Zum Inhalt der Seite

Dämonenkind

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Macht des Meeres

Das Meer ist gefährlich, wild und unberechenbar.

 

Das hat man mir als kleines Kind schon gesagt. Und ein weiteres Mal muss ich feststellen, dass das nicht gelogen war. Die Wassermassen übernehmen die Kontrolle über meinen Körper. Sie schleudern mich von links nach rechts. Von vorne nach hinten. Von oben nach unten. Keine meiner hilflosen Bewegungen hat ihnen etwas entgegen zu setzen. Das Meer ist stark. Es verschlingt einfach alles und jeden. Ich versuche an die Oberfläche zu schwimmen, um Luft zu holen. Doch wieder brechen Wellen über mich herein und drücken meinen Körper in die Tiefe.

 

Ich habe die riesige Welle bereits kommen sehen. Sie kündigte sich schon eine Weile vorher an. Doch was hätte ich in meinem winzigen Boot machen können, als zu hoffen, die nächste Insel zu erreichen, bevor sie über mich hereinbricht. Ich habe die Insel schon gesehen. Sie war bereits in Sichtweite. Und jetzt werde ich wohl nie wieder Land sehen.

 

Ich kämpfe. Ich kämpfe gegen das Meer um mein Leben. Meine Schwimmzüge bringen mich Stück für Stück der Oberfläche näher. Und für einen kurzen Moment schaffe ich es, Luft zu holen. Eine weitere Welle erfasst mich unerwartet und ich stoße die ganze Luft, die ich gerade eingeatmet habe wieder aus. Ich sehe die großen Luftblasen entweichen. Wieder schwimme ich nach oben und schnappe neue Luft ein.

 

Ich weiß nicht, wie oft sich das wiederholt. Ich weiß nicht, wie lange ich schon gegen das Meer ankämpfe. Aber ich darf nicht aufgeben. Nicht jetzt. Nicht heute.

 

Der Wind peitscht über das Wasser und der Regen ist so stark, als würde er dem Ozean helfen wollen, mich zu töten. Durch die hohen Wellen ist die Insel, die ich vor knapp einer Stunde noch gesehen habe nicht mehr in Sichtweite. Es ist fast so, als hätte das Meer sogar sie verschlungen. Sie war doch schon so nah, denke ich. Eine große Welle bricht über mich herein und zieht mich in die Tiefe. Mit meinen Händen halte ich mir Nase und Mund zu, um die Luft nicht gleich wieder zu verlieren.

Immer weiter ziehen mich die Wassermassen in die Tiefe. Egal wie fest ich mit meinen Beinen trete oder mit meinen Armen fuchtle, ich sinke immer weiter in die Tiefen des Meeres. Das Gewicht meiner Schwerter, die ich auf meinem Rücken trage, wirkt dem nicht gerade entgegen. Für einen kurzen, klitzekleinen Moment denke ich darüber nach, mich von ihnen zu trennen.

 

Und schon bereue ich diesen Gedanken. Ich würde mich am liebsten selbst dafür schlagen. Als Schwertkämpferin gehören diese Schwerter zu mir. Niemals würde ich mich von ihnen trennen. Nicht einmal in so einer Situation. Gerade nicht in so einer Situation. Allein dieser kleine Gedanke, verletzt meine Ehre und meinen Stolz als Schwertkämpferin. Ich hasse mich dafür.

 

Voller Wut strample ich noch kräftiger mit meinen Beinen. Ich muss zurück an die Oberfläche. Mir geht schon wieder die Luft aus. Lange halte ich nicht mehr durch. Ich merke, wie mich meine Kräfte verlassen. Um mich herum ist es dunkel. Und je tiefer ich gedrückt werde, desto dunkler wird es.

 

War es das jetzt? So werde ich sterben? Vielleicht ist es ja auch besser so, denke ich, bevor mir meine Lider schwer werden. Vielleicht ist es besser so

Die Stadt des Wassers

Ich spüre den Wind auf meiner Haut. Ich spüre, wie er mir sanft über die Haare weht. Ich höre das Rauschen der Wellen, schmecke das Salz auf meinen Lippen. Ein unangenehmes Brennen in meiner Lunge lässt mich husten. Ich spucke Salzwasser. Langsam komme ich wieder zu Bewusstsein und öffne blinzelnd meine Augen.

 

Ich lebe.

 

Meine Glieder fühlen sich schwer an – kraftlos. Dennoch rapple ich mich auf und blicke mich um. Wo bin ich hier? Um mich herum liegen haufenweise Holz- und Metallteile. Es sieht aus, als wären hier hunderte von Schiffen zu Bruch gegangen. Es ist ein wahrer Schiffsfriedhof.

 

Die Wellen, die zuvor noch so gewütet und mich beinahe das Leben gekostet haben, schlagen nun sanft gegen das felsige Ufer der kleinen Insel. Das Meer ist wieder ruhig. Ganz friedlich, so als könne es niemandem etwas Böses. Sein Anblick beruhigt mich irgendwie.

 

Wieder einmal habe ich Glück gehabt. Glück? Bestimmt nicht, denke ich grimmig.

 

Ich versuche aufzustehen und wanke ein Stück, bevor ich festen Fußes auf einem großen Holzbrett stehe. Weiter hinter den Schiffswrackteilen erhebt sich eine riesige Stadt, an deren erhöht liegenden Mittelpunkt ein großer Brunnen entspringt und deren Flanken von gewaltigen Wasserfällen geziert werden. Gigantische Tore scheinen die Stadtgebiete zu begrenzen. Trotz ihrer Größe und ihrer beeindruckenden Erscheinung wirkt diese Stadt irgendwie einladend. Langsam setzen sich meine Füße in Bewegung.

 

Offensichtlich hat diese Riesenwelle, die mein kleines Boot hat kentern lassen, auch dieser Stadt gewaltige Schäden zugefügt. Die riesige Steintreppe, die vor mir emporragt, ist zerstört worden und nur noch der obere Teil hängt unsicher in der Luft. An ihrer Seite befindet sich eine schmale Leiter – das einzige Verbindungsstück zwischen der Stadt und der kleinen Insel auf der ich gestrandet bin. Offenbar haben es die Bewohner dieser Stadt häufiger mit Wellen dieses Ausmaßes zu tun, wenn sie an derartige Sofortmaßnahmen denken.

 

Oben angekommen weht mir sofort ein starker Wind entgegen und ich fröstle. Meine schwarzen, langen Haare und meine Kleidung sind noch komplett durchnässt. Ich drücke meine Haare etwas aus und binde sie mir wieder nach oben. Ich hasse offene Haare. Sie stören. Schon oft habe ich darüber nachgedacht meine lange Mähne einfach abzuschneiden. Allerdings würde ich mit kurzen Haaren wieder aussehen wie früher und könnte so unerwünschte Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Das wäre zu riskant.

 

Ich ziehe mein schwarzes Top aus und wringe es aus. Ein ganzer Wasserfall plätschert zu Boden. Immer noch feucht ziehe ich es wieder an, um nicht nur in Unterwäsche die Stadt zu erkunden.

 

Die Straßen sind leer. Keine Menschenseele weit und breit. Ich gehe weiter Richtung Zentrum der Stadt und passiere eines der großen Metalltore. Sie sind durchnummeriert und jedes Tor scheint in einen eigenen Stadtbereich zu führen. In den inneren Bezirken befinden sich die Einkaufspassagen, sowie kleine Cafés und Wohngebäude. Es gibt schmale Fußgängerwege, aber die Hauptverkehrswege sind Kanäle, die durch die ganze Stadt führen. Doch ich sehe keine Boote. Und auch hier sind die Straßen noch unbelebt. Seltsam, wundere ich mich.

 

Ich bleibe stehen und sehe mich aufmerksam um. Leises Gemurmel ist zu hören. Ich halte meine Hand an mein Ohr, um herauszufinden, aus welcher Richtung die Geräusche kommen. Das Gemurmel kommt von weiter oben. Anscheinend gibt es noch einen Bezirk im Zentrum. Ich laufe weiter, in der Hoffnung eine Treppe oder derartiges zu finden, doch vergeblich. Kurzerhand entscheide ich mich für den direkten Weg.

 

Ich nehme Anlauf und springe gegen eine Hauswand. Ich stoße mich mit aller Kraft ab und hüpfe so von Wand zu Wand nach oben, bis ich auf den Dächern lande. Von dort aus kann ich den inneren Ring schon fast sehen. Ich arbeite mich auf das höchste der Dächer vor. Es ist ein weiter Sprung bis über die Mauer, doch ich bin zuversichtlich. Ich laufe bis zum Ende des Daches, drehe mich zu meinem Ziel, atme einmal tief durch und nehme Anlauf, so schnell ich nur kann. Mit einem großen Satz springe ich vom Rand des Daches und kann mich geradeso mit den Händen am oberen Ende der Mauer festhalten. Mit einem Ruck ziehe ich mich das letzte Stück nach oben und schwinge leichtfüßig über die Mauer.

 

Wie erwartet sind die Straßen hier voll von Menschen. Kinder mit ihren Eltern schlendern auf den Wegen, ältere Herrschaften, die sich vergnügt unterhalten und in den Kanälen fahren die Menschen auf seltsamen, farbenfrohen Tieren über das Wasser. Solche Tiere habe ich noch nie gesehen, aber offensichtlich sind sie hier das Hauptverkehrsmittel.

 

„Wah!“, schreit eine Frau mittleren Alters, als ich über die Mauer gesprungen bin.

 

„W-Wo kommst du denn her?“, fragt sie und hält einen großen Sicherheitsabstand zu mir. Verwirrt blicke ich zurück zur Mauer, die ich gerade überwunden habe. Das sieht höher aus, als es sich angefühlt hat.

 

„Ich bin über die Mauer gekommen“, antworte ich knapp.

 

„Ja, das habe ich gesehen! Aber wie hast du das geschafft?!“, keift sie mich an.

 

Ich gehe nicht weiter auf ihre Frage ein und stelle im Gegenzug selbst eine.

 

„Sagen Sie, wieso sind denn alle Leute hier im inneren Ring?“

 

„Das wissen Sie nicht? Waren Sie etwa die ganze Zeit da draußen?“

 

Sie sieht mich ungläubig und mit Entsetzen an.

 

„Wir haben uns in den inneren Ring zurückgezogen bis die Aqua Laguna vorbei ist. Sie kommt einmal im Jahr und überflutet die äußeren Stadtbezirke“, antwortet die Frau.

 

„Aqua Laguna?“, plappere ich nach. Das muss die Riesenwelle gewesen sein, die mich erwischt hat, denke ich.

 

Die Frau schüttelt nur ungläubig ihren Kopf, zuckt kurz mit den Schultern und geht dann wieder ihrer Wege. Ich sehe mich weiter um. Alle wirken so beschäftigt und aufgeregt. Viele tragen schwere Koffer mit sich. Da sich das Meer wieder beruhigt hat, werden sie sich wohl langsam wieder zurück in ihre Häuser begeben, denke ich.

 

Just in diesem Moment öffnet sich ein großes Tor zu einer Schleuse, die das Verbindungsstück zwischen dem inneren Bereich und der äußeren Stadtbezirke darstellt.

 

Na super, denke ich, da war ich mal wieder zu ungeduldig und bin einfach mal die Mauer hochgesprungen.

 

Ich schließe mich der großen Masse an, da ich nicht weiß wo ich hingehen soll. Vielleicht erfahre ich so etwas Interessantes. Ich beginne, die Gespräche anderer Leute mitzuhören. Bei den meisten geht es jedoch darum, wie sehr sie sich darüber freuen, in ihre alten Wohnungen zurückzukehren, über die Reparaturen der Schäden oder was sie heute zu Abend essen.

Die Einkaufspassagen füllen sich wieder mit Menschen und die Kanäle mit den Tieren, die sich Yagaras nennen, wie ich in den Gesprächen der Leute mitbekommen habe.

 

Viele Häuser sind zerstört worden, doch die Menschen sind weder großartig betrübt noch besorgt. Für sie ist das wohl Normalität. Die Frau erwähnte ja, dass die Aqua Laguna jedes Jahr kommt. Sie sind einfach glücklich darüber, dass alle wohlauf sind. Man spürt die Verbundenheit der Stadtbewohner geradezu. Den Zusammenhalt in schweren Zeiten wie diesen. Trotzdem sind sie frohen Mutes und halten zusammen – wie eine große Familie.

 

Eine Familie, hallt es in meinen Gedanken nach und schmerzhaft verziehe ich mein Gesicht bei diesem Wort.

 

Es dämmert langsam und in den Fenstern der Häuser erstrahlen die ersten Lichter. Die Sonne verschwindet und somit auch ihre Wärme. Ich reibe mir die Arme, um mich warm zu halten. Mein Magen meldet sich zu Wort. Seit zwei Tagen habe ich nichts Essbares mehr zu mir genommen. Meine Vorräte auf meinem Boot waren zu knapp berechnet. Doch mein gesamtes Geld liegt nun mit ihm auf dem Meeresboden. Es war nicht viel, aber für eine Mahlzeit und ein Bett hätte es gereicht.

 

Ich schlendere weiter durch die dunklen Gassen, ziellos. Auf der Suche nach einem windgeschützten Ort verschlägt es mich in eine Sackgasse, in der ein paar Mülltonnen und Kartons liegen. Ich seufze. Besser als nichts, denke ich und reiße ein paar Kartons klein, mit denen ich mir eine kleine Unterlage für die Nacht zurechtlege. Mit dem Rest versuche ich mich zuzudecken und meinen Körper gegen die kalte Nachtluft zu schützen. Ich kauere mich in meine Pappkartons und schlafe schnell ein, erschöpft von den Strapazen der Aqua Laguna.

 

 

 

Am nächsten Morgen weckt mich Geschrei.

 

„Sie sind zurück! Sie haben es geschafft!“, brüllt ein Mann durch die Gassen. Verwunderte und bewundernde Schreie anderer Stadtbewohner folgen und sie drängen zu Scharen Richtung Hafen. Verschlafen reibe ich mir die Augen und krabble unter meinen Kartons hervor. Neugierig komme ich aus meiner Gasse gekrochen.

 

„Habt ihr schon gehört? Die Strohhüte sind zurück! Sie haben es tatsächlich geschafft, ihre Freundin aus Enies Lobby zu befreien!“, erzählt ein Mann begeistert seinem Bekannten. Auch sie rennen der Meute hinterher Richtung Hafen.

 

Strohhüte? Enies Lobby? Was ist hier eigentlich los? Ich habe schon einmal von einer Piratenbande gehört, die sich die Strohhüte nennen. Ob die gemeint sind? Und haben sie tatsächlich jemanden aus Enies Lobby zurückgeholt? Das kann doch nicht stimmen. Das ist der Sitz der Weltregierung. Niemand, der angeklagt wurde, kann von dort entkommen!

 

Neugierig schließe ich mich der breiten Masse an und begebe mich zum Hafen. Dort angekommen, sehe ich ein riesiges Schiff vor Anker liegen, dessen Segel die Aufschrift „Galeera“ ziert. Das ist kein Piratenschiff, denke ich.

 

Von Bord steigen viele Menschen, doch drei von ihnen kommen mir tatsächlich von Steckbriefen der Marine bekannt vor: Nico Robin, Lorenor Zorro und Monkey D. Ruffy. Also ist es wahr. Monkey D. Ruffy ist der Kopf der Strohhutpiraten. Doch anders als normale Piraten, die vor normalen Menschen gefürchtet werden, wenn sie deren Insel betreten, werden diese Piraten von den Stadtbewohnern jubelnd in Empfang genommen.

 

Die Crew des Strohhuts, die gerade von Bord geht, sieht angeschlagen und müde aus. Sie alle haben einen harten Kampf hinter sich. Das sieht man ihnen an. Ich habe genug von ihnen gesehen. Ich weiß nicht, was das alles soll. Obwohl sie Piraten sind, werden sie wie Helden gefeiert. Warum? Sie haben sich mit der Weltregierung angelegt? Wieso werden sie dann so bejubelt?

 

Ich schüttle den Kopf, um meine Gedanken wieder auf Wichtigeres zu lenken. Was kümmern mich ein paar Piraten? Ich sollte lieber zusehen, wo ich etwas Geld und etwas zu Essen auftreiben kann, um mir ein neues Boot zu kaufen. Ich kann schließlich nicht ewig auf dieser Insel bleiben, sage ich mir.

 

Entschlossen gehe ich Richtung Einkaufpassage und klappere Laden für Laden ab, auf der Suche nach Arbeit. Viele weisen mich ab. Manche ohne Begründung. Manche schlagen mir schon die Tür vor der Nase zu, bevor ich nur etwas sagen kann. So ging es mir schon oft in meinem Leben. Menschen haben Angst vor mir. Es ist ihr innerer Instinkt, der ihnen das sagt. Und er hat Recht damit. Ich bin gefährlich. Und meine Aura scheint das auszustrahlen. Selbst wenn ich versuche freundlich zu sein, ein Lächeln bringe ich nicht zu Stande. Es ist schon Ewigkeiten her, dass ich gelächelt habe. Vielleicht habe ich es inzwischen auch verlernt, überlege ich.

 

Ich versuche es weiter. Ich klopfe an Türen. Ich frage nach Arbeit. Und schließlich zahlt sich mein Bemühen aus. Eine ältere Frau, die mich dabei beobachtet hat, tippt mich von hinten an. Sie ist sehr klein und reicht mir gerade mal bis zur Hüfte.

 

„Junges Mädel, ich habe gehört, du suchst nach Arbeit?“, krächzt sie mit ihrer rabenähnlichen Stimme.

 

„Ich könnte Hilfe im Haushalt benötigen und jemand, der für mich Einkäufe erledigt. Meine alten Knochen machen mir zu schaffen.“

 

Hoffnung macht sich in meinem Gesicht breit.

 

„Ich kann dich leider nicht bezahlen, aber ich kann dir ein Bett und warme Mahlzeiten anbieten“, krächzt sie weiter.

 

Damit kann ich mir zwar kein Boot kaufen, aber zumindest bekomme ich was in den Magen und muss die Nacht nicht wieder in meinen Kartons schlafen.

 

Dankbar nicke ich der alten Frau zu und folge ihr.

Die alte Hexe Hana

Seit drei Tagen arbeite ich nun schon für die alte Frau, die sich mir als Hana vorgestellt hat. Ich putze, wasche und koche für sie, erledige Einkäufe und helfe ihr bei Kreuzworträtseln. Im Gegenzug dafür lässt sie mich bei sich wohnen und ich darf mich an ihrem Kühlschrank bedienen.

 

Sie hat mir ein weiches Bett in ihrem Gästezimmer zur Verfügung gestellt. Jeden Abend kuschle ich mich unter die warme Decke, auf das weiche Kissen und die bequeme Matratze. Doch jeden Morgen, wenn ich aufwache, liege ich neben dem Bett auf dem Boden, die Decke halb das Bett, halb mich bedeckend. Scheinbar muss sich mein Körper erst wieder an ein solches Bett gewöhnen, nachdem ich jahrelang auf dem blanken Holzboden meines Bootes, auf Straßen, Felsen oder an Stränden geschlafen habe. Es ist schon eine kleine Ewigkeit her, dass ich den Luxus eines eigenen Bettes hatte.

 

„Tia! Schläfst du etwa immer noch?“, krächzt die Alte.

 

Auch an diesem Morgen wache ich neben meinem Bett auf, als ich die Krähe rufen höre. Ich blicke auf die große Wanduhr im Gästezimmer, deren langes Pendel mich oft nicht einschlafen lässt. 5 Uhr morgens.

 

„Los! Steh endlich auf, du faules Stück! Geh zum Fischmarkt und hol unser Mittagessen“, keift sie herum. Ich weiß zwar nicht, welche Ansprüche Hana gewöhnt ist, aber ich habe nicht den Eindruck, dass man mich als faules Stück bezeichnen könnte. In den letzten drei Tagen, habe ich schließlich ihrer Wohnung eine Grundreinigung verpasst. Ganz zu schweigen von dem einen Mal als ich ihr beim Baden helfen und ihr den Rücken schrubben musste. Es schüttelt mich immer noch, wenn ich daran denke.

 

„Ich bin ja schon wach!“, plärre ich der Sklaventreiberin zu und mache mich fertig.

 

Auf dem Fischmarkt ist bereits einiges los. Schon seltsam, dass Leute nur wegen Fisch so früh aufstehen, denke ich. Immer noch schläfrig reibe ich mir die Augen und muss gähnen. Dabei übersehe ich einen Mann und remple ihn an.

 

„Oh, Verzeihung!“, entschuldige ich mich sofort.

 

„Ach, ist doch halb so…“ Der junge Mann bricht mitten im Satz ab, als er mich nach kurzer Verwirrung ansieht. Ich ahne schon das Schlimmste. Mach, dass du wegkommst oder Verschwinde oder aber das alt vertraute Erbleichen und wortlos Davongehen, wenn man mich sieht. Doch nie im Leben hätte ich mit einer derartigen Reaktion gerechnet.

 

„Ahhhh, aber nicht doch, meine Teuerste“, fängt er an, ein paar Oktaven höher zu trällern.

 

„Das war ganz allein meine Schuld! Darf ich das wieder gut machen, du Schönheit?“

 

Wie bitte, was? Ist der noch nicht wach oder hat er keine Augen im Kopf? Scheinbar träumt er noch. Falls nicht, steht ihm die blonde Haarfarbe wirklich gut, denke ich völlig entsetzt und überfordert von einer derartigen Reaktion auf mein Erscheinungsbild.

 

„Ähhhhhm…“, bekomme ich nur raus.

 

„Nein!“, antworte ich schnell und renne davon, ohne mich umzudrehen. Ich biege um die Ecke in eine enge Gasse, um aus seinem Blickfeld zu verschwinden.

 

Was war das nur für ein komischer Vogel? Aber irgendwie kommt er mir bekannt vor, überlege ich. Auch nach längerer Überlegung will mir nicht einfallen, wo ich den blonden Mann schon einmal gesehen habe. Ich atme einmal tief durch, um mich von dem Schreck wieder zu beruhigen und gucke um die Ecke auf den Fischmarkt. Ich kann den Verrückten nirgends mehr sehen. Langsam komme ich wieder aus der dunklen Gasse vor und sehe mich anschließend nach unserem Mittagessen um.

 

 

„Naja. Wenigstens bringst du ordentliche Mahlzeiten auf den Tisch“, meckert Hana, als sie in ihrem Lachs herumstochert und ihn genau unter die Lupe nimmt. Ich antworte nicht auf ihre Kommentare. Still und schweigsam sitze ich ihr am Tisch gegenüber und zerkleinere den Fisch auf meinem Teller. Nachdem wir fertig gegessen haben, kümmere ich mich um den Abwasch, füttere Hanas Yagara, putze das Bad, da sich Hana über dem Waschbecken unbedingt die Nasenhaare schneiden musste und beginne gerade damit, ihren Keller zu entrümpeln.

 

„Ach, und wenn du damit fertig bist, sei so lieb und massier mir meine alten Füße, ja?“, sagt sie mit einer Selbstgefälligkeit in der Stimme, die nicht zu überhören ist. Wieder kommen mir die Bilder in den Kopf, als ich sie waschen musste und mein Fisch von heute Mittag sucht sich seinen Weg zurück nach oben.

 

„Diese alte Hexe“, knirsche ich leise mit den Zähnen, während ich die nächste Kiste aus dem Keller hieve.

 

„So eine Sklaventreiberin“, fluche ich auf dem Weg zurück nach unten.

 

Der Keller ist aufgeräumt, ich fürchte mich aber zurück nach oben zu kommen. Man riecht bis hier runter, dass ihre Füße sich bereits von ihren alten Socken getrennt haben. Ein Schauer jagt mir über den Rücken und ich reibe mir die Arme. Nervös trete ich von einem Fuß auf den anderen, unsicher wie lange ich mich hier noch verstecken kann.

 

„Ich waaaarte!“, trällert Hana von oben.

 

Ich fühle mich ertappt. Plötzlich kommt mir eine Idee und durchwühle eine der Kisten.

 

Da waren doch vorhin… Ah! Da!, juble ich in Gedanken, als ich die Wäscheklammern in einem der Kartons finde und mir eine davon auf die Nase klemme. Gerüstet stelle ich mich meiner letzten Aufgabe für heute. Hana sitzt bereits genüsslich in ihrem Sessel, die Füße bequem nach oben gelegt und mit einem diabolischen Lächeln im Gesicht.

 

Ich knie mich vor sie und wage es kaum, die alten, runzligen Füße anzufassen. Mal abgesehen vom Dreck zwischen ihren Zehen und den langen, ungepflegten Zehennägeln, nimmt man den Geruch selbst mit Klammer auf der Nase noch wahr. Angeekelt schaue ich bewusst weg und fange an, ihre knochigen Füße zu kneten. Meinen Würgereflex unterdrücke ich dabei gekonnt.

 

„Ah, das ist gut so“, seufzt sie erleichtert.

 

„Das machst du wirklich erstaunlich gut! Du hast echt Talent beim Massieren“, gibt sie beeindruckt zu. Das ist das erste Mal, dass sie Lob ausspricht. Ich sollte es besser stillschweigend annehmen und meine angewiderten Gedanken für mich behalten, denke ich.

 

Nach einer ganzen Weile zeigt sie endlich Erbarmen und erlöst mich von meiner qualvollen Aufgabe. Sie entlässt mich in den Feierabend und nachdem ich mir äußerst gründlich die Hände gewaschen und desinfiziert habe, entschließe ich mich, dem „Duft“, der sich in der Wohnung breitgemacht hat, zu entgehen und einen nächtlichen Spaziergang zu unternehmen.

 

Draußen nehme ich einen tiefen, erlösenden Zug frische Luft zu mir. Dann bemerke ich eine deutliche Geräuschkulisse aus einem anderen Teil der Stadt.

 

Was da wohl los ist? Dass man das so weit hört, wundere ich mich und setze mich in Bewegung. Ich will herausfinden, woher der Lärm kommt und folge ihm. Er führt mich Richtung Galeera.

 

Als ich näherkomme, bemerke ich das riesige Feuer, das dort entzündet wurde. Es duftet nach Essen. Es wird gesungen, getanzt und gelacht. Offensichtlich hat sich die halbe Stadt hier versammelt, um ein riesiges Fest zu feiern. Neugierig blicke ich um die Ecke, um mehr erkennen zu können. In der Mitte des Festplatzes flackert ein großes Feuer, an dem Berge an Essen zubereitet werden. Jede Menge Menschen stehen und tanzen um das Feuer herum, lachen und trinken, liegen sich in den Armen. Sogar Riesen sind anwesend und feiern mit. Mein Blick schweift weiter durch die Mengen und plötzlich sehe ich Monkey D. Ruffy, den Kopf der Strohhutpiraten.

 

Als ich mich daraufhin weiter umsehe, kann ich den Rest seiner Crew ausfindig machen, die ich vor ein paar Tagen vom Schiff habe kommen sehen. Auch der blonde Mann vom Fischmarkt ist dort und plötzlich fällt mir auch wieder ein, woher er mir bekannt vorkam. Ich habe ihn ebenfalls vom Schiff der Galeera kommen sehen. Er gehört auch zu den Strohhutpiraten. So wie es aussieht, ist er der Koch hier, der diese fabelhaft duftenden Speisen am Feuer brät. Die Fische, die er heute früh gekauft hat, waren wohl für das Fest hier, denke ich als ich die riesigen Fische erspähe, die über dem Feuer brutzeln.

 

„Feier doch mit“, ertönt plötzlich eine Frauenstimme neben mir.

 

Ich erschrecke innerlich, lasse mir jedoch nichts anmerken. Ich drehe meinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme gekommen ist und sehe eine hübsche, schlanke Frau neben mir stehen mit schulterlangem, schwarzem Haar, die mich mit einem sanften Lächeln und freundlichen blauen Augen ansieht. Nico Robin.

 

„Nein, danke. Ich wollte bloß mal gucken“, sage ich abweisend, obwohl ich mich wirklich gerne auf der Party amüsiert hätte. Ohne ein weiteres Wort kehre ich ihr und der Party den Rücken und lasse sie dort einfach an die Mauer gelehnt stehen.

 

Wer will schon mit mir feiern? Ich bin ja auch die reinste Stimmungskanone, denke ich sarkastisch. Ich wüsste nicht einmal, was man auf einer Party so macht. Und was feiern die überhaupt? Brauchen Piraten überhaupt einen Grund zum Feiern?

 

Langsam schlendere ich meinen Weg zurück, die frische Nachtluft genießend. Ich male mir aus, wie es wäre, wenn ich Ja zu dieser Frau gesagt hätte. Wenn ich wirklich mitfeiern dürfte. Doch ich komme jedes Mal zum gleichen Ergebnis. Erst wäre ich eine Spaßbremse, weil ich nicht weiß, was man auf einer Party macht. Ich bin nicht sonderlich gesprächig und Fremden gegenüber abweisend und kühl. Ich bleibe lieber auf Distanz. Dann würden mich alle seltsam und unheimlich finden und die Party wäre meinetwegen ruiniert. Außerdem bin ich müde. Hana wird mir bestimmt auch morgen wieder das Leben schwermachen, seufze ich in Gedanken.

 

 

Die Tage darauf gibt es in der Stadt kein anderes Thema mehr, als die Strohhutpiraten und ihre supertolle Feier. Ich versuche diesem Thema aus dem Weg zu gehen, doch sie sind überall. Der Koch durchquert die Straßen auf der Suche nach Proviant. Der Kapitän macht sich scheinbar aus allem einen Spaß. Die beiden Frauen aus der Crew bleiben fast bei jedem Klamottenladen stehen und dieser Schwertkämpfer Zorro, scheint irgendwie die Orientierung verloren zu haben, denke ich für mich, als ich durch die Straßen schlendere, um für Hana die nächsten Besorgungen zu tätigen. Schon seltsam dieser Zorro. Was macht der da, frage ich mich, als er jedes Mal die Richtung wechselt, als er ein Mitglied seiner Crew sieht. Noch dazu hat ein viel zu enges Shirt mit der Aufschrift „Mama“ an und drei Säuglinge im Schlepptau. Ich dachte, er ist Schwertkämpfer?

Es ist wirklich nicht leicht, dem Thema „Strohhutpiraten“ in dieser Stadt aus dem Weg zu gehen. Ich versuche nicht weiter darauf zu achten und konzentriere mich wieder auf meinen Einkaufszettel.

 

Wenigstens muss ich das nicht mehr lange ertragen. Sie sammeln bereits Proviant und bereiten sich auf eine Weiterfahrt vor. Soviel ich mitbekommen habe, wird ihnen gerade sogar ein neues Schiff gebaut, fließen meine Gedanken weiter. Ich schüttle meinen Kopf.

 

Wieso denke ich ständig über diese Piraten nach? Ist mein eigenes Leben so uninteressant?

 

Kurz denke ich daran, wie mein Leben im Moment so verläuft. Ich arbeite für eine schrullige, alte Hexe, die mich herumkommandiert wie ihr Hausmädchen, ich sitze auf dieser Insel fest und komme nicht weiter und ich habe niemanden auf dieser Welt, der mir wirklich wichtig ist oder dem ich etwas bedeute.

 

Geknickt lasse ich den Kopf hängen. Diese Piraten sind wirklich spannender als mein eigenes Leben, muss ich mir eingestehen. Missmutig schlürfe ich zurück zu Hana. Auf meinem Weg komme ich am Hafen vorbei und mir stockt vor Schreck der Atem.

 

Oh nein! Ein Marineschiff, muss ich entsetzt feststellen. Die Gallionsfigur zeigt einen Hundekopf. Das ist das Schiff von Vizeadmiral Garp. Ich schlucke. Den Rest des Weges lege ich in einer Rekordzeit zurück. In der Wohnung angekommen schlage ich die Tür hinter mir zu und spitze durch ein Fenster, ob mich jemand verfolgt hat. Die Luft scheint rein zu sein.

 

„Was machst du denn für einen Wirbel?“, fragt Hana genervt.

 

„Die Marine ist hier“, antworte ich.

 

„Die Marine? Na und? Wirst du etwa gesucht?“, fragt die Alte weiter nach.

 

Ich antworte ihr nicht, verstaue die Einkäufe im Kühlschrank und gehe in das Gästezimmer.

 

„He! Ich habe dich was gefragt!“, ruft sie mir hinterher, lässt es dann aber gut sein.

 

Ich setze mich auf das Bett und umklammere meine angewinkelten Beine.

 

Was mache ich denn jetzt? Die Marine ist hier! Was wenn sie mich erkennen? Ich muss hier schnellstens weg, aber wie? Ich habe doch kein Boot. Aber vermutlich sind sie sowieso wegen der Strohhutpiraten hier. Immerhin haben die sich mit der Weltregierung angelegt. Aber was, wenn sie hier länger bleiben und sie mir über den Weg laufen? Einer von ihnen könnte mich erkennen. Für die Marine gelte ich zwar als tot und ich habe seitdem meine Haare wachsen lassen, aber das Risiko ist einfach zu groß.

 

Meine Gedanken kreisen wild in meinem Kopf.

 

Es ist bereits dunkel geworden, als ich für mich eine Entscheidung treffe.

Das neue Schiff

Es ist finsterste Nacht. Nachdem ich Hana einen Abschiedsbrief auf meinem Bett hinterlassen und anschließend noch ein paar Vorräte aus dem Kühlschrank geklaut habe, bin ich nun auf dem Weg zum Schiffsfriedhof, in der Hoffnung dort noch ein halbwegs brauchbares Boot zu finden, das hier niemand vermissen würde. Der Weg dorthin zieht sich länger als gedacht und die Nachtluft legt sich kalt auf meine blanke Haut.
 

Ich fluche innerlich, als ich an meinen Mantel denke, der zusammen mit meinem anderen Hab und Gut von der Aqua Laguna verschlungen wurde. Unwillkürlich reibe ich mir die Arme, um mich warm zu halten. Die Stadt ist still. Sogar im inneren Ring ist das Rauschen der Wellen zu hören. Die Geräusche meiner Schritte dringen in meine Ohren. Ich versuche leiser zu gehen, meine Füße erst über die Ferse und anschließend seitlich bis zum Fußballen abzurollen. Mein Blick ist starr auf den Boden gerichtet, um auch in der Dunkelheit mögliche Hindernisse oder potentielle Geräuschbomben wahrzunehmen.
 

Nach einer halben Ewigkeit erreiche ich den Schiffsfriedhof. Im Vergleich zur Stadt mit ihren hohen Mauern ist die kleine Insel vom Mondlicht hell erleuchtet. Ein beißender Wind weht über die kahle Fläche und lässt meine Nackenhaare zu Berge stehen. Ich blicke mich um. Von einem stabil aussehenden Boot ist jedoch nichts zu sehen. Außer morsches Treibholz, Schiffsüberreste und ein paar gruselig aussehende Galionsfiguren lässt sich hier nichts mehr finden. Nichts außer diesem riesigen Etwas, das von Stoffen umhüllt ist, und sich wie ein Monstrum vor mir auftürmt. Offensichtlich bedecken die Laken, die vom Mondlicht in einen angenehmen Glanz getaucht werden, ein riesiges Schiff. Ich lege meinen Kopf in den Nacken, um die Spitze des Mastes zu sehen. Ich gehe ein paar Schritte zurück.
 

Plötzlich verspüre ich ein unangenehmes Kratzen in meinem Hals, was mich stark husten lässt. Ich beuge mich vor, meine Hände auf die Knie stützend. Als der Reiz verschwindet und sich meine Lungen wieder beruhigen, wische ich mir mit dem Handrücken über den Mund. Das Blut verwischt auf meiner hellen Haut. Ich betrachte die roten Flecken auf dem Boden. Schweiß tritt mir auf die Stirn.
 

Es ist lange her, dass ich Blut husten musste, denke ich. Ich bin wohl in letzter Zeit zu nachlässig mit dem Training geworden.
 

Ich seufze kurz und blicke wieder zu dem Schiff. Wieso steht hier ein Schiff auf dem Schiffsfriedhof? Und dann auch noch mit Laken bedeckt, als dürfe es keiner sehen? 
 

Ich entschließe mich dazu, es mir näher anzusehen. Ich krabble unter den Laken hindurch an Deck. Es ist atemberaubend. Auf dem Deck befindet sich eine große Wiese. Von dort aus führen Treppen zum Steuerrad auf der einen und zu den Räumlichkeiten des Schiffes auf der anderen Seite. Ich setze meine Erkundungstour fort. Ich öffne eine der Türen in der Wand unterhalb der Treppen. Unter Deck ist es stockfinster und ich taste mich an den Wänden vorwärts. Im Gegensatz zu draußen ist es hier angenehm warm und ich merke jetzt erst, wie müde ich bin. Die Wärme und die Dunkelheit lassen meine Augen immer schwerer werden. Ich finde mit den Händen eine Türklinke und öffne sie. Ich betrete den dunklen Raum, erkenne aber nichts. Ich schließe die Tür hinter mir und entschließe mich kurzerhand dazu hier zu übernachten.
 

Hier wird mich die Marine schon nicht finden, denke ich und lege mich auf den blanken, hölzernen Boden. Es dauert nicht lange bis ich in einen tiefen Schlaf falle.
 


 

Ein lauter Knall reißt mich aus meinem Schlaf.
 

„Was war das?“, murmle ich schlaftrunken und reibe mir die Augen. Ich blicke mich um. Ein mattes Licht strahlt durch die Holzwände des fensterlosen Raumes. Offenbar habe ich gestern Nacht die Putzkammer als Schlafplatz gewählt. Umgeben von Besen und Putzeimern versuche ich mich aufzurichten. Als ich mich mit den Händen am Boden abstütze bemerke ich die getrocknete Blutspur, die noch immer meinen Handrücken ziert. Ich versuche sie mit etwas Spucke weg zu reiben.

Plötzlich ertönt noch ein lauter Knall und das ganze Schiff bewegt sich.
 

Fährt es etwa?
 

Eine Kehrtwende des Schiffes lässt mich stolpern und ich falle gegen die Wand.
 

Was zur Hölle…?
 

Langsam öffne ich die Tür und spähe in den Gang. Niemand da. Vom Deck her kommen Geräusche, laute Schreie und schnelle Schritte. Ich öffne die Tür zum Deck. Sonnenlicht strahlt in mein Gesicht und ein hektischer Tumult begrüßt mich. Es sind Leute auf dem Schiff, die schnell aber scheinbar organisiert durcheinanderlaufen. Ich versuche mir einen Überblick zu verschaffen. Plötzlich bleibt ein großer Mann – mit Badehose und Hawaiihemd bekleidet – vor mir stehen.
 

„HÄ? Wer bist’n du?“, begrüßt er mich harsch. Sein Dreifach-Kinn ist dabei vor Wut nach vorne verschoben. Die Mitte seines Gesichtes ziert eine metallene Nase, die eine Sonnenbrille trägt und auf seinem Kopf thront eine prachtvolle Schmalzlocke.
 

„He, Ruffy! Hier ist ein blinder Passagier!“, brüllt er. Plötzlich sind alle Blicke auf mich gerichtet.
 

„Nanu? Die kenne ich doch!“, höre ich jemanden murmeln. Ich versuche die Stimme zuzuordnen, doch bevor ich von selbst darauf komme, woher sie mir bekannt vorkommt, tänzelt bereits ein Blondschopf in Pirouetten auf mich zu.
 

„Ah! Das ist das hübsche Mädchen vom Fischmaaaarkt!“, singt er und fällt vor meinen Füßen auf die Knie. Er nimmt meine Hand.
 

„Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Sanji. Es freut mich dich wieder zu seh…“
 

Weiter kommt er in seinen Ausführungen nicht. Eine junge Frau mit orangefarbenem Haar hat ihn mit einem Schlag auf dem Hinterkopf unterbrochen.
 

„Dafür haben wir jetzt keine Zeit, Sanji! Die Marine ist noch immer hinter uns her! Und Lysop ist auch noch nicht da! Also geh ans Steuer!“, brüllt sie die Prima Ballerina an, die sich ihre pochende Beule hält.
 

„Ja, Namilein!“, trällert er mit verliebtem Blick.
 

Etwas verwirrt lassen sie mich dort einfach stehen bis auch schon die nächste Person auf mich zukommt.
 

„Hm? Ein blinder Passagier? Wer bist du denn?“, fragt er mich während er sich fragend seinen Strohhut hält.
 

Strohhut? Und dieser Blondschopf, den ich bereits getroffen habe… Das ist die Strohhutpiratenbande! Und das Schiff, das ich mir gestern Nacht als Schlafplatz ausgesucht habe, ist das Schiff, das ihnen für ihre Hilfe für Water Seven gebaut wurde, fügt es sich in meinem Kopf zusammen.
 

„Ich bin Ruffy! Ich bin der Captain hier“, stellt er sich schließlich vor, als ich nicht auf seine Fragen geantwortet habe.
 

„Ich bin Tia“, stelle nun auch ich mich knapp vor.
 

Ein breites Grinsen macht sich in seinem Gesicht breit.
 

„Was machst du denn bei uns auf dem Schiff?“, fragt er weiter.
 

Doch zu einer Antwort komme ich nicht, denn wieder werden wir von Namilein unterbrochen. Auch Ruffy ergattert eine Beule auf dem Hinterkopf.
 

„Ruffy! Das gilt auch für dich! Wir haben uns gerade um Wichtigeres zu kümmern! Dein Großvater feuert noch immer mit Kanonenkugeln auf uns!“, schreit sie völlig außer sich.
 

„Ist ja gut, Nami.“ Ruffy reibt sich seinen Kopf.
 

Großvater? Kanonenkugeln?
 

Erst jetzt bemerke ich, wie Kanonenkugeln knapp neben dem Schiff ins Wasser schlagen. Ich spähe in die Richtung, aus der sie kommen und entdecke ein riesiges Marineschiff mit zwei kleineren Schiffen als Geleitschutz. Am Bug des Hauptschiffes steht ein Mann, der die Kanonenkugeln mit bloßen Händen in unsere Richtung feuert. Ich erkenne Vizeadmiral Garp. Und das ist Ruffys Großvater?
 

„Hey, Ruffy! Da ist Lysop!“, ruft ihm ein kleiner Waschbär mit Geweih und einem Hut zu.
 

Ruffy eilt zur Reling und beugt sich vorn über. Auf seinem Gesicht macht sich ein breites Grinsen breit.
 

„HEY, LYSO-“
 

Sein Schrei erstickt, als er von einem weiteren Mann mit grünen Haaren unterbrochen wird. Er trägt drei Schwerter und sein Gesicht ist mir von den Steckbriefen bekannt: Lorenor Zorro.
 

„Ruffy!“, ermahnt er ihn streng.
 

„Er muss sich erst bei dir entschuldigen.“ Es klingt eher wie eine Erinnerung für Ruffy, denn in seinem weinerlich verzerrten Gesicht kann man erkennen, dass Ruffy genau weiß wovon Zorro da spricht. Offensichtlich hatten sie bereits ein ausführliches Gespräch darüber. Was auch immer dieser Lysop getan haben muss, es war schwerwiegend.
 

„Ja, ich weiß“, presst Ruffy hervor.
 

Zorro wendet sich von ihm ab und sein Blick trifft auf mich. Er mustert mich geradezu. Für einen kurzen Moment bleibt sein Blick an meinen Schwertern hängen, die ich gekreuzt auf meinem Rücken trage. Ich halte der Musterung stand, ohne eine Miene zu verziehen. Als er fertig ist, lächelt er nur kurz und wendet sich dann wieder der Verteidigung des Schiffes gegen die Kanonenkugeln zu.
 

Langsamen Schrittes gehe ich auf Ruffy zu.
 

„Ich helfe euch“, sage ich schlicht.
 

„Hm?“, gibt der verwirrte Piratenkapitän von sich.
 

„Ich helfe euch, die Marine loszuwerden, wenn ihr mich bis zur nächsten Insel mitnehmt. Danach gehen wir wieder getrennter Wege“, erkläre ich.
 

Ruffy lächelt.
 

„Einverstanden!“
 

Ich nicke ihm zu und schlendere gemächlich zum Heck des Schiffes, um eine gute Sicht auf die Marineschiffe zu haben. Ich werfe einen letzten Blick auf die Stadt des Wassers, die sich dahinter noch aufbaut. Mein Blick wandert zu den Wellen, die unser Schiff umspielen. Ich versuche ihre Bewegungen zu analysieren. Für einen kurzen Moment schließe ich die Augen, um mich zu konzentrieren.
 

Genau in diesem Augenblick ertönt es.
 

„ES TUT MIR LEEEEEIIIIID!“, brüllt eine Stimme von der Insel.
 

Plötzlich saust ein lang gestreckter Arm an mir vorbei. Ich erschrecke, lasse es mir jedoch nicht ansehen. Der Arm streckt sich bis zum Ufer des Schiffsfriedhofs. Das andere Ende finde ich an Ruffys Schulter wieder. Er ist also wirklich ein Teufelsfruchtesser, staune ich mit offenem Mund.
 

„Na los! Mach schon! Nimm meine Hand!“, höre ich Ruffy angestrengt und mit verheultem Gesicht rufen.

Eh ich mich versehe, zieht er seinen Arm mit hohem Tempo zurück und an dessen Ende klammernd, erreicht ein weiteres Mitglied der Strohhutpiraten das Schiff.
 

„Gut, wir sind endlich vollzählig! Also nichts wie weg hier!“, ruft Nami.
 

Das ist mein Stichwort. Während auf dem Deck Freudentränen vergossen und sich in den Armen gelegen wird, versuche ich mich erneut zu konzentrieren. Wieder mustere ich die Bewegung der Wellen, schließe die Augen und atme tief durch. Meine Hände greifen die Griffe meiner beiden Schwerter, die ich nun aus ihren Scheiden ziehe. Meine Arme über meinem Kopf, positioniere ich die Klingen der Schwerter parallel zueinander. Ich spüre den Wind, der leicht an meinen hochgesetckten Haaren zieht.
 

Mit einem schnellen Hieb schwinge ich meine Schwerter in einem Halbkreis zum Wasser hin ausgerichtet. So leise und schnell der Hieb war, umso lauter und energiegeladener ist seine Auswirkung.
 

Die Energie des Hiebes überträgt sich über die Luft auf das Wasser und es entsteht eine riesige Welle, die mit hoher Geschwindigkeit auf die Marineschiffe zurast und gleichzeitig das Piratenschiff mit einem Schwung nach vorn treibt.

Zufrieden stecke ich meine Katanas wieder sanft in ihre Scheiden zurück. Als ich wieder zurück zum Deck gehe, werde ich mit offenstehenden Mündern und bewundernden Blicken empfangen.
 

„Das war ja der HAMMER“, schwärmt Ruffy.
 

„Zorro, wieso kannst du sowas Cooles nicht?“, hängt er noch vorwurfsvoll an.
 

„HALT DIE KLAPPE!“, brüllt dieser seinem Captain wuterfüllt entgegen.
 

„So Leute, holt die Segel ein!“, ruft uns der Hawaiihemd-Badehosen-Schmalzlocken-Typ zu.
 

Ohne weiter nachzufragen, kommen Sanji und Zorro seinem Befehl nach.
 

„Was ist denn los, Franky?“, fragt Nami.
 

„Ich habe noch eine Besonderheit in dieses Schiff eingebaut, aber ich denke, vorher braucht es noch einen Namen!“, erklärt er.

„Ich habe mir natürlich auch schon Gedanken darüber gemacht. Mein Vorschlag wäre es, die New Battle Franky Lion Gang Champion zu nennen?“
 

„Oh, wie wäre es mit Tigerlöwenaffe?“, ruft Ruffy dazwischen.
 

„Ich wäre für Lionel, der Boss!“, schlägt Zorro vor.
 

„Wie wäre es mit Schiff der Finsternis?“, fragt eine elegante Frau mit schwarzen, schulterlangen Haaren, die bisher ziemlich ruhig war. Ich mustere sie, während Ruffy weitere Namensvorschläge in Form von Aneinanderreihungen von Tiernamen dazwischenruft. Ihr Gesicht kommt mir auch bekannt vor. Sie hat ebenfalls einen Steckbrief. Ich versuche mich an ihren Namen zu erinnern.
 

„Ich würde es ja Monsieur Sonnenblume nennen“, gibt nun Sanji seinen Senf dazu.
 

„Hm, Eisberg hatte ja die Idee es Thousand Sunny zu nennen, weil der Löwenkopf der Galionsfigur an eine Sonne erinnert“, murmelt Franky vor sich hin.
 

Nico Robin, fällt mir ihr Name plötzlich wieder ein.
 

Nach langem Hin und Her entscheidet sich die Crew schließlich dafür, ihr Schiff Thousand Sunny zu nennen und ich bin froh, dass Ruffy endlich nicht mehr auf seine Tiernamen besteht.
 

Kaum steht der Name fest, betätigt Franky auch schon einen Hebel neben dem Steuerrad.
 

„Also dann! Alle Mann gut festhalten!“, ruft er und ehe wir uns versehen, hebt sich die Thousand Sunny auch schon mit einer gewaltigen Druckwelle vom Wasser ab und fliegt, bis die Marine nicht mehr zu sehen ist.

Die Strohhutbande

Das Meer ist ruhig, die Marine nicht mehr zu sehen. Es ist plötzlich so friedlich, als wären sie nie hinter uns her gewesen. Ich trete näher an die Reling, um mir das beruhigende Schlagen der Wellen anzusehen. Der Wind weht mir sanft durch meine pechschwarzen Haare. Es ist einer der wenigen sorglosen Momente, die ich in letzter Zeit durchlebt habe. Doch der Moment hält nicht länge an. Ich spüre die Augen in meinem Rücken. Alle starren sie mich an. Die gesamte Strohhutpiratenbande hat sich im Halbkreis um mich versammelt.
 

Mit einem langen Seufzer und genervtem Blick wende ich mich ihnen zu. Ich weiß, was jetzt kommt. Es wird ein lästiges Frage-Antwort-Spiel, denke ich, als ich in ihre angespannten Gesichter sehe. Und es lässt auch nicht lange auf sich warten.
 

„Also?“, ergreift der Schwertkämpfer das Wort.
 

„Sag schon. Wer bist du und was hast du auf unserem Schiff verloren?“
 

Sein Blick und seine Körperhaltung legen eine gewisse Feindseligkeit an den Tag. Seine Augen scheinen mich regelrecht durchbohren zu wollen.
 

Er ist wie alle anderen, denke ich. Ich bin es gewohnt, dass man mir mit Vorsicht und Argwohn entgegentritt. Zorro ist da eben keine Ausnahme. Ich bleibe ruhig. Es ist mir gleichgültig, wie die Leute über mich reden und was sie von mir denken. Es ist mir egal, ob sie mich mögen. Das war es schon immer.
 

„Ich bin Tia“, antworte ich gelangweilt. Eine kurze Pause entsteht. Er sieht mich weiterhin erwartungsvoll an, doch ich reagiere nicht darauf.
 

„Und weiter?“, fragt er noch einmal etwas energischer.
 

Ich schnaube genervt. Ich habe keine Lust auf so ein Verhör.
 

„Es war keine Absicht von mir, mit euch in See zu stechen. Ich wollte mich nur vor der Marine verstecken, habe das Schiff gesehen, bin an Bord gegangen und unter Deck in der Putzkammer eingeschlafen“, erkläre ich meine Lage, in der Hoffnung, dass damit all seine Fragen beantwortet sind.
 

„In der Putzkammer?!“, prustet der Neuankömmling los, den sie Lysop nennen, und hält sich seinen Bauch vor Lachen.

Ich hingegen finde das alles andere als lustig. Ich werfe ihm einen strafenden, düsteren und mordlustigen Blick zu.
 

„Findest du das etwa lustig?“, frage ich mit bedrohlicher Stimme.
 

Sofort erstarrt sein Lachen. Erschrocken von meinem eiskalten Tonfall und eingeschüchtert durch meinen Blick druckst er herum.
 

„Nein, nein! Überhaupt nicht“, versucht er sich rauszureden.
 

„Moment mal. Du hast gesagt, du hast dich vor der Marine versteckt. Wieso? Wirst du etwa gesucht?“, fragt auf einmal Nami. Ihr scheint wohl nichts zu entgehen, denke ich.
 

„Das hat euch nicht zu interessieren. Euer Captain hat der Bedingung zugestimmt, mich bis zur nächsten Insel mitzunehmen, wenn ich euch helfe, die Marine loszuwerden. Ich habe meinen Teil erfüllt. Jetzt seid ihr dran. Bringt mich zur nächsten Insel und ihr seid mich wieder los. Und bis dahin können wir auf unnötige Konversationen auch gerne verzichten“, antworte ich kalt und hoffe damit meinen Standpunkt deutlich gemacht zu haben.
 

Keiner der Crew traut sich mehr etwas zu sagen.
 

„Gut. Wenn ihr mich dann entschuldigt“, beende ich das Gespräch und dränge mich an ihnen vorbei auf die große Grünfläche, die den gesamten Bereich des Decks ziert.
 

Sofort beginnt das Getuschel hinter meinem Rücken und ich spüre erneut ihre Blicke auf mir ruhen.
 

„Dieses Mädchen ist seltsam“, höre ich Nami zu jemandem flüstern.
 

„Hey, Chopper! Findest du sie auch so unheimlich wie ich?“, kommt es leise von Lyop.
 

„Ja“, flüstert der kleine Waschbär mit zitternder Stimme zurück.
 

Ich schließe für einen Moment die Augen, versuche mich zu besinnen und mich nicht davon aus der Ruhe bringen zu lassen. Ich hole tief Luft und verspüre ein unangenehmes Brennen in meiner Lunge, das mich stark husten lässt. Ich halte mir die Hand vor den Mund. Der Reiz bricht nicht ab und ich huste weiter.
 

„Nanu? Bist du etwa krank?“, fragt Chopper plötzlich mit besorgter Stimme. Er tritt etwas näher.
 

Ich schüttle mit dem Kopf, da mir das Husten das Reden schwer macht.
 

„Lass mich das mal ansehen. Ich bin nämlich der Arzt hier auf dem Schiff“, berichtet er mit Stolz.
 

„Nein… Schon gut“, röchle ich durch meine Hände. Der Hustenreiz lässt nach. Langsam nehme ich meine Hände vom Mund.
 

Besorgt starre ich auf die blutüberströmten Handflächen. Es wird schlimmer, schießt es mir voller Panik durch den Kopf. Schweiß perlt von meiner Stirn.
 

„Du schwitzt ja ganz stark. Du hast bestimmt Fieber! Komm, lass es mich ansehen. Ich kann dir helfen“, eifert der Kleine weiter.
 

„NEIN!“, brülle ich plötzlich lauter als gewollt.
 

Er zuckt ängstlich zurück.
 

Mein Herz schlägt stark gegen meine Brust und ich versuche meine Atmung zu beruhigen. Mein Körper zittert vor Angst.
 

„Ich… Ich wollte doch nur helfen.“ Krampfhaft kämpft Chopper mit seinen Tränen. Mein Ausbruch hat ihm wohl stärker zugesetzt als ich dachte. Für einen kurzen Moment tut es mir fast leid.
 

„Tut mir leid“, sage ich nun wieder ruhig und leise.
 

„Aber damit kann mir niemand helfen.“ Mein Blick ist immer noch starr auf meine Hände gerichtet, auf deren hellen Haut das rote Blut schon beinahe leuchtet. Ich balle sie zu Fäusten, da es keiner sehen soll.
 

„Wo sind denn hier die Toiletten?“, frage ich höflich.
 

„Perfektes Timing! Es wird Zeit für eine kleine Führung durch euer neues Schiff!“, prahlt Franky und versucht damit die Stimmung der Mannschaft wieder zu heben und von der unangenehmen Situation abzulenken.
 

Er zeigt mir das Badezimmer und führt anschließend die Erkundungstour durch das Schiff mit den anderen fort.
 

Das Bad ist riesig mit einer großen Badewanne und hochwertig eingerichtet. Perfekt zum Entspannen. Doch Entspannung ist gerade das letzte, an das ich denken kann. Ich drehe den Wasserhahn auf und halte meine Hände unter das fließende Wasser, um das Blut gründlich abzuwaschen. Auch als meine Hände bereits sauber sind, lasse ich das Wasser noch länger einfach über meine Haut fließen. Es ist als würde es langsam jedweden Dreck von mir abspülen. Auch den Schmutz von meiner Seele. Ich fühle mich innerlich schmutzig und eklig. Das kalte Wasser an meinen Händen gibt mir das Gefühl, einen Teil davon einfach wegzuspülen. Das gleichmäßige plätschern aus dem Wasserhahn beruhigt mich irgendwie. Gedankenverloren sehe ich dem Wasser zu. Ich fülle meine Hände damit und klatsche es mir ins Gesicht, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Die Kühle tut gut.
 

Ich stelle das Wasser wieder aus, greife nach einem Handtuch und trockne damit Hände und Gesicht. Ein Blick in den Spiegel zeigt mir, wie erschöpft ich aussehe. Ich lehne mich auf das Waschbecken, um mich besser betrachten zu können.

Man merkt mir an, wie es an mir zehrt. Er wird stärker. Ich muss vorsichtig sein. Ich muss mehr trainieren, geht es mir durch den Kopf. Ich hasse es, mich im Spiegel zu sehen. Mal abgesehen davon, dass ich meine langen Haare nicht mag, sehe ich darin nicht mich selbst. Ich sehe nicht das Mädchen, das ich einmal war. Ich sehe nur noch ihn. Ich sehe dieses grausame, kalte Monster, das ich heute bin – das er aus mir gemacht hat. Unwillkürlich berühre ich mit meinen Fingern ganz leicht meine Wange. Meine Haut ist weich und noch kühl vom Wasser.
 

Überdrüssig von meinem Spiegelbild wende ich mich ab und verlasse das Badezimmer.
 

„Oh, wie cool!“, brüllt jemand vom anderen Ende des Ganges. Neugierig und nach einer Ablenkung von mir selbst suchend, trete ich näher und finde mich in einem großen Raum wieder, dessen Wände komplett aus Glas sind. Es ist ein riesiges Aquarium. Völlig davon beeindruckt stockt mir der Atem.
 

„Franky! Das ist ja der Hammer!“, schreit Ruffy völlig aus dem Häuschen, die Nase gegen die Glasscheiben des Aquariums gedrückt. Lysop, der direkt neben ihm steht, tut es ihm gleich.
 

„Ah, da seid ihr ja“, begrüßt Sanji die Anwesenden im Raum.
 

„Franky, die Küche ist ja großartig! Ich werde gleich mal etwas kochen“, fährt er begeistert fort und krempelt bereits seine Ärmel nach oben.
 

„Oh ja, super, Sanji!“, sabbert Ruffy die Glasscheiben voll.
 

„Tia, du bist sicher auch hungrig, oder? Hast du einen speziellen Wunsch?“, fragt er mich mit übertrieben höflicher und freundlicher Stimme. Überrascht sehe ich ihn an.
 

Wieso ist er so nett zu mir? Ich war vorhin so kalt zu ihnen und trotzdem lädt er mich zum Essen ein? Das Bild meiner blutüberströmten Hände erscheint vor meinem inneren Auge und jagt mir einen Schauer über den Rücken.
 

„Nein, danke. Ich möchte nichts“, lehne ich sein Angebot ab. Prompt in diesem Moment meldet sich mein Magen mit einem lauten Knurren und ich verfluche ihn dafür. Sanji grinst breit.
 

„Nur keine falsche Bescheidenheit. Du bist schließlich unser Gast. Hier muss keiner hungern. Also, was möchtest du?“, fragt er erneut.
 

„Sanji, ist der beste Koch, den es gibt! Alles was er macht schmeckt einfach super lecker!“, schwärmt Ruffy mit glänzenden Augen.
 

Ich gebe auf.
 

„Na schön. Dann aber bitte nur einen Salat“, wähle ich bedacht.
 

„Einen Salat? Kommt sofort! Aber bist du sicher, dass dir das reicht? Ich mach einfach von allem etwas mehr, dann kannst du es dir ja noch überlegen“, grinst Sanji mich an.
 

Als Sanji den Raum verlassen hat, wende ich mich an den offensichtlichen Erbauer dieses Schiffes.
 

„Du heißt Franky, richtig?“
 

„Hä?“, kommt es von ihm nur zurück und wendet sich mir zu.
 

„Das ist jetzt vielleicht etwas unverschämt von mir, aber gibt es hier irgendwo einen Ort, an dem ich ein wenig trainieren kann?“, frage ich.
 

Ich mache mich darauf gefasst, von ihm zusammengestaucht zu werden, da ich mich bisher nicht gerade freundlich verhalten habe und nun eine Bitte an ihn habe. Bisher trat Franky mir gegenüber eher feindselig und vorsichtig gegenüber. Er musterte mich genau und traute mir nicht. Das habe ich gespürt. Und damit hatte er auch vollkommen Recht. Doch nun reagiert er anders, als ich es von ihm erwartet hätte.
 

Ein breites Grinsen macht sich auf seinen Wangen breit.
 

„Hehe. Na klar! Ich habe hier einen Trainingsraum eingebaut. Zorro habe ich ihn schon gezeigt. Komm mit! Ich führ dich hin“, berichtet er.
 

Der Stolz, der in seiner Stimme mitschwingt und den er für sein Schiff ausstrahlt, ist kaum zu übersehen. Ich folge dem großen Mann durch die Gänge.
 

Seltsam, denke ich. Vorhin war ich so kühl und abweisend zu ihnen. Wieso sind sie jetzt so nett zu mir? Sind die so naiv, mir einfach so Freiraum auf ihrem Schiff zu geben? Haben sie keine Angst vor mir? Irgendwie gefällt mir das nicht, denke ich skeptisch. Ich bin verwirrt. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich bin nur sehr selten Leuten begegnet, die so auf mich reagieren. Die meisten haben Angst vor mir. Und das kann ich auch vollkommen nachvollziehen. Das sagt ihnen ihr innerer Instinkt und damit haben sie auch Recht. Man sollte Abstand von mir halten. Man sollte mich lieber fürchten. Und um den Menschen das klar zu machen, bin ich auch so kühl und unfreundlich. Man soll sich von mir fernhalten.
 

Aber diese Mannschaft hier, überlege ich. Entweder sind sie wirklich so naiv und dumm, dass sie nicht kapieren, dass ich eine Gefahr für sie darstellen könnte oder es hat einen anderen Grund, warum sie keine Angst vor mir haben.
 

„So. Da sind wir“, reißt mich Franky aus meinen Gedanken und öffnet mir die Tür zum Trainingsraum.
 

Ich trete ein und erblicke auch schon Zorro, der bereits mit einem Gewicht trainiert, das viel größer ist als er selbst. Leicht beeindruckt von dem Gewicht, das er stemmen kann, hebe ich eine Augenbraue.
 

„Hm?“, knurrt er, als er bemerkt, dass ich eintrete.
 

„Was willst du?“, presst er angestrengt heraus und führt sein Training fort.
 

Offensichtlich habe ich mich getäuscht. Nicht alle aus der Mannschaft sind nett zu mir. Irgendwie beruhigt mich das ein wenig und ich schließe für einen kurzen Moment zufrieden meine Augen, bevor ich ihm antworte.
 

„Das gleiche wie du. Ich möchte trainieren.“
 

Schweiß perlt von seinem nackten Oberkörper. Ich mustere ihn. Seine Muskeln tanzen zu seinen Bewegungen, die er mit dem Gewicht ausführt. Er führt gleichmäßige Schwerthiebe aus. Ein gutes Oberkörper- und Armmuskeltraining. Den letzten so gut trainierten Männerkörper sah ich bei meinem Onkel, als ich zusammen mit ihm trainierte, erinnere ich mich.
 

„Dann lass ich euch beide mal wieder allein. Ich muss Nami und Robin noch die Bibliothek zeigen“, verabschiedet sich Franky und schließt die Tür wieder hinter sich. Erst jetzt bemerke ich, dass ich Zorro die ganze Zeit über angestarrt habe. Ich besinne mich wieder, lege meine Schwerter ab und ziehe nun auch mein Oberteil aus.
 

Zorro erstarrt und seine Wangen erröten leicht.
 

„Hngh! Was machst du denn da?!“, brüllt er mich an, als ich nur noch in BH und langer Jeans vor ihm stehe.
 

„Hab ich doch gesagt. Ich trainiere“, sage ich gleichgültig und suche mir ebenfalls zwei für mich passende Gewichte aus dem Sortiment.
 

„Aber musst du dich denn dafür ausziehen?“, keift er weiter.
 

Überrascht wende ich meine Aufmerksamkeit von den Gewichten nun ihm zu.
 

„Du bist doch auch oberkörperfrei“, protestiere ich und verschränke genervt die Arme vor der Brust.
 

„Aber das ist etwas völlig anderes!“, brüllt er völlig außer sich.
 

Genervt hebe ich eine Augenbraue.
 

„Hmpf“, schnaube ich.
 

„Jetzt beruhig dich mal wieder. Ich trainiere immer so. Außerdem ist das mein einziges Top, das ich noch habe und das möchte ich ungern vollschwitzen. Mach dich mal locker.“
 

Damit lasse ich ihn einfach stehen und wende mich wieder der großen Auswahl an Gewichten zu. Ich merke wie Zorro hinter mir kocht vor Wut. Ich höre wie er tief durchatmet und sich dazu zwingt sich zu beruhigen. Als er sich wieder gefangen hat, blickt er interessiert in meine Richtung.
 

Er lässt ein arrogantes Schnauben los.
 

„Sind die Gewichte da nicht ein wenig zu schwer für ein kleines Mädchen wie dich?“, stichelt er, als ich mich für zwei Gewichte entschieden habe, die zusammen in etwa an das herankommen, das er gerade stemmt.
 

Ich zucke zusammen. Hat er mich gerade etwa „kleines Mädchen“ genannt? Meine Augenbrauen zucken. Ich kann es nicht leiden, wenn man mich Mädchen nennt. Noch dazu klein. Ich schnappe mir die beiden Gewichte und beginne damit beidhändig ebenfalls Schwerthiebe nachzustellen. Ich muss für mich selbst zugeben, dass es mich eine gewisse Kraft kostet, aber dafür nennt man es ja auch Training. Zorros verdutzter Blick ist es allemal wert. Ich lasse mir meine Selbstgefälligkeit ihm gegenüber jedoch nicht anmerken und konzentriere mich auf das Training.
 

Diesmal ist es der Grünhaarige, der mich eine Sekunde zu lang beäugt. Als er bemerkt, dass er mich anstarrt, fährt auch er wortlos mit seinem Training fort und versucht mich weitestgehend zu ignorieren.
 

Nach einer Weile bemerke ich, wie sich die Muskeln in meinem Körper dagegen sträuben auch noch einen Schwerthieb auszuführen. Ich kämpfe gegen die Erschöpfung an und merke, wie sehr ich aus der Übung bin. Kein Wunder, dass die Hustenreize häufiger werden. Ich sollte wirklich mehr darauf achten, ermahne ich mich selbst, bevor ich kraftlos die Gewichte für eine kleine Pause absetzen muss.
 

Zorro grinst selbstgefällig.
 

„Schon fertig?“ In seiner Stimme schwingt eine aufstachelnde Arroganz mit. Es macht mich wütend.
 

„Nur eine kleine Pause“, knirsche ich durch meine Zähne.
 

„Gar keine schlechte Idee“, meint er auf einmal ziemlich gelassen und stellt sein Gewicht wieder zurück an seinen Platz. Auch ich räume meine Gewichte für das Erste wieder auf.
 

Plötzlich wird die Tür aufgerissen und Sanji stürmt rein.
 

„Ach hier seid ihr! Das Essen ist fert-“, weiter spricht er seinen Satz nicht, als er wahrnimmt, was hier vor sich geht.
 

„HÄÄÄÄ?!“, brüllt er plötzlich und zeigt mit dem Finger auf uns.
 

„Wieso seid ihr beide halb nackt? Und wieso schwitzt ihr so und seid aus der Puste? Zorro, was hast du mit Tia angestellt?“, fährt Sanji Zorro an, als er die Situation wohl etwas fehlinterpretiert.
 

„Gar nichts. Wir haben nur trainiert“, gibt dieser genervt zurück.
 

„Ach ja? Und wieso hat Tia dann nur noch ihren BH an?“, keift er Zorro weiter an.
 

„Was weiß ich?! Frag sie doch selbst!“, brüllt dieser zurück, während er sich ein Handtuch um den Hals hängt.
 

Während sich die beiden ankeifen, trockne ich mir den Schweiß von der Haut und ziehe mir mein schwarzes, bauchfreies Top wieder an. Ich verlasse den Raum und lasse die beiden Streithähne das unter sich ausmachen. Durch Ruffys aufgebrachtes Geschrei voller Vorfreude auf das Essen, ist der Speiseraum leicht zu finden. Alle sitzen bereits um den reichlich gedeckten Tisch. Das Essen, das darauf steht, würde locker für 50 Mann reichen.
 

„Ahhh, sieht das lecker aus“, schwärmt Ruffy und sabbert über den halben Tisch. Unauffällig versucht er bereits im Vorfeld eine große Fleischkeule zu stibitzen. Als Resultat bekommt er von Nami eine Gabel in die Hand gerammt.
 

„AUA!“, brüllt er.
 

„Ruffy, wir warten bis alle da sind!“, spricht sie drohend.
 

Ich setze mich wortlos an einen freien Platz. Kurz darauf finden sich auch Sanji und Zorro ein und das Buffet wird eröffnet. Ruffy greift sich sofort, was nicht niet- und nagelfest ist, und verschlingt das Essen scheinbar ohne zu kauen. Er macht nicht einmal Halt vor Essen, das bereits auf einem anderen Teller liegt, weswegen Lysop plötzlich aus der Haut fährt und seinem Captain eine Standpauke hält. Während der wilde Haufen um mich herum isst, wie eine Horde Barbaren, versuche ich ruhig zu bleiben und mich an meinem Salat nicht zu überfressen, auch wenn es das Beste ist, das ich je gegessen habe. Ich darf ihm nicht zu viel Nahrungsangebot liefern, ermahne ich mich und schiebe mir noch eine Gabel des leckeren Salates genüsslich in den Mund.
 

Alle um mich herum lachen und haben Spaß, doch ich fühle mich hier fremd. Das ist nicht meine Welt. Es ist nicht so, als würden sie mich ausschließen, aber ich finde einfach keinen Anschluss an diese Piraten und möchte es auch nicht. Als ich fertig bin nehme ich meinen Teller, stelle ihn in die Küche und ziehe mich wortlos auf das grasbedeckte Deck zurück, um die Ruhe dort zu genießen. Ich setze mich in den Schneidersitz und schließe die Augen zur Meditation. Doch die Ruhe hält nicht lange an. Ruffy, Lysop und Chopper stürmen mit einer Angel bewaffnet an Deck.
 

„Los, kommt schon! Wir fangen ein paar Fische für unser neues Aquarium!“, kichert Ruffy vergnügt und die anderen beiden stimmen mit ein. Sie werfen die Angel aus und kichern, quatschen und singen froh durcheinander. Nicht gerade vorteilhaft für meine Meditation. Angestrengt ziehe ich meine Augenbrauen zusammen.
 

Erneut geht die Tür auf und auch Nami und Robin kommen an Deck. Tratschend bequemen sie sich auf ein paar Liegestühle und schlürfen Sanjis neuesten Cocktailmix.
 

Auch Sanji gesellt sich an Bord und beugt sich zu mir herunter.
 

„Darf ich dir meine neueste Kreation anbieten? Es ist ein Cocktail mit den besten und frischesten Zutaten für eine schöne Frau wie dich“, preist er sein Getränk an.
 

Seine letzte Formulierung lässt mich ungläubig die Augen öffnen. Genervt blicke ich in sein breites, verliebtes Grinsen.
 

Ich kann diesen Typ einfach nicht ernst nehmen, denke ich genervt.
 

„Nein, danke“, sage ich und hoffe, dass er mich damit in Ruhe lässt. Doch so einfach lässt er sich wohl nicht abwimmeln.
 

„Bist du sicher? Er schmeckt wirklich deliziös und ist noch dazu voller Vitamine!“
 

Ich blicke erst das fruchtig-orangene Getränk mit frischem Eis, Röhrchen und Schirmchen an und dann den blonden Koch.
 

„Ich trinke keinen Alkohol“, weise ich ihn erneut ab.
 

„Oh! Das tut mir leid. Das wusste ich nicht. Ich kann dir auch eine alkoholfreie Variante zaubern“, bietet er an.
 

Ich seufze.
 

„Wie du meinst“, sage ich mit deutlich genervtem Unterton in meiner Stimme und gebe mich geschlagen. Sofort verschwindet er erneut in der Küche, ehe er mit einem neu gemixten Cocktail wieder vor mir steht. Ich nehme ihn ohne weitere Worte entgegen, nehme einen Zug durch das Röhrchen und stelle ihn dann neben mich hin.
 

„Wirklich sehr lecker“, muss ich ernstgemeint zugeben. Sanji ist wirklich ein hervorragender Koch, das muss man ihm eingestehen.
 

„Freut mich, wenn es dir schmeckt“, gibt er zurück und verneigt sich kurz wie ein wahrer Gentleman bevor er sich wieder Nami und Robin zuwendet.
 

Noch bevor ich erneut versuchen kann, mich auf meine Meditation zu konzentrieren, brüllen Ruffy und Co schon wieder dazwischen.
 

„Seht mal! Da schwimmt ein Fass! Lysop, zieh es raus! Ich will sehen, was drin ist“, ruft er begeistert wie ein Kind.
 

Kaum ist das Fass an Bord, zieht es auch schon die Aufmerksamkeit der gesamten Crew auf sich. Ich versuche dem Ganzen keine Aufmerksamkeit zu schenken, doch als Ruffy das Fass trotz der Warnung aller anderen öffnet, schießt plötzlich ein rotes Licht in den Himmel.
 

„Du Blödmann!“, keift Nami und schlägt ihrem Captain mit der Faust auf den Hinterkopf.
 

Ich hoffe nur, dass wir weit genug von Marineschiffen weg sind, die das hätten sehen können.

Der Übungskampf

Nachdem auch nach einem Tag seit der Auslösung des Leuchtfeuers keine Marine in Sicht war, widmete sich jeder auf dem Schiff wieder seiner Aufgabe. Ich versuche dabei die anderen, soweit es möglich ist, zu ignorieren. Während Zorro seine Schläfchen hält, trainiere ich im Übungsraum und wenn er dort trainiert, verbringe ich meine Zeit entweder an Deck oder im Frauenzimmer, in dem man für mich einen Schlafplatz eingerichtet hat. Doch auch an diesem Morgen fand ich mich neben meinem Bett auf dem Boden. Ich bin diese weichen Matratzen einfach nicht gewohnt.
 

Am Frühstückstisch ist genau das gleiche Chaos wie bei anderen Mahlzeiten. Ruffy stopft in sich, was er kriegen kann. Sanji verteidigt das Essen der weiblichen Personen an Bord und der Rest der Truppe versucht noch irgendetwas von dem zu erwischen, was Ruffy übersehen hat. Angesichts meines Gesundheitsbilds achte ich zur Zeit sehr darauf, was ich zu mir nehme und esse nur das Nötigste, das mein Körper braucht, ohne beim Training einfach umzukippen.
 

„Hey! Ist euch eigentlich aufgefallen, dass Tia noch kein einziges Mal gelacht hat, seit sie hier ist?“, versucht Lysop die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, sodass Ruffy in seiner Bewegung innehält, Lysops Teller ein zweites Mal leer zu räumen.
 

„Hm? Ja, Stimmt!“, spricht Ruffy mit vollem Mund.
 

Ich mache mir nicht die Mühe von meinem Essen aufzusehen. Ich weiß, dass alle Augenpaare gerade auf mich gerichtet sind. Und auch das versuche ich zu ignorieren.
 

„Hey, Tia!“, Ruffy hat inzwischen heruntergeschluckt. „Lach doch mal!“
 

Bei seinem letzten Satz blicke ich ihm genervt entgegen. Seinen verschmierten Mund ziert ein breites Grinsen.
 

„Nein“, antworte ich schlicht und widme mich weiter meinem Frühstück.
 

„Nein? Wieso denn nicht?“, fragt Lysop nun mit echtem Interesse.
 

„Wieso sollte ich?“, antworte ich mit einer Gegenfrage.
 

„Naja, weil es Spaß macht zu lachen!“, protestiert er auf meine für ihn offensichtlich dämliche Frage.
 

„Und was habe ich davon?“, hake ich gelangweilt nach.
 

„Was du davon hast? Sag mal, hattest du denn schon einmal Spaß in deinem Leben?“
 

Die Unglaubwürdigkeit in Lysops Stimme ist kaum zu überhören. Er betrachtet mich, als hätte er gerade ein seltenes Tier entdeckt.
 

„Das ist mir echt zu dämlich“, gebe ich nur zurück, schnappe mir meinen Teller, räume ihn in die Küche und gehe schnellen Schrittes Richtung Trainingsraum.
 

Gerade bin ich dabei, mich mit ein paar Liegestützen aufzuwärmen, als auch schon die Tür aufgerissen wird. Lysop betritt den Raum, dicht gefolgt von Ruffy und Chopper.
 

„Hör mal, ich wollte dich da echt nicht bloßstellen, aber es kann doch nicht sein, dass man niemals lacht“, versucht er eine klägliche Entschuldigung.
 

„Ich habe nicht gesagt, dass ich niemals lache“, gebe ich keuchend zurück. „Ich habe bloß keine Gründe dafür.“
 

Lysops Augen weiten sich und sein Blick trifft den seiner Kameraden. Ein hämisches Grinsen macht sich in ihren Gesichtern breit.
 

„Was?“, frage ich genervt.
 

Langsamen Schrittes und mit zuckenden Fingern kommen sie auf mich zu. Ich halte in meiner Bewegung inne. Der klägliche Versuch der drei Piraten mich durch Kitzeln zum Lachen zu bringen, endet für sie mit blauen Augen und Beulen. Betrübt sehen sie mir nach, wie ich erneut und ohne eine Gesichtsregung jedweder Art den Raum verlasse.
 

Spontan entschließe ich mich dazu, die Bibliothek aufzusuchen, die Franky erwähnte. Und er hat nicht zu wenig versprochen. In dem großen, gemütlichen Raum, sind die Bücher bis zur Decke in den Regalen gestapelt. Leicht beeindruckt schlendere ich durch die Reihen.
 

„Suchst du etwas Bestimmtes?“
 

Robins freundliche und ruhige Stimme ertönt vom Ende des Ganges. Dort befindet sich eine kleine, gemütlich aussehende Leseecke. Sie sitzt auf einem der Sessel mit einem Buch auf dem Schoß und einer Tasse Tee neben sich stehend. Ihre blauen Augen lächeln in meine Richtung.
 

Kurz zögere ich, bevor ich drucksend eine Antwort gebe.
 

„Nun ja, ich…“
 

Sie zieht ihre Augenbrauen nach oben und mustert mich. Langsam legt sie ihr Buch beiseite und kommt auf mich zu. Ihr Blick wandert zu den Büchern im Regal.
 

„Wir haben hier wirklich eine große Auswahl. Du kannst lesen was du möchtest.“
 

Die große Frau lächelt mich an.
 

„Danke“, sage ich und überlege, ob ich ihr verraten soll, wonach ich suche.
 

„Gibt es hier Bücher über Monster?“, frage ich schließlich vorsichtig.
 

„Über Monster?“, fragt sie nach und zieht erneut die Augenbrauen hoch.
 

„Und wie man sie bekämpft!“, füge ich hastig hinzu. Nachdenklich sieht sie mich an.
 

„Ein Abenteuerbuch?“, versucht sie zu helfen.
 

„Nicht ganz.“ Erneut zögere ich in meiner Antwort. „Eher so in Richtung… Exorzismus?“ Letzte Wort flüstere ich nur, damit es niemand außer Robin hören konnte, sollte doch jemand gelauscht haben.
 

Zu meiner Verwunderung formen ihre Lippen ein sanftes Lächeln, das mich leicht verunsichern lässt. Vielleicht war es doch ein Fehler sie zu fragen, grüble ich. Doch statt mich deswegen in irgendeiner Weise zu verurteilen, geht sie still die Regale entlang.
 

„Ah, da oben“, spricht sie mehr zu sich selbst. Ohne Vorwarnung wachsen plötzlich Arme aus dem Regal, die ein Buch aus der obersten Reihe ziehen und nach unten reichen. Erschrocken blicke ich sie an. Das ist also die Teufelskraft der Frau, die bereits im Alter von 8 Jahren von der Marine gesucht wurde. Gruselig, was sie damit alles anrichten könnte, denke ich und rüge mich sofort selbst. Als wäre ich selbst besser.
 

„Bitte sehr!“ Ihr freundliches Lächeln reißt mich aus meinen Gedanken. Sie sieht gar nicht so gefährlich aus, denke ich, bedanke mich und nehme das Buch entgegen.
 

Über Monster und Dämonen lautet der Titel. Verkrampft ziehen sich meine Augenbrauen zusammen. Ich klemme mir das Buch unter den Arm und mache es mir damit an Deck gemütlich. Ich setze mich in die Sonne und fange an die ersten Seiten zu lesen. Doch kaum bin ich mit dem Vorwort fertig, legt sich ein Schatten auf die weißen Seiten.
 

„Darf ich dir einen warmen Tee bringen?“, säuselt Sanji, der sich über mich gebeugt hat.
 

Ich stoße genervt Luft aus.
 

„Einen Kräutertee. Das wäre nett“, sage ich, da ich bereits in der kurzen Zeit auf dem Schiff gelernt habe, dass Sanji anderweitig nur schwierig abzuschütteln ist. Schnell bringt er mir das dampfende Getränk, an dem ich vorsichtig nippe.
 

„Was liest du da?“, fragt er plötzlich hinter mir, als ich dachte, er sei schon längst gegangen.
 

„Gar nichts“, knirsche ich durch meine Zähne, klappe das Buch zu und bedecke mit einer Hand den Titel. Es ist mir unangenehm, wenn andere mitlesen.
 

„Schon gut. Ich war nur neugierig.“ Entschuldigend nimmt er die Hände nach oben vor die Brust und verschwindet auch sogleich wieder unter Deck.
 

Ich beginne damit, die Einleitung zu lesen, ehe sich die nächsten Schatten auf den Seiten breitmachen. Leicht genervt presse ich meine Kiefer aufeinander. Meine Augenbrauen zucken bedrohlich. Als ich aufsehe, blicke ich in die dämlich aussehenden Gesichter von Ruffy, Chopper und Lysop, die sich allesamt Essstäbchen zwischen Nasenlöcher und Unterkiefer geklemmt haben.
 

„Unf? Laffst fu jeft?“, kommt es undeutlich aus ihren offenstehenden Mündern. Als Antwort darauf schenke ich ihnen eine hochgezogene Augenbraue und jedem der drei noch eine weitere Beule auf dem Hinterkopf, bevor ich es erneut versuche mir gemütlich zu machen.
 

Doch auch dieses Mal währt die Ruhe nicht lange.
 

„Tia?“, kommt es vorsichtig.
 

„Was?“, zische ich scharf und reiße meinen Blick von den Seiten. Hat man denn auf diesem Schiff nie seine Ruhe? Ich beäuge den Schwertkämpfer, der kurz zögert seine Frage zu stellen. Verlegen reibt er sich mit der Hand den Nacken.
 

„Eigentlich wollte ich fragen, ob du Lust auf einen kleinen Übungskampf hast. Ich dachte, wenn schon mal eine Schwertkämpferin auf unserem Schiff ist, könnte ich das ausnutzen. Aber wie ich sehe, du hast bereits etwas Anderes vor. Vielleicht ja ein andermal.“
 

Mit einer Hand grüßt er kurz zum Abschied.
 

„Warte!“, sage ich bestimmt. Langsam klappe ich das Buch zu und lege es beiseite. Zorro bleibt stehen und dreht sich nochmal zu mir um.
 

„Du hast mich gar nicht antworten lassen!“ Ich lege den Kopf schief und verschränke meine Arme vor der Brust. Zorro hebt seine Augenbrauen voller Erwartung.
 

Es wäre schon interessant zu wissen, was ein 120-Millionen-Berry-Kopf so alles draufhat, überlege ich während meine Augen ihn von oben bis unten mustern.
 

„Fein. Lass uns kämpfen. Aber sei bitte nicht zu rücksichtsvoll“, sage ich und erhebe mich von meinem Platz, meine Schwerter bereits griffbereit.
 

Er schnaubt mit einem Lächeln auf den Lippen.
 

„Keine Sorge. Das hab ich nicht vor“, gibt er als Antwort und zieht seine Schwerter. Ich lasse meinen Nacken knacksen und beäuge meinen Gegner.
 

Zorro startet den ersten Angriff und unsere Schwerter prallen aufeinander. Das metallene Geräusch dröhnt über das Deck und zieht die Aufmerksamkeit der anderen Crewmitglieder auf sich. Ich bemerke nicht, wie unser Übungskampf zu einem Schauplatz wird und sich die ganze Mannschaft mit Sicherheitsabstand um uns versammelt. Meine Aufmerksamkeit liegt ganz allein auf den Klingen, die sich vor mir kreuzen, sowie auf Zorros Bewegungen. Ich versuche zu erahnen, was er als nächstes tut, indem ich ihn analysiere. Dabei weiche ich seinen Angriffen tänzelnd aus oder pariere sie mit meinen eigenen Schwertern. Meine Schnelligkeit ist dabei von großem Vorteil.
 

„Was ist los? Wieso weichst du nur aus?“ Zorro klingt gereizt. Doch ich gebe ihm keine Antwort. Ich drehe mich weiterhin unter seinen Hieben weg und springe leichtfüßig von einer Stelle zur nächsten.
 

„Was soll das werden, verdammt?“, ruft Zorro wütend hinter dem Griff seines Schwertes, das er im Mund hält. Seine Hiebe werden schneller, aggressiver, kräftiger. Er ist da wo ich ihn haben will. Unkonzentriert und leichtsinnig. Blitzschnell ducke ich mich unter seinem nächsten Hieb weg, stütze meine Hände am Boden auf und trete ihm die Beine weg, sodass er zu Boden fällt. Aus meiner Hocke mache ich einen Satz in die Luft, nur um kurze Zeit später über seinem Körper zum Stillstand zu kommen. Entgeistert blickt mich Zorro auf dem Rücken liegend an. Es ging so schnell, dass er meine Schwerter gar nicht hat kommen sehen, die jetzt links und rechts neben seinem Kopf in der Wiese des Decks stecken. Über seinem Oberkörper hockend blicke ich ihm mit einem kalten, emotionslosen Ausdruck an. Eine Haarsträhne, die sich bei den schnellen Bewegungen gelöst hat, fällt mir ins Gesicht. Um uns ist es still. Entsetzte Blicke bohren sich in meinen Rücken und Zorro blickt mich ungläubig an. Seine Kiefer verkrampfen sich und seine Augenbrauen zucken.
 

Langsam richte ich mich auf und ziehe meine Katanas aus der weichen Erde.
 

„Wahnsinn! Sie hat Zorro besiegt!“, tuschelt Chopper hinter mir.
 

„Unglaublich!“, flüstert Lysop zurück.
 

Erst jetzt bemerke ich, dass wir während des Kampfes in einen dichten Nebel gefahren sind, der die Mittagssonne verdunkelt.
 

„Hey! Warte mal! Wir sind noch nicht fertig!“, brüllt Zorro plötzlich wütend, während er sich aufrappelt und erneut in Kampfposition geht.
 

„Doch sind wir“, antworte ich, ohne mich dabei umzudrehen.
 

Zorros Griff um seine Schwerter verfestigt sich.
 

„Ich will eine Revange. Du hast mit unfairen Mitteln gekämpft“, protestiert er. Langsam drehe ich mich zu ihm um. Zorn steht mir ins Gesicht geschrieben.
 

„Unfaire Mittel?“, zische ich gefährlich.
 

„Ja. Du hast ja gar nicht angegriffen. Du bist nur ausgewichen. Und als ich kurz unaufmerksam war, da…“
 

„Genau! Als du unaufmerksam warst“, unterbreche ich ihn in seinen Ausführungen.
 

„Ausweichen ist also ein unfaires Mittel? So etwas nennt man Taktik. Ich habe zuerst deine Bewegungen analysiert. Dabei bin ich nur ausgewichen. Als ich gemerkt habe, dass dich das wütend macht, habe ich damit weitergemacht. Denn ein wütender Gegner ist ein unkonzentrierter Gegner. Ein leichtsinniger Gegner, der gerne mal Fehler macht. Du hast einen Fehler gemacht und ich habe ihn genutzt. Sind das die unfairen Mittel, die du mir vorwerfen willst?“
 

Zorro beäugt mich noch einmal wütend bevor er den Blick von mir Richtung Boden wendet.
 

„Sieh es ein. Ich habe gewonnen. Du magst vielleicht kräftetechnisch stärker sein als ich, aber Kraft ist nicht alles in einem Kampf. Du darfst niemals deine Konzentration verlieren.“
 

„Willst du mir jetzt auch noch Tipps geben, oder was?“, keift er zornig.
 

„Ja natürlich. Sonst lernst du es doch nicht“, antworte ich gelassen und lege den Kopf schräg.
 

„Mir wurde das doch auch von jemandem beigebracht. Aber wenn du nicht bereit bist dazu zu lernen, bist du sowieso schon ein toter Mann.“ Mit einem Schulterzucken wende ich mich von ihm ab, während der Grünhaarige hinter mir brodelt vor Wut.
 

„Beruhig dich, Zorro. Sie hat gewonnen, sieh es ein. Beim nächsten Mal gewinnst dafür du“, versucht Nami ihn zu beruhigen.
 

„Solltest du dich nicht lieber um den Kurs kümmern?“, keift er die Navigatorin an. Erst jetzt bemerken auch die anderen den dichten Nebel.
 

„Hey, jetzt wo Zorro es sagt. Was ist das für ein Nebel? Sind wir denn noch richtig?“, fragt Sanji besorgt.
 

Doch zu einer Antwort kommt es nicht. Hinter der dichten Nebelwand türmt sich ein riesiger Schatten neben der Thousand Sunny auf. Der Schatten eines großen Schiffes, das langsam von der Strömung getrieben wird. Ein lautes Quietschen und Ächzen der alten Dielen ist wahrzunehmen. Und leise, ganz leise kann man eine Stimme hören, die eine Melodie summt.
 

„W-Was ist das?“, fragt Chopper mit bibbernder Stimme.
 

Plötzlich entfährt Nami, Lysop und Chopper ein angsterfüllter Schrei, als sie das Skelett an der Reling des Schiffes sehen. Trägt es etwa einen Afro?
 

„E-E-Ein Gesiterschiff“, quiekt der kleine Schiffsarzt.
 

„Wooooow, cooooool!“, brüllt Ruffy voller Begeisterung.
 

„Ich will mir das ansehen! Wer kommt mit?“ Voller Euphorie glänzen seine Augen.

Der Knochenmann

Per Losverfahren wurde entschieden, wer Ruffy bei der Expedition auf das Geisterschiff begleiten soll. Und so schippert er nun mit einem genervten Sanji und einer vor Angst zitternden, nicht sehr begeisterten Nami zu dem ächzenden Schiff.
 

Lysop entscheidet sich indessen seine Gesiterabwehrausrüstung anzulegen und läuft nun nervös auf dem Deck auf und ab, bekleidet mit einem blauen Cape, einem übergroßen Hut, einer Kette aus Knoblauchknollen um den Hals und einem Kreuz fest umklammert in seiner Hand. Auch Chopper bibbert vor Angst und macht sich Sorgen um seine Freunde, die geradewegs dem Tod entgegenpaddeln.
 

Robin hingegen ist von der ganzen Situation sichtlich unbeeindruckt und widmet sich entspannt dem Gießen der Blumen, während Franky angespannt in Richtung des Schiffes blickt.
 

Auch der Schwertkämpfer wirkt unruhig, seit er das Skelett an der Reling gesehen hat.
 

„Du hast dich im Kampf zurückgehalten“, werfe ich ihm vor und geselle mich neben ihn, ohne ihn dabei anzusehen.
 

„Warum?“, frage ich nach meiner Feststellung.
 

Meine Aussage scheint ihn zu überraschen. Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht er mich an. Es macht mich wütend, wenn ich an den Kampf zurückdenke. Als wäre das die Leistung eines Piraten gewesen, auf dessen Kopf 120 Millionen Berry ausgesetzt sind. Mit vor Zorn verzerrtem Gesicht wandert mein Blick seitlich zu Zorro, ohne dabei meinen Kopf zu drehen.

Nach kurzer Bedenkzeit verzieht er seine Mundwinkel zu einem gequälten Lächeln.
 

„Ich habe dich wohl gewaltig unterschätzt.“
 

Doch statt der erwarteten Zufriedenstellung, die ich durch seine Antwort erhofft habe, reagiere ich nur noch verärgerter und verschränke die Arme vor der Brust.
 

„Das ist der größte Fehler, den du nur machen kannst – einen Gegner zu unterschätzen. Das ist dir doch klar, oder?“

Ich versuche nach außen hin ruhig zu bleiben.
 

„Ja“, antwortet er einsichtig. Auf seinen Lippen liegt ein wehmütiges Lächeln.
 

„Es ist nur…“, fügt er zögerlich hinzu.
 

„Unser Kampf hat mich ein wenig an meine Kämpfe mit meiner Kindheitsfreundin erinnert.“
 

Mit einem nostalgischen Ausdruck im Gesicht legt er seinen Kopf in den Nacken. Ich beobachte ihn aus den Augenwinkeln heraus.
 

„Kuina. Ich gab ihr ein Versprechen, weißt du?“, er dreht sich leicht in meine Richtung. Schweigend lausche ich seiner Geschichte.
 

„Wir haben uns damals versprochen, dass einer von uns beiden einmal der beste Schwertkämpfer der Welt werden würde.“
 

„Da scheint sie meines Erachtens bessere Chancen zu haben“, erwidere ich harsch und verschränke meine Hände hinter dem Kopf.
 

„Sie ist tot.“ Die Traurigkeit in Zorros Stimme löst ein unangenehmes Gefühl in mir aus und jagt eine Gänsehaut über meinen Körper. Sofort löse ich meine entspannte Haltung.
 

„Das tut mir leid“, sage ich mit vollem Ernst. Zorro weicht meinem Blick aus. Eine unangenehme Stille macht sich zwischen uns breit. Eine drückende Stille, die gebrochen werden will.
 

„Dann hast du ja noch ein ganzes Stück Arbeit vor dir“, ergreife ich zuerst das Wort.
 

„Um der beste Schwertkämpfer der Welt zu werden, musst du Mihawk besiegen. Das wird nicht leicht.“
 

„Bist du Falkenauge denn schon mal begegnet?“
 

Verwundert sieht er mich an. In seinem Blick liegt ernsthaftes Interesse. Kurz überlege ich.
 

„Ja, das könnte man so sagen.“ Mein Blick weicht dem seinen aus.
 

„Wirklich? Ich habe auch mal gegen ihn gekämpft“, fährt er fort.
 

Neugierig beäuge ich ihn aus den Augenwinkeln.
 

„Ich hatte keine Chance. Er ist unglaublich stark. Ihm verdanke ich diese Narbe hier.“ Er deutet auf die Stelle auf seiner Brust, die eine gewaltige Narbe zeichnet. Sie scheint von einem einzigen Schwerthieb ausgegangen zu sein. Wehmütig denke ich an meine Trainingskämpfe mit Mihawk zurück. Er war immer streng mit mir, nahm keine Rücksicht auf mich oder darauf, dass ich ein Mädchen war. Aber er war auch sehr geduldig. Umso mehr ärgert mich noch immer der Kampf gegen Zorro. Er gab mir das Gefühl, dass man ein Mädchen im Kampf nicht ernst nehmen müsste. Es war die reinste Demütigung. Umso mehr genoss ich in diesem Moment meinen Sieg und noch viel mehr seine Niederlage. In seinen Augen sah ich die Blamage, die er hat einstecken müssen, und es gab mir ein Gefühl der Genugtuung.
 

„Hast du deine Narbe auch aus einem Kampf mit ihm?“ Zorros neugierige Stimme holt mich zurück in die Gegenwart. Ich folge seinem Blick, der zu meinem Bauch führt. Die lange Narbe, die sich von meinem Bauchnabel bis knapp unter mein Herz auf meiner Haut abzeichnet, ist durch das bauchfreie Top gut zu erkennen.
 

„Nein. Die ist nicht von ihm“, antworte ich ihm nur knapp, ohne näher darauf einzugehen.
 

Auch wenn das Training mit Mihawk hart war und ich viele Wunden einstecken musste, so verletzte er mich nie lebensbedrohlich. Ich vermisse ihn. Mein wehmütiger Blick bohrt sich in das dunkle Meer und die ruhigen Wellen, die zwischen den zwei Schiffen hin und her schwappen.
 

„Verstehe. Du redest auch nicht gern über Vergangenes“, stellt Zorro fest und fragt nicht weiter nach. Ich bin ihm dankbar dafür, auch wenn ich das niemals zugeben würde. Gedanken an meine Vergangenheit schmerzen mir. Noch immer. Gedanken an meine Zukunft bereiten mir Sorgen. Ich habe so viel Wichtigeres zu tun, als mit diesen Kindern hier Pirat zu spielen. Meine Fingernägel bohren sich in meine zur Faust geformten Hand.
 

Ein lauter Schrei reißt mich aus meinen Gedanken. Er kommt von dem Geisterschiff und es klang sehr nach Nami. Jedoch nicht nach einer ängstlichen Nami. Viel mehr nach einer wütenden Nami. Nur kurze Zeit darauf, kehrt der kleine Erkundungstrupp vom Geisterschiff zurück. Auch das Skelett, das wir zuvor auf dem Schiff haben stehen sehen, kommt an Bord. Sofort herrscht Unruhe.
 

Lysop und Chopper verfallen in sofortige Panik und versuchen das hochgewachsene Skelett mit Lysops Kreuz auf Distanz zu halten. Der Knochenmann hingegen gibt sich gelassen und verbeugt sich höflich vor uns.
 

„Hallo“, sagt er zur Begrüßung.
 

„Es kann sprechen!“ Lysop klingt als bekäme er gleich einen Herzinfarkt.
 

„Vielen Dank für die freundliche Einladung. Ich habe schon ewig keine Menschen mehr gesehen“, fährt der Knochenmann fort.
 

„Du wurdest nicht eingeladen“, protestiert Lysop lautstark.
 

Erst jetzt unterbricht Ruffy sein heiteres Lachen.
 

„Doch. Von mir.“
 

„Das war ja klar“, seufzt Franky, während Robin nur amüsiert auflacht. Interessiert blickt das Skelett zu Robin und tritt näher auf sie zu.
 

„Oh. Da ist ja noch eine hübsche Frau in eurer Crew. Verzeihung, aber… Würdest du mir dein Höschen zeigen?“
 

Verdutzt blickt Robin ihn an. Noch bevor sie ihm antworten kann, fliegt plötzlich Namis Schuh an den Kopf des Skeletts. Der Flugbahn folgend erkenne ich eine äußerst wütende Navigatorin. Offensichtlich wurde sie auf dem Schiff bereits dasselbe gefragt. Das würde erklären, weshalb sie auch ihren anderen Schuh nicht mehr an den Füßen trägt.
 

„Verzeihung, aber wenn meine Augen eine solche Schönheit erblicken, kann ich nicht anders. Dabei habe ich ja gar keine Augen. Yohohohohoh!“
 

Das schrille Lachen des Skeletts durchdringt meine Ohren. Sollte das etwa lustig sein? Was ist das bloß für ein Typ?
 

„Hey, Ruffy. Was soll das? Wer ist der Kerl?“ Zorros Stimme nach zu urteilen, findet auch er diese Szene sehr skurril.
 

Doch Ruffys breites Grinsen verheißt nichts Gutes.
 

„Das ist Brook. Er wird ein neues Mitglied unserer Bande!“
 

Für einen kurzen Moment herrscht eisige Stille unter den Anwesenden. Diese wird kurz darauf von lauten Schreien, kräftigen Protesten seitens Lysop und Chopper und skeptischen Blicken der anderen Crew-Mitgliedern unterbrochen. Mir kann es ja eigentlich egal sein, wen ihr Captain da alles in seiner Crew haben will. Auf der nächsten Insel bin ich diese Verrückten wieder los, denke ich und verschränke gelassen die Arme vor der Brust.
 

„Ich traue meinen Augen nicht. Dabei habe ich ja gar keine Augen“, höre ich die Stimme des Skelettmannes neben mir, der mich gebannt anstarrt.
 

„Es gibt ja noch eine hübsche Frau auf diesem Schiff!“
 

Gelangweilt ziehe ich meine Augenbrauen nach oben.
 

„Sag, würdest du mir dein Höschen zeigen?“ Für einen kurzen Moment blende ich das Chaos um mich herum aus und beäuge den Knochenmann von oben bis unten. Ich warte kurz, um zu sehen ob nicht gleich noch einer von Namis Schuhen geflogen kommt. Dann seufze ich und zucke mit den Schultern.
 

„Wieso nicht?“, gebe ich nach und beginne damit meinen Nietengürtel zu öffnen.
 

Dieser arme Knochenhaufen hat schon jahrelang keine Menschen mehr gesehen. Frauen vermutlich noch länger nicht. Und was sollte er mir schon groß weggucken. Er hat ja noch nicht einmal Augen, wie er selbst mehrfach erwähnt hat. Außerdem trainiere ich ja auch nur leicht bekleidet. Es stört mich nicht, mich freizügig zu zeigen. Wir sind alle nur Menschen und nackte Haut ist etwas völlig Natürliches. Ich wüsste nicht, wovor man sich schämen müsste. Diese Hemmungen habe ich schon sehr früh abgelegt.
 

Ich löse den Knopf an meiner Jeans und lasse meine Hände zum Hosenbund gleiten.
 

Plötzlich liegt aller Aufmerksamkeit auf mir, was mich in meiner Bewegung kurz stoppen lässt, um mich umzusehen. Gelassen fahre ich fort.
 

„Was zur Hölle machst du da?!“, brüllt Nami mich an, stürmt auf mich zu und versucht mich daran zu hindern, mich zu entblößen. Dabei lässt sie es sich nicht nehmen, auf dem Weg zu mir im Sprung Brook noch einen Tritt für seine unanständige Bitte zu verpassen.
 

„Du kannst dich doch nicht einfach so ausziehen!“, brüllt sie weiter und zieht mich an, wie eine Mutter ihr Kind anzieht.
 

„Doch, kann ich“, antworte ich gelassen, ohne dass es mich weiter interessiert, was Nami vor mir keift.
 

Wieder kichert Robin in sich hinein und die Stimmung an Deck wirkt deutlich entspannter. Beinahe haben sie vergessen, dass sich ein lebendes Skelett unter ihnen befindet.
 

„Wie wäre es, wenn wir erst einmal reingehen und etwas Herzhaftes essen und uns ein wenig besser kennen lernen. Ich habe schon seit Ewigkeiten nichts mehr in den Magen bekommen. Da fällt mir ein, ich habe ja gar keinen Magen! Yohohohohoh!“, schlägt Brook vor.
 

„Oh, super! ESSEN!“, ruft Ruffy freudig heraus. Sanji krempelt bereits seine Ärmel nach oben – bereit die Kochlöffel zu schwingen.
 

Nach dem herzhaften Essen, das Sanji dem ungeduldigen Gast und dem ebenso ungeduldigen Captain versprochen hat, erzählt Brook von seinem ehemaligen Leben als Pirat und von seiner Teufelskraft, der Totenreich-Frucht. Diese holte ihn damals ins Leben zurück, als er gemeinsam mit seinen Freunden starb. Da jedoch der Nebel, in dem wir derzeit ebenfalls feststecken, so dicht war, fand seine Seele seinen Körper erst nach einem Jahr wieder. In dieser Zeit war Brooks Körper allerdings bereits verwest und so wandelt er nun als lebendes Skelett umher. Lediglich sein Afro sei ihm wegen seiner starken Haarwurzeln geblieben. Seit diesem Tag schippert er völlig alleine auf dem Schiff durch die dichten Nebelschwaden.
 

Geplättet von einer solchen Geschichte verschränke ich stumm meine Finger vor meinem Gesicht und stütze meine Ellbogen auf dem bereits aufgeräumten Tisch ab.
 

Er war also lange Zeit ganz allein. Genau wie ich, denke ich beinahe schon mitfühlend. Schnell vertreibe ich die Sentimentalität aus meinem Kopf.
 

„Das heißt, du bist kein Geist. Aber auch kein richtiger Mensch“, stellt Lysop grübelnd fest.
 

„Was? Ein Geist? Wenn ich einen echten Geist sehen würde, würde ich schreiend davonlaufen!“, gesteht der Knochenmann.
 

„Hm? Hast du eigentlich schon mal in den Spiegel geschaut?“, sagt Nami ungläubig und streckt ihm einen kleinen Handspiegel entgegen. Doch zum Entsetzen aller spiegelt sich das Skelett darin nicht. Erneut entsteht Panik.
 

Lysop stellt außerdem erschrocken fest, dass Brook keinen Schatten besitzt. Brook setzt sich wieder auf seinen Stuhl und beginnt die Situation mit ruhiger Stimme zu erklären.
 

„Das ist so. Während meiner Reise, wurde mir der Schatten gestohlen.“
 

„Gestohlen?“, unterbricht ihn Ruffy neugierig. Das Skelett nickt.
 

„Ja. Wenn einem der Schatten gestohlen wird, kann man sich nicht mehr frei im Sonnenlicht bewegen. Sobald einen die Sonnenstrahlen treffen, verbrennt man. Ich musste es mit meinen eigenen Augen mit ansehen.“
 

Obwohl er keine Augen mehr hat, die seine Gefühle reflektieren könnten, merkt man ihm seine Wehmut und Trauer deutlich an. Plötzlich beginnt er zu schluchzen.
 

„Es… es ist so schön, Menschen getroffen zu haben! Ich war so einsam. Ich habe sogar an den Tod gedacht. Doch jetzt bin ich froh, dass ich noch lebe. Danke, dass ihr so nett zu mir ward! Aber ich kann euer Angebot nicht annehmen. Ich werde kein Teil eurer Bande. Ich würde da draußen nicht lange überleben“, erklärt der Knochenmann.
 

Ruffys Blick wird ernst.
 

„Blödsinn! Sag uns, wer deinen Schatten gestohlen hat. Wir holen ihn dir zurück!“
 

Siegessicher ballt er die Hände zu Fäusten. Doch Brook lehnt ab. Er fürchtet um unser Leben und ist der Überzeugung, dass es niemand mit dem Kerl aufnehmen kann, der seinen Schatten gestohlen hat.
 

Seltsamerweise kommt mir diese Schatten-Geschichte irgendwoher bekannt vor. Nachdenklich reibe ich mir das Kinn.
 

Brook zückt währenddessen eine Geige und beginnt eine altbekannte Melodie zu spielen – Bink’s Rum.
 

„Wisst ihr, ich bin Musiker“, gesteht er und gibt sich ganz dem Klang seiner Violine hin.
 

Just in diesem Moment schwebt ein Geist an der Decke des Speisesaals umher. Für einen kurzen Moment ist es totenstill, bevor Chopper, Lysop, Nami und auch Brook das Schreien anfangen.
 

Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen und meine Hand liegt bereits auf dem Griff meines einen Katana. Doch so schnell wie der Geist aufgetaucht ist, so schnell verschwindet er auch wieder durch die Wand.
 

Brook stürmt hastig nach draußen, gefolgt von der gesamten Crew. Er blickt in den Nebel, der langsam etwas offenbart, das vorher nicht zu sehen war.
 

„Sagt mal… Habt ihr in letzter Zeit etwa ein Fass aus dem Meer gefischt?“, fragt er mit zitternder Stimme. Als ein Teil der Mannschaft nickt, fährt er fort.
 

„Dann ist dieses Schiff schon seit längerer Zeit unter Beobachtung. Das da vorne ist die umhertreibende Geisterinsel Thriller Bark.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Olympex
2018-07-20T18:13:56+00:00 20.07.2018 20:13
Coole FF,
Hoffe du Schreibst noch weiter....

BIIIIITTE!
Antwort von:  Miana
22.07.2018 21:20
Oh! Danke fürs lesen und fürs Schreiben eines Kommentars! Ich habe fest vor, meine FFs alle mal zu beenden, aber derzeit bin ich voll ausgelastet... Termine über Termine :(
Daher könnte es evtl eine Weile dauern, bis ich dazu komme. Sorry :(
Antwort von:  Olympex
01.08.2018 23:02
Hauptsache es geht weiter!
Von:  Finnair
2017-05-22T02:19:19+00:00 22.05.2017 04:19
Freue mich auf Mehr
Von:  knuffel81
2017-04-28T21:54:03+00:00 28.04.2017 23:54
Hi, tolle Geschichte mach schnell weiter
Antwort von:  Miana
29.04.2017 10:35
Danke für deinen Kommentar! Ich freu mich, dass du den Anfang meiner Fanfic gelesen hast! Werde so schnell wie möglich weiter schreiben :)


Zurück