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April April!

von

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Aprilscherz (von Finnick Odair)

Erster April

Im Jahr der 82 Hungerspiele

Distrikt 4
 

Katniss‘ Augen schienen von Sekunde zu Sekunde größer zu werden. Und irgendwie erinnerte sie ihn damit an das Krakenspielzeug von Dylan, bei dem die Augen auch so heraus quollen, wenn man drauf drückte. Finnick musste sich arg zusammenreißen, nicht laut auf zu lachen, sondern einfach weiter zu reden.

„Ach, jetzt guck nicht so schockiert, Katniss. Ich bin nicht blöd weißt du. Ich sehe auch ganz genau, wie du mich anguckst. Und weißt du noch, als du letztes Halloween ganz aus Versehen in mein Zimmer geplatzt bist, als ich mich umgezogen habe? Oder als du meinen Hintern begrabscht hast letzten Frühling? Und erst gestern hast du mir auf den Schritt gestarrt. Ich hab's genau gesehen“, triumphierte Finnick, während Katniss‘ Gesichtsfarbe ein leuchtendes Rot annahm. Also jetzt stand sie wirklich in Flammen, so viel stand fest und Finnick hatte seinen Spaß. „Das stimmt doch so gar nicht!“, protestierte sie heftig und schüttelte den Kopf. „Ich wusste nicht, dass du dich da drin umziehst. Und ich habe nicht deinen Hinter begrabscht, ich habe dich festgehalten, weil du den Ball vom Baum holen solltest! Und ich habe gestern nicht auf deinen…“ Sie gestikulierte hilflos und ließ den Satz unbeendet, was Finnick schon fast laut auflachen ließ. Katniss eignete sich hervorragend für Scherze solcher Art, eben weil sie der verklemmteste Mensch der Welt war.
 

Er rückte gleich noch etwas näher heran und schob seine Brille zu Recht, die er seit einem guten Monat trug. Für Finnick war es ein Desaster gewesen! Er war Finnick Odair und er brauchte keine Brille! Allerdings war der Arzt anderer Meinung gewesen. Mit fast 31 hatte er eine Brille bekommen und war damit in seine erste Midlifecrisis gekommen. Das Drama hatte damit angefangen, dass er immer immense Kopfschmerzen gehabt hatte, wenn er Dylan abends vorlas. Und diese hatten sich langsam aber sicher ausgebreitet. Plötzliche waren sie auch da, wenn er Nachrichten sah, wenn er versuchte Dinge in der Ferne zu erkennen. Irgendwann hatte Annie ihn dazu gedrängt zum Arzt zu gehen und er hatte dieses Monstrum bekommen. Es war egal dass Annie fand, dass er damit gut aussah. Finnick war nämlich selbst nicht der Ansicht und Katniss anscheinend auch nicht. Sie hatte sich enorm über ihn lustig gemacht. Die hatte gut lachen! Sie war immerhin auch gut sieben Jahre jünger. Und das bedeutete, dass all das noch vor ihr lag. Und wenn es so weit war, würde Finnick sie systematisch fertig machen. Aber gerade mussten andere Späße die Zeit überbrücken.
 

„Es liegt an der neuen Brille, oder?“, hakte Finnick nach und wackelte mit den Augenbrauen. „Gib es zu, du stehst drauf. Das sieht sexy und intelligent aus.“ „Du bist nicht intelligent“, entgegnete Katniss und rückte auf dem Sofa weiter von ihm ab. Finnick schloss die entstandene Lücke sofort wieder, weswegen Katniss das Gesicht verzog. „Aber sexy?“ „Das habe ich nicht gesagt!“

Jetzt musste Finnick doch auflachen. Katniss war einfach zu lustig. Ungeachtet der Tatsache, dass sie sich dagegen sträubte, legte er ihr den Arm um die Schulter. „Wenn du dir Sorgen wegen Peeta machst, das habe ich schon geklärt. Er hat nichts dagegen“, fuhr Finnick vertraulich fort und senkte die Stimme. „Ehrlich gesagt ist es nicht ganz uneigennützig. Annie und ich sind jetzt seit fast sechs Jahren verheiratet. Und sie hat mir verraten, dass sie Peeta süß findet. Ist dir aufgefallen, dass sie ihm immer nachrennt? Wenn er in die Küche geht, geht sie mit. Wenn er nach den Kindern sieht, geht sie mit. Ich sag dir, die beiden finden sich nicht schlecht. Jedenfalls ist es ja nur für eine Nacht und es ist nichts dabei. Wir sind alle erwachsenen Leute, wir sind Freunde. Es ist keine große Sache. Und dann leben wir uns Eheleben einfach weiter“, erklärte er Katniss, die wirkte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Ihr Mund öffnete und schloss sich wieder, ohne dass Worte heraus kamen. Vielleicht versuchte sie das soeben Gehörte zu verdauen.
 

„Katniss“, lachte Finnick und schüttelte sie leicht. Das tat ihm fast ein wenig leid, aber eben nur fast. „Du machst dir deswegen doch keine Sorgen, oder? Annie wird dir deinen Peeta schon nicht wegnehmen“, beruhigte er sie. Immerhin hatte Annie Finnick Odair. Da musste sich Katniss doch wirklich keine Sorgen machen. „Das ist wirklich alles viel harmloser als du denkst. Ich kenn mich da aus, vertrau mir. Viele Paare machen mal einen Partnertausch.“ Katniss starrte ihn an, als hätte er ihr gerade verraten, dass Präsident Snow von den Toten auferstanden war und heute mit ihnen zu Abend essen würde. „Sieh mal, es soll ein Geschenk zum Jahrestag werden. Wieder etwas mehr Spannung in unserer Beziehung. Und ihr könntet die auch vertragen, oder? Sind wir doch mal ehrlich, seit die Kinder da sind, und ich liebe die Kinder wirklich, aber seid die Kinder da sind, sind wir total im Alltag gefangen. Streite es ja nicht ab, ich bin kurzsichtig und nicht blind.“
 

„Aber das ist kein Grund mit anderen zu schlafen!“, empörte sich Katniss panisch und plötzlich hatte sie diesen Blick, als würde etwas mit ihm ganz und gar nicht stimmen. Unter normalen Umständen würde Finnick es ihr übel nehmen, aber gerade konnte er sie sogar verstehen. Dass sie ihm noch kein blaues Auge gehauen hatte war alles. „Wieso fragst du nicht lieber Johanna und Blight?“, fragte Katniss hoffnungsvoll und sah aus dem Fenster, wo Johanna hinter Maggy und Kian her jagte, während Blight und Peeta den Grill bewachten. Die kleine Freya scherte sich nicht um das Getöse um sie herum. Sie war damit beschäftigt, ihre berüchtigte Sandkuchen zu backen und war mit sich und der Welt in dem muschelförmigen Sandkasten mehr als zufrieden.

Die Kinder auf der Wiese kreischten und riefen ausgelassen, während Johanna den Auftrag innehatte, sie vom hinteren Teil des Gartens fernzuhalten. Denn der war behelfsmäßig abgesperrt, weil sie dabei waren, ein Kinderplanschbecken auszuheben. Finnick fand, dass es ideal für die kleine Cora war, wenn sie schwimmen lernen sollte. Und im Sommer würde es der Hit bei allen Kindern sein. Aber Annie beschuldigte ihn, das Ding für sich nutzen zu wollen, was vielleicht ein ganz kleines bisschen stimmte. Vor seinem inneren Auge sah er Johanna und sich mit Stühlen davor sitzen, während sie die Füße ins kühle Wasser hielten. Aber das hatte er Annie gegenüber nicht zugeben wollen.
 

„Jo ist meine beste Freundin! Das ist ja eklig, Katniss!“, empörte sich Finnick bestürzt bei seiner Gesprächspartnerin, die aussah als würde sie die Welt nicht mehr verstehen. „Außerdem stehe ich mehr auf Brünett“, fügte er hinzu und schnappte sich eine ihrer Haarsträhnen, um sie um den Finger zu wickeln. Empört schlug Katniss seine Hand weg und Finnick lachte leise auf. „Außerdem hat Peeta mir schon zugesagt. Er fand die Idee gut. Du kannst mich doch nicht hängen lassen, Katniss! Das wäre nun wirklich ziemlich blöd, wenn meine Frau und dein Mann… und wir nicht.“
 

„Finnick?“, ertönte Annies Stimme aus der Küche und er wandte den Kopf um. Annie war gestresst, weil sie Besuch hatte. Besser, er antwortete sofort. „Liebling?“, entgegnete er. „Kannst du Cora nehmen? Ich muss den Salat fertig machen, ohne dass sie mich davon abhält.“ Seufzend sprang Finnick auf und kam Annie entgegen, die ihm Cora in ihrem Maxikosi entgegen trug. Das Kind gluckste fröhlich vor sich hin und starrte fixiert auf das Mobile über ihr.

„Uh, Mrs. Odair, Sie haben Dressing im Gesicht“, informierte Finnick seine Frau und griff nach dem Maxikosi, während er mit dem freien Arm Annie an sich zog und den Dressingfleck mit der Zunge weg leckte. Lachend wand sie sich aus seinem Griff. „Lass das, ich muss arbeiten, Finnick“, tadelte sie ihn gut gelaunt, als gerade Peeta den Kopf durch die Terrassentür steckte. „Arbeiten? Soll ich dir helfen, Annie?“, bot er hilfsbereit wie immer an. „Ich könnte auch helfen“, fand Finnick und erntete ein sofortiges Kopfschütteln von seiner Frau. Das kannte er schon, er hatte nichts anderes erwartet. „Lass Peeta nur machen, setz dich zu Katniss und kümmere dich um deine Tochter“, kommandierte sie und verschwand gefolgt von Peeta in der Küche.
 

Schulterzuckend kehrte Finnick zu Katniss zurück, die aussah, als würde sie gleich Amok laufen. Wie perfekt, dass ausgerechnet jetzt Peeta und Annie diese kleine Vorstellung geliefert hatten. „Siehst du! Wir versinken im Alltag, eine Nacht mit anderen Partnern wird das schon richten, aber versau mir bloß nicht die Überraschung. Sie hat keine Ahnung. Und kein Wort zu Jo und Blight. Ich will nicht, dass das die Runde macht, ja? Und die Kinder müssen das erst Recht nicht mitbekommen“, schärfte er Katniss ein, bevor er sich tatsächlich mit Cora beschäftigte „Cora, du machst doch keinen Stress, oder? Mommy hatte gar keine Arbeit mit dir. Du bist ein ruhiges und liebes Kind“, redete Finnick mit dem Kind auf seinem Schoß. Sie lag immer noch in ihrem Maxikosi und gluckste vergnügt, als Finnick das Mobile anstupste. Sie war so ein liebes Baby. Im Gegensatz zu Dylan, der als Baby ein echter Quälgeist gewesen war und jetzt dafür friedlich das Blumenbeet umgrub und Schneckenhäuser suchte. Der Junge kam wirklich nach seiner Mutter.
 

Die Tür schwang plötzlich auf und Finnick drückte Katniss Cora hastig in den Arm, als Maggy angerannt kam und auf seinen Schoß hüpfte. Seine Älteste nahm keine Rücksicht auf Verluste, was das anging. Vielleicht gerade weil sie das erste Kind gewesen war und sie während des Krieges geboren war, war sie verhätschelter als die anderen beiden. Und das war größtenteils Finnick zu zuschreiben. Maggy wickelte ihn selbst jetzt noch spielend um den Finger. Sie kam eben nach ihm.
 

„Daddy, Kian und ich sind schneller als Tante Jo!“, strahlte sie begeistert und Finnick lachte. „Jeder ist schneller als Tante Jo, Prinzessin. Sie ist 'ne lahme Schnecke“, erwiderte er. „Setz das Kind ab und sag das nochmal, Odair. Oh, warte nein, ich darf keinen hilflosem Brillenträger schlagen“, knurrte Johanna, die an der Terrassentür lehnte. Sie stand Katniss in Nichts nach, was dumme Scherze über seine neue Brille anging. „Witzig“, brummte Finnick und versuchte sich auf Maggy zu konzentrieren, die amüsiert zwischen ihm und ihrer Patentante hin und her sah. Maggy war daran gewöhnt, dass sich die beiden Erwachsenen stritten und schien es längst nicht mehr für voll zu nehmen. Im Gegenteil, sie betete ihre Tante an und sie kicherte jedes Mal amüsiert, wenn sie einen Schlagabtausch mitbekam.
 

„Finnick, hast du die Kinder mit dreckigen Schuhen ins Haus gelassen?“ Annie stand nicht gerade begeistert auf der Wohnzimmerschwelle und betrachtete genervt die Dreckspur, die nun von der Tür zum Sofa führte. Neben Johanna stand Kian auf dem Teppich und sah ertappt auf seinem Füße. Ohne ein weiteres Wort suchte er lieber das Weite. Peeta hatte gesagt, dass Kian Angst vor Finnick hatte. Wobei Angst sicher das falsche Wort war. Finnick nannte das Respekt. Und Respekt war gut. Vor allem, wenn es um seine Tochter ging, mit der Kian viel zu viel Zeit verbrachte.

„Nein, das war Johanna. Jo, ich hab dir gesagt, achte auf die Kinder. Wirklich! Dir ist klar, dass du das wegmachen musst, oder? Du willst doch nicht das Annie das wegmachen muss, oder?“, beschwerte sich Finnick bei Johanna, die ihm einen Mörderblick zu warf. Vermutlich hatten sie sich doch nicht so ganz von der Minibaustelle ferngehalten. Bevor sie allerdings damit anfangen konnte, dass er die Fußspuren wegmachen konnte, trug Finnick Maggy aus dem Haus. „Komm nicht mehr mit den Schuhen ins Haus, sonst dreht Mummy durch“, flüsterte er Maggy zwinkernd zu und strubbelte ihr durch die Haare. „Daddy! Lass das!“, beschwerte sie sich und eilte dann wieder davon, um zu Kian auf die Schaukel zu springen. „Denk dran, dass du ein Kleid trägst!“, rief Finnick ihr vergebens nach, als sich Maggy schon zu Kian auf die Schaukel stellte und ihm damit einen kostenlosen Blick auf ihre Unterhose gewährte.

Blights Lachen erklang vom Grill aus und Finnick wandte sich ihm zu. „Das sind Kinder. Kian versteht gar nicht, dass es da etwas zu gucken gibt“, beruhigte Blight ihn auf seine wirklich sehr ruhige und vernünftige Art, während er das letzte Würstchen vom Grill nahm. Der hatte gut reden. Wenn er mal Vater werden würde, sähe die Sache bestimmt ganz anders aus. Allerdings war sich Finnick nicht sicher, ob er mit Johanna an der Seite überhaupt jemals Vater werden würde. Jo war was das anging eigen. Allerdings musste Finnick zugeben, dass sie nicht mal so schlecht mit Kindern umgehen konnte, wie er immer gedacht hatte. Gerade vergnügte sie sich damit, sich zu Dylan zu gesellen und ihn aus dem Blumenbeet zu heben, was bestimmt eine gute Idee war, bevor Annie ihn dort entdeckte.

„Noch weiß er das nicht“, murmelte Finnick düster und wandte sich wieder zum Haus um, um die Getränke zu holen, bevor Annie ihn deswegen auch noch anfuhr.
 

„Katniss, kommst du raus?“, erkundigte sich Finnick, als er den Wasserkasten holte. „Alle sitzen schon am Tisch.“ Er warf einen Blick nach draußen, wo nun sogar schon Mags eingetrudelt war und dankend Freyas Sandkuchen ablehnte, den sie zuvor schon Blight hatte andrehen wollen.

Annie eilte mit dem Salat an ihnen vorbei. „Ja, komm, Katniss. Blight sagt, das Fleisch ist durch“, rief sie Katniss über die Schulter hinweg zu. Die sah allerdings eher so aus, als hätte sie etwas auf dem Herzen. „Finnick, ich…“, setzte Katniss an, und wurde durch Peeta unterbrochen, der den Brotkorb aus der Küche trug. „Peeta, deine Frau ist überhaupt nicht kooperativ“, beschwerte sich Finnick prompt und wandte sich an seinen Freund. „Sie will mir nicht bei der Überraschung zum Jahrestag helfen.“

Ganz wie Finnick erwartet hatte, warf Peeta seiner Frau einen fragenden Blick zu. „Wieso? Was hast du dagegen? Die Idee ist doch gut. Ich denke, dass Annie sich wirklich darüber freuen wird“, fand Peeta sichtlich verwirrt und bevor Katniss etwas sagen konnte, riss Finnick das Wort wieder an sich. „Ich weiß auch nicht genau. Es muss an mir liegen“, seufzte er und warf einen Blick über die Schulter. „Aber vielleicht sollten wir nicht hier darüber reden. Annie bekommt sonst nur etwas mit“, fügte Finnick leiser hinzu und beobachtete, wie Annie draußen Dylans Hände abwischte, bevor er sich an den Tisch setzen durfte. „Ehrlich, Katniss, es ist nur für eine Nacht, das können wir doch machen“, raunte Peeta Katniss zu, bevor Annie das Haus wieder betrat und alle verstummten. Aber sie war zu gestresst um etwas mit zu bekommen. „Finnick, hol bitte die Soße“, wies sie ihn an. „Und der Rest, setzt sich. Wir können anfangen“, sprach es und verschwand.
 


 

„Dylan, du musst auch dein Gemüse essen. Zucchini ist gesund und lecker“, versuchte Annie ihren Sohn zu überreden, während Finnick seine Zucchini auf Johannas Teller ablud und einen strafenden Blick dafür von seiner Frau erntete. „Daddy isst das auch nicht!“, verkündete Dylan und sah ihn jetzt ebenfalls vorwurfsvoll an. „Nein, Daddy hat seine Portion nur Tante Jo gegeben, weil sie das nötiger hat als er. Du musst noch wachsen, du musst es selber essen“, erklärte Finnick und zuckte zusammen, als Johanna ihm unter dem Tisch auf den Fuß stieg. „Dylan, du gibst dein Essen nicht auch Tante Jo!“, stöhnte Annie und fing die Hand ihres Sohnes ab, der nun schmollend auf seinen Teller starrte. „Ist wie Vater“, kommentierte Mags zwischen zwei Bissen und fing amüsiert Finnicks Blick auf. „Dafür bekommt dein Vater meine Möhren, weil die gut für die Augen sind. Und anscheinend hat er nie genug davon gegessen, sonst bräuchte er keine Brille. Dylan, du willst doch keine Brille wenn du älter bist, oder? Dann musst du dein Gemüse essen“, fügte Johanna grinsend hinzu und Finnick widerstand nur knapp der Versuchung ihr Gesicht in die Portion Zucchini zu drücken, die auf ihrem Teller lag.
 

„Katniss, was ist los, schmeckt es dir nicht?“, erkundigte sich Blight besorgt und alle Augen richtete sich auf Katniss, die tatsächlich eher wie ein Häufchen Elend da saß und ihr Essen auf dem Teller hin und her schob. „Möchtest du etwas anderes?“, fragte Annie. „Ja, vielleicht hast du ja Hunger auf etwas anders als das was auf deinem Teller liegt“, pflichtete Finnick seiner Frau scheinbar harmlos bei. „Ich kann dir gerne was anderes besorgen.“ Das Wackeln seiner Augenbrauen bemerkte nur Katniss und starrte ihn entsetzt an.

Oh ja, er war Meister in zweideutigen Anspielungen und Katniss hatte das schon immer gehasst. Ihr Kopf wurde hochrot, während sie ein ‚Nein danke‘ heraus brachte und Finnick den Kopf senken musste, um sein belustigtes Grinsen zu verbergen. Amüsiert starrte er seinen nun leeren Teller an, während Katniss‘ Unwohlsein immer weiter zunahm.
 

„Es gibt Eis zum Nachtisch“, murmelte Annie bedrückt. Sie war eine gute Gastgeberin. Finnick tat es beinahe ein wenig leid, dass seine Frau sich solche Gedanken machte und alle Gäste glücklich machen wollte. Sie konnte nicht wissen, dass Katniss‘ Zustand nichts mit ihrem Essen zu tun hatte. „Soll ich’s dir jetzt schon besorgen, Katniss?“, erkundigte sich Finnick und wurde Zeuge davon dass das Gesicht der Angesprochenen noch röter wurde. „Das Eis meine ich. Wir sind sowieso mit essen fertig“, fügte er beiläufig hinzu und schleckte seine Gabel langsam mit der Zunge ab, was bei Katniss vorgesehenes Grauen hervorrufen musste, wenn er ihre Gesichtsausdruck richtig deutete.
 

„Peeta, ich glaube ich fühl mich nicht gut! Vielleicht sollten wir den Urlaub abbrechen. Lass uns nach Hause fahren“, hörte er Katniss gerade leise an Peeta gewandt flüstern, die anscheinend keine Antwort mehr an Finnick richten würde. Sofort sahen alle jedoch wieder alarmiert aus. „Oh, ihr wollt schon gehen?“, fragte Johanna, während Annie einen wachsamen Blick auf Katniss warf. „Bist du krank?“ Vermutlich fürchtete sie, dass Katniss eines ihrer Kinder anstecken könnte und dann würde Im Hause Odair wieder der Quarantänezustand ausgerufen werden. Beiden Frauen waren wohl nicht gerade begeistert darüber, dass Katniss den Urlaub verkürzen wollte. Bei Johanna konnte Finnick das wirklich gut verstehen, ohne Katniss würde ihr eindeutig ihre Komplizin in Sachen Finnick-fertig-machen fehlen.

„Nein, Mommy“, fiepste Freya dazwischen und schüttelte den Kopf, so dass ihre Zöpfe umher flogen. „Wieso?“, beschwerte sich auch Kian weniger niedlich, dafür bestimmter bei seiner Mutter. „Ach was, Katniss muss sich nur ausruhen. Wieso gehst du nicht hoch und schläfst 'ne Runde? Soll ich dich ins Bett bringen?“, erkundigte sich Finnick und musste das Grinsen unterdrücken, als Katniss aufsprang als hätte sie sich auf eine Jägerwespe gesetzt und die Tischrunde verließ, was alle außer ihn verwirrte.
 

„Ich sollte nach ihr sehen“, seufzte Peeta, der offensichtlich beunruhigt war wegen dem Verhalten seiner Frau. Gut, Finnick konnte das verstehen. Würde sich Annie so verhalten, wäre er auch besorgt. „Vermutlich“, stimmte Finnick zu und stand ebenfalls auf. „Ich hole den Nachttisch“, warf er in die Runde. „Nicht Kuchen?“, fragte Freya beleidigt und zupft an seinem Shirt. „Ich esse später deinen Kuchen“, versprach er dem Mädchen, das so viel niedlicher war als ihr Bruder. Finnick kitzelte Freyas Nase mit dem Ende einer ihrer Zöpfe und brachte sie damit zum Lachen. „Mache ich für dich neu“, freute sie sich, während Johanna ihm in die Seite knuffte. „Du denkst auch nur ans Fressen und das sieht man“, ärgerte sie ihn und Finnick sprang beleidigt von Johanna weg, die mit der Hand versuchte vermeintliche Speckrollen zu zwicken. Mit einem bösen Blick an seine beste Freundin gerichtet, begleitete er Peeta nach drinnen.
 

„Sag mal, hattet ihr Streit?“, wollte Peeta von ihm wissen, kaum, dass die Tür zu war und Finnick schüttelte den Kopf. Gut, diese Annahme war nahe liegend. „Keinen Streit. Sie hat mich nur vor den Kopf gestoßen, weil sie meine Überraschung nicht besonders gut fand, aber Streit würde ich das nicht nennen. Ich lass mir schon was anderes einfallen“, erwiderte er und klopfte Peeta auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen. Du kennst uns doch, wir kabbeln uns immer und ich bin nicht böse oder so“, beruhigte Finnick Peeta und sah ihm nach, als er nach oben verschwand, bevor er die Küche betrat.
 

Das klappte besser, als geplant. Eine war erledigt, eine blieb noch übrig. Gut gelaunt holte Finnick die hohen Eisbecher aus dem Kühlschrank. Da hatte Annie sich aber Mühe geben. Er bekam nie so tolle Eisbecher. Eigentlich bekam er gar keine Eisbecher, sondern nur die Erklärung, wo sich das Eis befand, damit er aufstehen und sich selbst Eis besorgen konnte. Aber diese hier hatte Annie sogar mit Früchten dekoriert und das kam Finnick gerade Recht. Als hätte Annie es ihm extrem leicht machen wollen. Finnick fischte die Bananen Stücke aus einem Eisbecher und steckte sie sich in den Mund, bevor er seinen Ehering abzog und in den Becher fallen ließ. Der Ring verschwand in der Schokosoße und zufrieden musterte Finnick das Ergebnis.
 

Erst dann wandte er sich zur Tür um. „Blight? Hilfst du mir mit den Eisbechern?“, rief er nach dem Kumpel und schnappte sich einige der Eisbecher, als Blight in der Küche erschien. „Super, der ohne Banane ist für Johanna?“, erkundigte sich Blight, als er die Becher begutachtete. Blight wusste also im Gegensatz zu Annie auch, dass seine Freundin keine Bananen mochte. „Genau.“ Es war viel zu einfach, dass Johanna keine Bananen mochte, war ein zu guter Zufall. Und jetzt war Finnick extrem gespannt, wie seine beste Freundin auf ihren besonderen Eisbecher reagierte.

Am Tisch konnte Finnick die Augen kaum von Johanna lassen. Sie musste bald auf den Ring stoßen. Hoffentlich biss sie sich nicht einen Zahn daran aus oder verschluckte ihn, denn das würde Annie ihm nicht verzeihen. Und Johanna würde ihn umbringen, wenn er ihr erklärte, dass sie seinen Ehering gegessen hätte. Und wenn er ganz viel Pech hatte, zwang Annie ihn, den Ring wieder zu tragen, sobald er wieder das Tageslicht erblickte.
 

„Dylan, klecker nicht“, ermahnte Annie ihren Sohn und warf dann Finnick einen Blick zu. „Und du auch nicht, Finnick.“ Verblüfft riss er die Augen auf und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Ich kleckere nicht! Niemals“, verteidigte er sich und nahm wie beiläufig Kian seine Kirsche weg. Jetzt wo seine Eltern nicht da waren hatte der Junge nämlich keinen Beschützer mehr. „Hey“, beschwerte sich Kian. Als Finnick allerdings Annies Blick bemerkte, legte er das Obststück beleidigt wieder zurück und ignorierte den bösen Blick des Jungen.

„Odair, du bist so verfressen. Nimm dem Kind nicht seine…“ Johanna stockte mitten im Satz und starrte auf ihren Löffel, auf dem es verräterisch funkelte. „Was ist, Tante Jo?“, wollte Maggy wissen, die zu Johannas anderer Seite saß und ihre Patentante gespannt musterte. „Ist da ein Haar drin? Wir hatten mal eins in der Suppe. Daddy hat behauptet, es wäre von Makrele, aber Katzen sind nicht blond“, erzählte Maggy, die das Kopfschütteln ihres Vaters ignorierte. Er musste ihr dringend sagen, dass es Sachen gab, die Tante Jo nicht erfahren sollte.
 

Zum Glück hörte Johanna gar nicht erst hin sondern fasste in die Schokoladensoße und zog den Ring hervor. Die Aufmerksamkeit der Personen am Tisch war nun ganz bei Johanna. Ein wenig tat Finnick Blight schon leid, weil der relativ ahnungslos und geschockt wirkte, als Johannas Blick zu ihm glitt. Was mochte in dem armen Kerl vorgehen?

„Oh!“, machte Annie erfreut und langsam entfachte auch Maggys Interesse. „Tante Jo, das ist ein Antrag!“ Maggy war, wie beinahe jedes kleine Mädchen, bereits über Anträge in ihren Märchenbüchern gestolpert. Und sie wirkte begeistert. Im Gegensatz zu Johanna und Blight. Wahrscheinlich durfte der arme Blight nicht mal einen Antrag machen und es war Johannas Aufgabe. Sie war nicht nur emanzipiert, sondern fast herrisch, fand Finnick, der um nichts in der Welt mit seinen beiden Freunden tauschen wollte, bei denen er sich nicht sicher war, wer tatsächlich der Mann im Haus war. Katniss und Johanna waren sich auch in der Beziehung sehr ähnlich.

Die Anwesenden sahen abwechselnd von Blight zu Johanna in Erwartung, dass jemand etwas sagen würde, abgesehen von Mags, die genüsslich ihr Eis weiter verspeiste und sich weniger für den Ring interessierte.
 

Allerdings stürmte Katniss auf die Terrasse, bevor das Schweigen zu lange dauerte und erlöste damit Blight und Johanna. „Odair! Du mieser Lügner!“, fuhr sie ihn an und wirkte so, als ob sie auf ihn los gehen wollte. „Bitte?“, entgegnete Finnick scheinbar überrascht, während Katniss ihm tatsächlich einen Schlag gegen die Brust versetzte und er sich überrascht die Stelle rieb. „Du hast mir was ganz anderes erzählt! Du hast gesagt…“ „Ah, ah, ah… Katniss, hier sind Kinder!“, unterbrach Finnick die aufgebrachte junge Frau belustigt, die ihn mit weiteren Beschimpfungen betitelte, während Peeta amüsiert den Kopf schüttelte und sich an den Türrahmen der Gartentür lehnte, und Annie Dylans Ohren zu hielt.

„Sag was zu deiner Verteidigung, Odair, oder ich zieh dir das Fell über die Ohren!“ Lachend schlug sich Finnick die Hand gegen die Stirn. „Oh man, ich muss es verwechselt haben. Du weißt schon, es lag nahe nebeneinander und ich bin einfach älter als du. Da kann man so was schon mal verwechseln“, redete sich Finnick heraus und lachte, was nicht von Katniss erwidert wurde. „Und dein Gesicht, war wirklich zu…“
 

„Odair!“, unterbrach Johanna ihn und griff relativ grob nach seiner Hand. „Aua! Spinnst du? Was… AU!“ Finnick versuchte seine Hand zu befreien, während Johanna sie ihm beinahe verdrehte. Was war denn nun los?

„Kinder, geht doch zu Dylan ins Zimmer. Er hat ein neues ferngesteuertes Auto“, befahl Annie und seufzte genervt auf, während sie die Kabbeleien ihres Mannes und seiner besten Freundin verfolgte. „Mason, lass los! Du tust mir weh!“ „Wo ist dein Ehering, du Memme?“, fragte Johanna gefährlich ruhig und Finnick bekam aus den Augenwinkeln mit, wie Annie das Gesicht in die Hände stützte und Blight den Kopf schüttelte.

„Kommt, wir gucken uns das Auto an“, scheuchte Peeta die Kinder ins Haus, die nur unwillig gingen. „Bringen Tante Jo und Mom, Onkel Finnick um?“, erkundigte sich Kian interessiert und verdrehte die Hals, um die Szene so lange wie möglich zu beobachten. „Ich hoffe nicht“, erwiderte Peeta und verschwand mit den Kindern ins Haus, während Blight ihm zu rief, dass das Auto den heutigen Morgen nicht überstanden hatte, nachdem Finnick und Johanna damit gespielt hatten.
 

Finnick entriss Johanna seine Hand und schüttelte sie, während er Johanna vorwurfsvoll ansah. „Bist du verrückt? Willst du mir die Hand brechen?“ „Wenn du schon so fragst“, entgegnete sie und hob den Ring vor ihr Gesicht. „Mein Tropfen im Meer. Annie“, las sie gereizt vor und knallte den Ring auf den Tisch, der auch von Katniss gemustert wurde. „Was ist das denn?“

„Oh, Mensch sieh dir das an, Jo! Das ist ja mein Ring!“, rief Finnick aus und griff danach. „Ich habe ihn eigentlich auf die Arbeitsplatte legen wollen, aber du weißt ja, meine Augen sind so schlecht. Ich hätte einfach mehr Karotten essen sollen“, erklärte er übertrieben und blinzelte verwundert, als Johanna verlangend die Hand ausstreckte. „Gib mir deine Brille“, verlangte sie und Finnick griff mit der Hand danach um sie zu schützen. „Nein, lieber nicht. Ich brauche sie noch“, entgegnete er irritiert, als Katniss Johanna bei sprang. „Gib sie ihr, Odair.“

„Annie… tu was“, bat Finnick seine Frau, die entnervt aufstöhnte. „Ich mische mich da nicht ein“, wehrte sie ab, als Finnick aufsprang um sich vor den beiden Furien in Sicherheit zu bringen. „Aber macht ihn bitte nicht kaputt, wenn's geht.“
 

„Es war ein Aprilscherz. Zwei um genau zu… ah!“, entfuhr es Finnick, als Johanna ihn den Schwitzkasten nahm und er fluchte. „Zwing mich nicht, dir weh zu tun, Jo. Lass los! Lass mich wenigsten die Brille weglegen!“

Während Finnick seine Brille auf den Tisch warf, bekam er mit, wie Blight und Annie dem Treiben halb belustigt, halb genervt zusahen. Sie kannten das. Was hatten sie anderes erwartet, als eine Kabbelei, die Urlaubstradition war? „Ich bin mit einem Kind verheiratet“, stöhnte Annie, als Finnick Johanna den Ellenbogen in den Magen rammte und sie abschütteln konnte, als auch schon Katniss auftauchte und ihn angriff. Dass sie zu mehr im Stande war, wusste Finnick und konnte wohl noch dankbar sein, dass sie sich damit begnügte, auf seinem Rücken zu hängen.

„Lass los!“, fauchte Katniss, als Finnick an ihrem Zopf zog. „Lass du zuerst los““, forderte er, den Kopf in einer unangenehmen Schieflage, weil Katniss an seinen Haaren zerrte, während Johanna seinen rechten Arm umklammerte. „Ich will euch nicht schlagen, bleibt mir vom Leib!“, drohte Finnick den beiden Frauen, als sie beide an ihm hingen. Beim Versuch sie abzuschütteln, stolperte Finnick über den blöden Ball von Kian und strauchelte, bevor er sich wieder fing. „Jemand, wird sich wehtun“, hörte er Annie stöhnen. „Alle werden sich wehtun“, erwiderte Blight, als Finnick Johanna von sich schubste. „Mason, geh weg mit deinen Krallen!“ Aber das ließ sich Johanna nicht befehlen, um hing schon wieder an ihm, was Finnick mit Katniss weiter zurückweichen ließ.
 

„Finnick! Pass auf, das...“ Annie brach den Satz ab und sprang auf die Beine, genau wie Blight, als das Knäuel, das aus Katniss, Johanna und Finnick bestand, in das Loch des Pools stolperte. Zusammen eilten die beiden auf das Loch zu, wo sich ein Menschenknäul gebildet hatte „Oh Gott, geh runter von mir, Katniss“, stöhnte Finnick auf und schubste Katniss wenig sanft von sich, die sich als erstes wieder berappelte. Sie setzte sich auf und besah sich ihr Knie, das nun aufgeschürft war.

„Oh Finnick“, seufzte Annie mehr genervt als besorgt, als sich auch ihr Mann und Johanna sich wieder aufsetzten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht krümmte sich Finnick und versuchte nach Luft zu schnappen. Wie wahrscheinlich war es, dass Katniss‘ Knie ihn wirklich zufällig zwischen den Beinen traf? „Ich fürchte, jetzt haben sie ihn doch kaputt gemacht“, sagte Blight.

„Das war Absicht. Das war auf jeden Fall Absicht!“, beschuldigte Finnick Katniss, die ihn aus schmalen Augen anstarrte. „Glücklicher Zufall“, entgegnete sie ungewohnt schlagfertig, während Finnick sich am liebsten zu einem Ball zusammen rollen würde. „Du könntest jetzt wenigstens pusten“, murmelte er und duckte sich nicht rechtzeitig, als Katniss zum Schlag ausholte. Triumphierend grinsend stand sie auf und humpelte in Richtung aus, während Finnick sich fluchend bewusst wurde, dass Katniss ihm tatsächlich eine verpasst hatte.

„Du bist verboten dämlichen“, knurrte Johanna neben ihm und hielt sich den Kopf. „Du hast doch geschubst“, entgegnete Finnick kläglich und rieb sich den Wangenknochen, der jetzt zusätzlich schmerzte. Und was hatte Johanna? Ein bisschen Kopfschmerzen? Sie sollte sich nicht so anstellen! „Und du hast angefangen zu kratzen!“, beschuldigte er Johanna weiter, die gerade von Blight auf die Beine gezogen wurde. „Du hast gepitcht wie ein Mädchen. Nein, sogar Maggy pitchst besser als du“, giftet Johanna, während Finnick alleine auf die Beine kam und von Annie einen tadelnden Blick kassierte. Sie konnte ihm auch etwas Liebe und Fürsorge entgegen bringen, er war immer hin verletzt! Aber das schien ihr Herz gerade nicht zu erweichen.
 


 

Genervt drückte Finnick die Erbsenpackung gegen sein Gesicht und stieß einen schmerzerfüllten Laut aus, als Annie ihm eine Packung Fischstäbchen zwischen die Beine legte. „Wie passend“, kommentierte Finnick nicht sehr begeistert. „Fand ich auch“, kicherte Annie und krabbelte unter ihre Decke, wo sie sich das Buch von ihrem Nachttisch nahm und es aufschlug.

„Wieso bekomme ich kein Kühlpad?“, fragte er an Annie gewandt und kuschelte sich trostsuchend in seine Decke. „Weil wir nur zwei haben und wir sie Katniss und Johanna gegeben haben, weil du die beiden geärgert hast“, wies Annie ihn an und klappte das Buch zu. Sie hatte wohl erkannte, dass sie nicht zum Lesen kommen würde. „Wir hatten mal drei, aber jemand hat Maggy beigebracht, dass eine Gabel ein Dreizack ist. Deine Tochter hat die Gabel genommen und das Kühlpad damit getötet.“ Sie legte das Buch bei Seite und drehte sich ihm zu. „Also jammer nicht. Du bist selbst schuld.“ „Oh, du bist gemein! Es war Notwehr. Die beiden haben mich nur ausgelacht seit sie das Haus betreten haben. Die sind so gemein zu mir“, jammerte Finnick weiter und schielte zu der bescheuerten Brille auf dem Nachttisch, als wäre sie an allem Schuld. War sie ja eigentlich auch! „Sie ärgern mich wegen meiner Brille. Ich hoffe, die brauchen auch bald irgendwas. Einen Gehstock oder Haarteile oder ein Gebiss“, grummelte Finnick weiter und erntete ein Lächeln von Annie.

„Aber das ist kein Grund sie auch zu ärgern. Du bist erwachsen, Finnick“, tadelte sie ihn jetzt schon gutmütiger und Finnick konnte eindeutig erkennen, dass sie es nicht besonders ernst meinte. Deswegen nutzte er die Chance und schmiegte sich an Annie, die ihn seufzend gewähren ließ und ihm sogar durch die Haare strich.
 

„Wie kommst du auf so einen Blödsinn? Johanna wäre beinahe durchgedreht. Hast du ihren Blick gesehen? Armer Blight“, seufzte Annie und brachte Finnick zum Lachen, was in einem Stöhnen unterging. Lachen tat weh. Er sollte besser nicht mehr lachen. Das Katniss aber auch tatsächlich so feste zu schlagen konnte! Eben erst hatte er sich im Spiegel betrachtet und das Veilchen schon gesehen. Morgen würde er aussehen, als käme er aus den Hungerspielen.

„Das war eine Notlösung. Johanna ist schwerer zu ärgern als Katniss. Ich rede mit ihr, wenn sie nicht mehr versuchen will mich um zu bringen“, bot Finnick an. Er hatte nämlich eben mitbekommen, wie Johanna Maggy erzählt hatte, dass sie sich von ihrem Daddy verabschieden müsse, weil Tante Jo plante ihn lebendig im Sandkasten zu vergraben. Vielleicht sollte er sich wirklich bei Johanna entschuldigen. Immerhin hatte er sie wirklich geschockt. Und dann konnte er auch ein klärendes Gespräch führen und vielleicht ein gutes Wort für Blight einlegen.

Bei Katniss allerdings würde er sich nicht entschuldigen! Das war wirklich nur ein Spaß gewesen. Und sie musste wirklich langsam lockerer werden. Sie war mit Johanna und ihm befreundet, sie musste sich doch irgendwann an solche Scherze gewöhnen. Manchmal fragte sich Finnick, wie es bei den Mellarks im Schlafzimmer ablief. Kian und Freya waren bisher der einzige Beweise dafür, dass da überhaupt etwas lief. Armer Peeta.
 

„Und Katniss! Du kannst ihr keinen Partnertausch vorschlagen! Finnick, was wenn sie denkt, ich hätte wirklich Interesse an Peeta?“, beschwerte sich Annie, was Finnick sofort abwehren konnte. „Sie weiß, dass es Spaß war und Peeta weiß es auch. Außerdem habe ich ihn tatsächlich um einen Gefallen zum Jahrestag gebeten. Allerdings hat Katniss jetzt gesagt, dass sie mir den Gefallen auch nicht tut. Sie hat gesagt, sie passt nie wieder auf eines unserer Kinder auf“, erinnerte sich Finnick an eine wütenden Katniss, die auf dem Sofa ihr Knie gereinigt hatte und ihn dabei wütend angefunkelte hatte.
 

„Was hast du eigentlich gefragt?“, wollte Annie wissen.

Finnick seufzte. „Es war eine Überraschung für dich. Sicher, dass du sie wissen willst?“, erkundigte er sich. „Du hast für heute genug Überraschungen veranstaltet. Sag es mir.“ Annie war wohl ängstlich, dass sie eine ebenso schöne Überraschung erwarten würde, wie seine beiden Freundinnen. „Okay, okay. Ich wollte am 10. April mit dir im Boot raus fahren, ohne Kinder, über Nacht. Du bist viel zu gestresst und wir beide verbringen überhaupt keine romantischen Momente mehr mit einander“, erklärte Finnick etwas niedergeschlagen. „Du meinst keine intimen Momente“, verbesserte sie ihn und Finnick verzog das Gesicht. „Nein, ich meine tatsächlich romantisch“, brummte Finnick, während Annies Gesichtsmimik mitfühlender wurde.

„Oh, und dann hast du alles mit Peeta geplant?“ Das Gesicht zu einer traurigen Schnute verzogen, nickte Finnick. „Das ist süß von dir.“ Finnick nickte erneut und reckte Annie sein Gesicht entgegen. „Küss mich. Ich hab Schmerzen und ich hab mir solche Gedanken wegen unserem Jahrestag gemacht“, forderte er in einem weinerlichen Tonfall. Er war wirklich süß. Und er wusste auch, was Annie gefallen würde. Etwas Zeit für sich würde ihnen beiden gut tun. Nicht, dass er die Kinder nicht liebte, aber sie waren im Grunde kleine Monster, die Zeit aufsaugten.
 

Annie näherte sich allerdings nicht wie erhofft seinen Lippen. „Du hast eigentlich keinen Kuss verdient, Finnick“, fand Annie und kicherte über seine enttäuschte Miene. „Du bekommst deinen Kuss, wenn du mir versprichst nie mehr Aprilscherze zu machen, bevor du noch jemanden umbringst“, schlug sie vor. Finnick seufzte. „Alles was du willst, Liebling. Nie mehr Aprilscherze“, bot er an. „Alles? Dann will ich, dass du dich auch bei Katniss entschuldigst. Und ich will, dass du morgen die Böden putzt…“ Das hatte Johanna natürlich nicht getan. „Während die anderen hier sind?“, unterbrach Finnick seine Frau entsetzt. Johanna würde ihn das nie vergessen lassen! Allerdings wollte Annie keine Einwände hören und legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen.

„Und ich habe über Maggy und Kian nachgedacht. Vielleicht sollten wir bei den beiden in die richtige Richtung arbeiten. Kian ist doch nett und er wir auch ein netter junger Mann werden. Wir sollten morgen Katniss und Peeta fragen, was sie von Maggy und ihm zusammen halten.“ Jetzt entgleisten Finnicks Gesichtszüge vollständig. Seine kleine Prinzessin war nicht mal zehn und sollte schon verkuppelt werden? Mit diesem Dreikäsehoch? Nur über seine Leiche! Nur weil die Mellarks ihre Freunde waren, musste sie Maggy nicht mit deren Spross liieren!
 

„April, April“, lachte Annie auf und drückte einem mehr als verdatterten Finnick einen Kuss auf die Lippen. „Das ist nicht lustig!“, schmollte Finnick etwas beleidigt und bekam eine vage Vorstellung davon, wie sich Johanna und Katniss heute gefühlt hatten. Allerdings schmiegte er sich recht schnell wieder an seine Frau und stahl ihr einen weiteren Kuss, jetzt wo sie so gut gelaunt war. „Siehst du, du magst Aprilscherze auch. Und du bist überzeugend, ich hab dir, das alles auch noch geglaubt“, lobte Finnick sie. „Oh, Finnick. Der erste Teil war auch ernst gemeint. Du sollst dich entschuldigen und die Böden putzen“, kicherte Annie und gab ihm einen letzten Kuss, bevor sie das Licht ausknipste.
 

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The sweet taste of revenge

The sweet taste of revenge

1. April im Jahr der 92. Hungerspiele

Haus der Mellarks in Distrikt 12
 

"Schatz, kannst du dich nicht einfach für ein paar Minuten hinsetzen? Du bist ja heute schlimmer als alle Kinder zusammen" Peeta hatte ja Recht. Aber gerade jetzt konnte sie einfach nicht still sitzen. Jeden Moment müssten Finnick und Annie bei ihnen ankommen, um ihre Kinder wieder abzuholen und dann war es endlich Zeit für ihre Rache. Für gewöhnlich war sie ja nicht so hibbelig, aber sie hatte so lang auf diesen Moment gewartet. Ganze zehn Jahre, um genau zu sein. Vor zehn Jahren hatte Finnick ihr den gemeinsten und abartigsten Aprilscherz der Menschheit angetan. Bis heute hatte sie ihm diesen nicht so wirklich verziehen, auch wenn er sich sogar bei ihr entschuldigt hatte. Allerdings wirkte diese Entschuldigung eher erzwungen und ein Blick auf Annie, die mit aufmerksamem Blick das Ganze damals beobachtet hatte, hatte ihre Vermutung nur bestätigt. Dazu kam auch noch, dass Odair diese Geschichte zu einem Running Gag gemacht hatte, den er jedes Mal zum Besten gab, wenn sie sich im Urlaub trafen. Der Höhepunkt war gewesen, als er am 1. April vor 2 Jahren das Ganze als Puppentheater nachgespielt hatte. Da hatte sie geschworen, dass sie sich auf jeden Fall noch rächen würde, egal wie lang sie auf eine Gelegenheit warten musste. Ihr kleiner Tritt in seine Mitte hatte als Rache noch lang nicht gereicht. Wahrscheinlich hatte sie noch nicht einmal richtig getroffen, denn drei Jahre später war Annie noch einmal schwanger geworden.

Die ganzen Jahre hatte sie geduldig auf ihre Gelegenheit gewartet und jetzt war sie endlich da. Wie sollte sie sich da ruhig neben ihren Mann setzen? "Ich kann nicht still sitzen jetzt! Sie sind gleich da und dann ist Finnick dran." gab sie zurück, während sie bereits zum 10. Mal den Sessel rechts von der Couch ein Stück verrückte, bis er perfekt stand, jedenfalls für die nächsten 2 Minuten. Peeta seufzte nur und ließ sich auf der Couch wieder nach hinten sinken. Sie hatte ihm von ihren Racheplänen erzählt, aber sonderlich begeistert war er nicht. Er hatte es nur mit einem Augenrollen und dem Hinweis, dass sie wirklich sehr weit gehen würde und er sich nicht aktiv einmischen wollte, letztendlich akzeptiert. Natürlich überschritt sie eine Grenze und das mit Anlauf und einem Weitsprung über diese Grenze hinweg. Doch nichts anderes hatte Odair damals getan. Sie würde es ihm also nur genauso wieder zurück geben.

Alles war vorbereitet. Freya und Dylan waren mit Cora und Adea draußen spielen und Maggy und Kian hatte sie in Kians Zimmer geschickt, um die Koffer der Odair-Kinder zu packen. Sie hatte allen noch extra viele neue Sachen gekauft, damit die Koffer auch wirklich kaum zugehen würden und die beiden eine Weile beschäftigt waren. Seit vergangenem Sommer waren Maggy und Kian nun ein Paar. Finnick hatte es nicht besonders gut aufgenommen, als er vergangene Weihnachten dann auch endlich davon erfahren hatte, doch was wollte er machen? Maggy ließ sich nichts verbieten und sie würde Kian sicher nicht diese Beziehung ausreden. Außer Finnick hatte ja keiner etwas dagegen. Eher im Gegenteil.

Doch Finnicks Reaktion an Weihnachten hatte sie endlich auf den passenden Plan für ihre Rache gebracht.

Als Finnick und Annie während des Weihnachtsurlaubs erzählt hatten, dass sie planten, dieses Jahr über Ostern einmal nur zu zweit Urlaub zu machen, hatte sie sich sofort angeboten, dass Peeta und sie alle Kinder nehmen konnten. "Und Maggy ohne mich bei eurem Casanova lassen?!" war Finnicks erste entsetzte Reaktion darauf. Doch Annie konnte ihn beruhigen und überzeugen, dass Peeta und sie durchaus in der Lage waren, die beiden auf gewissem Abstand zu halten. Und so war es gekommen, dass Maggy, Dylan, Cora und Adea die gesamte letzte Woche bei ihnen in Distrikt 12 verbracht hatten. Der Winter hielt noch immer an und sie waren mit den Kindern viel draußen zum Schlittschuhlaufen und rodeln gewesen, hatten Schneeballschlachten gemacht, Schneemänner gebaut und abends vor dem Kamin Marshmallows gegrillt. Alles in allem war es wirklich eine tolle Woche, die nun ihren Höhepunkt erreichen würde.
 

Es klingelte und vor lauter Nervosität lief Katniss erst mal in die entgegen gesetzte Richtung zu dem Sessel, den sie schon so oft heute verrückt hatte. Peeta lachte kurz, bevor er sie an die Hand nahm, damit sie gemeinsam zur Tür gehen konnten. Katniss atmete noch einmal tief durch und bemühte sich dann, ernst und ruhig zu bleiben, als sie die Tür öffnete. Das Erste was sie sah, war ein erholt aussehender, grinsender Finnick. "Hey Kittykat! Ich hab dich glatt vermisst und Annie hat Peeta unheimlich vermisst. Wir können es uns alle ja erst mal gemütlich machen. Annie und Peeta in eurem Schlafzimmer und wir in einem der Gästezimmer?" begrüßte er sie mal wieder mit der Anspielung auf seinen miesen Scherz und wackelte mit seinen Augenbrauen, was ihm auch gleich einen kleinen Hieb mit dem Ellenbogen von Annie einbrachte. Doch diesmal konnte er sie kaum auf die Palme bringen. Viel zu groß war ihre innere Vorfreude. "Hey alter Mann! Der Witz wird langsam alt. Aber vielleicht bist du ja langsam in dem Alter, in dem man immer nur noch die selben Sachen erzählt, weil man alles andere vergisst?" gab sie sofort zurück und trat einen Schritt an ihm vorbei, um Annie zur Begrüßung zu umarmen. "Gut siehst du aus. Der alte Mann neben dir lässt dich nur noch mehr strahlen. Hattet ihr einen tollen Urlaub?" begrüßte sie die Freundin, während Peeta und Finnick sich ebenfalls mit Handschlag und einem freundschaftlichen Klopfen auf den Rücken begrüßten.

"Oh ja, der Urlaub war wundervoll! Es war zwar nur eine Woche, aber wir haben sie völlig auskosten können. Das Wetter bei uns war schon wirklich schön und warm, also konnten wir auch viel draußen an Deck liegen und uns einfach sonnen. Aber irgendwie haben die Kinder doch gefehlt, auch wenn der Urlaub niemals sie erholsam gewesen wäre, hätten wir die Bande mit genommen." berichtete Annie ihnen, während sie alle weiter ins Haus gingen. "Wollt ihr was trinken?" bat Peeta ihren Gästen an, als sie im Wohnzimmer ankamen, doch Finnick schüttelte schon den Kopf. "Erst mal die Kinder! Ich muss ja schauen, ob sie alle Katniss Kochkünste über eine Woche ausgehalten haben, ohne zu verhungern!"

Sie warf Finnick einen tödlichen Blick zu, ging aber nicht weiter drauf ein. Gleich konnte sie ihn fertig machen! Nicht mehr lang und Finnick würde das Grinsen vergehen.

"Dylan, Cora und Adea sind zusammen mit Freya draußen. Annie, du kannst sie ja mit Peeta suchen und rein holen? Ich muss noch was mit Finnick bereden" schlug Katniss vor und setzte dann einen ernsten Blick auf. Peeta zuckte leicht mit den Schultern, ging aber mit Annie tatsächlich nach draußen, um die Kinder zu holen.

Nun war sie mit Finnick allein, der sie doch sehr neugierig ansah. Seit 10 Jahren hatte sie versucht es zu vermeiden, mit ihm allein in einem Raum zu bleiben, da er sie dann jedes Mal nur noch mehr mit seinem dummen Scherz aufzog und eine zweideutige Bemerkung nach der nächsten machte. Und am 1. April war es immer noch viel schlimmer.

Katniss nutzte Finnicks erstauntes Schweigen und legte sofort los, bevor er mit seinen Sprüchen starten konnte.

"Finnick... ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll. Ich weiß, wir haben versprochen, gut auf Maggy und Kian aufzupassen, aber du weißt ja, wie das mit so vielen Kindern auf einmal ist. Und dann sind die beiden auch noch verliebte Teenager. Eigentlich weiß ich gar nicht, wie das alles passieren konnte! Wir haben wirklich versucht, sie immer im Auge zu behalten, aber irgendwann müssen Peeta und ich halt auch schlafen, oder uns um die Kleinen kümmern" Sie machte eine kurze Pause, um zu beobachten, wie ihre Worte langsam bei Finnick ankamen. Sie konnte förmlich das Kopfkino sehen, dass ihn nun beschäftigte. Ein Horrorszenario nach dem nächsten und Finnick wurde immer blasser.

Da er stumm blieb, fuhr Katniss nun wieder fort. "Wie gesagt, wir haben wirklich aufgepasst, aber irgendwann in der Zwischenzeit müssen sie es geschafft haben......also zu heiraten. Nicht auf dem Papier, natürlich nicht! Aber sie haben gemeinsam das Brot geröstet und Maggy hat Kian irgendeine Kette oder so geschenkt und noch irgendeine Tradition aus eurem Distrikt. Du weißt ja, wie das ist... die Papiere sind gar nicht das Entscheidende bei einer Hochzeit. Man fühlt sich durch die Traditionen verheiratet. Naja... und nachdem Peeta und ich ausgerastet sind, haben sie sich beide in Kians Zimmer eingeschlossen." Finnicks Augen waren vor Schock weit aufgerissen und seine Gesichtsfarbe vollständig gewichen. Das machte wirklich mehr Spaß, als sie je gedacht hätte. "Wann?" war alles, was Finnick raus brachte, während sich nun seine Hände in seine Haare krallten und er leicht an diesen zog.

"Seit 3 Tagen!" Sie bemühte sich, wirklich kleinlaut und bedauernd zu klingen und zumindest schien Finnick ihre Schadenfreude jetzt nicht mehr zu bemerken. Er war viel zu sehr in seinem Schock gefangen. "Wir hätten euch ja angerufen, aber ihr ward auf dem Boot und außerdem wollten wir euren Urlaub auch nicht stören. Aber du musst dir auch keine Sorgen machen. Kian hat nur einen kleinen Kühlschrank in seinem Zimmer. Das Essen reicht nicht ewig. Außerdem hab ich letztens beim Wäsche einsortieren auch ein paar Kondome in seiner Kommode entdeckt. Sie werden dich also bestimmt noch nicht zum Großvater machen." War er tatsächlich blau im Gesicht? Hatte er die Luft angehalten? "Finnick, du musst atmen! Vielleicht ist ja auch gar nichts passiert!" beruhigte sie ihn scheinheilig. "Ich tret die Tür ein!" murmelte Finnick plötzlich und stand vom Sofa auf. Sofort folgte sie ihm in den oberen Stock, wo Kians Zimmer lag. Einige Meter vor seiner Zimmertür konnten sie bereits das angestrengte Keuchen aus dem Raum hören und Katniss musste sich ein Grinsen verkneifen, als sie den erstarrten Finnick sah.

"Das passt einfach nicht! Drück nochmal mehr" hörten sie Maggys angestrengte Stimme gedämpft hinter der Tür und Finnick schien wirklich einen Moment zu schwanken. Kippte er jetzt etwa um? Das war nun nicht der Plan gewesen. Doch er fing sich wieder und ging nun energisch auf Kians Zimmer zu. Mit geballten Fäusten hämmerte Finnick gegen die Tür. Kian hatte sich in dieser Woche tatsächlich angewöhnt, seine Zimmertür immer abzuschließen, damit die Kleinen nicht einfach ständig hinein platzen konnten. Peeta war nicht begeistert davon gewesen, doch Katniss hatte ihren Mann davon überzeugen können, dass sie zumindest warteten, bis Finnick und Annie da gewesen waren, bevor sie ihrem Sohn klar machten, dass das so nicht ging. Diese neue Angewohnheit passte einfach auch zu gut in ihre

Plan rein.

"Wir... kommen... gleich!" rief Kian leicht außer Atem von drinnen und im nächsten Moment hörte man auch Maggy. "Stell dich...hin Kian! Dann kannst du......fester" Katniss prustete beinah los und tarnte das schnell als Hustenanfall, bevor sie einen Lachanfall bekommen konnte.

Finnick verstand den Witz hinter den Worten der Kinder natürlich nicht und bevor Katniss etwas sagen konnte, trat er die Tür tatsächlich mit einer Kraft ein, die Katniss dem in die Jahre gekommenen Schönling gar nicht zugetraut hätte. Ok, das hatte nicht zu ihrem Plan gehört, aber sie war bereit, die Tür als kleines Opfer zu akzeptieren. "Finger weg von mei...!" schrie Finnick sofort los, bis er die tatsächliche Situation erfasste und mitten im Wort abbrach.

"Dad! Was soll das denn? Spinnst du?" Maggy hockte vor einem der Koffer und drückte mit beiden Händen drauf, während Kian auf dem Koffer stand, um ihn mit einem ganzen Gewicht zusammen zu drücken. Beide starrten geschockt auf die Stelle, an der bis eben noch Kians Tür war und nun ein vollkommen perplexer Finnick stand.

Mit drei Schritten war Katniss nun neben dem noch immer geschockten Freund, hielt ihre Kamera hoch und fotografierte einmal sein Gesicht. " Ich habe Jo versprochen, ihr ein Foto von deinem Gesicht zu schicken." gab sie nur als Erklärung ab und steckte die Kamera schnell wieder weg, bevor Finnick zur Besinnung kam und sie ihr aus der Hand schlagen konnte. "April April, Odair! Rache ist süß!"

Alle Augen richteten sich nun überrascht auf sie und allmählich sickerte bei Finnick die Bedeutung ihrer Worte durch.

"RACHE?! Das war überhaupt nicht lustig! Katniss Mellark, ich bring dich um!" Gut, jetzt war wohl der Part dran, an dem sie weg laufen sollte und genau das tat sie nun auch. Finnick konnte noch nie gut einstecken, sondern immer nur austeilen. Also rannte er ihr den Flur entlang hinterher.

"Ach komm schon Odair! Seit Jahren schon muss ich mir denselben schlechten Scherz von dir immer wieder anhören!" rief sie über ihre Schulter und rannte um die Ecke zur Treppe, bei der sie nun immer zwei Stufen auf einmal nahm. "Der war ja auch lustig!" rief Finnick hinter ihr. Er kam erschreckend gut mit ihrem Tempo mit. Die paar grauen Haare schienen doch ein wenig zu täuschen. Odair war noch ziemlich fit. "Der war nur für dich lustig! Und jetzt war ich halt mal dran." verteidigte sie sich und nahm die Kurve zum Wohnzimmer so scharf, dass sie direkt in Peeta rein rannte. Zum Glück war Peetas Reaktion schnell und er fing sie mit seinen Armen ab. "Ich hab dir gesagt, dass er sauer wird." raunte ihr Mann ihr leicht schadenfroh entgegen.

"Was ist denn schon wieder bei euch los?" Annie stand mit den restlichen Kindern knapp hinter Peeta und sah ihren Mann fragend an, der gerade ebenfalls um die Ecke gerannt kam und abbremste.

"Finnick hat Kians Zimmertür eingetreten und gibt nun mir die Schuld daran." antwortete Katniss und versteckte sich ein wenig hinter ihrem Mann, der Annie entschuldigend ansah und mit den Schultern zuckte.

"Finnick Odair, du hat was getan?" fragte Annie entsetzt und ging auf Finnick zu, der noch immer Katniss fixierte. "Sie hat angefangen! Sie hat mir erzählt, dass Maggy und Kian geheiratet haben und sich dort seit Tagen einschließen" verteidigte sich Finnick sofort und wandte sich dann an die Kinder, die amüsiert den neuesten Schlagabtausch zwischen ihm und Katniss beobachteten. Ihre Kabbeleien waren schon lange ein beliebtes und regelmäßiges Unterhaltungsprogramm für ihre Kinder. "Kinder, geht doch nach oben und helft Maggy und Kian bei den Koffern. Ihr könnt jetzt auch problemlos in Kians Zimmer rein gehen. Es ist das ohne Tür."

"Machst du Tante Katniss jetzt kaputt, wie die Puppe, die ich von ihr hatte?" fragte Addy ihren Dad, der nur leicht nickte. "Vielleicht Engelchen. Aber deine Puppe habe ich aus Versehen kaputt gemacht. Und jetzt geht hoch." Widerwillig gingen die Vier zur Treppe, an der nun auch Kian und Maggy erschienen waren und auf das Schauspiel unten starrten. Doch ein kurzer Blick von Annie reichte, dass die Kinder wirklich wieder oben verschwanden, auch wenn Katniss sicher war, dass sie sich gleich hinter der Treppe oben platzieren würden, um zu lauschen.

"Komm schon Finnick, das war wirklich lustig! Und du musstest doch damit rechnen, dass ich mich räche!" versuchte sie es nochmal und sprang mit zwei Sätzen um Peeta herum, um Finnick auszuweichen. Aber Peeta trat tatsächlich ein paar Schritte von ihr weg und stellte sich zu Annie.

"Was meinst du`, wer heute mehr blaue Flecke bekommt?" fragte er Annie, die nur kurz überlegen musste. "Ich glaube, Katniss. Finnick ist wirklich wütend. Er ist ja auch sehr empfindlich, wenn es um Maggy und Kian geht. Wollen wir wetten?" Schon seit Jahren standen Annie, Peeta und sonst auch Blight einfach am Rand daneben, während ihre Partner sich mal wieder wie die Kinder kabbelten. Doch dass sie wetteten, war neu. Allerdings hatte Katniss keine Zeit, sich darüber zu wundern, denn Finnick sprang plötzlich auf sie zu und sie stolperte gegen das Sofa. Sie saß in der Falle und konnte sich jetzt nur noch wehren. Finnick war unheimlich schnell und nahm sie in den Schwitzkasten. Instinktiv krallte sie sich in seinen Haaren fest und zog etwas daran. "Lass mich los Finnick, oder ich reiße dir jedes einzelne Haar aus, das noch nicht grau ist. Wobei, so viele sind das ja gar nicht mehr." Nun musste sie doch wieder lachen. Ihre Rache war so gut gelungen, dass sie ihre Laune für sicher einen Monat problemlos auf dem Höhepunkt halten konnte. "Du bist zu weit gegangen! Außerdem hab ich keine grauen Haare. Das liegt an dem schlechten Licht in eurem Haus"

"Finnick setzt Kians Tür nachher wieder ein" versprach Annie Peeta, während sie sich beide ans andere Ende des Sofas setzten. "Keine Sorge, da kann ich auch Katniss drum kümmern. Ich habe sie vorgewarnt" gab Peeta zurück und sah dann wieder auf Finnick und seine Frau, die sich inzwischen über den Boden wälzten, während jeder versuchte, die Harre des anderen zu erwischen, oder die Arme des anderen umzudrehen und die Oberhand zu gewinnen.
 

Eine halbe Stunde später saßen sie zu viert auf dem Sofa. Finnicks Haare waren komplett zerzaust und ein paar einzelne Haare lagen auf dem Sofa und dem Boden, gemischt mit braunen Haaren von Katniss. Finnick hatte einen Kühlakku gegen die Wange gedrückt, an der sie ihn 'aus Versehen' mit dem Knie getroffen hatte, während Katniss mehrere kleine Kühlakkus auf Armen und Beinen hatte und Peeta ihre Schrammen mit einer Salbe einrieb. Annie kümmerte sich derweil um Finnicks aufgeschürftes Knie, dass er irgendwann gegen den Couchtisch geschlagen hatte.

"Ihr seid wirklich unmöglich. Schlimmer als alle Kinder zusammen" tadelte Annie mit nur halb ernster Miene. Peeta nickte ihr zustimmend zu. "Auf die Kinder muss man weniger aufpassen. Und die machen weniger kaputt" Trotzig zuckten Katniss und Finnick beide gleichzeitig mit den Schultern. Was das anging, waren sie sich wohl beide ziemlich ähnlich.

"Du weißt, dass du zu weit gegangen bist und dir die blauen Flecken selbst zuzuschreiben hast, oder?" flüsterte ihr Peeta nun leise ins Ohr und sie sah ihn verständnislos an. "Er hat es provoziert. Die ganzen letzten zehn Jahre!" verteidigte sie sich leise, doch ihr Mann schüttelte nur den Kopf. "Du bist doch erwachsen. Entschuldige dich einfach bei ihm. Er hat sich damals auch entschuldigt" Ja klar, als hätte Finnick das damals ernst gemeint! Aber Katniss gab nach und wandte sich nun Finnick zu.

"Tut mir wirklich leid Finnick. Der Scherz war wohl nur für mich lustig. Ich bin zu weit gegangen." betete sie ihren Entschuldigungstext herunter, nahm sich aber schon vor, dass sie Finnick einen extra großen Abzug des Fotos von seinem Gesicht vorhin zu seinem 41. Geburtstag schenken würde. Und für Weihnachten plante sie bereits das Puppentheater, mit dem sie diesen Moment nachspielen würde.

Letters to Effie

Letters to Effie

Effie und Portia

Erster April
 


 

Der Umschlag geglitzerte rosa und roch so gut, als der Avox ihn ihr überreichte. Neugierig wendete sie den Brief in den Händen und stockte, als sie den Absender erfasste. Auf der Rückseite stand als Absender Distrikt Zwölf! Kein Wunder also, dass die dreizehnjährige Effie den Umschlag sofort auf riss. Keine Spur mehr von damenhafter Zurückhaltung. Und tatsächlich! Sie konnte ihren Augen nicht trauen. Da war sie! In schönste Sonntagsschrift endlich die Antwort auf die Fanpost, die sie vor fünf Jahren verschickt hatte.

Vor Glück quietschend, drehte sich Effie mit dem Papier im Kreis. Das war unglaublich! Zu gut um wahr zu sein! Sie lief mit dem Brief in der Hand nach unten, wo sie der Fahrer der Familie erwartete um sie zur Schule zu bringen. Und das kam Effie gerade recht, denn dort würde sie auf ihre beste Freundin treffen und der musste sie die Zeilen doch unbedingt auch zeigen!

Wann bitte passierte einem denn so etwas? Die Fahrt dauerte viel zu lange und Effie war zu hibbelig. Sie musste dieses Ereignis mit jemanden teilen, der sich auch für sie freute. Sie sprang sogar ganz undamenhaft aus dem Auto und ihr kleines, rosa Handtäschchen flog nur so durch die Luft, als sie sich rennend auf die Suche nach Portia machte, aber jetzt war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für Manieren. Jetzt war sie zu aufgeregt um auf so etwas zu achten. Und Manieren verlangsamten sie nur.
 

„PORTIA!“, kreischte Effie, als sie ihre beste Freundin endlich im halbvollen Klassenzimmer entdeckte. Ohne Umschweifen setzte sie sich zu dem anderen Mädchen und rückte ganz nah an sie heran. Das Portia gerade in einer Modezeitschrift blätterte, ignorierte Effie, die sonst sicherlich Interesse daran gehabt hätte und mitlesen würde. Aber nicht heute! Heute war alles andere unwichtig. Was zählte, war ihr Brief.

„Portia, du glaubst mir das nie!“, wisperte Effie aufgeregt und trommelte beinahe mit den Händen auf Portias Zeitung herum. Eigentlich war ihr nicht danach still zu sitzen. „Ich habe Post bekommen und rate mal von wem!“, fuhr sie mit vor Freude strahlenden Augen fort. Allerdings konnte Portia das unmöglich erraten. Und genauso ratlos sah sie auch gerade aus. Ratlos und neugierig. Effies Aufregung musste ansteckend sein. „Sag es mir!“, verlangte Portia jetzt nicht minder aufgedreht und Effie schob ihr den Brief hin. Das musste Portia mit eigenen Augen sehen.

„Aber mach ihn nicht kaputt. Ich will mir den einrahmen!“, ermahnte sie Portia eindringlich und sah dann gespannt dabei zu, wie ihre beste Freundin den Brief aus dem Umschlag zog. Effie selbst hatte das ungefähr noch zehn Mal auf der Fahrt zur Schule getan. Und trotzdem sah sie wieder mit auf das Papier. Sie konnte die Zeilen nicht oft genug lesen! Und jedes Mal weckten sie den Wunsch in ihr jubelnd herum zu hüpfen.
 


 

Liebste Effie,
 

Du siehst den gleichen Mond

wie ich,

Du siehst die gleiche Sonne

wie ich,

Du siehst die gleichen Sterne

wie ich.

Aber mich sehen tust du nicht.
 

Effie, lange habe ich mich nicht getraut auf deinen Brief zu antworten, den du mir am 23. September vor fünf Jahren geschickt hast. Aber ich musste immer daran denken und jetzt habe ich meinen Mut zusammen genommen und dir geantwortet. Ich will dich sehen. Triff mich dieses Jahr wenn ich während der Hungerspiele im Kapitol bin. Möchtest du? Kreuze an

[] Ja

[] Nein

[] Vielleicht
 

Für immer der Deine,

Haymitch Abernathy
 


 

Stumm formten Effies Lippen die Briefzeilen mit. Sie hatte das Schreiben natürlich schon auswendig gelernt. Und nun sah Effie erwartungsvoll zu Portia auf, deren Mund aufgeklappt war. Sie starrte Effie zurück an und irgendwann hielt Effie die Stille nicht mehr aus. „Und? Und?! Sag was, Tia!“, stieß Effie aufgeregt und mit glühenden Wangen hervor. Ihr Herz wummerte immer noch vor lauter Aufregung. Und sie wollte, dass Portia endlich etwas dazu sagte und sich mit ihr freute.

„Effie, das ist… Das ist ja der Wahnsinn! Wie kommt es, dass ein Sieger dir so etwas schreibt?“ Jetzt war auch Portia ganz aufgeregt und das gefiel Effie schon sehr viel besser. Natürlich enttäuschte sie ihre beste Freundin nicht, aber immerhin war das nichts Alltägliches und sie kannte niemanden, der schon einmal Post von einem Sieger bekommen hatte. Auch nicht diejenigen, die sich wie Effie selbst die Mühe machten, Fanpost zu verschicken.

Aber sie, Effie Trinket, hatte Erfolg gehabt. Sie war so ein Glückspilz! Vielleicht hatte ihm ihr Brief als Einziger richtig gut gefallen und er war schüchtern und so lieb. Sie konnte sich sogar richtig gut vorstellen, wie Haymitch ihren Brief immer und immer wieder gelesen hatte und sich nun dazu durchgerungen hatte, ihr zu antworten. Wenn Effie ehrlich war, wusste sie schon gar nicht mehr, was sie in ihrem Brief geschrieben hatte. Sie war ja noch so klein gewesen! Aber sie hatte lauter Herzchen gemalt und ihm geschrieben, dass er von Anfang an ihr Favorit gewesen war.

„Ich habe ihm damals einen Brief geschrieben. Du weißt doch, sie schicken die Briefe an die Distrikte zum Dorf der Sieger. Und ich fand ihn ja schon immer sehr süß. Die ganze Zeit während des Jubeljubiläums. Da habe ich ihm einfach geschrieben. Und jetzt hat er geantwortet! Und er ist so romantisch. Ein richtiger Poet“, schwärmte Effie und strich ehrfürchtig über den Brief, der sogar zu ihrem Nagellack passte. Sie trug heute rosanen Nagellack mit kleinen Blümchen auf den Nägeln. „Er wusste sogar, was meine Lieblingsfarbe ist. Wir sind füreinander bestimmt“, hauchte sie ganz verzückt und sah vor ihrem inneren Auge bereits die rosanen Hochzeit vor sich. Sie könnte ihm einen rosanen Anzug aussuchen. Er würde so gut darin aussehen!

Portias Augen würden noch größer. „Und jetzt? Triffst du dich mit ihm?“, wollte sie aufgeregt wissen und Effie nickte, während sie rot wurde. „Natürlich treffe ich mich mit ihm! Das ist doch Schicksal, dass er mir geschrieben hat, oder nicht? Tia? Du würdest dich doch auch mit ihm treffen, oder?“, fragte Effie ganz aufgeregt und klatschte voller Vorfreude in die Hände. „Zum Glück haben wir noch Monate Zeit um mein Outfit zu planen. Du kannst das doch so gut, du musst mir helfen“, verlangte Effie. „Ich will wirklich gut für ihn aussehen.“

Sie ging schon die neusten Trends durch und fragte sich, was Haymitchs Lieblingsfarbe war. Dann würde sie sich in der Farbe kleiden. Und vielleicht sollte sie versuchen etwas fraulicher zu wirken. So wie die Mädchen in seinem Alter. Hoffentlich störte es ich nicht, dass sie etwas jünger war. „Das ist so aufregend“, fand auch Portia und bestätigte, dass sie ihr bei der Wahl ihrer Garderobe helfen würde.
 

„Was ist aufregend?“, ertönte eine Stimme hinter ihnen und sie fuhren beide erschrocken herum und unterbrachen ihre Outfitpläne. „Ähm“, machte Portia und warf Effie einen hilfesuchenden Blick zu, während Effie selbst die Lippen schürzte. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. „Nichts, Honoria“, gab Effie schnell zurück und ließ den Brief in ihrer Handtasche verschwinden. Denn die Angelegenheit ging Honoria gar nichts an.

Honoria und sie waren einmal beste Freundinnen gewesen, bis Effie es gewagt hatte, Portia für eine Modenshow, bei der ihre Mutter beteiligt gewesen war, mitzunehmen. Sie hatte davor immer Honoria mitgenommen und dabei wusste sie, dass Portia sich dafür ebenfalls interessierte. Ja Portia, hatte ihr sogar verraten, dass sie später mit Mode arbeiten wollte. Und Effie hatte gedacht, dass das einmal nicht schlimm gewesen wäre. Honoria würde schon verstehen, dass sie immer nur eine Freundin mitnehmen durfte und sie war ja schon so oft gewesen. Das nächste Mal würde sie einfach wieder Honoria mitnehmen. Sie hatte sich kräftig getäuscht, denn tatsächlich hatte Honoria ihr anschließend die Freundschaft gekündigt. Effie war immer noch sauer deswegen. Das war doch kein Grund! Sie wäre vielleicht auch sauer und enttäuscht gewesen, aber gleich eine Freundschaft zu kündigen! Das gehörte sich nun wirklich nicht!

Seitdem gingen sie sich eigentlich aus dem Weg, wenn Honoria nicht die ein oder andere spitze Bemerkung abließ. Deswegen ignorierte Effie sie auch lieber und hielt sich nun an Portia. Die war auch sowieso viel netter! Honoria war immer so egoistisch gewesen. Portia war eindeutig eine bessere beste Freundin.

„Du solltest ihn treffen und dann könnt ihr heiraten und Kinder bekommen und einen Pudel“, fuhr Honoria ungerührt mit lauter Stimme fort und jetzt klappte Effie der Mund auf. „Woher weißt du das?“ Und damit meinte sie keinesfalls die Hochzeit, die sich Effie bereits als Kind ausgemalt hatte. Oder Coco, den Pudel. Das hatte sie Honoria damals leider alles erzählt. Effie meinte die Tatsache, dass Haymitch ihr geschrieben hatte. Auch Portia sah nun verwirrt aus. „Du kannst doch gar nicht wissen, dass Effie jemand treffen will“, fand Portia jetzt auch irritiert, während Effies Augen ganz schmal wurden, als sie Honorias breites Grinsen sah. Das konnte doch nicht wahr sein! Mittlerweile hatten sie auch die Aufmerksamkeit der anderen Klassenkameraden und Effie Kopf färbte sich langsam aber sicher rot.

„Du siehst den gleichen Mond wie ich, du siehst die gleiche Sonne wie ich“, begann Honoria und stockte nur, weil Effie aufsprang und völlig außer sich war. „Ich habe dir damals im Vertrauen von meinem Brief erzählt! Du hast versprochen es niemanden zu sagen!“ Genauso wie den Rest, den sie Honoria anvertraut hatte, aber mittlerweile war selbst Effie klar, dass der Brief nicht von Haymitch Abernathy stammte, sondern von ihrer ehemaligen besten Freundin. „Das ist echt gemein! Einfach so einen Brief zu fälschen“, sprang Portia Effie bei, die heftig nickte und Tränen in den Augen wegblinzelte.

Wie dumm sie gewesen war, dass sie geglaubt hatte, ein Sieger hätte ihren Brief so lange aufbewahrt und wollte sie nun treffen. „Aber Effie, es ist der erste April, da macht man Scherze“, wiegelte Honoria harmlos ab und Effie wollte ihr am liebsten das falsche Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Wobei sie sich bei der Botoxmasse am Ende nur selbst verletzen würde.

„Du bist so gemein!“, quietschte sie den Tränen nahe und schnappte sich ihre Handtasche, um aus der Klasse zu stürmen! Sie hörte zwar noch, wie Portia ihr nachrief, aber Effie wollte nicht stehen bleiben. Sie wollte nicht zurück in die Klasse. Sie würde sich abholen lassen! Sie würde sich krank ins Bett legen. Aber erst würde sie den Brief verbrennen und dann würde sie überhaupt alles, was sie an Fanartikeln von dem Sieger hatte wegwerfen! Jetzt schämte sich Effie in Grund und Boden, weil sie den Brief für echt gehalten hatte. Ja, klar, als ob Haymitch Abernathy ausgerechnet zu ihr Kontakt aufnehmen würde...
 

Vielleicht hatte sie ja diesen gemeinen Aprilscherz gebraucht um einzusehen, dass ihre kitschige Vorstellung mehr als unrealistisch war und sie sich davon verabschieden sollte. Auf Wiedersehen rosa Hochzeit, auf Widersehen süße Kinder, auf Widersehen Coco und auf Widersehen Mitchi. Und ab jetzt war der erste April ihr persönlicher Hasstag. Eine so blöde Erfindung anderen Menschen Streiche zu spielen! Wer erfand bloß so etwas Gemeines? Effie jedenfalls würde ab jetzt an diesem Tag immer krank im Bett bleiben, so viel stand fest.

Suspicion

Suspicion

1. April im Jahr der 72. Hungerspiele, Distrikt 4

Annie Cresta
 

Annie lag auf dem Bett. Sie versuchte zu lesen. Regelmäßig hob sie den Kopf und lauschte, ob sich etwas im Haus regte, aber Finnick war kein Frühaufsteher. Er schlief sicher noch.

Annie war bei Sonnenaufgang aufgewacht. In kürzester Zeit war sie hellwach gewesen und hatte nicht mehr einschlafen können. Sie hatte das Bett gemacht und sich mit dem Buch wieder auf das Bett gelegt. Finnick hatte das Buch aus dem Kapitol mitgebracht. Dem Einband zufolge war es spannend. Trotzdem hatte sie seit Stunden nicht eine Seite gelesen. Finnick ging ihr nicht aus dem Kopf. Eigentlich war das nämlich sein Bett.

Es hatte sich irgendwie ergeben. Annie war äußerst selten in ihrem eigenen Haus. Sie mochte Finnicks Haus lieber. Ihr eigenes war wie ein Museum. Finnick hatte sie auch nie weg geschickt. Die erste Nacht in Distrikt 4 nach ihren Hungerspielen hatte Annie nicht alleine in ihrem Haus verbringen wollen. Finnick hatte sie mit zu sich genommen. Nur ein Mal … Sie war da geblieben. Finnick hatte sie in seinem Bett schlafen lassen. Dort schlief sie immer noch. Nur er nicht mehr. Zuerst war er auf ein unbequemes Klappbett, das er am Fußende aufgestellt hatte, und dann ins Zimmer nebenan umgezogen. Seit ein paar Tagen schlief sie ganz allein in Finnicks Schlafzimmer. Sie traute sich nicht danach zu fragen, aber es ging ihr ständig durch den Kopf. Warum schlief Finnick lieber im Nebenzimmer als in seinem Bett?

Wenn er sie nicht bei sich haben wollte, dann könnte er sie gleich nach nebenan in ihr eigenes Haus schicken.

Annie drehte sich auf den Rücken. Sie winkelte die Beine an und stützte das Buch auf ihrer Brust ab. Worum ging es in dem Buch überhaupt? Sie seufzte auf. Der weiße Stoff des Betthimmels kräuselte ein bisschen sich im lauen Wind. Sie hatte die Fenster offen gelassen, damit sie das Rauschen der Brandung hören konnte.

Entgegen Mags Vermutung, dass der Frühling nach dem langen Winter in diesem Jahr auf sich warten lassen würde, war es nach Annies Geburtstag plötzlich warm geworden. Das Wasser war noch zu kalt zum Schwimmen, aber die Sonnenstrahlen waren schön warm.

Finnick hatte sein Boot wieder flott gemacht. Früher, vor den Dunklen Tagen, hatte es Werften gegeben, in denen die Boote überholt und instand gesetzt worden waren. Das hatten ihre Eltern ihr erzählt, als sie ein kleines Mädchen gewesen war.

Heute musste das jeder selbst tun, wenn er nicht wollte, dass sein Boot eines Tages auseinander fiel. Finnick liebte sein Boot und war sehr sorgfältig damit. Sie hatte ihm helfen wollen, aber nachdem sie sich versehentlich mit einem Hammer auf den Daumen geschlagen hatte, hatte er sie nichts mehr anfassen lassen.

Finnick hatte Annie versprochen heute mit dem Boot raus zu fahren und zu angeln. Sie freute sich darauf. Es wäre das erste Mal nach dem langen Winter das sie raus auf's Meer fuhren. Hoffentlich überlegte Finnick es sich nicht anders.
 

In zehn Tagen hatte Finnick Geburtstag. Wenn Annie daran dachte, drehte sich ihr Magen um. Sie hatte ihm eine neue Muschelkette gemacht, die sie bei sich zu Hause versteckte. Es war eine ähnliche Kette wie die, die seine Mom seinem Dad geschenkt hatte. Sie wusste nur nicht, ob sie ihm die Kette schenken konnte.

In der Tradition war es üblich, dass Frauen den Männern, die sie liebten, solche Ketten machten. Die Ketten sollten sie beschützen, aber nachher verstand Finnick das Geschenk falsch. Oder schlimmer, er verstand es nicht falsch und bemerkte, dass sie sich in ihn verliebt hatte? Ein Teil von ihr wollte, dass er sie bemerkte. Der größere Teil hatte Angst davor zurück gewiesen zu werden. Finnick behandelte sie in den letzten Wochen immer seltsamer. Er war abweisender als früher. Das war etwas Unausgesprochenes zwischen ihnen. Das letzte Mal als sie schreiend aus einem Albtraum aufgewacht war, hatte er sie danach im Arm gehalten bis sie sich wieder beruhigt hatte. Je länger sie Zeit hatte darüber nachzugrübeln, umso peinlicher war ihr das.

„Annie!“ Finnicks vorwurfsvolle Stimme schreckte Annie auf. Ihr Herz hämmerte wild. Musste er sie erschrecken? „Was machst du da?“

„Lesen“, sie schielte über den Rand ihres Buches, zwischen ihren Knien hindurch. Finnick stand ihr gegenüber an der Schlafzimmertür und starrte sie an als würde nicht sie in seinem Bett liegen, sondern die nackte Mags.

„Das … äh … sehe ich auch, aber ist dir nicht kalt?“, fragte er. Mit schnellen Schritten durchquerte er den Raum und schloss die Fenster. Hatte er mal auf das Thermometer gesehen? Es war neun Uhr morgens und sie hatten bereits 20°C draußen. Annie beobachtete ihn perplex. Er wirkte ganz nervös. Hatte sie etwas getan? Sie war sich keiner Schuld bewusst.

Finnick blieb an einem der Fenster stehen und warf einen Blick über die Schulter. „Du kannst nicht so schlafen gehen. Warum hast du keinen der Schlafanzüge angezogen, die ich dir mitgebracht habe? Die sind viel … wärmer. Nachher wirst du krank.“

Annie schaute an sich herunter. Sie war in Top und Schlafanzughose ins Bett gegangen. Die Schlafanzüge, die Finnick aus dem Kapitol mitgebracht hatten, waren ihr alle etwas zu groß und zu weit. Vor allem waren sie viel zu warm für die Jahreszeit. In der letzten Nacht hatte sie die Schlafanzughose ausgezogen. Sonst hätte sie nicht schlafen können.

„Du schläfst auch in Unterwäsche und T-Shirt“, erwiderte Annie, die nicht verstand, wo das Problem lag. Sie würde nicht in Top und Slip auf die Straße gehen. Im Bett unter der Decke hatte das niemand gesehen.

„Das ist etwas anderes“, fand Finnick, ohne sich dieses Mal zu ihr umzudrehen. Annie fand überhaupt nicht, dass es etwas anderes war.

„Warum? Mir war nicht kalt und mich hat doch niemand in meiner Unterwäsche gesehen.“

Wieder schaute Finnick sie nur kurz über die Schulter an. Was um Himmels Willen war heute morgen los mit ihm? Hatte sie einen Grund sich Sorgen zu machen?

„Geht's dir gut, Finnick?“ Annie war im Begriff aufzustehen und zu ihm herüber zu gehen. Etwas stimmte ganz und gar nicht mit ihm. Sie kannte ihn gut genug um das einschätzen zu können. „Hast du was?“

„Du solltest ins Bad gehen und …“, Finnick schielte sie zu ihr herüber und musterte sie von oben bis unten. „Du solltest dir etwas Warmes anziehen. Ich meine es ernst. Du unterschätzt das Wetter. Auf dem Wasser kann es kalt werden.“

„Willst du nicht zuerst ins Bad? Ich könnte in der Zwischenzeit Frühstück machen“, schlug Annie vor. Vielleicht beruhigten selbstgemachte Pfannkuchen seine Nerven und er beruhigte sich wieder?
 

„Und denk dran dir etwas Warmes anzuziehen!“, rief Finnick ihr hinterher. Kopfschüttelnd ging Annie über den Flur zum Badezimmer. Er hatte es in den letzten Wochen damit, dass sie sich warm anziehen sollte.

Die Badezimmertür stand einen Spalt weit auf. Annie wollte sie hinter sich schließen und griff in etwas Weiches, Schleimiges. Sie schrie erschrocken auf und zog die Hand zurück. Was war das denn Ekeliges gewesen? Ihr Herz raste. Sie traute sich kaum nachzusehen. Zögerlich tat sie es doch und es stellte sich heraus, dass es nur Zahnpasta gewesen war. Es war nur Zahnpasta? Zahnpasta an der Türklinke?

„Annie! Ist dir etwas passiert?“, rief Finnick. Fast sofort stand er wieder vor ihr um ihr beizustehen. Plötzlich fiel ihr etwas auf. Deshalb hatte Finnick darauf bestanden, dass sie als Erste ins Bad ging! Natürlich! Es war der 1. April und Finnick hatte ihr einen Streich gespielt.

Annie kicherte leise. Finnick sah viel zu süß aus mit seinen strubbeligen, zerzausten Haaren. Das weckte bei ihr jeden Morgen das dringende Bedürfnis ihm durch die Haare zu streicheln. Annie lächelte Finnick an und schlagartig fiel ihr wieder ein, dass sie eigentlich ins Bad wollte.

„April, April“, meinte Annie. Sie war auf seinen Streich herein gefallen, aber ihr war nichts passiert. „Alles gut“, beruhigte sie ihn. Er war immer direkt zur Stelle, wenn sie ihn brauchte oder er dachte, sie würde Hilfe brauchen. Manchmal war er viel zu süß um wahr zu sein.

Annie versicherte ihm, dass alles Gut war und versprach sich zu beeilen, bevor sie die Tür mit dem Fuß schloss, weil sie nicht wieder in die Zahnpasta fassen wollte. Sie trat ans Waschbecken um sich die mit Zahnpasta verschmierten Hände zu waschen.

Hatte Finnick eigentlich eine Ahnung wie gut er mit strubbeligen Haaren aussah? Oder mit ein bisschen drei-Tage-Bart? Warum musste er den immer sofort wieder abrasieren? Sie drehte den Wasserhahn auf und plötzlich spritzte Wasser wie verrückt durch die Gegend. Annie hüpfte einen Schritt zurück und stellte schnell den Wasserhahn wieder ab. Sie wischte sich die nassen Haare aus der Stirn und schmierte sich dabei die Zahnpasta ins Gesicht.

Annie schaute genauer hin. Da hing Klebeband am Wasserhahn. Finnick musste den Wasserhahn präpariert haben. Jetzt war sie von oben bis unten nass und sie wusste nicht, ob sie das komisch fand, bis ihr Blick auf ihr Spiegelbild fiel. Sie sah schon lustig aus. Klatschnass mit Zahnpasta im Gesicht. Annie musste über sich selbst lachen und eigentlich war es auch nichts Schlimmes. Ihr war nichts passiert. Bei dem zweiten Waschbecken untersuchte Annie den Wasserhahn trotzdem vorher.
 

Annie stellte den Mixer ab. Sie lauschte auf die Geräusche aus dem Obergeschoss und warf dann einen Blick auf die Uhr. Finnick war seit über einer Stunde im Badezimmer. Sie hatte überlegt hoch zu gehen und an die Tür zu klopfen, aber aus Angst zu übertreiben, hatte sie es bisher unterlassen und Pfannkuchenteig gemacht. Makrele schnurrte bettelnd um ihre Beine, als sie eine Pfanne auf den Herd stellte. Annie versuchte nicht über ihre Katze zu stolpern.

„Du hast doch etwas zu fressen“, erklärte sie dem kleinen Vierbeiner. Makrele maunzte sichtlich unbeeindruckt. „Ich weiß, du willst das haben, aber das ist nicht gut für dich.“

Oder? Katzen sollten keine Pfannkuchen fressen. Annie fiel ein, dass sie vergessen hatte den Teig zu probieren. Sie nahm einen Löffel aus der Schublade um das nachzuholen. Kaum das sie den Geschmack auf der Zunge hatte, musste sie würgen. Der Teig war komplett versalzen. Angewidert und ratlos betrachtete Annie das Desaster. Den Teig konnte sie vergessen, aber sie hatte gar kein Salz rein gemacht. Argwöhnisch nahm sie die Zuckerdose in die Hand und probierte mit dem Finger. Salz! Finnick hatte das Salz und den Zucker vertauscht! Sie seufzte auf. Annie war genervt und entsorgte den versalzenen Teig, bevor sie einen neuen machte. Es war schade um die Lebensmittel. Auf weitere Aprilscherze seinerseits würde sie nicht herein fallen.
 

„Nein!“ Annie zog Finnick den Teller mit den Schokoladenmuffins unter den Fingerspitzen weg. Sie stellte ihn an einer anderen Stelle auf die Anrichte, wo sie die Muffins in Ruhe verpacken und im Proviantkorb verstauen konnte. Die Muffins hatten in der Küche gestanden. Ein netter Gruß von Mags, der sie heute Nachmittag den frisch gefangenen Fisch bringen sollten.

Finnick murrte etwas Unverständliches und ließ sich auf einen der Stühle fallen. Annie fiel auf, dass er schlecht gelaunt war. Sie warf ihm einen verunsicherten Blick zu. Hatte sie ihn verärgert?

„Da sind Pfannkuchen“, sagte sie vorsichtig. Nachdem sie den versalzenen Teig entsorgt hatte, hatte sie neuen gemacht und dieses Mal vorher überprüft, ob sie auch tatsächlich den Zucker erwischt hatte. „Ich dachte wir nehmen die Muffins lieber mit.“

„Hhm“, machte Finnick. Da er keine Anstalten machte sie zu bewegen, machte sie einen Pfannkuchen auf einen Teller. Sie legte etwas Obst dazu, obwohl sie wusste, dass Finnick sich nur ungern nötigen ließ Obst oder Gemüse zu essen. Sie streute ein wenig Puderzucker darüber und stellte ihm den Teller hin.

„Danke“, sagte er und schien überrascht. Das erste Stück Pfannkuchen war nicht ganz in seinem Mund angekommen, als er fast seine Gabel fallen ließ und sie musterte als wäre sie ein Gespenst.

„Willst du das anlassen?“, hakte Finnick nach und sein Blick verfinsterte sich.

„Deswegen hab ich es angezogen“, antwortete Annie. Sie trug ein türkisfarbenes Top und eine kurze Jeans. Die Jeans war neu. Ihr gefiel das und eigentlich hatte sie gehofft, Finnick würde es auch gefallen. Den Mädchen am Strand schaute er jedes Mal hinterher, wenn sie solche Hosen trugen.

„Diese … Hose hab ich noch nie gesehen“, stellte Finnick fest. „Die hab ich auch neu.“ Annie war stolz auf ihre neue Jeans, aber plötzlich fühlte sie sich wie vor einem Inquisitionskommando. Konnte Finnick wenigstens aufhören sie anklagend anzuschauen?

„Das ist viel zu kurz, Annie!“ Aber … Annie hatte gehofft, er würde die Hose mögen. Unsicher zupfte sie an ihrem Top herum. Warum schaute er anderen Mädchen hinterher, wenn sie solche Hosen trugen und sie durfte nicht?

„Ich hab gesagt, du sollst dir etwas Warmes anziehen. Es könnte kalt werden. Geh dich umziehen.“
 

Tränen sammelten sich in Annies Augen, während sie ihr Fach im Kleiderschrank anschaute. Sie hatte ein paar Sachen bei Finnick. Wütend wühlte sie dazwischen herum und störte sich nicht daran, dass sie alles durcheinander brachte. Sie war kein kleines Mädchen mehr! Sie war eine erwachsene Frau! Sogar ganz offiziell. Vor fast vier Wochen war sie 18 Jahre alt geworden.

Schön, die blöden Sommersprossen hatte sie nach wie vor und die würde sie vermutlich auch nie los werden, aber ihre Figur war viel weiblicher geworden. Sie hatte Rundungen an Stellen entwickelt, wo welche hingehörten. Die fast jungenhafte Statur war längst Geschichte und diese Jeans standen ihr gut!

Konnte Finnick das nicht einsehen? Vielleicht hatte er es auch bemerkt und wollte sie deshalb 'warm' anziehen? Damit keinem anderen auffiel, dass sie hübsch war. Wenn es nach ihm ging, würde sie nur Säcke tragen, die alles versteckten. Sie fühlte sich bevormundet. Sie war kein Kind mehr und es ärgerte Annie, dass Finnick in ihr nur das kleine Ding zu sehen schien, das er beschützen musste. Vielleicht war er doch lästig als großer Bruder und Aufpasser. Wie sollte sich jemals ein Mann für sie interessieren, wenn Finnick so weiter machte? Annie seufzte traurig. Eigentlich sollte sich auch nicht irgendein Mann für sie interessieren. Sie wollte Finnick, aber der nahm sie überhaupt nicht als Frau wahr.

Annie entdeckte den Zipfel der Häkeltunika, die Mags ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, und nahm das Kleidungsstück aus dem Kleiderschrank. Sie zog es über. An der Hüfte machte sie einen Knoten. Zufrieden betrachtete sie ihr Spiegelbild. Sie hatte sich wärmer angezogen. Ein klein wenig … Sie wollte gehen, als sie noch einmal zum Spiegel zurück ging und ihren Zopf löste. Ihre langen Locken fielen ihr auf den Rücken. Sie gefiel sich. War ihr doch egal, was Finnick sagen würde!

Annie hoffte trotzdem, dass es ihm gefallen würde. Sie verbuchte seine großen Augen, als sie wieder in die Küche kam auch fast als Erfolg bis Finnick den Mund aufmachte.

„Was ist das?“, fragte Finnick entsetzt und fing an zu husten, weil er sich an seinem Pfannkuchen verschluckt hatte. „Wolltest du nicht was Warmes anziehen? Du kannst so nicht draußen herum laufen.“

„Das ist aus Wolle. Das ist etwas Warmes“, widersprach Annie verletzt.

„Das ist durchsichtig!“, empörte sich Finnick. „Stimmt nicht!“ Annie schüttelte den Kopf. Gut, man konnte die Farbe des Tops erkennen, das sie trug, aber durchsichtig war etwas anderes.

Finnick faselte etwas vor sich hin. Annie starrte auf den Fußboden. Sie weigerte sich stur sich noch mal umzuziehen und schließlich machten sie sich schlecht gelaunt auf den Weg zum Boot.
 

Annie verschränkte die Arme vor der Brust und schaute hinüber zum Festland. Sie waren bestimmt zwei, drei Kilometer vom Festland entfernt. Ein zu weiter Weg um ihn zurück zu schwimmen. Erst Recht im April! Sie steckten fest. Etwas war kaputt gegangen und sie kamen nicht weiter. Sie hatten den Anker herunter gelassen, damit sie nicht abtrieben.

An fast allen anderen Tagen hätte Annie sich darüber gefreut Finnick ganz für sich alleine zu haben, aber heute hatte er denkbar schlechte Laune. Er schaute sie nicht einmal an. Sie fühlte sich unwohl. Und sie hatte nachgeschaut. Finnick hielt sein Boot instand, machte Ordnung und er putzte hier deutlich öfter als zu Hause, aber richtig gemütlich fand sie es nicht. Übernachten wollte sie hier eigentlich nicht. Sie sollte ihm mal anbieten, die Decken und Gardinen zu waschen. Die einzige Decke an Bord roch etwas muffig. Ein paar neue Kissen in schönen, hellen Farben könnten auch nicht schaden und eine Tischdecke für den Tisch. Ein wenig Deko … Sie war sich aber nicht sicher, ob sie ihm damit eine Freude machte. Im Moment traute sie sich auch kaum etwas zu sagen. Sie malte mit den Fingern auf der Tischplatte herum. Finnick war schlecht gelaunt und ungeduldig. Sie ging ihm lieber aus dem Weg.

„Hier bist du“, sagte Finnick. Er betrat die Kajüte um Werkzeug zu holen und hielt inne, als er den Korb mit den Muffins entdeckte. „Willst du auch einen?“

Annie schüttelte den Kopf. Sie war nicht hungrig. Finnick hatte zwar fast alle Pfannkuchen vom Frühstück gegessen, aber er konnte ständig essen. Wenn sie nicht aufpasste, wären die Muffins auch ganz schnell leer. Es war immer das Gleiche. Wenn Mags Kuchen brachte oder Muffins oder anderes Gebäck. Bei Finnick war es schneller weg als sie gucken konnte, aber er ließ ihr immer genau einen übrig.

Ohne Vorwarnung stürmte Finnick plötzlich an ihr vorbei nach draußen. Annie schaute ihm überrascht hinterher. Was war denn jetzt wieder?
 

„Annie!“, wütend drehte er sich wieder zu ihr um. Erschrocken schaute sie ihm hinterher. Was war denn los? Finnick hielt den Muffin hoch. Der Muffin war mit etwas gefüllt, das aussah wie …

„Ist das Senf?!“, fragte Annie überrascht. Hatte Mags ihnen etwa? Mags hatte ihnen einen Aprilscherz gespielt? Finnick warf den Muffin über Bord und eilte wieder zurück in die Kajüte, an Annie vorbei, um sich etwas zu trinken zu holen.

„Tu nicht überrascht!“

„Ich hab die Muffins nicht gebacken!“, verteidigte Annie sich. Wenn Finnick nachdenken würde, wäre ihm das vielleicht auch klar. Sie hatten gestern den ganzen Tag zusammen verbracht. Sie hatte nicht die Gelegenheit gehabt. Es sei denn sie wäre nachts aufgestanden.

„Wer denn sonst?“ Finnick setzte die Flasche Wasser ab und schüttelte wütend den Kopf. „Das war nicht lustig, Annie.“

„Ich glaube es war Mags“, vermutete sie, während sie versuchte gegen ihre Tränen anzukämpfen. Sie war immer nah am Wasser gebaut. Es war peinlich, wie oft sie in Tränen ausbrach, aber sie konnte damit nicht umgehen, wenn Finnick wütend auf sie war.

„Und jetzt alles auf Mags schieben! Dann gib es wenigstens zu. Deine Aprilscherze sind nicht mehr lustig.“ Annie war fassungslos. Ihre Aprilscherze? Sie hatte nichts gemacht! „Quarkbällchenmanipuliererin!“, fügte Finnick hinzu. Annie ließ den Kopf hängen. Dieses Mal war sie es nicht gewesen! Das hatte sie nicht gemacht. Sie schniefte. Tränen lösten sich aus ihren Augenwinkeln. Das war ein gemeiner Streich von Mags und deswegen war Finnick nun wütend und sie saß mit ihm auf dem blöden Boot fest. Finnick stöhnte auf. Weitere Tränen kullerten über ihre Wangen. Jetzt war er auch noch genervt, weil sie weinte. Finnick kam zu ihr hinüber. Er stellte sich neben die Eckbank, auf der sie saß. Annie starrte stur auf die Tischplatte. Sie verfluchte ihre Tränen.

„Annie“, sagte er eine Spur sanfter und zog sie unerwartet in eine Umarmung. „Hör auf zu weinen“, forderte er und streichelte über ihren Rücken. Unwillkürlich bekam sie eine Gänsehaut am ganzen Körper. Die Stellen an ihrem Rücken, an denen seine Hände liegen blieben, kribbelten. Vor Schreck vergaß Annie das Weinen. Sie hob den Kopf. Ihre Blicke trafen sich und sie blieb an seinen Augen hängen. Sie liebte seine Augen, auch wenn sie Annie komplett verwirrten.

Finnick sollte sie lieber wieder los lassen. Sie war überfordert. Wenn er sie nicht wieder los ließ, dann würde sie etwas Dummes tun. Da war wieder dieses dringende Verlangen ihn zu berühren und ihn zu küssen.

„Ich hab das wirklich nicht gemacht“, flüsterte Annie, aber an Finnicks Blick erkannte sie, dass er ihr das nicht glaubte.

„Ach Annie, was hältst du davon, wenn wir die Angeln auslegen und du in der Zwischenzeit auf die Angeln aufpasst? Ich beeile mich mit der Reparatur.“
 

Annie saß im Schneidersitz da und lehnte sich an die Außenwand der Kajüte. Sie versuchte auf das Meer hinaus zu sehen, aber die See war ruhig und langweilig. Nicht mal Delfine sprangen in der Ferne aus dem Wasser. Sie hatte sich wieder beruhigt, obwohl Finnick ihr nicht glauben wollte, dass sie gar nichts gemacht hatte.

Vorsichtig schielte sie zur Seite, wo Finnick noch damit beschäftigt war dieses Ding zu reparieren. Er stand mit dem Rücken zu ihr. Eigentlich dürfte er es nicht bemerken, wenn sie ihn beobachtete, aber das hatte sie damals im Trainingscenter auch gedacht. Sie versuchte auch gar nicht hinzusehen, aber sie konnte nicht weg sehen. Finnick zog sein Shirt aus. Kurz bekam sie ein schlechtes Gewissen, weil sie ihn heimlich anstarrte.

„Hat schon was angebissen?“, fragte Finnick und drehte sich zu ihr um. Annie blinzelte. Sie wusste nicht wo sie hin sehen sollte. Es war unfair, dass sie ihn nur ansehen und nie anfassen durfte. Sie hatte ihn ständig vor Augen und sie wollte nur einmal wissen, wie sich sein Körper unter ihren Händen anfühlte. Sie wollte ihn berühren. Die Konturen seiner Muskeln mit den Lippen nach fahren. Ihn spüren.

„Träumst du? Du sollst auf die Angeln aufpassen.“

„Ich …“ Annie wurde heiß und kalt gleichzeitig. Ihr Mund klappte auf, aber sie schloss ihn gleich wieder. Sie fühlte sich ertappt und spürte wie ihr Blut in die Wangen schoss. Zum Glück konnte Finnick keine Gedanken lesen. Das, was ihr bei seinem Anblick durch den Kopf ging, durfte er nicht wissen. Niemals.

Konzentriert schaute sie wieder auf das Wasser, aber ihre Konzentration ließ schnell wieder nach. Vorsichtig schielte sie wieder zu Finnick hinüber, der ohne sein Shirt weiter arbeitete. Unbewusst spielte sie mit einer Haarsträhne. Wenn sie mutiger wäre, würde sie vielleicht hinüber gehen und ihn küssen. Sie könnte es einfach tun und herausfinden was dann passierte. Annie versuchte sich das vorzustellen. Wie sie aufstand, die wenigen Schritte zu ihm ging, ihm die Arme um den Nacken legte und … Annie seufzte schwer. Sie würde sich das nie trauen! Sie wollte unbedingt, aber sie würde sich das nicht trauen.

Ein Rucken an der Angel direkt vor ihr lenkte Annies Aufmerksamkeit von Finnick ab. Sie griff nach der Angel. Der nächste Ruck riss sie nach vorne. Sie stieß sich die Rippen an Reling und atmete scharf ein.
 

„Finnick!“, rief Annie. Mit aller Kraft versuchte sie die Angel zu halten. Da hatte sie etwas Großes an der Angel. Einer dieser fast 40kg Fische, wie die Goldmakrele, die sie mal gefangen hatte. Warum kam Finnick denn nicht um ihr zu helfen?

„Finnick!“, rief sie wieder. Verzweifelt schaute sie sich um. Der nächste Ruck ließ sie beinahe über Bord gehen. Finnick stand mit dem Rücken zu ihr. Er drehte sich nicht einmal zu ihr um.

„Noch mal falle ich auf keinen Aprilscherz herein“, verkündete er gut gelaunt und machte Annie sprachlos. Bitte was? Das war kein Scherz! Das war ihr voller Ernst! „Finnick!“

Sie schrie auf, als sie durch den nächsten heftigen Ruck an der Angel, Übergewicht nach vorne bekam und ins Wasser fiel.

Das Wasser war eiskalt. Es war jedenfalls viel zu kalt zum Schwimmen. Wie aus Reflex hielt Annie sich an der Angel fest. Der Fisch zog sie ein Stück mit sich, bevor er von der Angel los kam und Annie auftauchen konnte. Ihr Kopf durchbrach die Wasseroberfläche. Sie atmete tief ein.

Ihr Körper zitterte vor Kälte, ohne das sie viel dagegen tun konnte. Ihre Zähne klapperten aufeinander. Sie verstand sehr gut, warum im April niemand verrückt genug war, schwimmen zu gehen. Das warme Wetter war trügerisch. Das Wasser war viel zu kalt.

Bis zum Boot zurück waren es nur ein paar Meter. Der Fisch war weg, aber die Angel hatte sie noch und schlagartig hatte sie ein ganz anderes Problem. Sie schrie auf, als sie den Schmerz und das Brennen an den Beinen spürte. Verdammte Feuerquallen!

Finnick hatte nun endlich auch bemerkt, dass sie ihm abhanden gekommen war. Er tauchte an der Reling auf und machte Anstalten ins Wasser zu springen. Annie schüttelte entsetzt den Kopf.

„Nein! Finnick …“, rief sie ihm zu, aber es war bereits zu spät. Finnick sprang mit einem Hechtsprung ins Wasser. „Da sind Feuerquallen“, fügte Annie leiser hinzu. Sie hörte ihn fluchen, kaum, dass er aufgetaucht und ein paar Züge geschwommen war.
 

„Ist dir etwas passiert?“, fragte Finnick besorgt, als er bei ihr ankam. Er ließ ihr keine Zeit zum Antworten, dann hätte sie ihm nämlich gesagt, dass es ihr gut ging. Finnick legte ihr einen Arm um die Taille und schwamm mit ihr schnell zum Boot zurück. Sie erreichten die Leiter und ehe sie sich versah, hatte Finnick sie sich gepackt und sie saß wieder an Deck. Finnick tauchte fast sofort neben ihr auf.

„Ist dir etwas passiert?“ Hektisch strich er ihr die Haare aus dem Gesicht. Er musterte sie prüfend und zog sie an sich heran. Seine Arme waren wie ein Schraubstock, die Annie an seinen nackten Oberkörper pressten. Perplex ließ Annie sich die Umarmung gefallen. Sie musste unbedingt öfter über Bord gehen.

„Hast du dir etwas getan? Ich dachte, du machst wieder einen Aprilscherz.“

„Mir ...“, setzte Annie zu einer Antwort an, aber Finnick hinderte sie daran auszusprechen. Ohne Vorwarnung zog er ihr das Top mitsamt Häkeltunika über den Kopf. Erschrocken verschränkte Annie die Arme vor ihren Brüsten. Sie trug einen rosa Schleifchen-BH!

Wenn sie darüber nachgedacht hatte, wie es wäre, wenn Finnick sie auszog, dann war das etwas anders gewesen. Sie hatte schönere Unterwäsche getragen. Sexy Wäsche. Weniger Rosa und Schleifchen. In ihren Tagträumen hatte Finnick ihr allerdings auch nicht panisch die Klamotten herunter gerissen um nachzusehen, ob sie verletzt war. Ungeachtet ihrer Reaktion untersuchte Finnick ihre Seite. Sie zitterte und hatte Gänsehaut. Und das nicht nur, weil sie mittlerweile doch fror.

„Das gibt einen blauen Fleck“, stellte er fest. Seine Hand lag auf der Stelle, an der sie sich an der Reling gestoßen hatte.

„Das ist nicht schlimm“, meinte Annie hilflos. Sie wusste nicht was sie sagen sollte. In ihr nahm der sehnsüchtige Wunsch Gestalt an, dass er seine Hand nur ein Stück höher schob. Sie wusste nicht wie sie weiter atmen sollte. Wenn er sie jetzt ansah … Annie wich seinem Blick aus und entdeckte die Angel, die sie an Bord gerettet hatte.

„Ich hab die Angel gerettet“, sagte sie und hielt die Angel hoch. Finnick wandte überrascht den Kopf und fing an zu lachen.

„Das ist die Hauptsache, Annie.“ Finnick streichelte ihr über die Wange. „Es tut mir leid, dass ich nicht reagiert hab. Ich dachte du machst einen Aprilscherz. Dann warst du das mit den Muffins auch nicht?“

Endlich glaubte Finnick ihr. Annie lächelte ihn erleichtert an. Ihr unfreiwilliger Sturz ins Wasser hatte damit einen positiven Nebeneffekt.

„Nein“, bestätigte sie ihm. „Ich hab die Muffins nicht gebacken.“

„Was ist mit dem Brühwürfel und der Farbe im Shampoo?“ Annie schüttelte den Kopf. Finnick erzählte ihr davon, wie er beim Duschen plötzlich Brühe abbekommen hatte. Er hatte sich mehrmals duschen müssen bis er den Geruch los geworden war. In seinem Shampoo war rote Farbe gewesen, die er nach einer Stunde waschen erst wieder raus bekommen hatte.

„Die Zahnpasta unter der Türklinke?“, fragte Annie nach. „Das Klebeband am Wasserhahn? Und das Salz in der Zuckerdose?“

„Du dachtest, ich hätte die Aprilscherze gemacht?“, beantwortete Finnick ihre Frage mit einer Gegenfrage. „Dann war es tatsächlich Mags!“ Finnicks Gesichtsausdruck wurde empört.
 

„Die Nesseln müssen ab“, sagte Finnick, nachdem er sich halbwegs wieder ein bekommen hatte. Er war restlos empört darüber, dass Mags in diesem Jahr Aprilscherze machte. Das hatte sie nie getan und er wiederholte wieder und wieder, dass er das unmöglich und gemein fand.

Annie betrachtete die Spuren der Feuerqualle an ihren Armen und Beinen. Sie sah furchtbar aus. Zum Glück hatte Annie sich bei Mags abgeschaut, alles an Kräutern in ihrem Garten anzupflanzen, was sie irgendwie bekommen konnte. Sie versuchte sich auch regelmäßig an Gemüse und Obst, aber manche Sorten vertrugen das Klima in Distrikt 4 nicht gut. Von Mags hatte sie auch ein Rezept für eine Kräuterpaste. Damit würde sie später Umschläge machen. In einer Woche wären die Spuren ihrer Begegnung mit der Feuerqualle verschwunden.

Die Umschläge halfen sehr gut gegen den Juckreiz und das Brennen. Annie musste sich regelrecht zwingen ihre Arme und Beine nicht anzufassen und zu kratzen. Finnick hatte etwas holen wollen, das half. Sie fragte sich bereits wo er blieb, als er endlich zurück kam.

„Wir müssen die Nesseln mit Salzwasser abwaschen“, sagte Finnick und stellte zwei Eimer mit Wasser neben ihr ab. „Salzwasser ist für die Nesseln die gewohnte Umgebung. Dann platzen sie nicht auf und dann wird es nicht schlimmer“, erklärte er. Annie nickte. Sein Blick glitt zu ihren Beinen. Dort wo die Feuerquallen sie erwischt hatten, hatte sie rote Striemen.

„Das Wasser ist etwas kalt“, warnte er und ging vor ihr in die Knie. Ganz vorsichtig, als hätte Finnick Angst sie zu berühren, wusch er die Nesseln mit dem Salzwasser und einem Tuch ab. Annie biss die Zähne aufeinander. Es brannte und juckte wie verrückt.

„Geht's?“, fragte Finnick besorgt. Er sah zu ihr hoch. Annie nickte. Sie atmete schwer aus. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie die Luft angehalten hatte. „Ich kann mir nur Schöneres vorstellen, als im April ins Wasser zu fallen und Feuerquallen zu begegnen.“
 

Finnick wusch ihr die restlichen Nesseln von den Beinen, aber als sie ihm helfen wollte seinen Oberkörper zu waschen, lehnte er ab.

„Ich bekomme das hin“, erklärte Finnick entschieden. „Geh lieber in die Kajüte und wickel dich in die Decke ein.“ Annie schüttelte den Kopf. Er hatte die Striemen und Nesseln überall am Oberkörper, während bei ihr Arme und Beine betroffen waren. An seinem Rücken kam er nicht an die Nesseln dran. Er brauchte ihre Hilfe, ob er wollte oder nicht. Annie nahm einen neues Tuch und tauchte es in das Salzwasser.

„Jetzt hör auf den Helden zu spielen“, antwortete Annie energisch. Sie hoffte, dass er jetzt auf sie hörte. Bei Mags klappte es ganz gut, wenn sie energisch mit Finnick sprach und Annie wollte ihm nur helfen. „Setz dich oder knie dich hin. Ich komm nicht richtig dran, wenn du stehst.“

Finnick machte ein überraschtes Gesicht und Annie stemmte die Hände in die Hüften. Er stöhnte genervt auf, aber schließlich gab er nach und kniete sich hin.

„Du bist streng“, beklagte Finnick sich. Er fluchte, als er bemerkte wie kalt das Meerwasser war.

„Ist nur zu deinem Besten. Entspann dich“, wies Annie ihn an. Seine Muskeln waren zum Zerreißen angespannt, aber wenn überhaupt, verkrampfte er sich noch mehr. „Du hast heute eine Jungfrau in Nöten gerettet, Finnick. Ich verrate es auch keinem, wenn der Held sich jetzt von mir helfen lässt.“

„Gut“, antwortete Finnick betont lässig. „Sonst machst du mir mein Image kaputt.“

Annie kicherte. Sie wusste wie unangenehm das war. Da konnte Finnick lange so tun als wäre das nichts. Es musste auch bei ihm unangenehm sein.

Wind kam auf und sie zitterte, während sie Finnicks Rücken von den lästigen Nesseln befreite. Sie wollte nach Hause. Ob es übertrieben war, wenn sie zu Hause den Kamin im April noch mal anmachten? Annie wusch behutsam die Nesseln von Finnicks Schultern. Sein Rücken war bereits fertig. Sie tauchte den Lappen wieder in den Eimer, als Finnick ihr Handgelenk fest hielt.

„Deine Lippen sind ganz blau, Annie“, bemerkte er besorgt. „Den Rest schaff ich alleine. Du gehst rein und holst dir die Decke, bevor du krank wirst.“

„Frierst du nicht?“, fragte Annie. Er war auch im Wasser gewesen. Ihm musste doch auch kalt sein.

„Mir ist nicht kalt“, behauptete Finnick als könnte er ihre Gedanken lesen. „Ich bin der Mann und du bist die Frau. Männer machen sowas. Sie überlassen der Frau die einzige Decke.“

„Das ist doch …“ Annie wollte widersprechen, aber Finnick schüttelte den Kopf.

„Im Gegensatz zu dir habe ich ein trockenes Shirt, Annie“, sagte Finnick und stupste ihr mit dem Finger auf die Nasenspitze. „Weißt du, wie du mir helfen kannst? Kannst du dieses Kräuterzeug machen, das Mags immer macht?“ Annie nickte lächelnd.

„Wenn du zu Hause Feuer im Kamin machst“, entgegnete sie. Finnick lachte und zerstrubbelte ihre Haare. Empört versuchte sie ihn abzuwehren. Das hatte er ewig nicht getan. Finnick lachte weiter und nahm ihr den Lappen aus der Hand, bevor er sie in die Kajüte scheuchte.
 

„Das hat nie jemand besser gemacht“, erklärte Finnick von sich selbst überzeugt, kaum das er ihren ersten Arm fertig einbandagiert hatte. Annie murmelte abwesend Zustimmung. Die Kräuterpaste kühlte und linderte den Juckreiz. Das tat gut. Die Kräuterpaste hatte sie gleich als Erstes gemacht, nachdem sie bei Finnick zu Hause gewesen waren.

Sie hatte es mit Finnick nur wesentlich schwerer als er mit ihr. Er wollte die ganze Zeit seinen Kakao trinken, dabei sollte er die Arme links und rechts ab strecken, damit sie Umschläge um seinen Oberkörper machen konnte.

„Du siehst lustig aus“, fand Finnick, nachdem Annie mit ihm endlich fertig geworden war. „Wie eine Klopapiermumie.“ Annie warf ihm einen bösen Blick zu. Sie wusste, sie hätte ihm dieses Kinderfoto von sich nicht zeigen dürfen. Ihr Bruder hatte sie einmal in Klopapier eingewickelt. Da war Annie drei Jahre alt gewesen. Mit drei Jahren hatte sie das für eine witzige Idee gehalten. „Eine niedliche Klopapiermumie.“ Finnick fing an zu lachen.

„Weißt du, wie du aussiehst?“, erwiderte Annie und streckte ihm die Zunge raus. Sie wollte weg, als Finnick sie packte und an den Seiten kitzelte. Lachend schlug Annie um sich. Sie fiel fast vom Sofa, dabei rutschte ihr Top hoch. Augenblicklich stellte Finnick sie wieder auf die Füße. Er angelte nach ihrem Bademantel und hielt ihn ihr hin.

„Zieh den Bademantel an. Es ist kalt.“

Zusätzlich zum Bademantel drehte Finnick ihr gleich noch eine Decke an. Annie hatte die leise Ahnung, dass es zwecklos war abzulehnen. Sie trank ihren Kakao in kleinen Schlucken, während ihr langsam wieder warm wurde. Annie schaute ihm von der Seite zu. Er war in Gedanken und spielte an dem Gürtel von seinem Bademantel.

„Es ist gemein“, beklagte Finnick sich. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah mehr denn je aus wie ein schmollender Junge. Annie war versucht ihm tröstend über den Kopf zu streicheln.

„Was denn?“

„Wenn du die Aprilscherze gemacht hättest, würde ich mich an dir rächen“, überlegte Finnick laut. Sie schaute ihn empört an. „Gut, bei dir nicht. Du bist ein Mädchen und bei Mädchen macht man sowas nicht, aber bei Johanna würde ich das machen. Ich würde ihr ganz gemeine Streiche spielen. Ich würde Badeschaum in ihr Klo machen. Ich hab mal gehört, dass dann ganz viel Schaum beim Abspülen aus dem Klo kommt.“

Annie stellte sich bildlich vor was mit dem Klo und dem Badeschaum passierte.

„Das ist ekelig. Man spült ab, wenn man auf dem Klo war. Dann kommt das doch auch mit raus“, sagte sie und verzog angewidert das Gesicht. „Willst du Mags etwa Badeschaum ins Klo machen?“

„Eben nicht!“, fluchte Finnick ärgerlich. „Ich würde gerne, aber ich kann nicht. Mags ist eine alte Frau. Da macht man das nicht.“ Finnick machte eine Pause und seufzte schwer. „Das ist gemein, dass ich sie nicht zurück ärgern kann. Ich will ihr auch Senf in Muffins machen.“

Er musste gar keinen Senf in Muffins machen damit sein Gebäck ungenießbar war. Finnick konnte nicht backen, aber das sagte Annie lieber nicht.

„Wenn sie heute Essen kocht, dann esse ich nichts“, entschied Finnick. „Wir können ihr nicht trauen.“



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