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Projekt Traumfänger

von

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Prolog

Grau.

Das ist die Farbe, die uns umgibt. Hier, in dieser Welt gibt es nur wenige Farben. Sie sind dunkel. Schwarz und Braun ist das, was wir sehen, wenn wir uns umschauen. Das einzige was, das allgegenwärtige Grau durchbricht. Genau so ist das Leben in dieser Welt.
 

Düster. Trostlos. Hoffnungslos.
 

Das ist das Leben, was wir hier bestreiten. Alles um einen herum wirkt schmutzig und verblichen. Genau wie die Menschen denen man auf den Straßen begegnet. Jeder mit einem festgelegten Ziel und einer festgelegten Aufgabe. Alles läuft in geordneten Bahnen, damit die Welt um uns herum funktionieren kann. Freiheit und Individualität gibt es nicht. Das Gleichgewicht der Welt bleibt nur bestehen, wenn jeder seinen Zweck erfüllt. Es sichert unser aller Überleben.

Die Anforderungen sind hoch. Kaum einer kann seinen Zweck bis zum gesetzten Zeitpunkt erfüllen. Die Kräfte schwinden zu schnell. Es wurde ein Mittel dagegen entwickelt. Sie nennen es Sandmann. Eine kleine, schneeweiße Kapsel. Es versetzt den Menschen in einen Zustand, der einem tiefen Schlaf gleichkommt. Sie nennen es Eigene Welt. Hier kann er einen Ort schaffen, wo er völlig losgelöst von der Trostlosigkeit des Lebens in dieser grauen Welt ist. Einen Ort wo er frei ist. Wo er individuell ist. Den er aufbauen und einreißen kann, wie es ihm gefällt. Sie sagen, der Mensch braucht das, um neue Kräfte zu schöpfen und weiterhin seinen Zweck erfüllen zu können. Es lässt die Menschen träumen. Und es macht süchtig.
 

Deswegen geben sie es nur im Gegenzug gegen die Erfüllung des Zweckes aus. So sorgen sie dafür, dass die Menschen weiterhin ihre Aufgaben erledigen. Man bekommt eine zugeschriebene Dosis, die sich nach den Anforderungen richtet, die an einen gestellt werden. Vielen reicht eine Kapsel in der Woche um die Kräfte neu aufzuladen. Dennoch sammeln sie sie und handeln damit unter der Hand. Manche, die es geschafft haben aus dem System zu fallen kaufen sie auf und verarbeiten sie zu Kapseln mit stärkerer Wirkung, die einen noch länger in der Eigene Welt bleiben lassen. Die Menschen nehmen sie dann um zu fliehen. Sie flüchten sich in die Eigene Welt für einen kurzen Moment des Glücksgefühls. Es ist wie ein Rausch den sie immer wieder erleben wollen.
 

Wenn die Wirkung aber zu stark ist und sie zu lange bleiben, geraten sie in einen Dauerzustand. Sie wachen nicht mehr auf. Sie können nicht mehr von selbst in das Hier und Jetzt zurückkehren. Für manche ist es zu spät. Diese nennen wir Traumgefangene. Andere kann man zurückholen. Diese Aufgabe ist Menschen mit einer speziellen Fähigkeit übertragen. Es gibt nur sehr wenige von ihnen. Sie können in die Eigene Welt eintauchen ohne Sandmann zu nehmen. Sie springen zwischen den Orten umher und holen diejenigen wieder zurück, die es nicht mehr aus eigener Kraft schaffen.
 

Mein richtiger Name ist unbekannt. Man nennt mich Agent C und ich bin ein Traumfänger.

Sequenz 001


 

»Sandman sandman

Please put out the light

The truth is a big scam

So let me dream tonight«
 

Die bunten Farben verblassten und es wurde wieder schwarz. Einen kurzen Moment in dieser Dunkelheit verweilen. Die Sinne sortieren. Erst dann das vollständige Auftauchen. Mit einem tiefen Atemzug schlug die junge Frau die Augen auf. Kaltes Neonlicht strahlte auf sie herunter, spiegelte sich in ihren Augen wieder, blendete.
 

Neben ihr bewegte sich ein Mann in Uniform und einem weißen Kittel. Ein medizinischer Angestellter ohne Rang. Ruckartig setzte sie sich auf und schwang die Beine über die Kante der schlichten Behandlungsliege auf der sie gelegen hatte. Der Mann trat vorsichtig auf sie zu und sie streckte ihm wortlos ihr linkes Handgelenk entgegen, damit er das Armband mit den Messdioden entfernen konnte. Die Kabel die davon ausgingen führten zu einem Gerät mit dem man ihre Atem- und Herzfrequenz überwachte. An ihrem andern Arm hingen ebenfalls Kabel, die man ihr entfernte. Mit diesen war sie mit dem Patienten verbunden gewesen. Ein Prozess, den sie so oft durchexerziert hatte, dass sie ihn in und auswendig kannte.
 

Sie hatte ihren Auftrag zufrieden stellend erfüllt. Der medizinische Angestellte teilte ihr mit, dass der Traumgefangene erfolgreich zurückgeholt worden war und sich derzeit in der Aufwachphase befand. Sie registrierte es, reagierte aber nicht darauf, sondern fixierte ihr Gegenüber mit einem kalten Blick. Es interessierte sie nicht, wie es dem Patienten ging. Für die war nur der Erfolg des Auftrags wichtig. Die korrekte Durchführung des Befehls. Der Mann ließ sich davon jedoch nicht beirren, sondern überprüfte kurz die Daten des Überwachungsgerätes, bevor er ihr die Erlaubnis erteilte aufzustehen. Er wies sie an, im Raum zu bleiben, da ihr Vorgesetzter dort jeden Moment eintreffen würde.
 

Kaum waren die Worte verhallt nahm sie Schritte von draußen wahr. Die junge Frau erhob sich von der Liege und brachte ihre Uniform und ihre Waffen in Ordnung, als bereits die Tür geöffnet wurde. In Sekundenbruchteilen hatte sie sich dieser zugewandt und Haltung angenommen. Die Beine leicht auseinander, die Arme angewinkelt hinter dem Rücken, den Blick starr geradeaus gerichtet. Sie wusste, wer den Raum betrat. Sie erkannte es am Geräusch der Schritte. Es hatte sie über die letzten Jahre so intensiv begleitet, dass sie es überall erkennen würde. Das Geräusch einer schnellen aber nicht übereilten Gangart, das bereits auf den Verursacher schließen ließ.
 

Ein Mann fortgeschrittenen Alters in Begleitung betrat den Raum. Die diversen Abzeichen an seiner Uniform ließen deutlich auf seinen hohen Rang schließen. Er wechselte einige wenige Worte mit dem medizinischen Angestellten, überreichte ihm eine Akte und wies ihn schließlich knapp an den Raum zu verlassen. Danach wandte er sich der jungen Frau zu. „Agent C, nehmen Sie die Atemschutzmaske ab.“ Ein kurzes aneinander klacken von Stiefelabsätzen hallte durch den Raum, bevor die junge Frau dem Befehl nachkam. Sie befestigte das Utensil an ihrem rechten Oberarm und nahm wieder Haltung an. Ihr Vorgesetzter nickte zufrieden. Eine Geste, die sie ebenfalls über die letzten Jahre begleitet hatte. Immer dann, wenn ein Befehl korrekt ausgeführt oder eine Aufgabe zufrieden stellend erledigt worden war.
 

„Agent C, ich bin hier um Ihnen mitzuteilen, dass die Führung beschlossen hat Sie dauerhaft mit einem anderen Traumfänger zu einem Team zusammen zu fügen.“ Ihr Blick wanderte von ihrem Vorgesetzten zu dessen Begleitung, die sie mit einem scharfen Blick musterte. Sie wusste, dass es sich bei der Aussage ihres Vorgesetzten um einen Befehl handelte, dem sie Folge zu leisten hatte. Sein Tonfall hätte ohnehin keinen Widerspruch zugelassen. Auch wenn sie es gewohnt war alleine zu arbeiten.
 

Zwar hatte sie für einzelne Aufträge durchaus mal einen Partner gehabt, allerdings war die Zusammenarbeit aus den unterschiedlichsten Gründen schnell wieder abgebrochen worden. Es war ohnehin nicht wichtig, ob sie alleine oder in einem Team agierte. Die Erwartungen, die an sie gestellt wurden hatte sie zu erfüllen. Dementsprechend würde sie sich auch auf eine längerfristige Teamarbeit einstellen. Soldaten stellten keine Fragen. Soldaten befolgten Befehle.

Ihr Vorgesetzter wandte sich wieder seiner Begleitung zu. „Ich darf Ihnen Agent C vorstellen, Ihre zukünftige Teampartnerin. Wie Sie sehen, hat sie bislang fast immer alleine gearbeitet. Sie gehört zu unseren besten Leuten.“ Er wandte sich wieder der jungen Frau zu. „Sie werden gemeinsam einen Auftrag der Schwierigkeit leicht durchführen, damit wir sehen wie Sie zusammenarbeiten. Sie werden beide in die Eigene Welt eintauchen. Übungsfall 12/b. Wir werden die notwendigen Daten umgehend in Ihre Köpfe projizieren. Agent C, Sie werden die Beobachterposition übernehmen. Eingriff ist nur im Notfall gestattet. Keine Waffenfreigabe, keine Wandlungsfreigabe. Haben Sie Fragen?“ „Nein, Sir.“, antwortete die junge Frau knapp.
 

Sie wandte sich um und begab sich wieder auf die Behandlungsliege. Beinahe lautlos war der medizinische Angestellte wieder im Raum erschienen und schloss die Messdioden wieder ihren Armen an. Neben ihr nahm sie war, die die Begleitung ihres Vorgesetzten es ihr gleichtat. Schlussendlich legte ihr der Angestellte noch eine Art Helm über die Stirn. Von dort aus würden die Daten der Übungswelt in ihr Unterbewusstsein übertragen werden. Sie schloss die Augen und wartete, bis die Schwärze um sie herum sich beruhigt hatte. Sie konzentrierte sich auf ihr Inneres und begann ihren Herzschlag wahrzunehmen. Langsam entstand ein Strudel aus bunten Farben vor ihrem inneren Auge. Sie war eingetaucht in die Eigene Welt. Um sie herum würde sich gerade das Setting manifestieren. Einen Augenblick verharrte sie noch. Dann öffnete die die Augen.
 

Die bunten Farben verschwimmen zu einem hellen weißen Licht. C erkennt die Lampe wieder unter welcher sie Kreativitätslehre hatte. Die Straße baut sich in die Ferne aus weißen Kacheln auf, die ihr Lieblingszimmer verzierten. Die Passanten und Bilder tragen alle weiße Kittel und blaue Handschuhe, wie ihre Bezugsperson und seine Freunde. Eben jene, die sie in ihrer Kindheit bis zur Abschlussprüfung umsorgt hatten. Ihre fast schulterlangen, lilafarbenen Haare streicht sie sich dezent hinters Ohr. Ihr Körper ist der gewohnte stählerne Neutrum. Wieso sie in der Anderswelt, wie sie die Welt außerhalb der Träume nennt, einen Busen und andere unnütze Merkmale hat kann sie beim besten Willen nicht nachvollziehen.
 

Sie hält nach T Ausschau. Er sollte sich in einem der Nebengänge befinden, auf dem Weg zur Zielperson, die ihrer Erfahrung nach im Raum 4201 zu finden sein würde, umgeben von diversen Auswüchsen ihrer Fantasie. Ihr Seufzer hallt lange wabernd durch die Übungswelt, welche sie einfach schon zu oft gemeistert hat. Sie schließt die Augen, legt symbolisch die Hände zusammen und springt an die Stelle wo sie ihren zukünftigen Partner vermutet. Leise wie eine Feder landet sie über ihm schwebend.
 

Schwarze Tentakel gehen von einer gleichfarbigen Korona um ihn aus und stoßen jede Tür in diesem Gang auf, zerschmettern sie förmlich. Eine tonlose, dunkle Druckwelle trifft sie jedes Mal, wenn er eine zerstört. C hat so etwas noch nie zuvor gesehen, er ist anscheinend gänzlich anders trainiert worden. Holzsplitter schweben schwerelos im Gang umher, jede Tür ist offen. Jedoch ist das vermutete Ziel nirgendwo zu finden.

Seltsam.
 

T bewegt sich langsam weiter, die zerborstenen Teile immer noch leicht außerhalb seiner Korona um ihn schwebend. Die Kacheln verändern sich als er sich bewegt. Sie werden stumpf und brechen schließlich. C schwebt in einem leichten Abstand einfach hinter dem jungen Mann her. Nächster Gang, gleiche Vorgehensweise. Sie spürt ein denkendes Wesen und springt in den Raum hinein wo sich das Ziel befindet. Ein mulmiges Gefühl macht sich in ihr breit. Etwas ist anders. Die Fantasiewesen sind schärfer, als sie in so einer einfachen Übung sein dürften. Sie zeigen echsenartige Konturen und nicht wie sonst übliche bunte, wabernde Farbkleckse.
 

Der dunklen Druckwelle und den Splittern kann sie nur gerade so ausweichen, als ihr Kollege eintritt. Ohne auch nur lange zu fackeln wickeln sich seine Tentakel um die Kreaturen und erdrücken sie langsam. Lassen sie in allen Farben explodieren, die dann in Tropfenform schwerelos durch den Raum schweben. Doch die zu rettende Seele ergreift aus dem Nichts eine Waffe. C schaut fasziniert auf den blanken Stahl des Katanas. Sehr selten, dass diese sich mit direkter Waffengewalt einer Rückführung entziehen.
 

Zwei Tentakel von T werden abgehackt, er zuckt zusammen und ballt die Fäuste, so als würde es ihm wehtun. Seine Augen blitzen vor Wut und Schmerz. Die Seele, nur mit einem einfachen, langen Leinenhemd bekleidet, springt von ihrem Stahlbett auf und versucht weitere Tentakel abzuhacken, doch bevor das Schwert treffen kann wird sie von den Holzsplittern an die Wand genagelt. ‚Bastard‘, denkt sich T und hämmert sie einem Donnerschlag gleich durch den Traum. Mit einem Blitzschritt, steht er vor der Seele und legt ihr die Hand auf das Gesicht um sie mitzunehmen. Seine Augen weiten sich, der Mund steht ihm offen. „Was ist los? Beende die Mission!“, mahnt ihn C. „Sie... hat keine Seele, es ist ebenso ein Traumprodukt!“
 

Cs Gedanken welche dies unmöglich schimpfen strahlen durch den Kampfplatz. ‚Wer hat so mächtige Träume und eine so starke Seele? Wie kann das sein?‘ Der Raum bewegt sich, verändert sich, wirft die beiden von den Beinen. Die weißen Fliesen am Boden werfen Wellen, die Lampen flackern, die Tür wird breiter. C versucht zu schweben doch sie trifft wieder auf den Boden. Nein, der Boden trifft sie… wie... ja wie einer Zunge gleich. Um die Tür bilden sich aus den weißen Fliesen zahnartige Gebilde. Dort wo Agent T sein vermeintliches Ziel an der Wand hält bildet sich der Schlund und droht ihn hinabzuwerfen in die Dunkelheit dieses Traumgefangenen.
 

C springt vor und zieht ihn in letzter Sekunde zurück. Die Fliesen versuchen sie zu kauen. Sie lässt eine einfach durch sich hindurch fliegen und presst die Hände mit dem Zeige- und Mittelfinger ausgestreckt entgegengesetzt aneinander. Sie konzentriert sich, während T mit schnellen Bewegungen den Fliesen ausweicht und Halt auf dem unruhigen Boden sucht. „Halt die verdammten Dinger von mir fern! Ich versuche sein Zentrum zu finden!“, bellt sie ihn an und verschwindet in den Farben. Links: Grau; Rechts: Grau; Vorne: Grau; Hinten: Grau; Unten: Schwarz; Oben: Licht.
 

Dorthin muss sie, springt mit geschlossenen Augen auf das Licht zu, umfasst es mit beiden Händen und legt es routiniert in einen Farbkäfig. Entsetzen macht sich in ihr breit, als sie merkt, dass dieser Risse bekommt und es wieder anfängt durch dieses gleißende Licht hindurch zu scheinen. Ihre Hände, die ihn umfassen fangen an zu brennen. Lange hält sie diese Seele sicherlich nicht gefangen. T erscheint neben ihr. Ruft etwas, was nach „Kollapsar“ klingt und um ihren Farbkäfig legt sich die Schwärze eines zusammenstürzenden Sternes, der das Seelenlicht endgültig in seine Schranken weist. Seine Hände legen sich dabei auf die ihren. Die Traumwelt fängt an zu kollabieren. Der Traum ist vorbei und ihre Traumwesen verblassen langsam in dem wohlig warmen Gefühl des Aufwachens.
 

Sie öffnete die Augen und spürte unmittelbar die Kälte der Realität in sich einziehen. Während der medizinische Angestellte um sie herum arbeitete, setzte sie sich auf. Ihr Kollege tat es ihr gleich. Prüfend musterten sie sich einige Sekunden lang. „Aus welcher Sektion kommst du Soldat?“, richtete sie das Wort schließlich an ihn. „Sektion X. Alpträume.“, antwortete er knapp. Es erklärte sein Erscheinungsbild innerhalb der Träume. Unter den Traumfängern gab es verschiede Spezialisierungsrichtungen und jede hatte ein anderes Grunderscheinungsbild innerhalb der Eigenen Welt. „Du bist gut, Soldat.“ Er kam nicht dazu etwas zu erwidern.
 

Die Tür öffnete sich und ihr Vorgesetzter betrat den Raum. Die beiden Soldaten nahmen Haltung an. C beobachtete ihn. Jedes kleine Detail in seiner Gestik und Mimik registrierte sie. Sie wollte wissen, was in der Simulation nicht korrekt verlaufen war. Es war ungewöhnlich, dass man sie selbst zu Test- und Übungszwecken mit einem falschen Einsatzbefehl in die Eigenen Welt schickte. Wenn es also kein Fehler und Absicht gewesen war, dann ließ sich das nicht aus dem Gesicht des Mannes herauslesen. Seine steinerne Miene verriet nichts über das, was in seinem Kopf vorging. C stellte keine Fragen. Niemals. Dazu war sie nicht erzogen und ausgebildet worden. Sie war Soldat. Sie befolgte Befehle. Aber sie machte sich durchaus Gedanken, wenn die Dinge anders verliefen, als sie es sollten. Ihr Vorgesetzter hatte vermutlich gute Gründe gehabt, nicht die richtigen Einsatzinformationen weiter zu leiten. Aber darüber dachte sie nicht weiter nach.
 

„Agent C, Agent T, wir sind mit Ihrer Zusammenarbeit und der Reaktion auf unvorhergesehene Veränderungen höchstzufrieden. Sie werden in Zukunft weiterhin zusammenarbeiten.“ „Ja, Sir.“, kam es gleichzeitig von den Soldaten. „Wir haben bereits einen ersten Auftrag, den Sie sofort ausführen werden. Es handelt sich um einen Außeneinsatz. Sie werden sich in Level Vier begeben und einen flüchtigen Unterhändler aufspüren. Der Mann ist ein einflussreicher Verkäufer von verändertem Sandmann. Er hat eine gewisse Machtposition im Untergrund. Die Erlaubnis zur Waffenfreigabe wurde erteilt.“
 

„Sir, wie lautet unser Befehl, wenn der Flüchtige gefunden wurde?“, richtete C das Wort an den älteren Mann. „Eliminieren. Weitere Fragen?“ „Nein, Sir.“ „Gut, dann erteile ich Ihnen hiermit offiziell die Erlaubnis das Gelände zu verlassen. Melden Sie sich unverzüglich beim Operator, wenn der Befehl erfolgreich ausgeführt wurde.“ „Ja, Sir.“ Die Soldaten schlugen die Hacken aneinander und warteten, bis ihr Vorgesetzter den Raum verlassen hatte, bevor sie sich in Bewegung setzten. C kontrollierte den Sitz ihrer Waffen. Eine Schusswaffe in einem Holster um ihren rechten und ein Jagdmesser mit langer, gezackter Klinge in einer Scheide um ihren linken Oberschenkel. T trug zwei Schusswaffen bei sich, dessen Sitz auch er mit einem schnellen Blick überprüfte.
 

Ein leises Piepsen sagte ihnen, dass die Chips in ihren Hundemarken gerade vom Operator die Freigabe erhalten hatten, die schweren Stahltore zu öffnen, die sie von der Stadt trennten. Cs Hundemarke hing an einer Kette um ihr rechtes Handgelenk, die ihres Partners sah sie nicht, vermutlich befand sie sich aber klassisch an einer Kette um seinen Hals. C nahm ihren schwarzen Ledermantel von dem medizinischen Angestellten, der wieder aus dem Nichts erschienen war entgegen und legte ihn an. Ihr neuer Partner tat es ihr gleich, denn diese Mäntel waren ein Teil der Uniform und vor allem als Ausrüstung für Ausseneinsätze gedacht. Wie auch die spezielle Uniform trugen sie nur Traumfänger. Er war ein Zeichen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Eliteeinheit.
 

Sie verließen das große, fensterlose Gebäude in Richtung des großen Vorhofes. Durch endlos scheinende Gänge, gestrichen in grauer Farbe und beleuchtet mit sterilem, weißen Leuchtstoffröhrenlicht. T folgte ihr auf Schritt und Tritt. Gelegentlich kamen ihnen Militärangehörige entgegen, die deutlich über ihnen standen. Dann hielten sie an und nahmen mit dem Rücken zur Wand Haltung an, bis der Ranghöhere sie passiert hatte. So verlangten es die Vorschriften. So hatte man sie erzogen. Sie waren zügig unterwegs, aber nicht in Eile. Sie hatten zwar einen Einsatzbefehl erhalten, allerdings ging dieser mit keinem Alarm einher. Dementsprechend hatten sie sich an die Regeln zu halten.
 

Lautlos glitt vor ihnen schließlich eine graue Stahltüre auf und gab ihnen so den Weg nach draußen frei. Dichte, graue Wolken hingen am Himmel, es sah nach Regen aus. Nicht ungewöhnlich in dieser Stadt. Es sah immer danach aus, als würde der Himmel im nächsten Moment alle Schleusen öffnen, doch ein Regentropfen war hier schon seit unzähligen Monaten nicht mehr gefallen. Ebenso lange hatte auch die Sonne ihren Weg nicht mehr durch die dichten, dunklen Wolken hindurch gefunden. Das düstere Licht fiel auf die Gebäude und warf lange, dunkle Schatten auf den Boden, ließ sie dadurch noch größer und bedrohlicher wirken, als sie ohnehin schon waren.
 

Das Militärareal bestand aus mehreren riesigen Gebäudekomplexen, Trainingslagern und Wohnbaracken für die Soldaten. Es war in verschiedene Zonen unterteilt und je weiter man nach innen hinein kam, desto höher war die Freigabe. Es war ein großes Gelände, das nicht viel Freiraum ließ, da die Bauten dicht an dicht standen und jeden Platz ausnutzten. Wer sich innerhalb seiner Mauern befand wurdeicht selten von dem Gefühl befallen keinen Platz zum Atmen zu haben. Man erzähle sich sehr viel früher, als es in der Welt noch Farben gegeben hatte, war hier ein riesiger Walde gestanden, in dem die Soldaten ihre Fähigkeiten trainiert hatten. Heute erfasste das Auge nur noch tonnenweise Stahl und Beton. Grau in allen Nuancen. Trostlos. Bedrückend.
 

C wandte sich zur Seite und marschierte über den gepflasterten Platz. Keine Pflanze wuchs hier. Nicht einmal ein Grashalm ragte zwischen den akkurat aneinandergelegten Steinen hervor. Das Gelände war umgeben von einer mehrere Meter hohen Mauer. Ihre Oberfläche war so glatt geschliffen worden, dass es keinerlei Ritzen oder Unebenheiten gab. Nicht einmal Insekten fanden daran Halt. Keinerlei Möglichkeit daran hinaufzuklettern. Keinerlei Möglichkeit zur Flucht.

Auf einer gekennzeichneten Fläche standen zwei in Schwarz gehaltene Motorräder. C fischte den Ohrknopf eines funkgesteuerten Headsets aus der Innentasche ihres Mantels. So konnte sie mit dem Operator in Kontakt bleiben. Ein leichter Druck auf das kleine Gerät und die Verbindung wäre hergestellt. Nachdem sie es positioniert hatte, schwang sie ein Bein über den Sattel der Maschine. Sie griff an ihr linkes Ohr und übte Druck auf das Headset aus. Ein kurzes Rauschen erklang. "Operator, hier Agent C. Erbitte Bestätigung über Funkkontakt." Es knackte leise. "Hier Operator. Funkkontakt bestätigt. " Die junge Frau nahm ihre Hand wieder vom Ohrknopf des Funkgerätes und startete den Motor, der mit einem tiefen, blubbernden Geräusch Absprung.
 

Über ihrem Lenker leuchtete ein Display mit einer Straßenkarte darauf auf. Neben ihr startete T ebenfalls den Motor seiner Maschine. Wieder legte sie die Hand an ihr Ohr. "Operator erbitte letzte bekannte Position der Zielperson." Wenige Augenblicke später vergrößerte sich die Ansicht der Karte und im Bereich der Stadt, der als Level Vier bezeichnet wurde begann ein Punkt zu blinken. Ohne einen weiteren Kommentar klappte sie den Ständer der Maschine ein und gab vorsichtig Gas. Langsam rollten sie auf das große, schwere Tor zu, dass sie im Inneren des Hofes gefangen hielt. Sie wusste, dass es etwas brauchen würde sich zu öffnen.
 

Sobald sie die Messpunkte passiert hatten, die feststellten ob sie die Freigabe hatte, begann das Tor sich langsam zu öffnen. C wusste, dass sie an der Messstelle gescannt worden waren. Wie viele sie waren und mit welchen Fahrzeugen sie unterwegs waren. Demensprechend wurde das Tor geöffnet. In ihrem Fall also nur einen Spalt breit, durch den sie mit ihren Maschinen gerade durchpassten. Kaum hatten sie die schweren Metallflügel passiert, fielen diese hinter ihnen auch bereits wieder lautlos ins Schloss. Es war jedes Mal ein seltsames Bild, diese massiven, schweren Türflügel zu sehen, wie sie sich bewegten und dabei keinen einzigen Ton von sich gaben. Es sorgte für ein bedrohliches Gefühl in der Magengegend, wenn man es beobachtete.
 

Ein kurzer Blick über ihre Schulter sagte ihr, dass T an ihrer Seite war. Sie gab Gas. Die Straßen waren leer. Es war nicht die Zeit für die Leute unterwegs zu sein. Ob man eine Sperrstunde ausgerufen hatte, oder einfach niemand draußen war, konnte sie nicht sagen. Wenn sie richtig schätzte war es auch noch Zeit, dass die Menschen ihren ihnen vorbestimmten Aufgaben nachgingen. Fakt war jedoch, in Level Eins, in welchem sich das große Gelände des Militärs befand, sah man ohnehin nie besonders viele Menschen auf den Straßen. Hier hielten sich die Menschen außerhalb ihrer zur Erfüllung ihrer Aufgaben vorbestimmten Zeit in ihren Wohnungen auf. Sie waren das, was man als brave, anständige Bürger bezeichnen konnte.
 

Sie fuhren die breite Hauptstraße entlang, vorbei an kleineren Mehrparteienhäusern, die allesamt Weiß gestrichen waren und akkurat und ordentlich aussahen. Es handelte sich nicht ausschließlich um Wohnungen von Militärangehörigen, aber jeder, der hier lebte erfüllte eine Pflichaufgabe die damit zusammenhing. Soldaten wohnten nicht hier, sie waren alle in den Kasernen und Baracken stationiert. Staatsangehörige lebten in einem Gebiet, das noch besser gestellt war. Level Null, wurde dieser Stadtteil genannt. Er war abgeriegelt und wurde streng bewacht. Dort waren Häuser gebaut, in denen einzelne Familien oder alleinstehende wohnten.
 

Sie überquerten nach einer Weile die Grenze zwischen den Stadtteilen. Sie waren mit hohen Mauern auf massiven Metallplatten voneinander abgegrenzt und sobald man sie bei den Gremzposten wahrnahm wurden ihnen die schweren Schranken, die die Straße blockierten geöffnet. Diese einfachen Soldaten bewachten die Übergänge zwischen den Stadtteilen. Wie es sich gehörte nahmen sie Haltung an, als C und T an ihnen vorbei fuhren. Als Traumfänger haftet ihnen eine gewisse Aura des Besonderen an, die einfache Soldaten schnell beeindruckte. Jeder, der Sandmann konsumierte wünsche sich irgendwann die Fähigkeiten eines Traumfängers einfach in die Eigene Welt abtauchen zu können, wie man es wollte ohne die gesundheitlichen Folgen zu haben.
 

Sie befanden sich jetzt in Level Zwei. Hier waren die Häuser schon grösser und in hellem Grau gestrichen. Sie waren allerdings trotzdem in gutem Zustand. Innerhalb dieses Teils waren vereinzelte Personen auf den Straßen unterwegs, die ihnen verstohlen nachsahen. Jeder wusste, was es zu bedeuten hatte, wenn Traumfänger in den Stadtteilen unterwegs waren. Jeder hoffte, dass sie weiterfahren und nicht auf ihrem Level halten würden. Denn es bedeutete immer Ärger, sollten die schwarzen Militärfahrzeuge doch dort zum Stehen kommen.
 

Ein Militäreinsatz brachte den Tagesablauf der Menschen durcheinander, riss sie aus gewohnten Vorgängen. Es gab viele, die damit nicht sonderlich gut umgehen konnten, da sie die geregelten Abläufe von Kindesbeinen an gewohnt waren und nicht wussten, wie sie reagieren sollten, falls diese mal durchbrochen wurden. Niemand hatte ihnen beigebracht, anpassungsfähig zu sein. Sie hatten nie gelernt sich zu entwickeln und neue Situationen zu meistern. In ihrer gewohnten Umgebung gab es keine Unbequemlichkeiten und keinen Ausnahmesituationen. Alles war bis ins kleinste Detail geregelt.
 

Einige Zeit später, wieder eine Grenze. Wieder ein Grenzpostrn. Wieder eine Schranke die sich öffnete. Level Drei. Grau gestrichene Häuser mit vielen Wohnparteien. Kein besonders guter Zustand mehr. Auch hier waren mehr Menschen unterwegs als in Level Zwei. Einige der Menschen hier waren bereits aus dem Raster der vorher bestimmten Aufgaben gefallen und ließen sich nur schwer wieder eingliedern. Sie kämpften darum zurück zu finden in das bequeme geregelte und geordnete Leben, hatte aber oft Probleme mit übermäßigem Konsum von Sandmann, das sie zu sehr an die Eigene Welt band. Sie begannen zu vergessen welche Welt die reale war. Welche Welt diejenige war die besser für sie sorgen konnte und die ungefährlicher war.
 

Nach der dritten Schranke schließlich der letzte Teil. In Level Vier waren die riesigen Häuserburgen in schlechtem Zustand, zum Teil sogar verfallen und leerstehend. Hier fand man Obdachlose auf den Straßen und Süchtige, die leblos an den Straßenrändern lagen. Gefangen im Delirium, ausgelöst durch Sandmann. Level Vier war der Auffangort für alle die aus dem System gefallen waren und keine Chance mehr hatten zurückzukehren. Sie näherten sich ihrem Zielort.

Dort angekommen stoppte C ihre Maschine und schaltete den Motor aus. Sich anzuschleichen würde nicht viel bringen, da sich die Anwesenheit der Soldaten in diesem Stadtteil sicherlich bereits herumgesprochen hatte. Es kam nicht selten vor, dass das Militär in Level Vier unterwegs war. C stieg von ihrer Maschine ab und trat auf das verlassen aussehende Gebäude vor dem sie gehalten hatten zu. Vorsichtig berührte sie die Eingangstür und stellte fest, dass sie unverschlossen war.
 

Sie war sich sicher, dass man mit ihnen rechnete und sie irgendwo erwarten würde. C zog ihre Schusswaffe und betrat langsam mit der Waffe im Anschlag das Gebäude. Sie mussten jetzt vorsichtig sein und alles genau überprüfen um nicht in einen Hinterhalt zu laufen. T war direkt hinter ihr und sicherte sie beide ab. Raum für Raum arbeiteten sie sich vorwärts, aber sie fanden niemanden. Das gesamte Gebäude schien wie leergefegt zu sein. Selbst auf dem Dach war die Zielperson nicht aufzufinden. Für einen kurzen Moment begann C bereits an der Genauigkeit des Operators zu zweifeln. Zuletzt machten sie sich auf den Weg in den Keller, einer Art Tiefgarage oder Lagerraum.
 

Bevor sie jedoch die Tür öffnete hielt sie inne. Von der anderen Seite drangen Stimmen an ihre Ohren. Ihr Zielobjekt befand sich in diesem Raum. Der angeregten Unterhaltung nach zu urteilen fühlte man sich sicher und rechnete nicht nicht mit einem Übergriff der Soldaten. C trat einen Schritt zurück und öffnete dann die Tür mit einem derben Tritt, die mit einem krachenden Geräusch auf die Wand, an der sie befestigt war traf. Gemeinsam stürmten sie den Raum. Sämtliche in dem Raum anwesenden Personen wandten sich zu den beiden Soldaten um.
 

Cs Blick erfasste sofort den gesuchten Unterhändler. Er war umgeben von einer Hand voll Aufpasser. Große, breitschultrige Männer mit Schusswaffen, die alle so aussahen, als hätten sie nie einen Tag im System gelebt. Einer von ihnen eröffnete sofort das Feuer und sie konnten sich nur durch Hechtsprünge nach links und rechts in Sicherheit bringen. T erwiderte aus seiner Deckung heraus das Feuer, während C ihre Waffe zurück in das Holster steckte und sich innerhalb ihrer Deckung näher an die Wachen heranarbeitete.
 

Als sie in Reichweite einer der Männer war verließ sie ihren Schutz. Mit geübtem Griff entwendete sie dem Mann die Waffe und warf sie außer Reichweite. Eine Faust schnellte auf sie zu, der sie im letzten Moment ausweichen konnte. Sie holte mit dem Bein aus und traf den Mann mit der Stahlkappe ihres Stiefels am Kopf. Augenblicklich brach er mit einem leisen Stöhnen zusammen. Ein paar Meter weiter hatte T einen der Männer getroffen und er sackte zusammen. Er würde nicht mehr aufstehen. Ein dritter Mann stürmte auf C zu und lieferte sich mit ihr ein handfestes Gefecht. Sie hatte einige Mühe sich zu verteidigen. Ihr Gegner war gut ausgebildet, deutlich massiver als sie und der Moment der Überraschung war verspielt. Dennoch war sie ihm nicht unterlegen.
 

T nutzte derweil einen günstigen Zeitpunkt um den vierten Mann mit einem gezielten Schuss auszuschalten. Er beobachtete einen Augenblick lang den Kampf seiner Partnerin. Er musste genau zielen um sie nicht zu verletzen. In einem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit traf der Gegner sie mit der Faust im Gesicht und sie ging benommen zu Boden. Blitzschnell beugte er sich mit einem gezogenen Messer über sie, als T ohne lange nachzudenken abdrückte. Mit vor Schreck und Schmerz aufgerissenen Augen und röchelndem Atem brach die Wache schließlich über ihr zusammen und bedeckte sie mit seinem schweren, blutüberströmten Körper.
 

Der Nebel in ihrem Kopf, ausgelöst durch den harten Schlag ihres Gegners, löste sich nur langsam. Das Gewicht auf ihrem Körper wurde unvermittelt von ihr heruntergezogen. Ihr Partner reichte ihr die Hand. Blut lief ihr aus der Nase und den Mundwinkel herunter. Die Wache hatte sie wirklich gut getroffen. Das musste sie dem Mistkerl neidlos anerkennen. "Die Zielperson ist entkommen.", stellte T nüchtern fest. "Wie gehen wir weiter vor?" C nahm seine Hand und ließ sich von ihm hoch helfen. Sie leckte sich das Blut aus dem Mundwinkel. In ihren Augen stand ein diabolischer Ausdruck als sie zwischen ihren dunklen Haaren hervorblitzten und sie sich ihm zuwandte.
 

"Jagen. Finden. Töten."

Sequenz 002


 

»No one ever dares to speak

It’s nothing else but Fantasy

It’s make believe, make believe

No one ever dares to speak

It’s nothing else but Fantasy

But one day it all will come to Life«
 

T wandte sich auf der Straße nach links und rechts um. Er sondierte die Umgebung mit scharfen Augen. Er wusste, dass Menschen, die viel in Kontakt mit Sandmann waren, eine Art ganz spezielle Aura umgab. Dabei spielte es keine Rolle, ob diejenigen konsumierten, oder damit handelten. Die Eigene Welt war ein Ort, der Spüren hinterließ an jedem Besucher, der sie betrat. Für geübte Traumfänger, war diese relativ leicht aufzuspüren. In der Ausbildung wurden sie darauf trainiert, wie Spürhunde darauf zu reagieren.
 

Es dauerte nur ein paar Augenblicke, bis er die Fährte gefunden hatte. „Er ist noch nicht weit weg.“ C nickte und folgte ihm mit schnellen Schritten. T eilte voraus, die Waffe im Anschlag. Ein paar Häuser entfernt bog die Fährte in eine kleine Seitengasse ein. Ein kaum wahrnehmbarer beißender Geruch drang an Cs Nase. Sie kannte diesen Geruch und stoppte ihre Schritte. Eine Hand auf seiner Schulter ließ T anhalten. Er wandte sich zu seiner Partnerin um, die seinen Blick wieder nach vorne in die Gasse lenkte.
 

Dort war ein Schatten erschienen. Ein kaum wahrnehmbarer, formloser Schemen aus schwarzem Rauch. Der beißende Geruch, den er verströmte wurde stärker. „Das ist Traumgas.“, stellte C nüchtern fest. Sie griff nach ihrer Atemschutzmaske und setzte sie mit einer eleganten Bewegung auf. Beobachtend näherte sie sich dem Schemen ein paar Schritte. Dieser begann die Form zu ändern und die Gestalt eines Wolfes anzunehmen, der sie tonlos anknurrte.

C zog ihr Jagdmesser und näherte sich langsam. Sie setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, alle Muskeln angespannt und jederzeit darauf vorbereitet anzugreifen. Der Wolf aus schwarzem Rauch duckte sich und machte sich zum Absprung bereit. Mit einer unerwarteten Bewegung schnellte er nach vorne. C reagierte darauf, stockte jedoch mitten in der Bewegung. „Was zur…“, entfuhr es ihr dumpf unter der Atemschutzmaske, während sie den Blick ein wenig ungläubig auf das Bild vor ihr gerichtet hatte.
 

Der Wolf rannte auf sie zu, geifernd und zähnefletschend. Doch er kam nicht von der Stelle, war trotz seiner Bewegungen eingefroren. C näherte sich ihm weiter und als sie direkt vor ihm stand, verharrte er weiter in seinen Laufbewegungen. Sie streckte die Hand nach ihm aus und kaum dass ihre Fingerspitzen seine Nase berührten, begann er sich wie von einem Windhauch getragen aufzulösen. „Das ist seltsam.“, murmelte T, der neben sie trat. Sie würden darüber definitiv Bericht erstatten müssen, denn so eine Erscheinung war ihnen in der Realität zuvor noch nicht begegnet.
 

Weiter vor ihnen in der Gasse lenkte ein Geräusch ihre Aufmerksamkeit auf dessen Verursacher. Es war der flüchtige Unterhändler. T nahm seine Waffe wieder auf und jagte dem Gesuchten mit schnellen Schritten hinterher. Dieser ließ einen kleinen Beutel fallen und begann zu laufen. C sammelte diesen mit einer fließenden Bewegung auf bevor sie ihrem Partner folgte. Sie wusste, was er enthielt und dass er als Beweismittel konfisziert werden musste. In der Bewegung nahm sie auch die Atemschutzmaske wieder ab.
 

T hatte derweil den Gesuchten ein paar Gassen weiter in eine Sackgasse gejagt und stand jetzt mit angelegter Waffe vor ihm. Als C neben ihm auftauchte und ebenfalls die Waffe auf das Zielobjekt richtete, erhob dieses die Stimme. „Lebend kriegt ihr mich nicht, ihr Bastarde.“, blaffte er ihnen entgegen. C erwiderte nichts, sondern fixierte ihn mit einem Blick, der einem das Blut in den Andern gefrieren ließ. Dann drückte sie ab. Es war nicht das Ziel der Mission gewesen Gefangene zu machen.
 

Der Schuss zerriss die drückende Stille, die sich auf die Straßen gesenkt hatte. Die Augen des Unterhändlers weiteren sich, als die Kugel seine Brust durchschoss und sein Herz zerfetzte. Ein leises Röcheln entweicht seiner Kehler, als die Kraft aus seinem Körper wich und er in sich zusammensackte. Die beiden Traumfänger traten an ihn heran. Sie beobachtete seine Augen, während er noch immer die Waffe auf ihn gerichtete hatte. Nur zu ihrer Sicherheit, denn erst wenn seine Vitalfunktionen ihren Dienst wirklich eingestellt hatten, stellte er keine Bedrohung mehr da.
 

Der Blick des Unterhändlers wurde trüber. Er röchelte noch einmal, als er den Mund öffnete und heiser murmelte. „Es… wird kommen. Ihr… könnt es nicht… aufhalten.“ Doch kurz bevor der Lebenswille in seinen Augen vollständig erlosch, flackerte er noch einmal auf und ein seltsamer Schleier legte sich darüber. Dann kippte der Kopf leblos zur Seite. C warf T einen skeptischen Blick zu. „Etwas stimmt hier nicht.“
 

Tatsächlich knackte es in dem Moment leise in ihrem Ohr und die Stimme des Operators meldete sich. „Agent C, ich melde eine Änderung der Mission. Das gesuchte Subjekt soll in die Basis gebracht werden. Zustand spielt keine Rolle.“ „Verstanden Operator. Der Leichnam wird mitgenommen.“ T verstaute seine Waffe im Holster und packte den leblosen Körper des Unterhändlers. Mit Leichtigkeit warf er ihn sich über die Schulter und marschierte zurück zu den Maschinen. Dort legte er die Leiche über den Sitz. Sie machten sich zügig auf den Rückweg.
 

Ein paar Stunden später legte C den vollständigen, unterschriebenen Einsatzbericht auf dem Schreibtisch ihres Vorgesetzten ab. Sie trat zwei Schritte von der großen Tischplatte zurück und nahm Haltung an. Der ältere Mann ihr gegenüber griff nach der Akte und blätterte kurz darin. Er überflog den handgeschriebenen Text, bevor er sich der Soldatin und deren Partner, der einige Schritte hinter ihr stand, zuwandte.
 

Der ältere Mann musterte das Team eine Weile, bevor er die Stimme erhob. „Gut, Agent C, Agent T. Damit ist ihr Einsatz beendet. Sie haben bis auf weiteres Freizeit und dürfen sich auf ihre Stuben begeben.“ „Ja, Sir.“ „Wegtreten Soldaten.“ Das Geräusch von aneinander schlagenden Stiefelabsätzen beendete den Dialog und die beiden verließen den Raum.

C begab sich auf direktem Weg zurück in ihre Räumlichkeiten. Dort angekommen legte sie ihre Waffen mitsamt Holster ab, bevor sie sich auf dem Bett niederließ. Sie wusste, dass T vermutlich gerade dasselbe tat, da seine Räume nicht weit von ihren entfernt lagen. Eigentlich hatte die Sektion für Alpträume ihre Quartiere in einem anderen Teil des Geländes. Jede Sektion hatte ihren eigenen Trakt.
 

Da Traumfänger im Normalfall paarweise arbeiteten mussten sie auch schnell gemeinsam am Einsatzort anwesend sein können. Deswegen quartierte man sie nah aneinander ein. C konnte sich ein leichtes Gähnen nicht verkneifen. Trotz ihrer Ausbildung musste sie sich eingestehen, dass mehrere aufeinander folgende Einsätze in der Eigene Welt an die Substanz gingen. Sie legte die Füße hoch und schloss für ein paar Minuten die Augen.
 

Der letzte Einsatz ging ihr durch den Kopf. Etwas war seltsam gewesen am Tod des Unterhändlers. C hatte genug Menschen sterben sehen um zu wissen, wie ein Körper aussah, wenn das Leben ihn verließ. Aber ausgerechnet bei dem Menschen, der mit verändertem Sandmann in Kontakt gewesen war, musste sie Abweichungen außerhalb der Norm feststellen. Der Schleier, der sich über seine Augen gelegt hatte, war ihr nur zu bekannt. Normalerweise waren die Augen eines Menschen der sich unter dem Einfluss von Sandmann befand trüb und milchig. Bei dem Unterhändler war es genauso gewesen, nur nicht so stark wie es hätte sein sollen.
 

Die Worte, die er ihnen entgegnet hatte kurz vor seinem Tod ließen sie ebenfalls grübeln. Sie konnte beim besten Willen keine Schlüsse darauf ziehen, was er damit gemeint hatte. Plante man in Level Vier eine groß angelegte Revolte gegen das System? Handelte es sich um ein aufkommendes, organisiertes Netzwerk an Herstellern und Händlern für verändertes Sandmann? C schüttelte leicht den Kopf um die Gedanken fortzuscheuchen. Sie hätte in den Akten sicher Antworten auf ihre Fragen gefunden, doch sie hatte keine offizielle Berechtigung zur Einsicht. Sie wusste zwar einiges, aber um Antworten zu finden wusste sie zu wenig.
 

Die größten Sorgen bereitete ihr aber die Kreatur, die ihnen in der Gasse begegnet war. Sie hatte aus Traumgas bestanden. Zumindest hatte der Geruch darauf schließen lassen. Doch eigentlich war es unmöglich dass dieser Stoff hier in der Realität erscheinen konnte. Traumgas war nur in der Eigene Welt vorhanden und wurde meistens von Traumgefangenen, die sich gegen eine Rückführung wehrten genutzt um Verteidigungsmöglichkeiten zu schaffen.

Der beißende Geruch war ein eindeutiges Indiz dafür, dass das normalerweise neutrale Gas mit negativen Emotionen aufgeladen worden war. Denn erst dann entwickelte es den typischen Geruch, der einem die Nase von innen verätzte. Bisher hatte es keinen Weg gegeben es in die Realität zu übertragen. Sollte das tatsächlich möglich werden stünde dem System eine Katastrophe ungekannten Ausmaßes bevor.
 

C wurde durch ein lautes Sirenengeräusch aus ihren Gedanken gerissen. Über ihrer Tür blinkt eine Lampe hektisch. Routiniert schnellte sie hoch und legte die Waffen wieder an. Mit schnellen Schritten machte sie sich auf den Weg in die medizinische Abteilung. Nach wenigen Metern stellte sie fest, dass T sich neben ihr befand. Es konnte sich also nur um einen Einsatz in der Eigene Welt handeln. Sie kamen beide nach wenigen Minuten vor den Türen der medizinischen Abteilung an. Dort erwartete ihr Vorgesetzter sie bereits, sodass sie umgehend Haltung annahmen.
 

„Soldaten, wir haben einen Einsatz für Sie. Der Leichnam des gesuchten Unterhändlers wurde obduziert. Dabei hat man festgestellt, dass der Mann es geschafft hat, sich kurz vor seinem Tod in den Einfluss von verändertem Sandmann zu stellen. Seine Seele existiert weiterhin in der Eigene Welt. Sie werden ihm umgehend dorthin folgen und ihn vollständig eliminieren. Waffen- und Wandlungsfreigabe wurden erteilt. Die Vernichtung der Seele hat oberste Priorität.“ „Ja, Sir.“
 

C hatte gespürt, dass etwas mit dem Tod des Mannes nicht gestimmt hatte, aber das überraschte sie dennoch. Sie hatte nicht gewusst, dass es möglich war, die Seele in der Eigene Welt überleben zu lassen. Der Unterhändler musste mit seinem veränderten Sandmann einen Weg dazu gefunden haben. Über das wie verlor ihr Vorgesetzter jedoch kein Wort. Sie konnte also nicht mit Sicherheit sagen, ob ihre Theorie der Wahrheit entsprach.
 

Wie bei jedem Einsatz wurden sie und T mit dem Körper des Traumgefangenen verbunden, auch wenn dieser hier keinen Körper im eigentlichen Sinne mehr hatte in den er zurückehren konnte. Es kam wirklich selten vor, dass man den Auftrag erteilte eine Seele vollständig zu eliminieren. Sie spürte die Präsenz ihres Partners, als sie ihre Augen schloss und sich darauf vorbereitete, in die Eigene Welt einzutauchen. Langsam erschienen die vertrauten bunten Farben vor ihrem inneren Auge.
 

Aus dem Wirbel und Strudel der Farben bildet sich ein immer stärkeres Spektrum aus Schwarz und Grün ab. Sie sind auf einer Lichtung in einem so genannten Wald. Wald, war wohl das richtige Wort. Vor Jahrzehnten sollen die letzten Wälder von der Erdoberfläche verschwunden sein. Nun waren sie durch Kunstbäume aus Silizium-Germanium und noch einem ihr unbekannten Stoff ersetzt worden. Sie können kaum den Rand der Lichtung sehen, denn die einzige Lichtquelle stellen ihre Auren dar. Rücken an Rücken sondieren sie geübt die Lage. Der Wind rauscht leise durch die Blätter und entlockt einigen älteren Blattträgern ein tiefes, grummelndes Knarren.
 

„Licht?“ fragt C leise. „Nein. Das würde zuviel Aufmerksamkeit auf uns lenken.“ Die Antwort ist nur ein Flüstern. „Wohin? Ich spüre keine Seelenenergie“, wispert C ihm zu. „Immer in die Schwärze“. Er geht einfach los.
 

Hastig, aber lautlos folgt C ihm. Das Gras ist feucht vom Tau und raschelt hauchzart unter ihren Schritten. Keine Sterne am Himmel und kein Mond, mit seinen wundervoll leuchtenden Überwachungsstationen. „Tritt im Wald auf nichts. Berühre nichts!“ „Und was wenn doch?“, fragt C herausfordernd. „Gibt nur unnötigen Stress.“ Ts kühle Antwort ärgert sie leicht. Sie bewegen sich vorsichtig an alten mächtigen Eichen vorbei, deren Wurzeln dicker als Mannesarme in die Erde ragen. Eine kleine Buche huscht hinter ihnen vorbei, der Boden ist Trocken, erdig. Als wäre hier seit Ewigkeiten kein Wasser mehr hingekommen. Sie haben das Gefühl nicht allein zu sein.
 

Ein Baum mit dicker Rinde, die einer Fratze des Majores ähnelt ist in just dem Moment der Meinung sterben zu müssen und zusammenzufallen, als sie direkt an ihm vorbeigehen. Nur ihre trainierten Reflexe lassen die beiden gerade noch so ausweichen. Mit einem mächtigen Krachen schlägt der Stamm auf und wirbelt viel Staub von dem trockenen Boden auch. Beide schauen sich erstaunt über den Stamm an. Ts schwarze Aura liegt ruhig um ihn, so als wäre nichts Ungewöhnliches an dem eben Geschehenen. Er ist von der Alptraumabteilung, diese Soldaten sind an die ungewöhnlichsten Traumverflechtungen gewöhnt. Ihre hingegen flackert vor Adrenalin und unterdrücktem Tatendrang.
 

Etwas weißes, wässriges, Fadenähnliches berührt C an der Schulter. Instinktiv greift sie an die Stelle um es wegzuwischen und hört das entsetzte „Nicht!“ ihres Kollegen nicht mehr. Der Faden klebt an ihrer Hand und Schulter und sie wird mit einem so kräftigen Ruck, dass er nicht einmal Überraschung zulässt nach oben gerissen. Sie versucht sich instinktiv in Messer zu verwandeln doch es klappt nicht.
 

Abrupt endet ihr Flug und ihre Bewegungsfähigkeiten sind auf ein Zucken eingeschränkt. Sie klebt in einem Netz. T kommt schon hinterher gesprungen und mit mehreren rotierenden schwarzen Aurascheiben schießt er auf das Netz, welches an den Einschlagstellen aufreißt. Nur um sich dann kurz darauf aus dem Nebel wieder neu zu formen.
 

Eine lauernde Aura nähert sich ihm von hinten und er feuert ohne zu zielen einen Tentakel dahin ab. Ein tonloses, schmerzerfülltes Kreischen erfüllt den Traumwald. Er dreht sich um und sieht eine riesige Spinne, welche ihren verwundeten Körper gerade aus dem Nebel wieder herstellt. „Niemand jagt in diesem Wald, außer mir, meine Apettithäppchen.“ C und T verdrehen synchron die Augen. Eine Seele mit Sinn für Theatralik. ‚Das kann ja heiter werden.‘
 

„T! FEUER!“ bellt C ihm eine Anweisung entgegen. Dieser fackelt nicht lange und entzündet seine Aura und weitet sie bis zu C aus. Sie hatte Recht mit ihrer Vermutung, das Netz verdampft. Sie ist frei und schießt mehrere Flammenstöße aus ihren Armen auf die theatralische Spinne. Diese faucht tonlos, weicht zugleich aus und spinnt im Flug T in ein Netz ein, das ihn an einen Baum fesselt. Seine Feueraura verlischt. Er kann sich nicht mehr rühren. Die Spinne ist über ihm und holt aus. Cs Augen weiten sich entsetzt, aber sie kann nichts tun. Sie befindet sich ein Tick zu weit weg.
 

Die Bestie rammt ihre Giftzähne in Ts Körper. Dieser löst sich augenblicklich in Staub auf. Acht Spinnenaugen blicken rasch um sich, beginnen vor Zorn zu Glühen. Zwei zischende Geräusche löschen das Glühen zweier Augen aus. Sechs schattenhafte Tentakel lösen den Rest aus und fahren weiter durch den Leib. Sie zersetzen ihn Stück, für Stück, Lebensteil um Lebensteil, bis nur noch der sich langsam in Rauch auflösende Leib der Spinne zu Boden fällt. Beide landen neben ihm am Waldboden. „Was war das für eine Technik mit der du sie getäuscht hast?“ „Schattendouble.“ Ist die einsilbige Antwort, er rückt sich seinen Umhang und sein Hemd wieder zurecht, auch damit sie nicht sieht, welchen Tribut das Double gefordert hat und sein Blut verdeckt. „Nett. Wie weit ist es noch?“ „Sind gleich da.“
 

Sein Atem geht schwerer, raucht grauen Nebel in die Schwärze hinaus, und so geht er voran und führt sie an die dunkelste Stelle des Traumes. Ein Mensch mit einem Wolfskopf kommt schnaufend auf sie zugestürmt, das Maul geifernd aufgerissen. „Keine Zeit für dich.“ T pfählt ihn mit einem Tentakel und schleudert ihn achtlos in den Wald hinein. Sie treten aus dem Wald hinaus. „Hier sind wir.“ „Die gleiche Lichtung?“ „Nein siehst du das blubbernde Moor dort? Das war eben nicht da.“ C kann auch leicht das faulige Gefühl jener Seele wahrnehmen, das von dieser Lichtung ausgeht.
 

Sie will einen Schritt weiter vorgehen doch T hält sie mit dem ausgestreckten Arm auf. Seine Augen sind schmal und beäugen das Moor skeptisch. Unter einem tiefen, dunklen, lang widerhallenden Seufzen erhebt es sich zu einer unförmigen Masse aus Torf. Schlammig-grüne Augen öffnen sich und richten sich auf die beiden Traumfänger. Sie schwimmen auf der Oberfläche unbestimmt hin und her, haben sie aber trotzdem fixiert.
 

Eine Mulde öffnet sich, dort wo der Mund sein sollte. Sie wird größer und das Moor beugt sich vor und beide Soldaten hechten schnell in Deckung bevor es mit einem platschenden Geräusch an exakt der Stelle landet wo die beiden Traumfänger Bruchteile zuvor noch standen. Ts Tentakel zischen vor und halten mit schnellen präzisen Schlägen die wabbelnde Masse etwas im Zaum, während C zeitgleich, mit den Händen in den Traumweltboden versunken, Fontänen aus Salz auf das Monster rieseln lässt.
 

Die Welt erzittert und erbebt unter dem tiefen Urschrei des Ungetüms. C reißt die Druckwelle von den Füßen, während Ts Tentakel keine Wirkung mehr zeigen. Er muss sich mehr konzentrieren auf den Beinen zu bleiben. Aus den getrockneten Krümeln des Moors erstehen schwarze Feen auf, sammeln sich in dunkel summenden Schwärmen, welche fast unsichtbar durch die Traumnacht huschen. Sie umschwirren T und reißen beim Vorbeiflug kleine Stückchen seiner Haut und Kleidung in Fetzen und je heftiger seine Korona leuchtet und je heftiger seine Tentakeln nach den Biestern schlagen, desto schneller und gieriger reißen sie ihm Stücke aus seinem Fleisch. Doch er schreit nur stumm und versucht sich zu konzentrieren, was kläglich scheitert. Aber ein Soldat gibt nie auf!
 

Er sieht zu C rüber, doch sie hängt schwebend in der Luft, getragen von vielen der kleinen Biester mit Flügeln, welche sie durch das Saugen an ihren Adern und ihre schiere Menge in der Luft halten. Sie stöhnt laut auf vor Schmerzen und aus ihren Händen erstrahlt langsam ein helles, weißes Licht, welches sich zu einer Kugel um sie formiert und sich langsam ausdehnt. Seelenlicht. Die Feen schweben wie Motten auf die Lichtkugel zu, begierig die Energie aufzusaugen, doch verbrennen sie nur bei Berührung zu einer kleinen dunklen Rauchwolke. Die Lichtkugel dehnt sich weiter aus, bis auch die letzte von den Feen welche T attackierten zu Asche verbrannt worden ist.
 

Ts Seele schreit und zerrt in seinem Körper. Die Bestie in ihm verlangt den Tribut für die Schmerzen, die sie einstecken musste. So ersteht aus seinem Körper eine unbestimmte dunkle, schimmernde Masse mit unzähligen Mäulern und Augen, die sich blindlings auf das langsam trocknende Moormonster stürzt und Teile aus ihm herausreißt. Die Mäuler geifern vor Gier, die Augen glühen rot, während sie Fetzen um Fetzen aus dem Corpus reißen. C springt hoch und feuert aus ihrer Waffe Kugeln aus eben jenem Licht ab, aus dem auch ihre Sphäre vorher bestand.
 

Die Erde grollt, die Welt bebt. Bäume brechen vergleichsweiße leise in dem Getöse zusammen. Splitter und Lärm, Krach und Staub. Ein sich stark bewegender Boden und ein Gegner auf den sich die beiden Traumfänger gerade einschießen. Ein auf C fallender Baum lenkt sie kurz ab, doch das reicht der unter Beschuss stehenden Seele ihr eine schwarze Kugel entgegen zu schleudern, die die junge Soldatin in den zusammenfallenden Wald wirft. T schaut ihr kurz hinterher und verstärkt seine Anstrengungen noch um nur knapp ebenfalls so einer Kugel auszuweichen.
 

Die Rage seiner Bestie regt sich weiter in Wahnsinn und zerfetzt das Ziel förmlich mit tausenden Mäulern, die beißen, geifern, schlucken, zertrennen und dabei dunkle kehlige Laute von sich geben. Er genießt die Ekstase. Fünf Mäuler reißen auf einmal die allerletzte Schicht Schlamm weg und schwach dunkelrot leuchtend kommt die Seele zum Vorschein, die er nicht eines Blickes würdigt, sondern sie zwischen seine Hände nimmt und einfach unter unendlichen Qualen verbrennt. „Kein Nirvana für dich, Arschloch.“
 

Die schütternde und schreiende Welt kommt nach einem letzen Aufbäumen zur Ruhe. Nur Ts schwergängiger Atem ist noch zu hören. Seine Wunden machen ihn zum schaffen, die Bestie zieht sich zurück, ein Bein knickt ein, doch er zwingt sich wieder hoch um nach C zu suchen. Er darf sie nicht zurücklassen.
 

Sein Verstand arbeitet durch den Nebel des Vergessens. Dem schwarzen wohligen Nichts der Ohnmacht. Mit Blitzschritten bewegt er sich in die Richtung in die C geflogen ist und hinterlässt auf dem gebrochenen Gehölz eine lang Spur von Blut. Er findet sie von der schwarzen Teerkugel bedeckt an einen Baum geheftet. Gerade als er sich ihr so schnell es ihm in seinem Zustand möglich ist, fängt der Klumpen Dreck an sich zu bewegen. Er dringt C in den Mund, die Nase, die Augen, die Ohren und in den Unterleib ein.
 

„C!“ Sein Schrei gellt über die Lichtung. Doch als seine Hand sie erreicht, ist das ganze schwarze Zeug schon in ihren Körper verschwunden. Sie stöhnt rau auf. Schmerzerfüllt. Ihre Augen öffnen sich halb und sind weiß. Anders als normal. Sie zittert. Er umfängt sie mit seinen Armen, bevor die zu Boden fallen kann. Sein Blut färbt sie langsam rot. Ts Sinne drohen zu schwinden. Nach einem heftigen lauten Aufstöhnen öffnet C ihre Augen. Sie legt ihre Hand an seine Wange. Unbewusst. Ihr Flüstern ist schwach „Mission erfüllt?“ „Ja.“ Er schwankt, fängt sich aber, um sie weiter festzuhalten. Er darf dem Verlangen einfach aufzugeben jetzt nicht nachgeben.
 

Sie hustet schwer, schüttelt sich wie im Fieberwahn. „Können wir…“ Sie schafft es nicht den Satz zu beenden. „Ja. Wollen wir aufwachen, Partnerin?“ „Ja, Partner, ich… ich hab... genug von dieser Welt.“ Während sie spricht, wird sie von Hustenanfällen unterbrochen, die ihren Körper schütteln.
 

Und wieder geht das Zucken durch ihre Seelen. Diesmal ist es stärker.
 

Die Farben beginnen zu verblassen und mit einem warmen Windhauch werden sie aus dem Traum des gereinigten toten Körpers direkt in ihre Nicht-Traumkörper zurückgeweht.
 

Mit einem erstickten Schrei riss die junge Frau die Augen auf. Ihr Körper krümmte sich unter Schmerzen und ihre Sicht war verschwommen. Keuchend rang sie nach Luft, die ihre Lungen nicht so recht füllen wollte. In ihrem Kopf setzte sich das schrille Alarmgeräusch der Überwachungsgeräte fest und verursachte dort ein unerträgliches Pochen. In ihrem Körper breitete sich ein Brennen aus, das ihr das Gefühl verlieh in Flammen zu stehen. Etwas schien sich tief in ihr Fleisch zu fressen. Zusätzlich merkte sie, wie warmes Blut über ihre Haut lief. Sie wusste, dass ein Teil davon nicht ihres war.
 

Fast direkt nach ihrem Erwachen wurde die Tür des Raums aufgestoßen. Mehrere medizinische Angestellte stürmten in den Raum. C nahm kaum wahr, wie sie von mehreren kräftigen Händen zurück auf die Liege gedrückt wurde. Einer der Männer griff nach ihrem Arm und der kurze Stich, der unmittelbar darauf folgte verriet ihr, dass man ihr ein Narkotikum injiziert hatte. Sie wusste, dass man sie zur Regeneration in einen Zustand versetzte der sich Koma nannte. Sie würde schlafen, ohne zu träumen. Schlafen ohne Zugang zur Eigenen Welt zu haben.
 

Während der Schmerz in ihrem Körper nachließ und ihr Bewusstsein langsam vernebelte, bekam sie noch mit, wie man ihr einen Schlauch in die Luftröhre einführte und dieser an ein Beatmungsgerät angeschlossen wurde. Eine durchsichtige Maske aus Plastik wurde ihr zum Schutz über Mund und Nase gestülpt. Für einen kurzen Moment klärte sich ihr Blick und ihr Kopf sank erschöpft zur Seite weg. Das letzte was sie wahrnahm, bevor es endgültig schwarz vor ihren Augen wurde, war der leicht abwesende Blick ihres Kameraden, um den ebenfalls und deutlich mehr medizinisches Personal herum arbeitete und die Worte des Oberarztes. „Notoperation. Sofort.“
 

Elegante Schritte durchschnitten die Stille des dunklen, tiefschwarzen Raums, doch die Geräusche der Schuhe auf den Boden breiteten sich nur schwerfällig aus, als müsste sich der Schall seinen Weg durch eine zähe Masse bahnen. Dennoch bewegte sich der Körper des Mannes völlig normal. Die stahlgrauen Augen in dem schmalen, blassen Gesicht waren fest auf einen leicht schimmernden Punkt auf weit vor sich gerichtet. Er wusste, dass man seine Anwesenheit längst bemerkt hatte. Nach ein paar weiteren Schritten begann der Raum um ihn herum sich zu verändern.
 

Innerhalb weniger Sekunden kam der Schimmer an ihn heran. Vor ihm materialisierte sich eine Gestalt, die keinem Geschlecht, keiner Herkunft wirklich zuzuordnen war. Ihr Aussehen war alles und nichts. Sie war umgeben von zarten, leicht schimmernden Fäden, die zäh um sie herum zu wabern schienen. Der Mann blieb stehen. Er wartete einen Moment, bevor er die Stimme erhob, die sich in seinen eigenen Ohren fremd und ungewohnt anhörte.
 

„Das Seelenlicht ist erloschen, Vater.“
 

Die Gestalt schien sich ihm zuzuwenden. Vor ihm erschien das Hologramm einer jungen Frau, angeschlossen an medizinische Geräte. „Das sind gute Neuigkeiten. Dann ist der Köder ausgeworfen. Jetzt müssen wir nur abwarten.“ Der Mann warf ebenfalls den Blick auf das Bild. Es war so realistisch, dass er den Drang unterdrücken musste, die Hand auszustrecken um der Frau über die Wange zu streichen. Man sah ihr an, dass sie litt. Er konnte nicht anders, als Mitleid für sie zu empfinden.
 

„Wird sie es überleben, Vater?“ Auch wenn er es versuchte, gelang es ihm nicht, seine Sorge vollständig zu verbergen. Die Gestalt flackerte kurz auf. „Wenn sie stark genug ist, ja mein Sohn. Wenn sie wirklich die Richtige ist, dann wird sie überleben.“ Ein zweites Bild manifestierte sich zwischen den beiden. Ein junger Mann, ebenfalls in einem Krankenbett liegend. „Und er, Vater?“ Der Mann konnte nicht verhindern, dass sein Tonfall einen bitteren Zug annahm. „Wird er ihr folgen?“ Der Gestalt entfloh ein Geräusch, das wie ein seufzender Windhauch klang. „Wir werden es zu verhindern wissen, mein Sohn. Hab keine Sorgen, am Ende wird sie dir gehören.“
 

Der Mann nickte. Er wusste, dass die Unterhaltung damit beendet war und wartete respektvoll, bis die Gestalt sich wieder auf ein entferntes Schimmern reduziert hatte. Dann erst wandte sich um und begab sich durch das Dunkel auf den Rückweg.

Sequenz 003


 

»Kannst du für mich ein Engel sein

Kannst du für mich schuldig sein

Stellst du dich ins weiße Licht

Meine Augen siehst du nicht

Kannst du in meiner Seele lesen

In meinen Träumen bin ich jede Nacht allein«
 

Schwerfällig öffnete sie die Augen. Um sie herum war es dunkel. Nicht, weil es draußen Nacht war, sondern weil sie von einer dichten, undurchdringlichen Schwärze umgeben war. Sie befand sich noch immer im Koma. Ein Zustand, in den man sie zur Regeneration versetzt hatte. Ein Zustand, in dem man ihr den Zugang in die Eigene Welt verwehrte und ihren Körper schlafen ließ ohne träumen zu können. Sie wusste, dass es der schnellste Weg war wieder als einsatzfähig klassifiziert zu werden. Für sie zählte kein anderes Ziel, als so schnell es ging wieder den Dienst aufnehmen zu können. Dafür nahm sie alles in Kauf, auch wenn es bedeutete mehr Quälerei auf sich zu nehmen als nötig war.
 

Auch wenn sie sich niemals beklagen würde, das stand ihr als loyaler Soldat nicht zu, hasste sie diesen Zustand. Im Normalfall befanden sich bei Personen im Koma auch Geist und Seele in einer Art Dämmerzustand, sodass sie den Heilungsprozess nicht aktiv mitbekamen. Bei ihr jedoch war es anders. Ob es an ihren Fähigkeiten lag wusste sie nicht genau, aber sie vermutete es. Ihr Geist war so wach wie immer und obwohl sie von dieser wohlig warmen Schwärze umgeben war, die wie eine Nährflüssigkeit dafür sorgte, dass ihr Körper langsam wieder zusammenwuchs, spürte sie, wie sich ein stechender Schmerz durch ihren Körper fraß.
 

Es fühlte sich an, als würde man ihre Brust mit einem glühenden Eisenpfahl durchbohren und sie unterdrückte mit zusammengebissenen Zähnen den befreienden Schmerzensschrei, auch wenn sie wusste, dass ihn außer ihr niemand hörte. Aber ein Soldat zeigte niemals, wenn er Schmerz empfand, auch wenn es ihn dabei zu zerreißen schien. Das war eine der Richtlinien gewesen, nach denen man sie ausgebildet hatte. Ein Gesetz, das ihr so in Fleisch und Blut übergegangen war, dass sie ihm bedingungslos folgte.
 

In dem Schwarz, dass sie wie eine träge Masse umgab konnte sie sich kaum bewegen. Sie spürte deutlich, dass sich etwas veränderte und ihr Körper dagegen ankämpfte. Jede Faser war angespannt. Wie in Zeitlupe konnte sie nachvollziehen was gerade in ihr vorging. Wie mit quälender Langsamkeit die kaputten Muskelfasern und Blutgefäße wieder zusammengesetzt wurden. Wie er versuchte die Fremdkörper tief in ihrem Fleisch Stück für Stück einzufangen und zu eliminieren.
 

Immer wieder versuchte sie mit aller Kraft einen Zugang in die Eigene Welt zu finden, einen noch so schwachen Faden weißen Lichts zu ergreifen. So hätte sie zumindest für eine Weile dem quälenden Schmerz entkommen können. Aber es gelang ihr nicht. Das Narkotikum war zu stark. Die undurchdringliche Schwärze gab sie nicht frei, sodass sie irgendwann aufgab den Zugang zu finden. Den Reflex, nach dem Licht zu greifen, der ihr als Schutzmaßnahme antrainiert worden war unter den Aufschreien ihrer Seele unterdrückte.
 

Auch wenn sie es niemals zugegeben hätte, fühlte sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich einsam. Allein gelassen mit den Qualen ihres Körpers, die an ihrer Seele zerrten. Etwas veränderte sich. Etwas geschah mit ihr und sie konnte nicht sagen, was es war. Angst hatte sie keine. Ein Soldat hat keine Angst. Aber sie spürte deutlich, dass der Kampf all ihre Kräfte kostete und es beunruhigte sie. Langsam lief ihr eine Träne aus dem Augenwinkel die Wange herab. Sie konnte es nicht verhindern, der Schmerz der in ihr brannte, trieb ihr die salzige Flüssigkeit in die Augen und zum Wegwischen waren ihre Arme nicht fähig.
 

In der Realität bekam man von ihrem inneren Zustand wenig mit. Agent C war noch immer angeschlossen an die Überwachungsmonitore und das Beatmungsgerät, die leise Geräusche von sich gaben. Man hatte sie mittlerweile auf die isolierte Intensivstation verlegt, solange man nicht genau wusste, was passiert war und wie es möglich war ihr zu helfen. Die Messwerte die man erhoben hatte ließen die Ärzte mit Rätseln zurück. Solche Daten waren ihnen noch nicht begegnet.
 

Ihrem Vorgesetzten hatte man berichtet, dass die Ärzte nicht viel tun konnten und man abwarten müsse. Es müsse erst analysiert werden, was die krampfartigen Anfälle und Fieberschübe verursachte, von denen ihr zierlicher Körper regelmäßig geschüttelt wurde. Man hatte versucht Medikamente zu verabreichen um den Heilungsprozess zu fördern, allerdings schien die junge Frau auf keines zu reagieren. In den Laboren wurde mit Hochdruck daran geforscht, eine Möglichkeit zu finden, sie schnell wieder auf die Beine zu kriegen.
 

Im selben Raum in einem der anderen Betten neben ihr lag ihr Partner. Auch Agent T war angeschlossen an ein medizinisches Überwachungssystem. Es hatte einige Stunden im Operationssaal gekostet um die tiefen Wunden, die der Kampf in der Eigenen Welt geschlagen hatte wieder zusammenzuflicken. Letztendlich war es den Ärzten gelungen ihn wieder herzustellen. Den weiteren Weg zu vollständigen Regeneration würde er alleine schaffen. So hatte man es seinem Vorgesetzten berichtet. Der junge Mann befand sich noch im Koma, war aber bereits auf dem Weg daraus aufzuwachen. Man hatte das Narkotikum bereits vor Stunden neutralisiert.
 

Irgendwann mitten in der Nacht schlug der junge Mann mit einem leichten Aufseufzen die Augen auf. Ein schmerzhafter Impuls zuckte durch seinen Körper, als sich dieser der endgültigen Verbindung mit der Realität bewusst wurde. Er fühlte sich müde und schlapp und sein Körper machte den Eindruck völlig bewegungsunfähig zu sein. Ein wenig desorientiert blinzelte er um den noch leicht verschwommenen Blick zu klären. Viel half es nicht.
 

Vorsichtig bewegte er den Kopf zur Seite um festzustellen wo er sich befand. Weiß gekachelte Wände, Leuchtstoffröhren an der Decke und der penetrante Geruch nach Desinfektionsmittel ließen ihn erahnen, dass er sich im Krankenhaustrakt befand. Die Metallkonstruktion seines Bettes, die daraufhin in sein Blickfeld trat bestätigte ihm seine Vermutung. Sein Blick klärte sich und nach und nach nahm er auch die Vorhänge, die als Sichtschutz zwischen den einzelnen Betten hingen wahr. Es war ein kleiner Saal mit mehreren Betten.
 

Überraschung schlich sich in sein Gesicht, als er realisierte, dass die Vorhänge zwischen den Krankenbetten nicht zugezogen waren und neben ihm noch eine Person lag. Es dauerte einen Moment, bis er sie als seine Partnerin identifizierte. Während an seinem Körper kaum noch Dioden und Kabel hingen, schien der Körper der jungen Frau regelrecht übersät zu sein damit. Er versuchte sich zu erinnern was geschehen war und vor seinem geistigen Auge tauchte das letzte Bild auf, das er gesehen hatte, bevor man ihn in das Koma versetzt hatte. Es war der Blick seiner Partnerin, der ihn auf ungewöhnlich klare Art und Weise getroffen hatte, während sein eigener bereits völlig verschwamm.
 

Der Schlauch den man ihr in die Luftröhre eingeführt hatte um sie beatmen zu können und der sich noch immer dort befand ließ ihn vermuten, dass sie sich in einem weitaus schlechteren Zustand befand als er selbst. Er wusste nicht, was genau mit ihr passiert war, aber das Bild der schwarzen Masse, die in ihren Körper eindrang ließ ihn nicht los. Es beunruhigt ihn, ohne dass er dieses Gefühl näher begründen konnte. Aber er war sich sicher, dass es noch Probleme verursachen würde.
 

T versuchte sich aufzusetzen und es gelang ihm trotz eines leisen Aufstöhnens auch einigermaßen schmerzfrei. Wieder fiel sein Blick auf seine Partnerin und er musste feststellen, dass ihr Gesicht angespannt aussah. Er ahnte, dass man sie in das Koma versetzt hatte. Er kannte ihre Akte nur zum Teil, weil sie nicht frei zugänglich war, vermutete aber, dass es nicht die Wirkung auf sie hatte, die es hätte haben sollen. Eine Weile lang musterte er die junge Frau und bemerkte, wie sich immer wieder ihre Finger in die dünne Decke in die ihr Körper gehüllt war krallten. Sie schien große Schmerzen zu haben. Auf eine seltsame Art wirkte sie ungewöhnlich zerbrechlich, da die Ärzte offenbar auch nicht wussten, was mit ihr geschehen war.
 

Unvermittelt verspürte er den Bruchteil einer Sekunde lang den irrationalen Wunsch ihr helfen zu wollen. Allerdings war ihm durchaus bewusst, dass er das weder durfte noch konnte. Jemand der sich im Koma befand war auf sich alleine gestellt. Es gab keine Möglichkeit an ihn heran zu kommen. Selbst wenn man ihm also die Erlaubnis erteilt hätte, würde er keinen Zugang zu ihr finden. T schüttelte den Kopf über diesen Gedankengang, als ihm einfiel, dass jeder Mensch, den man in diesen Zustand versetzt hatte, ein unterschiedlich schwaches Abbild in der Eigenen Welt besaß.
 

Einen Moment lang keimte in ihm eine Idee, die es ihm ermöglichte zumindest herauszufinden, was passiert war, jedoch verwarf er sie gleich wieder. Seine eigene Gesundheit stand im Vordergrund. Ein Besuch in der Eigenen Welt war anstrengend und er fühlte sich nicht bereit dafür. Er wurde von einem leisen Aufstöhnen der jungen Frau aus seinen Überlegungen gerissen. Sie wand den Kopf leicht hin und her und er konnte sich vorstellen, dass sie sich im Koma vor Schmerzen krümmte.
 

Mit einem Mal realisierte er, dass sie alleine war und gegen etwas ankämpfte, das sie vermutlich nicht besiegen konnte. Er bemerkte, wie eine Träne sich aus ihrem Augenwinkel stahl und die Wange herab rann. Es bestürzt ihn zu wissen, dass sie völlig auf sich gestellt war und ohne es wirklich zu bemerken ertrug er den Gedanken kaum. Als ein leichtes Zittern über den Frauenkörper lief, beschloss er in die Eigenen Welt einzutauchen und zumindest zu versuchen ihre Signatur zu finden. Seufzend ließ er sich zurück in die Kissen sinken und schloss die Augen.
 

Langsam tastet er nach ihrer schwachen Präsenz. Bündel von Energie flirren um ihn herum. Die Stromkabel stören seine feinen Sinne. Doch er bewegt sich weiter durch den Raum der Träume. Er folgt blind seinen Instinkten, schwebt förmlich durch den ansonsten so gefährlichen Raum. Er spürt ihre Aura. Ungewöhnlich stark für jemanden im Koma, aber es überrascht ihn nicht wirklich. Er streckt seine Hand nach ihr aus, versucht trotz aller Verbote in ihr Koma einzutauchen, doch es gelingt nicht.
 

Er kann nur seine Hände behutsam auf ihre Aura legen und ihr zuflüstern: „Ich warte auf der anderen Seite auf dich, bleib stark und konzentriere dich auf die Heilung“ bevor ihn selbst die Erschöpfung übermannt und er abrupt in seinen Körper zurückgezogen wird.
 

Die Ärzte schwirrten hektisch durch den Raum, da von beiden Patienten ungewöhnliche Messwerte ausgingen. Die Maschinen spuckten eine wirre Kakophonie aus Pieps-Tönen und wirren Kurven auf den Anzeigen aus. Doch sie fanden nichts. Patient T war wieder in einen kritischeren Zustand gefallen und sie konnten es sich nicht erklären. Sein Körper war auf voller Funktionsleistung, obwohl er eigentlich ruhig an seiner Heilung hätte arbeiten sollen. Die Narkotika wirkten nicht.
 

Als gerade die vierte Spritze mit Beruhigungsmittel in seine Venen injiziert werden sollte, spannte er unwillkürlich seine Arme an und ließ das stählerne Röhrchen brechen. Sein Körper bäumte sich auf. Nur mit Mühe konnten sie ihn auf dem Bett halten. Sie bemerkten unter ihrer Anstrengung nicht, wie er in seinem Kampf kurz die Augen einen Spalte breit öffnete und zu C hinüber sah, um als einziger den kurzen Anflug von einem sanften Lächeln auf ihren Zügen wahrzunehmen. Schmerz breitete sich von seiner Brust ausgehend in seinem Körper aus und bevor er noch aufschreien konnte, umfing ihn wieder die sanfte Stille des Komas.
 

Er erwacht in seinem Rückzugsort, genau wie er gehofft hat. Der sanfte, warme Wind der durch den dichten Wald streicht umfängt ihn zur Begrüßung. Der kleine Bach plätschert leise zur Melodie der raschelnden Blätter. Die Berge stehen mächtig hinter der kleinen Blockhütte in einem majestätisch-gleichem blau-weiß. Das kniehohe grüne Gras der Bergwiese wiegt sich im Takt der Natur. Seine Hände berühren die Spitzen sanft als T auf seine Hütte zugeht, den Kopf in Nacken gelegt, die langen weißen Haare dem Wind preisgegeben, die dunkle weite Robe leicht wabernd.
 

Ein Grinsen umspielt seine Lippen. Hier können sie ihn nicht verfolgen, nicht abhören, nicht angreifen. Und C wüsste sicherlich wann es richtig ist zu ihm zu kommen, die Einladung hatte er ihr ja vorher ausgesprochen, zusammen mit dem Schlüssel zu dieser Welt. Er lacht leise als er sich im Schneidersitz auf die Veranda setzt, die Hände wie zur Meditation entspannt auf seinen Knien legt und einfach im Klang der längst vergangenen Natur ruht. Sie würde kommen.
 

In der Realität begann sich Cs Körper unter heftigen Krampfanfällen zu schütteln und das Geräusch des Pulsmessers schien unter den unregelmäßigen Schwankungen immer schrillere Töne von sich zu geben. Die Ärzte, die umgehend in den Raum geeilt waren versuchten verzweifelt, die Patientin unter Kontrolle zu bringen, während sich die Werte von T wieder stabilisierten. Das Szenario welches sich ihnen bot war völlig neu und so waren sie auch nicht darauf vorbereitet worden. Mit allen Mitteln arbeiteten sie daran, beide Patienten wieder in einen völlig stabilen Zustand zu versetzen.
 

Sie watet weiter durch ihre Dunkelheit. Ohne Licht. Das dumpfe Gefühl der immer noch starken Schmerzen wabert mit ihren pfadlosen Schritten. Doch fühlt sie eine vertraute Nähe, jemand den sie kennt und insgeheim eventuell sogar schätzt, ist in ihrem Traum. „Wie kann das sein?“ Der Gedanke hallt durch die Leere. Instinktiv weiß sie, dass sie folgen sollte, doch ist es richtig? Sie weiß, dass es unmöglich ist. Doch vertraut sie ihrem Gefühl und greift mit den Sinnen nach der Aura und fliegt durch einen Farbstrudel von Regenbogenfarben. Lila, Braun, Schwarz, Weiß, Rot, Gelb, Grün, Blau aus dem Koma wo anders hin.
 

Als sie ihre Augen öffnet blickt sie in ein wundervolles Tal. Vögel zwitschern leise auf den Bäumen, hinter ihr ist eine Blockhütte. Das Wasser springt im Bach herum und der Wind treibt die weißen Wolken über den stahlblauen Himmel. Es ist wie in den Videos von der alten Welt die man ihr gezeigt hat, als sie noch klein war. Langsam den Wind auf der Haut genießend dreht sie sich im Kreis und entdeckt dabei eine Person meditierend und ruhig auf der Veranda sitzend.

Langsam, den militärisch antrainierten Instinkt nicht vergessend, geht sie auf diese zu. Mit jedem Schritt den sie näher kommt meint sie, dass sie eben jene kennt, bis sie kurz vor der Person steht. Es ist T, doch um viele Jahre gealtert. Er sitzt ruhig da, sein langes weißes Haar spielt im Wind, seine Mine ist zum ersten Mal seit sie ihn kennt entspannt. „T?“ fragt sie. Er öffnet langsam die stahlblauen Augen, nickt kaum erkennbar. „Was ist mit dir passiert?“

Ein Lächeln umspielt seine Lippen.
 

„Nichts. Man zahlt einen hohen Seelenpreis als Alptraum. Das hier was du hier siehst, auch wenn es ein bisschen dir angepasst ist, ist ein Ort der Perfektion und des Friedens. Wir lernen es von klein auf das Schöne zu sehen um Angst zu haben es zu verlieren. Das ist der Kern eines Alptraumes. Es ist gut, dass du hier bist.“ Sie mustert ihn lange und ehrlich erstaunt.
 

„Wie sehe ich aus? Ich bin im Koma.“, flüstert sie dann. Sie wirkt niedergeschlagen.
 

„Du bist eine weiße Lichtsphäre und nur der Teil deiner Seele der dich ausmacht. Dein militärischer Teil prügelt sich gerade noch um deinen Körper nach unserer letzten Reise. Du fragst dich sicher was passiert ist?“ „Ja“, flüstert sie. Seine Stimme ist so ruhig so entspannt, als wäre er schon seit tausend Jahren hier, wäre mit den Bäumen aufgewachsen und hätte sie sterben sehen nur um dann ihre Kinder wachsen zu sehen. Zu sehen wie die Steine langsam schrumpfen und zerbröckeln, wie die Berge wachsen und wieder glatt geschliffen werden. Sie klingt alt, warm, gemütlich. Tief.
 

„Anscheinend ist unser letzter Klient in deine Seele eingedrungen und will nicht sterben. Unsere Vorgesetzten haben es nicht mitbekommen. Dein Körper verkrampft sich unter dem Kampf. Es ist jener Kampf den du nie wirst beenden können, er wird immer ein Teil von dir bleiben. Aber wenn du weiter kämpfst wirst du nur sein flüstern hören.“
 

Ein Fisch springt im Bach. Sein leises Platschen bettet sich in das Säuseln des sanften Bergwindes ein. „Und wieso bin ich hier?“
 

Seine Augen werden glasig, dunkler und wenden sich schließlich zum Boden. Er seufzt leise, gar innerlich. „Ich dachte mir, dass du Zuspruch brauchen könntest… sind wir nicht Partner? Wir wurden beide schwer verwundet, aber können heilen. Kommst du zurück?“ Seine Augen schauen vom Boden auf und fixieren sie. „Ja, aber kann ich nicht hier bleiben? Hier ist es so schön!“
 

„NEIN!“ er springt auf und schlägt mit der Hand das Geländer weg. Es knackst laut und splittert auf die Wiese. Cs Lichtsphäre weicht automatisch einen Schritt zurück. „Noch darfst du nicht sterben. Geh zurück und kämpfe und wach auf!“
 

Sie ist wieder in ihrer Leere. Einsam. Nur die Worte hallen in ihr.
 

„WACH AUF!“ „Wach Auf!“ „Wach auf.“ „Wach…. auf…“
 

Es ist wieder die leere und ihr Kampf tobt weiter. Die Schmerzen kehren zurück und diese Angst vor niemals endender Dunkelheit wird greifbar.
 

„Wach… auf….“
 

Sie krampft sich in sich zusammen. Schüttelfrost durchjagt sie, ein Teil der nie der ihre war gehorcht nicht.
 

„Wach auf!“
 

Sie ballt ihre Hände zu Fäusten, presst die Zähne aufeinander bis es schmerzt und konzentriert sich.
 

„Wach auf!“
 

Es ist als würde schwarzer Matsch versuchen sie zu umhüllen und zu ersticken, doch in ihrem Kopf ringt sie ihn nieder, tanzt förmlich um ihn.
 

„WACH AUF!“
 

Ein letzter Schlag. Die Schmerzen verschwanden und die Präsenz war auf eine dunkle, wimmernde Gestalt in einer Ecke ihrer Seele zusammengeschrumpft. Langsam öffnete sie die Augen und starrte in das Gesicht eines jungen Arztes. Ein Stöhnen drang vom Nachbarbett aus an ihre Ohren. T hatte sich unter offensichtlichen Schmerzen aufgerichtet und knurrte dem Arzt eine Bemerkung über die mangelhafte Versorgung mit Schmerzmitteln entgegen.
 

C begann unmittelbar röchelnd zu husten und zu würgen, nachdem ihre Lunge wieder aus eigener Kraft funktionierte und der Beatmungsschlauch von ihrem Körper als Fremdkörper wahrgenommen wurde. Der junge Arzt bemühte sich so flink er konnte ihn zu entfernen, was ihr allerdings einen herben Schmerz durch die Brust jagte. Noch immer hustend krümmt sie sich leicht zusammen, während sie sich gleichzeitig auf die Seite rollte. Jemand griff nach ihrem Arm. Man spritzt ihr ein leichtes Beruhigungsmittel und langsam ließ der starke Hustenreiz nach.
 

Ihr Körper entspannte sich deutlich und sie begann ruhig zu atmen. Dennoch lief in unregelmäßigen Abständen ein leichtes Zittern durch ihren Körper. Sie war am Ende ihrer Kräfte. T, der sie unauffällig beobachtet hatte sah ihr das deutlich an. Die Schmerzen, die durch seinen Körper jagten ebbten langsam aber sicher ab. Ohne es wirklich zu realisieren durchströmte ihn ein schwaches Gefühl der Erleichterung, darüber dass sie die Augen wieder aufgeschlagen hatte. Der junge Arzt checkte Cs Vitalfunktionen gründlich, bevor er den Raum verließ. Das medizinische Personal um ihn selber verabreichte ihm eine letzte Spritze mit Schmerzmittel, bevor es sich zum Gehen abwandte.
 

T ignorierte sie, sein Blick verweilte auf seiner Partnerin, die sich noch immer nicht bewegt hatte. Als einer der Männer jedoch den Vorhang zwischen ihren Betten zu ziehen wollte, griff er ihn am Handgelenk. Sein scharfer Blick ließ den medizinischen Mitarbeiter in der Bewegung innehalten und die Hand wieder sinken. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und verließ ebenfalls den Raum. Zuvor schaltete er noch das Licht aus, denn draußen war es bereits wieder Nacht geworden und sie würde noch einige Stunden andauern.
 

Dunkelheit erfüllte den Raum, in den endgültig Stille einzog. Lediglich ein fader Lichtschein erhellt den Raum noch schemenhaft. Ein leises Rascheln zu seiner Rechten sagte T, dass C sich doch bewegte. Er wandte den Kopf in ihre Richtung und stellte fest, dass sie sich auf den Rücken gedreht hatte. Ein Arm lag über ihren Augen, als würde sie versuchen den Blick vor etwas zu schützen. Leise Geräusche verrieten ihm, dass sie ein Husten unterdrückte. Eine Weile beobachtete er sie nur, bevor er schließlich das Wort an sie richtete.
 

„Du solltest versuchen zu schlafen.“ C nahm den Arm von den Augen und wandte sich ihm zu. Sie schien seine Anwesenheit jetzt erst wirklich wahrzunehmen. Schwerfällig richtete sie sich auf und musterten ihn eine Weile. Ihr Blick war kühl und berechnend. „Was weißt du über das Projekt Traumfänger?“ Ihre Stimme war rau und kratzig, als sie sprach. T schwieg und dachte nach, bevor er antworten konnte. „Ein Programm zur Lokalisierung und Ausbildung veränderter Menschen zu Agenten des Staates um Traumgefangene rückführen zu können.“
 

C nickte. Es war genau das, was alle wussten. Sie zögerte einen Moment, bevor sie weiter sprach. „Es gab einen zweiten Teil des Projekts. Man nannte es Transhuman. Sie haben es als Zuchtprogramm bezeichnet. Der Versuch Agenten, speziell für den Einsatz als Traumfänger zu züchten. Im Labor die Zusammensetzung der Gene und Mutationen zu erforschen die zu der Fähigkeit führt, die uns ausmacht und diese gleichzeitig zu perfektionieren. Damit man nicht mehr der Laune der Natur ausgesetzt ist und auf das Glück angewiesen. Modifizierte Traumfänger quasi. Es wurde eingestellt, nachdem die Lebenserwartung der Versuchsobjekte nicht über das Kindesalter herausging. Je höher der Synchronisationslevel, desto geringer die Spanne, in der die Vitalfunktionen arbeiten. Die Züchtungen die es erfolgreich geschafft haben das Programm zu meistern sind an einer Hand abzählbar.“
 

Sie machte eine kurze Pause und mustere ihn dabei leicht anwesend. Das Sprechen strengte sie an und es kratze in ihrem Hals. Wieder unterdrückte sie einen leichten Hustenreiz, bevor sie weiter sprach. „Gleichzeitig mit dem Synchronisationslevel wird die Arbeitsfunktion der Seele maximiert.“ T wusste, was das bedeutete. Je höher diese war, desto besser fand sich ein Traumfänger in den Welten zurecht. Der Nachteil daran war allerdings, dass die Seele dann nicht mehr zur Ruhe kam. Der Traumfänger war also permanent bei Bewusstsein, egal in welcher Ebene er sich gerade befand. Ein Synchronisationslevel von 100% bedeutete, dass ein Traumfänger in jeglichem Zustand immer bei vollem Bewusstsein war. Eine Regeneration, wie ein normaler Mensch sie im Schlaf vornahm konnte der Traumfänger nur in seinem Rückzugsort innerhalb der Eigenen Welt.
 

Er musterte C mit leicht schief gelegtem Kopf, die offenbar genug gesagt hatte. Ihr Blick folgte den Dioden an ihrem Arm und sie wandte sich der Maschine zu, an die die Kabel angeschlossen waren. Ihre Hand griff zielsicher nach dem Schalter, der für die Stromversorgung zuständig war und legte ihn um. Mit einem leisen Summen schaltete sich das Gerät ohne weitere Geräusche ab. T hob erstaunt die Augenbrauen, als er sah, wie seine Partnerin mit einem leichten Ruck die Dioden geübt von ihrem Arm entfernte und sich so von den vielen Kabeln an ihrem Körper befreite.
 

„Ich glaube, das ist keine gute Idee.“, murmelte er leise, doch sie verstand ihn. „Glaub mir, ich liege hier nicht zum ersten Mal. Mittlerweile kenne ich meine Vitalkurven und weiß, wann sie gut aussehen. Es ist nicht angenehm mit einem Beatmungsschlauch in der Luftröhre aufzuwachen. Auch nicht das erste Mal.“ Ihr Blick wurde für den Bruchteil einer Sekunde trüb, aber es fiel ihm auf und er vermutete, dass ihr gerade in diesem Moment Bruchstücke ihrer Erinnerungen vor dem inneren Auge aufgeblitzt waren. Sie schlug die Bettdecke mit einer Bewegung zurück, die offenbar auch die Erinnerungen Wegwischen sollte und setzte sich auf die Bettkante. „Außerdem brauche ich jetzt dringend einen Schluck Wasser.“
 

Vorsichtig erhob sie sich und als ihre nackten Füße den kalten Boden berührten, befürchtete T einen Moment lang, dass ihre Beine unter ihr nachgeben würden, doch sie stand sicher. Zwar schwankte sie ein wenig, als sie zielstrebig auf eine Tür am Ende des Raums zusteuerte, aber sie hielt sich auf den Beinen. Dort angekommen blieb sie stehen und lauschte einen Moment auf die andere Seite, bevor sie die Tür schließlich einen Spalt öffnete. Gedämpft fiel weißes Licht hindurch in den Raum hinein. Sie öffnete sie ein Stück weiter, der Spalte wurde größer und erhellt den Raum ein wenig.
 

C wandte sich noch mal zu ihm um. „Was du noch wissen solltest.“ Im Licht des Flures sah er nur ihre Silhouette, er spürte ihren Blick auf sich. Kurz bevor sie durch den Türspalt entschlüpfte erhob sie noch mal die Stimme und er konnte das bittere Lächeln, das ihre Lippen umspielte durchaus an ihrem Tonfall heraushöre.
 

„Ich schlafe niemals.“
 

Ruhig beobachtete der Mann die weiße Lichtgestalt vor sich. Die Unruhe, die in ihm tobte und die Fragen, die ihm auf der Zunge brannten, ließ er sich nicht anmerken. Die Bilder, die zwischen ihm und der Gestalt aufflimmerten sollten ihn eigentlich beruhigen und die Zweifel wegwischen, doch dem war nicht so. Dennoch sprach er nicht aus, was in seinem Kopf vor sich ging. Es wäre unhöflich dem Vater gegenüber, dem er seinen ganzen Respekt zollte und dem er folgte ohne dessen Entscheidungen zu hinterfragen. Stattdessen beobachtete er wie die Lichtgestalt immer wieder nach hauchdünnen Fäden weißen Lichts griff und sie an scheinbar willkürlichen Stellen miteinander verband.
 

Die Zeit um ihn herum schien still zu stehen, doch die Gestalt ihm gegenüber richtete das Wort mit ihrer Stimme die keinem Geschlecht zuzuordnen war an ihn. „Ich spüre deine Zweifel, mein Sohn.“ Beschämt wandte der Mann den Blick ab. Hatte er doch gehofft man würde ihm seine Gedankengänge nicht ansehen. Wie naiv er doch war zu glauben, dass man dem Vater etwas verheimlichen konnte. „Verzeiht mir Vater. Es ist nicht richtig den großen Plan in Frage zu stellen.“
 

Ein Flimmern lief über die Stelle an der man das Gesicht hat der Gestalt vermutete. Fast einem milden Lächeln gleich.

„Es sei dir verziehen mein Sohn, denn ich weiß woher deine Zweifel rühren. Du fragst dich, was mich so sicher macht, nicht wahr?“ Der Mann nickte nur, erneut darüber verblüfft, wie gut der Vater doch in ihnen allen lesen konnte. „Ich werde es dir erklären, Sohn. Hör gut zu, denn ich werde es nur einmal sagen.“ Aufmerksam wandte sich der Mann der Lichtgestalt zu, die erneut nach einem hauchdünnen blau schimmernden Faden Licht griff.
 

„Sieh genau hin mein Sohn. Diese Lichtfäden sind nichts anderes als Zeitlinien. Über die Jahre hinweg hab ich mir die Fähigkeit angeeignet sie zu erkennen und sichtbar zu machen. Es hat viele weitere Jahre der Übung bedurft, bis es mir gelungen ist, sie berühren zu können. In undefinierbaren Abständen erscheinen auf den Linien so genannte Knotenpunkte. Ist man in der Lage diese zu greifen kann man zwei Linien miteinander verbinden, oder sie voneinander trennen. So kann man beeinflussen wie die Zukunft einer bestimmten Person aussehen soll. Leider ist es nur möglich eine bestimmte Anzahl an Linien gleichzeitig zu kontrollieren. Der Rest bildet zugegebenermaßen ein Risiko, das aber so gering und gut einschätzbar ist, dass man auch dieses voraussehen kann.“
 

Der Mann brauchte eine Weile, bevor er nickte. Was der Vater ihm erklärt hatte, war selbst für einen Menschen mit seinen Fähigkeiten nicht leicht nachzuvollziehen. Er hatte stets gewusst, dass der Vater über große Macht und außergewöhnliche Fähigkeiten verfügte. Sonst wäre er nicht der Kopf ihrer Organisation. Dennoch war die Aussicht Kontrolle über Zeit und Zukunft zu haben immer noch etwas Irrationales für einen Sterblichen.
 

„Ich verstehe Vater.“

Sequenz 004


 

»Luft wird zu Asche und Wasser zu Blut

Denk nach bevor du ihr Urteil fällst

Sie gehört nicht dir, doch sie ist deine Welt

Deine Welt, (terra mortua), deine Welt

Das ist deine, deine Welt, (signum sempiternum), deine Welt

Das ist die Welt, deine Welt, (terra mortua), deine Welt

Das ist deine Welt (in eternum)«
 

Das schrille Geräusch heulender Sirenen riss Agent C in Sekundenbruchteilen aus ihrem Rückzugsort in der Eigene Welt. Man hatte sie ein paar Tage nach dem Vorfall auf der Intensivstation eingehenden Tests unterzogen um herauszufinden ob sie noch einsatztauglich war. Unter den wachsamen Blicken ihres Vorgesetzten hatte man sie in einem aufreibenden, endlos scheinenden Marathon an physischen und psychischen Aufgaben auf Herz und Nieren geprüft.
 

T war dabei nicht an ihrer Seite gewesen. Ihrem Partner war ein eigens für ihn zugeschnittenes Regenerationsprogramm auferlegt worden. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass sie ihren Dienst theoretisch wieder antreten konnte, hatte ihr Vorgesetzter ein paar Tage Ruhe angeordnet, damit sie in der Eigene Welt wieder vollständig zu Kräften kommen konnte. Sie hatte sich dort in ihrem eigenen Rückzugsort aufgehalten und sich pflichtergeben ganz auf die Wiederherstellung ihrer Kräfte konzentriert. Die Schonzeit war mit den einsetzenden Sirenen abgelaufen.
 

Innerhalb weniger Handgriffe hatte sie ihre Uniform komplettiert und ihre Waffen angelegt. Mit schnellen Schritten durchquerte Agent C die Gänge des Wohnkomplexes während die Sirenen in ohrenbetäubender Lautstärke unerbittlich weiter heulten. Die langgezogenen Töne wurden von den Wänden zurückgeworfen und steigerten sich so in einen kaum durchdringbaren Teppich aus Lärm. Aus den verschiedenen Richtungen schlossen sich weitere Soldaten an. T konnte sie unter ihnen nicht ausmachen, erkannte ihn aber unter den Männern, die sich auf dem Hof bereits eingefunden hatten. Sie schloss sich der Gruppe an und nahm wie alle anderen Haltung an.
 

Eine Gruppe älterer Männer in gleichfarbigen Uniformen erschien auf dem Gelände. Es war der Krisenstab, der immer dann in Aktion trat, wenn es auf Level Drei oder Vier Ausschreitungen der Abhängigen gab. Seit einigen Jahren versuchten die Untergrundorganisationen sich zu formieren und aus dem Schatten von Level Vier herauszutreten um mehr Kontrolle zu erlangen. Bislang war es dem Militär immer gelungen, diese Aufstände niederzuschlagen und die Ordnung wieder her zustellen. Im Normalfall reichten dazu die einfachen Soldaten aus. Es hatte schon lange keinen Alarm für die Agents mehr gegeben. C vermutete, daß es sich um eine größere Sache handelte, denn nur dann wurden die Traumfänger hinzugerufen und es befand sich ausschließlich diese Art von Soldat auf dem Platz.
 

Einer der Männer aus dem Stab trat ein paar Schritte nach vorne. Er richtete das Wort an die Soldaten und brüllte dabei gegen die heulenden Sirenen an, die bewusst noch immer über die Stadt schallten. Die Menschen außerhalb der Mauern des Militärareals wussten, was es bedeutete, wenn dieser langgezogene Ton die Stille der ständig drückenden, staubigen Luft zerschnitt. Dann war es besser, das Haus nicht zu verlassen und die Fenster zu verschließen. Wenn Traumfänger auf Kampfeinsätze in der Realität geschickt wurden, war es eine brutale und nicht selten blutige Angelegenheit, weil sie mit großer Härtel gegen die Aufständischen vorgingen. Ganz so wie man es sie in der Ausbildung gelehrt hatte. Gnade zeigen war etwas, das man ihnen nie beigebracht hatte. Ein Traumfänger kannte diese Neigug schlichtweg nicht.
 

„Vor ein paar Stunden ging in der Einsatzzentrale die Meldung über eine Gruppe Level Vier Angehöriger ein, die versuchen in Level Drei einzudringen. Es hat sich herausgestellt, dass die Gruppe Aufständischer wesentlich größer und gewaltbereiter ist als zuvor angenommen und die vor Ort agierenden Grenzsoldaten nicht ausreichen um die Kämpfe zu unterdrücken. Es wurden zwar zusätzliche Truppen ausgesandt, allerdings schienen auch diese nicht gegen die Aufrührer anzukommen.
 

Aktuell gehen wir davon aus, dass es sich bei dem Grenzüberquerungsversuch um eine bewusste Provokation und eine gewollte kriegrische Aktion handelt. Das muss mit aller Härtel unterbunden werden um die allgemeine Sicherheit nicht zu gefährden. Jeder Traumfänger mit einem Synchronisationslevel von 80 Prozent und mehr wird daher in den Einsatz geschickt. Begeben sie sich unverzüglich in die Transporter. Die Waffenfreigabe ist hiermit auf allen Level erteilt. Der Befehl lautet ‚Widerstand brechen und Aufrührer festnehmen‘. Wer sich den Truppen dabei in den Weg stellt wird eliminiert.“
 

Das Geräusch der aneinanderschlagenden Stiefelabsätze verklang ungehört im Lärm der Sirenen. Die Gruppe Traumfänger setzte sich in Bewegung und verteilte sich einer einstudierten Choreographie folgend gleichmäßig und ohne Probleme auf die schwer gepanzerten Einsatzfahrzeuge. Obwohl der Krisenstab keinerlei Order dazu gegeben hatte, fanden sich die einzelnen Teams dennoch ohne große Kommunikation zusammen, sodass Agent C sich auf der Sitzbank neben Agent T niederließ.
 

Während die Fahrzeuge den Hof verließen, herrschte Schweigen zwischen den Soldaten. C spürte die hohe Konzentration innerhalb des Wagens und konnte beobachten, wie jeder einzelne auf seine Aufgabe fokussiert war. In ihren Fingerspitzen begann es zu kribbeln und sie merkte deutlich, wie der Drang nach Kampf und Adrenalin sie überkam. Sie wusste nicht, was sie am Einsatzort erwarten würde, keiner von ihnen tat das. Vor ihrem inneren Auge spielten sich verschiedene Szenarien ab, in denen sie durchexerziert, wie sie am Besten reagierte. Hätte sie mehr Zeit gehabt, wäre sie dafür in die Eigene Welt abgetaucht um sich die Szenarien zu erschaffen, aber sie wusste, dass die Fahrt von kurzer Dauer sein würde. Es hätte nicht einmal ausgereicht um eine einzelne Sequenz durchzuspielen.
 

In der Tasche ihres Mantels spürte sie ein leises Summen. Sie griff hinein und fischt ihr Funkgerät hervor. Eine winzige kaum wahrnehmbare Lampe blinkt hektisch. Für C das Zeichen, dass der Operator Verbindung mit ihr aufnehmen wollte, wenn sie das Gerät nicht im Ohr trug. Vorsichtig setzte sie es ein und drückte den Aktivierungsknopf. Ein leises Knacken verriet ihr, dass die Verbindung stand. Sie sagte nichts. Der Operator wollte nur Kontakt halten, wie bei jedem Ausseneinsatz. Sie kannte es nicht anders. Es war schon immer so gewesen. Ob man sie überwachen wollte oder nur für den Notfall erreichbar sein konnte sie nicht sagen.
 

Durch einen Ruck wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als der Wagen zum stehen kam. Es drangen keine Laute durch die dicken Türen des Transporters, doch sie konnte sie vorstellen, dass draußen die Hölle tobte. Der Fahrer verließ das Führerhaus und ein leises Klicken entriegelte die Türen, die daraufhin aufschwangen. Auf ein stummes Zeichen hin erhoben sich die Soldaten und verließen das Fahrzeug. C brauchte nur einige Augenblicke um sich zu orientieren. Die anderen Fahrzeuge waren bereits entladen und begaben sich in eine sichere Position. Sie waren direkt bis vor das große Tor gebracht worden, dass Level Drei von Level Vier trennte. Dahinter drangen Schreie, Schüsse und andere Kampfgeräusche zu ihnen herüber. Es roch nach Schwarzpulver.
 

C zog ihre Waffe und entsicherte sie. Sie richtete den Lauf auf das Tor aus und ging gemeinsam mit den anderen Agents in Stellung. Die geräuschlose Bewegung, mit der sich die schweren Stahlflügel öffneten war im Gegensatz zu dem Lärm der von der anderen Seite entgegen kam gerade zu absurd. Der Spalt war gerade breit genug, dass zwei Mann nebeneinander hindurchpassten, als den Agents ein Sprengsatz entgegenflog. Geschickt teilte sich die Gruppe auf beide Seiten hinter den Torflügeln auf und ging in Deckung. Es handelte sich um eine Flasche, gefüllt mit Benzin und entzündet mit einem in Öl getränkten schmutzigen Lappen. Ein stümperhafter Versuch die Agents am Vorrücken zu hindern. Die Explosion spürte C zwar in ihrem Rücken, doch ihre Konzentration lag auf dem Geschehen vor ihr.
 

Ein Agent nach dem anderen hastete durch den Spalt in den Torflügeln. Direkt dahinter ließ sie ihre Augen mit geübtem Blick einmal über das Schlachtfeld schweifen um die nächste Deckung auszumachen, hinter der sie sofort Stellung bezog, denn die Gegenseite hatte schnell bemerkt, dass das Sprengsatzmanöver nicht geglückt war. Es wurde bereits das Feuer auf die Agents eröffnet. Kugeln schlugen klirrend in das umgestoßene Fahrzeug ein, hinter dem C kauerte. Neben sich spürte sie die Anwesenheit ihres Partners. Vorsichtig hob sie den Kopf und sah knapp über ihre Deckung um sich einen genaueren Überblick der Lage verschaffen zu können.
 

Der kleine Platz vor dem Tor auf dem sie sich befanden und die daran anschließende breite Hauptstraße glichen einem Trümmerfeld. Ganz wie nach einem Bombeneinschlag. Überall waren umgestoßene Fahrzeuge als Barrieren aufgebaut, Reifen zu Haufen gestalpelt und in Brand gesteckt worden und die Spuren von detonierten Sprengsätzen deutlich zu sehen. Schwaden aus dunklem Rauch zogen über Platz und der beißende Brandgeruch drang C in die Nase. Ihre Finger tasteten nach der Atemschutzmaske und lösten sie von ihrem Oberarm. Sie setzte das schwarze Atemschutzgerät auf und atmete tief ein. Erleichtert registrierte sie, wie das leichte Kratzen im Hals nachließ.
 

Dabei nahm sie den Blick nicht vom Kampfgeschehen. Eine Kugel zischte nur knapp über ihrem Uniformshut durch die Luft und schlug in die Stahlplatte hinter ihnen ein, die die Trennmauer zwischen den Leveln verstärkte. Aufgrund ihrer schnellen Reflexe zog C den Kopf ein. Sie änderte ihre Position und fand eine Lücke im Rumpf des Fahrzeugs durch die sie die Situation beobachten konnte. Vereinzelt rückten die Agents bereits vor. C nahm die Schusswaffe wieder auf und suchte nach dem unglücklichen Schützen. Sie entdeckte ihn zwischen brennenden Reifen hinter einer umgestoßenen Tonne kauern. Ein junger Mann, kaum älter als sie mit stuppigen Haaren und zerschlissenen Klamotten. Das ausgemergelte Gesicht war verdreckt von Schmutz und Ruß.
 

Die Pistole die er hielt war alt und sah aus, als hätte man sie lange nicht oderntlich behandelt. Vermutlich hatte er sie irgendwo am Straßenrand gefunden oder von irgendeinem armen Wicht den es in Auseinandersetzungen erwischt hatte gestohlen. Sie Art wie er die Schusswaffe umfasste und die Intensität mit der seine Hände zitterten verrieten C, dass er weder große Erfahrung mit Schusswaffen hatte, noch ein eingeschworener Aufrührer war. Fast schien es, als hielte er zum ersten Mal eine Waffe in der Hand. Der Schuss über ihren Kopf hinweg war großes Glück für seine Zielkünste und keinesweg als Warnschuss beabsichtigt gesetzt gewesen, dessen war sie sich sicher.
 

„Ich hab ihn im Visier.“, C verstand nicht, was T neben ihr sagte, doch als sie den Kopf zu ihm wandte wusste sie, dass er den Schützen ausgemacht hatte. Sie erwiederte die Aussage mit einem Blick der deutlich „Eliminieren.“ sagte. Sekundenbruchteile später drang das Geräusch eines einzelnen Schusses an ihr Ohr. Sie wusste dass er aus Ts Waffe kam. Sie erkannte es mittlerweile. Die Kugel schlug dem Schützen direkt in die Stirn und verteilte sein Gehirn in einer blutigen Masse großflächig auf dem abgenutzten Asphalt. Mit einem erstickten Aufstöhnen, das ungehört im Kampflärm verhallte, knickte er ein und sackte zu Boden. Zufrieden nickte C. Einer weniger.
 

Ihr Blick streifte weiter über das Schlachtfeld. Sie befanden sich an einer Stelle etwas abseits des Herds. Wenn sie es richtig einschätzte hatten sie die Chance von hinten an die Aufrührer heranzukommen. Sie wandte sich ihrem Partner zu und deutete ihm per Handzeichen, dass sie sich an zwei Steinwerfer ranschleichen wollte und er ihr Feuerschutz geben sollte. T hatte verstanden und nickte. Er nahm die beiden Zielobjekte ins Visier, während C vorsichtig von Deckung zu Deckung huschte und schliesslich hinter einem Betonblock in unmittebarer Nähe der Zielobjekte zum Halten kam.
 

Sie versicherte sich, dass T noch immer den Fokus auf die Ziele hatte, bevor sie ihr Jagdmesser zog und sich geräuschlos von hinten an einen der beiden Männer anschlich. Mit einer schnellen Bewegung packte sie einen am Kopf und riss diesen nach hinten, während sie ihm das Messer kräftig über die Kehle zog. Sofort spritze das Blut aus der tief klaffenden Wunde und das überraschte Opfer griff sich fassungslos an den Hals, bevor es röchelnd und gurgelnd in die Knie ging und umkippte. Er würde langsam verbluten.
 

Sein Kamerad beobachtete mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen die Szenerie und ließ den Stein in seiner Hand fallen. Er wich ein paar Schritte zurück, als C ihn mit ihrem Blick fokussierte und begann mit zitternder Stimme um Gnade zu flehen. C trat auf ihn zu und ließ ihn mit einem gezielten Handgriff bewusstlos werden. Sie zog einen Kabebinder auf einem Fach neben ihrer Messerscheide und band dem reglosen Mann damit die Hände auf dem Rücken und die Füße zusammen. Per Funk gab sie dem Operator die Position des Gefangenen durch. Sie wusste, dass man ihn nach der Schlacht einsammeln würde.
 

Sie arbeiteten sich Stück für Stück zum Zentrum der Schlacht vor. Die meisten ihrer Gegner leisteten Widerstand, sodass sie nicht umhinkamen sie zu eliminieren. Nicht nur ihre Uniform war mit Blut befleckt. Auch die anderen Agents hatten die Aufrührer gut dezimiert und das Ende des Kampfes war abzusehen. Doch dann traten neue Kämpfer auf das Schlachtfeld, die frischer und kräftiger zu sein schienen als die ausgemergelten Menschen von Level Vier. C blieb mitten in ihrer Bewegung auf einen der dunkel gekleideten vermummten Kämpfer zu. Eine seltsame Aura umgab die Neuankömmlinge und es drang ein beißender Geruch an ihre Nase. Sie griff erneut nach ihrer Atemschutzmaske, die sie zwischenzeitlich abgesetzt hatte.
 

Einer der dunklen Kämpfer drehte ihr ruckartig den Kopf zu und begann sich auf sie zu zubewegen. Langsam und mit eckigen, steifen Bewegungen. C kannte den Geruch, den die Kämpfer ausströmten. Es war derselbe, den sie bereits bei der Begegnung mit dem Sandmann-Unterhändler wahrgenommen hatte, als der Wolf in der Gasse erschienen war. Aber Krieger aus Traumgas waren hier in der Realität eigentlich nicht möglich. Es blieb ihr allerdings keine Zeit darüber nachzudenken, denn die Bewegungen des Angreifers wurden in Sekundenbruchteilen schneller und geschmeidiger, sodass sie sich nur mit einer schnellen Rolle zur Seite vor dem aufblitzenden Messer, dass er nach ihr geschwungen hatte in Sicherheit zu bringen.
 

Schüsse jagten an ihr vorbei und sie wusste, dass T den Angreifer ins Visier genommen hatte. Doch die Kugeln schlugen durch den dunkel gekleideten Körper ohne großen Schaden anzurichten. Die Gestalt setzte ihren Weg fort, bevor sie erstarrte, leicht erzitterte und dann wie schwarzer Rauch von einer Windböe fortgetragen wurde. C hatte es beobachtet und war in der Zwischenzeit wieder auf die Beine gekommen. Ein weiterer Angreifer hatte es auf die junge Frau abgesehen und sie lieferte sich mit ihm einen erbitterten Zweikampf. Mit einer geschickten Drehung ihres Körpers wich sie dem nach ihrem Bauch zielenden Messer aus, nur um sich dann ruckartig zu ducken um nicht von einem heranfliegenden Stein getroffen zu werden.
 

T hatte den Werfer bereits ausgemacht und mit einem gezielten Schuss ausser Gefecht gesetzt. Doch dieser eine kurze Moment der Unachtsamkeit hatte ausgereicht, damit Cs Kontrahent nahe genug an sie heran gekommen war um ihr das Jagdmesser in die Schulter zu rammen. C zuckte zusammen, griff ihr eigenes Messer fester und beantwortete den Angriff indem sie ihre Klinge kraftvoll in die Schläfe ihres Kontrahenten eindringen ließ. Gleichzeitig spürte sie neben ihrem Kopf den Lufthauch einer vorbeizischender Kugeln, die ohne Zweifel aus dem Lauf ihres Partners stammten.
 

Die dunkle Gestalt erzitterte und verschwand in einer Wolke aus Nebelschwaden und mit ihr das Messer, das eigentlich Cs Sehnen und Muskeln zerrissen hätte sollen. Doch es war kein Schmerz in ihrer Schulter und es klebte kein frisches Blut an ihren Handschuhen, als sie nach der Wunde griff um die Waffe zu entfernen. T trat neben sie und fing ihren skeptischen Blick auf. „Sie entwickeln sich.“, stellte er nüchtern fest, während er seine Waffen wieder in den Halterungen verstaute. Er warf einen prüfenden Blick über den Platz. Es schien der letzte der Aufrührer gewesen zu sein und die rangniedrigeren Soldaten machten sich bereits an die Aufräumarbeiten, was bedeutete, dass sie alle überwältigten, noch lebenden Aufrührer einsammelten und Gefängnissfahrzeugen unterbrachten.
 

Ein anderer Trupp war damit beauftragt worden alle Leichen auf einen Haufen zusammen zu sammeln und zu verbrennen. Ein Vorgehen, das das Militär jedes Mal bei Aufständen anwandte. Diese Leichenhaufen brannten eine gute Zeit lang und dienten als Mahnmal für alle Überlebenden. Die beiden Traumfänger machten sich durch Trümmerteile und über tote Körper hinweg langsam auf den Weg zurück zu ihrem Sammelpunkt. Es roch noch immer nach Schwarzpulver, aber nun kam auch noch der Geruch nach verbranntem Fleisch hinzu. Sie hatten gewonnen, auch wenn es nur eine Schlacht im Krieg gegen die Abhängigen und Aufständischen gewesen war.
 

Die Traumfänger versammelten sich alle am Anfgangsort des Einsatzes und so schnell sie erschienen waren, waren sie auch bereits wieder verschwunden, sodass lediglich die Soldaten zurückbleiben, die zum Schutz ihrer arbeitenden Kameraden abkommandiert wurden. Die schweren Einsatzfahrzeuge verließen das Tor und machten sich auf den Rückweg in die Kaserne. Sie hinterließenkaum eine Spur ihrer Anwesenheit. Typisch für den Einsatz von Traumfängern.

Mit ihnen verschwanden auch alle Traumfänger. In dieser Hinsicht hatten sie keinerlei Verluste erlitten, lediglich einige Verletzte waren zu beklagen, soweit C es überblicken konnte, aber nichts Ernstes. Es wunderte sie nicht. Die Traumfänger waren eine Eliteeinheit und da nur Agents mit einem Synchronisationslevel von 80% und mehr eingesetzt worden waren, konnte man davon ausgehen, dass die Verluste gering waren. Der Einsatzstab ging grundsätzlich kein Risiko ein, was die Mobilisierung dieser Truppen anging. Traumfänger waren eine Rarität, ein biologisches Fehlprodukt. Es gab nicht viele und diejenigen die es gab wurden ausnahmlos vom Militär aufgespürt, eingezogen und ausgebildet.
 

Auf ihrem Zimmer angekommen legte sie die Stiefel und die Dienstuniform ab und zog sich bequemere Sachen an, bevor die sich an ihren Tisch setzte und sorgfältig ihre Waffen reinigte und inspizierte. Ein Ritual, dass sie nach jedem Einsatz durchführte, bevor sie sich und ihrem Körper Ruhe gönnte. Sie wusste schließlich nicht, wie schnell der nächste Einsatz kommen würde und ein guter Soldat war immer darauf vorbereitet. Das war neben der Kreativitätslehre das erste, was man ihr in ihrer Ausbildung eingebläut hatte. Bereits im Kindesalter wurden Traumfänger an den Umgang mit Waffen gewöhnt und für den späteren Einsatz ausgebildet.
 

Draußen hatte sich die Nacht schon über die Häuser gesenkt. Eine schwere, bleierne Dunkelheit, die sich um die hohen Betonbauten der Stadt legte und kaum einen Blick in die endlose, graue Ferne möglich machte. Die ewigen Wolken am Himmel legten sich so wie jeden Tag und jede Nacht über die Stadt, wie eine Kuppel unter der alles Menschliche gefangen gehalten werden sollte. Für heute würde sie keinen Einsatz mehr haben, das wusste sie. Die Führung hatte immer eine kleine Gruppe an Soldaten für Notfälle auf Reserve und alle, die heute auf Level Vier im Einsatz gewesen waren hatten die Nacht dienstfrei bekommen. Sie legte sich auf das Bett und schloss für einen Moment die Augen.
 

Schließlich öffnet die junge Frau ihre Augen wieder und erhebt sich. Die Haut auf ihrem Rücken platzt auf und es brechen Knochen heraus die sich zu einem Gerüst formen. Nach und nach bedecken sie sich mit Muskeln, Sehnen und Haut kriecht langsam über das glänzende, rötliche Konstrukt. Zu letzt spießen schwarze Federn. Eigentlich weiß sie, dass sie ihren Körper nicht manipulieren bräuchte um zu fliegen, aber sie tut es trotzdem. Es fühlt sich echter an. Vertrauter. Sie öffnet das Fenster und verlässt so den Raum.
 

Eine Weile gleitet sie mit ausgebreiteten Schwingen durch die Luft, bis sie ihren gewohnten Platz auf einem hohen Brückenpfeiler gefunden hat. Von hier aus, kann sie die Stadt beobachten und die Eigenen Welten der Bewohner einsehen. Unzählige dieser Traumblasen schweben wie schillernde Seifenblasen, gehalten von unsichtbaren Fäden, vor ihr in der Luft. Es dauert nicht lange, bis sie merkt wie sich neben ihr jemand nieder lässt. Sie kennt die Signatur der Präsenz, aber es ist das erste Mal, dass er sich hier zu ihr gesellt. „Diese Welt beginnt sich zu verändern.“ Ihre Stimme ist leise, fast wie ein Windhauch.
 

„Sie war noch nie stetig, nur haben wir die Veränderungen bis dahin nicht gesehen und bemerken sie erst jetzt, wo sie sich weiter wandelt.“ C wendet jetzt doch den Kopf und mustert ihn. Eine schwarze, gleich einer Nebelwolke wallenden Masse sitzt neben ihr. Ein Erscheinungsbild das nicht ungewöhnlich ist für die Alptraumabteilung. Zumindest so weit die junge Frau es beurteilen kann. „Aber warum jetzt?“ Cs Frage verhallt kaum hörbar in der Dunkelheit der Nacht.
 

„Könnte es damit zusammenhängen, dass wir zu effizient sind? Schau dir die träumende Stadt an, sie wird jede Nacht ein bisschen dunkler.“, brummt Ts Stimme nachdenklich und greift damit die zuvor weggewehte Frage auf. Unwirsch schiebt C den aufkeimenden Gedanken weg. „Wir erfüllen unsere Aufgabe und es war noch nie so knapp wie heute Nachmittag. Die Rebellen haben sich verändert, außerordentlich gut trainierte Soldaten und mehr oder weniger gut geplante Militärstrategien. Sie haben vermutlich Unterstützung bekommen. Darauf sollten wir uns konzentrieren.“
 

T schweigt und schaut den schattenhaften Umriss der Schornsteine an. Seufzen gesteht er sich ein, dass sie Recht hat, aber zugleich fehlen ihm noch genug Puzzlestücke um das Rätsel zu lösen. „Wir werden sehen“, brummt er schließlich. Cs rabenhafte Gestalt sitzt komplett still, so als würde sie gar nicht leben und mehr ein Gargoyle sein und dennoch mustern ihre Augen gründlich die unter ihnen liegende Stadt, scheinen sie regelrecht zu überwachen. „Ich habe kein gutes Gefühl in dieser Sache.“, murmelt sie. T wundert sich und bewegt sich rauchförmig um den Kamin, er versteht ihr Gefühl, kann es aber nicht einordnen, genau so wenig kann er es aber bestätigen.
 

„Wann denkst du wird der Krieg beendet sein?“, fragt C unvermittelt. „Dann wenn alle Rebellen vernichtet sind, also im Grunde wenn die unteren Ebenen ausradiert sind. Wieso kommen sie eigentlich alle hoch, sie sollten die Regeln doch gut kennen?“ Cs Kopf dreht sich zu ihm um. Ein hübsches weißes Gesicht umrahmt von dem schwarzen Gefieder, fast wie in einer perfekten Mondnacht. Sie sieht darin zerbrechlicher aus, als sie in Wirklichkeit ist. Ein Lächeln huscht über ihre Lippen. „Etwas muss sie hinauf treiben, etwas das es Wert ist ihr Leben an unsere Kugeln zu verlieren.“ Weich und leise klingt ihre Stimme wie eine Melodie des Windes.
 

„Nur was könnte es sein?“ brummt T mehr in sich hinein, als dass er laut fragt. „Ich weiß es ni…. Spürst du das auch?“ T hatte es gespürt. Eine Präsenz die ihnen unbekannt war, taucht plötzlich in ihrer Umgebung auf. Er reagiert geistesgegenwärtig und hängt sich an den Kamin um wie normaler Rauch aus dem Schornstein auszusehen. Cs Hände falten sich wie zum Gebet. Mit geschlossenen Augen tastet sie ihre Umgebung nach der Präsenz ab, doch jedes Mal wenn sie glaubt sie hätte sie, entschwindet sie ihr.
 

„Du wirst mich nicht finden, Rabenmädchen.“ Die Stimme reißt sie erbarmungslos aus ihrer Konzentration, kam sie doch nur wenige Meter von vor ihr. „Außer ich will gefunden werden, natürlich!“ Der Mann, stehend auf einem Kamin zwinkert unter seinem Zylinder. Seine linke Hand umschließt einen antiken Gehstock und sein Anzug sieht nach feinem Zwirn aus, nicht nach der Kleidung eines Kämpfers. „Name und Anliegen?“ fragt C unterkühlt. „Oh wie überaus unhöflich von mir, einer so willensstarken Lady den Namen zu verschweigen. Ich bin Magister Roth, ein Wanderer der verborgenen Pfade.“ Roth lässt dabei seinen Gehstock vor sich schweben. Er scheint so fasziniert davon zu sein, dass C nach einer gefühlten Ewigkeit des Beobachtens Unruhe erfasst.
 

„Meine Fragen sind noch nicht beantwortet.“, bellt sie. Magister Roth schaut wegen des Tons mit dem sie ihm gegenübergetreten ist kurz entrüstet auf, lächelt dann aber und lässt seinen Gehstock wieder an seine Seite schweben. „Das sagte ich bereits, impatinente junge Lady: ich wandere auf verborgenen Pfaden.“ C verdreht die Augen, während Magister Roth sich langsam, gar wie auf einem Pfad durch die Luft schreitend, auf sie zu bewegt um einen Meter vor ihr anzuhalten. „Und mein Anliegen ist ein Angebot. Euer Berufsstand bereitet meinen Auftragsgebern Kopfzerbrechen. Wie wäre es also, wenn ihr so freundlich wäret und ihn an den Nagel hängt? Für euer tägliches Auskommen wäre gesorgt, oder für die Abenteuer, falls euch das mehr interessiert. Oder etwas ganz anderes: Jemanden lieben zu können, ohne die Angst erwischt zu werden?“ Unwillkürlich blickt C kurz auf die Rauchwolke neben ihr. Er ist noch da. Wieder dieses kaum wahrnehmbare Zucken in ihren Seelen.
 

„Und wie wäre es, im Gegenzug mit Information über die Rebellen?“, fragt C mit eisiger Stimme. Roth grinst breit unter seinem altmodischen Hut. „Was denkst du Dummerchen wieso man mich schickt und keinen der Widerstandsbewegung?“, gibt er die Gegenfrage süffisant zurück. „Dann müssen Schritte eingeleitet werden, die eine Befragung ermöglichen.“ C lässt einen Flügel auf ihn zu schnellen und verwandelt ihn in der Bewegung in eine scharfe Klinge. Der Magister macht nicht einmal den Hauch einer Bewegung sondern hebt nur lässig seinen Gehstock, welcher unter einem ohrenbetäubenden Knall den Angriff aufhält.
 

Er streckt den Arm aus, die flache Hand mit der Fläche zu ihr ausgestreckt, eine Druckwelle erfasst sie und schleudert die junge Frau von ihm weg. Verblüfft überschlägt sie sich in der Luft, landet geschmeidig wie eine Katze auf ihren Beinen und springt sofort wieder vor, die Flügel abwerfend, Energiekugeln aus weißem Licht um sich sammelnd um sie einzeln nacheinander auf ihn abzufeuern. Eine jede explodiert an oder vor ihm, doch keine richtet Schaden an. Sie ist aber nahe genug herangekommen um zuzuschlagen. Mehr wollte sie nicht bezwecken. Ihre Faust richtet sich auf seine Brust, formt sich zu einer Klinge und sticht zu. Die Waffe landet in der Leere.
 

Roth befindet sich hinter ihr und gibt ihr mit spielerischer Leichtigkeit einen Schubs mit dem Ellenbogen der sie weiter nach vorn taumeln lässt. „Diese stürmische Jugend immer.“ Aber er ist zu nah an dem Kamin mit dem ungewöhnlich dichten Rauch geraten. T sieht seine Chance und umschlingt ihn, hängt ihn wie an einem Andreaskreuz in der Luft auf und hindert ihn sich zu bewegen. „Nur nicht so überheblich.“, knurrt T hinter ihm. Ein Wolfskopf mit rot glühenden Augen formt sich aus dem Rauch und lauert auf eine falsche Bewegung seines Gefangenen, dem der Geifer über seinen alten, roten Zylinder tropft. „So ein Jammer er war gerade erst in der Reinigung.“, flucht der Träger wehleidig. „Aber mein Respekt, ich bin selten so gelungen überrascht und bespaßt worden. Ich hoffe man sieht sich in baldiger Zukunft. Passt auf euch auf, wäre doch jammerschade, wenn euch etwas passiert!“ Mit einem Grinsen und einem Winken beginnt er zu verblassen.
 

Sofort schnappt Ts Wolfskopf zu, doch er ist schon verschwunden. „Wie kann dieser Schnösel sich nur einbilden einfach aufzuwachen!“ schnaubt er, formt sich in seine menschliche Gestalt zurück und tritt wutentbrannt gegen den Kamin, welcher zerbirst, ihm aber auch einen herben Schmerz durch den Fuß jagt. Fluchend hüpft er auf einem Bein vor C rum. „Reiß dich zusammen!“, herrscht sie ihn an. „Das war nicht normal. Es kommt kein anderer Traumfänger hierher, nicht einmal unsere Kollegen. Ausgesprochen komischer Zufall.“, stellt C nüchtern fest. „Sollen wir es melden?“, wirft T die Frage in den Raum. Die junge Frau nickt. „Ja, aber wir erwähnen nur den Erpressungsversuch, das mit der Liebe bringt uns maximal eine Woche zum psychologischen Erkennungsdienst und auf den hab ich wirklich keine Lust.“ „Einverstanden.“ „Wachen wir auf?“ „Wachen wir auf.“, bestätigt T.
 

C findet sich in ihrer Stube wieder. Sie setzt sich auf und streicht sich die Haare aus dem Gesicht. Seufzend erhebt sich die junge Frau und nimmt an ihrem Schreibtisch Papier und Stift in die Hand um einen schriftlichen Bericht der Begegnung mit dem Magister zu verfassen. Sie weiß, dass ihr Vorgesetzter einen verlangen wird, nachdem sie Meldung gemacht haben. Alles was innerhalb der Kasernenmauern passierte musste schriftlich festgehalten und archiviert werden. Vor allem wenn es um Aktivitäten und Vorfälle ging, in die Traumfänger involviert waren. Also setze sie den Stift an und begann das linierte Blatt mit geschwungenen, ordentlichen Buchstaben zu füllen.
 

T hatte Unrecht gehabt mit seiner Aussage, das spürte sie. Der Magister war nicht wie sie. Er war kein Traumfänger und dementsprechend auch nicht aufgewacht, als er ihnen entwischt war. Die Frage war nur, was genau war er dann und welchen Zweck verfolgte er. Hatte er andere von ihnen angesprochen und mit denselben Angeboten gelockt? Falls dem nicht so war, warum war er dann ausgerechnet zu T und ihr gekommen? C grübelte während sie ihren Bericht vollendete über die Fragen in ihrem Kopf. Ein Soldat stellte keine Fragen, aber in diesem Fall konnte sie nicht anders als darüber nach zudenken.
 

Unzufrieden, weil sie zu keinem Ergebnis kam erhob sie sich schließlich mit dem fertigen Schriftstück und machte sich auf den Weg zum Büro ihres Vorgesetzten, wo mit Sicherheit bereits auf sie warten würde. In ihrem Kopf formten sich bereits Wörter zu Sätzen mit denen sie erklären konnte, warum sie beide diese Meldung machen würden. Sie wusste nicht, was dann geschehen würde. Es war das erste Mal gewesen, dass sich jemand außer ihr in diesem Teil der Eigenen Welt aufgehalten hatte. Die träumende Stadt war der Raum in der alle einzelnen Eigenen Welten zusammen kamen. Ein Ort der sie vereinte, nährte und zusammenhielt, denn sie waren von einander abhängig um überhaupt existieren zu können. Ein komplexes Konstrukt, das sich jeglichen menschlichen Verständnisses entzog.

Sequenz 005


 

»Riddler, Riddler ask me why

All mothers beneath the Earth and sky

Hold their children's hands for a while

Their hearts forever... yours and mine

Make me wonder what's the meaning of life

What's the use to be born and then die

Make me guess who's the one

Behind the mask of Father and Son«
 

„Mein Sohn, die erzielten Ergebnisse sind sehr zufrieden stellend. Nicht mehr lange und der nächste Schritt in unserem großen Plan kann gegangen werfen.“ Die körperlose Stimme hallte in seinem Kopf wider und hinterließ ein wohliges Gefühl in seiner Brust. Er hätte es nicht bezeugen können, aber er bildete sich ein, eine Spur Stolz aus der Stimme der Lichtgestalt vor sich heraus gehört zu haben. Die Strategie, die er lange vorbereitet und bis ins kleinste Detail ausgearbeitet hatte schien zu funktionnieren und aufzugehen. Sie würde dafür sorgen, dass sein Gegenüber vollends mit ihm zufrieden war.
 

„Es läuft alles so wie es soll, Vater. Wenn der aktuelle Fortschritt sich halten lässt, wird es nicht mehr lange dauern, bis wir fähig sind die Welt aus den Angeln zu heben.“ Der elegant gekleidete Mann gestattete sich eine Spur Überzeugung in seine Stimme zu legen. Die formlose Gestalt schien den Bruchteil einer Sekunde in ihrer wabernden Bewegeung inne zu halten, bevor sie minimal aufflackerte. Ob sie empört oder amüsiert war, vermochte der Mann nicht zu sagen.
 

„Du darfst nicht übermütig werden mein Sohn. Übe dich in Geduld. Noch sind wir nicht annähernd am Ziel. Erst wenn erreicht ist, was erreicht werden muss und geschehen ist, was noch geschehen muss, dann erst können wir von Erfolg sprechen. Ziet spielt keine Rolle. Davon haben wir mehr als genug. Jetzt geh und bereite den nächsten Schritt vor.“ Auch wenn der Stimme kein bestimmter Tonfall zuzuordnen war, ließ sie dennoch keinen Zweifel am Nachdruck dieser Aussage. Der Mann nickte. Er hatte den Befehl verstanden. „Ja Vater, ich werde mich darum kümmern.“ Er wartete respektvoll bis sich die Lichtgestalt vor ihm entfernt hatte und auf ein kaum wahrnehmbares Glimmen in der dichten Schwärze verloschen war, bevor er sich abwandte und in eleganten Schritten und das Dunkel schritt.
 

Agent C traf wie erwartet auf ihren Partner, als sie vor der Tür zum Büro ihres Vorgesetzten ankam. Auch der junge Mann hielt ein Blatt Papier in der Hand. Vermutlich hatte er dieselbe Vorahnung gehabt. Sie trat an die schwere Tür heran und klopfe zweimal deutlich dagegen, bevor sie einen Schritt zurück trat und auf ein Zeichen aus dem Inneren wartete. Ihr Kamerad wartete einen Schritt hinter ihr ebenfalls stillschweigend.
 

Es dauerte einige Augenblicke, bis von der anderen Seite der Tür ein deutliches ‚Eintreten.‘ an ihre Ohren gelangte und sie kam den Befehl nach. T folgte ihr und bezog ebenso wie er rs draußen getan hatte, knapp hinter der jungen Frau Stellung. Sie nahmen beide die gewohnte Haltung an und warteten gehorsam darauf, dass ihr Vorgesetzter den Kopf hob und ihnen die Anweisung erteilte zu sprechen. C berichtete knapp aber detailliert über den Vorfal in der Eigenen Welt in der vergangenen Nacht. Der ältere Mann fixierte die lange mit einem starren Blick, während er ihr Fragen zu dem Vorfall stellte.
 

Sie kannte diesen Gesichtsausdruck. Wenn ihr Vorgesetzter die so ansah, analysierte er sie. Versuchte herauszulesen ob das, was sie sagte der Wahrheit entsprach. Ob sie alles gesagt hatte oder es noch mehr gab, das ans Tageslicht zu befördert werden musste. Sie hatte sich über die Jahre ihrer Ausbildung und des anschliesenden Dienstes als Traumfänger an den bohrenden Blick aus den ausdruckslosen Augen gewöhnt und wusste, wie sie dem beikommen konnte. So fixierte sie ihren Vorgesetzten ebenfalls mit einem starren Blick und stand vollkokmmen ruhig vor ihm, während sie knapp auf alle seine Fragen antwortete. T durfte sich nicht dazu äußern. Warum, konnte sie nicht sagen.
 

Die letzte Frage, die der ältere Mann stellte war die nach dem ‚Mehr‘: „Gibt es noch etwas, von dem wir wissen sollten?“ In Cs Gesicht regte sich kein zusätzlicher Muskel, als sie klar und deutlich antwortete: „Nein, Sir.“ Die Augen ihres Vorgesetzten ruhten noch eine quälend lange Weile auf den beiden Traumfängern, ehe er den Blick abwandte und die Hand ausstreckte. Er verlangte nach den schriftlichen Berichten. C und T schlugen die Hacken aneinander, als Zeichen dass der Befehl verstanden worden war.
 

Gemeinsam legten sie die Blätter auf dem Schreibtisch ab, bevor sie wieder in ihre Ausgangsposition zurückkehrten. C achtete darauf keinen Blickkontakt zu T aufzunehmen, denn das könnte sie verraten und entspräche auch nicht ihrem natürlichen Soldatenverhalten. Das wusste sie und ihr war auch bewusst, dass ihr Vorgesetzter sie länger kannte, als jeder andere. Der ältere Soldat musterte sie beide mit einem langen abschließenden Blick, bevor er ihnen den Befehl erteilte, sich zurückzuziehen. Erneut hallte das Geräusch von aneinander schlagenden Stiefelabsätzen durch den Raum, ehe die Traumfänger sich umdrehten und zügig den Raum verließen.
 

Kaum war die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen, griff er nach dem Hörer des Telefons und wählte eine Nummer. Es dauerte nur einen Augenblick, bis sich jemand am anderen Ende der Leitung meldete. „Er ist wieder in Erscheinung getreten.“, war die knappe Aussage. „Leiten Sie die Berichte weiter.“ „Verstanden.“ Ein Knacken in der Leitung sagte ihm, dass die andere Seite das Gespräch für beendet hielt. Er tat es dem Angerufenen gleich und griff nach einer Schublade in seinem Schreibtisch. Er öffnete sie und zog einen Briefumschlag heraus, in den er die Berichte der beiden Traumfänger gleiten ließ. Sorgfältig beschriftete er ihn schließlich und legte ihn auf den Stapel mit Briefen und Akten, der auf seine tägliche Verteilung durch die Hauspost wartete.
 

C und T legten den Weg zu ihren Stuben schweigend zurück. Weniger aus Angst jemand würde etwas von dem Gespärch mitbekommen, als vielmehr weil es nichts zu sagen gab. Die Meldung war do verlaufen wie es hatte sein sollen. Ihr Vorgesetzter hatte genau die Fragen gestellt, mit denen C gerechnet hatte. Wenn sie den älteren Mann richtig einschätzte, dann würde er ihnen gegenüber keine weiteren Nachforschungen anstellen. Um die Untersuchung des psychologischen Dienstes wären sie also herumgekommen.
 

Zurück auf ihrem Zimmer kam sie nicht umhin noch einmal über die Begegnung mit dem seltsamen Magister nachdenken zu müssen. Sein Erscheinen warf viele Fragen auf, von denen sie genau wusste, dass ein Teil unbeantwortet bleiben würde. Am meisten interessierte es sie aber warum er fähig war sich in der Träumenden Stadt zu bewegen. Er war kein Traumfänger, das hatte sie gespürt, aber was war er dann. Normalerweise besassen Sandmann-Abhängige keine weiterreichenden Fähigkeiten als ihre eigenen Traumblasen, die die Grenzen einer jeden Eigenen Welt darstellten umzugestalten. Um sich in der Träumenden Stadt so frei bewegen zu können wie sie und T das taten durfte man nicht abhängig von Sandmann und den Traumblasen sein.
 

Die Träumenden Stadt war alt. Älter als alles was in ihrer Welt existierte, älter als irgendjemand sich zurück erinnern konnte. Sie war schon Teil dieser Welt gewesen bevor das System zu greifen begonnen hatte. Sie war das Element, was die Eigenen Welten zusammen hielt und dafür sorgte, dass sie nicht durch den Äther drifteten und bei einem Zusammenstoss zerplatzten. Denn dann war es für einen Träumenden unmöglich zurückzukehren. Die Traumblasen waren ein geschützter Ort innerhalb dieser anderen Welt. Wie ein Tor zurück zur Realität.
 

Der Magister musste also definitiv entweder ein nicht registrierter Traumfänger sein und das war er nicht, da war C sich sicher. Oder aber ein Wesen das direkt aus der Träumenden Stadt stammte. C fragte sich unweigerlich ob es sich dabei um eine Figur handelte die ihre Ausbilder Father genannt hatten. Es hiess, dass er sich in jeder nur vorstellbaren Weise zu tarnen und zu wandeln wusste. Wie ein Schauspieler, der ein unendliches Repertoire an Masken und Kostümen besass wusste er sich jeder Situation anzupassen.
 

Wer genau dieser Father war wusste niemand und auch nicht wie er aussah oder wo er zu finden war. Genau das heraus zu finden war allerdings ein Ziel, dass sich das Militär im Auftrag des Regimes gesetzt hatte. Man vermutete, dass er die Rebellen unterstütze auch wenn er angeblich älter als alles was man kannte sein sollte. C wusste nicht, wie viel Wahrheit in den Aussagen steckte, aber so lange sie keinen Beweis für eine Existenz hatte, würde sie auch nicht weiter darüber nachdenken. Es war nicht ihre Aufgabe.
 

C war so sehr in ihre Grübeleien versunken, dass sie um sich herum alles vergass und es erst des lärmenden Einsatzalarms bedurfte um sie zurück in das Hier und Jetzt zu holen. Ein Blick auf die Lämpchen über ihrer Tür sagten ihr, dass es sich um einen Einsatz in der medizinischen Abteilung handelte. Seufzend richtete sie ihre Uniform und legte sie Waffen an, bevor sie aus dem Raum eilte und sich auf dem Weg in den entsprechenden Gebäudetrakt machte. Wie immer wusste sie nicht, was genau sie erwarten würde, aber nach den Ereignissen der letzten Nacht verspürte sie Tatendrang in sich hochsteigen.
 

Ein Mitarbeiter der medizinischen Abteilung klärte sie über den vorliegenden Fall auf. Ein weibliches Subjekt, zwischen vierzehn und sechzehn Jahren. Überdosis Sandmann. Man vermutete eine Angstreaktion aus Verzweiflung. Sie war gerade in ihre vorgegebene Aufgabe hineingeworfen worden. Es ließ sich kaum nachvollziehen ob und wie gut sie darauf vorbereitet worden war, aber offensichtlich nicht gut genug um sich dem Schicksal einfach zu ergeben. Vielleicht war sie auch noch zu jung oder zu lange in der Obhut ihrer Mutter gewesen.
 

Die Gegenwehr gegen eine Rückholung schien in jedem Fall immens zu sein, denn Agent C und ihr Kamerad waren bereits das dritte Pärchen an Traumfängern, das man gegen das Subjekt einsetzen musste. Die anderen beiden unglücklichen Teams waren auf die Krankenstation verlegt worden um sich zu regenerieren. Warum man es nicht einfach in Ruhe ließ, war auch einfach zu erklären. Niemand durfte aus dem System fallen, denn sobald jemand seine vorgegebene Aufgabe nicht erfüllte funktionnierten die Mechanismen nach denen alles geregelt war nicht mehr. Ließ man es einmal zu, den Menschen die Entscheidung zu lassen nicht mehr zurückzukehren, würde es eine Welle an Verweigerungen lostreten und das System würde in sich zusammen brechen.
 

Sie konnte nur Vermutungen anstellen, denn sie selbst war auf ganz andere Weise zur Welt gekommen, aufgezogen und ausgebildet worden als die Kinder, die in den einzelnen Leveln heranwuchsen. Sie kannte das Leben außerhalb der Mauern des Militärgeländes nur durch die Berichte ihrer Ausbilder. Den Großteil ihrer gesamten bisherigen Existenz hatte sie innerhalb der glatt geschliffenen Steinwände verbracht. War mit ihren Regeln und Normen groß geworden und erzogen worden. Die Grundsätze des Regimes und seine Tugenden waren ihr schon von klein auf beigebracht worden und ihr heute in Fleisch und Blut übergegangen.
 

Das Subjekt lag vor ihnen auf einem metallenen Tisch, fixiert mit starken Lederriemen, damit eine vermutete Flucht von vorneherein verhindert werden konnte. Es handelte sich um ein junges Mädchen, mit schlanker Gestalt und zarten Gesichtszügen. In Büchern würde man diese Erscheinung wohl als Elfengleich bezeichnen. Ihre weiblichen Rundungen waren bereits ein Stück weit ausgebildet und versprachen trotz ihrer Unfertigkeiten Männern jetzt schon paradisisch süßes Vergnügen. Es war die ihr zugeteilte Aufgabe. Agent C sah ein Geschöpf auf einem medizinischen Untersuchungstisch liegen, dass noch ein halbes Kind war und für das die Aussicht auf das was sein späteres Leben bestimmen sollte, vermutlich mehr als verstörend gewesen sein musste. Hier vor ihr auf dem Tisch lag ein Stück personifizierte Unschuld.
 

Kinder besaßen anders als Erwachsene noch natürliche Fähigkeiten zu träumen, auch wenn sie dieses dann nicht kontrollieren konnten, wie unter dem Einfluss von Sandmann, besaßen sie dennoch die Fähigkeiten unterbewusst positive Welten um sich herum zu erschaffen. Je älter ein Mensch wurde desto schwächer wurden diese natürlichen Anlagen. Das kam daher, dass ab einem Alter von ungefähr vierzehn Jahren die Menschen dazu angehalten wurden ihren vorbestimmten Aufgaben nachzukommen. Ab da begann die regelmäßige Einnahme von Sandmann. Es kam nur sehr selten vor, dass so junge Menschen eine Überdosis Sandmann nahmen. Das Mädchen musste wirklich verzweifelt sein.
 

Und wieder durch den Strudel zum nächsten Auftrag eintauchen. Widerrede gibt es keine. Also fügen sich C und T ihrem Schicksal. Um sie herum erblicken sie ein sonnendurchschienenes Waldgebiet mit den Gesängen von alten, längst vergessenen Vögeln, welche um die Gunst der Weibchen werben. Eine Oachkatz springt von Baum zu Baum um sich eine Nuss zu holen. An dem dünnen Waldpfad, welcher durch die einzelnen Sonnenstrahlen wie ein gefleckter Moosteppich aussieht, ab und zu unterbrochen durch eine lilane oder weiß-gelbe Blume.
 

T zieht eine Augenbraue hoch, die andere verärgert runter, während C hingegen diesen Anblick unbewusst genießt. Ts schwere Stiefel stampfen unter lautem Krachen von kleinen Ästen, jeder durchhallt diese Idylle wie ein Donnerschlag, den Pfad entlang. C zuckt nur mit den Schultern bleibt aber ein Stück vorsichtiger als ihr Kamerad. Sie gehen eine gefühlte Ewigkeit, doch die Sonne bewegt sich nicht, sie bleibt immer an dem gleichen Fleck. C fällt es zuerst auf.
 

„Warte! Der Ast vor dir ist erst vor kurzem abgebrochen worden und hier ist weit und breit niemand außer uns.“ T bleibt stehen und zieht die Stirn kraus. „Hmmm. Nur wohin gehen wir dann, links oder rechts? Der Kreis ist zu groß um zu erkennen ob er links oder rechts von uns ist.“ Brummt er. „Haben wir einen Orientierungspunkt?“ „Ja, die Sonne. Sie beweg sich nicht und schwebt immer links über uns am gleichen Fleck.“ T gibt einen schnalzenden Laut von sich. „Wäre zumindest einen Versuch wert.“, meint C grinsend und so machen sich die beiden auf den Weg zu dem Punkt unter der Sonne.
 

Und siehe da nach gar nicht allzu langer Zeit kommen sie auf eine Lichtung, gespickt mit übergroßen Plüschtieren, grasenden Pferden mit einem Horn auf der Stirn, ein zwei Rehkitzen und mehreren bunten Hasen. In ihrer Mitte kniet ein kleines Mädchen mit golden-gelockten Haaren. Sie schaut die beiden Traumfänger aus tiefgrünen Augen erstaunt an. „Wer hat euch Einlass gewährt?“ piepst sie.
 

„Unser Verstand.“, knurrt T. „Dann geht doch bitte wieder dorthin wo ihr herkommt. Ich will hier alleine sein.“, piepst sie seufzend. „Das tun wir, aber nur wenn du mit uns kommst.“ C versucht beruhigend auf sie einzureden. „NEIN!“ Ein Blitz schlägt an der Stelle ein, wo T gestanden hatte, doch er war eine Sekunde zuvor einen Schritt beiseite gegangen. „Verstehe doch, du hast keine Chance gegen uns.“, versucht C es weiter. „Lieber sterbe ich!“
 

Blitze zucken aus dem azurenen Himmel auf die Beiden hinab. C springt, schlägt Haken kommt ihr aber nicht näher im Gegensatz zu T, der ihnen ohne große Mühe und mit nur kleinen Schritten ausweicht. Irgendwie kann er anscheinend vorhersehen wo sie einschlagen. Ein Hase springt unvermittelt vor und verbeißt sich in Ts Oberschenkel. Mit finsterer Miene schaut er das süße Wollknäul an, während sich sein linker Arm und seine Schulter in den Rumpf eines Wolfes verwandeln. Sein schwarzes Fell steht dem stechenden Blick aus rotglühenden Augen in nichts nach. Die Lefzen triefen vom Blut, als er das Häschen ohne Mühe vor den Augen des kleinen Mädchens zerfleischt.
 

C ist kurz abgelenkt, wird von dem Geweih eines Hirsches erfasst und mit Wucht gegen einen Baum geschleudert. ‚Wieso kommt er mit dieser Welt soviel besser zurecht?‘ ,fährt es ihr durch den Kopf als der Aufprall auf einem Baum am Rande der Lichtung ihr die Luft aus der Lunge treibt. Ihre Hände wandeln sich in Klingen und köpfen ihren Angreifer.
 

T schreitet weiterhin nahezu ungerührt und ohne Hast auf ihre anscheinend wirklich zu junge Gegnerin zu. In ihren grünen Augen flackert ein Hauch von Angst gemischt mit Bedauern, aber auch die Willensstärke nicht aufzugeben. C sieht wie die gehörnten Pferde Kurs auf die Beiden nehmen. Zwei auf T, eines auf sie. C springt einfach über ihren Gegner und verfehlt das Tier knapp mit den Klingen. Ts Wolfsarm reißt den linken Angreifer, während er seinen Körper von dem anderen treffen lässt. Doch anstatt aufgespießt zu werden verschwimmt er kurz wie eine Interferenz und das Pferd schießt durch ihn hindurch. Grinsend dreht er sich zu C um.
 

Das Tier wandelt sich. Sein Fleisch fällt von den Knochen, die Haut bricht auf und legt den Blick auf das darunterliegende Gerüst frei. Es beginnt nach Fäulnis zu riechen und wimmelnde weiße Maden bilden nun die Augäpfel. Diese Verwandlung lenkt sie mehr ab als es sollte und so vergisst sie für den Bruchteil einer Sekunde das auf sie fixierte Pferd, welches auch schon mit unglaublicher Geschwindigkeit auf sie zustürmt. Ts untotes Einhorn ist zur Stelle und spießt seinen ehemaligen Artgenossen mit dem Horn in der Mitte auf, schiebt es zur Seite und lässt es dort fallen um sich gemütlich an den Eingeweiden des vor Schmerzen schreienden Fabelwesens zu laben.
 

Sie treffen gleichzeitig ungehindert bei der Kleinen ein. „Wachst du nun freiwillig auf?“ Tränen laufen über ihr Gesicht. Sie verkrampft ihre Hände in dem rosanen Kleid und blickt nach unten als sie mit gebrochener Stimme fleht: „Tötet mich lieber, bitte.“ T lacht laut auf. „Denkst du ich geh mehrere Monate in Einzelhaft nur wegen persönlichen Befindlichkeiten? Wir haben alle unsere Last zu tragen.“ T grinst dabei immer noch. C flüstert versöhnlich: „Wach jetzt lieber auf. Es ist immer noch besser, als wenn wir dich dazu zwingen müssen.“
 

„NEIN!“ pure Verzweiflung beherrscht das Kind, das einen spontanen Fluchtversuch weg von den beiden Traumfängern wagt. Aber es prallt nur gegen das untote Fabelwesen von T, das zu Cs Erstaunen ein stattlicher untoter Einhornwallach ist. „WARTE!“, schreit sie T an und versucht ihn wegzuschieben, um ihn aus der Konzentration zu bringen, doch er lässt sie einfach vorbei und in den Dreck fliegen. Seine Kreatur nimmt der kleinen Göre gewaltsam ihre Unschuld. Er schaut ohne eine Mine zu verziehen zu um nach getaner Arbeit aufzuwachen.
 

Die Geräuche aus dem Einsatzzimmer hallten noch eine ganze Weile in C Kopf nach. Vor allem das verzweifelte Schreien des Mädchens, als man es vor ihren Augen weggebracht hatte, würde sich in ihr Gedächtnis eingebrannt bleiben. Sie konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum das Mädchen so viel Gegenwehr geleistet hatte. Immerhin hatte jeder im System eine Aufgabe, die ihm bereits vor seiner Geburt zugeteilt worden war, zu erfüllen. Man konnte sich das nicht aussuchen. Niemand hatte eine Wahlmöglichkeit, ob er die Aufgabe erfüllen wollte oder nicht. Aber im Allgemeinen dachte auch niemand darüber nach.
 

Ihr Blick verweilte noch immer auf der Tür durch die sie verschwunden waren, während sie darauf wartete, dass man T und sie von den Messinstrumenten abkoppelte. Warum also konnte sich das Mädchen nicht damit abfinden? Sicher, sie war noch fast ein Kind, aber im system hatten auch diese ihren Teil zum Erhalt der Ordnung beizutragen. C schoss der Gedanke durch den Kopf, dass es vielleicht ein so genanntes Phantomkind gewesen war. Diese waren nicht im System registriert und gingen meistens aus körperlichen Gründen hervor.
 

Jedes Kind, das um sie herum geboren wurde, war zuvor im Labor gezeugt worden und dann einer Frau, deren Aufgabe es war ‚Mutter‘ zu sein eingepflanzt. Diese Frauen trugen dann die Kinder aus, die bereits kurz nach der erfolgreichen Verpflanzung registiert wurden und einen Namen sowie eine Aufgabe bekamen und brachten sie zur Welt. Danach kümmerten sie sich noch etwa ein halbe Jahr um sie, bevor die Kinder in die Obhut der regimegeführten Ausbildungsstätten gebracht wurden.
 

Gefühle wie Liebe und Leidenschaft waren verboten, denn sie bedeuteten Individualität und Entscheidungsfreiheit und diese durfte es zum Erhalt des Systems nicht geben. Ebenso waren körperliche Verbindungen zwischen den Menschen nicht erlaubt. Lediglich die ganz treuen Systembefürworter, die ohnehin meistens in Level Null lebten durften sich diesen verbotenen Luxus gönnen. Die Strafen waren drakonisch und jeder der erwischt wurde gnadenlos zur Rechenschaft gezogen. Wenn ein Kind aus dieser Verbindung hervorging bezeichnete man es als Phantomkind.
 

C verwarf den Gedanken daran allerdings schnell wieder, denn die Kinder aus solchen verbotenen Verbindungen überlebten in der Regel die ersten zwei Wochen ihres Lebens nicht, weil sie im Normalfall in Level Vier zum Sterben ausgesetzt wurden. Nur manchmal in seltenen Fällen, wenn das Potential in ihnen außergewöhnlich groß war, wurden sie eingesammelt und in eine Ausbildungsstätte gebracht. Aber das kam so selten vor, dass es kaum der Rede wert war.

Der Blick der Traumfängerin war noch immer auf die Tür des Raumes gerichtet. Sie wartete. Die junge Soldatin wusste genau, warum man T und ihr den Befehl im Einsatzraum zu bleiben hatte zukommen lassen. Sie wusste, was jetzt folgen würde und daher war es für sie auch keine Überraschung, dass ihr Vorgestetzter den Raum in Begleitung von vier Soldaten der internen Gefängnisabteilung betrat.
 

Der kalte, harte Blick des älteren Mannes streifte sie ohne, dass es ihr viel ausmachte. Sie war daran gewöhnt. Es war der Ausdruck mit dem man sie in ihrer Ausbildung gestraft hatte, wenn etwas nicht wie gewünscht verlaufen war. Genau so waren die Worte, die er an sie richete keine von neuem Inhalt. „Agent C, aufgrund Ihrer Verfehlungen im jüngst vergangenen Einsatz lasse ich Sie festnehmen und verurteile Sie zu einer Strafe. Sie werden eine Woche in der E-Zelle verbringen. Nutzen Sie die Zeit und denken Sie darüber nach, was ihre Aufgaben und Pflichten sind.“
 

C antwortete ergeben mit einem ‚Ja, Sir.‘ und spürte wie ein Zucken durch T neben ihr lief. Sie ahnte, dass der junge Mann nicht damit einverstanden war, wie ihr Vorgesetzter sie behandelte. Doch bevor er nur ansetzten konnte um Protest einzulegen, traf ihn Cs mahnender Blick von der Seite und er blieb regungslos stehen. Auf einen Wink des älteren Mannes hin näherten sich die Soldaten der internen Gefängnisabteilung der Traumfängerin langsam.
 

„Sie kennen das Prozedere ja.“ C’s Antwort beschränkte sich auf ein Zusammenschlagen der Stiefelabsätze, als sie sich aus ihrer Haltung löste und den Knoten ihrer Krawatte entfernte. Das Kleidungsstück fiel achtlos neben ihre Stiefel auf den Boden, als einer der Soldaten die oberen Knöpfe ihrer Hemdbluse öffnete und damit ihren Hals vollständig freilegte. T entging der Ring aus feinen Narben um ihren Halsansatz nicht, auch wenn er fast sofort durch ein milchiges Halsband aus Glas verdeckt wurde.
 

Die Hände der Traumfängerin wurden ihr auf dem Rücken fixiert und am Halsband wurden vier Kabel befestigt. Eingerahmt von den Soldaten setzte sie sich auf Befehl hin in Bewegung. Sie kannte den Weg in den Gefangenentrakt und so brauchten ihre Wächter keine großartigen Befehle aussprechen. Sie folgte ihnen auch so, während ihr Vorgesetzter ihnen nachging. Es machte ohnehin keinen Sinn zu widersprechen, auch wenn die Strafe für diesen Fall ungewöhnlich hoch war. Aber sie hatte einen Fehler gemacht und der musste geahndet werden. So verlangten es die Regeln. Soldaten befolgten Befehle und hatten nicht zu zögern oder darüber nachzudenken.
 

T blieb allein in dem Raum zurück und hob nach einer Weile gedankenlosen Starrens auf das Kleidungsstück die weisse Krawatte vom Boden auf. Er wusste nicht wirklich was er damit machen sollte, also nahm er sie erstmal mit auf seine Stube. Er würde ohnehin auf neue Befehle warten müssen, wenn er eine Woche ohne Kameradin war. Ohne Einsätze würden es lange, langweilige sieben Tae werden, das wusste er jetzt schon. Leiser Groll stieg in ihm hoch, ohne dass er sagen konnte gegen wen und warum.

Sequenz 006


 

See who i am,

break through the surface

reach for my hand,

Let's show them that we can

free our minds and find a way

the world is in our hands
 

T lief langsam den gläsernen Gang entlang, der ihn vom Unterkunftstrakt in den Teil des Geländes brachte, in dem der interne Gefängnistrakt lag. Vor ein paar Stunden hatte man ihm den Befehl erteilt seine Teamkameradin aus der Haft abzuholen. Man hatte ihm die Zellennummer und eine Uhrzeit genannt, zu der er sich dort einzufinden hatte. In einer seiner Hände hielt er die Krawatte, die er mitgenommen hatte, nachdem C von den Soldaten abgeführt worden war. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, denn normalerweise war es nicht üblich, dass ein Inhaftierter von seinem Teamkameraden abgeholt wurde. Genauso wie er nicht so recht wusste, was er von Cs Verhaftung halten sollte.

 

Der Traumfänger war sich sicher, dass man mit der Aktion ein Exempel hatte statuieren wollen. Die Nachricht über die Inhaftierung eines Agenten hatte sicherlich längst im Areal die Runde gemacht. Beunruhigende Nachrichten wie diese verbreiteten sich hier wie ein Lauffeuer, weil jeder fürchtete der Nächste sein zu können. Befehlsverweigerung, so lautete zumindest die offizielle Anklageschrift. Es war ein Warnschuss an alle, die begannen das Regime und das System anzuzweifeln, die sich zu viele Gedanken machten, oder zu viele Fragen stellten, das stand fest. Auch an ihn. Er war anders als C, schon alleine seines Status wegen, das wusste er. Für T war es kein Zufall, dass man sein altes Team aufgelöst und ihn ausgerechnet mit ihr zusammengebracht hatte. Das Regime verfolgte irgendein höheres Ziel, das sagte ihm sein Bauchgefühl.

 

Er warf einen kurzen Blick durch das Glas nach draußen. Es war so sauber poliert, dass man das Gefühl bekam zwischen den stählernen Ringen befände sich nichts als Luft. Der Himmel sah aus, als würde es gleich anfangen zu Regnen. Dunkle graue Wolken hingen tief über den Häuserdächern und es schien, als würden sie sich keinen Zentimeter von der Stelle bewegen. Trübes Licht fiel auf die Stadt herunter und irgendwie kam es ihm so vor, als ob das Licht heute düsterer war, als die Tage zuvor. Vielleicht hatte C nicht so Unrecht gehabt mit ihrer Vermutung und die Welt veränderte sich tatsächlich. Nur so langsam, dass es keinem auffiel. Aber eigentlich sah es draußen aus wie immer. Grau. Trüb. Trostlos.

 

Seine Schritte führten ihn am Ende der Glasröhre an eine bewachte Sicherheitstür aus dickem Stahl. Davor standen zwei schwer bewaffnete Soldaten mit Panzerung über der Uniform. Sie traten T in den Weg, als er sich ihnen bis auf wenige Schritte genähert hatte. Er griff an die Innentasche seines Mantels und holte ein sauber gefaltetes Blatt Papier heraus. Es war mit offiziellen Abzeichen und Unterschriften versehen. T überreichte es einem der beiden Soldaten und dieser studierte es aufmerksam. Es war die Verifizierung des Einsatzbefehls. Ohne das Schreiben würde man ihn wohl kaum in den vor ihm liegenden Trakt durch lassen. Er könnte sich war leicht Zugang verschaffen, wenn nötig mit Gewalt, aber das entspräche nicht dem Sinn seiner Anwesenheit. Er würde schneller in einer Isolationszelle landen, als ihm lieb war.

 

Der Soldat prüfte die Unterschriften, bevor er seinem Kameraden mit einem Kopfnicken andeutete zur Seite zu treten. Mit ihren Hundemarken, die eingefasst waren in ein metallenes Armband entriegelten sie die Sicherheitstür, die sich mit erstaunlicher Leichtigkeit öffnete. T durchschritt sie und setzte seinen Weg fort. Mit einem gespenstisch leisen Geräusch schloss sich der Durchgang hinter ihm. Er folgte den Gängen durch das Gebäude vorbei an unzähligen Zellen. Die meisten davon waren leer. Erst am Ende gelangte er an eine weitere schwer bewachte Tür. Wieder verlangte man den verifizierten Einsatzbefehl und wieder wurde er genau überprüft. Diesmal jedoch behielten die Soldaten das Schreiben und eine der Wachen brachte es zu seinem Vorgesetzten. T vermutete, dass dieser den Entlassungsvorgang einleiten musste.

 

Die Türflügel vor ihm glitten auseinander und dahinter lag ein langer, dunkler Flur mit Zellen, deren Gitter aus einer Glaswand bestanden. Der E-Zellentrakt. Die Arresträume waren klein, maßen kaum drei auf drei Meter und wurden von kleinen Lampen an der Decke in dunkles, blaues Licht getaucht. In jeder hingen mehrere unterschiedlich lange, milchige Kabel von der Decke. Er wusste, dass sie für Hals-, Arm- und Knöchelbänder aus demselben milchigen Material waren. Je nach Urteil wurden die Gefangenen mit unterschiedlichen Bändern an die entsprechenden Stromkabel angeschlossen, die ihnen bei jeder Bewegung einen Stromstoss durch den Körper jagten. Es dauerte eine Weile bis sich seine Augen an die trübe Lichtstimmung gewöhnt hatten und er Umrisse erkennen konnte.

 

T fand C in einer Zelle, relativ weit hinten, am Ende des Ganges. Das milchige Halsband, das man ihr bereits im medizinischen Trakt angelegt hatte, war an vier Kabel angeschlossen. Sie kniete auf dem Boden in der Mitte des Raumes und ihre offenen Augen schienen teilnahmslos ins Leere zu starren. Die Hände hatte man ihr noch immer auf dem Rücken fixiert. Sie saß völlig regungslos dort, doch ab und zu sah er einen hellen, bläulichen Blitz durch eines der Kabel schnellen. Dann hatte sie eine der Kontaktstellen berührt. Man konnte die Bänder unterschiedlich eng einstellen. Bei ihr hatte man eines gewählt, das nur wenige Millimeter von der Haut entfernt war. Eine Berührung der Auslöser also unvermeidbar und trotzdem schien sie gelernt zu haben in perfekter Bewegungslosigkeit zu verharren bis die Strafe abgesessen war. Agent T fragte sich unweigerlich wie viel Zeit sie hier schon verbracht hatte.  

 

Er spürte, dass sie nicht anwesend war und ahnte, dass sie sich in ihrer Eigenen Welt befand. Jedenfalls reagierte sie nicht auf den Schmerz, den jeder Stromstoss verursachen musste. Es würde noch eine Weile dauern, bis sich die gläserne Wand anheben und die Kabel C freigeben würden. T war zu früh am Zellentrakt erschienen, wie er mit einem schnellen Blick auf seine Uhr feststellte. Jetzt musste er abwarten bis die Zeit der Haft abgelaufen war. Er nahm auf dem Boden ihrer Zelle gegenüber Platz und lehnte sich an die Glaswand hinter ihm. Aus Ermangelung irgendeiner einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit begann er irgendwann die junge Frau genauer zu betrachten.

 

Man hatte ihr die Uniform abgenommen und sie in ein graues, halbdurchsichtiges Kleid gehüllt, das offensichtlich die Gefangenenkleidung darstellen sollte. Ihre blasse Haut schimmerte in dem dunklen Licht fahl. T ließ den Blick schweifen und musterte ihren zierlichen, athletischen Körper. Die Uniformen waren zwar figurbetont geschnitten, aus welchen Gründen auch immer das nötig war, aber sie ließen nicht wirklich ein Urteil zu. Aber hier in diesem Kleid, das kaum Raum für Fantasien übrig hatte, konnte er jede Rundung erkennen. Je länger er den Blick auf ihr ließ desto seltsamer fühlte er sich. Bis er irgendwann merkte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg und er den Blick abwandte.

 

Als er den Kopf wieder hob, blieb er an ihren Augen hängen. Der leere Ausdruck darin, verbunden mit dem dunklen Schimmer des blauen Lichts verursachte einen unangenehmen Anblick. Die Iris war fast vollständig weiß, bis auf einen schwarzen, ausgefransten Ring außen und innen, sodass ihre Augen grundsätzlich einen kalten, starren Ausdruck hatten. Er konnte nur mutmaßen, wie jemand an so eine Augenfarbe gekommen war. Auch ihre Haarfarbe entsprach absolut nicht der Norm, aber dieses dunkle, blutfarbene Rot gefiel ihm gut. Es brachte ein paar Tupfen Farbe in die sonst so graue und öde Umgebung.

 

Cs Anblick ließ ihn unruhig werden, grade zu nervös. Um sich zu beschäftigen begann er fahrig mit der Krawatte, die er noch in Händen hielt zu spielen. Je intensiver er sie betrachtete, desto stärker wurde das unbekannte Gefühl, dass in ihm aufstieg. Ein kurzer Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass noch nicht wirklich viel Zeit vergangen war und es kam ihm, je länger es dauerte so vor, als würden die Sekunden quälend langsam vergehen. Irgendwann hielt er es gar nicht mehr aus mit dem unbekannten Gefühl in der Brust, das ihn unruhig werden ließ und ihm ein kaum wahrnehmbares Kribbeln in die Fingerspitzen trieb, beschloss er in der Träumenden Stadt einen Besuch abzustatten um sich die Zeit zu vertreiben.

 

 

 

Er findet sich auf dem Dach des Gebäudes wieder und lässt den Blick über die vor ihm liegende Stadt schweifen. Die meisten der Traumblasen glimmen in einem matten, blassen Licht in der Düsternis der ewigen Nacht der Stadt. Sie sind inaktiv, ihre Träumer wach und in der Realität unterwegs. Ihre Oberflächen sehen aus wie die glänzenden Innenseiten von Muscheln. Nur wenige strahlen hell und aktiv und tauchen die Umrisse der Häuser und Straßen in ein gespenstisches Licht. Während die glimmenden Blasen völlig reglos sind, vibrieren diese leicht in ihren Fäden. T betrachtet eine Weile vereinzelte aktive Blasen und beobachtet die Veränderungen darin. Es ist interessant dabei zu zusehen, was der Träumende sich für eine Welt erschaffen hat und wie er sie verändert.

 

Bis seine Aufmerksamkeit irgendwann von etwas abgelenkt wird, das in seinem Augenwinkel auftaucht. Eine kleine, weiße Feder tanzt ein Stück entfernt von ihm in der Luft und scheint sich zu weigern auf den Boden zu sinken. Neugierig geworden, was es mit dem kleinen Ding, das offensichtlich etwas von ihm will, auf sich hat streckt T die Hand danach aus und versuchte die Feder zu greifen. Sie zuckt ein paar Mal vor ihm zurück und er brauchte ein paar Versuche, bis er sie endlich zu fassen kriegt.

 

Die kleine Feder schmiegt sich weich an seine Handfläche und kaum, dass er die Finger darum geschlossen hat, beginnt sie eine seltsame Wärme auszustrahlen, sodass er seine Hand wieder öffnet. Das kleine Ding beginnt zu vibrieren und in einem hellen Weiß zu glimmen und  zu pulsieren, bevor es schließlich vollständig zu leuchten anfängt und sich seine Form in eine kleine Kugel aus weißem Licht verändert. Sie fühlt sich trotz des kalten Farbtons noch immer angenehm warm an. Es dauert ein paar Augenblicke bis er versteht, dass es sich um eine Kugel aus Seelenlicht handelt und wer sie geschickt hat.

 

Es ist eine Einladung in ihre Eigene Welt. Ohne die Erlaubnis eines Traumfängers kann kein anderer dessen Rückzugsort nicht betreten. Eine Schutzmaßnahme, die sich über die Jahre etabliert hat um die eigene Seele vor äußeren Einflüssen zu bewahren. „Na dann.“, murmelt er dem Lichtball leise zu. „Zeig mir den Weg.“ Erneut vibriert die Kugel und erhebt sich aus seiner Hand. Mit einem Schritt Abstand schwebt sie vor T in der Luft und entfernt sich von ihm, als er einen Schritt darauf zu macht. Ein paar Armlängen weiter schwebt sie über dem Abgrund der Häuserschlucht. Fast scheint es als wolle sie überprüfen, dass er ihr auch wirklich folgt. T versteht den Wink und tritt an die Dachkante. Einen Moment verharren beide reglos in ihren Positionen, bis T den Sprung wagt und sich mit der Stiefelsohle kräftig an der Kante des Daches abstößt, um der Kugel in den Abgrund zu folgen.

 

Das weiße Ding zuckt und flitzt vor ihm durch die Häuserschluchten. T hat keine Mühe ihm zu folgen, fast scheint es, als würden sie ihre Geschwindigkeiten aneinander anpassen. Gemeinsam jagen sie durch die Stadt, bis die Kugel ihren Flug unvermittelt stoppt und hoch in den Himmel schießt. T folgt ihr so gut es geht. Er genießt das kleine Verfolgungsspiel und mustert die Kugel neugierig, als sie erneut anhält und reglos verharrt. Das weiße Licht pulsiert ein paar Mal, bevor es beginnt um T zu kreise, der den Bewegungen weiter folgt und sich um die eigene Achse dreht. Um ihn herum verschwimmt die Welt.

 

Als sie schließlich nach ein paar Umdrehungen anhält hat sich unter seinen Füssen ein Waldboden materialisiert und um ihn herum leuchtet im matten Licht des Balls schemenhaft ein Dickicht aus Zweigen und Blättern. Das Licht huscht vorwärts und T folgt ihm. Dort wo seine Stiefel den vermeintlichen Boden berühren bildet sich weicher, von Moos bedeckter Waldboden und sobald er den Kontakt verliert, verschwindet der Untergrund unter seinen Füssen wieder in der dichten Schwärze. T ist zu konzentriert auf das Licht vor ihm um es wirklich zu bemerken. Das Licht führt T ein paar Meter durch das Dickicht, bevor es schließlich auf eine Lichtung kommt, die sich vor ihm öffnet. Ein heller Fleck Erde, eingefasst von dunklem, undurchdringlichem Dickicht, das sich wie eine Schutzmauer um das frische Grün legt.

 

In der Mitte der Wiese mit kräftigem, grünem Gras befindet sich ein groß gewachsener, sehr alt aussehender Baum mit dunkler Farbe und dichtem Blattwerk in der Krone. Die Stimmung die T auf der Lichtung empfängt ist friedlich. Ein Ort, der Ruhe und Geborgenheit ausstrahlt und der perfekte Rückzugsort für einen Traumfänger zu sein scheint. Mit einem Mal versteht T warum C sich in der Eigenen Welt des letzten Subjekts deutlich wohler gefühlt hatte als er selber. Nur hier fehlt der kindliche Kitsch. Die Umgebung ist deutlich nüchterner gehalten, trotz diverser Blumen, die vereinzelt auf der Wiese blühen. In seinen Augen sind es Akzente, die die Umgebung lediglich authentischer erscheinen lassen.

 

Das weiße Licht flirrt vor ihm her auf den Baum zu, während er langsam Schritt für Schritt darauf zugeht. Er hat das Gefühl keinen unbedachten Schritt machen zu dürfen, denn die Umgebung erscheint ihm wie ein fragiler Raum, der jederzeit durch eine falsche Bewegung zerstört werden kann. Auf halber Strecke fällt sein Blick auf eine Gestalt, die vor dem Baum im hohen Gras kniet. Er erkennt C darin, aber in einer sehr jungen Version. Das Mädchen hat schulterlanges, blutrotes Haar und eine zierliche Figur. Es trägt ein weißes Kleidchen und ruht völlig reglos auf dem Boden, die Hände im Schoss gefaltet.

 

T erkennt auf den ersten Blick keinen großen Unterschied zur erwachsenen Version von C, aber als er näher kommt und genauer hinsieht irritieren ihn zwei Dinge an dem Bild das sich ihm bietet. Das eine ist das schwarze Metallhalsband um den schmalen Hals, von dem eine lange, schwere Kette in die Mitte des Baumes und direkt in das Holz hineingeht. Sie scheint das Mädchen an Ort und Stelle zu halten, ohne seinen Bewegungsradius innerhalb der Lichtung einzuschränken. Zusätzlich fallen ihm die feinen, schwarzen Linien auf der hellen Haut im Bereich des Hals auf, die ihren Ursprung im Halsband zu haben scheinen. Es hinterlässt ein beklemmendes Gefühl in Ts Brust, denn er spürt, dass mehr hinter der Kette steckt und  das so nicht ganz richtig sein kann.

 

Das Zweite was ihn irritiert sind die Augen des Mädchens. Ihr Blick ist starr und gleichzeitig bewegt, leer und trotzdem voller Emotion und Wärme und ihre Iris schillert in allen bekannten Farben. Fasziniert davon nähert er sich dem Mädchen und streckt einem inneren Impuls folgend die Hand nach ihr aus. Das Licht ist bereits hoch in der Krone des Baums verschwunden und von dort dringt auch eine mahnende Stimme an sein Ohr, als seine Fingerspitzen kurz vor dem Gesicht des Mädchens sind. „Fass sie nicht an.“ T verharrt in der Bewegung und wendet seinen Kopf in die Richtung aus der die Stimme gekommen ist.

 

Er entdeckt C auf einem dicken Ast über sich sitzen und wendet sich ihr zu. Sie trägt ihre Einsatzuniform und er ist unweigerlich erleichtert darüber. Sie sieht sonst auch nicht verändert aus. „Wer ist sie?“, fragt T, dem die Frage auf der Seele brennt. C entfährt ein leiser Seufzer, ehe sie ihm antwortet. „Meine Seele.“ T wendet sich kurz um und mustert sie dann wieder. „Warum die Kette?“, hakt er nach. „Eine Folge des Transhuman-Projektes. So verhindern sie, dass sich Agenten vollständig in die Eigene Welt absetzen. Das was du in der Eigenen Welt von mir vor dir siehst ist nur eine Art Kopie meiner Seele. Der eigentliche Kern ist hier fixiert. Ab einem gewissen Synchronisationslevel ist das Vorschrift.“, erklärt sie bereitwillig.

 

Einen Augenblick lang tritt Schweigen zwischen die beiden Traumfänger und T, der den Blick wieder auf das kleine Mädchen gerichtet hat, weiß, dass sie ihn mustert und er kann in ihrem stechenden Blick, den er in seinem Nacken spürt den stummen Vorwurf erahnen, den sie nicht ausspricht. Er weiß, dass sie sein Vorgehen im letzten Auftrag als zu übertrieben empfindet und ahnt, dass sie nicht versteht, warum er so aggressiv gegenüber dem Subjekt reagiert hat. Mit einem lautlosen Aufseufzen dreht er sich zu ihr um, um sich dem kühlen Blick aus den weißen Augen zu stellen. „Du hast zu hart reagiert.“ Eine simple Feststellung ohne jegliche Wertung. „Es war der einzig richtige Weg.“, verteidigt er sich. Sie legt den Kopf schief. „Es gibt immer mehr als einen Weg.“ Eine weitere nüchterne Aussage. „Ob er allerdings der richtige ist, bleibt Definitionssache.“ Sie springt leichtfüßig vom Baum und kommt ein paar Schritte auf ihn zu. T hüllt sich in Schweigen.

 

C wendet sich in dem Wissen, dass er ihr ohnehin nicht antworten wird halb von T ab und streckt die Hand aus. Die Grasnarbe platzt auf und die Ränder des Risses dehnen sich langsam auseinander. Auf dem Grund der entstandenen Grube beginnt klares Wasser an die Oberfläche zu sprudeln und den Hohlraum auszufüllen. Aus dem Gras rund um den Teich sprießen langsam Pflanzen, ebenso wie auf der Wasseroberfläche. Mit einer weiteren Handbewegung beginnt Wurzelholz aus dem Boden zu erscheinen und sich zu einer Sitzbank zu verweben. Mit einem Schnipsen ihrer Finger wird es Nacht und über dem Wasser beginnen Glühwürmchen zu leuchten. C nimmt auf der Bank Platz.

 

T gesellt sich zu ihr. „Warum der Aufwand?“ Er versteht nicht ganz, warum sie ihre Eigene Welt so umständlich umwandelt. C zieht ein Bein auf die Bank und stützt die Sohle ihres Stiefels auf de Sitzkante der Bank. Ihr Kinn ruht auf ihrem Knie und sie hat die Arme locker um ihr Bein gelegt. „Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil es sich echter anfühlt.“ T lässt den Blick schweifen und die Atmosphäre auf sich wirken. „Ist ein bisschen sehr romantisch, oder nicht?“ C hebt den Kopf und sieht ihn verständnislos an. „Ich weiß nicht, was ‚romantisch‘ bedeutet. Für mich fühlt es sich einfach nach zu Hause an.“

 

Schweigen tritt zwischen die beiden Traumfänger. C scheint alles gesagt zu haben und T weiß nicht so ganz, was er sagen soll. Sie ist so völlig anders als er und T vermutet, dass es damit zusammenhängt, wie sie aufgewachsen ist. Irgendetwas hat sich verändert zwischen ihnen. Es ist seltsam, weil er nicht wirklich benennen kann, was es ist. Wieder dieses Zucken durch ihrer beider Seelen und wieder nehmen sie es nicht bewusst wahr. Bevor er nach einer Weile jedoch etwas sagen kann, kommt sie ihm zuvor. „Du solltest zurückkehren. Es nähert sich jemand dem Zellentrakt.“ T schaut sie einen Moment verwundert an, hält sich aber an ihren Rat.

 

 

 

Er öffnete die Augen genau in dem Moment, in dem die Tür am anderen Ende des Zellengangs aufschwang. Rasch erhob er sich und wartete, bis der Schemen, den sein Blick im Gegenlicht erfasst hatte bis auf wenige Schritte an ihn herangekommen war. Noch immer hielt er Cs Krawatte in den Händen, die er jetzt hinter dem Rücken verschränkte.

Die Gestalt entpuppte sich als der Leiter des Gefängnistraktes. Ein hagerer, alter Mann in Uniform mit streng nach hinten gekämmten grau-weißen Haaren. Ein kühler Blick traf T aus wässerigen Augen, die hinter einer schmalen, randlosen Brille versteckt argwöhnisch den Raum durchsuchten. Die Abzeichen auf seiner Uniform sagten T, dass der alte Mann im Rang höher stand als er selber, also nahm er Haltung an und richtete den Blick geradeaus, sodass er Cs kalte, stechende Augen fixierte.

 

Sie sah ihn direkt an und er erkannte am Glanz darin, dass sie ebenfalls aus der Eigenen Welt zurückgekehrt war. Ihr Blick huschte zu dem hageren Mann und er glaube fast für einen kurzen Moment einen Funken Hass darin aufglimmen zu sehen. Es zuckten noch immer ab und an die bläulichen Blitze durch die Schläuche an ihr Halsband, aber T konnte keine körperliche Reaktion auf den Schmerz feststellen, außer dem kurzen Zucken ihrer Haut an den Kontaktstellen. Die Reaktion auf weitergeleitete Nervensignale konnte niemand abstellen.

 

Der Leiter des internen Gefängnistraktes würdigte ihn keines Blickes sondern wandte sich vor der Glaswand direkt an seine Kameradin. „Agent C, Ihre Zeit bei uns geht mal wieder dem Ende zu.“ Seine Stimme war leise und schnarrend, aber der arrogante Tonfall darin war nicht zu überhören. Er griff in das Jackett seiner Uniform und zog eine Schlüsselkarte heraus, die an einer feinen Kette fixiert war. Sie verschwand in einem Lesegerät, das an den Stützpfeilern zwischen den Glaswänden angebracht war.

 

Betont langsam tippte er einen Zahlencode in das Tastenfeld ein, darauf bedacht, das Display mit seinem Rücken vor Ts Blickfeld zu verbergen. Der Traumfänger wusste, dass es sich dabei um reine Machtdemonstration handelte, denn die Codes für die Verriegelung jeglicher Gefängniszellen wurden mit jeder Benutzung neu generiert und auf die Schlüsselkarten geladen. Ein kurzer piepsender Ton erklang und mit einem leisen Zischen fuhr die Glaswand nach oben. Er betrat die Zelle und marschierte auf C zu, während er wieder die Stimme erhob. C hatte dabei den Blick auf T gerichtet und jetzt erkannte er die offenkundige Abneigung gegenüber dem alten Mann darin.

 

„Ich hatte ja angenommen, dass Sie Ihre Lektion gelernt haben. Wir hatten zwar schon lange nicht mehr das Vergnügen mit Ihnen und daher die Hoffnung, aber ein kleiner Rückfall wird wohl zu verschmerzen sein.“ Er stand hinter ihr und beugte sich mit hinter dem Rücken verschränkten Händen so tief zu ihr runter, dass seine Lippen fast ihr Ohr berührten. „Ich rate Ihnen sich in Zukunft nicht mehr so schnell hier blicken zu lassen. Sie wissen genau, was ich von Ihrer Art halte.“

 

Er verstummte und ein hinterhältiges Grinsen zierte sein Gesicht, als er sich wieder aufrichtete, Ts Blick streifte und seinem Untergebenen anordnete, den Strom abzuschalten. Schließlich löste er genau so langsam den Verschluss des Halsbandes, sodass T wieder einen freien Blick auf den Ring aus feinen Narben auf ihrer Haut hatte. Es waren ein paar neue Schnitte dazu gekommen und es lief ein feines Rinnsal aus Blut an einem davon über ihr Schlüsselbein herunter. Die meisten waren allerdings entweder nicht tief genug, oder aber sie begannen schon zu verheilen.

 

„Stehen Sie auf, Agent C.“, befahl er und die junge Frau gehorchte. Sie erhob sich und verharrte auf nackten Füßen ohne eine weitere Regung auf ihrem Platz. Auf einen Wink des alten Mannes hin drückte der Untergebene T eine Kiste in die Hand und er identifizierte den Inhalt als Cs Uniform und ihre Waffen. Sein Vorgesetzter packte sie an den Handfesseln und gab ihr den Befehl sich vorwärts zu bewegen. Sobald sie die Schwelle der E-Zelle überschritten hatten ließ er sie wieder anhalten.

 

„Agent T ich übergebe sie jetzt in Ihre Obhut. Begleiten Sie Agent C auf ihre Stube“ T nickte als Zeichen, dass er verstanden hatte. „Ja, Sir.“ Der Leiter der internen Gefängnisabteilung löste Cs Handfesseln mit dem Kommentar. „Sie dürfen jetzt gehen.“ C schwieg dazu, während der alte Mann sich gemeinsam mit seinem Untergebenen entfernte und die beiden Traumfänger in dem schummerigen Licht des Gangs zurückließ.

 

C sah dem alten Mann noch einen Augenblick nach, bevor sie sich T zuwandte und ihm die Kiste abnahm. Der junge Mann verspürte den Drang ihr seinen Mantel über die Schultern zu legen, damit ihr nicht kalt war. Aber die junge Frau stellte die Kiste zur Seite und suchte darin ihre Kleidung zusammen, bevor sie begann sie Uniform wieder anzulegen. Er wandte höflichkeitshalber den Kopf ab um ihr nicht beim Umziehen zusehen zu müssen. Als sie die letzten Knöpfe der Uniformbluse geschlossen hatte, wandte sie sich ihm zu und griff nach dem weißen Kleidungsstück in seiner Hand, das noch fehlte. T wusste, dass er jetzt den Blick wieder auf sie richten konnte und er ließ sich die Krawatte aus den Fingern ziehen. Schlussendlich legte sie schnell und geschickt ihre Waffen wieder an, bevor sie ihn mit einem knappen „Gehen wir.“ aufforderte ihm zu folgen.

 

Schweigend liefen sie nebeneinander her, zurück zu ihren Zimmern. Er hätte durchaus fragen können, wie es ihr ging, aber er spürte, dass sie nicht reden würde. Ihre ganze Haltung strahlte das aus. Im nächsten Gedanken fragte er sich, warum ihn das überhaupt interessierte. Sie waren Kameraden und keine Freunde. Sie arbeiteten zusammen und hatten Regeln und Befehle zu befolgen. Unter Soldaten gab es keine Freundschaften, auch wenn das Band, das ein Einsatzteam zwischen sich spannte durchaus in diese Richtung ging. So begleitete er sie ohne ein weiteres Wort zu ihrem Zimmer.

 

Dort hielt er sich nicht lange auf, da sie auch keinerlei Anstalten machte, seine Gesellschaft länger als nötig zu tolerieren. Sie öffnete unmittelbar nach ihrer Ankunft die Tür und betrat die Stube. Er wandte sich nach ausgeführtem Befehl zum Gehen und als die Tür schon fast geschlossen war, drang ein leises ‚Danke.’ an seine Ohren. Ein kurzes Lächeln zuckte an seinen Mundwinkeln. Auch wenn er nicht sagen konnte, was sich veränderte, wusste er doch, dass es nicht unbedingt schlecht war.

 

C schloss die Tür hinter sich und wandte sich ihrem Bett zu. Sie ließ sich darauf nieder und seufzte einmal tonlos. Sie war froh aus dem E-Zellentrakt heraus zu sein, auch wenn sie das vermutlich nie laut zugeben würde. Ihre Strafe hatte sie ohne Protest akzeptiert, aber dennoch war ihr die Traktierung mit dem Halsband dieses Mal durchaus an die Substanz gegangen.

 

Sie war sich sicher, dass der Leiter des internen Gefängnistraktes die Stärke des Stroms deutlich über das gestellt hatte, was im Strafbefehl angeordnet worden war. C wusste, dass er eine Abneigung gegen Traumfänger hegte. Er machte sich auch kaum die Mühe, es zu verbergen. Zu dem war er ein despotischer Charakter, der es liebte seine Machtstellung an Rangniedrigeren auszuleben. Auch wenn sie nicht darüber nachzudenken hatte, dieser Mann war ihr mehr als unsympathisch. 

Sequenz 007


 

I am not judgmental

A sinner nor a saint

Cause either you're my best friend or you ain't

I'm deadly only when I'm getting caught

I count down to zero,

I'm a soldier without soul

 Kill by any means necessary

Win by any means necessary

 

Leichtfüßig lief Agent C auf die gummierte Schaumstoffbarrikade zu und stieß sich mit einer Hand auf der Kante ab, während sie elegant darüber sprang um dahinter in Deckung zugehen. Ein kurzer Moment reichte ihr um sich zu orientieren und ihr Ziel zu erfassen. Sie feuerte ihre Trainingswaffe, die mit Gummigeschossen geladen mit routinierter Schnelligkeit ab. Ein leises Fluchen sagte ihr, dass sie ihr Ziel getroffen hatte. Er würde neben dem Schmerz, der seinen Oberarm durchjagt hatte auch einen kleinen, blauen Fleck davon tragen, der sich aber durchaus in der Eigenen Welt wieder rückgängig machen lassen würde. Es war nicht die Absicht hinter einer Trainingseinheit den Gegner ernsthaft zu verletzen.
 

Sie wusste, dass er ihre Position jetzt lokalisiert hatte und bewegte sich langsam in der Hocke um die Ecke einer neben ihr stehenden Schaumstoffsäule. Die Waffe immer im Anschlag. An die Wand in ihrem Rücken gepresst wandte sie den Kopf gerade so weit um, dass sie aus den Augenwinkeln das Trainingsgelände überblicken konnte. Erst als sie sich sicher war, keine Bewegung wahrzunehmen änderte sie ihre Position und überbrückte den Abstand zur nächsten Deckung mit einer schnellen Rolle, sodass sie am Ende flach auf dem Boden liegen blieb. C legte die Waffe wieder an und wartete bis sie erneut eine Bewegung zwischen den Schaumstoffblöcken wahrnahm.
 

Ein leises Zischen der Druckluft drang an ihr Ohr als sie den Abzug betätigte. „Miststück.“ Der unterdrückte Fluch ließ ihre Mundwinkel zucken. Treffer. Sie hatte ihren Kameraden am Rücken zwischen den Schulterblättern erwischt, in dem Moment in dem er seine Position gewechselt und damit seine Deckung aufgegeben hatte. Eine schmerzhafte Stelle, aber er würde es überleben. Es war Teil ihrer Ausbildung und Teil ihres Trainings zu lernen mit Schmerz umzugehen und ihn in einem Höchstmaß aushalten zu können. Sie war sich sicher, dass T darin auch geübt war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Sektion Alptraum das anders handhabte.
 

C rollte sich mit einer geschmeidigen Bewegung in die nächste Deckung und durchwanderte den Raum mit langsamen Schritten. Sie lief barfuss und hatte die Fußgelenke bandagiert. Sollte ihre Munition ausgehen konnte sie immer noch zum Nahkampf übergehen. Das waren die Regeln nach denen die Trainingseinheiten abliefen. Durch ihre kurzen, schwarzen Sportshorts und das ebenso schwarze Tanktop hatte sie maximale Bewegungsfreiheit, lediglich das Tiefziehholster um ihren Oberschenkel störte sie, war aber Vorschrift. Erneut ging sie hinter einem niedrigen Block in Deckung und spähte wieder über die Kante, als es neben ihrem Kopf leise klickte.
 

C wandte den Kopf in die andere Richtung und sah in die Augen ihres Kameraden. Langsam legte sie ihre Waffe beiseite und hob die Hände. Ebenso langsam erhob die sich und ließ ihn dabei nicht aus den Augen, während er seine Waffe auf die gerichtet ließ. Eine ganze Weile lang verharrten sie in ihren Positionen und taxierten sich gegenseitig. Aus der kurzen Distanz wäre sie nicht schnell genug um einer Kugel auszuweichen, die ihren Kopf als Ziel hatte. Sie musste ihn also irgendwie entwaffnen. Agent C wusste, dass er nur auf die kleinste Bewegung ihrerseits wartete.
 

Ihr Körper spannte sich an ohne dabei auch nur ein Muskelzucken zu zeigen. Für den Bruchteil einer Sekunde bewegten sich ihre Finger und der Blick ihres Kameraden huschte zu ihren Händen. Er konnte sie gar nicht vollständig beobachten, wenn er sich auf jedes Detail konzentrieren wollte. C nutzte den Moment in dem sein Blick nicht auf ihrer unteren Körperhälfte lag und trat ihm mit einer schwungvollen Drehung die Waffe aus der Hand. Mit einem Schritt war die Distanz zu ihm überbrückt und sie brachte ihn mit einem weiteren Tritt gegen die Kniekehle dazu einzuknicken. Ihren nächsten Angriff jedoch blockte er geschickt ab und holte zum Gegenangriff aus. Er brachte sie mit einem Stoß durch seinen Handballen gegen ihr Brustbein dazu leicht nach vorne gekrümmt ein paar Schritte rückwärts zu taumeln.
 

T kam auf die Beine und näherte sich ihr mit langsamen vorsichtigen Schritten, den ganzen Körper angespannt, bereit jeder Zeit anzugreifen. C richtete sich wieder auf und ging ebenfalls in Angriffshaltung über. Sie umkreisten einander ein paar Mal, bevor sie zeitgleich aufeinander losgingen und sich gegenseitig in ein schlagkräftiges Duell verwickelten. T gewann irgendwann die Oberhand und schaffte es sie gegen eine der Schaumstoffbarrikaden zu drängen, wo er sie mit einer Hand um den Hals fixierte. Ihre Hände legten sich um sein Handgelenk und sie versuchte sich zu befreien, aber sein Griff war eisern, auch wenn er seine Finger nicht zu fest um ihren Hals geschlossen hatte, sodass sie es schließlich aufgab.
 

Der Soldat fing den Blick der jungen Frau auf und für einen kurzen Moment hatte er das Gefühl, das die weißen Augen, die ihn so kalt und entschlossen fixierten aufleuchteten. Er spürte, dass sie noch nicht bereit war den Kampf aufzugeben. Er hatte sie schon kämpfen sehen, sowohl in der Eigenen Welt, als auch in der Realität, aber es war etwas ganz anderes das auch am eigenen Leib zu spüren zu bekommen. Sie würde niemals klein beigeben, bevor sie nicht einen Sieg errungen hatte. Jeder der Traumfänger war ausgebildet worden mit allen ihm zu Verfügung stehenden Mitteln zu kämpfen, bis das Ziel einer Mission erreicht war. Aber bei der jungen Frau vor ihm hatte er das Gefühl, dass dieser Drang noch stärker war, denn es lag noch weniger Gnade in ihren Angriffen. Er wusste, dass sie ihn auch ohne eine Waffe ernsthaft verletzen konnte.
 

Die Spannung die von ihrem Körper ausging, ließ die Luft um sie herum beinahe vibrieren. Sie war eine tickende Zeitbombe, die jederzeit hochgehen konnte. Die Kampfeslust in ihren Augen verlieh ihm das Gefühl einer großen  Raubkatze an den Hals zu packen und er ahnte, dass ihre Kräfte tödlicher wurden, je mehr man sie in die Enge drängte.

Er bemerkte zu spät, dass sich ihre Hände fester um sein Handgelenk geschlossen hatten um ihn als zusätzliche Stütze zu nutzen. Ihr Knie traf seine Rippen mit voller Wucht und während er sich noch wunderte woher sie auf die kurze Schwungdistanz so viel Kraft genommen hatte, drückte es ihm mit einem leisen Aufkeuchen die Luft aus den Lungen. Seine Hand löste sich von ihrem Hals und die junge Frau brachte mit ein paar Schritten Abstand zwischen sich und ihren Kameraden.
 

Sie beobachtete, wie T einen Moment brauchte um sich zu sammeln. Sein Blick fiel dabei auf ihre am Boden liegende Waffe. Während er danach griff, erinnerte sie sich, dass sie seine Schusswaffe in etwa die Richtung getreten hatte, in die sie geflüchtet war. Das Metall rückte in ihr Blickfeld und sie hechtete mit einem großen Sprung darauf zu, rollte sich ab und richtete den Lauf noch auf dem Boden liegend auf ihren Kameraden, der genau das gleiche mit ihrer Waffe tat.

Das synchrone Klicken der Abzugshähne war das einzige Geräusch, das noch durch die geräumige Trainingshalle hallte. Wieder hatten sie eine Patt-Situation erreicht. Doch bevor sie in der Lage waren den Konflikt zu klären knackten die Lautsprecher der Halle und die Stimme ihres Vorgesetzten forderte sie zum Abbruch des Trainings auf und wies sie an ihre Ausrüstung anzulegen.
 

Gleichzeitig legten sie die gesicherten Waffen nieder und kamen der Aufforderung nach, bevor sie sich an der Zugangstür der Halle sammelten. Die beiden Agenten nahmen Haltung an und warteten darauf, dass der ältere Mann im Raum erschien. Es dauerte nicht lange, bis sich einer der beiden Türflügel öffnete und ihr Vorgesetzter in der gewohnten, dekorierten Uniform erschien. „Agent C, Agent T, Sie haben genug Kampftraining in der Realität absolviert. Folgen Sie mir. Sie werden jetzt eine Einheit in der Eigenen Welt absolvieren.“
 

 

 Sie tauchen ein in die trostlose Einöde des Übungstraumes. Es gibt hier nur ein einziges, alles überdeckendes Weiß, keinerlei Schatten, keinen Gegenstand, den das Auge oder der Verstand zu greifen vermag. Ts  Augen verdunkeln sich. Zuviel Zeit hat er schon in dieser ganz speziellen Isolationszelle verbracht. Hier ist das projizieren von Gedanken um einiges schwieriger, als es für Traumfänger eigentlich normal sein sollte. C kennt diese Art von Raum auch, nur nicht aus so negativen Erfahrungen wie ihr Partner. Beide nehmen eine entspannte Grundhaltung an und stehen sich unbewegt gegenüber. C grinst leicht schelmisch: „Bereit wenn du es bist.” „Wie du willst...”
 

Unsichtbare Hände reißen C von ihren Füßen, heben sie hoch und schmettern sie auf den weißen Boden. Sie sprengt mit ihrer Willenskraft eben jene Hände weg, lässt sich einen Kriegshammer aus den Händen wachsen und holt damit nach T aus. Doch dieser ist nicht mehr dort wo er kurz zuvor noch gestanden hatte. Kurz bevor der Hammer aufschlägt verblasste er in der weißen Leere des Raums, indem er selbst diese Farbe annahm. C schlägt noch mehrmals mit der brachialen Waffe um sich, in der Hoffnung ihn zu treffen, doch nur das sausende Geräusch des Hammers ist zu hören.
 

Sie lässt ihn schließlich resigniert verschwinden und fängt an sich besser zu konzentrieren. Die junge Frau spürt die Energie ihres Partners, wie sie ihn umfängt und in Dunkelheit hüllt. Blitzschnell schneidet sie sich mit aus Klingen bestehenden Armen durch ihre nähere Umgebung. Doch die Schwärze bleibt, weicht ihr nicht einmal aus, sondern umgibt die einfach nur kurz wie Rauch. „Nutzlos, denk nach C!” Die Stimme des Traumfängers hallt aus allen Richtungen um sie herum. Die Glocke aus Dunkelheit schließt sich langsam um sie. „Are you ready for some Darkness ?”, fragt T verschmitzt grinsend.
 

Dunkelheit. Nichts als Dunkelheit umgibt sie jetzt. Eine formlose, nicht greifbare, wabernde, schwarze Masse aus Nebel und ihrem Partner. Sie legt die linke Faust in ihre rechte Hand, welche diese umschließt, wobei sie zugleich Zeige- und Mittelfinger ausstreckt, und schießt wahllos auf das wabernde Etwas, das ihr Partner verkörpert. Schallend lachend öffnen sich zehntausend rot und blau leuchtende Augen, die sie aus allen Winkeln fixieren. Ebenfalls mit Augen überzogene Mäuler bilden sich daraus, mit einer malmstromgleichen, kaskadenartigen, unendlich erscheinenden Anordnung von spitzen Zähnen und fangen an, größere Stücke aus ihr zu reißen. Bis ihr Verstand sich kurz unter diesen Schmerzen in Dunkelheit begibt.
 

Sie öffnet die Augen, wieder ist sie in dem Trainingsraum, ihr Herz rasend, die Augen noch unfokussiert und starr. Es war eine durch und durch grässliche Erfahrung für sie. „Sei froh, dass das hier nur der Trainingstraum ist. Für jemand mit einem so hohen Level war das gerade aber nicht sehr gewandt.“, schmeichelt die tiefe, ruhige Stimme von T ihrem Zustand ein wenig spöttisch. Sie schlägt blindlings nach ihm, doch ihre Faust geht ins Nichts. Wieder ein Arm als Klinge, schnell und wendig verteilt sie Angriffe in ihrer Umgebung, schafft sich so einen Freiraum um nachdenken zu können, keinesfalls will sie sich von ihrem Partner so abservieren lassen.
 

T beobachtet grinsend das Ganze aus dem für seine Partnerin unsichtbaren Raum, studierte ihre Bewegungen und schnellt mit zwei Blitzschritten vor. Er gibt ihr einen Klaps auf die rechte Pobacke und entfernt sich geschwind wieder aus ihrer Reichweite. Fast hätte ihre Schneide ihm doch ein Haar abgetrennt! C spürt Wut in sich aufsteigen. So dreist war bislang keiner der Traumfänger mit ihr umgesprungen, geschweige denn, dass es einer gekonnt hätte. Wieder spürt sie einen Klaps, diesmal auf der anderen Seite.
 

„Komm schon!”, bellt es aus allen Richtungen. „Wehr dich! Mach es mir nicht so leicht.” Diesmal piekst er sie sanft in die Seiten, woraufhin sie hoch zuckt und im Reflex ausholt. Ihre Faust landet mitten auf seiner Nase und wirft seinen Kopf nach hinten. Eine leichte Fahne Blut weht durch die Luft. Doch aus seinem Torso wächst, mit gleicher Geschwindigkeit wie sein Haupt sich nach hinten dreht, ein neuer Kopf heraus - Ein mechanisches Puppengesicht mit seinen Zügen. „Hahaha, endlich Spaß!“, entweicht dessen mechanischem Mund schnarrend, während das Puppengesicht zerfliest und sich zu den normalen Gesichtszügen von T wandelt. „Langsam wirst du ja.” Wieder schelmisch grinsend verschwindet er im Weiß des Traums und die von C geworfene Klinge fliegt ins Leere.
 

Sie dreht sich, atmet tief und ruhig. Die Traumfängerin konzentriert sich und fängt langsam an Ts Aura zu spüren. Wieder zu spät, denn er piekst sie erneut in die Seite, doch diesmal landet ihr mit Dornen besetztes Knie, in seiner empfindlichsten Körperstelle. Stöhnend wird T für kurze Zeit sichtbar und verschwindet wieder. C lässt ein Schwert aus ihren Händen wachsen, doch kaum, dass sie in der Verteidigungshaltung steht, streift sie ein Lufthauch und Ts unsichtbare Klinge sorgt dafür, dass ihre in einem hohen Bogen und mit einem metallischen Klirren davon segelt. „Streng dich mehr an, oder willst du von unserem Chef als kampfuntauglich angesehen werden?“
 

C ändert ihre Strategie, zischt hierhin und dorthin, durchsticht den Raum planlos und gedankenlos so schnell sie kann und zumindest scheint T ihr nicht nachzukommen. Doch plötzlich spürt sie einen stechenden Schmerz an ihrem Hintern. Eines von Ts Mäulern hat sie doch tatsächlich gebissen! Ihrer prompt folgenden Faust weicht T haarscharf mit einem Salto aus, während die andere Hand von C das Maul würgt und abreißt. „Are you ready for some darkness?“, wiederholt er lachend und verschwindet.
 

Sie wird plötzlich zu Boden gerissen, unfähig sich zu bewegen, gefesselt von tausenden unsichtbaren Händen. T taucht, ganz gemütlich aus der Unsichtbarkeit auf, während er auf sie zugeht. Er setzt sich im Schneidersitz vor sie hin, während sie sich wie ein schweißgebadeter, fluchender, zorniger Wurm windet. Trotzdem hat sie keine Chance freizukommen. „Komm schon, du kannst das.”, flüstert er ihr ermutigend zu. Exakt die falschen Worten. Langsam hebt sie mit dunklen, zornig funkelnden Augen den Kopf und taxiert ihn mit einem eisigen Blick. Sein mitleidvolles Grinsen ist zu viel für sie.
 

C begreift in ihrem Zorn den Raum auf einmal ganz anders. Die Hände, die aus einem dunklen, von verblassenden Umrissen durchzogenen Raum heraus halten und zu Boden drücken. Ihre Pfade, die unbeholfen durch den Raum getanzt wurden. Ts schnelle Schritte, die er darin getätigt hat. Unter einer mächtigen Explosion von Willenskraft zerbricht sie ihre Fixierung, springt auf T zu und trifft ihn mit dem Fuß so hart im Gesicht, dass sich sein Kopf und dessen Inhalt in der näheren Umgebung verteilen.
 

 Ts Körper zerfließt und bildet sich in respektvollem Abstand neu. Er verneigt sich förmlich, wobei eine Hand von ihm weg zeigt, die andere auf seinem Bauch liegend und sein inzwischen komplett in unbestimmter Dunkelheit gehaltener Körper sie aus blitzenden Augen fixiert. „Endlich können wir Anfang.”, grollt er durch den Raum. Aus seiner Handfläche erscheint langsam ein relativ dünnes Schwert von in etwa einem Meter Länge.
 

Sie tut es ihm gleich und geht zum Angriff über. „Are you ready for the light?” Die Klingen treffen klirrend aufeinander, sie springen voneinander weg um gleich wieder aufeinander los zu gehen und anzugreifen. Er weicht zurück in den hellen Raum wo sie ihn kurz nicht sehen kann, bis sie ihm nachkommt. Seine Klingenspitze erwischt sie an der Nasenspitze, dafür fängt er sich ihren Knauf in die Seite ein.
 

Sie fangen einen ebenbürtigen Kampf zu führen. Wechseln zwischen Licht und Schatten, umeinander springend, begleitet von dem Surren und Klirren des Stahles. Es ist wie eine Art Tanz, eine Choreografie, wie man sie aus längst vernichteten Filmen über Kampfkunst kennt. Nach einer schier unendlichen Abfolge von Schlägen, Paraden, Kontern, Ausweichmanövern und Angriffen schlagen sie ihre Klingen so hart gegeneinander, dass sie zerbersten. T grinst wild und schnaufend, die ebenfalls außer Atem gekommene C an „Du hast es begriffen. Noch eine Runde?” Ihre sich reformierende Waffe ist ihm Antwort genug.

 
 

Kälte zog in ihren Körper ein und sie wurde sich bewusst, dass man sie unvermittelt zurückgerufen hatte. Ihr Blick fiel auf ihren Kameraden, der sich neben ihr aufsetzte und mit dem Handrücken das feine Rinnsal Blut wegwischte, das ihm aus der Nase lief. C erinnerte sich. Ihre Faust hatte ihn dort erwischt. Ihre eigene Hand wanderte zu ihrer Nase und berührte die Stelle, an der ein leichter Schmerz unter der Haut pochte. Auf ihren Fingerspitzen entdeckte sie Blut. Ein feiner Cut, den seine Schwertschneide verursacht hatte.
 

Sie musste neidlos anerkennen, dass er wirklich gut war. Es würde noch ein hartes Stück Training bedeuten, besser zu werden. Ihre Hand ballte sich einen Moment lang zu Faust und ihr Blick verdunkelte sich, während sie kurz die Zähne zusammenbiss und tonlos in sich reinknurrte. Sie war nicht dazu erzogen worden aufzugeben. Ihre Gegner waren zumeist mehr oder weniger ungeübte Kämpfer, aber er hatte die gleiche Ausbildung genossen.
 

Frustriert machte sich die Erkenntnis breit, dass sie bei einem Gegner, der auf dem gleichen Niveau wie ein Traumfänger kämpfte chancenlos war. Das durfte sie nicht zulassen. Es würde die Enttäuschung ihrer Vorgesetzten hervorrufen. Etwas, das sie auf jeden Fall vermeiden musste. Sie kannte die Strafen, die einen dann erwarteten nur zu gut und sie wollte es nicht riskieren eine davon noch einmal über sich ergehen lassen zu müssen. Allein der Gedanke daran jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken.
 

T hingegen amüsierte sich über den gelungenen Trainingskampf und erhob sich mit einem leichten Grinsen im Gesicht. Sie war gut, aber sie konnte noch besser werden. Er hatte es sichtlich genossen sie zu reizen und auszutesten, wie weit er gehen konnte und musste. Dennoch war er froh, dass er auf derselben Seite stand, denn zum Feind wollte man vermutlich keinen von ihnen beiden haben. Seine Teamkameradin lernte schnell und irgendwie freute er sich auf kommende Trainingseinheiten mit ihr.
 

C wandte ihm den Blick zu. An das stechende, eisige Weiß hatte er sich mittlerweile gewöhnt, sodass es ihm nicht mehr das Blut in den Adern gefrieren ließ. T liebte den Kampf und genoss es, wenn er sich austoben konnte. Dabei war es gut jemanden zum Gegner zu haben, der einem auch etwas entgegenbringen konnte. Er zwinkerte ihr zu und der kalte Blick der ihn getroffen hatte, flackerte kurz auf, bevor sie irritiert den Kopf abwandte.
 

Die junge Frau wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie hatte es trotz ihres nachträglichen Frustes genossen sich mit ihm zu duellieren, auch wenn sie nicht sicher sagen konnte, woran sie dieses Gefühl festmachen sollte. Man hatte ihr nie etwas über Gefühle oder Emotionen beigebracht. Es war Soldaten und vor allem Traumfängern verboten darüber nachzudenken, geschweige denn sich ihnen zu ergeben. Das hatte man ihr in ihrer Ausbildung immer wieder aufs Neue eingehämmert. Trotzdem erwischte sie sich in letzter Zeit immer öfter, dabei dass Wut und Zorn von ihrer Seele Besitz ergriffen.
 

Sie veränderte sich. So langsam, dass es ihr kaum auffiel, aber dennoch war irgendwas anders seit sie mit T zusammenarbeitete, das spürte sie. Sie begann T zu vertrauen. Zumindest glaubte sie das. Sie konnte sich im Kampf auf ihn verlassen, das hatte er bewiesen. Aber ob das Vertrauen war, wusste sie nicht. Sie empfand seine Gegenwart als angenehm. Zumindest würde sie es so bezeichnen, da es nichts Negatives in ihr auslöste. Sie ahnte, dass es etwas zu bedeuten hatte, aber um es beschreiben zu können fehlten ihr die Worte.
 

Mit einem leichten Kopfschütteln vertrieb sie die seltsamen Gedanken und erhob sich ebenfalls. Gemeinsam verließen sie den Einsatzraum. T folgte ihr zurück zu ihren Stuben und ließ den Blick dabei fest auf ihren Rücken gerichtet. Etwas war anders an ihr. Er ahnte, dass ihr erster Einsatz in der Eigenen Welt damit zu tun hatte. Dennoch waren die Veränderungen nicht deutlich genug, als dass er sie hätte benennen können. Er wusste nur, dass er auf sie aufpassen müssen würde. Damit nicht dasselbe mit ihr geschah, was mit ihm geschehen war.
 

Er war so konzentriert auf sich selber, dass er nicht bemerkte, wie sie an einem der Fenster stehen geblieben war und den Blick irritiert nach draußen gewandt hatte. Trotzdem gelang es ihm seine Bewegungen rechtzeitig zu stoppen, bevor er in sie hineinlief. Er folgte ihrem Blick, der abwesend über die Stadt, die sich am Fuße des hohen Gebäudes ergoss, schweifte. Der Himmel sah aus wie immer. Dichte, graue Wolken hingen so tief über den Dächern, dass man das Gefühl hatte jeden Moment würde sich ein Wolkenbruch daraus ergießen. Aber der Regen würde nicht kommen. Es fielen nie Wassertropfen aus dem Himmel. Der Himmel war kaputt, genau wie die Wolken, die darüber zogen. Diese ganze Welt war kaputt, das wusste er. 
 

Irgendwann blieb ihr Blick an einem Punkt irgendwo in der Ferne hängen, doch er konnte nicht erkennen, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Eine Weile versuchte Agent T es, bevor er dazu überging die junge Frau vor sich zu beobachten. Ihre Augen wirkten etwas trüb auf ihn und der konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob sie nicht sogar in der Eigenen Welt verweilte. Sie hob ihre Hand und legte sie auf die Scheibe. „Ein Sturm zieht auf.“ Ihre Stimme war so leise, dass sie kaum an seine Ohren drang. Dennoch verstand er jedes Wort. Wieder wandte er den Blick auf den Horizont, doch er konnte beim besten Willen nicht erkennen, woraus sie das schloss.
 

Bis er spürte, wie ihre Hand nach der seinen griff und ein Ruck durch seinen Körper ging. Seine Sicht auf die Welt veränderte sich und er sah die Eigene Welt auf die Realität projiziert und jetzt erkannte er, wovon sie sprach. Vor der Schwärze des Firmamentes formten sich langsam glutrote Wolken am Horizont, die sich auftürmten und stetig näher zu kommen schienen ohne sich dabei jedoch vorwärts zu bewegen. „Siehst du es auch?“ Dumpf drang ihre Stimme an seine Ohren und er nickte. „Ja, ich kann es sehen.“, antwortete er ohne wirklich darüber nach zudenken.
 

Er wandte den Kopf nicht zu ihr, einerseits gefesselt von dem Anblick außerhalb der Scheibe, andererseits, weil ihn das, was er sehen würde ihn verunsicherte. Er spürte ihre Hand in seiner und sie fühlte sich viel zu klein und zart an. Er war sich sicher, dass sollte er den Blick auf seine Kameradin lenken dort nicht die junge Frau in Uniform stand, sondern ein kleines Mädchen in einem weißen Kleid.
 

Innerhalb eines Augenblicks normalisierte sich seine Sicht auf die Welt, als sich ihre Finger von den seinen gelöst hatten. Ihr Blick wandte sich vom Fenster ab und sie setzte ihren Weg auf die Stube fort, als wäre nichts weiter gewesen. Er folgte ihr schweigend. Das leichte Kribbeln in seinen Fingerspitzen versuchte er zu ignorieren. Der nächste Einsatz würde sicher nicht lange auf sich warten lassen und die Trainingseinheit war anstrengend gewesen. Eine Regenerationspause würde ihnen beiden gut tun. T verabschiedete sich knapp von seiner Kameradin, bevor er sich alleine auf den Weg in seine eigene Stube machte.
 


 

Fasziniert beobachtete der Mann im eleganten Anzug die Projektion zweier kämpfender Menschen vor sich. Er konnte keine Gesichter erkennen, aber er wusste nur zu gut um wen es sich handelte. Seine Augen waren fest auf die zierlichere der beiden projizierten Gestalten gerichtet und sein Herz schlug ungewollt eine Spur schneller. Ihre geschmeidigen Bewegungen zogen ihn in ihren Bann. Er wollte sie haben. Wünschte sich so sehr, dass die Zeit endlich reif sein würde und er sie in seinen Armen halten konnte. Aber er musste sich gedulden. Sie würde nicht zu ihm kommen, wenn er es zu eilig hatte und überstürzt handelte.
 

„Geduld, mein Sohn, ist eine Tugend, die nur wenige besitzen. Sie zu erlangen ist schwer. Es verlangt einem viel an Selbstdisziplin ab, aber wenn man die Lernphase erst gemeistert hat, ist der Lohn nur umso süßer. “ Der Mann hob den Blick und sah in das flirrende Licht vor sich, dort wo er das Gesicht vermutete. Wieder einmal schien die Lichtgestalt in ihm gelesen zu haben wie in einem Buch. „Ja Vater, ich weiß. Es ist eine Prüfung die mir auferlegt wurde und die ich bestehen muss um an mein Ziel zu gelangen.“, erwiderte er.
 

„Und du wirst sie meistern mein Sohn. Die Weichen dafür sind gestellt.“ Die hallende, formlose Stimme des Vaters, die nicht männlich und nicht weiblich, nicht menschlich und nicht tierisch, nicht natürlich und nicht künstlich war löste ein warmes Gefühl in ihm aus, das ihn irgendwie beruhigte. Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf die beiden Figuren, von denen die Kleinere gerade auf einen imaginären Boden stürzte. Die andere Figur kam auf sie zu und reichte ihr die Hand um ihr wieder auf die Beine zu helfen.
 

Zweifel stiegen in dem Mann auf. Würde sie wirklich so einfach zu ihm kommen? Was war, wenn er ihr wirklich folgen würde? Er musste es mit allen Mitteln verhindern. Energisch schüttelte er den Kopf. Er durfte sich nicht von Zweifeln zerfressen lassen. Er musste an das glauben was der Vater ihm sagte und an den Erfolg. Er atmete tief ein und konzentrierte den Blick erneut auf die zierliche Figur die mit geschmeidigen Bewegungen den imaginären Raum durchquerte.

 



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Salix
2015-09-09T21:27:41+00:00 09.09.2015 23:27
Brr, für meinen Geschmack ist der Kampf am Anfang ein wenig zu realistisch. Aber ich bin da auch eher zartbesaitet.
Die Teaumgestalten von C und T im Kapitel gefallen mir.
Und insgesamt scheint die Gesellschaftsordnung in dieser Geschichte nicht angenehm und eher dystopisch zu sein. Ein einfacher Bürger hat da nichts zu lachen.
Magister Roth war cool, ich mag ihn so wie er da gehandelt hat als Antagonisten.

LG
Von:  Salix
2015-09-06T22:12:00+00:00 07.09.2015 00:12
Brr, der erste Teil des Kapitels weck das Gefühl gefangen zu sein. Im Dunkeln gefangen zu sein, ist richtig albtraumhaft.
Ich bin neugierig, was C ist und auch was sich hinter T verbirgt. Das Wesen Vater mag ich nicht, aber das soll bei einem Antagonisten ja so sein.

LG
Von:  Salix
2015-09-06T21:54:40+00:00 06.09.2015 23:54
Die Geschichte ist echt spannend. Auch die Idee gefällt mir, obwohl ich Soldaten nicht so sehr mag.
Bis jetzt ist der Gruselfaktor für mich in Ordnung, sollte es zu gruselig werden, höre ich mit lesen auf, werde aber mitteilen, ab welchem abschnitt und eventuell warum. Allerdings hab ich eine ziemlich niedrige Gruseltoleranzschwelle.
Ich mag C. und bin gespannt, wie sich das Ganze weiterentwickelt. Auch der kurze Blick auf den Bösewicht war interessant und macht neugierig.
Etwas, das mich irritiert hat ist der Wechsel der Erzählzeiten innerhalb der Geschichte, das Switchen von Präteritum zu Präsenz. Und ich auf ich denke es ging um Spuren und nicht Spüren, ganz zu Anfang, dieses Kapitels.
Ich lese jetzt erst mal mit Interesse das nächste Kapitel.

LG
Antwort von:  KleineEidechse
07.09.2015 01:11
Hallo du,
ganz vielen lieben Dank für die warmen Worte, das motiviert wirklich weiter zu arbeiten und alleine bin ich ja auch nicht. Also als Schreiberling. Das mit den Soldaten kann ich dir schon erklären, aber dann würde ich den weiter geplanten Verlauf spoilern und das mag ich nicht.
Ich freu mir grade einen Keks, dass so viel Atmosphäre rüber kommt und das Konzept funktionniert :3 danke danke danke <3
Antwort von:  KleineEidechse
07.09.2015 01:13
Ach so, das mit dem Zeitenwechsel hat stilistische Gründe, weil wir damit die Traumebene noch stärker von der Realität abgrenzen wollten ;)


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