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Geheimnisse Mordors

von

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Einöde

Es war ein steiniger, grober Abhang, der sich Sam und Frodo eröffnete, als sie mit den Füßen vor einem dunklen Tal standen. Die Berge waren geschliffen und scharf, und Frodo spürte schon jetzt die Risse in den Händen, die diese Felsen bei ihm hinterlassen würden. Es waren immerhin nicht die ersten, und er wusste, dass seine gerade verheilten Wunden wohl oder übel wieder aufreißen würden, wenn er nicht aufpasste.

Frodo sog die kühle, nicht gerade gut riechende Luft ein; mit ihr schmeckte er Feuer und Rauch auf der Zunge, und etwas, das leicht moderig war. Er schluckte.

„Sam, ich weiß nicht, ob dieser Abhang hier der beste Weg ist. Siehst du, wie scharf die Felsen sind? Ich glaube nicht, dass ich da...“, begann er, doch Sam's ruhige Stimme drang an sein Ohr, noch bevor er den Satz beendet hatte:

„Ich weiß, ich weiß... aber ich glaube, Herr Frodo, uns bleibt nichts anderes übrig. Wir haben uns in der letzten Zeit zu oft verlaufen. Wir müssen hier herunter.“

Frodo, dem unwohl war und der eigentlich hatte dagegen sprechen wollen, nickte leicht, während er Sam's bekümmerten Blick auf sich spürte.
 

Es war schon einige Zeit her, sehr lange Zeit, seit sie sich von ihren Gefährten abgekapselt hatten und den langen und gefährlichen Weg nach Mordor zu zweit eingeschlagen hatten. Sie erinnerten sich kaum mehr daran; es war, als wäre es bereits Jahre her gewesen. Vielleicht waren es aber auch nur Tage gewesen. In der Einöde, den groben Felsen und der Einsamkeit vergaß man nur allzu schnell.

Sie waren tagelang im Kreis gelaufen, ohne Orientierung, ohne Sinn für eine Richtung. Alles in diesen unwirklichen Landen sah gleich aus und fühlte sich grausam und kalt an.

Frodo konnte schon bald die Schwielen an seinen sonst so zähen Hobbitfüßen zählen; manchmal fand er kleine Risse, die sich tief in die Haut zogen, die daher stammten, dass er von einem Felsen abgerutscht war.

Einmal wäre er fast gefallen, und nur Sam's schneller Reaktion und Stärke hatte er es zu verdanken, dass er nicht in die Tiefe und die endlose graue Schlucht gefallen war.
 

Und jetzt das: Sie mussten diese scharfkantige Schlucht hinuntersteigen, weil es keinen anderen Weg gab. Natürlich wusste Frodo das, auch wenn er gern noch einen anderen Weg probiert hätte. Doch nur von dieser Richtung aus sah man von weit, weit entfernt die brennenden Schlunde Mordors und des Schicksalsberges.

„Bereit?“, flüsterte Sam leise neben ihm und legte ihm eine seiner großen Hände auf die Schultern, und Frodo, der noch einmal tief einatmete, nickte leicht.

„Ja, ich denke schon.“

„Ich gehe vor, denn falls ich falle, lebst du wenigstens noch. Und landest auf etwas weichem, solltest du auch fallen.“

Frodo lachte leise, jedoch nicht lange. Ihm war mulmig zumute. Allzu tiefe Höhen waren ihm noch nie geheuer gewesen.

Er sah Sam dabei zu, wie dieser beherzt einen Fuß hinunter setzte; die Steine bröckelten leicht, doch Sam hatte einen festen Griff an einem der Felsen. Langsam setzte er einen weiteren Fuß nach unten, und noch einen, immer gefolgt von mechanischen Handbewegungen, die seinen Halt sicherten. Frodo nahm sich vor, es genau so wie Sam zu machen.

Vorsichtig und leicht zitternd setzte er ebenfalls einen seiner Füße in die tiefere Ebene; seine Zehen ertasteten den steinigen Abschnitt, der einen kleinen Vorsprung bildete, auf dem er sich halten konnte. Seine Finger wurden ganz weiß, auch seine Knöchel, als er die harten Steine fest umklammerte, um ja nicht abzurutschen.

Anders als Sam, der von Mal zu Mal nach unten sah, um die Entfernung abzuschätzen, wagte Frodo nicht einen Blick nach unten, kein einziges Mal.

Nicht einmal, als Sam ihm zur Aufmunterung einen kleinen Witz erzählen wollte, dem Frodo aber nur ein Zischen entlockte.

„Sam, bitte! Sprich nicht mit mir. Ich hab Probleme genug mit dem Halten...“

Und kaum hatte er diese wenigen Worte ausgesprochen und das Beben leichter Wut in sich gespürt, da merkte er auch schon, wie sich ein oder zwei Finger vom Gestein lösten.

Halt dich fest!, schoss es dem braunhaarigen Hobbit durch den Kopf, dessen Herz nun raste und so heftig pochte, als wolle es schleunigst aus der Brust springen.

„Ja, Herr Frodo... Tut mir leid!“, hörte Frodo noch, doch das Pochen in seinen Ohren war heftiger als Sam's leise Worte, die sowieso nicht klar genug an ihn drangen.

Blut rauschte in seinen Ohren; sein Hals, an dem schon wieder die kleine Ader heraustrat, die Frodo immer hatte, wenn er aufgeregt war, dröhnte vor Pumpen. Schweiß stand dem kleinen Hobbit auf der Stirn und lief bald als Rinnsal die Seiten seiner Schläfen hinunter.

„Nicht mehr weit“, gellte Sam's Stimme zu ihm hoch, während Frodo sich weiterhin krampfhaft an jedem Steinchen festhielt, dass ihm in die Finger geriet.

„Hmpf“ war Frodo's schluckende Antwort, die schnell in einem Keuchen unterging.

Unten hörte er das leise Klatschen auf Steinboden; das mussten Sam's Füße sein, die nun auf festem Grund standen, und ein lautes „Ah!“ bestätigte Frodo's Theorie.

Doch um sicher zu gehen, lenkte er seinen Blick für eine Sekunde Richtung Boden; und Tatsache: Sam stand auf glattem Felsgrund.

Erleichtert machte Frodo sich an die letzten Schritte die Schlucht hinunter, während ihm der Schwindel im Kopf dröhnte und der Schweiß langsam an der kühlen Luft trocknete; als er den letzten, überaus zittrigen Schritt in Richtung Erde machte, sackte er fast zusammen; Sam's fester Griff um seinen Oberarm hielt ihn aber oben.

„Geschafft, Herr Frodo! Jetzt geht es erstmal nur ein ganzes Stück geradeaus.“, sagte Sam.

Frodo, der nur leicht nickte, befreite sich aus Sam's Griff und ließ sich auf einem kleinen Fels nieder, der nahe der gerade bekletterten Steinwand lag. Ihm war so schwindelig, dass ihm übel davon wurde.

Sam schien es zu bemerken, denn mit leisen Schritten trat er näher an Frodo heran.

„Du bist ganz blass, Herr Frodo“, flüsterte er, während er Frodo den kleinen Trinksack mit Wasser reichte, und ebenfalls ein kleines Tuch, dass er aus seiner Hosentasche gezogen hatte.

Frodo atmete schwer und nahm erleichtert einen Schluck aus dem Wassergefäß; das kühle Nass tat dem Schwindel gut und seiner trockenen Kehle erst recht.

Er nahm ein Poltern wahr; Sam hatte seinen schweren, mit allerlei Sachen beladenen Rucksack abgelegt und schien einige Dinge herauszuholen, um Rast zu machen.

„Bleiben wir hier?“, fragte Frodo, bevor er noch einen guten Schluck nahm. Der Schwindel war schon fast wieder weg.

„Ja, würde ich sagen. Du bist so blass wie ein Ork in der Sonne. Du brauchst einen Happen zu essen. Schade, dass wir bei dieser Einöde nicht jagen können und nicht einmal ein paar Pflanzen hier sind... Also gibt es wieder mal nur Lembasbrot.“, antwortete Sam, während er nach den kleinen, grünen Paketen wühlte.

Frodo seufzte; er ließ ebenfalls seinen kleinen Rucksack von den Schultern hinunter. Seine Schultern taten unheimlich weh; als er sie leicht rollte, knackten sie.

„Mir tut alles weh. Ich hasse die Gegend.“, sagte er, während er Sam dabei zusah, wie dieser immer noch nach den Stücken des Brotes suchte.

„Ja, ich auch, Herr Frodo. Aber das hilft uns nichts weiter.“

„Ich weiß. Wenn es doch nur mal etwas Vernünftiges zu essen geben würde. Ich komme mir vor, als würde ich jeden Tag dünner werden.“

„Du hast auch schon gewaltig abgenommen, ich hab es wohl gesehen. Du schnallst deinen Gürtel schon etwas länger enger als zuvor.“

„Mag sein... Was gäbe ich jetzt für einen Braten...“

Sam murrte und schien den Gedanken an Braten fast zu verführerisch zu finden; jedoch lenkte ihn das Finden des Lembasbrotes in den Tiefen der Tasche ab.

„Hier, Herr Frodo.“

Er warf Frodo ein großes Stück Brot zu; Frodo fing es auf und betrachtete es einen Moment lang, bevor er ein Stück abbrach und es aß.

Es schmeckte wie immer. Wenn man immer nur dasselbe zu essen bekam, wurde selbst das köstlichste Mahl irgendwann zu einer Katastrophe.

Doch Sam's gute Laune ließ sich auch hierdurch anscheinend nicht vertreiben, als er ebenfalls abbiss und ironisch zu schwärmen begann:

„Hmm, lecker. Ich könnte dieses Lembasbrot jeden Tag essen. So frisch und so... mmh. Durch nichts zu ersetzen. Bratkartoffeln? Pah!“

Frodo lachte, während er aß; es tat gut, dass wenigstens Sam immer seine gute Laune zu behalten schien, während Frodo von Tag zu Tag schlechter drauf war.

„Du Sam.... wenigstens behältst du immer deine Laune.“, schmatzte Frodo.

„Ja, einer muss es ja! Aber Herr Frodo, ich kann es ja nur nachvollziehen, wie es dir gehen muss.. mit dem Ring.. ist er immer noch so schwer?“

Frodo brauchte einen Moment für seine Antwort; seine freie Hand tastete nach der silbernen Kette, an der sich der Ring befand. Kühl war er und schwer; wie immer. Wie ein Klotz baumelte dieses Scheusal an seinem Hals und riss Tag für Tag mehr eine Kerbe in seine Haut – und in seine Seele.

„Er schneidet und ist schwer, aber das ist er immer...“

„Wollte nur wissen, ob es schwerer wird, je näher wir...“

„Ja, jeden Tag. Aber mach dir keine Sorgen. Ich wurde ja schließlich auserwählt, ihn zu tragen, also trage ich ihn.“

„Ja, Herr Frodo...“

Einen Moment aßen die beiden Hobbtis schweigend weiter, während nur ein leichter, jedoch irgendwie schneidender Wind um die Wände und die Schlucht streifte.

„Es wird langsam dunkel. Wir sollten uns bald ein Nachtlager suchen.“, schlug Frodo vor, als die beiden aufgegessen hatten und wenigstens für den Moment gesättigt waren.

„Ja, gute Idee, geradeaus?“

„Ja, immer der Nase nach.“

Die Hobbits gingen weiter, nachdem sie ihr Gepäck wieder aufgeladen hatten. Frodo's Schultern begannen wieder zu schmerzen.

„Hier in der Nähe muss ein ekelhaftes Moor sein. Riechst du das Säuerliche, was der Wind manchmal mit sich trägt?“, erzählte Sam, während die beiden die graue Einöde entlangstapften.

„Mag sein... Gandalf hat mir einmal erzählt, auf diesem Weg gibt es irgendwann ein Moor und irgendwann auch noch etwas Grünfläche.“

„Hoffentlich! Ich hoffe, da laufen ein paar Kaninchen rum. Ich würde sie fangen und köstlich brutzeln lassen.“

Frodo knurrte der Magen bei dem Gedanken, obwohl er gerade erst gegessen hatte.
 

Sie liefen noch circa zwei Stunden, als sie an eine etwas gedeckte und versteckte Stelle kamen, einen kleinen Felsvorsprung, unter dem sie übernachten konnten.

Der Himmel hatte sich mittlerweile zugezogen; von leicht kühl war es zu bitterkalt gewechselt. Die Nächte waren für Frodo fast noch schlimmer als die Tage.

Er nahm sich alles, was er für die Nacht brauchte, aus dem Rucksack und versuchte sich ein möglichst angenehmes Lager zu bereiten. Doch auf hartem Stein war dies fast nie möglich. Sam hatte sich unweit neben ihn gelegt; auch ihm schien der Platz nicht zu behagen. Als sie sich mit leichten Decken und ihren Elbenmänteln zugedeckt hatten und die Dunkelheit sie komplett einschloss, sah Sam noch einmal zu Frodo. Er hatte seinen Körper genau in Frodo's Richtung gedreht, der eingekuschelt nahe der Felswand lag; Sam hatte darauf bestanden, „falls irgendwas angreifen wollte, greifen die zuerst mich an“.

Frodo sah Sam an, der den Blick erwiderte.

„Vielleicht schläfst du diese Nacht ja mal besser, Herr Frodo.“

„Ich weiß nicht. Fällt mir schwer, einzuschlafen.“

„Ja, es ist so kalt...“

Sam legte seinen Kopf nieder; die dichten blonden Locken bildeten ein perfektes Kissen, während Frodo seinen Kopf in seine eigene Armbeuge gebettet hatte.

„Gute Nacht, Herr Frodo.“

„ Nacht, Sam.“

Einen Moment lang lauschte Frodo noch den leisen Klängen von Sam's Atmen, das langsam in einen ruhigeren Rhythmus überging. Er konnte immer sofort einschlafen, während Frodo meistens noch ewig wach lag und fror.

Was würde er jetzt für einen warmen, kuscheligen Sessel geben würde, für ein Feuer, für ein Bett-... für eine warme Mahlzeit.

Er sah Sam dabei zu, wie der große Brustkorb sich hob und senkte; wie manchmal ein leises Schnarchen ertönte; ob Sam warm war?

Frodo griff kurz unter seiner Decke hervor und berührte Sam so leicht am Arm, dass es ihn nicht wecken würde; und in der Tat, Sam's Arme waren warm und wohlig.

Frodo ließ seine Hand einen Moment da, genoss die auf ihn wirkende Wärme, bevor er die Hand wieder wegzog und sich fester in seinen Mantel kuschelte.

Die Nacht wurde bitterkalt.

Das Moor

Frodo wurde nicht direkt wach, doch in seinem tiefen Halbschlaf spürte er eindeutig etwas warmes. Eine Berührung vielleicht?

Sanft war die Berührung; sie schüttelte zunächst leicht seine Schulter, die immer noch bis zum Hals in den Mantel gedeckt war; dann fuhr die Berührung seinen Hals entlang, bis zu seinen immer währenden, leicht rosa Wangen, die die warme Berührung dankbar annahmen.

Doch nach einigen Sekunden war die Wärme weg; erst, als er ein leichtes Poltern wahrnahm und ein leises „Guten Morgen, Herr Frodo“ hörte, da reckte er sich leicht unter seinem warmen Elbenmantel.

Sein ganzer Körper tat nach der Nacht auf dem kargen Stein weh, und sein Rücken knackte, als er sich vorsichtig aufsetzte.

Er brauchte einen Moment, um seine Stimme zu finden, bevor er Sam leise und ein wenig heiser antworten konnte:

„Guten Morgen, Sam. Hab ich etwas verpasst?“

„Oh, nein, nicht wirklich. Ich hab aber schon einmal eher versucht dich zu wecken. Ich hab dich einfach nicht wach bekommen. Das hat mir schon ein wenig Angst gemacht... Deshalb hab ich regelmäßig deinen Puls kontrolliert.“, antwortete Sam, während er schon das morgendliche Lembasbrot vorbereitete.

Frodo verzog das Gesicht.

„Ich glaube, ich mag heute Morgen kein Elbenbrot.“

„Herr Frodo, du musst etwas essen. Du hast sicher nur so tief wie ein Troll bei Sonne geschlafen, weil du komplett erschöpft bist.“

„Das mag ja sein, aber das hilft mir doch auch nicht...“

„Keine Widerrede, tut mir leid, Herr Frodo.“

Sam stand auf und reichte Frodo das trockene, fade Elbenbrot. Eigentlich schmeckte es nicht fad; es war sehr köstlich. Doch es jeden Tag dreimal essen zu müssen, war für Frodo mittlerweile wie eine Art Zumutung.

Gedankenverloren nahm er einen kleinen Bissen des Brotes, während er den besorgten Blick Sam's auf sich spürte – wie so häufig.

„Komisch, dass deine Wangen noch so rot sind.“

„Sind sie immer, das weißt du doch, Sam.“

„Ja, aber... ich weiß nicht. Du bist so blass. Du siehst richtig schlecht aus. Ich werde deinen Rucksack heute für dich tragen.“

„Auf keinen Fall!“

„Oh, doch.“

Frodo verschluckte sich fast vor Empörung; er musste heftig husten. Sam erhob sich und schlug Frodo mit festen, aber bestimmten Schlägen auf den Rücken, mit der flachen Hand, damit es nicht weh tat. Es dauerte einen kleinen Moment, bis Frodo wieder frei atmen konnte; seine Augen tränten von der Husterei.

„Sieh doch, Herr Frodo. Du kannst ja nicht mal einen Bissen essen ohne gleich zu husten.“

„Das hat nichts damit zu tun! Ich war...“

Doch das Gespräch der beiden Hobbits ging in einem Geschrei unter; plötzlich und sehr weit entfernt erscholl dieser Schrei, der sich so durchdringend und kreischend anhörte, dass sich die Hobbits direkt die Ohren zuhielten, auch wenn das Brot ihnen aus den Händen glitt.

Der Schrei hielt einige Sekunden an und war so gellend, dass Frodo spürte, wie sein Herz heftig zu schlagen begann; außerdem spürte er mit immer heftiger werdender Intensität seine Wunde, die er noch von der Wetterspitze trug.

Die Wunde brannte und stach, als würde jemand ein glühend heißes Stück Eisen in seine Haut drücken und es winden; ein Aufschrei entfuhr Frodo; während er eine Hand vom Ohr wegnahm, um seine krampfende und pochende Brust zu beruhigen.

Der Ring wog mit einem Mal doppelt so viel und riss wieder Kerben in die zarte Nackenhaut des jungen Hobbits.

Der Schrei ließ nach; fast abrupt dröhnte die Stille danach, nur unterbrochen von dem leisem und heftigen Atmen der Hobbits.

Sam war näher an Frodo gerutscht und hielt ihn fest; anscheinend aus Angst, dass dieser gleich in Ohnmacht fiel.

Frodo sog die Luft stark ein und aus; sein Herz beruhigte sich wieder, auch wenn ihm der Angstschweiß noch feucht auf der Stirn stand.

Sam's blaue Augen musterten Frodo.

„Es waren Nazgûl“, flüsterte Frodo, der ein paar Sekunden darauf ein seichtes Wischen an seiner Stirn spürte; Sam hatte ein Tüchlein hervorgekramt und trocknete Frodo's Stirn.

„Ich hab es mir gedacht... Herr Frodo, tat deine...?“

„Ja, sie hat gebrannt. Deshalb wusste ich auch, dass es sie waren.... Sie tut von Zeit zu Zeit immer mehr weh, aber am heftigsten wenn sie in der Nähe sind.“

„Wir müssen dringend weiter.“

„Ich weiß, hier können wir nicht bleiben. Ich glaube, wir müssen....“, Frodo wandte sich gen Osten, wo ein leichter Schleier in der fernen Luft hing; „Ich glaube, wir müssen da lang. Gandalf hatte ja irgendetwas von einem Moor erwähnt, deshalb.. würde ich diesmal wirklich sagen, immer der Nase nach. Es muss ein fürchterlicher Gestank dort herrschen.“

„Dann werden wir den Weg wenigstens richtig finden.“

Ein Lächeln streifte Sam's Lippen, während er das Tuch wieder wegnahm und Frodo immer noch mit seinen Augen tief musterte. Frodo spürte, wie seine Wangen hitzig wurden; eindeutig stieg dort seine nur allzu bekannte Röte auf.

Warum, das wusste er nicht.

„Lass uns gehen.“

Sam nickte nur, und die beiden standen auf, um sich auf den langen Weg zu machen.
 

Drei Stunden später brannten ihnen die Füße; der Weg war zwar weicher geworden, doch irgendwie matschig und schwerer zu begehen als die harten Felsen, auf denen sie sich einst befanden.

Zu allem Übel befanden sie sich ganz der Nähe des Moores, denn die Luft war so gespickt mit widerlichem, morschen Gestank, dass es ihnen in den Augen brannte.

Frodo schlug leicht um sich; ein paar Fliegen hatten ihn gestört, waren summend um sein Gesicht geflogen.

„Es muss nicht mehr weit sein“, hörte er Sam hinter sich keuchen, gefolgt von dem seit einer Stunde vertrauten Patschen der Hobbitfüße in den stinkenden Matsch.

„Nein... in der Tat.“

Frodo hatte es schwer damit, seine Füße gleichmäßig zu bewegen; der Ring, der irgendwie sein Gleichgewicht negativ zu beeinflussen schien, machte die ganze Sache nicht besser.

Er schluckte; die trockene und doch überaus feucht-modrige Luft ließ ihn jedoch nur leicht husten. Wie weit es wohl durch diese Einöde ist, dachte er.

Sam schnaubte; sein Keuchen wurde lauter. Ein sogendes Geräusch erklang, das Frodo herumschnellen ließ: Sam steckte mit seinem rechten Fuß fest.

„Herr Frodo...“, begann der Hobbit, doch Frodo brauchte keine weiteren Worte; er reichte Sam seine Hand, nachdem er festen Stand in dem weichen Boden gesucht und gefunden hatte.

Sam ließ sich nicht gerade leicht aus dem Schlamm ziehen; Frodo wandte seine ganze Kraft auf, um den etwas stämmigen Sam aus dem Moor zu ziehen.

Sie japsten beide nach Luft, als Sam wieder normal imstande war zu gehen.

„Ich glaube, wir sind schon da, im Moor. Kann nicht anders sein. Ich stecke sonst nie im Boden fest.“, murrte Sam und betrachtete ein wenig traurig seine Füße; sie waren über und über beklebt mit dem dreckigen Matsch, der nicht nur bräunlich, sondern auch grüne und graue Stückchen in sich trug.

„Ach, Sam“, seufzte Frodo, während er Sam einen Arm um die Schultern legte und sich mit dem Kopf auf Sam's rechte Schulter legte; er fühlte sich matt und träge.

Sam lehnte für einen Augenblick seinen Kopf gegen Frodo's; die beiden liefen ein paar Schritte schweigend, während Frodo die Wärme genoss.

Denn trotz der schwülen Atmosphäre war Frodo immer noch kalt.

„Du zitterst ja“, murmelte Sam, nachdem die beiden Hobbits sich wieder voneinander gelöst hatten; die Wärme, für Frodo deutlich spürbar gewesen, war nun weg.

„Mir ist auch kalt.“

„Also, Herr Frodo, du kannst ja sagen was du willst, aber du wirst krank, glaube ich.“

„Alles gut. Es ist der Ring.“

Frodo murrte den letzten Satz; er wollte nicht krank sein. Hier, inmitten der weiten Wildnis kurz vor Mordor, konnte man sich nicht erlauben krank zu werden.

Vielleicht verhätschelte Sam ihn auch einfach nur zu sehr.
 

Sie stapften weiter; die schlammigen Geräusche wurden nicht besser, je weiter sie liefen. Und als wäre dies noch nicht genug, wurde die Luft immer drückender und modriger. Bald waren sie von einem dicken, schwadigen Nebel eingeschlossen.

Mehr als 30 Fuß weit konnte man nicht sehen, selbst wenn man seine Augen zusammenkniff und versuchte weiter zu schauen als sonst.

Die Ebene war flach und schien unendlich weit zu sein; doch gefährlich war sie allemal.

Neben den kleinen Pattpfaden in dem Moor waren tiefe Tümpel, in denen allerlei Getier lebte. Dunst lag darüber, und an den Rändern dieser dumpfen Tümpel standen verfaulte und gräuliche Schilfblätter und andere seltsame Pflanzen, die nicht gerade gesund wirkten.

Zwischen diesen manchmal grausig wirkenden Gewässern und Moorecken standen vereinzelt gräuliche und spärlich bewachsene Büsche und Sträucher.

Und an einem dieser Sträucher, einem mal etwas größeren und dichter bewachsenen, machten sie nach dem langen Marsch erstmals Rast.

Frodo ließ sofort seinen Rucksack von seinen schmerzenden Schultern gleiten und setzte sich direkt unter den großen Strauch; die Beine streckte er von sich.

Alles pochte und tat weh, selbst der kleinste Zeh und die kleinsten Rippen. Besonders sein Rücken war es leid, die ewig langen Wege ohne viel Nahrung zu gehen.

„Ich bin fertig, ich glaube, ich komme heute nicht mehr so weit.“, sagte er leise zu Sam, der sich ebenfalls niedergelassen hatte und in seinem Rucksack nach etwas Essbarem kramte.

Er fand das Lembasbrot diesmal schnell; Frodo fing sein Stück trotz seiner Trägheit geschickt auf und begann zu essen.

Sam musterte missmutig die Gegend.

„Also hier wächst garantiert nichts... Ich dachte, jetzt wo es einmal ein bisschen mehr Feuchtigkeit gibt, wächst vielleicht auch etwas Anständiges, aber wenn ich mir diese Pflanzen so ansehe...“

Er deutete auf einige Sträucher und Pflanzen um sie herum; der Gestank war erdrückend.

„Ja, ich weiß auch nicht, wie ich es in dieser Gegend lange aushalten soll, Sam... Doch wir müssen es. Es ist der einzige Weg. Außerdem sind wir hier etwas geschützt.“

„Ja, da hast du Recht...“

Die Hobbits sahen sich für einen Moment an; Frodo's braune Augen verweilten kurz in Sam's Blau; dann strich sich Frodo eine kleine Locke aus der Stirn und sah wieder auf sein Lembasbrot.

Sam hatte den Blick jedoch immer noch nicht abgewandt. Frodo spürte wieder Hitze in sich aufsteigen, als er diesen Blick spürte.

„Was?“, fragte er, als Sam immer noch nicht nachließ.

„Weißt du eigentlich, wie viele Mädchen und Frauen aus Hobbingen damals wollten, dass du mit ihnen einmal essen gehst, Herr Frodo?“

Frodo hob den Blick und begegnete Sam's; ein Lächeln lag in seinem Gesicht, das Frodo sich nur schwer erklären konnte.

„Nein. Und wenn, mich hat das nie so interessiert.“

„Warum eigentlich nicht?“

Frodo schluckte; sein Blick wanderte wieder zu seinen Händen. Das Lembasbrot war fast auf, und seine Hände waren ganz ziellos ohne das Stück Brot.

„Einfach so, ich wollte lieber... ein Buch schreiben oder so.“, murrte Frodo und stand auf, einfach, um Sam's Fragen und dem bohrenden Blick zu entgehen.

Er streckte sich; einige seiner Knochen, besonders sein Rückgrat, knackten erneut.

„Meinte ja nur. Ich wollte immer Rosie mal einladen, aber irgendwie habe ich mich nie getraut sie zu fragen. Sie hatte bei dem Neufrühjahrsfest Bänder im Haar.“

Frodo rümpfte die Nase; Rosie hier, Rosie da. Sam hatte eigentlich noch nie wirklich viel von ihr gesprochen, doch irgendwie reizte Frodo dieses Thema.

Woher diese Gereiztheit allerdings kam, konnte er sich selbst nicht erklären.

Er antwortete Sam auch nicht.

Stattdessen begann er damit, in seinem Rucksack nach einer Beschäftigung zu kramen; oder kramte er, um dies als Beschäftigung zu nutzen?

Seine Wangen glühten, und er wusste genau, dass er erhitzt aussah. Dass seine Wangen einen Rotton trugen, den die meisten recht hübsch fanden. Doch in diesem Augenblick störte es ihn einfach nur fürchterlich.

Er nahm eine plötzliche Handbewegung aus dem Augenwinkel wahr; es war Sam's Hand, die vorgeschnellt war, um Frodo einmal kurz über die Wange zu streichen.

Wenn es möglich war, glühte die Hitze noch mehr auf.

„Wollte damit nur sagen, dass du hübscher bist als die meisten Hobbits, vor allem bist du so jung noch. Ich dagegen.. der fette Sam. Naja. Leg dich hin, Herr Frodo, ich glaube, du hast Fieber.“

Sam's Stimme war weich gewesen, und Frodo hatte am liebsten seine Hand noch weiter an seiner glühenden, roten Wange gespürt.

Doch sie war weg, ebenso Sam, der sich kurz die Beine vertrat.

Frodo bedauerte fast die aufkommende Kühle an seiner Wange. Mit seiner eigenen Hand fasste er sich kurz an die Stelle, die Sam eben berührt hatte.

Fast so, als wolle er fühlen, ob die Berührung wirklich gegangen war.

Als er sich bewusst wurde, wie komisch das aussehen musste, schüttelte er den Kopf und wandte sich wieder seinem Rucksack zu.

Ich drehe durch, ich brauche dringend Schlaf, dachte er, und Sam's lautes „Ich glaube, in zwei Stunden gehen wir weiter!“ bekam er in seiner absinkenden Schlafposition schon gar nicht mehr mit.

In seinen Träumen herrschte Feuer.

Der Strauch

„Wenn ich diesen Gestank noch weitere Tage ertragen muss, dann bade ich freiwillig in diesem Moor. Vielleicht riecht das Wasser ja besser.“

Missmutig und übel gelaunt raunte Sam die Worte in die drückende Dunkelheit und erstickende Luft des Moores, in dem sie sich noch immer befanden.

Der Weg war immer gleich: gleich bedrückend, gleich stinkend, gleich trostlos. Nebel zog sich um die kleinen Teiche und Gewässer, in denen es nach wie vor nichts Lebendes außer ekligem Getier zu geben schien. Frodo hatte ebenso schlechte Laune wie Sam; wenn sogar noch schlechtere.
 

Er schwitzte immer wieder, dann fror er plötzlich, die Luft schnitt ihm die Luft ab, und der Ring pochte an seinem Hals und ließ die sicher eingebrannte Kerbe an seiner Haut nur noch tiefer werden.

Schlucken fiel schwer, und durch diese Beeinträchtigungen kamen sie nur sehr, sehr langsam voran. Immer wieder mussten sie halten, weil einer der Hobbits versackt war in dem Morast oder fast gefallen; schon bald rochen sie ebenso wie das Moor, waren bedeckt mit Schlamm und Matsch, der sich nur schwer entfernen ließ.

Frodo schnappte nach Luft; der Rucksack auf seinem Rücken tat unheimlich weh.

„Sam, ich brauch eine Pause.“

Sam blieb stehen und wandte sich Frodo zu; die Augen waren wie immer besorgt, und auch ihm stand der Schweiß auf der Stirn.

„Herr Frodo, bei aller Liebe... wir müssen weiter. Lass uns noch ein Stündchen laufen, dann machen wir Rast. Vielleicht wieder unter so einem Strauch.“

Frodo schüttelte den Kopf und wollte sich setzen, doch Sam kam herbeigeeilt und hielt ihn davon ab, indem er mit einem leichten Schwung Frodo's Arm packte und ihn über seine breiten Schultern legte.

„Komm, ich stütz' dich ein wenig, dann wirst du sehen, dass es gleich besser gehen wird.“

„Ich mag aber nicht laufen.“

„Nur noch ein Stück, dann haben wir es ja geschafft. Dann rasten wir.“

Schlackende Geräusche entstanden, als die beiden ihre Körper und Beine wieder in Bewegung setzten und weiter durch den wirren Weg durch die Tümpel gingen.

Drückende Stille herrschte, und Frodo, der trotz der Stütze von Sam immer noch schwach war, sah sich mit einem leichten Unwollen um.

Die Tümpel schienen vor Gestank zu triefen. Ein kleines Insekt, das Frodo noch nie gesehen hatte und für das er keinen Namen hatte, senkte sich auf eines der halb abgestorbenen Seerosen, die von Zeit zu Zeit in den dunklen Wassern trieben.

Er richtete seinen Blick auf Sam, der geduldig und schwitzend neben ihm lief; er hatte Frodo's Arm fest im Griff, als wolle er ihn unbedingt davon abhalten, wegzulaufen. Dabei hatte Frodo nicht einmal die Kraft selbst schnell zu laufen. Er schnaubte leise.

„Sam, ich kann...“

„Nein, Herr Frodo.“, war die kurze, aber strenge Antwort, die der äußerst konzentrierte Sam hören ließ, bevor es stillschweigend weiterging, weiter hinein in die tiefen Unebenen.

Sie gingen noch etwa eine Stunde, als sie endlich einen riesigen, von bräunlichen Blättern bedeckten Strauch fanden, der beiden Hobbits auf den ersten Blick wie eine kleine Höhle vorkam; sie brauchten sich nur einmal kurz anzusehen, da wussten sie, dass dies der richtige Ort für eine Übernachtung war.

Frodo ließ sich langsam sinken, gestützt von Sam, der sich ebenfalls niederließ. Einen Moment lang atmeten sie beide heftig; die Luft schien in Bodennähe noch dünner zu werden.

„Ich glaube, wir finden hier nie heraus.“

„Irg... Irgendwann, Sam. Ich weiß, dass es.. nicht einfach ist, aber es gibt keinen anderen Weg.“, seufzte Frodo, während er sich seinen Elbenmantel auszog. Ihm war heiß.

„Ja, vielleicht“, murmelte Sam und versuchte den Blick auf Frodo's Hemd abzuwenden; der Mantel lag schon auf der Erde. Sam schluckte, als sein Blick auf das kleine, leicht feuchte Stückchen freie Haut fiel, das oben an Frodo's Hemd zu sehen war; Frodo hatte zwei Knöpfe aufgemacht.
 

„Hauptsache, wir verirren uns nicht.“, murmelte Frodo und warf dem umliegenden Gewässer einen misstrauischen Blick zu.

„Vielleicht, wir sollten es lieber nicht allzu ernst nehmen. Wir sind meistens Richtung Norden gegangen, oder?“

„Ja, ich glaube schon. Ich hab das aber auch nicht genau mitverfolgt, um ehrlich zu sein.“

„Nun ja, sagen wir, wir sind Richtung Norden gegangen, denn in der Richtung lag ja auch der Berg mit dem Feuer.... Wir sollten wohl richtig sein.“, überlegte Sam.

„Aber du musst mit einberechnen, dass wir hier nicht so viel sehen. Es herrscht dichter Nebel hier, und die Sumpfwege sind manchmal so verschlungen, dass es auch gut sein könnte, dass wir mal die Richtung gewechselt haben.“, murmelte Frodo, während er seine brennenden Füße von sich streckte und ihnen etwas Ruhe gönnte.

„Stimmt... ach herrje, Herr Frodo, wenn das wirk....“
 

Ein gellender, unbeschreiblich lauter Schrei drang mit einem Mal in ihre Ohren und ließ sie heftig zusammenzucken. Von der Ferne war ein gewaltiges Flügelschlagen zu hören, gefolgt von einem weiteren Schrei, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ und durch Mark und Bein zu gehen schien.

Frodo, der noch eben gemütlich gesessen hatte, krampfte sich plötzlich mit aller Gewalt zusammen; seine Stichwunde, die ihm der Hexenkönig der schwarzen Reiter zugefügt hatte, fühlte sich mit einem Mal so an, als würde sie jäh aufplatzen und aufreißen unter dem schrecklichen Geschrei, er schrie, doch sein Schrei ging fast in dem nächsten des Untiers über ihnen unter.

Nazgûl.

Der geflügelte Tod.

Frodo spürte vor Schmerz fast gar nicht mehr, wie Sam ihn fest packte und ihn mit in das dornige Gestrüpp des Strauches zog; sein Arm zog Frodo fest an sich heran, sodass Frodo mit dem Gesicht an Sam's Halsgegend gepresst wurde; Nur schwer gelang es Sam, Frodo von dem Krampfen und Schreien abzuhalten.

„Shht, Herr Frodo, sonst hören sie uns...“

Ein Zittern ging durch die beiden Hobbits, die verschwitzt und beängstigt unter dem Strauch saßen und bebten. Frodo bekam kaum mehr Luft, die Angst kroch so jäh in ihm hoch wie der Schmerz der Wunde, die eigentlich schon längst verheilt war.

Der Nazgûl zog weiterhin bitter kreischend seine Kreise über das Moor, als würde er auf der Jagd sein und genau spüren, dass der Ring, der um Frodo's Hals baumelte, ganz in der Nähe war. Und der Ring an Frodo's Hals schien ein Eigenleben zu entwickeln.

Frodo spürte den Ring pochen und schlagen, er brannte ein wenig auf der Haut; und zu allem Übel bekam er auch noch den grässlichen Drang, den Ring aufzusetzen.

So finden dich die schwarzen Reiter nicht, dachte Frodo, während er mit einer Hand in sein leicht offenes, weißes Hemd griff. Der Ring berührte seinen Finger. Nur noch ein Stück, und sie finden dich nicht mehr, sie gehen weg...

Doch plötzlich spürte er den festen Druck von Sam's Hand an seiner, und der Ring glitt Frodo aus der Hand. Frodo fauchte, doch Sam hielt ihn nur noch fester. Frodo konnte den Herzschlag an seiner Brust spüren, so eng umklammert saßen sie.

„Nicht, Herr Frodo, sonst finden sie uns... Nicht... bitte...“

Immer wieder flüsterte Sam Frodo diese Worte in sein Ohr, immer wieder; und langsam ließ der Drang nach, den Ring an sich zu reißen und ihn aufzusetzen. Ganz langsam, genauso wie das Kreischen des geflügelten Untiers immer weiter in die Ferne rückte.

Doch die Hobbits wagten nicht, sich auch nur einen Millimeter zu rühren. Sam atmete heftig, ebenso wie Frodo. Frodo spürte Sam's Hände immer noch fest an den seinen.

Ihm war mulmig zumute, und mit einem Mal rutschte die Angst und Panik etwas weg und machte Platz für ein Gefühl, dass er bis jetzt nur selten verspürt hatte.

Doch er konnte es nicht benennen.

Es fühlte sich einfach nur seltsam an. Ließ sein Herz rasen und seine Lippen kurz lecken, da diese so trocken waren; er biss sich auf die Lippe, als sein Blick zu Sam's Hals wanderte, der ganz nah an seinem Gesicht war.

Die Haut roch wie seine; bitter nach den Tagen im Moor, und doch war dort etwas anderes, es roch herb und irgendwo dunkel und gut. Frodo wusste nicht, warum, doch er legte ein, zwei Finger leicht und ohne Druck auf eine Stelle an Sam's Hals, die besonders glatt aussah und sich auch so anfühlte.
 

Sam rührte sich leicht.

„Geht's dir gut, Herr Frodo?“, flüsterte er, doch Frodo antwortete nicht. Er hielt die Finger an der Stelle, und auch sein Blick verweilte dort.

Wir sind so allein, dachte er. Was ist gegen ein bisschen Wärme einzuwenden, gegen eine Minute Geborgenheit, wie an einem warmen, abendlichen Feuer.

Frodo's Atem beschleunigte sich, als er den Blick zu Sam anhob und ihn ansah.

„Herr Frodo? Du bist so still...“

„Alles gut“, brachte Frodo hervor, den Blick tief in Sam's Augen versunken. Blau. Diese Farbe hatte er schon lange nicht mehr gesehen, überall war grau und neblig und schwarz und dunkel...

Er schluckte, und er beugte sich ein wenig näher an Sam's Gesicht heran.

Sam schien das ganze Verhalten seines Chefs mit gemischten Gefühlen aufzunehmen; er sah Frodo mit verengten Augen an.

Und Frodo wusste nicht, wohin mit all den überschwappenden und seltsamen Gefühlen, die ihm das Herz zum Rasen brachten und ihm die Kehle zuschnürten. Was war das?

„Du hast mich beschützt“, flüsterte er Sam entgegen, der nur schief lächelte.

„Natürlich, was sonst?“

„Danke, Sam....“

Sam wollte gerade etwas entgegnen, da packte Frodo eine eigenartige Welle an seltsamen Gefühlen, die er nicht alle zuordnen konnte und die irgendetwas kurzzuschließen schienen; er beugte sich mit einem Mal vor, rutschte ein Stück hoch und drückte seinen Lippen sachte auf die Haut an Sam's Stirn.

Ein unschuldiger, leichter Kuss auf die Stirn, der Sam nach Luft schnappen ließ.

Frodo verweilte einige Sekunden dort, sog den Duft von Sam's Haaren ein, die nicht nach Moor rochen, sondern gut. Gewohnt, geborgen.

Er ließ vorsichtig ab, während seine Finger immer noch an Sam's Hals verweilten.

Einen Augenblick lang sahen sich die Hobbits an; Frodo spürte seine Halsschlagader pochen, bis zum Kinn fast, und seine Wangen glühten vor Aufregung.

Er wusste nicht, wie ihm geschah, als er auf einmal spürte, wie sich Sam's Lippen auf die seinen legten, kurz, antastend, und dann doch fester.

Es war so eigenartig, eine Mischung aus Neugierde, Abscheu und purer Erregung, die sich in diesen Kuss mischte; Frodo schlug das Herz bis zum Hals.

Er griff mit seinen verweilenden Finger in Sam's Nacken, zog ihn näher, und drängte seine Lippen nochmals auf die von Sam, die den Kuss mit festem Druck erwiderten.

Der Kuss schmeckte so vertraut, dass Frodo sich nicht von mehr abhalten ließ; wieder und wieder begann er, Sam zu küssen, einfach nur, um diese explodierende Gewalt an Gefühlen aufrecht zu erhalten, die ihn zittern ließ.

Als Sam kurz von ihm abließ, keuchte Frodo leise.

Sam's Hand grub sich in Frodo's Haare am Hinterkopf, in die festen Locken, die leicht nass waren von der aufkommenden Hitze zwischen den beiden.

Ein weiterer Kuss folgte, und Frodo zog Sam ein Stückchen näher, während er sich leicht nach hinten sinken ließ.

Seine Zunge fuhr leicht über Sam's leicht raue Lippen, und als er spürte, dass Sam's Mund ihm Einlass gebot, wagte er diesen auch.

Die Gefühle und die Erregung, die seltsame Mixtur und die grobe Erkenntnis dessen, was er hier tat, ließen ihn hitzig werden.

Ein plötzliches Platschen in einem der umliegenden Gewässer ließ beide Hobbits hochschrecken; hastig entfernten sie sich voneinander, und Frodo, dessen Wangen rot vor Erregung glühten, taten sich gut an der plötzlichen deutlich frischeren Luft.

Was hatte er da getan?

Sam war sein bester Freund und Gärtner, was zur Hölle hatte ihn dazu getrieben, sich ihm auf diese Art und Weise zu nähern?

Du hattest Angst und Panik, er hat dich beschützt, wir sind schon so lange unterwegs, du hast das gebraucht... waren die Ausreden, die die ganze Zeit durch Frodo's Kopf schossen. Nur was würde Sam sagen?

Er hat dich doch als erstes geküsst, murrte eine bittere Stimme in Frodo's Kopf, die sich nicht direkt vertreiben ließ.

Er hatte angefangen.

Eine Mischung aus Anregung, Scham und Unwohlsein breitete sich in Frodo aus, fast wie ein schlechtes Gewissen.

Er schluckte.

Sam hatte sich währenddessen schon einmal umgesehen; als sein Blick auf Frodo fiel, errötete er heftig.

„Ich glaube, das war irgendein größeres Tier.... Kann sein, dass es uns schon länger folgt. Ich bin neulich auch nachts wach geworden und hab etwas um uns herumschleichen gehört.“, sagte Sam, der den Blick schleunigst wieder abwandte.

„Warum hast du das nicht erwähnt?“, antwortete Frodo leise, während er sich nicht so große Sorgen um einen Verfolger machte. Eher darum, wie er mit Sam nun umgehen sollte.

Sollte er so tun, als sei nichts geschehen?

„Weil ich dachte, es sei wieder weg gewesen. Ich passe demnächst besser auf, es tut mir leid, Herr Frodo. Geht's dir wieder gut?“

Frodo brauchte einen Moment, um zu antworten. Er fuhr sich leicht mit dem Finger über die Lippen, als würden Sam's Küsse dort immer noch sitzen und ihm das schwere, momentane Leben versüßen; er bildete sich sogar ein, noch ein bisschen von diesen hitzigen Küssen zu schmecken. Erst als er sich wieder aufraffte, nicht weiter nachzudenken, die Küsse nicht mehr imaginär zu schmecken und zu fühlen, da nickte er leicht.

„Ja, mir geht es gut.“

Das seltsame Land

Einzelne, schwache Lichtstrahlen drangen in Frodo's Sichtfeld, drangen in seine nur halb geöffneten Augen und stachen in seinem Kopf.

Er schloss die Augen wieder, auch wenn er wusste, dass es Zeit war, weiterzugehen.

Was hatte ihn geweckt?

Dass es nicht Sam gewesen war, das machte das leise Schnarchen neben ihm bewusst; hatte er schlecht geträumt?

Schlechte Träume, murmelte Frodo wie in Trance in seinen Unterarm, auf dem er sich während seinen Schlafes gelegt hatte; schlechte Träume habe ich nicht gehabt.

Er drehte sich auf den Rücken und ließ seine wirren Träume nochmals Revue passieren. Da war Sam gewesen, und er, Frodo; sie hatten sich fest umklammert und küssten sich, kamen sich so nah wie sie es am Tag zuvor getan hatten. Die Küsse waren hitzig gewesen, anschmiegsam, und Frodo hatte keinerlei Scheu mehr empfunden. Sam hatte im Traum gesagt, wie sehr er Frodo schon immer begehrt hatte...

Mit einem Mal schlug Frodo seine Augen ganz auf, auch wenn ihm das Licht des Tages nach wie vor in den Augen stach.

So ein Schwachsinn, grummelte eine bittere Stimme in seinem Kopf; so einen Blödsinn hast du ewig nicht mehr geträumt. Was soll dieses Krakeele, du bist auf einer Mission! Und außerdem stehst du nicht auf Männer. Niemals.

Frodo schüttelte die Stimme einfach weg und setzte sich geruhsam auf. Sein Kopf pochte leicht.
 

Obwohl es ihm sträubte, drehte Frodo sich langsam zu Sam und betrachtete ihn kurz. Die blonden Locken waren ganz wüst vom Schlafen, und die Augenbrauen waren leicht zusammen gezogen, als stünde eine bittere Sorge dort. Trotz des Schnarchens schien Sam in einem sehr unruhigen Schlaf zu liegen, denn er wälzte sich von Zeit zu Zeit hin und her.

Frodo, der noch wusste, dass er diesen Trick von Bilbo gelernt hatte, legte seine Hand mit einer sehr leichten, geborgenen Bewegung kurz an Sam's Wange; ein leises „Shh“ flüsterte er, während er dabei zusah, wie Sam langsam wieder ruhiger wurde.

Als das Wälzen nachließ, stand Frodo auf und reckte sich im düsteren Sonnenlicht, dass niemals auch nur ganz durch die dichte Nebeldecke zu kommen schien.

Und auch heute roch das Moor wie immer, war drückend und stinkend und zeigte keinerlei Aussicht auf Besserung.

Frodo drehte sich einmal um, rund um die Achse, um einen kompletten Überblick zu bekommen. Doch außer den gleichen Tümpeln und Seen und Moraststätten fand er nichts.
 

Es dauerte eine Weile, bis auch Sam wach wurde; ruckartig setzte der etwas dickere Hobbit sich auf und sah sich panisch um, während der Schweiß ihm auf der Stirn stand.

„Herr Frodo!“, bellte er und schluckte; die Augen suchten hastig nach Frodo, bis sie auf ihm ruhen blieben. Frodo lächelte leicht.

„Ich bin hier, Sam, alles ist gut. Ich bin nur eher wach geworden.“

„Gott sei Dank, ich habe einen komischen, dunklen Traum gehabt und dachte schon, er wäre Wirklichkeit gewesen... Sag, Herr Frodo, was steht heute an?“

Frodo seufzte leise.

„Laufen, Sam. Laufen, laufen, laufen. Immer weiter in die Einöde hinein. Ich hoffe, wir finden heute zumindest ein bisschen aus dem Moor heraus.“

„Vielleicht, man kann es nie wissen. Aber ich denke doch schon. Wir sind immerhin schon seit Tagen unterwegs.“

Sam begann, in seinem Rucksack nach dem Lembasbrot zu suchen. Frodo kam sich unwohl vor. Hatte Sam denn gar keine seltsamen Gefühle wegen der Sache, die da unter dem Busch passiert war? Kam er sich denn gar nicht nervös vor, so wie Frodo?

Er fing an, seine Fingernägel leicht zu kauen, während er Sam beim Ein- und Auspacken seines Rucksacks zusah.

„Sollten wir hier herauskommen, werde ich uns ein Festmahl kochen, vielleicht fange ich ja ein Kaninchen oder so. Wir haben zwar nicht viel, aber etwas wird wohl zu finden sein“,, bemerkte Sam nebenbei, bevor er mit einem leichten Schnipser und einem recht freudigen Gesicht das Brot fand und es aus der Tasche holte.

Er warf Frodo ein Stück zu, der es fast fallen ließ, da er nach wie vor mit dem nervösen Kauen seiner Fingernägel beschäftigt war.

„Herr Frodo, kau lieber das Brot als deine Krallen. Das ist nicht gut, hat mein alter Ohm immer gesagt. Tut dir etwas weh?“

Frodo schüttelte den Kopf; er ließ von seinen Fingernägeln ab und biss ein trockenes Stück von dem Lembasbrot ab.

„Mir geht es gut. Ich möchte nur endlich aus diesem Dunst heraus.“

„Da bist du nicht der Einzige. Hast du heute Nacht noch etwas Seltsames gehört?“

„Nein, alles schien mir still zu sein, bis auf das manchmal auftauchende Platschen von Wassertropfen.“

„Ja, will ich auch so meinen, Herr Frodo...“

Schweigend aßen sie weiter.

Frodo kam nicht umher, Sam einen kurzen, verstohlenen Blick durch die Dünste zuzuwerfen. Es wunderte ihn, dass Sam so locker mit der angespannten Situation umging. Dass er nicht ein Wort über das Geschehene verlor. Dass es ihm vielleicht so vorkam, als wäre es nie passiert.

Als das Brot aufgegessen war, biss Frodo sich wehmütig auf die Unterlippe, die ein wenig angeraut von der wenigen Flüssigkeitszufuhr war.

Der Ring pochte kurz, und Frodo fuhr mit der freien Hand in seinen Nacken, um die brennenden Spuren der Kette, die die Schwere des Ringes geschnitten hatte, zu betasten.

Sie waren schon leicht verkrustet, jedoch taten sie immer noch weh.

„Lass uns weitergehen.“

Sam's Stimme schien von weit weg zu kommen, doch Frodo nickte und schnallte sich seinen Rucksack auf.
 

Es kam ihnen endlos vor, ein Weg über Tage und Nächte, die sie im Moor gingen; und doch kamen sie weiter, wie sie es erhofft hatten.

Das Moor wurde weniger neblig, und die matschigen und tief sackenden Stellen ließen allmählich nach und machten Platz für trockenen, dunklen Sandboden, der manchmal sogar mit leichten Grasstücken versehen war.

Die Laune der Hobbits stieg stetig, je mehr sie den Nebeln entflohen und anscheinend in einen Abschnitt des Landes kamen, in dem es endlich trinkbares Wasser gab und vielleicht einmal etwas Frisches zu essen.

Je näher sie dem offenbaren Ende des Nebels kamen, desto freier konnten sie mit einem Mal atmen, desto freier kam ihnen ihr Schicksal vor.

Sie lachten sogar hin und wieder einmal, zum Beispiel, als Sam aus alten Zeiten erzählte und über die Mätzchen, die er und der Ohm schon erlebt hatten.

Frodo fiel es mit einem Mal sehr viel leichter, den Ring zu tragen und neben Sam herzugehen, als seien sie wirklich nur Freunde und als wären diese dunklen Stunden nicht gewesen, die Frodo's Herz und Seele doch sehr erschwert hatten.

„... und einmal hatte mein alter Ohm sogar vergessen, dass ich die Kartoffeln schon aufgesetzt hatte, und heraus kam so viel Essen, wie man schon ewig nicht mehr bei uns gesehen hatte. Beste Töffken und mehr... Hmm... Ach, Herr Frodo, ich freue mich schon richtig auf die Heimkehr.“

Sam legte einen Arm um Frodo's Schultern und zog ihn leicht näher, während sie immer noch stetig weiterliefen und lachten.

Frodo verschwieg und versuchte es inständig zu ignorieren, dass sein Herz raste vor Aufregung, als er diese unscheinbare Berührung spürte, die eigentlich so normal war.

Aber seit den Küssen fand Frodo keine Berührung mehr normal, auch wenn Sam es einfach anders sah als er.

Ein bisschen weh tat es ihm, und während er so dahinging, den Arm von Sam ganz nah, da wurde ihm bewusst, dass es vielleicht niemals wieder normal werden würde.

Halt deine Gedanken im Zaum, du übertreibst, du bist verwirrt, es ist der Ring, rasten die Gedanken in seinem Kopf, während sein Herz zu ignorieren versuchte, dass Sam's Hand seinen Nacken gestreift und eine Gänsehaut bei Frodo hinterlassen hatte.

„Gegen ein … ein paar Kartoffeln hätte ich auch nichts einzuwenden.“, versuchte Frodo abzulenken, indem er selbst an gebrutzelte Kartoffelscheiben dachte.

Einen Moment half das auch.

Die Hobbits gingen weiter.

Die Landschaft veränderte sich mit einem Mal umgehend: Die rauen Moore und der Nebel wichen einem schönen, leicht mediterranen Ausblick; hohe Tannen und Bäume, Sträucher und Berge waren mit einem Mal zu sehen, die sich so weit das Auge reichte tümmelten.

Man konnte Vögel zwitschern hören; der Boden war von festem Sand durchzogen, aber auch Wiesen konnte man in der Ferne erspähen. Ein Bach plätscherte irgendwo in der Nähe, und die Luft war frisch und sauber.

Die Sonne traf zum ersten Mal seit langem wieder auf die Haut der Hobbits; sie blieben einen Moment stehen, um die fantastische Aussicht zu genießen.

Frodo trug immer noch eine Gänsehaut.

„Unglaublich! Wie kann sich denn sowas hinter so einem ekligen, stinkenden Moor befinden? Das gibt es doch nicht... Wie, als wenn man nach Hause kommt!“, rief Sam freudig und konnte sich kaum satt sehen an der Natur, die sich plötzlich hier auftat.

Frodo runzelte die Stirn.

„Sam, natürlich ist es hier schön, aber du darfst nicht vergessen, dass dies hier immer noch Feindesland ist. Wir sind hier genauso unsicher wie an all den anderen Orten. Ich glaube zwar, ich weiß, was das hier für ein Landstrich ist, aber dennoch müssen wir auf der Hut sein...“

„Was ist dies denn für ein Land?“

Sam's neugieriger Blick streifte den von Frodo, der nur leicht lächelte.

„Es muss einmal ein Teil des Menschenreiches Gondor gewesen sein, bevor es dem Feind in die Hände fiel. Gandalf hatte es mal erwähnt, vor langer Zeit. Er meinte, nach dem Moor käme so ein schöner Abschnitt, in dem Einst eine riesige Schlacht getobt hatte, schon ein ganzes Zeitalter her. Er sagte, es sei von Spähern des Feindes durchzogen. Der schöne Schein trügt also. Sam, wir müssen unbedingt aufpassen.“

Sam nickte und sah Frodo mit leuchtenden Augen an; Frodo erwiderte den Blick nur kurz und errötete. Wann hörte dieses Herzklopfen endlich auf?

Sie gingen einen kleinen Hügel hinunter, der sie direkt ins Herz der Landschaft führte. Mit einem Mal wurde es erdrückend heiß.

Frodo konnte sich nicht erinnern, welche Jahreszeit eigentlich war und wann sie aufgebrochen waren. Es war schon so lange her... Oder doch nicht?

Den Hobbitfüßen tat der weiche Sand gut nach den matschigen und unwohlen Stellen, außerdem waren dort immer noch die ein oder andere Wunde von den Bergen davor.

Frodo spürte seinen Rucksack deutlich in seine Schultern schneiden, und an einem kleinen Hang, der ein wenig mit Gras bepflanzt war und der genügend Büsche zum sicheren Ruhen hatte, da ließ er sich nieder. Sam tat es ihm nach.

Die beiden genossen für einen Moment die aufsteigende Stille und das leise Zwitschern der Vögel; irgendwo in der Ferne röhrte ein Elch.

Sam biss sich auf die Lippen und starrte den Hügel hinab; doch kurze Zeit später fand er Frodo's Blick, der diesen mit glühenden Wangen erwiderte.

„Schön hier, nicht wahr, Herr Frodo? Endlich mal ein bisschen Glück.“

Frodo nickte und lehnte sich zurück, die Augen geschlossen, und atmete die gut tuende Luft ein.

Ein Ästeknacken erscholl plötzlich.

Die beiden Hobbits schoben sich sofort und ohne Absprache tiefer in den Busch hinein. Die Zweige raschelten leise, als sie diese zur Seite drückten.

Eng aneinander gedrückt und lauschend warteten sie, ob sie erneut ein Geräusch hörten, und tatsächlich...

Es waren eindeutig schwere Schritte zu hören, die in dem Sand stampften und in ihrer Nähe waren. Frodo krallte sich mit einer Hand an Sam fest, der ebenso heftig atmete wie er.

Die Nähe tat Frodo unheimlich gut.

Die Schritte kamen näher; wie von schweren Stiefeln getragen.

Doch es konnten keine Orks sein, denn diese trieben sich meistens nicht bei Tag herum. Doch was war es dann?

Und plötzlichen ertönten dunkle und männliche Stimmen ganz in der Nähe. Waren es Menschen? Die beiden Hobbits rückten noch näher zusammen.

„Wo sind sie hin? Ich habe sie hier noch gerade gesehen.“

„Du fantasierst, Elomel.“

„Nein, wenn ich es dir doch sage! Es waren winzige Gestalten. Vielleicht Mordor- Orks. Wer weiß das schon?“

„Orks findest du hier nicht bei Tag. Vielleicht war das nur ein Tier.“

„Nein, ich hab es deutlich gesehen!“

Die Stimmen und Schritte kamen eindeutig immer näher. Die Hobbits drängten sich so eng zusammen, wie es nur ging, doch das brachte nicht viel. Denn Frodo stieß gegen einen derart trockenen Ast, der sofort zerbrach und ein lautes Knacken von sich gab.
 

Einen Moment herrschte wieder bittere Stille. Nichts war zu hören außer der schönen Natur um sie herum. Schweiß stand Frodo auf der Stirn, und zitterte so heftig, dass es Sam unwillkürlich ansteckte. Einige heftige Herzschläge spürte Frodo noch, bevor er mit einem Mal inklusive Sam aus dem Gebüsch hoch in die Sonne gerissen wurde.

Die Hobbits zappelten wild und schlugen um sich; als die Panik sich ein wenig gelegt hatte, blickte Frodo in die Augen eines hochgewachsenen Menschen, der ihn mit einem Ausdruck von Verwunderung musterte.

„Elomel, was ist das denn? Das sind keine Orks.... Was seid ihr? Kinder?“

Sam versuchte an eine seiner Pfannen zu kommen, und fiel dem größeren der beiden Menschen fast aus den Armen, die ihn kräftig im Zaum hielten. Frodo war mittlerweile zu erschöpft, um sich weiter zu wehren, zumal ihm der feste Griff des Menschen die Luft abschnitt.

„Wir- sind- Hobbits- ihr widerlichen--“, keuchte Sam, und der Mensch lachte.

„Hobbits? Noch nie was davon gehört.“

„Kein Wunder, wir kommen auch von weit her... Nehmt eure dreckigen Finger von Herrn Frodo und mir!“

„Wir sollten dem Hauptmann Meldung machen. Fessel sie.“

Und Frodo und Sam wurden beide abgesetzt und so straff an den Händen gebunden, dass das Seil unweigerlich in die Haut schnitt. Frodo stöhnte.

„Der Hauptmann wird entscheiden, was mit euch passieren wird. Solange...“

Den Hobbits wurden straffe Binden vor die Augen getan, damit sie nichts mehr sehen konnten und von nun an blind waren für den weiteren Weg;

„.... werdet ihr diese Binden tragen.“

Frodo schlug das Herz bis zum Hals. Was hatten sie vor? Und vor allem... Waren diese Menschen auf der Seite des Guten oder waren sie doch in eine aussichtslose Falle getappt...?



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