitten dieses Blumenmeeres saß ein kleines Mädchen auf einem Findling und weinte. Ranma hatte keine Ahnung, weshalb sie weinte. Er kannte sie ja nicht. Aber aus irgendeinem Grund, konnte er seinen Blick nicht von ihr abwenden, um seine Suche nach etwas zu Essen fortzusetzen. Dieses Mädchen drückte so etwas aus, das er an sich selbst immer gesucht hatte. Ihre Schluchzer entkamen laut und hastig ihrer Kehle. Nur daran erkannte er überhaupt, dass sie weinte, denn ihr Gesicht verbarg sie in ihren winzigen Händen. "Schön..." flüsterte er anerkennend, als er sie betrachtete. Schön. Ja, das war sie. So wie sie auf dem Stein saß, der flauschige Kragen ihres Strickjäckchens ihr Gesicht streichelte als sie ihre Schluchzer ausstieß und das kurze, dunkle Haar so faszinierend im sanften Licht glänzte. Es war nicht die Art Glanz, die er von Shampoo-Werbungen auf riesigen Plakaten an Straßenrändern kannte. Er war nicht leuchtend oder strahlend. Aber dennoch, durch seine bestimmte, geheimnisvolle Eigenart, anziehend. Wie es sich wohl anfühlen mochte mit den Fingerspitzen darüber zu streichen?
 

Verstohlen trat er nachdem er sie schon eine Weile so beobachtet hatte hinter dem Baum hervor und schlich wortlos auf sie zu. Er wusste nicht, weshalb er das tat. Aber etwas in ihm bewegte ihn dazu, sie zum Lächeln zu bringen. Wie sie so dasaß, zwischen all den Blumen, wirkte sie selbst wie eine kleine zarte Blume. Eine schöne Blume, die von einer großen, bösen Hand gebrochen wurde und nun verletzt zwischen all ihren Gefährten saß und zu verkümmern drohte. Fast lautlos kletterte er zu ihr hinauf auf den großen Stein und schaute sie ohne zu sprechen an. Er war so leise gewesen, dass sie scheinbar nicht einmal wahrnahm, dass er sich zu ihr gesellt hatte. Mit baumelnden Beinen überlegte er, was er ihr denn nun eigentlich sagen wollte, um sie zu beruhigen. Er hatte wirklich nicht die geringste Ahnung. Wann immer er versuchte, mit anderen Kindern Freundschaften zu schließen, ignorierten sie ihn einfach und ließen ihn nicht mitspielen. Nicht, dass ihm auf seiner Trainingsreise viel Zeit zum Spielen blieb. Aber dann und wann, wenn sein Papa einen kurzen Augenblick nicht aufpasste und er die Chance ergriff, davon zu huschen, hatte er es zumindest probiert. Doch ganz gleich, wo er auch war, er war immer... anders. Hinter seinem Rücken wurde über den wilden, zerzausten Vagabunden getuschelt, aber er hörte jedes Wort. Er verstand nicht alles, doch es kränkte ihn. Es kränkte ihn so tief, dass er irgendwann keine Lust mehr hatte, zu anderen Kindern nett zu sein. Und trotzdem wollte er nun mehr als alles andere mit dem weinenden Mädchen Freundschaft schließen. Freundschaft... Er wusste nicht genau, was es bedeutete. Schließlich hatte er noch nie einen Freund gehabt. Er war ja immer nur mit seinem Papa alleine gewesen. Freundschaft konnte das sein, was er still und heimlich aus der Ferne bei anderen Kindern beobachtete: zusammen Ball zu spielen, Verstecken oder Fangen. Freundschaft konnte das bedeuten, was er bei den Großen immerzu sah, wenn sie sich gegenseitig in den Mund bissen. Letzteres wirkte nicht sehr schmackhaft auf ihn. Viel mehr zog er es vor, sich sein eigenes Bild des Wortes Freundschaft zu spinnen. Und dieses sah so aus, dass er wenigstens für den Moment nicht alleine war, genauso wenig wie sie es jetzt, da sie scheinbar so traurig war, sein sollte.
 

Leise seufzte er, doch scheinbar laut genug, dass das Mädchen ihre Luft anhielt und ihre Schluchzer für einen Moment unterdrückte. Schüchtern blinzelte sie zwischen zwei Fingern, die sie vor ihrem Gesicht nur ein klitzekleines Stückchen spreizte, zu ihm herüber. Plötzlich meinte er etwas sehr Eigenartiges gesehen zu haben. Weil sie ihre Hände noch immer schützend vor ihrem Gesicht behielt, war er sich nicht ganz sicher, aber er glaubte, etwas in ihrem Gesicht habe soeben geleuchtet wie ein kleines Glühwürmchen in einem stockdusteren Wald. Gebannt schaute er sie an. Langsam drang ihr Schluchzen wieder herauf und er sackte ein klein wenig zusammen. Schließlich aber, als er erkannte, dass er wirklich gar nichts zu sagen wusste, was sie etwas fröhlich stimmen könnte, legte er vorsichtig beide Hände an ihre und zog sie von ihrem Gesicht hinunter. Und wieder sah er es. Aber diesmal war es noch tausend mal schöner als vorher. Viele, viele, viele kleine Glühwürmchen schwirrten in ihren großen, fragenden und leider so traurigen Augen. So kam es ihm zumindest vor, als er diesen unbeschreiblichen Schimmer darin wahrnahm. Jetzt fand er sie sogar noch hübscher als vorher. Aber, wunderte er sich, wie hübsch möge sie erst sein, wenn sie lächelt? Sie sollte lächeln. Sie war doch eine kleine Blume und sollte wie alle anderen auf dieser Wiese lachen.
 

"Blumen sollen nicht weinen..." sagte er mit einer sehr verletzten Stimme. Das Mädchen blinzelte. Anstatt der tiefen, mitreißenden Trauer spiegelte sich nun beinahe nur noch pure Verwunderung in ihren braunen Augen wieder. "Wein nicht mehr kleines Mädchen." Doch die Tränen wollten nicht nachlassen. Für einen Augenblick, meinte er, flossen sie sogar noch stärker und schneller.
 

"Warum nicht? Ich will aber weinen." Mannomann, hatte sie eine niedliche Stimme. Sie klang fast wie ein Quietsche-Entchen. So hoch und hell und piepsig.
 

"Wenn du weinen willst, dann wein ruhig. Ich weine auch manchmal. Alleine. Aber wenn du jetzt weiterweinst, dann... dann weine ich nicht mehr alleine, weil... weil wir dann zusammen weinen." In dem Glanz ihrer Augen erkannte er ein Gesicht. Eines, das ihm sehr vertraut und gleichzeitig fremd war.
 

"Wieso weinst du dann auch? Ich kenne dich doch gar nicht."
 

"Weil du traurig bist. Du bist so traurig, dass ich auch ganz traurig bin. Und das tut so komisch weh im Bauch." Mit hängenden Mundwinkeln schaute er auf seine Knie.
 

"Du bist sehr lieb..." Was? So etwas Freundliches hatte ja noch nie jemand zu ihm gesagt. Irgendwie tat es gut, diese Worte zu hören, die er hin und wieder mitbekam, wenn er die Großen so etwas in der Art zu ihren Kindern in der Stadt oder in Cafés sagen hörte. Überrascht blickte er wieder zu ihr hoch. Und auf einmal entstand etwas auf ihrem Gesicht, das er in seinem ganzen Leben niemals zureichend beschreiben könnte. Aber er glaubte, es war ein Lächeln. Ein zartes, kleines, aber so schönes Lächeln, dass ihm plötzlich ganz warm wurde und er ebenfalls lächeln musste. Er hatte mit seiner Vermutung recht gehabt. Wenn sie nicht mehr traurig schaute, war sie sogar noch viel hübscher als vorher. Sogar noch hübscher als alle kleinen Gänseblümchen zusammen.
 

"Was machst du denn hier?" fragte er nach einem langen Moment beidseitiger Schweigsamkeit schließlich.
 

"Ich suche meine Mama. Ich hab' sie verloren und find' sie nicht wieder..."
 

"Oh..." gab er nachdenklich zurück und versuchte sehr erwachsen zu wirken, indem er an einem Kinnbart zupfte, das er noch lange nicht besaß. "Was ist eine Mama?"
 

"Du weißt nicht was das ist?" Kopfschüttelnd schaute sie ihm ins Gesicht. "Das musst du doch wissen. Jeder hat doch eine Mama."
 

"Ich hab' keine." Er nahm ihre Worte nicht wirklich übel, sondern viel mehr mit einem gleichgültigen Schulterzucken entgegen.
 

"Naja... Das ist so was wie ein Papa. Nur als Frau."
 

"Ah. Ja, 'nen Papa hab' ich."
 

"Ich auch. Aber ich will meine Mama zurück." Ihre Stimme wurde wieder leiser, höher, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund nicht trauriger. "Sie soll wieder da sein. Ich hab' so eine Angst."
 

"Warum suchst du sie denn hier? Hier ist ja gar keiner."
 

"Ja, weißt du... Ich hab' gesagt, ich will nach Kobe. Aber mein Papa hat nichts kapiert. Er wollte mit mir nur einen Ausflug machen, weil ich immer so viel geweint habe. Er wollte, dass ich endlich aufhöre zu weinen. Deshalb kam er mit mir hierher. Nur deshalb." Erst jetzt verlor ihre Stimme wieder ein Stück weit an Stärke. Ranma wusste nicht genau, was ein Ausflug war, aber es muss etwas Schreckliches gewesen sein, wenn es sie so unglücklich stimmte. "Ich hab' keine Lust auf Ausflüge und Spaß", flüsterte sie im Anschluss so leise, dass er sie kaum verstand.
 

"Ist deine Mama von zuhause weggelaufen?" lautete seine dümmliche Frage, die er jedoch mit aller Ernsthaftigkeit stellte.
 

"Nein... Sie ist... tot."
 

Er drückte ihre Hände, die er noch immer in seinen hielt, etwas fester. "Tut mir leid... Mein Papa hat mir mal erklärt, was das heißt, als ich einen toten Vogel im Wald gefunden habe. Bei einer Mama muss das ja sogar noch viel schlimmer sein. Kein Wunder, dass du weinen musstest. Ich versteh' dich."
 

Komisch. Schon wieder lächelte sie. Warum lächelte sie denn auf einmal? Hatte sie nicht eben etwas sehr Trauriges erzählt? Ranma verstand die Welt nicht mehr. Noch viel weniger verstand er, weshalb seine Wangen sich plötzlich so heiß anfühlten, dass man darauf hätte grillen können. Um seine Scham zu verbergen, sprach er schnell, aber bemüht leise weiter. "Du wolltest also unbedingt hierher kommen? Wie kommst du darauf, dass du deine Mama dann hier findest?"
 

"Na weißt du..." begann sie ohne zu zögern und warf einen bewundernden Blick auf die sie umgebende Natur. Stumm folgte er ihrem Blick durch die winzigen Lücken, der dicht aneinandergewachsenen Zweige, hinter denen er eine Tallandschaft erspähen konnte, die in den sanften Tönen der Abendsonne beinahe golden wirkte. Mit einer entspannten Stimme erklärte sie daraufhin: "Kobe heißt doch so was wie 'Himmelstor'. Das hat ein Mann im Fernsehen gesagt."
 

"Eeeecht?" fragte Ranma erstaunt zurück. "Boah... Der Name passt! Hier ist's schön, ne?"
 

"Ja, finde ich auch." Heiter nickte sie. "Und wenn das hier das Himmelstor ist, dann muss doch meine Mama hier irgendwo sein. Sie ist doch jetzt ein Engel."
 

Er verstummte für einen Augenblick und musterte sie lang und gründlich mit schräg gelegtem Kopf. "Aber wenn das so ist... dann bist du ja auch ein Engel."
 

"Huh?"
 

"Schließlich hab' ich dich hier gefunden." Ein Lächeln. Ein weiteres Lächeln. Aber kein Lächeln der Dankbarkeit oder der Belustigung, sondern ein strahlendes, weites, alles erhellende Lächeln. Nun fühlte er sich noch seltsamer als zuvor. Einmal, als sein Papa eine Instant-Suppe nicht richtig aufgekocht hatte, bekam er auch ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Aber damals war es irgendwie unangenehm. Es hat in seinem Bauch geblubbert und rumort und tat unendlich weh. Diesmal war es auch so was wie ein Blubbern, nur in viel weicheren Bewegungen, die von Innen sachte gegen seinen Bauch trommelten. Und außerdem fand er es irgendwie... schön.
 

"Mein Name ist Ranma Saotome. Wie heißt du?"
 

"Akane. Ich heiße Akane Tendo. Ich mag dich Ranma."
 

Etwas verlegen löste der kleine Junge seinen Griff und drehte sich mit glühenden Wangen zur Seite. 'Ich mag dich.' Au weia. So etwas hatte ja noch nie jemand zu ihm gesagt. Irgendwie war es so schön, das zu hören. Aber es lag nicht bloß an den Worten an sich, sondern auch daran, dass er sich so gerne, dieses eine Mädchen zum Freund machen wollte. Andere hatten ihn als ungehobelten, schmutzigen Vagabunden beschimpft. Andere waren abweisend. Andere hatten ihn gekränkt. Aber sie war anders. Sie war wirklich... ein Engel.
 

"Was machst du hier oben eigentlich ganz alleine? Suchst du auch jemanden?" fragte sie nach einer Weile neugierig.
 

"Eh... heh heh... Nein, ich bin weggelaufen", gestand er, als er seine Arme hinter dem Kopf verschränkte. "Ich wollte was zu Essen suchen."
 

"Was zu Essen?" Scheinbar schien sie noch nie zuvor mit dem Gefühl des Hungers konfrontiert worden zu sein. Die Glückliche... Nach einigen Luftzügen sprach sie weiter. "Auf dem Berg ist so ein Dingsda für Toureristen." Toureristen?? "Da gibt's auch Restaurants. Ich weiß wo's da lang geht, aber..."
 

"Super!" schoss er wie aus der Kanone heraus. "Kommst du mit?" Geistesabwesend blickte sie auf seine Hand, die er ihr einladend entgegenstreckte.
 

"Aber..."
 

"Ich kann dich doch nicht hier zurück lassen!" Er schloss für einen Moment seine Augen als er ihr ein freundliches Lächeln schenkte. "Sonst sind wir ja beide wieder allein." Diese Worte. Ein Kind, das sie ausspricht, wird sich deren Bedeutung wohl kaum bewusst sein. Und dennoch sollten sie die hintersten Zellen seines und vielleicht auch ihres Gehirns niemals verlassen, sodass sich der träumende, losgelöste Verstand ewig daran erinnern würde. Genauso wie ein Teil, wenn auch nur ein gut versteckter, für immer behalten wird, wie sie ihre Hand in seine legte.
 

"Ich will nicht allein sein..." Sie flüsterte. Sie lächelte?
 

Heiter schwang er ihre Hand und dann rannten sie auch schon lachend los. Als Ranma sich kurz zu ihr herumdrehte sah er, dass sie sich mit dem Handrücken ihrer freien Hand ihre Tränen aus den Augen wischte. Tränen. Und dennoch lachte sie ein, wie er es fand, ehrliches Lachen. Er war ja noch klein und wusste nicht sehr viel über die Welt bescheid. Vielleicht, überlegte er, weinen Menschen manchmal auch, wenn sie nicht traurig sind. Unbeschwert lachte er selbst sodann weiter und hopste vergnügt über die Wurzeln, die aus dem erdigen Boden hervorragten, die Gänseblümchen und die vielen Pflänzchen.
 

Sie liefen eine Weile bis sie schließlich in eine kleine Ortschaft, scheinbar für Touristen, gelangten, die sich auf einer lichten Anhöhe befand. In den mittelprächtigen, aber belebten Straßen lag der Duft, der von den vielen Restaurants her strömte.
 

"Mmmm...." Mit geschlossenen Augen atmete Ranma tief ein und klopfte sich hungrig auf sein Bäuchlein. Im nächsten Moment schlug er seine Lider jedoch wieder hoch, als er den etwas unsicheren Blick des Mädchens spürte. "Was ist?"
 

"Naja... Was hast du jetzt vor? Wir sind doch noch zu klein, um ins Restaurant zu gehen. Außerdem--"
 

"Keiiine Sorge. Ich mach' das schon!" Zwinkernd deutete er mit dem Daumen auf seine Brust. "Wie lange warst du schon da im Wald? Du hast doch bestimmt auch Hunger, oder?" Just in diesem Moment antwortete ihm ein lautes Gurgeln, was trotz all ihrer Versuche, es zurück zu halten, ihrem Bauch entkam. Errötet schaute sie zu Boden. Ranma lachte. "Ich besorg' uns beide was, ja? Was magst du? Sushi?" Verlegen schüttelte sie den Kopf. "Takoyaki?" Kopfschütteln. "Ramen?" Wieder verneinte sie wortlos. Mit runden Augen legte er den Kopf schräg. "Aber... Es muss doch irgendwas geben, was dir schmeckt."
 

"O..."
 

"Was? Ich versteh' dich nicht. Du redest zu leise..."
 

"O... Okonomiyaki..."
 

"Okonomiyaki?" Sein Gesicht leuchtete auf. "Okonomiyaki! Gute Idee!"
 

Es dauerte nicht lange, bis sie schließlich einen kleinen Karren gefunden hatten, an denen die lecker duftenden Kohlpfannkuchen brutzelten. Ranma lief das Wasser im Munde zusammen, als er das Aroma tief einatmete. "Oh gut. Ein Kind..." murmelte er vor sich hin, als er sein Ziel nun mit scheinbar geschärften Sinnen fixierte. Dann ließ er Akanes Hand los und rannte auf den Stand zu.
 

"Warte", zischte sie ihm zu. Überrascht drehte er sich zu ihr um als er schon ein gutes Stück voraus gelaufen war. "Was hast du denn vor? Du hast doch gar kein Geld, oder?"
 

Munter zuckte er mit den Schultern. "Das macht nix."
 

"Willst du etwa klauen?" fragte sie entsetzt zurück.
 

"Quatsch! Ich verdien' uns ein paar Okonomiyaki. Hab' doch gesagt: Keine Sorge." Damit war er auch schon weitergerannt.
 

"Mein Name ist Ranma Saotome. Ich fordere dich heraus!" rief er im nächsten Moment und zeigte mit strengem Blick auf ein braunhaariges Kind, etwa selben Alters, das wie ein zu kurz geratener Erwachsener am Herd stand und nach Ranmas Beurteilung ziemlich professionell die von Nahem sogar noch köstlicher aussehendere Speise zubereitete. Verärgert, so als hätte er es gerade in seiner tiefsten Konzentration gestört, blickte das Kind zu ihm auf.
 

"Du willst mich herausfordern? Und wozu?"
 

"Wenn ich gewinne, gibst du mir zwei Okonomiyaki!" rief Ranma daraufhin entschlossen zurück und fügte dann mit nicht weniger Ausdruck hinzu: "Und wenn ich verliere, dann... bin ich mein Leben lang dein Sklave."
 

Sein Gegenüber verzog verwundert die Stirn. "Heh. Einen Sklaven kann man immer mal gebrauchen. Wie du willst. Ich bin", eindrucksvoll schwang das brünette Kind einen Spaten, den es vorher am Rücken getragen hatte, "Ukyou Kuonji. Herausforderung angenommen. Du hast ja keine Ahnung wie gefährlich die Martial Arts Okonomi--"
 

BATSCH!
 

Fröhlich hopste Ranma auf den Kopf des fremden Kindes, sodass es vollkommen überrumpelt einfach zu Boden sackte, und holte sich summend seine wohlverdienten Okonomiyaki ab.
 

"Grrr.... Du wagst es..."
 

"Hey?" Ranma schien für einen Augenblick nicht mehr ganz so heiter zu sein und schaute mit halber Besorgnis herunter. "Abgemacht ist abgemacht. Du liegst am Boden. Hast verloren. Heheee."
 

"Ich will Revanche!"
 

"Hm. Morgen wieder, ok?" Vergnügt hopste er endlich herunter und lief dann eilig auf das Mädchen zu. Aber...
 

"Hey! Was machst du denn da im Gebüsch?"
 

"Psssh... Nicht so laut" bat sie ihn ängstlich in einem leisen Ton. Einige Sekunden war sie still. Sekunden, in denen er darauf wartete, dass sie ihm einen Grund nannte. "Ich... Mein Papa ist hier."
 

"Echt?" fragte er mit leuchtenden Augen zurück. "Wow! Is' ja ein Zufall. Wollen wa' winken?"
 

"Nein!!" Panisch suchte sie ihre Stimme in der erwünschten Lautstärke wieder zu finden. "Nein... Er darf mich nicht sehen. Ich bin... Ich bin auch weggelaufen. Ich darf doch noch gar nicht alleine in den Wald gehen. Aber er wollte ja auch nicht Mama mit mir suchen, sondern nur Spaß haben und baden gehen. Ich hasse den Strand. Ich will nie schwimmen lernen. Nie!"
 

Leise kroch er zu ihr ins Gestrüpp und schaffte es nach einigen, anstrengenden Bemühungen, dass sie ihren Okonomiyaki festhielt, während sie noch immer wütend vor sich hin schimpfte. Irgendwann wurde sie durch den noch immer warmen, flachen Gegenstand in ihrer Hand in die Gegenwart zurückgerufen. "Was...?"
 

"Dein Essen... Guten Appetit."
 

"Weißt du, Ranma", sagte sie etwas besonnener. "Das war nicht nett von dir. Das Kind tut mir leid. Meine große Schwester sagt immer: Irgendwann rächt sich alles."
 

"Heh heh. Was kann mir der kleine Junge schon antun?"
 

"Das mein' ich nicht. Es war glaube ich ein bisschen unfair, das Kind so zu überrumpeln. Ich meine, du kannst wirklich toll springen, aber... Warum lachst du??"
 

"DAS war doch kein Sprung!! Weißt du was?" Schwungvoll sprang er auf seine Füße und drückte heldenhaft seinen angespannten Bizeps. "Ich mach' Martial Arts und trainiere jeden jeden Tag, um hundert- oder tausend- oder eine bazillieademal so hoch springen zu können!! Irgendwann werde ich der beste Martial Artist auf der gaaanzen Welt sein!"
 

"Martial Arts..." wiederholte sie geistesabwesend, doch plötzlich zuckte sie zusammen.
 

"Akane-chaaan! Wo bist du, meine Kleine?? Akaneee!!"
 

Mit zusammengekniffenen Augen lugte sie zwischen den Blättern hinüber zu dem dunkelhaarigen Mann mittleren Alters, der immer und immer wieder ihren Namen rief und ab und an ein paar Passanten anhielt, ihnen ein Foto zeigte und nach dem stetigen darauffolgenden Kopfschütteln ihrerseits seinen Weg fortsetzte.
 

"Du willst nicht zurück?" fragte Ranma sie besorgt. Ihre Lippen formten sich zu einem Schmollmund als sie wortlos ihren Kopf schüttelte.
 

"Na gut", sagte er schließlich. "Dann geh' ich auch nicht zurück." Verwundert blickte sie zu ihm auf. "Wir können doch zusammen leben. Keine Angst. Ich sorg' auch dafür, dass du jeden Tag Okonomiyaki bekommst."
 

Auf einmal musste sie kichern. Endlich nahm sie einen Bissen. Dann erst schien sie zu merken, wie hungrig sie war, biss noch mal ab, noch mal und noch mal. Erst nachdem sie schon fast aufgegessen hatte, sagte sie noch immer leicht glucksend: "Du klingst wie ein Großer. Warum bist du nicht wie die anderen Kinder?"
 

"Was meinst du?" fragte er ahnungslos. "Ich bin doch ein Kind."
 

"Aber du benimmst dich nicht so. Was denkst du, wenn du die Wolken siehst?"
 

Mit vor Ratlosigkeit verzogenem Gesicht schaute Ranma durch die dichten Äste eines Baumes, der sich weit über sie lehnte, gen Himmel. "Naja... Dass sie ganz weiß sind. Und ich glaube, sie sind totaaal weit weg."
 

Stöhnend rollte sie mit den Augen. "Also, wenn ICH die Wolken sehe, wünsche ich mir, auf einer wie auf einem Pferdchen zu reiten. Ganz schnell und ganz weit weg. Das macht doch bestimmt Spaß, glaubst du nicht?"
 

"Wenn du meinst..."
 

"Ganz schnell auf einer ganz weichen Wolke davon sausen. Und ich kann auf meine Familie und meine Freunde runter gucken und ihnen zuwinken. Und dort oben, wo mich keiner sieht und hört und stört, kann ich endlich so sein wie ich will und muss nicht immer tun, was sie mir sagen. Das ist schön..." Leise seufzend schloss sie für einen kurzen Moment ihre Augen.
 

Ranma dachte nach. Und plötzlich musste auch er kichern. "Ja... das klingt echt schön! Mein Papa sagt immer, ich soll nicht träumen. Ich hab' ihm einmal erzählt, dass ich gerne Schmetterlinge fangen möchte und dann hat er ganz böse geschimpft und mir zur Strafe meine Bohnen weggefuttert, um mir meine 'weibischen Angewohnheiten' auszutreiben!" Sich selbst bestätigend nickte er.
 

"Ich verstehe das zwar nicht richtig, aber ich finde, das klingt nicht nett."
 

"Find' ich auch..."
 

Stumm sah sie zu ihm zurück, während sie mit einer Hand gedankenlos ein paar Grashalme aus dem Boden rupfte, auf den sie sich gesetzt hatte. Plötzlich schrie sie auf und führte hastig ihre Hand zu ihrem Gesicht heran.
 

"Was is' los?" erkundigte er sich erschrocken und schaute zu ihr hinunter.
 

"Aua... Da war eine Distel", jammerte sie, als sie konzentriert beobachtete, wie ein Tröpfchen Blut aus ihrer Fingerspitze quoll.
 

Verständnislos schüttelte er den Kopf. "Du stichst dich an einer Distel und blutest??"
 

"Na und? Die hat Stacheln und die sind spitz."
 

"Mein Papa sagt immer, wer blutet hat nur eine zu dünne Haut. Deswegen haben wir vor einer Weile das Training mit den Steinen angefangen. Ich muss jetzt immer, wenn ich aufstehe, meine Hände dran reiben, damit sie ganz rau und unempfindlich werden."
 

Sie blinzelte. "Dein Papa ist wohl echt streng. Darfst du denn nie spielen?"
 

"Nur mit meinem Papa. Ich hab' keine Freunde."
 

"Aber... wir sind doch jetzt Freunde. Oder?"
 

Ranma schwieg einen Augenblick. Er wollte sich die Worte, die sie zuletzt ausgesprochen hatte, nicht nur deutlich vor Augen führen, sondern auch innigst genießen. Verlegen rieb er seine Lippen aufeinander, weil er nicht wirklich wusste, was er darauf antworten sollte. Nach einer Weile rief er schließlich aus: "Ich hab' eine Idee!" In seinen Augen funkelten viele winzige Sternchen auf. "Wenn du ganz viel trainierst, dann kannst du die Saotome Kampfschule mit mir zusammen erben."
 

"Was heißt 'erben'?"
 

"Ich glaube, wenn man ein Geschenk von einem ganz alten Menschen bekommt. Und mein Papa ist steinalt!!"
 

"Oh. Ich mag Geschenke. Aber, weißt du was? Mein Papa hat auch eine Kampfschule. Ich hab' da zwar noch nie trainiert oder so, aber ich glaube, die schenkt er mir auch irgendwann mal. Trotzdem danke."
 

"Aber... weißt du, wenn du später die Saotome Kampfschule erbst, weißt du, können wir, wenn wir groß sind, heiratigen!"
 

"Heiratigen? Hmm... Okay!" Lächelnd schob sie sich ihre Fingerspitze in den Mund und lutschte summend daran.
 

Ranma starrte sie auf einmal mit großen Augen an. "Wie schmeckt das...?" fragte er nach einem Moment aufgeregt, aber trotzdem so leise, als hätte man ihn für diese Frage ins Gefängnis sperren können.
 

"Du weißt nicht, wie Blut schmeckt?" Stumm schüttelte er den Kopf. "Hmm... Irgendwie lecker." Sie grinste.
 

"Darf...." begann er flüsternd. "Darf ich auch mal?"
 

Kichernd nahm sie ihren Finger aus dem Mund und streckte ihn ihm entgegen. Er stand noch immer, als er sich etwas zögerlich, aber dafür umso neugieriger ein Stück nach vorne beugte und schließlich schüchtern an ihrer kleinen Wunde saugte. Sie kicherte noch lauter. "Das kitzelt", rief sie ihm zu.
 

Erst nachdem er ausgiebig gekostet hatte, entfernte er sich wieder und schmatzte laut und kritisch. "Mmm..... Schmeckt nach.... Erdbeer."
 

"Was glaubst du wie deins schmeckt?"
 

Ihre Augen funkelten einander an. Dann schließlich machten sich diese hektisch auf die Suche nach weiteren Stacheln. Die der Distel waren leider zu weich für Ranmas abgehärtete Haut und verursachten nicht mehr als ein leichtes Pieken. Zwecklos. Schließlich fand er ein kleines Steinchen mit einer recht scharfen Kante. Wahrscheinlich war es als Splitter eines viel größeren Steines herausgesprungen. Es war perfekt. Langsam fuhr er sich mit seiner Zungenspitze über seine Lippen, als er versuchte, einen kleinen Schnitt an seiner Fingerkuppe zu verursachen. Hochkonzentriert schaute das Mädchen ihm zu. Seine Zähne knirschten. Es war wirklich unglaublich hart, viel härter als sie angenommen hatten, ihn zum Bluten zu bringen. Ohne ihn allzu sehr zu verletzen, selbstverständlich. Es durfte schließlich nicht mehr als ein kleiner Stich sein.
 

"Oh." Gab er mit einem glasigen Blick von sich, als er endlich etwas tiefrote Flüssigkeit aus einer winzigen Wunde dringen sah. "Willst du diesmal zuerst?" fragte er ganz Gentleman-like und hielt ihr seinen leicht blutenden Finger unter die Nase. Etwas zögerlich streckte sie sich ein wenig, um ihr Gesicht näher heranführen zu können und strich langsam und ganz vorsichtig mit ihrer Zungenspitze darüber. Dann lehnte sie sich wieder ein Stück zurück und schien sich den Geschmack erst mal auf der Zunge zergehen zu lassen.
 

"Schmeckt nach..." schmatzte sie. "Banane."
 

Ranma lachte und lutschte nun ebenfalls. "Mmm... Stimmt!" gab er ihr Recht und nickte heftig. Plötzlich überkam ihn eine weitere Idee. "Wenn deins nach Erdbeer' schmeckt und meins nach Banane... Wie schmecken dann beide zusammen??"
 

Kichernd führten sie ihre Fingerspitzen aneinander, drückten für einen kurzen Moment fest zu und kosteten dann ein weiteres Mal. Beide waren sich einig: "So schmeckt es am aller aller aller besten!"
 

"Weißt du was?" sagte das Mädchen nach einer Weile. "Ich hab' mal einen Film geguckt, da haben zwei Leute auch Blut gemischt und so und da haben die gesagt, dass die damit ihr Leben lang miteinander verbunden sind."
 

"Das ist schön..." murmelte Ranma begeistert. "So wie, wenn zwei heiratigen, ja?"
 

"... Ich glaube... Das waren zwar zwei Männer, aber... Ich habe auch schon Männer gesehen, die geknutscht haben."
 

Verträumt blickte Ranma auf seine kleine Fingerspitze, die längst nicht mehr blutete, sich aber irgendwie noch kribbelig anfühlte. Erst durch ein leichtes Zittern, das er von dem Mädchen vernahm, schaute er wieder hoch. "Ist dir kalt?" fragte er mit angehobenen Augenbrauen.
 

"Ein wenig..." flüsterte sie. "Es wird langsam dunkel."
 

"Hast du Angst wenn es dunkel ist?"
 

"Ein bisschen. Früher blieb Mama immer so lange bei mir, bis ich eingeschlafen war."
 

Stumm setzte Ranma sich wieder neben sie. Ein leises Gähnen ertönte aus ihrem weit geöffneten Mund. Leicht verunsichert rollte er die Augen von einem Winkel zum anderen und rückte schließlich immer näher an sie heran. "Schlaf ruhig, wenn du müde bist. Jetzt pass' ich ja auch dich auf."
 

Lächelnd wandte sie ihr Gesicht zu ihm und schloss dann mit einem Seufzer die Augen. Ohne jede Vorwarnung lehnte sie sich plötzlich zu ihm hinüber und kuschelte sich eng an ihn. "Danke..." murmelte sie.
 

Ranma hatte noch nie zuvor erfahren können, wie sich eine derartige Nähe anfühlte. Der Körper des Mädchens war warm und auf seine bestimmte Art weich. Und obgleich er als kleines Kind keinerlei sexuelle Begierden verspürte, überkam ihn durch diese anhaltende Berührung auf einmal eine große Scham. Mit einem seligen Lächeln und heißen Bäckchen schaute er zu ihr hinunter. Sie war schnell eingeschlafen. Behutsam legte er seine Arme um sie und zog sie ein Stück zur Seite, sodass er sich gegen einen breiten Baumstamm lehnen konnte, um selbst etwas ruhen zu können. Seine Lider wurden schwerer und schwerer. So eine wohlduftende, schöne Zudecke hatte er wahrlich noch nie gehabt. Auch wenn sie auf dem dreckigen Boden in einem Gebüsch hockten, auch wenn es langsam kühl wurde, sie kein Geld hatten und nicht wussten, wo sie am nächsten Tag hingehen sollten... so war doch in diesem Augenblick für ihn alles wunderschön.
 

Sein Atem wurde tiefer... ruhiger...
 

Plötzlich schlugen seine Lider durch ein schreckliches, lautes Geräusch hoch. Jemand raschelte wild mit dem Geäst und den Blättern des Gebüschs. Jemand, der sehr groß war. Und das Schlimmste: Jemand, dessen riesige Hände versuchten, ihm das Mädchen aus den Armen zu reißen.
 

"Akane-chan, da bist du endlich, meine Kleine." Weinte die große Gestalt und zerrte auch noch weiter an ihr, obwohl sie bereits verschlafen ihre Augen geöffnet und sich gewehrt hatte, mitzukommen. Auf einmal fuhr sie erschrocken hoch.
 

"Nein!" rief sie winselnd und begann heftig ihren Kopf zu schütteln. "Ich will noch nicht, Papa. Ich will nicht..."
 

"Du weißt nicht, was du da redest, mein kleiner Schatz. Hat dir der Junge etwa was angetan?"
 

"Hey!" schrie Ranma und sprang auf seine Füße, ließ das Mädchen jedoch noch immer nicht los. "Sie ist MEINE Verlobigte. Ab heute kümmer' ich mich um sie. Und wenn wir groß sind, dann heiratigen wir!" Mit einem selbstsicheren Blick schaute er dem großen Mann in seine verwirrten Augen.
 

"Uff...", gab dieser zunächst knapp von sich und löste mit einer kräftigen Griff Ranmas Umarmung. "Kleiner", sprach er weiter und tätschelte ihm den Kopf, nachdem er das Mädchen nun auf seinem Arm trug. "Meine Tochter ist bereits verlobt. Tut mir sehr leid für dich."
 

Ranma fuhr mit großen Augen zurück. Langsam schweifte sein Blick zu dem Mädchen hinüber, das allmählich scheinbar zu müde geworden war, um sich zu wehren. "Achso..." sagte er leise. Im nächsten Moment ballte er jedoch seine kleinen Hände zu Fäusten. "Dann werde ich, wenn ich groß bin, gegen ihn kämpfen. Und wenn ich gewinne, dann..."
 

Das Mädchen lächelte ihm zu. "Du gewinnst bestimmt. Ich will nie nie einen anderen heiratigen."
 

"Ehhhm....... Kinder?" mischte sich der Große nun wieder ein, war jedoch sichtlich verwundert über das eigenartige Hin und Her zwischen den beiden. "Ich bin mir sicher, dass ihr zusammen eine Menge Spaß hattet, aber jetzt müssen wir los. Wir wollen doch morgen noch mal Schnorcheln gehen, nicht wahr meine Kleine?" Ahnungslos lächelnd schaute er zu seiner Tochter, die jedoch wieder mürrisch das Gesicht verzog.
 

"Mm...mm....mm!" machte Ranma laut und aufgeregt und hopste auf und ab.
 

"Ja?" fragte der Mann mit angehobenen Augenbrauen zurück.
 

"Ich will ihr nur noch was sagen. Darf ich?" Er machte eine kurze Pause. "Aber du darfst nicht mithören!" schimpfte er dann streng.
 

Der Papa des Mädchens seufzte, scheinbar stark bemüht, seine Ruhe zu bewahren und gewahr dem kleinen Jungen schließlich seinen Wunsch, als er sich zu ihm herunterbeugte und verstohlen sein Gesicht von den beiden Kindern abwandte.
 

Erwartungsvoll schaute das Mädchen zu ihm herüber als er sich lächelnd vorbeugte und ihr ins Ohr flüsterte: "Ich liebe dich."
 

Auch sie lächelte. Sie beide lächelten einander an. Sie beide waren traurig wegen des plötzlichen Abschieds. Aber gleichzeitig schienen sie beide sich ebenfalls mit dem Gedanken zu trösten, dass sie einander gefunden haben.
 

"Mach's gut, kleiner Engel. Wir sehen uns irgendwann wieder!"
 

"Versprochen??"
 

"..... versprochen.... irgendwann....... irgendwie... bestimmt..."
 

Ranma winkte ihr hinterher. Seinem ersten Freund. Nie wieder wollte er die Worte, die er soeben zu ihr gesprochen hatte, jemand anderem sagen. Denn irgendwann, irgendwie würde er sie wieder finden. Seinen Engel mit den braunen Augen und den kurzen, dunklen Haaren.
 

***
 

Vielleicht sieht man sogar irgendwann wieder. Doch nicht mit den Augen.
 

Facetten des Glücks. Des Zueinanderfindens.
 

~
 

"Kommst du mit in den Dojo?"

"Hm?"

"Ich heiße Akane. Wir können Freunde sein."

".... m-hm..."

*Warum muss ich plötzlich lächeln...?*
 

Worte von ungeahnter Bedeutung.
 

~
 

Facetten der Unvergänglichkeit.
 

Manchmal ist es wirklich nur ein winziger Augenblick. Zumindest kommt es uns so vor.
 


 

~danke fürs Lesen~



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Kommentare zu dieser Fanfic (68)
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Von: abgemeldet
2008-08-17T18:59:45+00:00 17.08.2008 20:59
Deine Prologe, bzw. die Einführungen in die Geschichte sind jedesmal wunderschön und ein besonderer "Hinleser"! Auch die Auf-/Einteilung und der Aufbau von deinen Geschichten wirkt überzeugend, schlüssig und macht das Lesen zu einem richtigen Erlebnis! Ich kriege einfach nicht genug von deinen FFs und sie sind eine wahre Fundgrube für jeden Ranma-Fan, der das Pairing Ranma/ Akane genauso klasse findet, wie ich.
OMG!!!!! Ich schreibe diesen Kommentar beim Lesen (also nicht wundern) und ich muss mich richtig zusammenreißen, um nicht dauernd loszuquietschen!!!! Diese FF ist 100% mein Geschmack, wirklich und ich freue mich schon wahnsinnig auf die Fortsetzung, die ich schon entdeckt habe. Du hast echt total klasse Ideen - und die Art und Weise erst, wie du Gefühle beschreibst!! Beneidenswert ... ^^ Das ist so ganz anders, als in den meisten FF, bei dir geht das irgendwie viel mehr in die Tiefe, wirkt ernsthafter (nicht ernster, sondern glaubhafter, mein ich) ...
Und was natürlich das ganz besondere Highlight war, wie alles auf diesen einen, ganz besonderen Moment und den Prolog hinausgelaufen ist ...
Und jetzt bin ich schon wahnsinnig gespannt auf den nächsten Teil!!!
Ach ja: Das Ende war wirklich unbezahlbar!! Ich kann mir das alles wirklich lebhaft vorstellen. Und wie die zwei vom "heiratigen" reden ... Ach ja. *seufz*
Von:  Kazuha
2007-03-31T19:06:18+00:00 31.03.2007 21:06
~~"Schön..." flüsterte er anerkennend, als er sie betrachtete.~~

um mal den süßen kleinen ranma zu zitieren~~ hehe~ denn besser könnt ich es nicht sagen!!!!!!!
die geschichte war so ergreifend und wunderschön und romantisch und einfach so... <3~
ranma und akane wollen heiratigen xDDDD ja genau... ahhh, das war soooo~~~ unendlich niedlich!!
und er hat ich liebe dich gesagt!! ^^ wusste denn der teenie-ranma, dass sie das damals war? eher nicht, oder?
das gedicht war echt schön.
lyriches ich und so, dass hatten wir auch grad erst in deutsch. ein echt komplexes thema. am besten war die passage:

~~Ranma dachte nur wenige Sekunden nach, verzog dann sein Gesicht wie ein kleines Kind vor einem riesigen Teller Spinat und schüttelte schulterzuckend seinen Kopf.~~

*lach* das gesicht konnte man sich so richtig schön vorstellen!! :D
was ich, wie auch bei "berührungen 1/2" schön fand, war diese tiefe der charaktere. dass ranma und akane zwei starke, vielseitige personen sind.
da ist zum einen akane, die manchmal richtig kratzbürstig sein kann (nur um ranma zu zitieren ^^), aber auf der anderen seite lieb und sensibel ist.
und dann ist da ranma, der stark sein will, stark sein MUSS, der alles tun würde, um der beste martial artist zu sein, beleidigend und kalt und gemein ist, weil ein martial artist, wie du es selbst geschrieben hast, keinerlei gefühle zeigen soll. aber genau so wie akane hat er eine verletzliche, eine verwundbare seite, eine richtig sanfte seite, die er aber niemandem zeigt.

wie gesagt, die geschichte war wirklich super! obwohl mich teilweise die länge der kapitel erschrocken hat ^^, hab ich sie in eins durchgelesen... und ich werd demnächst wohl auch mal die fortsetzungen lesen ;)
dein schreibstil gefällt mir total toll. der lässt scih so richtig schön durchweg lesen ^^
mach nur weiter so und noch mal ein dickes lob!!!
<3 liebe grüße ^^ <3
Von:  T4schi
2006-10-30T23:55:44+00:00 31.10.2006 00:55
Also ..
Diese FF war einfach ..... FANTASTISCH !!
DAS WAR BESTIMMT DIE BESTE FF DIE ICH BISHER GELESEN HABE!
=') Echt , diese FF war einfach rührend ..
Du hast echt Talent!! Ich bin erst seit kurzem hier und bin zufälligerweise auf deine FF gestossen .. ich kann nur sagen das sie einfach der Hammer ist !! Ich würde sooo gern das du immer weiter schreiben würdest .. es war einfach sooo schön ='))))) Echt ich hab mir diese ganze Geschichte bestimmt schon zum dritten mal gelesen und ich kann einfach nicht dafon los lassen ... boar einfach nur cool !! Du hast die Character super getroffen und deine schreibart ist einzigartig! EInfach nur klasse !!! Bitteee schreib weiterrr LOL ****
Von: abgemeldet
2005-08-17T23:33:11+00:00 18.08.2005 01:33
wooow... was eine bombastische ff
*total gerührt*
deine ausdrucksweise ist wahnsinn
und die handlug ist super!
hattest du dieses thema mit sturm und dran usw. gerade in der schule, oder wieso hattest du das so geziehlt eingesetzt. das hatte mich super gefallen
und deine gedichtsinterpretation war auch der hammer
aber jetzt muss ich echt mal ins bett... seh ja nur noch buchstaben ;)
wahnsenig toll... ich kanns nur immer wieder betonen!
mach ja weiter so ;)
ich werde mal in deinem stecki vorbeischneien denk ich =D

tschüü lena
Von: abgemeldet
2004-10-10T18:44:46+00:00 10.10.2004 20:44
*seufzt*

*sprachlos bin*

Eine sehr sehr schöne Story hast du da geschrieben. Sie ist sehr gefühlvoll und auch die Emotionen hast du sehr schön beschrieben. Die erste Begegnung von RAkane und Ranma ist süß. Die kurzen Erinnerungssequenzen passen sehr gut in die Rahmenhandlung und die Einleitung und der Schluss sind klasse.

Leider sind Akane und Ranma stellenweise ziemlich ooc. Z.B. sehe ich nicht, dass Ranma, so wie ich ihn verstehe, sich jemals selbst verletzen würde. Auch die verträumten Blicke in den Himmel und die inneren Monologe kommen für meinen Geschmack ein wenig zu früh. Dafür, dass er in deiner Story eine enorme Entwicklung durch macht (immerhin muss er lernen, zu seinen Gefühlen zu stehen), sind seine introspektiven Gedanken zu früh zu "romantisch" (aber das ist nur meine Meinung).
Ich glaube auch nicht, dass Akane einfach so in der höhle still vor sich hinfrieren würde.

Sehr schön ist auf jeden Fall, dass die Entwicklung bei beiden ein schwieriger Prozess ist, in dem es auch immer wieder zu Rückfällen kommt. Es gibt viel zu viele Geschichten nach dem Motto Streit - Liebesgeständnis - happy ever after und deine gehört ganz sicher nicht dazu.

Im deutschen Bereich zählt deine Geschichte auf jeden Fall mit zu den besten, die ich bisher gelesen habe. Dehr dvhön und sehr gut gelungen.

*zwei Daumen hochstreck*
Von:  Amudha
2003-12-13T13:49:32+00:00 13.12.2003 14:49
Hi Chiyo-chan^_________^
*erstmal vergeblich versuch die passenden Worte zu finden*
//Ganz ruhig...// *ein und ausatmet*
....
v.v" Bereue es total, dass ich "Elysium-Suche nach dem Glück" by LadyChiyo sooooooooooooo, menno..spät 'gefunden' hab *sniff* ...und irgendwie auch, dass ich es fertiggelesen habe (Im positven Sinne, ja? *meine Ausdrucksschwäche lässt grüßen* T_T).....tröste mich mit der Erkenntnis, dass es schon einen zweiten Teil gibt...
(Elysium II sei hiermit vor mir gewarnt...hehe ^.~)
Nun zu dem 1. Teil:
WOW WOW WOW WOW WOW WOW WOW WOW WOW.....WOW !!!
Ich bin ehrlich gesagt, extrem begeistert...V^o^V
Ich freu mich so sehr, dass ich diese FF gelesen hab ^___________________^ ...Sie hat mir manche 'gestresste', 'beschissene'...ooops, ähem...also 'nicht so gute' Tage gerettet *ehrlich*
...und ganz nebenbei, ohne wirklich darüber bewusst zu sein..hab ich für Geschichte/Kunst (Klassizismus) gelernt *g*
Die FF hat mich sehr oft..an 'merkwürdigsten' Stellen (bitte nicht nach Bsp. fragen v.v") zum Nachdenken gebracht...
=> 'Elysium - Suche nach dem Glück' hat mir sehr gefallen^^
*knuddelz* *thx for writing* *deinen Schreibstil und FF bewunder^^*

Deine Fanin (<-- In diesem Falle ^^, Kollegin^^)
Swetha


P.S:
*offen gesteh* Ich hätte das Gedicht von K. genauso wie Ranma interpretiert ^^""" *Martin sei dank XP*
Von:  Deloran
2003-10-11T10:15:48+00:00 11.10.2003 12:15
Iiiieeek *totumfall* Boah. *zuckzuck*
...
So, wieder von den Toten auferstanden^^. Meine Güte... das war ja sowas von süüüüüß!! Hilfe. Hoffentlich hat mich niemand gesehen, als ich deinen Epilog las... ^^Ich hab die ganze Zeit nur wie ein Volltrottel gegrinst (was mein Image als "durch-und-durch-bösartig" ruinieren könnte...)...
Was wollt' ich noch sagen? Hab's vergessen. In meinem begrenzten Spatzenhirn ist nur noch Platz für Gedanken über gewisse Engelsblumen und Vagabunden........
Ignorier mich einfach.
Von: abgemeldet
2003-10-10T19:02:16+00:00 10.10.2003 21:02
wow... was soll ich sagen.. wow
ich find kindergeschichten toll... wenn man sich nrru an sowas erinnern könnte.. *seufz*
aber ehrlich, manchmal frag ich mich woher du solche ideen nimmst.. und dann auch noch so großartig und voller gefühl schreibst...
du bist bestimmt eine ganz dolle liebe person, wenn du mit so viel liebe schreibst! das ist für mich sicher!
hmmm *schwärm*... aber wie du darauf kommst das blut nach banane oder erdbeer schmeckt *lach* das ist schön... das will ich auch gern mal schmecken! meins schmeckt immer nach.. naja, warm und klebrig.. eisen.. obwohl ich noch nie eisen gegessen habe Oo...
aber es ist toll... mein gott, ich wünscht ich würd mich trauen mir innen finger zu ritzen ._. *auch ne blutsfreundschaft machen mag*
danke fürs schreiben, du engel!
werd ich bestimmt schön von träumen heute nacht ^^
*knuddel*
dein fey
Von: abgemeldet
2003-10-10T09:32:01+00:00 10.10.2003 11:32
Ich....ich bin überwältig.Wo hast du bloss immer deine Ideen her.Das ist einfach unglaublich.Jedes Wort das Nihao-kun im letzten Kapitel gesagt hat ist war.Deine FF ist wirklich etwas besonderes.Ich finde du hast einen sehr guten Schluss gefunden.So rein und schön. Du hast diesen Moment sehr gut festgehalten.Schade das die FF schon vorbei ist, aber ich freue mich schon auf deine nächste.Ich hoffe du lässt wieder von dir hören,
deine Tamaryn12
Von:  Amudha
2003-10-10T08:33:53+00:00 10.10.2003 10:33
Hi Chiyo^^V
Empfolen von Kia hab ich deine FF gelesen^^: 100% *nick* Ganz ehrlich, ich bereue es nicht^^
Guter Schreibstil!!! Und die Geschichte scheint auch noch interessant zu sein^^....hihi
NUR SCHADE, dass ich es zu spät entdecke...*total bereu* v.v" ^^""....Ich werde sie auf jeden Fall weiterlesen^^...

Bis dann^^
deine neue Fan
Swetha^^V


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