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Durch Aarsòns Augen

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Prolog

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]Durch Aarsòns Augen

 

 

 

 

 

Prolog
 

 

 

Als ich aus meiner Bewusstlosigkeit aufwachte, war ich nur in meiner Unterwäsche bekleidet und an einem Kreuz aus massivem Holz gefesselt. Womit man mich gefesselt hatte, konnte ich nicht sagen. Ich spürte nur den Widerstand an den Hand- und Fußgelenken, als ich mich bewegen wollte.

Ich war noch etwas benebelt, was sich legte, als ich ein paar Mal mit den Augen blinzelte. Der Nebelschleier lichtete sich und es eröffnete sich mir ein bizarres Bild. Das Ganze erschien mir surreal und unwirklich, als ob ich mich in einer anderen Welt befinden würde. Meine Umgebung sah düster aus. Und doch konnte ich paradoxerweise genügend erkennen. Der Vergleich einer Art Unterwelt kam mir in den Sinn. Wohin mein Auge reichte, sah ich Grafitgestein. Schwarz wie Kohle ragte es glänzend zwischen Kalksteinen empor. Mal waren sie groß und gewaltig, mal kleiner, aber immer noch kolossaler als die anderen Monolithe, die in unregelmäßigen Abständen in manchen Winkeln eine Begrenzung darstellten. Aber ich konnte nicht sagen, ob es hier weitläufig war oder nicht. Denn viele dunkle Ecken gaben nicht ihre wahren Flächen preis.

Als ich auf den Boden blickte sah ich, dass der Boden mit schwarzer Erde bedeckt und zu einer glatten Fläche gestampft war.

Man könnte die ganze Situation hier als kalt bezeichnen. Aber das war sie nicht. Es war heiß hier. Heißer als ein Höllenfeuer hätte sein können, so fühlte es sich jedenfalls an.

Man fand keine richtigen Worte dafür.

Vielleicht befand ich mich im Inneren eines erloschenen Vulkans?

Ich sah hoch. Sah aber weder eine Decke oder sonstige Abgrenzung, als gäbe es keine. Auch schien kein Tageslicht herein. Wie ein schwarzes Loch erstreckte sich alles über mir.

Und wenn es Nacht wäre, schien weder der Mond noch die Sterne.

Da war Nichts! Oder die Nacht war mit dicken Wolken verhangen.

Ich atmete tief durch, roch einen Schwefelgeruch, der auf meiner Zunge wie nach faulen Eiern schmeckte.

Müsste die Luft nicht wesentlich besser sein, wenn sich über mir der Horizont erstreckte?

Doch der Sauerstoff reichte gerade so zum Überleben. Im Gegensatz zu jeglicher Vernunft atmete ich weiterhin die schwefelhaltige Luft der Hölle ein.

Mein Körper war von einem leichten Film überzogen.

Ich schwitzte, der Schweiß rann an meinem Rücken hinunter und Tropfen sammelten sich in meiner Poritze. Die Unterhose fühlte sich unangenehm feucht an. Das Hemd klebte mir am Oberkörper, wie eine zweite Haut, sowie meine langen Haare. Ich war dankbar, dass ich sie zusammengebunden hatte, sonst würden sie mich eventuell in der Sicht behindern.

Ich verspürte großen Durst. Meine Kehle fühlte sich trocken an und schmerzte beim Schlucken.

Auf einmal hörte ich ein leises Geräusch und sah zu der Stelle, von der es herkam.

Ein Schatten bewegte sich vor meinen Augen und trat hinter einem der schwarzen Steine hervor. Ich kniff die Augen zu kleinen Schlitzen zusammen, um die Silhouette besser erkennen zu können. ‚War das ein Mensch?‘, fragte ich mich.

Nein, kein Mensch bewegte sich so seltsam, wie dieses Wesen hier es tat. Teils anmutig, teils katzenartig.

Die Gestalt wurde größer und kam geradewegs auf mich zu. Mein Herz schlug schneller, als ich die Gestalt schließlich wiedererkannte.

 

 

©Randy D. Avies April 2016

Kapitel 1

 

 

 

Es handelte sich um jenen Dämon, der mich gefangen genommen und hierher in sein Reich verschleppt hatte, als ich noch bewusstlos gewesen war.

Ich rüttelte an den Fesseln und wollte wissen, mit was man mich gefesselt hatte. Aber als ich auf meine Handgelenke blickte, waren sie nicht zu sehen. Dennoch spürte ich sie.

Meine Atmung ging schneller, als ich wieder auf die Gestalt vor mir blickte und wie langsam sie sich mir näherte. So langsam, dass es mir wie in Zeitlupe vorkam.

Dabei hatte alles so gut angefangen, wenn ich nicht ihn ...

 

Wir hatten uns in einer Schwulenbar kennengelernt. Ich wollte an diesem Tag unter Menschen sein, einfach Spaß haben. Und da sah ich ihn, inmitten von Männern umgeben. In seiner menschlichen Gestalt fand ich ihn überirdisch schön und sein Lächeln galt nur mir, als er sah, wie ich ihn anstarrte. Mein Herz schlug zum ersten Mal schneller. Ich fühlte mich sofort zu diesem Mann hingezogen und sah mit Entzücken, dass ich ihm auch gefiel. Wir kamen schnell ins Gespräch. Ab da wusste ich, ich wollte mehr als nur ein oberflächliches Kennenlernen.

Alles um mich herum nahm ich kaum noch wahr, da ich nur Augen für ihn hatte. Mit seinen langen schwarzen Haaren und den dunklen Augen war er für mich mehr als nur anziehend. Zwar redeten wir über banale Dinge, Alltägliches, nichts Besonderes, aber als ich, während unseres Gespräches, einen Tick zu lange in seine Augen geblickt hatte, erkannte ich, dass er nicht menschlich war. Hinter seiner anthropomorphischen Maske verbarg sich ein Dämon. Denn seine Augen hatten für einen kurzen Moment die Farbe gewechselt, und waren rot geworden. Eigentlich hätte man das mit bloßem, menschlichem Auge oder Verstand nicht wahrnehmen können, aber ich schon. Für mich war es lang genug gewesen, um zu wissen, dass er kein Mensch war. Auch wusste ich aus unerklärbaren Gründen auf einmal seinen richtigen Namen und nicht den, den er mir zuerst vorgab, als wir uns einander vorgestellt hatten.

„Aarsòn?“

 

Als ich ihn erkannt und ihn mit seinem wahren Namen angesprochen hatte, war alles sehr schnell gegangen.

Der Dämon musterte mich, während er sich mir weiter näherte. Dies tat er immer noch sehr langsam.

Und nun war ich hier!

Dass ich den Dämon von einem früheren Leben her kannte, dessen wurde ich mir immer sicherer. Ich hatte es mir nicht nur vorhin in der Bar eingebildet. Noch wusste ich die Zusammenhänge nicht richtig einzuordnen und zu deuten. Aber eines wusste ich genau, dass wir uns nicht aus diesem Leben her kannten, sondern schon vor sehr, sehr langer Zeit, als es den Menschen so in der Form noch nicht gab.

Aber warum begann ich mich erst jetzt daran zu erinnern und nicht schon viele Leben davor? Ich hätte doch ein Bauchgefühl haben müssen, als ich in der Bibliothek Nachforschungen über mich anstellen wollte? Oder musste ich erst auf ihn treffen, um mich zu erinnern.

Schon immer hatte ich das Gefühl gehabt, dass wir nicht nur ein Leben lebten.

Aber noch stand ich vor einem großen Fragezeichen. Noch!

Der Dämon war inzwischen stehen geblieben. Er sah mich knurrend und fauchend an. Seine Reißzähne blitzten dabei gefährlich auf, als er sein Maul weit aufriss. Dann setzte er sich wieder in Bewegung.

 

Meine Gedanken schweiften zu meiner Person.

 

Ich wusste nichts von meiner Herkunft, hatte nie meine Eltern kennengelernt, als man mich urplötzlich vor einem Waisenhaus aufgabelte, als wäre ich vom Himmel gefallen.

Ich war noch sehr jung, konnte kaum sprechen, war zudem verängstigt und verwirrt, wie man mir später erzählte. Keiner wusste, woher ich kam. Eigentlich hätte ich unscheinbar gewirkt, wenn nicht meine Haare mich etwas anders aussehen ließen. Sie waren weiß, wie die eines Albinos. Ich trug sie mittlerweile sehr lang und meistens zu einem Zopf gebunden. Auch meine Haut war heller, schimmerte beinahe porzellanfarbig. Albinos sehen ungewöhnlich aus, aber dennoch war ich anders. Meine Augen waren nicht rot, sie waren stahlblau und von einer Reinheit geprägt.

Das machte mich irgendwie andersartig!

Man schätzte mein Alter anhand der Knochendichte, als ich später von einem Arzt untersucht wurde. Man gab mir dort denn gebräuchlichen Platzhalternamen John Doe. Der Arzt konnte nichts Ungewöhnliches an mir feststellen, als die Untersuchungen an mir abgeschlossen wurden.

Immer wenn ich versuchte, mich an die Zeit zurück zu erinnern, bevor man mich vor dem Waisenhaus gefunden hatte, legte sich ein Nebel vor den Verstand und eine Schwärze der Unwissenheit breitete sich aus.

Heute war ich so um die Dreißig, vielleicht war ich jünger, vielleicht älter. Was spielte es eine Rolle, ob ich jetzt 29 oder bereits 31 Jahre alt war. Meinen Geburtstag feierte ich seitdem an dem Tag, an dem man mich vor dem Waisenhaus gefunden hatte. Es war der erste Dezember.

Ich hatte weder in meiner Kindheit noch während meiner Jugend Freunde. Immer galt ich als Außenseiter. Ein Einzelgänger, der eigenbrötlerisch sich nicht anpassen wollte und konnte. Während Andere in dem Alter Fußball spielten oder sich beim Zocken von Videospielen begeisterten, las ich lieber Bücher über uralte Kulturen, und war mehr in Bibliotheken anzutreffen, als sonst irgendwo. Daher wurde ich gerne als ein Freak und Bücherwurm bezeichnet. Auch in der Schule passte ich mich nicht richtig an und die Lehrer hatten es schwer mit mir. Ich hatte mit manchen Themen Probleme. Zum Beispiel im Geschichtsunterricht wusste ich manchmal genau, dass manche Sachen, die die Lehrer uns anhand von Lehrbüchern lehrten, völlig falsch waren. Andere Dinge, wie Sprachen und Gebräuche hingegen, kamen mir zuerst neumodisch und fremdartig vor, bis mich das Gefühl überkam, sie zu kennen. Ich wusste genau, nein, fühlte, dass ich sie auch beherrschte und verstand. Daher spürte ich auch, dass es noch andere Sprachen gab, die man noch nicht entdeckt hatte, weil die Wissenschaft sie nicht entschlüsseln konnte. Alte Sprachen, die eigentlichen Schriftsprachen und wesentlich älter waren als die Hebräische. Viel antiker sogar als Sumerisch, eine isolierte, altorientalische Sprache. Aber keiner, außer mir, wusste, dass die erste Sprache, lange Zeit vor der Sumerischen, die Sprache der Götter war und man nannte sie nur: die Sprache der Alteingesessenen.

Ich wurde von Mitschülern ausgelacht, als ich meinen Verdacht äußerte. Selbst die Lehrer hielten es für Fantastereien. Ein Kind mit zu viel Fantasie eben.

Ab da zog ich mich immer mehr zurück, vertraute keinem mehr und sprach auch mit niemanden mehr darüber. Aber die Neugierde über meine Herkunft wuchs täglich an. Wer war ich und warum wusste ich Dinge, die Andere nicht wussten?

Ich kam ins Erwachsenenalter.

Meinen Namen änderte ich, sobald ich mein geschätztes achtzehntes Lebensjahr erreicht hatte. Der Name John gefiel mir nicht, ab da nannte ich mich Leonard Doe. Den Nachnamen beließ ich, der war mir egal.

Und ich musste, ob Waise oder nicht, irgendwann meinen Lebensunterhalt selbst bestreiten.

Nachdem ich das Waisenhaus verlassen hatte, suchte ich mir ein kleines Zimmer in der Nähe der Bibliothek. Es war nichts Besonderes und von der kleinen Unterstützung im Heim konnte ich vorerst das Zimmer für einen Monat mieten. Ich wurde ein Überlebenskünstler, jobbte mal hier mal da. Trotz meines Aussehens bekam ich meistens die Stelle. War es mein Charisma? Ich wusste es nicht. Oft brauchte ich nur den Menschen in die Augen zu sehen und schon sagten sie zu fast allem Ja und Amen. Ich konnte irgendwie in ihre Seelen blicken, und wusste genau, wer gut oder böse war. Schon damals als Kind wusste ich sofort, welches der Kinder eine boshafte und welches eine gütige Seele besaß. Daher suchte ich mir auch die Menschen in meiner Umgebung aus, wenn auch nicht als Freunde, sondern als Bekannte, aber so hatte ich meine Ruhe. Ich richtete mein Zimmer nach und nach ein und konnte es nach dem Monat weiter behalten, da ich die Miete weiter bezahlen konnte.

Während der Arbeit verbarg ich meine Augen meistens hinter einer dunklen Sonnenbrille. Dann war ich nur der komische Albino mit den langen weißen Haaren. Ich mochte die häufigen Fragen, warum meine Augen denn so blau waren, nicht beantworten.

Irgendwann war eine Aushilfsstelle in der Bibliothek ausgeschrieben. Da mich die Leute dort kannten, bekam ich die Stelle. Ich wollte sie auch.

Ich freute mich darüber, waren die Jobs vorher Knochenarbeit und schlecht bezahlt gewesen. Jetzt konnte ich endlich richtig über mich und meine Herkunft recherchieren, so dachte ich zumindest. Aber bald war Ratlosigkeit mein ständiger Begleiter, als ich viele Bücher die für meine Herkunft hätten wichtig sein können, durchgelesen hatte.

Ich kam nicht weiter. Und da ich mich keinem anvertraute, wusste keiner von meiner Sorge, wer ich denn tatsächlich war.

Die Bücher dort waren alsbald ausgelesen - die Forschungen noch lange nicht so weit, wie ich es gerne gehabt hätte. Und auf den Ämtern hatte ich es längst aufgegeben, zu fragen, wessen Sohn ich denn wirklich war.

Ich war, wie damals die Leute im Heim sagten, als sie mich fanden: „… vom Himmel gefallen, vielleicht bist ja du ein Engel?“

Ein Engel! An diese Dinge wollte ich nicht glauben und doch beschlich mich immer so ein eigenartiges Gefühl dabei, wenn ich an Götter und auch an Dämonen dachte. Aus irgendeinem Grund glaubte ich an Wesen, die unerkannt unter uns lebten.

Ich war ein abgesonderter, junger Mann, aber mit einem Selbstbewusstsein. So verlor ich niemals meinen Lebensmut.

Wenn aber meine Einsamkeit zu unerträglich wurde, hielt ich mich in Schwulenbars auf. Ich war ständig auf der Suche nach etwas oder jemanden. Frauen interessierten mich nicht. Ich kam nicht mal auf den Gedanken, mich in eine weibliche Person zu verlieben. Warum das so war, wusste ich selbst nicht.

Aber sobald sich mir ein Mann anbot, wurde ich dagegen wählerisch. Ich entschied, wer mir gefiel und wer nicht. Das hinterließ bei vielen einen eher arroganten Eindruck. Ich scherte mich nicht drum.

Und jetzt stand ich vor einer Kreatur, die mir eigentlich Angst einflößen müsste, doch war etwas anders bei diesem Dämon hier. Etwas was ich nicht erklären konnte. Noch nicht! Es war eher ein Gefühl, ein Gedanke …

Ich musste kurz die Augen schließen, da mir der Schweiß übers Gesicht gelaufen war und mir die Sicht erschwert hatte. Aber es half nicht viel. Die salzige Hautausdünstung brannte in meinen Augen.

Als ich einen Augenblick später meine Lider aufschlug, zuckte ich zusammen, als ich sah, dass er direkt vor mir thronte. Ich ignorierte das Brennen in meinen Augen.

Mein Herz schlug noch einen Tick schneller in meiner Brust, aber nicht vor Angst, nein, im Gegenteil, sondern wegen etwas Anderem. Etwas, das ich noch nicht richtig begriff, da auch mein Gedächtnis noch Lücken aufwies.

Etwas war mit mir passiert. Es war, als würde ich dieses Wesen ewig kennen, als würden wir uns ewig kennen! Obwohl ich genau wusste, dass er ein Abgesandter des Teufels war, ein absolut böses Wesen, das immer stärker wurde, weil er sich von Menschen und deren Essenz ernährte, kannte ich ihn auf eine paradoxe Art und Weise schon sehr, sehr lange. Länger als mein Menschenleben überhaupt. Es irritierte und faszinierte mich gleichermaßen, wie es mich auch wiederum abschreckte.

Wer oder was war ich denn?

In all den Büchern über Dämonen oder mystische Wesen, die ich bereits gelesen hatte, waren es immer nur die Fantasien eines Autors oder eines verrückten Wissenschaftlers gewesen.

Konnte doch etwas Wahres dran sein?

Egal wie ich mir den Kopf darüber zermarterte, es gab ein Problem! Er erkannte mich nicht. Noch nicht! Auch nicht, als er weiterhin vor mir stand und mich ansah.

Ich ihn schon, wenn auch nur in Bruchstücken. Trotzdem fand ich, dass der Dämon von sich aus eine Verbindung zu mir spürte.

Ich fühlte es.

Ich sah es an seinen Augen, sah, wie Liebe in ihnen sich widerspiegelte, sah all diese Zuneigung für mich und nur für mich und doch wusste ich, er war gefährlich! Paradoxerweise war ich mir sehr sicher, was mein Gefühl dafür anging.

Seitdem ich hier bin, kam das Puzzle der Erinnerung Stück für Stück zurück.

Ja, ich liebte diese Kreatur, einen uralten Dämon namens Aarsòn. Und nun wusste ich mit Sicherheit, ich hatte schon einmal gelebt, und zwar vor sehr, sehr langer Zeit …

 

 

©Randy D. Avies 2016

Betaleser: peonie

Kapitel 2

 

 

Ich begann, mich zu erinnern. Wusste Dinge, die man nur wissen konnte, wenn man zu dieser Zeit gelebt hatte.

Zu einer Zeit vor über 65 Milliarden Jahren.

Zu einer Zeit, als die Erde noch unberührt war. Wo alles voller Vegetation war und prachtvoll in all ihren Facetten.

Eine schöne Erde. Ein Paradies Eden und in ihrem damaligen Ursprung mystischer Schönheit. Wo der Mensch noch nicht so entwickelt war, um ihn als Homo sapiens wahrzunehmen, sondern eher als einer der vielen in der Evolutionsphase befundenen Tiere.

Ich lebte also in einer Zeit, in der es keine Kernkraftwerke oder andere Ausbeutungen gab, die die Umwelt stark belasteten. Wo keine Dörfer und Städte flächendeckend Wälder rodeten, damit sie Platz hatten, um sich ausbreiten zu können. Und es gab auch keine künstlich angelegten Wege, die sich rund um den Planeten schlängelten.

 

Damals lebte ich auf der Sonnenseite, auf der Guten. Und doch hatte ich mich in ein dunkles Wesen verlieben können. Ein Wesen, dass von Grund auf bösartig war.

Ich wollte eigentlich immer nur Gutes tun und dennoch liebte ich einen gefährlichen und bösen Dämon. Ich konnte nicht anders, als ihn immer noch zu lieben. Und das, obwohl er mich gefangen hielt und auf eine Art mental folterte.

Aber anders als seine Opfer, dessen war ich mir sicher, folterte er mich mit Liebe, die stärker als sein Hass zu sein schien. Auch wenn er es selbst noch nicht wusste, konnte ich fühlen, wie er mit sich rang.

Ich konnte seinen Zwiespalt förmlich aus seiner Haltung mir gegenüber spüren.

Wir hatten damals ein Leben zusammen!

Aber jetzt war ich nur ein Mensch und das verstand ich nicht, wie das passieren konnte.

„Ich möchte wissen, was an dir, Mensch, anders ist, als an den anderen deiner Art? Warum hast du mich erkannt? Warum kennst du überhaupt meinen Namen, den ich keinem sterblichen Wesen verraten habe“, grollte er auf einmal mit seiner uralten Stimme, die ich erkannte und die mir durch Mark und Bein ging. Und da ich mich immer mehr an uns erinnern konnte, wusste ich, ich hatte sie so sehr vermisst. Darum wollte ich die ganze Zeit über keinen anderen Mann. Darum hatte ich mich an keinen binden wollen.

Er war der Grund!

Meine Eingeweide zogen sich schmerzlich zusammen. Mir wurde bewusst: Ich war mein ganzes Leben auf der Suche nach ihm gewesen. Aber noch waren meine Erinnerungen nicht vollständig zurückgekehrt.

Aarsòn schritt um das Kreuz herum, an das ich gefesselt war. Angekettet mit einer Magie, die er an mir angewendet hatte. Geduckt blieb er vor mir stehen und ich konnte in sein Gesicht schauen und seufzte.

Wie liebte ich seine Gestalt und wie er aussah mit seinen gebogenen Hörnern aus Elfenbein, die sein Haupt zierten wie bei einem Stier. Der Kopf war mit langen, glatten und schwarzen Haaren ummantelt. Seine Krallen waren lang und spitz. Er besaß eine machterhabene, gefährliche Ausstrahlung, kombiniert mit seiner immensen Größe, die ein Mensch niemals erreichen konnte, es sei denn, er konnte sich ebenfalls in einen Dämon seines Ranges verwandeln. Ich wusste, es gab unter ihnen Rangordnungen und er war der Mächtigste.

Aarsòn groß und mächtig, fast an die drei Meter.

Ich hatte keine Angst vor ihm, obwohl ich mit meinen 1.90 m nicht gerade klein unter den Menschen wirkte, war ich doch gegen ihn ein Zwerg.

Ich erinnerte mich immer mehr an Details aus unserem früheren Leben und war fasziniert.

Aarsòn wartete auf eine Antwort.

„Hat es dir, du Menschlein, die Sprache verschlagen?“

Ich schüttelte mit dem Kopf, woraufhin er verächtlich schnaufte. Dann aber, nachdem ich mich einigermaßen wieder gefasst hatte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sprach das aus, was ich dachte und fühlte. Denn ich fühlte so viel in diesem Moment. Ich setzte alles auf eine Karte. All meine Gefühle und Liebe, flossen in diesen Satz:

„Weil ich dich liebe!“ Meine Stimme bebte dabei. Würde ich zu viel riskieren? Hätte ich damit warten sollen?

Aber mein Leben gehörte ihm und nur ihm. Das wurde mir immer bewusster, je näher ich mit ihm emotional verbunden wurde, ob unter seiner Gefangenschaft oder nicht. Ich liebte ihn. Und wenn ich durch ihn sterben sollte, dann sollte es eben so sein. Denn ein Leben ohne ihn hatte für mich keinen Sinn mehr.

„Weil du mich liebst? Du?“ Er grollte. „Ich kann keine Liebe empfinden.“ Er kam immer näher und beugte sich noch weiter runter, damit ich sein Gesicht noch besser sehen konnte. Die Augen glühten dabei rot. Seine Nüstern blähten sich auf und er grollte weiter leicht in seinen nicht vorhandenen Bart hinein, als ob er mit sich sprechen würde. Aber dies beeindruckte mich nur ab einem gewissen Punkt.

„Doch, das kannst du, sonst wäre ich bereits tot.“ Meine langen Haare klebten an meinen Körper, er war mittlerweile über und über mit Schweiß bedeckt. Wahrlich kein schöner Anblick. Wenn man eitel seine beste Seite zeigen wollte, war dies der ungünstigste Zeitpunkt. Ich betete inzwischen, dass ihn das nicht davon abhielt, mich doch zu töten, wenn ich mich irren sollte.

„Fordere mich nicht heraus.“ Aarsòn schritt um mich herum wie ein Raubtier um seine Beute, aber immer noch auf dezentem Abstand, als ob er Angst hätte, mich zu verletzen, da aus seinen Nüstern ab und an Feuer entflammte, er sie aber niemals in meine Richtung hielt. Auch ein Indiz dafür, dass er etwas für mich empfand.

„Dann töte mich!“, forderte ich ihn deshalb mutig auf. Ich blieb ganz ruhig dabei und wollte ihm somit demonstrieren, dass ich keine Angst, keinerlei Panik verspürte.

„Ich ernähre mich von Menschen und von ihrer Energie. Es wäre leicht mir das zu nehmen, was mir gefällt. Was ich begehre und worauf ich Hunger habe und den habe ich!“ Aarsòn knurrte und spie auf einmal richtig Feuer, aber immer noch nicht in meine Richtung, sondern an einen der Monolithen, der kurz aufglühte und dann wieder schwarz wurde. Seine Wut konnte ich fühlen, aber seine Unsicherheit beinahe auf meiner Zunge schmecken.

Bei mir geschah auch etwas, denn umso länger ich mich in seiner Nähe befand, er mich in seiner Gewalt hatte, desto mehr kamen Erinnerungen an mein vorheriges Leben zurück, bis sie detailliert vollständig wurden und ich nun meine Herkunft kannte. Was ich nun wusste gefiel mir, füllte mich mit einer Vollkommenheit aus, die ich noch niemals erlebt hatte. Und doch wurde mir auch zeitgleich bewusst, ich war ein leichtes Opfer für ihn. Ein einziger Fehler, und er würde mich doch töten, vielleicht noch nicht einmal mit Absicht.

„Kannst du dich nicht an mich erinnern?“, fragte ich und mein Herz schlug dabei schneller werdend. Ich war in meinem Menschendasein eine so leichte Beute für ihn und ich hatte nicht die Fähigkeit mich in mein altes Ich zu verwandeln, um ihm zu zeigen, wie ebenbürtig ich doch war.

Der Dämon fuhr bei meinen Worten herum und der Boden bebte dabei. Seine Kraft war allgegenwärtig in dieser Höhle, in der die Steine wie auf sein Kommando hin zu glühen anfingen. Es wurde sehr heiß und ich kämpfte gegen die Hitze an. Jetzt hatte ich wirklich ein Problem mit dem Sauerstoff. Er bemerkte meinen Kampf nach Luft und der verzweifelte Kampf ums Überleben und ließ das Feuer verschwinden.

„An dich, wie denn? Du bist ein Mensch! So verletzbar, so schwach! Sieh dich an! Ein paar Grad wärmer und du erstickst.“

„Du weißt, dass ich nicht immer so war. Ich sehe es in deinen Augen und ich kann Liebe darin erkennen.“ Aarsòn musste sich an mich erinnern sonst … mir blieb nicht mehr viel Zeit.

„Schweig!“ Aarsòn kam näher und verpasste mir überraschend eine Ohrfeige, davor hatte er seine Klaue in eine Menschenhand verwandelt, sonst hätte ich diese Attacke nicht überlebt. Eine Dämonenohrfeige hätte ich nicht wegstecken können.

Beinahe musste ich grinsen, wenn mir nicht so die Wange brennen würden. Aber so hatte sich Aarsòn noch mehr verraten. Ein Beweis dafür, dass er mich nicht töten wollte. Noch nicht. Die Hitze um mich herum nahm ab. Trotzdem war es noch sehr warm und mein Durst quälend, da mein Hals immer trockener wurde und mein Körper nach Wasser verlangte.

„Ich denke das ist Beweis genug, oder nicht?“ Meine rechte Wange glühte weiterhin, als ob ich ein Brenneisen aufgedrückt bekommen hatte. Doch zwang ich mich, ihn mit festem Blick anzublicken um ihm zu zeigen, dass ich alles, was ich sagte auch so meinte. Damit ich vor ihm, auch wenn ich keinerlei Chancen hatte, dennoch nicht schwach wirkte.

„Ich werde vor dir schwach, das ist nicht gut.“ Er hatte sich nun in den Menschen verwandelt, den ich in der Bar getroffen hatte. Seine langen schwarzen Haare waren, wie Meine, mit einem Band hinten zusammengebunden und seine Augen waren nun schwarz wie Ebenholz und nicht mehr rot. Seine überirdische Schönheit faszinierte mich, denn auch in seiner menschlichen Gestalt war er wunderschön, sonst wäre ich nicht auf ihn aufmerksam geworden. Ob er einen Einfluss hatte, wie er als Mensch aussehen konnte? „Sag, woher kennst du mich und warum sollte ich mich an dich erinnern, an dich Menschlein?“

„Seit ich dich in der Bar getroffen habe, seitdem kann ich mich erinnern, dass ich früher einmal gelebt haben musste, vor langer Zeit. Einige Passagen fehlten mir, bis eben, aber nun werden die Erinnerungen exakter, Bilder klarer. Ich weiß, wer ich bin, oder wer ich einmal war und ich weiß, wer du bist. Je länger ich hier mit dir zusammen bin wird meine Verbindung zu dir stärker.“

„Ich kann nicht sterben, ich lebe ewig … also können wir uns nicht getroffen haben.“ Aarsòn war auf meine Frage nicht eingegangen, also musste ich es ihm irgendwie anders offenbaren.

„Lass mich frei, dann kann ich es dir zeigen und auch beweisen.“

Ein grollendes Lachen erfüllte die Höhle.

„Du mutierst zu einem Scherzkeks.“ Er nahm wieder seine dämonische Gestalt an. „Niemals.“ Damit demonstrierte er mir seine Macht. Aber ich wusste nun in diesem Moment genau, es war nur heiße Luft. Er wollte mich damit einschüchtern, merkte aber schnell anhand meiner Körpersprache, denn ich war nicht zusammengezuckt, dass dies bei mir nicht wirkte.

„Bitte.“ Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und schaute ihm in sein Gesicht, in seine Augen, die wieder rot waren, als er sich wieder zu mir runtergebeugt hatte. „Ich liebe dich. Mein Dasein hat jetzt erst einen Sinn bekommen, davor irrte ich umher auf der Suche nach etwas – nun habe ich es gefunden, ich habe Dich gefunden.“

Ich sah, wie Aarsòn nachdachte, dann hob er seine Klauen an, machte eine kreisende Bewegung mit den Fingern und ließ meine Fesseln verschwinden. Erleichtert rieb ich, einen kleinen Sieg errungen zu haben, meine Handgelenke und streckte auch die Füße aus, die die Freiheit, wie alles andere, begrüßten.

Aarsòn war inzwischen rüber zu den Steinen gegangen und hatte sich an einen angelehnt. Er wartete so lange, bis ich mich einigermaßen gefasst hatte, ließ mich aber nicht aus den Augen. Ich schritt auf ihn zu. Der Boden fühlte sich heiß, aber weich an. Je mehr ich mich ihm näherte, umso kleiner wurde ich in seinen Augen. Klein und schwach wirkend stand ich schließlich vor ihm. Ich schluckte, als ich ihn mir wieder genauer betrachtete, dieses Mal ohne Fesseln. Ich bewunderte seine Schönheit. Seine Haut schimmerte bronzefarben, war geschuppt und doch wunderschön für meine Augen aber … er war so gefährlich. Wie auch seine Männlichkeit, die er nicht vor mir verbarg. Lang war seine Lanze, die ich auch im erregten Zustand kannte und schnappte nach Luft, weil ich mich an unsere Leidenschaft erinnern konnte.

„Na, jetzt hast du doch Angst bekommen.“ Er grinste teuflisch, hatte meine Unsicherheit bemerkt und auch wo ich hingeblickt hatte, doch da täuschte er sich. Dem war nicht so.

Ich schüttelte den Kopf und sah zu ihm auf. Er wirkte so groß und gigantisch und ich so klein … und doch liebte ich ihn. Ich liebte ihn so sehr und verzehrte mich nach ihm.

„Ich zeige es dir, und zwar durch deine Augen.“ Ich legte in meine Stimme all meine Liebe.

„Durch meine Augen?“, fragte er verwundert.

„Ja, so sollst du dich an mich erinnern können, fühlen können und nicht nur durch eine Erzählung von mir!“ Ich spielte den letzten Joker aus, setzte mein Leben aufs Spiel und hoffte, ich konnte diese Fähigkeit einsetzen, sodass er nicht meine Erinnerung hatte, sondern seine Eigene.

„Dann zeige es mir!“, forderte er mich auf.

Ich nickte. 

Er beugte sich so weit zu mir runter, sodass ich meine Hände in seine großen Klauen legen konnte. Ich spürte seine Wärme und seine raue Haut. Spürte die Oberfläche, die sich lederähnlich anfühlte. Alles an ihm fühlte ich intensiv und atmete dabei tief durch, während weiterhin meine Hände in seinen Klauen lagen. Ich konzentrierte mich genau darauf und ließ meine Energie in seine laufen. Erleichtert stellte ich fest, dass es klappte und es wie von selbst ging. Ein Glücksgefühl wie auch Erleichterung machte sich in mir breit, während meine Energie weiterhin zu ihm rüber floss. Hinter seinen nun geschlossenen Lidern begann es zu flackern. Er stöhnte, als die Bilder, der Fluss ihn endlich erreicht hatten. Auch ich hatte nun mittlerweile meine Augen geschlossen. Die Verbindung zwischen uns war nun hergestellt. Unsere Gedanken wurden eins. Wir erlebten zusammen unser erstes Zusammentreffen...

 

©Randy D. Avies

Betaleser: peonie

Kapitel 3

 

 

Die Erde war wunderschön in ihrer grünen, satten Vegetation und den unglaublich blauen Wassermassen, die sie umgab. Es war das perfekte Paradies, der optimale Lebensraum für viele Spezies.

Neidvoll hatte man schon vom Universum aus die Erde in Betracht gezogen. Und so dauerte es nicht lange bis andere Wesen, magische Wesen sie ebenfalls nutzten und sich ansiedelten.

 

Die Dinosaurier befanden sich gerade in ihrer Entwicklung, wo andere Lebewesen hingegen in ihrer Evolution erst am Anfang standen, als uralte magische Wesen die Erde besiedelten. Gute wie Böse. Sie befanden sich im Gleichgewicht, das es einzuhalten galt.

Aarsòn war gerade von seinem Schöpfer Daoè, einer Gottheit, die die Dunkelheit und das Böse manifestierte, erschaffen worden. Sein Geschöpf Aarsòn, wie auch viele seiner Kinder sollten ihm dabei helfen, das umzusetzen, was für ihn die reine Macht der Bosheit bedeutete. Die Macht jedes Lebewesen zu beherrschen und ins Verderben mitzureißen. Sein Interesse galt schon immer seinem Bestreben, die Erde und auch das Weltall zu beherrschen. Aber er wusste zu genau, es gab die Gegenseite und - es gab Spielregeln und Widerstand.

Als er sah, wie ihm Aarsòn geglückt war, war er mit sich sehr zufrieden. Er hatte den besten, stärksten und schönsten Dämon kreiert und, er spürte Liebe zu ihm, was eigentlich untypisch für das Böse war.

Die Gegenseite schlief auch nicht.

Sandola, der Schöpfer des Guten und Reinen, der absolut sauberen Seele, blieb ebenso nicht untätig. Er erschuf unabhängig voneinander zeitgleich ein Geschöpf, welches er Laduè nannte. Ein ebenso männliches Geschöpf, der Liebe und Güte verkünden sollte. Er würde der Beschützer des Guten werden. Neben all seinen anderen, von ihm erschaffenen Kindern, fand auch er sein Meisterwerk in ihm.

 

Die Menschen waren in dieser Zeit primitive Geschöpfe, die man primär als eine Art Steinzeitmensch bezeichnete. Sie waren noch nicht so weit entwickelt, um zu begreifen, was um sie herum passierte. Für sie war es wichtig auf die Jagd zu gehen, um Nahrung zu suchen und sich fortzupflanzen. Ihr Gott wollte zudem, dass seine Lebewesen auf der Erde sich erst entwickelten, was viele andere Götter nicht verstanden. Anfänglich dachten die Menschen, sie hätten mehrere Götter, was der einzige Gott von ihnen traurig stimmte und darum Kriege zwischen den Völkern tobte. Seither tobten Kriege zwischen den Völkern.

Aber es gab nur den einen Gott, der die Erde erschaffen hatte. Er schaute zwar mit Sorge auf die Entwicklung der magischen Wesen aus anderen Welten, hielt sich aber an die Regel, nicht einzugreifen.

Er war neutral, ließ die Menschen und Tiere selbst entscheiden, ob sie Gut oder Böse wurden, oder neutral blieben. Er zeugte Millionen Jahre später mit einer Erdenfrau seinen Sohn Jesus - aber das ist eine andere Geschichte.

 

Die Nacht war hereingebrochen. Der Tag hatte sich verabschiedet, bis sie in 12 Stunden wieder an die Macht kam. Und alles, was nun in Dunkelheit getaucht wurde, würde am nächsten Tag in schillernden bunten Farben zurückkehren.

Aarsòn und die anderen Dämonen wurden in ihren unterirdischen Höhlen wach, traten an die Oberfläche. Die Luft war kühl und roch nach feuchter Erde. Er liebte hingegen den Schwefel und die Hitze, aber man konnte nicht alles haben.

Er und die anderen seiner Art gingen nun auf Jagd. Sie waren hungrig und mussten sich, wie alle hier, ebenso ernähren und zusätzlich Energie von sterblichen Wesen für ihre eigene Kraft absorbieren.

Aarsòn war sehr hungrig. Er hatte bereits seit zwei Tagen nicht mehr gejagt. Er schaute in den Himmel und nickte zufrieden. Die Sterne standen günstig, das nächtliche Wetter perfekt dafür. Doch eines störte ihn gewaltig. Die weiblichen Dämonen waren stets an seiner Seite, wollten als Gefährtinnen einen Platz an der Spitze ergattern. Doch interessierte er sich nicht für sie. Er war zwar von Macht besessen, angetrieben, der Stärkste unter ihnen zu sein und auch zu bleiben, seinen Thron weiter zu behaupten, aber ihn interessierten die weiblichen Dämonen nicht. Daher stieß er Syphlis unsanft von sich, als sie ihre Arme um ihn legen wollte. Sie war in letzter Zeit stets an seiner Seite nur um mit ihm einen Stammeshalter zu zeugen, wie es der Schöpfer vorgesehen hatte und natürlich einen Platz in der Hierarchie zu ergattern. Normalerweise spielte Aarsòn gerne mit ihr, zeugen jedoch wollte er keinen Abkömmling. Es war ihm nicht wichtig. Vielleicht wollte er auch keinen, der noch mächtiger werden sollte, als er.

Er war Aarsòn, das absolut Böse. Keiner sollte ihm das Wasser reichen können, nicht einmal eines seiner noch nicht vorhandenen Abkömmlinge. Doch heute störte ihn diese Anhänglichkeit der Dämonin so sehr, dass er sie anfuhr:

„Geh weg, lass mich alleine, Weibsbrut“, schimpfte er. „Lass dich von jemand anderen vögeln und schwängern. Geh zu Sklàvs, der ist fast so gut wie ich.“ Er lachte kurz, als er an den Nichtsnutz von Dämon dachte, der ihm nachzueifern versuchte. Dieser Armleuchter. „Nerv mich nicht mit so etwas.“

„Du bist aber der Beste von uns und der beste männliche Dämon, was will ich mit Sklàvs?“, fauchte sie böse und Erregung lag in ihrer Stimme.

Aarsòn schnaufte verächtlich, gab ihr aber keine Antwort. Er war noch jung. Zu jung um sich zu binden. Sein Interesse galt der Jagd nach etwas Neuem, nach etwas Aufregendem.

„Du bist sehr seltsam, weißt du das? Unser Schöpfer muss bei dir was falsch gemacht haben.“ Sie bleckte ihre spitzen Zähne und ging missmutig zu den Anderen. Sie wollte heute Spaß haben, dann eben mit einem Anderen.

Aarsòn schaute ihr hinterher. Sollte sie doch einen anderen Dämon belästigen. Er scherte sich nicht darum und war froh, sie wenigstens für diese schöne Nacht, losgeworden zu sein. Endlich!

Der Dämon machte sich auf den Weg, ging auf Lauerstellung hinter eines der Gebüsche und pirschte sich heran, als er auf eine Herde Tiere stieß.

Eine Gattung Pflanzenfresser, die Wuerhosaurus, grasten hier auf der Weide, fraßen die frischen Blätter, die in der Jahreszeit besonders saftig waren. Doch die Dunkelheit war längst hereingebrochen und die Meisten hatten sich einen Schlafplatz unter den Mammutbäumen gesucht, die ihnen nicht nur Schatten, sondern auch Unterschlupf gewährten. Nur wenige von ihnen besaßen den Mut, hier zu grasen, um ihren letzten Hunger zu stillen, bevor auch sie sich der nächtlichen Ruhe hingaben.

Wie töricht, dachte er und bleckte seine Reißzähne.

Der Himmel surrte und unterbrach die Stille der Nacht. Er sah in den Himmel, der nun voller Nachtschwärmer war. Die Wesen der Nacht waren nun zum größten Teil alle wach. Doch waren Flugosarius nicht seine Beute, die er nebenbei schnell fangen konnte. Er flog auch, doch meistens war er zu träge dafür. Zudem wollte er am Himmel nicht auffallen da er mit seiner Größe und der Spannweite seiner Flügel nicht gerade unsichtbar für seine Beute war. Sein Bestreben war, rasche Beute zu erlegen und nicht erst groß mit ihnen zu spielen. Darum liebte Aarsòn die Fleischfresser unter den Tieren mehr, die am Boden lebten und manchmal nach ihrem Fressen zu träge waren. Doch heute war er zu hungrig, um wählerisch zu sein. Er brauchte Nahrung in jeglicher Form, auch wenn es jetzt eben die vegane Gattung sein musste. Ihr Fleisch und ihre Essenz würden ihn trotzdem stärken, auch wenn sie nicht gerade schmeckten. Doch musste er sich sputen, denn nur noch wenige waren noch auf ihrem Platz. Die meisten traten ihren Rückweg an.

Er pirschte sich lautlos heran. Seine Flügel ließ er hinter seinem Rücken zusammengefaltet. Zuviel Aufmerksamkeit wollte er nicht auf sich ziehen. Seine Augen glühten in der Nacht noch röter als sonst. Er kontrollierte seine Atmung und versuchte flach Luft zu holen. Aarsòn wollte gerade bei einem der Tiere, das sich in seine Nähe wagte, zuschlagen, als er sah, dass sich ein anderes Wesen aus der Herde hervorhob. Es hatte seine Flügel ausgebreitet als wollte es das Tier damit schützen. Dank seiner weißen Flügel war Aarsòn schnell klar, das Wesen war die andere Seite, die Gute. Die Seite, die er verachtete und hasste. Besonders verstärkte sich seine Wut, als er mitbekam, dass dieses Wesen das Tier verscheuchte und es mit wenigen Sprüngen zu seinen Artgenossen sprintete.

Aarsòn trat aus seinem Versteck hervor, tat seinen Unmut kund.

Die restlichen Tiere witterten den Eindringling und flüchteten ebenfalls. Nur das Wesen, mit seinen langen weißen Haaren und seinen blauen Augen, blieb an seinem Platz und starrte zu dem Dämon. Auch wenn er einer der Guten war, so spürte Aarsòn ebenfalls seinen Zorn, was ihm wiederum gefiel.

Was ihn aber an dem Geschöpf irritierte, waren die Details, die er an ihm wahrnahm, wie sein Aussehen, seine Augen -  die blau wie das Meer und so rein schienen.

Er scherte sich doch niemals um ein Aussehen.

„Ich habe keine Angst vor Euch“, sprach ihn auf einmal das Wesen an, mit der Sprache der Weisen und Gebildeten.

„Das solltest du aber!“ Aarsòn bleckte seine spitzen Zähne. Er wollte ihn wissen lassen, dass er böse und Angst einflößend wirkte.

„Warum?“

„Warum? Ich bin das Böse, der Schrecken eben und ich will diese Welt erobern! Ich will alles töten, was gut und lebendig ist.“

„Warum? Ihr seid es doch auch!“

Aarsòn verstand die Situation nicht, denn Wesen dieser Art fürchteten sich meistens vor ihnen und außerdem waren sie sonst niemals in der Dunkelheit vorzufinden bis auf jetzt dieses Exemplar hier. Seltsam.

„Was machst du hier in meiner Dunkelheit? Du solltest bei deinem Volk weilen. Und vor allem bei Tageslicht.“

„Wieso Eure Dunkelheit? Habt Ihr sie erschaffen?“ Zynismus lag in seiner Stimme.

„Nein, das nicht gerade, und dennoch beanspruchen wir die Dunkelheit, den Mond.“

„Ich liebe den Mond, die Sterne. All das kann ich bei Tage nicht anschauen. Die Nacht gehört jedem von uns und nicht nur den Nachtvölkern.“

Aarsòn fing zu lachen an. Dann verstummte er aber, sah sich lauernd um. Er wollte auf keinen Fall auf sich aufmerksam machen. Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit rötlich, sein Schweif schlug aufgeregt auf Gras auf.

Warum war er an dem Ding so interessiert? Er sollte ihn töten, aber etwas hielt ihn davon ab. Zudem durften sie sich untereinander nichts antun. Eine der Scheiß Regeln, die aufgestellt waren.

„Komm mit!“, fauchte er ihn an, aber so leise, dass nur das helle Wesen es hören konnte. Was er tat verstand er nicht wirklich, und als dieses Wesen sich sträubte, packte er ihn an der Schulter. Zu überrascht von der Aktion kam auch keine Gegenwehr.

Aarsòn faltete seine Flügel auseinander. Die mächtigen Schwingen surrten in der Luft. Er umschloss das Wesen mit seinen Armen und sie flogen zusammen in die Lüfte, bevor er überhaupt begriff, was er getan hatte, waren sie schon ein Stück weit geflogen. Weg von den Augen seiner Art.

Der Flugverkehr war jetzt nicht mehr ganz so stark, nur noch ein paar Nachtvögel durchquerten ihren Weg.

„Wohin nimmst du mich mit, hä?“, fragte auf einmal das Wesen und wollte seine Flügel ebenfalls zum Einsatz bringen als Aarsòn ihn davon abhielt.

„Lass das, sonst kollidieren wir in der Luft, außerdem will ich nicht, dass du mir dann davonfliegst!“, zischte er. „Du bist schon komisch. Auf einmal benutzt du auch meine Sprache, die Sprache der Einfachheit, die der Derbe, der Schlechtheit? Zudem reicht es, wenn einer fliegt, oder nicht?“ Er hielt das Wesen weiterhin in seiner Umarmung, spürte die Zartheit, die von ihm ausging.

Das Wesen antwortete ihm nicht. Aber Aarsòn fühlte zu seiner eigenen Überraschung, wie es sich an ihn klammerte. Er spürte die Präsenz und es irritierte ihn, denn er mochte es eigenartiger Weise, wie es sich an ihn klammerte.

Es gefiel ihm. Verdammt, warum gefiel es ihm? Seiner Männlichkeit gefiel es auch. Sie brauchten keine Kleidung, ihre Haut gab Schutz genug, hatte aber in diesem Moment auch den Nachteil, dass man alles erkennen konnte.  Auch das Wesen war, wie er, nackt und er konnte dessen Männlichkeit an seinem schuppigen Schenkel fühlen. Aarsòn drückte ihn noch fester an sich und ihre Hörner, die ihre Köpfe zierten, berührten sich dabei. Das brachte den Dämon in Aufruhr. Er fühlte den Körper des Taglers, so wie seine Art sie nannten, und spürte die Kühle des Wesens. Er wiederum war warm, spie Feuer, wenn er wollte.

Sie flogen eine Zeit lang Richtung Meer und kamen schließlich auf einer Insel mitten im Ozean an.

„Interessant.“ Der Tagler nahm seine Arme von dem Dämon und sah sich um, schmunzelte weiterhin.

„Was?“ Aarsòn wunderte es, dass er keinerlei Angst vor ihm zeigte, obwohl er größer und stärker war.

„Dass wir gerade hier sind, in einer Oase und für jedes Auge unsichtbar. Woher weißt du von dem Platz?“, fragte er sichtlich interessiert. Seine Neugierde für den Dämon schien geweckt.

„Gute Frage, das Selbige könnte ich dich fragen?“

Das Wesen schnaufte und wollte nicht preisgeben, dass dies sein Lieblingsplatz war. „Wie nennt man Euch?“, fragte er stattdessen. Er hatte von den Anderen nicht herausgebracht, wie man den Dämon nannte. Auch durfte man nicht über das Böse reden.

„Wie nennt man dich?“, korrigierte Aarsòn, ihm gefiel es nicht, dass das Wesen wieder diese hochnäsige Sprache anwendete.

„Wie nennt man dich?“ Der Tagler versuchte sich zu zügeln, aber auch er war in Aufruhr, nicht wegen der halb gewollten Entführung, sondern weil er sich zu diesem bösen Wesen hingezogen fühlte. Schon immer. Und jetzt mehr denn je. Er hatte dieses Wesen bereits längere Zeit beobachtet, aber nie seinen Namen herausgefunden, darum war er heute im Dunklen unterwegs. Nicht weil er die Nacht liebte, so wie er es zuerst erklärt hatte, sondern weil er Ihn sehen wollte. Er hatte all seinen Mut zusammengenommen und jetzt … Er konnte nicht glauben, dass es so einfach war, ihm nahe zu sein …

„Aarsòn – der Gefürchtete. Ich bin ein Dämon voller Hass und Wut und furchtbar böse.“

„Aha! Na ja, wenn du so böse wärst, wie du sagst, warum bin ich dann noch hier und du hast mich nicht bei den anderen angeschwärzt, oder gar verletzt?“

Gute Frage, darauf wusste Aarsòn nichts zu erwidern. Er ließ sich aber auch nichts anmerken. Vor allem nicht, dass ihn das Wesen erregte und er musste sich zügeln, dass man das von außen nicht sah. Er hielt seine Hand vor seinem Geschlecht, aber so als ob er mit Absicht in einer stattlichen Haltung stand.

„Also, du Geschöpf von Sandola, wie nennst du dich?“, fragte er rauer als beabsichtigt, als die Lichtgestalt zusammenzuckte, da er auf seine Leibesmitte gestarrt hatte. Hatte er seine Erregung etwa doch gesehen?

„Laduè.“

Seine blauen Augen gingen ihm durch Mark und Bein.

 

 

©Randy D. Avies Juli 2016

 

Betaleser: peonie

 

Kapitel 4

 

 

Aarsòn ließ meine Hand los und wich vor mir zurück. Dabei sah er mich seltsam an, oder eher erstaunt? Keine Ahnung. Erstaunt kam eher hin und es war etwas in seinem Blick, was ich nicht genau definieren konnte.

„Laduè, ich erinnere mich an dich! Ich weiß nun, wer du bist!“

„Endlich“, antwortete ich bebend und eine Erleichterung machte sich in meinem Herzen breit. „Ich dachte schon, nur ich könnte mich an dich erinnern - an uns.“

Aarsòn winkte ab, schüttelte seinen massiven Kopf. „Aber du hattest recht. Als ich dich in der Bar antraf, war mir so, als ob ich dich irgendwoher kennen würde. Vielleicht war es dein weißes Haar, deine Augen. Keine Ahnung. Sonst unterhalte ich mich kaum mit Menschen, oder vielmehr mit Männern!“

„Mit Männern?“

„Ja, das habe ich nicht ablegen können, mich mehr für das Männliche zu interessieren.“ Er lächelte. Ich kannte sein Lächeln, was für mich wunderschön aussah, auf andere hingegen sicherlich abstoßend wirken musste. „Ich locke sie meistens auf die Toilette und dann ... aber mit dir, es war nur so ein Gefühl. Darum tötete ich dich nicht, wie ich es eigentlich immer mache, sondern entführte dich in mein Reich.“ Er schnaubte. „Du hast es nie sehen können.“ Seine Stimme klang alt, aber voller Stärke.

„Nein, das stimmt, darum kam mir das auch nicht bekannt vor.“ Ich lächelte leicht, sah aber wie sich seine Miene verfinsterte und mein Lächeln erstarb. Denn er schnaubte wütend, als er weitersprach. „Weißt du wie lange ich ohne dich ausharren musste, und jetzt bist du ein Mensch, und wir können nicht zusammen sein. Warum konnte ich mich die ganze Zeit über nicht erinnern? Und jetzt, du als Menschlein … verdammt, ich würde dich zerquetschen, wenn wir uns lieben würden. Schon allein wenn ich dich berühre ist es gefährlich. Deine Knochen brechen unter meiner Stärke, wie Zahnstocher. Sieh mich an!“ Er deutete mit seinen Pranken auf sich. „Ich bin so viel größer als du.“ Er sah auf mich, beugte sich weit runter, hob seine Klaue und umfasste so behutsam er nur sein konnte, mein Gesicht. Alles machte er in Zeitlupe. Ich wich nicht zurück, vertraute ihm. Hatte ich gedacht, er würde sich aus reiner Sicherheit zurück verwandeln, so wurde ich eines Besseren belehrt. Er blieb in seiner wahren Gestalt. Seine Krallen, die wie Rasiermesser waren, strichen, so zärtlich sie nur konnten, meine Wangen entlang. „Laduè, wie konnte ich dich vergessen? Wie konnte ich unsere Liebe vergessen.“ Seine Stimme grollte, doch diese Worte und die Geste seiner Klaue an meinem Gesicht, waren voller Liebe und zärtlicher Hingabe, sodass ich wusste, warum ich mich damals in ein Wesen wie ihn hatte verlieben können. Meine Liebe zu ihm wuchs erneut an und wurde zu einem Teil von mir. Sein Schöpfer hatte einen Fehler begangen, als er ihn schuf. Er schuf zwar etwas Böses, aber mit einem Herzen voller Liebe. So widersprüchlich es auch war, konnte ich nun den Schöpfer verstehen. Er hatte sich in seine eigene Erschaffung verliebt, und hatte nicht bedacht, dass diese Liebe in Aarsòns Herzen Fuß fassen könnte. Besonders wenn er auf jemanden traf, der ihm gefiel. Und das passierte, in dem Moment, als er mich sah.

Ich spürte die Rauheit und Hitze von einer seiner Klauen, der weiter zärtlich meine Wangen streichelte. Dabei spürte ich seine Zerrissenheit.

Ich erinnerte mich, wie wir uns damals geliebt hatten, rau und ohne Angst haben zu müssen, den Anderen tödlich zu verletzen. Mit meiner Hand hielt ich sein Streicheln auf umfasste ihn. Meine Hand konnte ihn gerade umfassen. So stark und groß …

„Ich weiß.“ Das wusste ich nur zu gut. Jetzt wo wir uns wiedergefunden hatten, konnten wir dennoch nicht zusammen sein. Er konnte sich zwar in einen Menschen verwandeln, aber sobald wir uns lieben würden, würde seine wahre Natur ans Tageslicht kommen und dazu war ich einfach zu schwach und zu … menschlich. Ich mochte mir nicht ausmalen, wie oft ich schon als Mensch wiedergeboren und gestorben war, ohne zu wissen, was oder wer ich war und dass mein Dämon weiterhin ohne mich auf der Erde wandeln musste, mordend und bösartig.

Wer hatte uns das eigentlich angetan?

Ich überlegte und kam zu der Schlussfolgerung: nur unsere Schöpfer konnten so grausam sein.

Aarsòn sah mich traurig an. Seine Augen hatten ihren Glanz fast verloren und dann verwandelte er sich wieder in einen Menschen, der zwar schön war, aber in den ich mich nicht verliebt hatte. Auch wenn er so bezaubernd war, gefiel mir seine andere, wahre Gestalt einen Tick besser.

„Bitte, bleib in deiner Gestalt, in der ich dich kennen und lieben gelernt habe. Und lass uns wenigstens nochmals die Zeit gemeinsam erleben.“ Wenn wir so nicht zusammenkommen konnten, dann wenigstens durch unsere Gedanken der Erinnerungen.

Aarsòn nickte. Er verstand was ich damit meinte.

„Wie du meinst.“

Ich schritt wieder näher an ihn heran, da wir uns entfernt hatten. Ich spürte seinen heißen Atem, als er sich weit zu mir heruntergebeugt hatte und sein Feuer auf mir. Abermals legte ich meine Hände in seine Klauen, als er sich zurückverwandelt hatte.

„Du bist so zart, so zerbrechlich“, grollte er.

Wir sahen uns dabei in die Augen. Eine weitere Verbindung entstand zwischen uns und wir erlebten unsere Zeit.

Aber dieses Mal erlebte ich sie durch seine Augen - durch Aarsòns Augen und er durch meine, jeder für sich in tiefster Verbundenheit.

 

©Randy D. Avies Juli 2016

Betaleser: peonie

 

 

 

Kapitel 5

 

 

„Du heißt also Laduè?“, meinte Aarsòn im spöttischen Tonfall. Der Nachtwind verfing sich in seinen langen, schwarzen Haaren, wie auch in denen seines Gegenübers.

Die beiden mystischen Wesen standen mitten auf einer Insel auf einem felsigen Vorsprung umgeben vom Ozean. Der Himmel über ihren Köpfen war sternenklar.

In der Dunkelheit sah die Insel noch schöner aus. Der Mond schien auf die beiden Wesen herab, als ob sie alleine auf dieser Welt wären und die Sterne spiegelten sich im Wasser wie Diamanten.

„Ja, so nennt man mich. Gibt es an meinem Namen etwas auszusetzen, Aarsòn, der Gefürchtete, der Böse?“, gab sich Laduè nun ebenfalls spöttisch und verzog dabei säuerlich sein Gesicht, weil ihm nicht gefiel, wie der Andere seinen Namen aussprach.

„Oh, wie zynisch. Nein, eigentlich nicht. Aber können Geschöpfe wie du böse werden? Ich weiß, dass ich erschaffen wurde, so zu sein, aber du? Hat dein Schöpfer an dir etwas falsch gemacht, Laduè?“, zog ihn Aarsòn weiter auf und lächelte dabei. Ihm gefiel die Art, wie dieser Tagler sich aufregte. So im Gesamten gut zu sein schien er ja nicht. Auch wenn er mit seinen langen, weißen Haaren und seinen blauen Augen, die einem tief in die Seele blicken konnten, einen anderen Eindruck vermittelten. Aarsòn war sich ziemlich sicher, Laduè hatte eine dunkle Seite. Sonst würde er sich nicht so zu diesem Wesen hingezogen fühlen. Zudem gefiel es ihm, wie Laduè mit ihm sprach.

„Natürlich, warum nicht? Das hat nichts mit Bösartigkeit zu tun. Und sprich meinen Namen bitte richtig aus.“ Er schien verärgert und das war er auch. Aarsòn machte ihn nervös, sehr sogar. Jetzt wo er ihm so nahe war, verließ ihn beinahe der Mut, sich gegen ihn weiter zu behaupten. Er fühlte sich so schwach und so wehrlos und gleichzeitig auch beschützt.

„Und wie? Etwa Lanüöe?“ Aarsòns Grinsen wurde immer breiter, während sich Laduès Gesicht zunehmend verfinsterte.

Sie taxierten sich mit Blicken.

Was war an diesem Geschöpf nur so reizvoll?, fragte sich Aarsòn, als er seinen Blick abwandte. Es ärgerte ihn, sich nicht unter Kontrolle zu haben und schnaubte, während er seine Krallen kurz zu einer Faust ballte. Dann aber beobachtete er leicht amüsiert darüber, wie der Tagler sich weiter ärgerte, weil er ihn so aufgezogen hatte.

Aarsòn wusste bereits jetzt schon, dass er mehr als nur an Laduè interessiert war, obwohl ihn die guten Geschöpfe nie interessiert hatten, aber der hier? Selbst der Name gefiel ihm, es passte zu ihm. Alles an ihm erregte ihn beinahe, auf eine Art und Weise, die er niemals für möglich gehalten hätte. Auf einmal wollte Aarsòn dieses Wesen besitzen, ihn sein Eigen nennen. Niemand sollte Hand an ihn legen.

Einerseits verwirrte es ihn, so darüber zu denken, andererseits war er fasziniert, was für Gefühle es in ihm wachrüttelte.

Kein Weib seiner Spezies hatte es jemals erreicht, dass er sich so für jemanden interessierte. Alles an dem Lichtwesen fand er interessant und er konnte sich ihn gut als Weggefährten vorstellen. Mit ihm durch die Lüfte segeln, um mit ihm auf die Jagd zu gehen. Es war eine perfide Vorstellung für ihn, dass Laduè genauso böse werden konnte wie er. 

Eigentlich paarten sich nur weibliche mit männlichen Dämonen, woraus dann ab und an Nachwuchs entstand, wenn der Mann seinen Samen dafür hergeben wollte. Ableger aus purem Übel waren meist genauso böse wie dessen Eltern. Wenn aber Männliche miteinander turtelten, das kam auch vor, wurde es nicht so gerne gesehen - aber man sagte nichts. Solange man es nicht damit übertrieb, wurde es untereinander und vom Schöpfer toleriert.

Verhielt es sich bei den Guten ebenso?, fragte sich Aarsòn und sprach dann seinen Gedanken laut aus.

„Wie vermehrt ihr Euch, wenn nicht gerade der Schöpfer euch macht?“, fragte Aarsòn interessiert.

„Wie ihr, paaren wir uns, damit das Gute stärker wird.“ So wie der Tagler die Worte aussprach, klangen sie weder freudig, noch interessiert, eher verächtlich, wie Aarsòn trocken feststellte.

War er eher dem Männlichen zugetan?

Auf einmal wünschte sich Aarsòn, dass er es wäre, der Laduès Interesse weckte.

„Du bist nicht gerade erpicht darauf dich zu vermehren?“, bohrte er darum in eine offensichtliche Wunde.

Ein Schwarm Nachtflügler schwirrte über ihren Köpfen hinweg und Aarsòns Magen knurrte, als er kurz hochsah.

Er brauchte Nahrung, zwang sich aber es zu verschieben.

Was stellte dieses Wesen nur mit ihm an?

„Nein, nicht wirklich. Dazu liebe ich die Einsamkeit und ich liebe vor allem diese Lebewesen, die vorhin noch friedlich grasten, bevor du kamst und mich wegbrachtest.“ Laduè sah ihn grimmig an. Zumindest versuchte er es.

„Ich muss mich ernähren“, versuchte der sich zu verteidigen. „Wie ernährst du dich? Ach, sag nichts, von Pflanzen und Luft.“

„Genau, nicht wie du von Fleisch und Wollust“. Der Tagler hatte auf einmal seinen Blick etwas weiter runtergesetzt. Warum auch immer zog es ihn magnetisch dorthin.

„Das habe ich nicht gesagt!“ Aarsòn gefiel dieses Wesen immer besser. Ein Kribbeln in seinen Lenden begann und als er an sich hinuntersah, den Blicken von dem Wesen folgte, hatte er bereits einen mächtigen Ständer.

„Ich sagte doch, von Wollust. Das kommt dann bei dir vor der Fleischeslust.“ In Laduès Stimme klang ein kleiner Spott.

„Gefällt er dir?“ Aarsòn ging in die Offensive. Warum groß drumherum reden, er wollte ihn, jetzt auf der Stelle und danach musste er jagen gehen und zwar mit ihm. Er würde ihm schon seinen veganen Speiseplan austreiben. „Ich reagiere nur, wenn mir was gefällt, so wie du!“ Er ging einen Schritt auf den Tagler zu.

Laduè ging keinen Schritt zurück, sondern ging ebenfalls in die Offensive. Wie lange hatte er sich gewünscht, dem Wesen so nahe zu sein. Verdammt sei das Gute. Verdammt sei sein Erschaffer. Er wollte Aarsòn und wie er ihn wollte und nun wusste er, dass der Andere ihn auch wollte. Er würde das Risiko eingehen, vielleicht danach von ihm umgebracht zu werden, denn schließlich war Aarsòn doch böse, oder nicht?

„Dann zeig mir mal, wie böse du wirklich bist, und ich zeige dir meine gute Seite.“ Der Tagler fing zu grinsen, auch wenn sein Herz rasch in seiner Brust schlug, auch, weil er genau fühlte, dass der Andere genauso intensive Gefühle für ihn entwickelt hatte. Woran er es erkennen konnte, er sah es in seinen Augen. Durch Aarsóns Augen eben.

 

 

©Randy D. Avies August 2016

 

Betaleser: peonie

Kapitel 6

 

 

 

 

„Wir waren wirklich ein Paar, oder?“ Die Verbindung zwischen uns hatte Aarsòn von sich aus unterbrochen, warum auch immer er es getan hatte. Ich konnte mir nur vorstellen, dass ihn diese Vorstellung verunsichert hatte.

Aarsòn nahm seine Klauen zu sich und ich nahm meine Hände ebenfalls zu mir.

„Ja, das waren wir. Ich dachte vorhin, du kannst dich wieder erinnern?“ Ich ging auf ihn zu, als er zwei Schritte zurückgewichen war und ich merkte dabei seine Unsicherheit, seinen Zwiespalt.

„Ja, schon, aber warum jetzt erst? Ich hatte bei dem ersten Treffen …“, Aarsòns Stimme klang nun rau und so gar nicht dämonisch, eher zärtlich, aber immer noch voller Zweifel. Etwas was man sich bei einem Dämon seines Ranges nicht vorstellen konnte, „… bereits so viele Gefühle für dich, wie du vor mir gestanden und dich geärgert hattest, weil ich mit Absicht deinen Namen falsch ausgesprochen hatte.“ Er sah an sich hinunter, auf sein Geschlecht, das zwar jetzt nicht erregt war und dennoch verstand ich, was er damit ausdrücken wollte. Der Sex war bei unserem ersten Mal rau und unerwartet gewesen. Wir hatten uns wie zwei hungrige Wölfe aufeinander gestürzt - machthungrig und durstig, es gab zwischen uns weder gut noch böse.

Ich legte meine Hände auf sein Gesicht, nachdem er sich weit zu mir heruntergebeugt hatte. Fast war er geneigt zurück zu weichen, aber dann ließ er es zu, kniete sich sogar vor mich auf dem Lehmboden hin, damit ich ihn noch besser anfassen konnte.

Ein Außenstehender hätte meinen können, ein Monster kniet ehrfurchtsvoll vor einem Menschen nieder. Aber es war mein Monster, der das tat. Er war mein Dämon, der allmählich verstand, was uns verband.

Meine Handinnenfläche fühlte seine raue, unebene, harte Haut. Sie war so warm, und voller Stärke. Wie liebte ich es, ihn zu berühren, sein Gesicht zu fühlen, die Konturen darin zu ertasten und die Hörner spüren zu können.

Wie konnte ich nur alles vergessen haben? Wer war so grausam zu uns, uns so lange Zeit voneinander getrennt zu halten? Warum? Was hatten wir denn nur Schlimmes verbrochen, außer uns ineinander verliebt zu haben?

„Wir waren eins und werden es wieder! Du musst es nur wollen!“, sagte ich und in meiner Stimme schwang Liebe, doch dann wurde ich traurig, weil Aarsòn die Verbindung, an unsere Erinnerungen, vorzeitig getrennt hatte. Ich fragte ihn deshalb: „Warum hast du den Kontakt zwischen uns unterbrochen? Wenn wir unsere Erinnerungen weiter aufleben lassen, dann weißt du, dass wir richtig zusammen waren und nicht nur das erste Mal, an dem wir uns liebten. Und wir werden wieder vereint sein, ganz bestimmt“, sprach ich voller Überzeugung, auch wenn ich nicht wusste, wie es wirklich funktionieren sollte. So wie wir waren, er ein Dämon und ich in einer menschlichen Hülle gefangen – eine unmögliche Konstellation.

„Wie denn? Du bist ein Mensch, du bist sterblich. Und nur Erinnerungen an uns, an dich, sie reichen mir nicht. Ich will dich. Ich will dich kosten und spüren, so wie früher.“ In Aarsòns Stimme lag bittere Erkenntnis, die mich bis ins Mark traf.

Ich konnte verstehen, wie ihm zumute war. Mir ging es nicht anders.

„Ich weiß“, gab ich kleinlaut zu. Er hatte recht, wie sollten wir zusammenkommen, wie?

Aarsòn stand auf und ging in seiner Höhle vor mir auf und ab. Seine Flügel blieben dabei zusammengefaltet, und der Boden bebte unter seinem Gewicht.

Die Hitze hatte nicht abgenommen, im Gegenteil, die Luft war immer noch sehr heiß, auch wenn ich sie für kurze Zeit ausgeblendet hatte, fühlte ich sie nun deutlicher denn je. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, als meine Augen zu tränen angefangen hatten, weil ein paar Tropfen des Schweißes hineingelangt waren.

Meine Kehle war immer noch trocken und ich brauchte dringend etwas zu trinken. Zudem spielte langsam mein Kreislauf verrückt. Diese Unterwelt war nur für Dämonen und nicht für Menschen ausgerichtet und ich war nun mal nur ein Mensch.

Aarsòn bemerkte meinen Zustand.

„Du hast Durst, du musst was trinken, warte hier.“ Er wartete nicht meine Reaktion ab, sondern verschwand vor meinen Augen. Ich staunte nicht schlecht. Seit wann konnte er sich in Luft auflösen? Anscheinend ist die Evolution auch bei Dämonen weitergegangen. Und was sollte das mit: „Warte hier?“ Wo sollte ich denn hingehen? Ich schüttelte fast belustigt darüber den Kopf, obwohl mir alles andere als danach war.

Wenige Sekunden später materialisierte er sich vor meinen Augen und kam mit einer Cola in der Hand zurück.

„Eine Coke?“ Ich musste schmunzeln, als ich auf die winzige Dose in seiner großen Hand blickte.

„Ja, sie löscht den Durst und hat zudem Kalorien, die du ja brauchst.“ Er fletschte die Zähne und sah einem Drachen immer ähnlicher.

„Und der Trick mit dem Verschwinden, der ist auch gut.“

„Ich kann noch viel mehr. In den vielen Jahren habe ich meine Kräfte ausgebaut“, erklärte er mir, nicht ohne Stolz, der sich in seinem Gesicht widerspiegelte.

Ich nahm ihm die Cola aus seinen Klauen und fragte lieber nicht nach, woher er sie hatte und wen er dafür hatte töten müssen, als ich sah, wie er genüsslich über seinen Bauch rieb. Aarsòn rülpste leicht, wie wenn er gerade etwas gegessen hätte und nun das Gegessene verdauen musste.

Ich zog die Lasche von der Getränkedose ab und trank beinahe gierig die Cola in wenigen Zügen aus. Die Cola war kalt, wie frisch aus einem Automaten und tat meiner Kehle herrlich gut. In meinem Bauch gurgelte es zwar, aber mein Zustand besserte sich. Ich fühlte mich nicht mehr ganz so erhitzt. Mir entwich ebenfalls ein Rülpser.

Aarsòn hatte mich die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen und musterte mich von oben bis unten.

„Mir reichen die Erinnerungen nicht wirklich“, grollte er auf einmal, sodass ich leicht zusammenzuckte. Er schüttelte seinen großen Kopf.

Über unsere Situation niedergeschlagen schmiss ich die Dose auf den lehmigen Boden.

„Ich weiß“, war meine traurige Antwort darauf.

„Wenn wir nicht zusammen sein können, dann will ich nicht mehr leben.“

Erschrocken und völlig unerwartet über seine plötzliche Aussage, sah ich ihm in seine Augen, als ich meinen Kopf weit in den Nacken legte. Ich erkannte die Wahrheit in ihnen, der entschlossene Blick, wenn jemand es absolut ernst meinte. Und es war ihm ernst damit.

„Nein“, drückte ich mein Entsetzen aus und ich fühlte zeitgleich so etwas wie Angst und Verlust. „Vielleicht gibt es einen anderen Weg.“

„Was für einen? Unsere Schöpfer lachen sich doch gerade über uns halb tot.“

„Sag das nicht, mein …“

„Schweig, Geliebter. Meiner ist böse, und Deiner nicht minder, sonst hätten sie uns das nicht antun können. Keiner von beiden hatte Mitleid mit uns, uns das anzutun. Keiner! Milliarden von Jahren mussten vergehen und erst jetzt erkennen wir uns wieder. Nicht einmal ich kann so böse sein. Ich spiele nicht mit meiner Beute. Ich spiele nicht mit Menschen; ich erlege sie; ich esse sie; ich sauge aus ihren Körpern die Energie heraus.“ Aarsòn legte seinen Kopf in den Nacken und dann brüllte er seinen Zorn heraus. Hinaus in das schwarze Nichts über uns. Die Monolithen um uns herum begannen zu glühen, als er mit den Füßen stampfte. Ohrenbetäubend und voller Gewalt war er, sodass ich mir kurz die Ohren zuhalten musste, um keinen Schaden zu erleiden, bis sein Brüllen schließlich verebbte. Ich sah ihm weiter zu und hoffte er würde mich nicht unabsichtlich dabei töten in seiner Wut.

Der Dämon war in Rage.

Aarsòn richtete seinen ganzen Groll gegen seinen Schöpfer.

„Wenn du hier bist, mein Gebieter, werde ich dir eines sagen, wenn wir nicht zusammen sein können, Laduè und ich, dann werden wir nicht mehr existieren. Ich werde ihn und mich auf der Stelle töten, damit wir wenigstens im Tode vereint sein können.“

Ich hörte seine Worte und Tränen traten in meine Augen. Ich wollte nicht sterben, aber ohne ihn weiterleben, das wollte ich auch nicht. Im Stillen gab ich ihm recht. Wenn wir nicht zusammen sein konnten, dann würde ich lieber in seinen Armen sterben. Zudem wollte ich nicht mehr das Gefühl haben, ein Sucher nach irgendetwas zu sein. Nein, das musste aufhören.

Aarsòn war inzwischen ruhig geworden und hatte mich betrachtet, als ich zu ihm sah.

Ich flüchtete mich in seine Arme, als er automatisch mit seinen Schultern runterging. Er musste gefühlt haben, dass ich mich an ihn schmiegen wollte. Und so lagen wir uns in den Armen, so gut es eben ging und ich war ihm dankbar, dass er es nicht in seiner menschlichen Gestalt getan hatte. So wussten wir um die physischen Unterschiede. Ich drückte mich an ihn, auch wenn ich klein und schwach auf ihn wirkte, verbarg mein schmales Gesicht an seinem Bauch, der keinen Bauchnabel besaß.

Aarsòn strich mir über das Haar und grollte leicht. Ein so uraltes Wesen, das genauso litt, wie ich.

„Ich will in deinen Armen sterben, das ist mir lieber, als wieder alleine immer und immer wiedergeboren zu werden“, flüsterte ich und rückte von ihm ab. Er beugte sich zu mir runter und ich sah seine Liebe aber auch den Schmerz, der sich in seinem Gesicht widerspiegelte, als wir uns ansahen.

Aarsòn nickte verstehend und seine Nüstern blähten sich dabei auf.

„Ich werde dafür sorgen, dass du nicht mehr wiedergeboren werden kannst. Das verspreche ich dir.“ Er beugte sich noch tiefer zu mir runter, hielt dabei seinen Atem an, damit er mich nicht verletzen konnte. Ich drückte ihm einen Kuss auf sein großes Maul, das er tapfer geschlossen hielt. Einen weiteren Kuss platzierte ich auf die weiterhin geschlossene Oberlippe.

„Danke“, hauchte ich ihm entgegen und er hob mich hoch und bettete mich auf seine Arme.

Aarsòn stand mit mir in seinen Armen in seiner Höhle und legte erneut seinen Kopf in den Nacken, schwang mit seinen Hörnern kurz hin und her. Frust lag in der Luft.

„Ist es das, was ihr beiden Schöpfer wollt, unseren Tod?“, schrie er wie von Sinnen, was mir fast mein Trommelfell platzen ließ.

Die Erde bebte unter uns.

 

 

©Randy D. Avies  August 2016

Betaleser:peonie

Kapitel 7

 

 

Daoè beobachtete mit Argusaugen die beiden Turteltäubchen. Enttäuschung, aber auch Eifersucht, machte sich in ihm breit. Rasende Eifersucht, die er so nicht kannte. Dass sein bestes Wesen sich in ein gutes Wesen verliebt hatte, war für ihn schlimm genug. Und schlimm war auch, dass er sich nicht mit seinesgleichen paaren wollte, so wie er es hätte tun sollen. Nein, er schlief mit einem männlichen Tagler. Eine Schande!

Er hatte beide schon eine ganze Weile beobachtet. Ihre Liaison ging bereits einige Hundert Jahre. Sie hatten sich zwar sehr gut versteckt doch die Gerüchteküche brodelte. Irgendwann war Daoè Aarsòn heimlich gefolgt. Nicht, dass er gegen gleichgeschlechtliche Liebe wäre, es interessierte ihn nicht direkt, aber er hatte etwas dagegen, wenn seine Geschöpfe sich mit guten Wesen verbündeten.

Zudem war das verboten, von beiden Seiten her.

Und der Schöpfer des Bösen wusste zudem, dass er nicht einfach das andere Geschöpf, das seinen Aarsòn mit Liebe vergiftet hatte, ohne weiteres töten durfte. Es gab auch unter Göttern Regeln. Also fasste er den Entschluss Sandola, den Gott der Weisen, am Tage aufzusuchen, während die beiden ahnungslos ihre Liebe weiter auslebten und dachten, unerkannt auf dieser Insel ihrem Glück weiterhin unbeschwert frönen zu können.

Sandola staunte nicht schlecht, als das Böse sich durch seine Diener angekündigt hatte und nun auf ihn zusteuerte, als wäre es das Normalste auf der Welt, dass sie sich beinahe auf einen Umtrunk trafen.

„Was wollt Ihr, Daoè?“, fragte Sandola dennoch höflich, obwohl sich alles in ihm widerstrebte. Es lag in der Natur, dass sich Gut und Böse nicht ausstehen konnten, oder sich gar vertrauten.

„Keine Angst Sandola, ich komme nicht, um Ärger zu verbreiten, nicht heute“, lenkte er sofort ein, als er den Widerstand seines Gastgebers bemerkte.

„Wenn ihr keinen Ärger wollt, was wollt ihr dann?“

„Es geht um zwei unserer Geschöpfe.“

Sandola spitzte die Ohren.

„Ja, ich höre?“ Sein Interesse war nicht nur geweckt worden, sondern auch seine Befürchtungen verdichteten sich. Stimmten also die Gerüchte, die ihm seine Informanten zugeflüstert hatten.

„Die Höflichkeit gebührt, dich wenigstens angemessen zu empfangen, Daoè.“

Er führte den Schöpfer des Bösen in sein Reich, das auf den Mammutbäumen war und nur für magische Wesen sichtbar war.

Daòe rümpfte leicht die Nase, als er das erste Mal das Reich von Sandola betrat. Er sagte aber nichts dazu. Ihm musste das hier nicht gefallen, tat es auch nicht. Es war ihm zu grün, hell und zu freundlich.

Sandola wies ihm einen Platz zu und nahm dann gegenüber von ihm Platz.

Sie sahen sich eine Weile schweigsam an. Eine Situation der neuen Dimension war angebrochen und auch für beide war es Neuland. Keiner hatte jemals das Reich des Anderen betreten.

„Sprich, was weißt du?“, fragte der Gastgeber höflich aber bestimmend.

Daoè nickte.

„Gut, aber es wird dir nicht gefallen.“ Er schnaubte.

So erzählte der Gott des Bösen dem Gott des Guten alles, was er wusste und was er auch von seinen Kundschaftern her kannte. Er vermied bewusst Intrigen und einen Vorteil herauszuholen, auch wenn er fast dazu geneigt wäre, dies zu tun. So war er nun mal – bösartig. Doch die Situation war zu ernst um seine Machtspielchen zu perludieren. Neutralität war angesagt. Dies war die Regel der Gerechtigkeit. Egal ob Gut oder Böse.

Sandolas porzellanartiges, reines Gesicht hatte sich währenddessen verfinstert und er stand erbost über diese Nachricht von seinem Platz auf.

„Es muss aufhören. Sofort! Nicht unsere beiden perfekten Geschöpfe.“ Er war aufgebracht.

Daoè war ebenfalls aufgesprungen und hatte die Faust geballt. Dieses Mal waren sich beide einig. Sie beschlossen Aarsòn und Laduè in einer prekären Situation aufzustöbern.

 

Der Zorn ihrer Götter war groß, als die beiden Wesen entdeckt wurden und um Gnade baten. Die Strafe jedoch von ihren Schöpfern unermesslich. Da sie als Einheit aufgetreten waren hatten sie keine Chance. Aarsòn sowie Laduè hatten nicht den Hauch einer Chance zu reagieren.

Die Götter löschten beiden ihr Gedächtnis von einer Sekunde auf die andere. 

So wandelte von da an Aarsòn auf der Erde mit dem Unwissen, Laduè jemals gekannt zu haben und lebte sein Dämonendasein so, wie es sich für ein böses Wesen nun mal gehörte. Der Andere, Laduè hingegen, wurde als Mensch wiedergeboren, aber mit der Fähigkeit Dämonen aufspüren zu können, wenn einer vor ihm stand. Als Schutz sozusagen.

Dies gefiel dem Gott Daoè nicht wirklich, aber das Wissen um sein Wesen, und dass es weiterhin böse umherwandeln konnte, stimmte ihn milder. Auch dass die Liebschaft von nun an, bis in alle Ewigkeit vorbei war ...

 

 

„Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist“, sagte Sandolà zu Daoè, als beide sahen, wie ihre Geschöpfe sich das Leben nehmen wollten.

Sie hatten die wahre Liebe unterschätzt. Und da in jedem von ihren Geschöpfen, warum auch immer, ein Kern des Guten wie Bösen steckte, beschlossen die Schöpfer schließlich schweren Herzens eine Lösung zu finden und hofften somit dem Suizid entgegenwirken zu können. Auch Götter können nicht alles verhindern.

 

 

 

©Randy D. Avies August 2016

 

Betaleser: peonie

Kapitel 8

 

 

„Bist du soweit?“, sprach Aarsòn leise. Ich lag immer noch gebettet in seinen Armen und nickte. Auch wenn ich mich geborgen fühlte, wollte ich heruntergelassen werden. Ich wollte als Mann an seiner Seite sterben und nicht als schwach gelten.

„Ich bin so weit, aber ich will an deiner Seite sterben, nicht in deinen Armen, wie ein Weib.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln.

„Ganz wie du willst“, sagte er anerkennend.

Kaum hatte mich Aarsòn vorsichtig, als ob ich aus Porzellan wäre, auf die Füße gestellt, fühlte ich mich plötzlich anders. Ich spürte, dass ich nicht mehr sterblich war. Aber Aarsòn war so mit sich beschäftigt und mit seiner Absicht uns umzubringen, dass er von alldem keine Notiz nahm. Es schien, als ob er in sich versunken wäre. Als er seine Klaue auf mich und sich gerichtet hatte, hielt ich ihn rechtzeitig auf.

„Nein, Aarsòn nicht! Sie haben uns erhört, schau, ich bin wieder der, in den du dich verliebt hast. Ich bin wieder ich. Ich bin Laduè, der Gute.“

Ich war mittlerweile auf die Augenhöhe von Aarsòn gewachsen und meine langen weißen Haare, waren nun offen, nicht mehr von einem Schweißfilm überzogen. Sie bedeckten meinen Oberkörper. Meine Flügel schlug ich auf und meine volle Pracht kam zur Geltung, wie auch meine Männlichkeit, die wie bei Aarsòn unverhüllt war. „Wir sind lange genug bestraft worden, wie ich finde.“ Ich hatte meine Stärke zurück, ich war wieder ich selbst.

Aarsòn schien endlich begriffen zu haben und lachte als Antwort.

„Ja, du bist zurück und ebenso deine geschwollene Ausdrucksweise. Die, allerdings, habe ich nicht vermisst. Stürmisch zog er mich in eine Umarmung, die jeden Menschen in Stücke zerrissen hätte, aber ich blieb verschont, denn ich war stark, ich war ein Tagler.

Wir küssten uns leidenschaftlich und waren dabei nicht zärtlich zueinander. Zärtlich konnten wir nicht sein, zulange waren wir getrennt gewesen, zu lange. Wie ausgehungerte Tiere fielen wir übereinander her und ich schlug mit meinen weißen Krallen in sein Haar und krallte mich an ihm fest, während unsere Zähne aufeinander klackten und unsere Zungen zerstörerisch alles eroberten, was sich uns in den Weg stellte. Und so merkten wir nicht in unserer Liebelei, dass wir nicht mehr alleine waren, als Aarsòn bereits in meinen Anus eindrang und mich in Besitz nahm. So, wie es mir schon immer gefallen hatte. Ich stöhnte begehrlich und merkte zu spät, dass unsere Schöpfer uns einige Zeit zugesehen hatten.

Ihre Blicke werde ich nie vergessen.

Waren sie leidenschaftlich oder sahen sie eher schockiert aus? Ich konnte es nicht sagen, zu sehr war ich mit meinem Orgasmus beschäftigt, der über uns beide gleichzeitig hinwegrollte. Aarsòn brüllte meinen Namen und spie Feuer. Das machte er immer, wenn er sich bei mir wohlfühlte und ich liebte es.

Seite an Seite, als ob sie beste Freunde wären, traten unsere Schöpfer schließlich an uns heran, als wir fertig waren.

Aarsòn legte sofort beschützend seine Arme um mich, während er sich aus mir herauszog. Sein Sperma tropfte noch von seiner Eichel, aber er scherte sich nicht darum.

„Was wollt ihr?“ Er knurrte und zeigte damit, dass er keinerlei Widerspruch duldete, auch wenn es lächerlich war, wir konnten nichts gegen unsere Schöpfer ausrichten. Aarsòn hob zusätzlich drohend seine Klauen an und war bereit auf beide loszugehen, als einer von Ihnen zu ihnen sprach:

„Haltet ein mit eurer Wut auf uns“, sprach als Erster mein Schöpfer Sandola. „Wir kommen nicht, um Euch wieder zu trennen, sondern wir haben einen Vorschlag kundzutun.“

„Es muss aber ein sehr Guter sein“, knurrte Aarsòn. Er war nicht gewillt länger ohne seinen Geliebten auf der Erde verweilen zu müssen. „Und, noch was, sprecht, nicht in dieser lächerlichen Sprache, das macht mich rasend.“

„Aarsòn, nicht!“, versuchte ich zu beschwichtigen. Wir hatten ein ganz anderes Problem, als meine alteingesessene Sprache zu bemängeln. Zudem wusste ich nicht, was uns erwarten würde.

Keinerlei Bauchgefühl überkam mich, weder Gutes noch Schlechtes. Aber solange man uns nicht trennen würde, würde ich alles ertragen können. Fast alles!

Jetzt sprach Daoè: „Dies ist unser endgültiger Wille, und ihr werdet gehorchen.“

„Aarsòn und ich sahen uns kurz an. Was würde jetzt auf uns zukommen, was?

 

 

©Randy D. Avies   August 2016

Betaleser: peonie

Epilog

Epilog

 

 

„Ich bin sehr glücklich, weißt du das?“

„Ich auch! Ich auch! Aber rede nicht so viel, ich muss jetzt die Milliarden an Jahren nachholen, also mach dich auf etwas gefasst.“

Aarsòn Augen schimmerten dabei rot vor Lust und Laduè‘s waren blauer denn je. Beide waren mehr als erregt.

„Okay, aber ganz hingeben werde ich mich nicht, wie immer halt“, gab er keck von sich.

„Das will ich doch schwer hoffen.“

Sie brachen in Gelächter aus, schlugen ihre Hörner aufeinander und gaben sich ihrer Liebe hin.

Aarsòn und Laduè hätten es wahrlich schlechter treffen können. Sie wurden die Wächter des Lichts und der Dunkelheit. Ihre Aufgabe war, das Gute und Böse im Gleichgewicht zu halten.

So lebten sie glücklich zusammen bis alles Leben aufhörte und somit auch ihre Existenz erlosch. Dazwischen war aber noch sehr viel Zeit, in der sie ihre Liebe ausleben durften und wie alle Paare es taten, zankten und vertrugen sie sich.

 

 

 

 

Ende



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Youna
2016-07-09T20:29:47+00:00 09.07.2016 22:29
Hey!
Vielen Dank für eine neue interessante FF!
Ich bin sehr gespannt auf die folgenden Kapitel :)

Ich muss gestehen, dass ich den Prolog sehr verwirrend fand. Das ist bei Prologen an sich ja oft so, da sie nur einleitend sind, deswegen bin ich sehr froh, dass ich weiter gelesen hab ;) Deine Geschichte fängt ja so mitten drin an, deswegen wars am Anfang denke ich so verwirrend, weil man gefühlt noch weniger wusste als die Hauptperson selbst.
Ich find die Beschreibung von Aarson sehr interessant in seiner wahren Gestalt! Ich hab mich bis jetzt nie so mit Dämonen beschäftigt... aber es gibt sicher unheimlich viele unterschiedliche Ideen, wie sie aussehen könnten. Deine gefällt mir sehr gut! Hältst du dich an eine bestimmte Idee (Wo es eventuell auch ein Bild zu gibt) oder hast du deine eigenen Dämonen kreiert?
Von Ladue weiß man ja leider noch nicht sooo viel.... also... ansich schon, aber irgendwie auch nicht? Wie soll ich das erklären. Es ist, als würde man ganz viele Dinge über ihn wissen, ohne, dass man ihn fassen kann.

Ich bin unheimlich gespannt, wie die Geschichte zwischen den beiden früher weiter geht und gleichzeitig, was sozusagen im hier und jetzt passiert!
Antwort von:  randydavies
12.07.2016 11:53
Hallo Youna!

Vielen Dank für deine tolle Rückmeldung!
Vorab, es ist eine Kurzgeschichte und wir nicht so beleuchtet wie eine längere. Sie läuft paralell zu meiner TC - Story, die nun in die letzte Runde geht.
Leider habe ich keine Bilder und kann auch nicht gut zeichnen. Aarsòn stelle ich mir fast wie den leibhaftigen Teufel vor. Es gab mal diesen Film mit Tom Cruise " Das letzte Einhorn" und da gab es einen Bösewicht, so sehe ich ihn. Und Landuè eher wir eine Mischung aus Elb und Engel aber mit geschuppter Haut. Aund beide haben sie Hörner. Nun ja, so sieht meine Vorstellung davon aus.
Über Dämonen weiß ich so rein gar nichts, ich habe da meine ganz eigenen Vorstellungen und Fantasien dazu. Wie gesagt hoffe ich du kannst dir durch meine Beschreibung dir ungefähr die Beiden nun vorstellen... :)
Ich bin aktuell an dem nächsten Kapitel dran... geschrieben ist sie ja schon längst nur das Überarbeiten macht ein wenig arbeit. Ich hoffe sie wird dir weiterhin gefallen. Es sind noch ca. 4 Kapitel und ein Epilog.

LG Randy


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