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Dreadlocks & schräge Töne

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Kapitel 01 - Groupies & Met

Hallöchen! Ich bin auch mal wieder im FF-Lande ;-)

Hier mal was ganz anderes für euch. Einige werden sich sicher noch an die kleine Halloweengeschichte erinnern: Süßes oder Saueres?!*

Hier kommt nun, nachdem ich sie euch vor Ewigkeiten versprochen habe, die Geschichte über Adrian, Fionn und dessen Band.

Da sie schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, sind die Kapitel nicht allzu lang. Aber ich glaube, das tut der Story keinen Abbruch. ^^
 

Leider noch notwendig zu erwähnen: Alle Rechte meiner Texte liegen allein bei mir. Meine Texte, mein Eigentum. Unerlaubte Veröffentlichungen, auch nur auszugsweise, auf anderen Plattformen oder Onlineshops sind verboten, und das mache ich Text-Dieben auch rechtlich begreiflich, falls es sein muss.

Also? Klauen is nicht. Und wie ich kürzlich erfahren habe, haben meine lieben Leser ihre Augen überall und berichten mir jeden dreisten Text-Diebstahl.

Auch ich werde in Zukunft besser aufpassen und genauer hinsehen, was einem auf digitalem Wege angeboten wird.
 

In diesem Sinne wünsche ich euch trotzdem viel Spaß beim Lesen.

Eure Fara
 

Und trinkt nicht zu viel Met, sonst tanzen noch die Buchstaben vor euren Augen herum ;-P

Eure Fara
 


 

Dreadlocks und schräge Töne
 


 

Kapitel 01 - Groupies & Met
 

"Ist nicht ganz deine Musik, was?"

Ich schüttle den Kopf. "Nein. Aber es gefällt mir trotzdem hier." Ja wirklich! Es ist richtig ruhig und angenehm, im Vergleich zu den Veranstaltungen, die ich sonst immer besuche. Hier herrscht überall eine besondere Atmosphäre, finde ich. Keine randalierenden Idioten, Besoffene, oder Leute, die einen anpöbeln. Alle sind so nett zueinander. Auch auf dem Zeltplatz.

"Siehste? War doch gut, dass du dir über's Wochenende freigenommen hast und mitgekommen bist", meint mein Kumpel Mat und grinst siegreich.

"Ja, du hattest recht", gebe ich zu. Etwas Lob hat er heute verdient. Vor allem, da ich in letzter Zeit wirklich viel gearbeitet habe und eine Auszeit ganz gut gebrauchen kann.

Ich schreibe für eine große Musikzeitschrift. Ins Besondere Konzertberichte, gelegentlich Interviews mit den Musikern und natürlich freier Eintritt zu den angesagtesten Konzerten und Festivals. Doch dieses Wochenende bin ich mal privat unterwegs. Zusammen mit meinen beiden besten Freunden.
 

Eigentlich ist es ein Wunder, dass wir drei miteinander befreundet sind, denn wir könnten unterschiedlicher nicht sein. Egal, wohin wir gehen, wir fallen auf. Eben weil wir total unterschiedlich sind und man vielleicht nicht gerade vermuten würde, dass wir drei irgendeine Gemeinsamkeit miteinander haben.

Peer zum Beispiel. Er fällt einfach überall auf, und das, obwohl er eher ein ruhiger und nachdenklicher Geselle ist.

Das er auffällt liegt an seinem Äußeren. Unser lieber, stiller Peer ist ein Goth. Und das durch und durch. Immer stark geschminkt, trägt Piercings und ist natürlich immer vollkommen in schwarz gehüllt. Ganz Schwiegermutters Liebling, sozusagen.

Der Andere ist mein ältester und bester Freund Matisse, oder wie wir ihn immer nennen, Mat.

Eigentlich ist er ein totaler Durchschnittstyp, würde er nicht ständig mit Leinenhemden und Lederhosen durch die Weltgeschichte laufen. Außerdem hat er sich seit ein paar Jahren einen Bart stehen lassen sowie inzwischen schulterlanges, blondes Haupthaar. Meist sieht er dadurch leicht schmuddelig und wild aus, aber das sage ich ihm natürlich nicht. Mat steht auf diesen Look, was auch kein Wunder ist, denn er fährt seit langer Zeit schon voll auf die Mittelalterszene ab.

Und deshalb sind wir hier. Auf einem Spectaculum. Das ganze Wochenende Ritterturniere, Dudelsäcke und dem dazugehörigen Trallala.

Tja, und zu guter Letzt, wäre da natürlich noch meine Wenigkeit. Während Peer sich stundenlang Blutengel und Konsorten reinzieht, Mat sich in quietschenden Dudelsacktönen aalt, fahre ich ganz auf der Rock und Industrial Schiene. Dadurch sehe ich nicht mal halb so spektakulär aus, wie meine beiden best buddys. Ich renne den lieben langen Tag in Jeans und diversen Band-Shirt durch die Gegend. Und mit meinen kurzen, ständig wuscheligen, haselnussbraunen Haaren und den grünen Augen sehe ich nicht halb so 'gefährlich' aus wie Peer, aber auch nicht so zerrupft wie Mat.

Gott! Verratet ihm bloß nicht, dass ich ihn zerrupft und schmuddelig genannt habe. Er mag zwar ein sehr friedvoller Geselle sein, aber er kann auch austeilen, sage ich euch. Besonders seine berühmt berüchtigten Brenneseln sind gemeingefährlich. Als Junge musste ich immer darunter leiden. Meine Arme sahen wie ein abstraktes Gemälde aus, sage ich euch!

Ihr seht also, alles in allem sind wir ein recht unterschiedlicher Haufen, den jedoch schon seit Jahren eine feste Freundschaft verbindet.
 

"Leute ich hab Hunger", verkündet Peer und schielt zu einem der vielen Essensständen. "Wie wäre es mit ein bisschen Sau am Spieß?"

"Und was esse ich?", frage ich, denn ich bin seit meiner Kindheit ein strikter Fleischverweigerer.

"Schau mal. Da drüben blüht ein Löwenzahnbüschel. Wie wäre es damit?" Peer lacht und kassiert einen Tritt von mir. Wieso machen sich alle über Vegetarier lustig? Wir tun doch niemanden was. Im wahrsten Sinne. Außerdem schmeckt Löwenzahn richtig gut und ist vielseitig einsetzbar. Doch das binde ich ihm jetzt nicht auf die Nase.

"Da hinten gibt es gefüllte Teigtaschen." Ich zeige auf den Stand. "Die sahen ganz lecker aus. Geht ihr die Sau schlachten und ich hole mir da was." Allgemeine Zustimmung.

Ich habe nichts dagegen, dass sie in meiner Gegenwart Schnitzel oder anderes Getier futtern. Nur hasse ich es, wenn sie mich damit aufziehen. Okay, meist ist das Peer. Mat hält sich da raus. Jedem das seine, ist seine Devise.
 

Ich ergattere mir eine mit Paprika, Knoblauch und Käse gefüllte Teigtasche und laufe langsam wieder zu meinen Freunden, die immer noch vor dem großen Grill anstehen. Tja. Noch ein Nachteil, wenn man Fleisch isst. Nirgends sind die Schlangen so lang, wie vor Bratwurstbuden oder dergleichen. Da fahre ich mit meinem Grünzeug schon besser.

Ich überlege kurz, was für ein Spaß es doch wäre, mich jetzt neben Peer und Mat zu stellen, und genüsslich in meine Teigtasche zu beißen, doch 'Mit da rumstehen will ich aber auch nicht.' Deshalb bleibe ich stehen und schaue mich um.

In der Zwischenzeit könnte ich ein bisschen allein auf Tour gehen. Gedacht, getan. Ich biege in einen kleinen Seitenweg ab. Weitere Büdchen reihen sich links und rechts neben mir auf. Musik ertönt und wird immer lauter, je näher ich dem Ende des Weges komme. Dort muss irgendwo eine Bühne sein. Überhaupt steht hier an jeder Ecke jemand der Musik macht oder irgendeine Show abzieht. Ich finde es aber eher lustig als spannend. Was sich manche Leute einfallen lassen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Halb interessiert begutachte ich das Angebot der Stände hier. Viel Schmuck, Kleidung, Lederwaren, Teemischungen und, was auch sonst?, Alkohol. Einen Met für nachher könnte ich uns ja noch besorgen ...

Plötzlich rempelt mich jemand von hinten an. "Oh! … Sorry! Tut mir leid!", japst mir dieser jemand entgegen, streicht mir merkwürdig warm über den Rücken und rennt an mir vorbei. 'Na der hat es ja eilig!' Und ich krepiere fast an meiner verschluckten Teigtasche.

Hustend schaue ich diesem Idioten mit bösen Blicken nach. Kräftiger Rücken auf dem sich dunkle, lange Dreadlocks legen, die von einem Lederband zusammen gehalten werden. Bis zu seinem Hintern gehen sie! Wow! Das muss gedauert haben, bis die so lang waren. Trotzdem kein Grund mich fast an einem Erstickungstod krepieren zu lassen.

In seiner linken Hand hält der Kerl eine Laute. Oder sowas ähnliches. Da kenne ich mich nicht so aus. Diese ganzen mittelalterlichen Instrumente verwirren einen doch nur. Da bleibe ich lieber bei meiner E-Gitarre. Hm. Hab schon lange nicht mehr gespielt, fällt mir da ein.
 

Länger kann ich dem Lauten-Kerl nicht hinterherschauen, da er in der Menge verschwindet. Komischer Typ, passt aber zu den ganzen anderen hier. Überhaupt … Ich komme mir mit meiner Jeans echt falsch gekleidet vor. Fast jeder hier trägt irgendein Mittelalterliches Kostüm und sogar Peer passt da mit seinem Kleidungsstiel eigentlich ganz gut dazu. Zu meinem Erstaunen gibt es nicht viele Besucher hier, die sich nicht in irgendein mittelalterliches Gewandt geschmissen haben. Vielleicht sollte ich mir zur Tarnung ein Paar dieser Schnabelschuhe kaufen? 'Eher renne ich nackt hier herum!'
 

Gemächlich laufe ich den Seitenweg weiter, lächle mal hier und mal da einen schnuckeligen Kerl an, die es hier überraschender Weise, ziemlich viele gibt. Die meisten reagieren aber eher verwirrt als erfreut auf meine Flirtversuche. Nun gut. Mann kann auf einem Spectaculum anscheinend nicht alles haben.

Am Ende des Weges schiele ich nach rechts. Dort geht es wieder zu den Essensständen rüber, von wo aus ich meinen Erkundungsgang gestartet habe. Ich wage einen Blick zu dem Stand, an dem Peer und Mat sich was zum Beißen holen wollte. Sie warten immer noch. Grinsend winke ich ihnen zu und drehe wieder um.

Dann mal schauen, was auf der anderen Seite des Weges so los ist.
 

Wieder lauter kleine Hütten und Stände. Gemächlich wandere ich an ihnen vorbei, schaue mal hier, mal da, aber nichts fesselt mich wirklich. Dann jedoch, kann ich weiter hinten, am Ende des Weges, eine kleine Bühne erkennen. Eine beachtliche Menschentraube wiegt sich davor im Takt der Musik und ich wage mich neugierig näher heran.

Das eben gespielte Lied geht zu Ende, brandender Applaus. Wer hätte gedacht, dass die vielleicht fünfzig Leute da vorn vor der Bühne so einen Lärm veranstalten können?

Etwas seitlich zur Bühne bleibe ich stehen und versuche den Bandnamen zu erkennen. Irgendein Symbol, welches ich jedoch nicht kenne. Kein Name. Auch die Musiker kommen mir nicht bekannt vor.

Einige berühmtere Bands der Szene kenne sogar ich, von Mat her, doch ich glaube nicht, dass die auf so einer kleinen Bühne auftreten würden. Für die bekannteren Bands gibt es die zwei großen Bühnen hinten auf dem Feld, weshalb wir auch hier sind. Mat ist schon ganz aufgeregt. Saltatio Mortis spielt heute Abend. Mat liebt diese Band.
 

Insgesamt vier Musiker stehen oben auf der kleinen Bühne, um das Publikum vor ihnen einzuheizen. Das vorige gespielte Lied war keins, das ich kannte. Dennoch trete ich näher und stelle mich in die hinterste Reihe der Zuschauer.

Der Sänger stellt sich vorn an sein Mikro und beginnt als nächstes ein eher ruhiges Lied. Die Menge bleibt ganz still. Ich mag solche Momente. Wenn die Zuhörer ganz der Musik folgen und man das Gefühl hat, eins mit der Band und deren Musik zu sein. Diesmal entzieht sich mir dieses Gefühl leider, da ich, wie gesagt, weder das Lied noch die Band kenne. Trotzdem kann ich es ihnen nachfühlen.

Der Sänger singt tief und ruhig und nur seine Akustikgitarre ertönt. Er ist nicht schlecht und seine Stimme gefällt mir. Ich fange an das Lied zu mögen, treibe in den ruhigen Tönen dahin, als das Lied auf einmal mächtig zulegt. Drums erklingen, eine tiefe Flöte und ein Dudelsack. Dachte ich zumindest. Ich sehe jedenfalls keinen. Bis mein Blick auf ein merkwürdiges Instrument fällt, dass vielleicht Ursache der Dudelsack ähnlichen Töne sein könnte. Tasten und eine Kurbel, die der Spieler gleichmäßig dreht. Er hat schöne Finger ...

Mein Blick wandert höher. Eng anliegendes Shirt, das einen breiten Brustkorb umspannt. Lange, dunkelbraune Dreadlocks ... Dreadlocks? Den kenne ich doch! Ja! Das ist der Typ, der mich vorhin angerempelt hat! Ganz sicher! Das Lederband, das die Dreads zusammenhält, erkenne ich sogar von hier aus.
 

Irritiert bemerke ich, wie ich seine warme Hand wieder auf meinem Rücken spüren kann. Verwirrt drehe ich mich um. "Adrian! Hier versteckst du dich!" Mat! Wer sonst?

"Ja ... Sag mal: Kennst du die?" Ich zeige mit meinem Kinn Richtung Bühne.

"Hmm ... Kann sein. Aber ich weiß nicht wie sie heißen."

"Schade …"

Mat sieht mich überrascht an. "Sag bloß, dir gefällt die Musik auf einmal!"

"Ist nicht schlecht", gebe ich zu, was bei Mat riesige Begeisterungsstürme auslöst.

"Dann nichts wie da hin!" Er lacht und zieht mich mit nach vorn.

Wir kämpfen uns tatsächlich bis ganz nach vorn durch und bleiben direkt vor der nicht allzu hohen Bühne stehen. Komisch mal vor einer Bühne zu stehen, die weder Security noch eine Absperrung hat. Ich könnte einfach hochspringen.

"Was ist das eigentlich für ein Instrument?", frage ich Mat und zeige auf das komische Ding mit Kurbel.

"Eine Drehleier."

"Aha." Noch nie gehört.
 

Ich frage nicht weiter nach, sondern beobachte interessiert das Geschehen auf der Bühne. Na ja, eigentlich beobachte ich bloß den netten Drehleierspieler. Ich mustere ihn sogar ziemlich genau. Während er spielt hat er meist die Augen geschlossen, doch wenn er sie offen hat, kann ich ganz genau die hellen, braunen Augen erkennen, die wild leuchten. Er ist voll in seinem Element.

Das Gesicht ist schmal und markant. Ein Dreitagebart ziert den unteren Teil seines Gesichtes, plus einem kleinem Ziegenbart. Absolut nicht mein Typ! Aber zugegeben, er hat was. Und das Spiel seiner langen Finger, die über die Tasten dieses merkwürdigen Musikinstrumentes gleiten, zieht mich immer wieder in seinen Bann. Geschickte, feingliedrige Finger. Was er damit noch alles anstellen könnte …
 

***
 

Ich weiß nicht, wie lange wir schon vor der Bühne stehen, und ich weiß auch nicht, wie viele Lieder die Band schon gespielt hat. Ich weiß nur, dass ich, so sehr ich mich auch angestrengt habe, mich nicht von diesem Kerl mit Dreadlocks lösen konnte. Er spielte und spielte und ich glotzte und glotzte. Hoffentlich hat er mein Gestarre nicht bemerkt! Er hat zwar einige Male in meine Richtung geschaut, aber ob er meine Blicke mitbekommen hat, kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich ist er sowieso viel zu beschäftigt gewesen um etwas davon mitzubekommen. Bei all den Instrumenten, die er da oben gespielt hat, ist das sogar mehr als nur Wahrscheinlich.

Neben diesem Drehleier Teil spielte er nämlich noch Harfe und diese Art Laute, welche er vorhin in der Hand hatte, als er mich anrempelte. Und ... Haltet mich für bekloppt, aber ... Wie er da saß, diese Laute zwischen seinen Beinen ... Ich habe noch nie etwas Heißeres gesehen!

Ich atme tief ein und schaue Mat an. Peer ist auch bei uns. Keine Ahnung, wann er zu uns gefunden hat. Ich habe nicht auf meine Umwelt geachtet. Meine Augen und Ohren hatten anderes zu tun.

"Gut, oder?", fragt Mat mich. Ich nicke nur und starre weiter. Echt jetzt! Ich hab sie doch nicht mehr alle!
 

***
 

"Das war's leider schon von uns! Aber keine Bange. Ihr könnt unsere Musik gleich in Form dieser kleinen, runden Plastikscheiben erstehen und uns zuhause rauf und runter hören! Und wenn ihr lieb seid, gibt es auch ein paar Autogramme von uns!" Alle Jubeln. Auch ich. Na ja. Ich klatsche zumindest und sauge noch mehr von dem Dreadlock-Typen in mich ein. Schade, dass er schon gleich nicht mehr vor mir stehen wird.

"Wir sind Sargas! Und an der Laute, der Harfe und der Drehleier war für euch Fionn ..." Weiter höre ich nicht zu. Fionn heißt er. Fionn ...

"Gehen wir? Ich will noch schnell was zu trinken holen, bevor es richtig los geht!", ruft mir Mat zu und deutet mit dem Daumen hinter sich.

"Gleich!" Ich muss mir unbedingt eine CD holen. "Geht ihr doch schon mal vor! Ich komme nach!"

Mat nickt merklich verwirrt, sagt aber nichts weiter und schnappt sich Peer.
 

Vor dem Merch-Stand drängeln sich die Leute. 'Immer dasselbe', denke ich und grinse.

"Suchst du was Bestimmtes?" Erschrocken drehe ich mich um. Fionn! Er lächelt. "Du bist der, den ich vorhin angerempelt habe, oder?"

"Ja ...", krächze ich. Er hat mich erkannt? Dann hat er das sicher auch von der Bühne aus getan. Mist!

"Sorry nochmal, aber ich hatte es echt eilig."

"Schon gut. Hab's bemerkt", antworte ich und zeige auf die Bühne neben uns.

Fionn ist größer als ich. Bestimmt einen halben Kopf. Seine Haut glänzt feucht, noch vom anstrengenden Auftritt eben. Ich schlucke nervös.

"Du verzeihst mir also? Da bin ich aber froh." Ich nicke nur. "Willst du uns unterstützen und dir eine CD ergattern?", fragt er und grinst schelmisch. Wieso grinst er so? Und wieso habe ich das Gefühl, seine Blicke würden direkt in meinen Kopf schauen?

"Das hatte ich vor", gebe ich zu und schaue schnell wo anders hin.

"Okay", meint Fionn, dann sehe ich aus den Augenwinkeln, wie er hinter den kleinen Stand geht. Ich kann nicht anders, und schaue ihm nach. Sogar in diesen weiten, schwarzen Hosen hat er einen knackigen Hintern. Okay, er bückt sich ja auch gerade direkt vor mir ...

"Hier. Macht genau siebzehn Euro", sagt er und reicht mir eine CD. "Und das gibt es als kleine Wiedergutmachung oben drauf." Ein Shirt mit Bandlogo wird mir in die Hand gedrückt.

"Danke ..."

"Ich habe zu Danken. Vielleicht sieht man sich ja nochmal. Viel Spaß dir noch", wünscht er mir und kümmert sich um den nächsten Kunden.
 

***
 

"Sag bloß, du hast dir eine CD gekauft!" Peer grapscht nach besagter CD. "Oha! Und ein Bandshirt", lacht er.

"Und?", murmle ich verlegen und hocke mich zu ihnen auf die Wiese. "Wie du weißt trage ich ab und an Bandshirts."

Mat wartet auf seine besagte Lieblingsband, die gleich auf einer der großen Bühnen spielen wird. "Sie waren doch ganz gut", erwidert er und nimmt Peer die CD nun ab.

"Wie man es nimmt." Peer stöpselt sich seine Kopfhörer ins Ohr. Ich frage mich, wie Mat ihn dazu überreden konnte, mit hier her zukommen. Bestimmt mit der Aussicht auf knapp bekleidete Mädchen und viel Met. Die gibt es hier zuhauf. Besonders, weil es so warm heute ist.

Lächelnd schüttelt Mat seinen Kopf. "Wenigstens du bist für Neues offen."

"Wie man es nimmt", lache ich und angle mir die CD zurück. Meins!

Ich fische das Booklet heraus und blättere es durch. Dafür, dass es so eine kleine Band ist, ist das Artwork ganz passabel. Jeder der Bandmitglieder ist auf einer der Seiten, zusammen mit einem Songtext. Wieder bleibe ich bei Fionn hängen. Er sitzt auf einem dicken Baumstamm, schaut direkt in die Kamera und hält diese Drehleier vor seinem Bauch. Er hat aber auch Augen! Als könnte man darin ertrinken ...
 

"Der hat es dir angetan, was?"

Ertappt klappe ich das Booklet zu. "Was?!"

Mats Grinsen wird breiter. "Ich hatte schon Angst, du stürmst die Bühne, so wie du ihn die ganze Zeit über angeschmachtet hast."

"Was?! Das ... Red nicht so einen Quatsch!" Mein Gesicht wird heiß und ich fühle mich mehr als nur ertappt.

"Mach doch nicht so ein Drama draus. Sonst bist du doch auch kein Kind von Traurigkeit." Ja. Normal bin ich in dieser Beziehung ganz offen und auch wenn Mat nicht auf Kerle steht, erzähle ich ihm fast immer, mit wem ich gerade was habe oder wer mir momentan den Kopf verdreht. Aber irgendwie ist mir die Sache mit dem Drehleierspieler peinlich. Ich komme mir vor wie ein Groupie. Und aus dem Alter bin ich definitiv raus! Mit 27 sollte man nicht mehr kreischend vor einer Bühne stehen und ein feuchtes Höschen bekommen! Wenigstens ist mir Letzteres erspart geblieben.

"Es wundert mich nur."

"Wie meinst du das?", frage ich ihn.

"Sei doch mal ehrlich! Du stehst sonst eher auf kleine, süße Kerlchen. Und das ist der Kerl sicher nicht."

"Kann sein. Ist aber auch egal. Wahrscheinlich packen sie jetzt schon und machen sich auf den Weg zum nächsten Auftritt."

"Ja. Vielleicht ..." Ich weiche Mats Blick aus. Wieso stört es mich so, dass er mich durchschaut hat? "Da! Gleich fängt es an! Peer! Stöpsel raus und vor die Bühne!" Mat stürmt nach vorn. Wer ist jetzt das Groupie?
 

***
 

"Das Konzert war der Hammer!", ruft Mat und ich stimme zu. Es war wirklich gut. Die Band hat eine mortz Stimmung gemacht und Mat ging ab wie ein Zäpfchen. Das war lustig mit anzusehen. So erlebt man ihn selten.

Mittlerweile ist es schon dunkel geworden und die vielen Fackeln, zusammen mit den Gerüchen und der leisen, leicht orientalischen Musik, machen eine richtig schöne Stimmung.

"Wollen wir uns noch wo hinsetzen und einen heben? Peer sieht so vertrocknet aus.", feixe ich.

"Ohja! Viel Met und Bier!" Was habe ich gesagt? Peer unser Schluckspecht.

"Was haltet ihr von dem Stand da drüben. Die haben ein warmes Feuerchen zum drumherum setzten." Mat hat recht. Sieht gemütlich aus. Also nichts wie hin. Mat und Peer sichern uns die Plätze ums Feuer und ich stelle mich für das Met an.

Als ich zu ihnen zurückkomme, traue ich meinen Augen nicht. Da sitzt er! Fionn sitzt zusammen mit einem seiner Bandkollegen neben Mat und alle unterhalten sich angeregt miteinander.

So ein Mist! Das Gelände ist so riesig und es gibt Unmengen von Ständen! Warum muss er ausgerechnet hier auftauchen? Was mache ich denn jetzt? 'Augen zu und durch.'

Ich atme durch und reiche den meinen beiden Freunden ihren Becher. "Hier! Setz dich!", weist mich Mat an. Dieser Schuft! Er verfrachtet mich genau neben Fionn.

"Danke", knurre ich ihn an und sende ihn meinen besten Todesblick zu. Er grinst nur und setzt sich den Metbecher an den Mund, während sich mir die Nackenhärchen aufstellen, die anscheinend total angetan sind von Fionns Nähe.
 

"So sieht man sich wieder", spricht mich Fionn an.

"Ja. Zufälle gibt's." Ich lächle schief und verfluche meine Nervosität. Was ist bloß mit mir los?

"Ihr wart also auch beim Saltatio Mortis Auftritt?" Fionn scheint in bester Plauderlaune.

"Ja." Was man von mir leider nicht sagen kann.

"Die waren echt gut."

"Ja."

"Hast du die heute das erste Mal gesehen?"

"Ja." Innerlich gebe ich mir einen Arschtritt. Anscheinend ist mein Sprachzentrum ausgefallen.

Fionn findet das wohl auch, denn er lacht und zupft sich ein Stück von seinem Crêpes ab, den er schon die ganze Zeit in der Hand hält. "Kannst du auch was Anderes außer Ja sagen?"

Da haben wir es! Ich tue beleidigt und sage: "Ja." Jetzt muss auch ich grinsen.

"Ich dachte echt, du sagst jetzt nein." Fionn blickt mich geradewegs an.

Ich schaue fluchtartig weg, direkt ins flackernde Feuer. "Tut mir leid. Das liegt bestimmt am Met." Gute Ausrede!

"Wie viel hattest du den schon?", fragt er mich und knabbert weiter an seinem Crêpes.

"Das ist mein Erster." Fionn schubst mich seitlich mit seiner Schulter an, beugt sich dann zu mir uns blickt mir tief in die Augen. Das wärmende Feuer vor uns ist nichts im Vergleich zu der Hitze, die mir gerade von Fionns Nähe entgegenschlägt. "Was … Was tust du da?", frage ich nervös, kann mich diesmal jedoch seinem Blick nicht entziehen.

"Sehen, ob du mich anlügst."

"Und das kannst du so sehen?"

Er runzelt die Stirn, überlegt kurz. "Nein. Aber riechen. Hauch mich mal an."

Ich brauche einen Moment, um mich zu sammeln. Im Feuerschein sehen seine Augen aus wie flüssiger Honig. 'Wie passend …', denke ich, nehme geistesgegenwärtig einen Schluck von meinem Met und hauche ihn an. "Siehst du? Ich bin total besoffen", flüstere ich.

"Du schummelst."

"Gar nicht wahr …"

"Wohl wahr …" Plötzlich sind seine Lippen so nah. Ich müsste mich nur einige Millimeter weiter nach vorn beugen, dann könnte ich …
 

"Scheiße Mann! Fuck!!!" Ruckartig fahre ich zurück und schaue mich etwas desorientiert um. "Mensch! Mein Met!" Peer bückt sich und hebt seinen Becher auf.

"Du Dussel!", lacht Mat und klopft auf Peers Schulter. "Hol dir einen Neuen."

"Muss ich ja wohl!", zischt er, steht auf und läuft zum Getränkestand.

Und ich? Mir wird gerade, nach dem Schrecken, erst bewusst, was ich da fast gemacht hätte. Eigentlich nichts Schlimmes, aber mein Herz rast immer noch bedrohlich schnell, nach diesem Fast-Kuss.
 

"Prost." Mat schlägt mit seinen Becher gegen meinen. "Alles klar?"

"Ja. … Prost." Ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen, bevor ich einen großen Schluck des Honigweins nehme. 'Auf meine Unfähigkeit!' Ich hab's vermasselt.

Ich traue mich gar nicht rüber zuschauen. Sicher ist ihm das auch unangenehm. Deshalb starre ich in das Feuer vor mir und kralle mich an meinem Becher fest.

Musste Peer auch gerade jetzt Becher-Weitwurf üben? Nur einige Sekunden später und … Ach, Mist! Heute ist nicht mein Tag.
 

Immer noch meckernd kommt Peer zurück und setzt sich wieder zu uns. "Diesmal pass aber besser auf dein Gesöff auf", lacht Mat.

"Was meinst du denn? Das ich nochmal so dämlich bin?" Alle lachen. Auch Fionn. Nun wage ich doch einen kurzen Blick in seine Richtung.

"Du hast eindeutig noch nicht zu viel Met getrunken", meint dieser plötzlich. Als habe er nur darauf gewartet, dass ich ihm wieder meine Aufmerksamkeit schenke.

"Wie kommst du jetzt darauf?", frage ich leise.

"Sonst wäre dir das nicht so peinlich", lacht er und nimmt mir das Met ab, trinkt einen Schluck und gibt ihn mir wieder. "Außerdem ist der gar nicht so stark." Er zwinkert mir zu und steht dann auf. "Wir machen uns weiter. Man sieht sich."

Mat und Peer machen brav winke winke und ich glotze Fionn und seinem Bandkollegen doof, mit unzähligen Fragezeichen über dem Kopf, hinterher.

Hat er gerade aus meinem Becher getrunken? Ohne zu fragen?
 

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*Link zu Süßes oder Saures?! https://ssl.animexx.de/fanfiction/autor/723837/ordner/-1/order_1_1/340240/

Kapitel 02 - In seinem Bann

Kapitel 02 - In seinem Bann
 

"Wehe einer von euch schnarcht!", grummelt Peer und wirft sich im Zelt mitten auf die Luftmatratze.

"Darum musst du dir gar keine Gedanken machen. Du hast doch Stöpsel dabei", ziehe ich ihn auf. Das musste jetzt sein. Er war den restlichen Abend ganz schön launig. Dem Met sei dank.

Von weitem dringt noch leise Musik zu uns. Apropos Met. "Ich geh nochmal schnell zu den Toiletten", sage ich und greife mir die Taschenlampe. Bei den ganzen Zelten hier, muss man aufpassen, nicht über eins der Seile zu stolpern.

Nachdem Fionn und sein Kollege verschwunden waren, sind auch wir langsam zurückgelaufen. Nicht ohne vorher noch das ein und andere Met zu uns zu nehmen. Peer ist wirklich ein Suffkopf! Daher hat der Rückweg auch ewig gedauert.
 

Völlig in Gedanken versunken gehe ich den Weg zurück, wo die Toilettenhäuschen stehen. Mit aller Macht versuche ich nicht an Fionn zu denken. Was ist nur mit mir los? Er ist nicht der erste Kerl, der mir auf Anhieb den Kopf verdreht. Auch wenn er total anders ist, als alle Kerle, die mir vorher über den Weg gelaufen sind. Aber noch nie fühlte ich mich so ... unruhig. So kann ich es wohl am besten beschreiben. Ich bin unruhig. Und der Gedanke an das Was-wäre-wenn, ist noch viel schlimmer. Was, wenn wir uns wirklich geküsst hätten? Wie hätten sich seine Lippen angefühlt? Sicher hätten seine Bartstoppeln leicht gekratzt. Bei dem Gedanken kribbelt es in meiner Magengegend.

Außerdem bereue es, ihn nicht wenigstens in ein vernünftiges Gespräch verwickelt zu haben. Ihm eventuell meine Handynummer gegen zu haben. Zudem ich ja eine tolle Ausrede habe. Ich schreibe für ein Musikmagazin, warum ihm also nicht meine Karte geben? Das hat das ein oder andere Mal wirklich geklappt und mir ein paar heiße Nächte beschert.

'Tja Adrian. Diesmal hast du echt die Chance verpasst.'

Ich seufze laut und öffne die Tür eines dieser übelriechenden, mobilen Toilettenhäuschen. Man gewöhnt sich nie daran.
 

Auf dem Weg zurück zu unserem Zelt verbiete ich mir an ihn zu denken. Irgendwann muss ja mal Schluss sein! Deshalb schaue ich mich etwas auf dem Zeltplatz um. Viel erkennt man nicht im Dunkeln. Einige sitzen bei schwachem Licht vor ihren Zelten, reden, lachen und andere machen leise Musik. Es ist so ruhig! Wieder eine neue Erfahrung. Bei Festivals geht es auf den Zeltplätzen definitiv lauter zu.

Weiter vorn sitzen einige Leute vor einem kleinen Feuer. Jemand dort spielt leise Gitarre. Er sitzt mit dem Rücken zu mir und ist noch zu weit weg, um ihn besser erkennen zu können.

Doch je näher ich komme, desto nervöser werde ich. 'Das bildest du dir ein! Du siehst schon Gespenster!' Aber sieht es nicht so aus, als hätte der Gitarrenspieler Dreadlocks? 'Die haben auch Andere!', beruhige ich mich selbst.

Trotzdem. Die Gewissheit steigt mit jedem Schritt. Dort sitzt Fionn! Nun erkenne ich auch die anderen Bandmitglieder. Sie lauschen der Melodie, einige mit geschlossenen Augen, andere unterhalten sich leise. Trinken zusammen und rauchen. Ich will gar nicht wissen, was.

Eben habe ich mich noch verflucht, die Chance, ihm meine Nummer zu geben, nicht genutzt zu haben und jetzt? Jetzt verlässt mich der Mut.

So schnell es geht laufe ich an ihnen vorbei und starre auf den Boden vor mir. Niemand bemerkt mich.
 

"Na? Wieder heil zurückgekehrt?"

"Ja", murre ich Mat an und krabble ins Zelt. Ich will nur noch schlafen und hoffentlich fällt mir morgen was ein, wie ich den Mut fasse, Fionn anzusprechen. 'Geh doch einfach jetzt hin', flüstert eine Stimme in mir. Es fällt mir verdammt schwer, ihr nicht zu folgen. Keine Ahnung, wieso ich es nicht tue.
 

***
 

Müde blinzle ich aus dem Zelt hinaus. Die Sonne scheint und kein Wölkchen zieht am Himmel entlang. Wunderbares Festivalwetter.

Die Anderen sitzen schon vorm Zelt und unterhalten sich leise. Allgemein ist es noch recht still hier.

"Es ist erwacht!" Mat grinst und hält mir eine Tasse Kaffee hin. Das Es überhöre ich mal ausnahmsweise.

"Und ihr? Seid ihr von der Luftmatratze gefallen?" Mit dem Kaffee in der Hand geselle ich mich zu ihnen.

"So ähnlich. Mein Rücken tut weh." Hehe. Armer Mat. Er tut mir gar nicht leid.

"Leute? Ich hab Kohldampf." Typisch Peer. Wann hat er den mal nicht?

"Ich will vorher noch duschen", wende ich ein.

"Da komme ich mit!", sagt Mat und holt sein Duschgel und ein Handtuch.

"Viel Spaß. Da drin ist es echt widerlich." Peer hatte schon gestern Abend das Vergnügen, nachdem er uns gefühlte Stunden in den Ohren gelegen hat, wie verschwitzt er ist, und dann endlich zu den Duschen gewankt ist. Ich frage mich, wie er es dabei geschafft hat, nicht auszurutschen und sich den Schädel einzuschlagen, so besoffen wie er war.
 

Gemächlich schlurfen Mat und ich über den Zeltplatz und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Heute wird es anscheinend richtig warm. Gestern war es ziemlich bewölkt und daher angenehm. Heute ist wohl schwitzen angesagt. Peer wird sich bedanken. Dem wird schon bei plus zehn Grad warm.

"Herrliches Wetter", sagt Mat und spricht mir damit aus der Seele. "Hey! Ist das da drüben nicht der Traum deiner schlaflosen Nächte?"

Oh Shit! Keine zehn Meter vor uns steht Fionn! Und das, wo ich gerade mal nicht an ihn denken musste. Schon wieder renne ich ihm fast in die Arme. Es ist wirklich nicht zu fassen!
 

Er steht vor einem der Zelte und isst anscheinend Müsli. Nur ... Scheiße! Er ist halb nackt dabei! Nichts weiter an, als diese schwarze, weite Hose, steht er im morgendlichen Sonnenlicht und mampft seelenruhig sein Frühstück. Bei dem Anblick wird natürlich bei mir weiter unten ebenfalls jemand wach. So ein Mist!

"Mensch, ist der in Form! Daneben sehe ich wie ein Milchbubi aus!" Wieder spricht Mat meine Gedanken aus. Fionn sieht einfach nur heiß aus!

Die Hose hängt locker auf seinen Hüftknochen und ... Wieso kann sie ihm nicht einfach mal herunter rutschen? Oder besser doch nicht!

"Ich kann da nicht vorbei!", flüstere ich Mat zu und bleibe stehen.

"Sag bloß, du schämst dich?"

"Nein!" Ich will nur nicht, dass Fionn mich sieht. Mit Sicherheit genügt ein Blick, und er erkennt, was in mir vorgeht. Sabbere ich gerade?

"Wir gehen jetzt weiter. Stell dich nicht so an! Was ist nur los mit dir? Macht der dich echt so scharf?"

"Du glaubst gar nicht wie sehr", stoße ich hervor und sauge diesen wunderschönen Anblick in mich auf wie ein trockener Schwamm. Er hat seine Haare offen. Bestimmt ist er gerade erst aus dem Zelt gekommen ...

"Dann mal los und schnapp ihn dir. So wie immer."

Entsetzt schüttle ich meinen Kopf. "Nein!"

"Und wieso nicht, wenn ich fragen darf?"

"Vielleicht steht er ja gar nicht auf Männer", bringe ich hervor und weiß, dass ich gerade lüge. Das gestern war ja wohl zu eindeutig!

"Das stört dich doch sonst auch nie."

"Ich verstehe es ja selbst nicht! Keine Ahnung, was mit mir los ist." Ich habe schweißnasse Handflächen und mein Puls würde bestimmt jedes Pulsmessgerät sprengen.

"Wie war sein Name nochmal?", fragt Mat.

"Fionn", hauche ich und lass den Namen auf meiner Zunge zergehen.

"Aha ... HEY!? FIONN!"
 

Mir bleibt das Herz stehen und rutscht anschließend in meine Hose.

Das hat Mat jetzt nicht wirklich getan?! Anscheinend doch, denn Fionn hebt seinen Kopf und schaut in unsere Richtung. Oh Gott! Er schaut mich an, erkennt mich und ... lächelt! Meine Knie werden weich, aber Mat zerrt mich unbarmherzig mit sich.

"Morgen! So sieht man sich wieder", begrüßt uns Fionn und stellt seine Müslischale ab.

Er kommt auf uns zu, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht. Unwillkürlich muss ich ihn wieder mustern. Links hat er einen Stab durch die Brustwarze und auf der selben Seite schlängelt sich ein Tattoo an seinem Hüftknochen entlang, bevor es unter dem Bund seiner locker sitzenden Hose verschwindet. Schnell wieder wegschauen! Das ist eindeutig zu viel für meine Selbstbeherrschung!
 

"Ihr zeltet auch hier? Habt ihr nicht einen extra Bereich?", fragt ihn Mat und stupst mich unauffällig an.

"Normal ja. Aber hier gefiel es uns besser. Mit all den Bäumen."

"Stimmt. Ist echt schön hier. Wann spielt ihr heute nochmal?"

"Ich glaube um 14 Uhr."

Na, die Beiden verstehen sich ja prächtig! Und ich? Ich bekomme keinen einzigen Ton heraus.

"Ihr wart echt gut. Adrian hier habt ihr bekehrt. Normal hört er ganz andere Musik." Nein! Mat, ich bringe dich um! Hier und jetzt!

"Das habe ich gemerkt!", lacht Fionn und funkelt mich an. Oh Verflucht! "Ich hoffe, du hast keinen Kater vom vielem Met gestern?"

"Nein", presse ich mit dünner Stimme hervor.

"Adrian heißt du also. Freut mich wirklich sehr, endlich deinen Namen zu erfahren." Fionn kommt näher und hält mir seine Hand hin. Nicht ganz sicher, was das soll, tue ich es ihm nach. Er ergreift meine Hand und zieht mich zu sich, legt seinen Arm um mich und drückt mich an seinen Brustkorb.
 

In mir brodelt es. Nein, ich stehe in Flammen! Ich kann mich nicht rühren, atme nur seinen unverwechselbaren Duft nach Leder und irgendwelchen Kräutern ein, den ich auch schon gestern bemerkt habe. Am liebsten würde ich mein Gesicht an seinen Hals schmiegen, ihn dort mir meiner Zunge und meinen Lippen erkunden. Doch leider ist es, kaum dass es begonnen hat, auch schon wieder vorbei. Das Selbe macht er mit Mat, doch ich bezweifle, das Mat bei dieser Umarmung das Gleiche fühlt wie ich.

"Also kommt ihr nachher nochmal zu uns und lauscht unserer Musik?"

"Klar. Adrian wird kaum davon abzuhalten sein." Oh Mat! Du stirbst noch heute einen furchtbaren Tod!

"Schön. Dann sehen wir uns ja wieder." Fionn lächelt mich an und schlüpft in sein Zelt.
 

"Du warst ja stummer als ein Fisch!", zieht mich Mat grinsend auf. Ich brumme nur als Antwort. "Dich hat es ganz schön erwischt."

"Das bekommst du noch alles zurück! Doppelt und dreifach!", drohe ich ihm. Er lacht nur und betritt eine der Duschkabinen.

Warum bringe ich ihn nicht gleich hier um? Ich könnte es doch nach einem Unfall aussehen lassen, oder?
 

***
 

Es ist gleich vierzehn Uhr und wir haben die Bühne immer noch nicht gefunden. So ein Mist!

"Ich frag mal einen der Händler." Mat probiert es bei einem Kleiderstand.

Ich hasse es, nicht zu wissen, wohin ich muss. Ich werde ungeduldig und mehr als übellaunig. Wieso gibt es hier keinen Spielplan?

"Wir müssen dort hinten hin!", ruft Mat und kommt auf mich zu. "Sie spielen auf der anderen Seite." Klasse! Hoffentlich packen wir es noch. "Zieh nicht so ein Gesicht." Der hat gut reden!

Zu zweit kämpfen wir uns durch die Menschenmenge. Peer ist nicht dabei. Er hat was zum vögeln gefunden. Ich frage mich, wie er bei der Hitze im Zelt das durchhalten will. Laut meinem Handy sind es unglaubliche 33 Grad. Im Schatten. Ich will also gar nicht wissen, was für eine Hitze in den Zelten herrscht.
 

Mat habe ich noch beim Frühstück zusammengefaltet. Natürlich wegen seines dämlichen Verhaltens heute Morgen. Er hat nur wieder gelacht und gemeint, alleine hätte ich nie meinen Arsch hoch bekommen. Danke auch!

"Sie haben noch nicht angefangen!", grinst mir Mat entgegen. Und er hat recht.

"Dafür ist ganz schön was los vor der Bühne." Das sind eindeutig mehr Zuschauer als gestern.

"Folgen sie mir, meine Lordschaft. Ich geleite sie sicher zu ihrer Maid!"

"Mat? Du bist ein Arsch!"

"Ganz wie ihr meint, Sir." Daraufhin muss ich doch lachen. Er kann manchmal echt doof sein!
 

Er nimmt mich an die Hand und zieht mich in die wartende Menge. Einige schauen uns genervt an, bleiben aber ruhig. Mat drängelt unbeirrt weiter, bis wir tatsächlich ganz vorn stehen.

"Das nächste Mal nimmst du deinen Presseausweis mit. Dann sparen wir uns das alles und können gleich bis ganz nach vorn", sagt Mat und lehnt sich an die Absperrung. Komischerweise gibt es heute eine. Die Bühne ist auch etwas größer. Das nenne ich mal einen steilen Karriereaufstieg! Gestern noch Marktmusiker und heute schon eine große Bühne. Okay. So riesig ist sie nun auch nicht.

"Dann hättest du trotzdem hier bleiben müssen. Mit dem Ausweis komme nur ich ganz nach vorn."

"Du könntest mich als Assi mitnehmen. Ich schleppe auch deine Kamera und deinen Laptop."

"Verführerisches Angebot. Das nächste Mal denke ich drüber nach."
 

Vor uns bewegt sich etwas. Die Menge jubelt und schon betritt die Band die Bühne. Ich frage mich, ob das wirklich eine gute Idee war, sich genau vorne hin zu stellen. Fionn kann mich so überhaupt nicht übersehen. Eben jener stellt sich natürlich genau vor mir auf, greift seine Laute und schaut in die Zuschauerschar. Er entdeckt mich sofort und zwinkert mir zu. Mein Adrenalinspiegel steigt enorm. Verflucht!

"Sieht nicht so aus, als wärst du ihm völlig egal", flüstert mir Mat ins Ohr.

"Neue Fans gleich neues Geld", erwidere ich trocken. Leider kenne ich mich dabei auch aus.

Mat zuckt mit den Schultern. "Wenn du meinst." Was ich meine, kann ihm erstmal egal sein. Ich möchte nur nicht, dass er mich weiter damit aufzieht. Das kann ich auch selbst.
 

Auf der Bühne beginnt die Band mit ihrem ersten Lied. Ein Instrumentalstück und die ganze Zeit über spüre ich Fionns Blick auf mir. Ich versuche mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen, schaue und höre dem Treiben auf der Bühne zu, vermeide es so gut es geht, ihm in die Augen zu schauen.

Das nächste Lied beginnt und ich studiere die Band. Ich habe sie gestern die ganze Zeit über spielen gehört und habe noch keinen einzigen seiner Bandkollegen näher betrachtet, fällt mir gerade auf.

Da wäre zuerst einmal der Sänger. Wie gestern schon bemerkt, hat er eine hervorragende Stimme. Tief und voll. Er hat lange, schwarze Haare und eine Menge Stahl im Gesicht. Wirklich nett ... Nicht mein Geschmack, aber jedem das Seine. Von mir aus links gesehen, steht ein schmaler Kerl mit rotblonden Haaren der eine Flöte spielt. Hinter ihm eine etwas kräftigere Frau mit Gitarre. Sie hat knallig rot gefärbtes, fast knielanges Haar. Rechts neben ihr, also direkt hinter Fionn der Percussionist mit seinen Trommeln.

Und zu guter Letzt Fionn. Er hat die Laute gegen diese komische Drehleier eingetauscht. Fasziniert schaue ich ihm beim spielen zu. Und nicht nur das. Fionn sieht wieder einfach nur atemberaubend aus!

Ich kann nicht anders und checke ihn wieder von oben bis unten ab. Er trägt wieder eine dieser weiten Hosen, in braun diesmal, ein eng anliegendes, ärmelloses Shirt und in seine Dreadlocks sind kleine Ringe eingeflochten. Außerdem trägt er einige keltisch aussehende Anhänger, deren Sinn und Zweck sich mir allerdings entziehen. Wenn die Musik leise ist, kann man sie klimpern hören. Zudem ist er barfuß, was mich mehr anmacht, als ich mir eingestehen will.
 

Shit! Was, zum verfluchten tausendsten Mal, ist mit mir los? Als hätte ich nur Watte im Hirn. Nur Watte und ... Fionn. Es ist zum davon rennen! Was finde ich nur an diesem dämlichen, Dreadlock-Ökofritzen? Mit seiner komischen Drehleier und diesen braunen Hundeaugen, in die ich gerade blicke und darin ertrinke. Mein Herz stolpert, ich beginne zu schwitzen und mein Bauch kribbelt wie verrückt. Mein ganzer Körper spielt total verrückt!

Scheiße! Ich glaube, es hat mich erwischt! Ich habe mich Hals über Kopf in einen Musiker verknallt! In einen Musiker mit Drehleier und Harfe! Scheiße!
 

***
 

Sargas' Auftritt neigt sich dem Ende zu. Sie spielen ja auch schon fast seit eineinhalb Stunden. Wenn es nach mir ginge, könnten sie nochmal so lange spielen.

Ich tauchte regelrecht in deren Musik ein, obwohl ich die Lieder nur ein mal gehört habe, wenn überhaupt.

Immer wieder verfingen sich meine und Fionns Blicke und er lächelte jedes mal, wenn das geschah. Mir dagegen blieb die Luft weg und ich stand wie paralysiert vor der Bühne und versank in seinen Augen. Er zog mich in seinen Bann und ließ mich erst weiteratmen, wenn er meinen Blick wieder freigab. Vor meinem inneren Auge allerdings, sah ich ihn vor mir, kurz bevor sich unsere Lippen berührten. Peer störte uns dieses mal nicht und ich spann den Faden weiter, begegnete seinen Lippen und sank gegen seinen Oberkörper, während das Feuer leise prasselte und uns in seinen warmen Schein einhüllte ...
 

"Wir kommen nun leider zum letzten Lied für heute. Dafür bekommt ihr aber eins unserer neusten Stücke zu hören. Ich hoffe das entschädigt euch!" Kreischen und Applaus brandet auf.

Fionn stellt sich vor sein Mikro und das Lied beginnt. Ein langsamer Rhythmus. Gesang ertönt. Aber nicht von dem schwarzhaarigen Sänger. Ich klammere mich an die Absperrung. Fionn singt diesmal und er ist einfach unglaublich! Seine Stimme ist auf der einen Seite rauchig und auf der anderen so gefühlvoll, dass sich mein Bauch zusammenzieht. Sie erfüllt mich, dringt nicht nur in meine Ohren, sondern vibriert durch meinen ganzen Körper. Mir wird schwindelig und meine Brust schnürt sich zusammen. Es ist lächerlich! Ich weiß, aber so ist es nun mal. Er muss mich gar nicht ansehen, seine Stimme genügt schon. Was macht dieser Kerl nur mit mir?

Ich lehne mich an die Absperrung und schaue ihn an, wie er seine Drehleier spielt und dabei singt, die Augen geschlossen und nur hin und wieder zu mir schaut. Oder bilde ich mir das nicht nur ein? Ich meine, wieso sollte er ausgerechnet nur zu mir schauen? Bestimmt stehen hier noch Andere, bestimmt alles junge, kreischende, schockverliebte Teens, die das Selbe denken. 'Er schaut mich an! Er schaut mich an!' Tief durchatmen! Ich verhalte mich lächerlich!
 

Als das Lied leider viel zu schnell zu Ende ist, die Band sich beim Publikum bedankt hat und dann von der Bühne verschwunden ist, stehe ich immer noch da und versuche das alles zu verarbeiten. Immer noch höre ich seine Stimme, fühle sie in mir vibrieren.

"Adrian? Willst du hier Wurzeln schlagen?" Mats Gesicht schiebt sich in mein Sichtfeld.

"Nein", sage ich leise und schüttle meine Starre ab. "Gehen wir."

"Warte mal! Diesmal kaufe ich mir auch eine CD!" Muss das sein?

Ich kann unmöglich jetzt auch nur in die Nähe von ... "Hallo Adrian!" Fionn!

Ich versuche ihn so unverbindlich wie nur möglich anzulächeln. Ob es klappt, kann ich nicht sagen.

"Ihr wart echt richtig gut! Besser als gestern!" Mat, du elender Schleimer! Allerdings ... Wenigstens einer, der den Mund auf bekommt.

"Danke. Lief ganz gut heute." Fionn strahlt richtig, noch sichtlich erfüllt vom Adrenalin des Auftrittes eben. Und ich? Bestimmt sehe ich aus wie ein Fisch auf dem trockenen.

"Mehr als gut! Und als Beweis kannst du mir gleich mal eine CD von euch organisieren." Ich wünschte, ich könnte so locker wie Mat sein. Normal bin ich das auch. Aber wie soll ich locker werden, wenn Fionn so dicht bei mir steht? Mir dieser verwirrende Duft nach Leder und Kräutern, vermischt mit seinem ganz eigenen Duft in die Nase dringt und ich ihn am liebsten an mich reißen würde. Meine Hände unter sein Shirt schieben möchte und ich ihn spüren und schmecken will. Ihn nur für mich ... "Adrian?"

"Ja?!"

"Kommst du auch mit?", fragt mich Mat.

"Wohin?" Mist! Ich habe nicht aufgepasst!

"Wir feiern heute Abend ein bisschen. Ihr seid eingeladen. Als treue Fans, sozusagen." Fionn lädt uns ein?

"Gerne", bringe ich gerade so hervor und verstecke meine Aufregung so gut es geht.

Ein warmes Lächeln, ein feuriger Blick. Fionn bringt mich echt um den Verstand!
 

******

Kapitel 03 - Ein Gefühl für's Drehen bekommen

Kapitel 03 - Ein Gefühl für's Drehen bekommen
 

Während des Rückwegs zu unserem Zelt kann ich ganz deutlich Mats dummes Grinsen aus den Augenwinkeln heraus sehen. Es nervt mich! "Hör auf damit!", schnaube ich ihn daher an.

"Was denn? Sei mal lieber froh, dass sich alles so fügt. Du würdest von selbst gar nicht aus den Puschen kommen."

"Pff!" Er hat zwar recht, muss es aber nicht unbedingt wissen. Sonst ist er überhaupt nicht mehr zu ertragen.

"Der steht genauso auf dich, wie du auf ihn. Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock! Echt! Ich fresse einen Besen, wenn da heute nichts zwischen euch läuft!"

"Ich erinnere dich morgen früh daran." Der arme Mat. Wäre doch eine Schande, wenn er einen Besen fressen müsste, oder? "Hoffentlich hat Peer nicht unser Zelt ruiniert", lenke ich ab. "Am besten, wir schlafen heute Nacht draußen."

Mat lacht. "Abwarten, ob er die Kleine auch rumbekommen hat."

"Hallo?! Wir reden hier von Peer! Der bekommt doch jede rum." Wie auch immer das anstellt.

"Wohl wahr", seufzt Mat und klopft auf meinen Rücken. "Du solltest bei ihm Nachhilfe nehmen."

Oh! Dieser ...
 

***
 

Unser Zelt blieb unberührt. Peer hat seine Kleine irgendwo anders bestiegen. Glück für uns. Es war ihm zu stickig da drin, meinte er bloß dazu.

Nachdem wir eine Weile lang faul vor unserem Zelt herumgelungert haben, sind wir nun wieder auf dem Weg zum Marktgelände. Peer ist bestens gelaunt und pfeift sogar hin und wieder irgendeine Melodie vor sich hin.

"Echt widerlich, deine gute Laune", pampe ich ihn an, als mir sein Gepfeife zu bunt wird. Doch Peer grinst mich nur doof an.

"Ärgere ihn nicht", schmunzelt Mat und meint damit Peer, während er seinen Arm um meine Schulter legt. "Der Gute hat Liebeskummer." Fängt er schon wieder damit an!

"Habe ich nicht!", zische ich. Vielleicht ein wenig zu nachdrücklich. Mat und Peer lachen auf. "Ihr seid Idioten!"

Ich winde mich aus Mats Umarmung und mache auf dem Absatz kehrt. "Hey Adri! Jetzt schmoll doch nicht!" Ich zeige Mat über meine Schulter hinweg den Mittelfinger und schlüpfe zwischen zwei Ständen hindurch. Ihre heitere Laune kann ich gerade echt nicht ab.
 

Planlos laufe ich umher. An einem Stand gönne ich mir ein eiskaltes Wasser und streife damit weiter an den vielen Verkaufsständen vorbei.

Ich bin froh, mal allein sein zu können. Nachdenken, oder besser doch nicht nachdenken. Egal. Hauptsache, ich muss mir Mats dummes Gelaber und Peers dümmliches Après-Sex Grinsen antun.

Ich weiß auch ohne Mats blöde Sprüche, dass ich bei Fionn zu einem totalen Volltrottel mutiere. Das muss er mir nicht immer wieder aufs Brot schmieren, obwohl ich natürlich weiß, dass er mich damit nur aus der Reserve, und somit anspornen möchte, bei Fionn endlich auf Angriff zu gehen. Bloß wie? So, wie ich mich derzeit in seiner Nähe anstelle, wird das nix.

Aber warum verhalte ich mich in Fionns Gegenwart so bescheuert? Soooo wahnsinnig gut sieht er nun auch nicht aus, als dass es mir bei seinem Anblick dermaßen die Sprache verschlagen würde. Es muss demnach etwas anderes sein, das mich bei ihm zu einem sabbernden Idioten macht.

Seine Augen. Sicher sind es seine Augen, die mein Hirn lahmlegen, sobald sie auf mich gerichtet sind. Dazu noch die ständige Erinnerung an den fast Kuss und et voilà: Adrian der Stumme ist geboren.

Irgendwie muss sich das doch ändern lassen! Ich kann doch nicht immer in seiner Nähe …

"Adrian?" Hm? Jemand ruft mich. Ich bleibe stehen und schaue mich um. "Adrian! Wusste ich es doch! Du bist es!" Meine Waden verwandeln sich in flüssige Sahne. Das ist Fionn!
 

'Wenn man an den Teufel denkt', lache ich innerlich, obwohl mir gar nicht zum Lachen ist.

Ich bringe ein sehr einfallsreiches "Hey" zustande, als Fionn grinsend vor mir steht.

"Ganz allein?"

Ich nicke, anstatt ihm ein freches "Ist doch offensichtlich" entgegen zu schmettern.

"Das trifft sich ja gut", meint Fionn freudig. "Dann hast du doch sicher Zeit mich zu begleiten."

"Wohin?", frage ich ihn dümmlich, wobei ich schon froh bin, überhaupt was gesagt zu haben.

"Komm einfach mit", lacht Fionn und greift mein Handgelenk. Ich bin viel zu überrumpelt, um irgendwelche Einwände zu erheben, starre auf seine Hand und stolpere hinter ihm her.
 

Erst als mich Fionn an unzähligen Buden und Ständen vorbei gelotst hat, bringe ich meinen Mund dazu, nochmal zu fragen, wohin wir denn eigentlich gehen.

"Bogenschießen." Habe ich gerade richtig gehört?

"Bogenschießen?"

"Ja." Der will mich doch veräppeln! "Die Anderen wollten nicht mit, also musst du jetzt dran glauben."

"Als was? Als Zielscheibe?" Ah, da bin ich ja wieder. Willkommen zurück, Adrians Hirn. Ich hoffe, du bliebst noch eine Weile.

Fionn lacht und entschleunigt seine Schritte. "Nein. Auf dich würde ich niemals schießen."

"Sehr beruhigend."

"Jedenfalls nicht scharf", lacht er und zwinkert mir zu.

Wieder bin ich viel zu perplex um zu kontern.
 

Als wir schließlich Halt machen, stehen wir am Fuße der höher gelegenen kleinen Burgruine, um die herum das Spektakulum stattfindet.

Tatsächlich gibt es hier einen Stand, an dem man Pfeile abschießen kann.

"Das willst du wirklich machen?", frage ich Fionn und beäuge die gefährlich aussehenden Bögen und noch gefährlicher aussehenden Pfeile.

Besucher schießen sie auf große Zielscheiben aus Stroh.

"Klar! Ist doch lustig." Fionn wirkt ganz begeistert und marschiert auch gleich auf den Typen zu, dem das ganze hier gehören zu scheint.

Geld wechselt den Besitzer und stolz reicht Fionn mir einen der Bögen. "Ich?!"

"Logisch. Wenn du schon mal hier bist …" Nur widerwillig nehme ich den Bogen entgegen.
 

Denkt jetzt nicht ich hätte Angst davor, ein paar Pfeile abzuschießen. Nein. Ich habe eher Angst davor nicht zu treffen und mich vor Fionn zum Volldeppen zu machen.

"Ich habe das noch nie gemacht", erkläre ich ihm daher auch gleich, damit ich wenigstens ein bisschen Würde behalte, sollte ich aus Versehen einen der Besucher im Hintern treffen.

"So schwer ist das nicht", versucht Fionn mich zu beruhigen, was aber nur das Gegenteil bewirkt.

"Du hast das schon mal gemacht?"

"Klar. Bin ja nicht zum ersten Mal auf einem Spektakulum." Verflucht!

"Das ist unfair!" Fionn grinst bloß und stellt sich vor eine der Strohscheiben. Fasziniert beobachte ich ihn dabei.

Durch das enge Oberteil kann man ganz genau seine Muskeln sehen. Und auch seine Armmuskeln, die sich hart anspannen … 'Oh man!'

Schnell richtige ich meine Aufmerksamkeit auf den Pfeil, den er nun spannt, in Position bringt und für ein paar Sekunden so hält. Und schon saust er zischend davon. Außenring.

"Mist!" Fionn runzelt die Stirn und greift sich den zweiten von den drei Pfeilen, die jeder Abschießen darf. Dieser trifft schon mal weiter innen. Doch die Mitte verfehlt er. Auch der dritte Pfeil trifft nicht ins Schwarze. Obwohl ich es dennoch beeindruckend finde, dass Fionn überhaupt die Scheibe trifft. Das jagt mir gehörigen Respekt ein.
 

"Nicht meine beste Leistung", seufzt er. "Na ja. Du bist dran." Fionn dirigiert mich vor die Scheibe aus Stroh.

"Ich weiß nicht …", winde ich mich. "Willst du nicht lieber? Du hast doch fast die Mitte getroffen. Beim nächsten Versuch …"

"Hier wird sich nicht rausgeredet", unterbricht er mich. "Schieß!" Super! An dieser Schießübung führt anscheinend kein Weg vorbei.
 

Allein den Bogen zu spannen ist schon Schwerstarbeit. Der Standbetreiber hilft mir, zeigt, wie ich es richtig mache und gibt mir Tipps. Erst dann reicht mir Fionn einen der Pfeile.

Zu meinem Ärger bleibt er jedoch genau hinter mir stehen. Wie soll ich denn da treffen?! "Gut so", flüstert er mir von hinten ins Ohr. "Mehr Spannung … Nimm dir Zeit zum Zielen …" Sein Atem ist so warm. Und ich schwöre euch, ich kann seine Körperwärme fühlen. Obwohl er sicher einen halben Meter von mir entfernt steht. Das ist nicht gut! Ganz und gar nicht …

ZISCH!

Oh, oh. Der Pfeil! Er ist … "Fast in die Mitte!", jubelt Fionn hinter mir. "Das gibt es doch nicht!"

Ungläubig starre ich die Zielscheibe an. War das wirklich mein Pfeil?

"Glückstreffer", murmle ich und senke den Bogen.

"Und was für einer!" Fionn zieht mich an sich und klopft mir auf den Rücken. Mir rutscht der Bogen aus der Hand. "Entweder, du bist ein Naturtalent, oder du hast mir verschwiegen, dass du ein internationaler Bogenschießchampion bist", lacht Fionn, während ich wieder den Bogen aufhebe.

"Soweit ich weiß hatte ich so ein Ding noch nie in der Hand." Und werde es auch nie wieder.

Der Pfeil hätte sonst wohin fliegen können, dank der Ablenkung namens Fionn in meinem Rücken. "Hier. Die anderen Zwei kannst du haben."

"Was?" Fionn guckt mich fassungslos an. "Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du das so stehen lassen kannst. Los! Nochmal. Ich will wissen, ob das tatsächlich nur ein Glückstreffer war." Verdammt! Wie will ich mich da jetzt rausreden?

'Sorry Fionn, aber ich habe nur getroffen, weil mich deine Nähe so scharf gemacht hat?' Sicher nicht.
 

Also füge ich mich wohl oder übel ein weiteres Mal und spanne den Bogen. Diesmal bleibt Fionn zum Glück neben mir stehen. Anscheinend, um mich besser beim Schießen studieren zu können. Helfen tut es ihm wenig. Ich verfehle nicht nur das Ziel, ich verfehle auch noch die Scheibe. Sie saust hinter in den Stapel Strohballen, den man dort zur Sicherheit aufgebaut hat. Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellt.

"Siehst du? Der Erste war nur ein Glückstreffer."

"Anscheinend", brummt Fionn. "Aber du hast noch einen."

"Der wird auch nicht treffen."

"Abwarten." Ich zucke mit den Schultern.

Der Dritte trifft wenigstens den Außenring der Schiebe. Was mich ehrlich überrascht. Fionn wirkt dagegen nachdenklich. "Wenn du noch drei weitere Pfeile willst …"

"Nein!" Bloß nicht. "Bogenschießen ist definitiv nichts für mich." Ich gebe den Bogen an den Standbesitzer ab. "Dann lieber Dosenwerfen." Damit kann ich wenigstens keinen Aufspießen, falls Fionn mich wieder von hinten attackieren sollte.

"Das gibt es hier sicher auch irgendwo", lacht Fionn und schnappt sich erneut mein Handgelenk. "Lust, mit mir auf die Suche zu gehen?" Die Frage überrumpelt mich. Schon wieder.

"Klar", nicke ich aber auch schon und finde mich kurze Zeit später neben Fionn wieder, wie wir zu zweit über das Marktgelände schlendern.
 

***
 

Dosenschießen war unauffindbar. Dafür weitere gefährliche 'Sportarten' wie Axt- und Messer werfen. Nur mit Engelszungen konnte ich Fionn davon abbringen, dies auch noch zu versuchen.

"Lass uns lieber was essen. Ich verhungere." Damit hatte ich ihn.

Wir bestellten uns zwei Portionen Kartoffelecken mit einer Art Kräuterdip.

Doch nun stehen wir da, jeder eine große Schale voll mit Kartoffelecken, und finden keinen Platz zum Hinsetzen oder wenigstens zum Hinstellen. An den Essensständen ist überall die Hölle los.

"Ich kenne da einen guten Platz", sagt Fionn. "Er ist etwas abgelegen und wir können im Gras sitzen."

"Hört sich gut an. Wo ist der Haken?" Es gibt immer einen.

"Wir müssen ein Stück laufen und dann klettern."

"Ah ja." Ich schaue auf meinen übervolle Schale in meiner Hand.

Fionn lacht. "Klettern ist vielleicht zu viel gesagt. Eher einen kleinen steinigen Hang besteigen." Besteigen also … Ich sollte mich auf meine Kartoffelecken konzentrieren.

"Gut. Gehen wir." Hier ist es sowieso viel zu voll und viel zu laut. Jetzt, wo ich endlich mehr als bloß zwei Worte in Fionns Gegenwart rausbekomme, ist mir jeder steinige Hang wert, um mich mal in Ruhe mit Fionn unterhalten zu können.
 

Fionn führt mich wieder Richtung Burgruine. Dieses Mal laufen wir hinter den Ständen auf einem kleinen ausgetretenen Pfad entlang. "Dort hinauf." Er zeigt empor zur Burgmauer. "Es sieht weiter aus als es ist."

"Wenn du das sagst", brumme ich, was Fionn wieder zum grinsen bringt.

"Vertraue mir."

"Hm … Okay. Ausnahmsweise."

Ich bin froh, dass mein Sprachzentrum allem Anschein nach wieder auf Normalmodus läuft. Mich gleich zwanglos mit Fionn unterhalten zu können wäre schon mal ein Anfang.

Ein Anfang wovon wollt ihr wissen? Mal sehen. Das weiß ich auch noch nicht so genau.
 

Der steinige Hang hat sich als steinige Anhöhe herausgestellt. Jedenfalls sind wir nicht mal eben schnell zu dem mysteriösen, stillem Platz gepilgert. Einige meiner Kartoffelecken mussten ihr Leben dabei lassen. Entweder in meinem Magen als Wegzehrung oder als späteres Vogelfutter im Gras.

Ich bin froh, als Fionn verkündet, dass wir angekommen sind. Nicht nur wegen meines hinabfallenden Essens.

"Ist das nicht schön?" Wir hocken im Gras, angelehnt an die ehemalige Burgmauer, und schauen hinab auf das Marktgelände.

"Ja. Wirklich schön." Das ist es.

Gegenüber von uns steht die Sonne schon ziemlich tief. Alles ist in ein dunkles Orange getaucht. Wir haben bestimmt schon neunzehn Uhr durch. Ob sich Mat und Peer Sorgen um mich machen? Wahrscheinlich nicht. Sie kennen mich. Sie denken sicher, ich würde irgendwo in einem dunklen Eckchen vor mich hinschmollen. Hoffentlich haben sie wenigstens ein schlechtes Gewissen.
 

Genüsslich lasse ich mir mein Essen schmecken. Ebenso wie Fionn.

Nach dem ganzen Trubel tut mir die Ruhe richtig gut. Und neben Fionn zu sitzen hat trotz allem auch etwas beruhigendes.

Klar spielt mein Herz wieder verrückt. So unmittelbar neben ihm zu sein bringt es sogar ganz schön durcheinander, aber ich genieße dieses Gefühl im Moment eher, als es mich nervös macht. Die Stimmung ist einfach zu schön.

Zwar geht der Tag dem Ende entgegen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, hier beginnt etwas. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, bedingt durch den dünnen Sauerstoff hier oben und meinen langsam übervollen Magen.
 

Fertig gegessen stellen wir die Schälchen erstmal neben uns ins Gras. "Durst?" Von irgendwoher hat Fionn eine kleine Wasserflasche gezaubert.

"Wo hast du die denn her?", frage ich ihn.

"Ein kluger Mann denkt eben an alles."

"Das lasse ich mal unkommentiert."

"Was soll das denn jetzt heißen?"

"Nichts", grinse ich und nehme ihm die Wasserflasche ab. Das Wasser ist zwar warm, aber das stört mich nicht.

Den gröbsten Durst gestillt, gebe ich Fionn die Flasche wieder zurück. "Ich könnte ewig hier sitzen", meint er und blickt in die Ferne.

"Wie hast du diesen Ort hier gefunden?"

"Einfach die Augen danach offen gehalten."

"Dann hast du also ein Faible für abgelegene, einsame Plätze?"

"Hin und wieder." Er schenkt mir ein verschmitztes Grinsen.

"Gut zu wissen", sage ich und grinse zurück.

"So? Warum?" Neugierig und amüsiert mustert er mich.

"Nur … nur so", weiche ich verlegen aus und pople an einem langen Grashalm herum.

Da ist sie wieder, die Leere in meinem Kopf. So ein Scheiß! Normalerweise würde ich so eine Chance niemals ungenutzt lassen. Doch bei Fionn scheint nichts normal zu sein. Absolut gar nichts.

Fionn scheint sich das eine Weile lang anzugucken, dann packt plötzlich seine Hand nach meinen nervös herumspielenden Fingern. "Gib mal her", fordert er mich auf, womit er den Grashalm meint. "Kennst du das?"

"Hm?" Was hat er denn jetzt wieder vor?

Fionn grinst bloß wieder und klemmt sich den Grashalm umständlich zwischen die Seiten seiner beiden Daumen, ehe er sich die Hände vor den Mund hält. Natürlich weiß ich inzwischen, was er vor hat.

Ein ekeliger schriller Ton ertönt. "Das haben wir als Kinder immer gemacht. Um unsere Nachbarn zu ärgern", lache ich. Der Quietsche-Ton verursacht ein Echo. Okay, das ist jetzt cool.

"Eins der einfachsten Musikinstrumente der Welt", feixt Fionn und fummelt den Grashalm von seinem linken Daumen.

"Ich will auch", beschließe ich und zupfe mir einen Halm ab.

Fionn lacht und schaut mir dabei zu, wie ich versuche, den Halm halbwegs fest zwischen meine Daumen zu spannen. Als es mir gelingt, versuche ich ein paar scheußliche Töne damit zu erzeugen, doch es bleibt bei einem krächzenden Pusten.

"Ich kann das nicht mehr", gebe ich schließlich auf. Fionn grinst sich immer noch einen. "Hör auf, so dämlich zu grinsen." Der Grashalm landet bei seinen noch lebenden Brüdern und Schwestern. "Kann ja nicht jeder so musikalisch sein wie du." Dass ich Gitarre spiele, lasse ich besser unerwähnt. Bei der Vorstellung eben, würde er mir das niemals glauben.

"Das hat nichts mit musikalisch oder nicht zu tun. Du musst einfach mehr an deiner Lippentechnik feilen."

"Was?" Wie bitte? "Mit meiner Lippentechnik ist alles bestens!" Kaum ist der Satz raus, fängt auch schon an mein Gesicht zu glühen. Fionn lacht sich halb schlapp. "Haha", knurre ich. "Sehr witzig." Der hat doch davon angefangen! "Hör endlich auf zu lachen. So lustig war das gar nicht." Viel mehr war es ziemlich peinlich. Für mich.

"Ich will Beweise", gackert Fionn. "Los! Lippen spitzen." Wie bitte?

Ich muss arg belämmert aus der Wäsche gucken, denn Fionn lacht abermals los. "Darauf kannst du lange warten", blaffe ich und ignoriere den kichernden Lachsack neben mir.

"Schade", meint er und wischt sich doch tatsächlich ein Lachtränchen aus den Augenwinkeln. "Wirklich schade." Und was hat das nun wieder zu bedeuten?
 

Das finde ich anscheinend niemals heraus.

Fionn, der immer noch blöde grinst, steht auf und klopft sich die Erde von der Hose. "Ich muss leider wieder zurück. Bevor wir heute Abend feiern können, muss ich noch ein paar Sachen erledigen. Du kommst doch?"

"Hmhm", nicke ich.

"Fein." Fionn strahlt mich an. "Aber eins sage ich dir: In Sachen Lippentechnik ist das letzte Wort noch nicht gesprochen." Schluck!
 

***
 

Zusammen sind wir zurück zum Marktgelände gepilgert. Dort habe ich auch wieder meine beiden Freunde getroffen. Mat war überaus angetan davon, als er mich mit Fionn zusammen erblickt hat. Ich schenkte ihm nur einen mürrischen Blick, ehe Fionn sich mit den Worten "Bis nachher", von uns verabschiedete. Was er noch zu erledigen hatte, blieb sein Geheimnis.

"Na da schau einer an", säuselt Mat. "Wer macht sich hier denn an den netten Fionn ran?"

"Klappe!"

"Was habt ihr denn getrieben?"

"Geht dich nichts an."

"Oho!" Mat stupst Peer in die Rippen. "Es geht mich nichts an. Hast du gehört?"

Peer nickt eifrig. "Muss ja was ganz schön Versautes gewesen sein."

"Ihr seid Arschlöcher, wisst ihr das?"

"Ja." Wieder nickt Peer. "Und wir stehen drauf." Einstimmiges Grinsen beiderseits. Ich verdrehe die Augen und flüchte abermals vor den beiden.

Leider bringt das nichts. Sie tigern mir hinterher. Zum Glück ohne weitere Kommentare.
 

Keine Viertelstunde später hocken wir auf einer klapprigen Bank vor einem noch klapperigen Holztisch. Peer hat mal wieder Kohldampf und schiebt sich ein Steak in die Futterluke. Mat begnügt sich mit einem Bier und ich schaue gelangweilt in der Gegend herum.

Immer wieder kommen mir Fionns Worte in den Sinn. Er will sich also weiter über meine Lippentechnik unterhalten. War das ernst gemeint? Eine waschechte Anmache? Oder nur Herumgealbere unter zwei flüchtigen Bekannten?

Ich könnte ja Mat fragen, aber der ist momentan nicht der geeignetste Ansprechpartner bei diesem Thema. Außerdem kenne ich seine Antwort darauf schon. 'Natürlich war das eine Anmache! Wie blind bist du eigentlich?'

Mat zu fragen kann ich mir demnach schenken, was bedeutet, ich muss allein herausfinden, wie Fionn das gemeint hat. Und das werde ich sicher nachher auf der Party.

Mir geht der Arsch schon auf Grundeis, sage ich euch.
 

***
 

"Aufgeregt?", fragt mich Mat und grinst schelmisch.

"Nein", antworte ich kurz angebunden und starre geradeaus. Wir sind auf dem Weg zum Zeltplatz, wo schon sicher die kleine Party der Band angefangen hat.

"Ihr wollt wirklich noch mit diesen Musikern abhängen?" Peer ist schon wieder am futtern. Süßkram. Natürlich nur als 'kleiner' Nachtisch.

"Klar. So, wie Adrian mich dazu genötigt hat."

"Mat! Red nicht so ein Stuss! Wer hat den das alles eingefädelt?" Es fehlt wirklich nicht mehr viel und …

"Nur weil du so geil auf den netten Fionn bist. Sogar wandern warst du mit ihm, du alte Couch-Potato."

"Mat! Ich schwöre dir ...!"

"Da seid ihr ja!" Fionn taucht plötzlich vor uns auf. Er hat wirklich ein Talent dafür. "Kommt mit! Die Party ist schon im vollen Gange!"

Fionn begrüßt uns, wieder mit Umarmung, bei der sich meine Knie in schwabbeligen Pudding verwandeln und führt uns zu den Zelten der Band. Ich hoffe nur, dass er Mats Kommentar nicht gehört hat! Der grinst nur dumm und zuckt mit den Schultern. Einen klasse Freund habe ich da!
 

Es ist ganz schön was los hier und nicht nur die Bandmitglieder tummeln sich um das kleine Feuer, auch einige vom Zeltplatz und allem Anschein nach auch Leute von anderen Bands haben sich eingefunden und trinken ausgelassen.

"Greift zu." Fionn zeigt auf eine Menge Flaschen, die neben einem der Zelte stehen. Peer nimmt dieses Angebot nur zu gern an. Ich aber bleibe lieber nüchtern. Wer weiß was ich anstelle, wenn ich betrunken bin.

"Du auch?", fragt mich Mat.

"Höchstens ein Bier." Daran kann ich mich den restlichen Abend festhalten und es kann mich wenigstens niemand nerven, ich solle doch was trinken.

Mat drückt mir eine Flasche in die Hand und stellt sich neben mich. "Du musst ihn anquatschen."

"Keine Lust."

"Feigling!"

Ich atme genervt aus. "Er unterhält sich mit jemanden. Da kann ich nicht einfach dazwischen gehen."

"Natürlich kannst du das. Du musst nur in Erfahrung bringen, über was sie sich unterhalten und dich dann mit ins Gespräch einbringen. Du stellst dich echt an, wie ein verliebter Teenager."

"Vielen Dank. Auf deine Ratschläge kann ich heute verzichten."

"Dann leg dich ins Zelt und geh pennen, du elender Angsthase!" Jetzt ist Mat sauer. Er läuft zu Peer, der wieder mit irgendeiner einer Tussi flirtet.

Toll! Nun stehe ich hier wie der letzte Trottel! Aus Frust trinke ich die halbe Flasche leer und bereue es sofort. Woran soll ich mich festhalten, wenn sie leer ist?
 

"Na? So allein?" Fionns Bandkollegin mit den langen, roten Haaren. Sie lächelt mich süß an und streicht sich durch die langen Haare. Interessant. Wenn sich das mal nicht ausnutzen lässt.

"Nein. Meine Kumpels stehen da drüben." Ich zeige auf sie.

"Ich habe dich bei unseren Auftritten gesehen." Sie lächelt mich noch breiter an, ich lächle zurück.

"Ihr wart echt spitze! Ich bin Adrian."

"Ich bin Rochelle", stellt sie sich mir vor und reicht mir ihre Hand.

Rochelle ist kleiner als ich und hat feine Finger. "Fionn hat mir von dir erzählt."

"Ach, wirklich?" Fängt ja gut an! Damit muss ich das Gespräch nicht in diese Richtung lenken. "Hoffe nur Gutes."

"Ja. Er meinte, er hätte dich fast umgerannt, als er seine Laute vergessen hatte."

"Stimmt. Ich wäre fast an meiner Teigtasche erstickt."

"Lass ihn das hören und du bekommst noch ein Shirt gratis." Sie lacht mich offen an und ich mag sie sofort. "Und du? Machst du auch Musik oder etwas ganz anderes?"

Eigentlich wollte ich noch mehr über Fionn herausbekommen und nicht über mich sprechen. "Ich arbeite bei einer Musikzeitschrift. Also bin ich in gewisser weise auch in der Musikbranche tätig."

"Cool. Und was machst du da genau?"

"Konzertreporte und Interviews hauptsächlich."

"Echt? Willst du ein Interview mit uns führen?"

"Wieso nicht? Allerdings ist eure Musik nicht gerade die Richtung, über die wir sonst in unserem Heft berichten."

"Schade", seufzt sie, grinst aber.

"Und wie lange gibt es euch als Band schon?", frage ich und hoffe so wieder meinem eigentlichen Ziel, Fionn, näher zu kommen.

"Seit zwei Jahren erst. Aber Musik machen wir alle schon seid wir denken können."

Ich nicke. Die Antwort hört man von fast jeder Band. "Und Fionn? Dieses eine Instrument, Mat sagte, es sei eine Drehleier. Das habe ich noch nie gesehen."

Rochelle kichert und funkelt mich an. "Mister Reporter? Machen sie erstmal ihre Hausaufgaben. Du hast echt keine Ahnung von unserer Art Musik, was?"

"Nein", gebe ich zu. "Aber ich bin lernwillig."

"Falls du mehr über Fionns Drehleier erfahren willst, dann frag ihn besser selbst."
 

Und als ob Fionn es gehört hätte, kommt er zu uns gelaufen. "Siehst du? Dem klingeln schon die Ohren", flüstert mir Rochelle zu. "Erkläre ihm mal dein Lieblingsinstrument. Adrian ist ganz wissbegierig." Rochelle lässt uns allein. Ob sie was gemerkt hat? Mein Gott! Was, wenn alle es bemerkt haben? Mein Gesicht wird heiß. Beobachten uns die Anderen?

"Du bist neugierig auf mein Leierchen?", fragt Fionn und studiert mich mit seinen braunen Augen. Flüssiger Sirup …

"Ich hab sowas noch nie gesehen." Ich zucke mit den Schultern.

"Okay. Dann komm mit." Fionn rauscht an mit vorbei in eines der Zelte. Umgehend beschleunigt sich mein Herzschlag.

Ich werfe meinen Freunden einen schnellen Blick zu. Sie beachten mich nicht. Gut. Nicht auszudenken, wenn Mat das mitbekäme.

Eilig laufe ich Fionn nach und krabble durch den Zelteingang.
 

Oben hängt eine Zeltlampe die alles erhellt und in ein gelbliches Licht taucht. Fionn hockt schon auf dem Boden, ein Bein ausgestreckt, und legt den Gurt der Drehleier um. "Im Hocken ist das alles ein bisschen schwierig", klärt er mich auf. "Setz dich besser." Mit einem mulmig-aufgeregten Gefühl asse ich mich neben ihn nieder. Das hier ist was ganz anderes, als vorhin oben an der Burgmauer.

"Und du drehst einfach daran?" Ich zeige auf Kurbel.

"Einfach ist vielleicht das falsche Wort, aber so in der Art funktioniert es." Er dreht an ihr und ein gleichmäßiger Ton erfüllt das Zelt. "Das Rad streicht die Seiten an und bringt sie zum schwingen. Die Seiten hier" Er zeigt auf die Gemeinten "sind die Bordunseiten. Die erzeugen den Grundton. Dann haben wir hier die Melodieseiten die man mit den Tasten verkürzt. Siehst du?" Fionn spielt eine kurze Melodie. "Und hier haben wir die Schnarre. Je nachdem wie man sie einstellt, kann man damit den kleinen Steg hier vorn zum vibrieren bringen und das ergibt diesen schnarrenden Laut." Er führt es mir vor und nicht nur der Steg vibriert. So nah bei ihm zu sitzen, in diesem kleinen Zelt, bringt mein Blut geradezu in Wallung.

"Willst du auch mal?"

"Wer? Ich?"

"Wer denn sonst? Oder siehst du noch jemanden hier?" Fionn lacht und schnallt sich das Instrument wieder ab. "Hier. Sei aber vorsichtig mit dem guten Stück."

Ich nehme ihm das gute Stück ab und lege es auf meine Oberschenkel. "War sie teuer?"

"Oh ja!", sagt er und setzt sich hinter mich. Wie soll ich da noch vorsichtig sein? Besonders da wir ja alle wissen, wie es ausgehen kann, wenn Fionn hinter mir herumlungert. Jedoch weiß das Fionn leider nicht, und rückt komplett an mich heran, sodass ich mit meinem Rücken an seiner Brust lehne.

Das überlebe ich nicht! Ich bin ihm so nah, sicher spürt er wie nervös mich dieser enge Kontakt macht.
 

"Hast du sie fest geschnallt?"

"Ähm ... Nein."

"Haben wir gleich." Seine Hände fummeln an meiner Seite herum und zurren den Gurt fest. Oh Fuck! "Hand her." Meine Rechte wird auf die Kurbel gelegt. "Die Handfläche an den Knauf und halte deine Hand erst einmal so offen."

"Okay."

Er zupft an den Seiten, legt dann seine Handfläche auf meinen Handrücken und beginnt gleichmäßig zusammen mit mir an der Kurbel zu drehen.

"Das geht ja leicht."

"Weil ich die Seiten vom Rad gemacht habe", lacht er. Warm streift sein Atem meinen Nacken. Die Härchen dort stellen sich auf und ich bekomme Herzstolpern. "Du musst zu aller erst ein Gefühl für's Drehen bekommen." Oh wenn der wüsste! Gefühle habe ich gerade ziemlich viele! Und die drehen sich auch wie wild.
 

"Ich glaub, ich hab's kapiert", sage ich nach ein paar Minuten, weil ich es einfach nicht mehr aushalte vor Anspannung.

"Wenn du meinst. Dann mach weiter." Ich drehe allein weiter während Fionn mir dabei über die Schulter hinweg zuschaut.

"Wie lange spielst du schon?", frage ich ihn, versuche mich irgendwie abzulenken.

"Sechs, sieben Jahre ungefähr. Mein Vater brachte mir eine alte Drehleier vom Flohmarkt mit. Ein Dachbodenfund. Sie funktioniere nicht mehr, also suchte ich jemanden der mir helfen konnte. So kam ich zu einem Instrumentenbauer. Er half mir und wir bekamen es irgendwie hin. Sie spielte, zwar nicht gut, aber immerhin. Dann las ich in einer Anzeige von einem Drehleierbauer und so kam ich zu dieser hier. Nach langem sparen."

"Oh. Also muss ich wirklich vorsichtig sein."

"Ich bitte drum. Und nicht ans Rad fassen! Sonst gibt es Tonaussetzer." So viel zu beachten und ich spiele noch gar nicht! Und das Fionn die ganze Zeit mit seinem Oberkörper an meinen Rücken lehnt macht das alles natürlich auch nicht besser.
 

"So. Jetzt mache ich mal eine Seite ans Rad." Die Kurbel geht sofort etwas schwerer zu drehen. "Schön gleichmäßig weiter drehen." Noch eine Seite kommt dazu.

"Kann ich jetzt spielen?", frage ich und streiche vorsichtig über die Tasten.

"Versuchs. Warte. Hier den kleinen Finger drauf. Das ist das C." Er zeigt mit die C-Taste. "Die Hand schließt du jetzt so um die Kurbel. Und dabei das Handgelenk nicht bewegen. Der Knauf muss ganz locker in deiner Handöffnung liegen." Ich bekomme den richtigen 'Griff' gezeigt.
 

Ganz so unmusikalisch bin ich selbstverständlich nicht und kann sogar ein paar Melodien, die ich gleich ausprobiere. Mit mäßigen Erfolg. "Ist schwieriger als gedacht. Ich vergesse die ganze Zeit zu drehen." Mal ganz abgesehen davon, dass ich eigentlich Gitarre spiele.

"War doch schon gut. Aber jetzt weißt du, warum du erst nur die Kurbel drehen solltest."

"Vollkommen! Da hattest du wohl recht", grinse ich und probiere weiter. Langsam macht mir das Drehleierspielen echt Spaß.

Fionn zeigt mir einige leichte Melodien, während er mit mir zusammen kurbelt. Seine Hand ist ganz warm und ich bin so froh, dass mich das Spielen genug ablenkt. Nicht auszudenken, wenn er merken würde, wie es in meinem Inneren gerade aussieht!

"Nein! Das war schief!", lacht Fionn. "Drück nicht so zimperlich. Du musst schon richtig die Seite anschlagen."

"Mach ich doch!" Ich will ja nicht seine Drehleier kaputt machen.
 

Wir 'üben' noch etwas, albern herum und ich bekomme es wirklich langsam hin mit dem Drehen und dabei gleichzeitig eine Melodie zu spielen.

Ich lehne mich näher an ihn und genieße diese Nähe. Sein Kopf ist so nah, dass ich meinen nur etwas drehen bräuchte, um …

Aber was denke ich da wieder? Ein solcher Moment, wie der am Feuer, lässt sich nicht planen. Er passiert einfach.

Obwohl es jetzt schon irgendwie passen würde. Wir beide, ganz allein, in einem spärlich beleuchteten Zelt. Draußen spielt jemand leise Musik …

"Keine Lust mehr?"

"Hm?" Fragend drehe ich den Kopf nach hinten.

"Du hast aufgehört zu spielen. Deshalb frage ich." Hab ich das? Ich weiß nicht so genau, denn plötzlich ist Fionns Mund so verdammt nah …

Ich realisiere kaum, wie sich Fionns Hand auf meine Wange legt. Dafür pocht mein Herz viel zu schnell. Und auch, dass aus seinem sonst immer so frechen Grinsen ein erwartungsvolles Luftanhalten geworden ist, nehme ich nur am Rande wahr.

'Es passiert! Gleich küssen wir uns!'
 

"Fionn?!" Der Zelteingang fliegt auf und wie vom Blitz getroffen schrecken wir auseinander. "Emilia ist da!" Rochelles Kopf schwebt keine fünfzig Zentimeter von uns entfernt im Zelteingang herum. Wie der große, mächtige Zauberer von Oz. Oder sollte ich besser sagen, wie der große, mächtige Zauberer von nicht-schon-wieder-wurden-wir-bei-unserem-fast-Kuss-unterbrochen?

"Sie ist doch noch gekommen?" Fionn sammelt sich schneller als ich. "Bin sofort da!" Er strahlt richtig und steht auf. An meinem Rücken wird es unangenehm kalt. "Sorry. Das wiederholen wir, ja? Leg die Drehleier einfach hin."

"Klar. Kein Problem", sage ich und schon ist er aus dem Zelt.
 

Der eben noch empfundenen Euphorie weicht pure Enttäuschung und Fassungslosigkeit.

Das wiederholen wir? Hat er das eben wirklich gesagt?

Doch nicht nur seine Wortwahl lässt mein Gemüt gen Nullpunkt sinken. Wer ist Emilia und wieso muss er so dringend zu ihr?! Und warum unterbricht er wegen ihr das hier zwischen uns? 'So wichtig kann ich ihm ja nicht sein.' Auf jeden Fall nicht wichtiger als diese dubiose Emilia, über die er sich so freut.
 

Immer noch enttäuscht schnalle die Drehleier ab, lege sie vorsichtig auf die Decke hinter mir und stehe auch auf. Frustriert gehe auf die Suche nach Mat und Peer. Sie stehen am Feuer und schauen in die selbe Richtung.

"Hopla! Das nenne ich aber mal ... schwanger!", sagt Peer, als ich bei den Beiden ankomme.

Ich verstehe erst gar nicht, was er meint. Dann zeigt er drauf. Da steht Fionn. In seinen Armen eine eindeutig hochschwangere Frau. Er tätschelt ihren Bauch und küsst ihre Stirn. Ist das diese Emilia? Weswegen er mich einfach hat sitzen lassen? Kein Wunder ...

"Das muss nichts bedeuten. ... Adrian?! Hey! Wo willst du hin?", ruft mir Mat nach, doch ich habe schon meine Beine in die Hand genommen und laufe in die entgegengesetzte Richtung davon.
 

Niemals hätte ich gedacht, dass mir je etwas so sehr weh tun könnte. Aber dieser Anblick tat es! Er versetzte mir quasi einen so heftigen Schlag in meine Magengrube, dass ich nur noch von hier weg will. So schön es auch eben war, es hatte nichts zu bedeuten. Jedenfalls nicht für ihn.

Von wegen, er steht auf mich! Das sieht doch ein Blinder! Am Arsch! Ich jedenfalls gebe mir das nicht mehr. Ich penn im Auto. Notfalls irgendwo auf der Wiese. Mir egal. Aber zurück zum Zeltplatz gehe ich garantiert nicht mehr!

Wieso nur bin ich mit hier her gekommen? Und wieso habe ich Vollidiot mir auch noch Hoffnungen gemacht? Ich verstehe es einfach nicht. So verletzt wegen eines Typen war ich noch nie! Dabei hatten wir doch noch gar nichts miteinander, bis auf diese beiden Beinahe-Küsse.

Dann ist es also klar: Es wird auch niemals passieren. Was auch immer das gestern und heute zwischen uns war, ich habe es mir nur eingebildet. Reines Wunschdenken! Jetzt heißt es vergessen, ihn und dieses ganze beschissene Wochenende!
 

Wütend über mich und mein immer noch wild schlagendes Herz, reiße ich die Autotür auf. Eine Nacht im Auto. Ganz wie früher. Ich freue mich drauf.

Mit einem lauten Knall schlägt die Autotür wieder zu. Nur ganz leise kann man die Musik vom Zeltplatz hören.

"Ich Trottel!", schimpfe ich mich selbst. "Natürlich hat er eine Freundin!" Eine schwangere obendrein. Wie kann ich da mithalten?
 

***
 

Ein lautes Klopfen weckt mich. Grummelnd ziehe ich mir die Jacke, die mir als Decke dient, über den Kopf.

"Klasse! Überall haben wir nachgesehen, nur im Auto nicht." Mat.

"Schau mich nicht so an! Ich hab gesagt, du sollst ihn in Ruhe lassen und das er noch auftaucht." Peer.

Kalte Luft weht zu mir. "Adrian? Hey! Aufwachen. Es ist Zeit zum Uusammenpacken." Es ist schon morgen?

"Lass mich", zische ich ihn an und rolle mich so gut es geht auf der Rückbank ein. Mir tut alles weh. Ich werde alt!

"Hol schon dein Zeug vom Zeltplatz, du faule Sau! Ich trage dir nicht alles vor'n Arsch." Das Peer immer so nett sein kann. Aber das ist seine Art zu sagen: Mach dir nichts draus. Morgen steht ein anderer Kerl vor deiner Tür. Und jetzt raff dich auf!

"Peer? Hol uns mal einen Kaffee. Bitte!" Peer seufzt theatralisch auf, fügt sich aber Mats Bitte. Ich höre ihn weglaufen.

"Mat, ich will nicht drüber reden", murmle ich gegen den Rücksitz. "Lass mich."

"Du musst auch nicht drüber reden. Aber vielleicht interessiert es dich, dass das nicht Fionns schwangere Freundin war."

"Er ist verheiratet? Klasse. Freut mich für ihn."

"Das war seine Schwester, du vorschneller Vollpfosten. Sie ist mit Hendrik, dem Percussionisten der Band, liiert."

"Und?" Meine Stimme bleibt ruhig, trotz der inneren Aufruhr in mir. "Mat, es ist vorbei. Ich habe ihn abgeschrieben."

"Na, wenn das so ist. Dann schieb deinen Arsch aus dem Auto und hilf uns zusammenpacken."

"Zu müde."

Mat seufzt laut und klatscht mir auf den Hintern. Sowas hat er noch nie gemacht, weswegen ich ihn fragend anschiele. "Du kannst vielleicht dir was vormachen, aber mir nicht. Irgendwann bereust du es, glaub mir."

Ich zucke mit den Schultern und ziehe mir die Jacke wieder über den Kopf. Soll er doch denken was er will! Ich habe keinen Bock auf so ein Drama. Will er mich, oder will er mich nicht? Aber halt! Ich kann ihn ja gar nicht fragen, weil ich ständig Gefahr laufe, in seiner Nähe zu einem stummen Fisch zu mutieren! Jemand, der aus mir ein schwitzendes, stotterndes Etwas macht, kann gar nicht gut für mich sein. Wie soll ich ihm sagen, was in mir vorgeht? Und wie soll ich ihm erklären, warum ich gestern abgehauen bin? Aber vor allem: Ein Kerl, der mir schon nach nur so kurzer Zeit einen solchen Stich im Herzen bereiten kann, bloß weil er eine schwangere Frau auf die Stirn küsst, der kann gar nicht gut für mich sein. Ein eindeutiger Beweis, dass ich die Finger von ihm lassen sollte.

Also adieu Fionn! War nett dich kennen gelernt zu haben.
 

Die Autotür knallt zu und endlich habe ich wieder meine Ruhe. Soll Mat jetzt eben sauer auf mich sein und Peer sich über mich lustig machen. Ich bleibe bei meiner Entscheidung.

'Das war seine Schwester', geistert es durch meinen Kopf. Und wenn schon? Meine Entscheidung steht! Nachher fahren wir hier weg und ich sehe ihn sowieso nie wieder.
 

******
 

Und Ende.

Quatsch! XD

Es geht natürlich weiter. Also bitte nicht ärgern, weil hier das Kapitel mit einem Cliff endet. *gg*

Kapitel 04 - Kopfschmerzen, finnische Bands und überall Dreadlocks

Hey ihr Lieben.

Es tut mir wirklich leid, dass jetzt erst das nächste Kapitel kommt.

Wir sind letzte Woche kurzfristig in den Urlaub gedüst und da habe ich euch vor lauter Stress ganz vergessen. -__-““

Dafür bekommt ihr heute aber als Entschädigung gleich zwei Kapis ;-)
 

Viel Spaß damit und euch eine schöne entspannte Woche ^^

Eure Fara
 


 

Kapitel 04 - Kopfschmerzen, finnische Bands und überall Dreadlocks
 

"Wo ist das Interview von Laurenz? Das muss ich noch absegnen!"

"Hier ist es doch!", keift mich Carsten an und pfeffert mir den Hefter mit dem Interview auf meinen Schreibtisch. "Was ist den los mit dir? Die ganze Woche hast du schon so eine Scheißlaune."

"Weiß nicht was du meist", schnaube ich zurück und blättere im Ordner herum.

"Reg dich mal wieder ab!" Carsten schüttelt den Kopf und verschwindet wieder hinter seinem Bildschirm.

Ist es ein Wunder, dass ich schlechte Laune habe, wenn jeder hier nur Mist baut? Bin ich der Einzige in dem Laden, der gewissenhaft arbeitet?

Mit gerunzelter Stirn überfliege ich das Interview, das Laurenz mit einer noch eher unbekannten Band geführt hat. "Laurenz?! Was soll der Scheiß? Hast du kein Rechtschreibprogramm?"

Völlig zerknittert kommt unser Neuling zu mir geschlichen. "Doch. Was ist den falsch?"

"Überarbeite es nochmal komplett."

"Was? Aber ...?"

"Nichts aber! Mach schon!" Sag ich doch! Nur Leute die Mist bauen!
 

Ich schließe meine Augen und massiere mir die Schläfen. Schon wieder diese verdammten Kopfschmerzen! Seit Montag geht das schon so. Zu viel Stress. Eindeutig. Erst die viel zu kurze und unbequeme Nacht im Auto, dann die lange Fahrt zurück nach Hause und dann das Chaos in der Redaktion. Kein Wunder das mir der Schädel fast platzt.

"Der Boss will dich sprechen." Zoey steht vor mir. "Irgendwas wegen dieser finnischen Band."

"Ich mach mich auf den Weg." Nicht auch das noch! Ich soll mit besagter finnischen Band am Freitag, also schon morgen, ein Interview führen, doch das Management von denen macht uns die Hölle heiß. Über die Hälfte der Fragen, die ich hätte stellen sollen, wurden gestrichen. Immer diese Absprachen! Wo sind die guten alten Zeiten nur hin, in denen man mit Block und Stift bewaffnet sich irgendwelche Fragen aus den Fingern gesogen hat, während die Band schon vor einem saß?
 

Fest klopfe ich an Richards Glastür. Mein Boss winkt mich herein. "Wieder die Finnen?"

"Ja. Hier die neuen Korrekturen." Ich stöhne auf.

Das ist jetzt die vierte Korrektur! "Schaffst du das Interview morgen?" Eindringlich sieht mich mein Boss an.

"Natürlich!"

"Du siehst blass aus und einer deiner Kollegen hat mir gesagt, du seist die ganze Woche schon, entschuldige das Wort, scheiße drauf."

Das war bestimmt Carsten! "Mir geht es gut", beteuere ich.

"Sicher? Du weißt ich mag keine Reibereien unter meinen Mitarbeitern."

"Alles bestens. Es ist was Privates."

"So. Was Privates?"

"Ja. Und das Wochenende war furchtbar." Hoffentlich langt ihm das als Erklärung.

Richard lacht. "Ah! Dieses Mittelalterfest?"

"Richtig."

"Habe ich dir nicht gesagt, dass ist nichts für dich?"

"Hattest du. Und damit lagst du goldrichtig." Es hätte auch anders kommen können …

"Siehst du? Wir sind halt eingefleischte Rocker."

Das bringt mich zum lachen. Ja, Richard ist ein alter, eingefleischter Rocker. Und hätte er keine Glatze aufgrund von Kompletthaarausfall, würde er immer noch mit langen, zotteligen Haaren herum rennen. Aber lassen wir das Thema lange, zottelige Haare ...

"Wie war die Musik? Arg nervig?"

"Es ging. Einige der Bands gehen ganz schön ab. Und ich habe Drehleier gespielt." Autsch! Falsches Thema! Ich wollte das doch vergessen!

Richard lacht noch lauter. "Gut. Lass die gestrichenen Fragen morgen einfach weg. Wir bekommen auch so genug zusammen. Viel Spaß mit dem Finnen."

"Danke." Ich hasse gestrichene Fragen!
 

***
 

Müde stolpere ich in meinen Flur. Das Konzert dieser finnischen Band war furchtbar! Keine Ahnung, welchen Stiel die verfolgen, aber meiner ist das nicht. Egal. Mein Interview habe ich, auch wenn es schleppend verging. Morgen tippe ich es ab und dann ist endlich Ruhe. Bis zur nächsten Horrorband!

"Na meine Hübschen? Hast ihr mich vermisst?" Keine Antwort. Aber was will man auch erwarten von einem Haufen Fische?

Ich hole mir einen Joghurt aus dem Kühlschrank und schlurfe in mein Wohnzimmer. Fröhlich blinkt mir mein Anrufbeantworter entgegen. Neugierig drücke ich auf das rote Knöpfchen.

/Hey Adrian! Ich wollte mal fragen, ob du nächstes Wochenende mit mir und Simone auf den kleinen Mittelaltermarkt in unserer Altstadt willst. Sag einfach Bescheid./ Pieps.

Der will mich wohl verarschen?!
 

Kopfschüttelnd setze ich mich auf die Couch. Keine Ahnung, ob ich mir das antun werde. Was will ich da? Es ist nicht meine Musik und Bock habe ich auch nicht wirklich drauf.

Mittelaltermarkt … Wo ich wieder beim Thema schlechthin bin. Mein Zeigefinger hat nervöse Zuckungen und tickert auf meinem kleinen Wohnzimmertisch herum. Was soll das? Ich weiß doch genau, worauf das hinausläuft. Also erspare ich mir das Theater, greife mir die Fernbedienung der Musikanlage und drücke auf Play. Sargas ertönt. Wie all die Tage zuvor. Natürlich werde ich einen Teufel tun und es vor irgendjemandem zugeben, aber ich habe Sehnsucht nach IHM. Und nur deshalb will ich nicht mit auf diesen bescheuerten Mittelaltermarkt. Zu viele Erinnerungen an das letzte Wochenende. Ich habe auch schon so genug davon.
 

Die Nacht von Montag auf Dienstag war die Schlimmste. Ich konnte einfach nicht schlafen. Kaum schloss ich meine Augen, war er da. Fionn lächelte mich an, wir küssten uns, lagen in seinem Zelt und umarmten uns. Ich konnte sogar den Duft nach Kräutern und Leder riechen, der stets um ihn herum in der Luft liegt.

Ich schreckte auf und machte Licht. Als wolle ich mir beweisen, dass es mir nichts ausmacht, griff ich nach der CD und legte sie ein. Ich hörte sie, dann nochmal und beim dritten Mal lag ich im Bett und machte mir Vorwürfe.

Ich hätte nochmal zurück gehen können. Ich hätte mich selbst davon überzeugen können, dass das nur seine Schwester war, die er auf die Stirn geküsst hatte. Hätte nichts auf das starke Verlustgefühl beim Anblick der Beiden geben sollen, dessen Erinnerung immer noch so stark in mir wütete.

Darüber grübelte ich solange nach, bis ich eingeschlafen war. Seitdem läuft die CD bei mir rauf und runter.
 

Ohne großen Appetit landet der Joghurtbecherinhalt in meinem Magen. Und jetzt? Zwei freie Tage und ich habe nichts zu tun. Wie soll ich das überstehen? Kaum habe ich eine freie Minute, schleicht sich Fionn in meinen Kopf und lächelt mich unverschämt an. Ich muss mir was überlegen! Dringend!

Nur fällt mir leider nichts ein. Vor lauter Frust setzte ich mich an meinen Laptop und fange an, das Interview abzutippen. Was ich dann morgen den ganzen Tag über machen soll, weiß ich nicht. Doch im Moment ist mir das egal.

Da das Interview schnell abgetippt ist, habe ich nach einer halben Stunde das gleiche Problem wie vorher.

Eigentlich will ich das nicht, aber mein kleiner Pfeil klickt schon auf den Internetexplorer und ehe ich mich versehe, habe ich Sargas in die Suchmaschine eingegeben.

Die ganze Woche konnte ich mich darum drücken. Alles hat wohl mal ein Ende.
 

An Nummer eins ein Wallstreet Magazin. Na, dass sind sie sicher nicht. Wikipedia klärt mich auf, dass das ein Stern im Sternbild Skorpion ist. Okay. Das ist doch mal wenigstens eine hilfreiche Information. Wieso sie sich danach benannt haben, bleibt mir erstmal verborgen.

Ich scrolle weiter. Wieder Aktien, noch mehr Skorpione und oh! Die Milchstraße. Wunderhübsch!

Und dann, ganz unten auf der Seite, endlich ihre Website. Aufgeregt klicke ich sie an. Kaum ist sie aufgebaut, klappe ich meinen Laptop wieder zu. "Ist doch sowieso egal", murmle ich, schalte die Musik ab und gehe ins Bad.

Ich will nur noch duschen und dann ins Bett und schlafen. Irgendwann geht jeder Liebeskummer vorbei. Man muss nur lange genug durchhalten!
 

***
 

"Du kannst rein." Natürlich kann ich rein!

Eilig husche ich an den massigen Securitymännern vorbei. Der Verkehr war mörderisch und ich habe eine halbe Stunde Verspätung. Die Pressekonferenz beginnt gleich.

Ich renne den Gang entlang und rufe dem Nächstbesten zu, wo die Pressekonferenz der Band Chasing My Soul stattfindet.

"Raum 209. Die sind aber schon mitten drin." Shit!

"Danke!" Mein Boss köpft mich!

Leise schleiche ich mich in Raum 209 und husche auf einen freien Sitzplatz. Zettel und Block müssen es jetzt auch tun. Bis mein Laptop oben ist, ist die Konferenz vorbei.

Ich notiere mir alles, so gut es eben geht und schiele immer mal wieder zu meinem Nachbarn herüber. Vielleicht lese ich da was, was ich verpasst habe. Leider hat der Mistsack eine so kleine Schrift eingestellt, dass ich nichts erkennen kann.

Gut, dann muss es eben so gehen. Trotz allem füllt sich mein Block langsam und zur Not greife ich eben auf andere Quellen zurück. Shit Happens!

"Vielen Dank für Ihr zahlreiches erscheinen und auf wiedersehen." Nichts zu Danken. Waren nur knapp zwei Stunden Fahrt. Ohne Stau. Mit waren es dreieinhalb. Und warum sich die Band nun trennt, weiß ich immer noch nicht. Ganz toll gemacht Adrian!
 

"Adrian! Lange nicht gesehen!"

"Boris!" Was macht er den hier? Freudig begrüße ich meinen alten Bekannten mit einer festen Umarmung.

"Mensch! Wie lange ist das jetzt her?", fragt er mich und grinst von einem Ohr zum Anderen.

"Bestimmt zwei Jahre. Was suchst du hier? Bist du wieder in Deutschland?"

"Nicht ganz. Ich arbeite noch für die belgische Zeitschrift aber ich habe viel in Deutschland zu tun."

"Dann sehen wir uns bestimmt öfter", freue ich mich.

"Mit Sicherheit."

Boris war mal bei uns beschäftigt und wir waren fast immer zu zweit unterwegs. Daher kennen wir uns ziemlich gut.

"Ich habe dich reinschleichen sehen."

Ich verdrehe meine Augen. "Ich stand im Stau und habe die Hälfte verpasst deswegen."

"Das lässt sich ändern. Willst du meine Notizen?"

Erstaunt schaue ich ihn an. "Echt?"

"Klar." Wir waren zwar mal wirklich eng miteinander, nicht SO eng, aber wir sind ja jetzt nicht mehr Kollegen. "Wir verlegen nicht in Deutschland. Da dürfte es keine Überschneidungen geben."

"Du rettest mir den Arsch!", seufze ich erleichtert und schreibe schnell alles stichwortartig ab.

"Wie früher", lacht Boris. "Ich hole uns mal einen Kaffee und dann wird geredet. Ich will alles wissen. Was bei dir gerade so läuft." Er steht auf und geht in den Flur zum Kaffeeautomaten.

Was bei mir gerade läuft? Das will er gar nicht wissen!
 

***
 

"Und das hat dir gefallen?"

"War nicht übel. Es gibt sogar Bands, die mit E-Gitarren auf der Bühne stehen."

"Abgefahren", meint Boris und schaut sich die Fotos an, die ich auf dem Spectaculum gemacht habe.

Das mit Fionn habe ich verschwiegen. Soweit geht dann unsere Bekanntschaft nun auch nicht. "Und was läuft bei dir so?"

Boris fängt an zu strahlen und gibt mir meine Kamera zurück. Er zückt sein Handy und zeigt mir jetzt Bilder. "Meine Tochter."

"Du bist Vater geworden?"

"Ja. In Belgien hat's mich total erwischt."

"Freut mich für dich", sage ich und schaue mir die Kleine an. Niedlich. Ein Baby halt.

"Die Schwangerschaft und erst recht die Geburt waren so ein unglaubliches Erlebnis! Das glaubst du gar nicht."

"Kann ich mir denken." Ich kann nicht anders und muss an diese Emilia denken. Wie sie zusammen mit Fionn vor mir steht. Wie deprimiert ich war, weil ich dachte, dass das Fionns Frau ist. Fionns Kind in ihrem Bauch …

"Alles klar bei dir?"

"Was? … Ja! Natürlich. Ich freue mich für dich." Ich lächle ihn an und dann das Baby auf seinem Handy.

"Lüg nicht. Was ist los?"

"Nur ein bisschen Liebeskummer. Geht auch wieder vorbei."

"Hat dich mal jemand sitzen lassen?", kichert Boris, verstummt aber schnell wieder. "Das war was Ernstes?"

"Quatsch! Wir kennen uns ja gar nicht. Ich war nur etwas ins schwärmen geraten und jetzt geht er mir nicht mehr aus dem Kopf."

"Und wie lange geht das jetzt schon?"

"Seit dem Spectaculum. Also fast zwei Wochen."

Boris pfeift. "Dann muss er ja der Hammer im Bett gewesen sein."

"Keine Ahnung."

"Ihr hattet nichts miteinander? Keinen Sex?"

"Nein. Keinen Sex, keinen Kuss und auch kein Gefummel. Nur ein bisschen miteinander geflirtet." Mehr oder weniger.

"Au Backe! Dann muss das bei dir ja echt was Erstes sein."

Ich werfe ihm einen sauren Blick zu. "Wie kommst du denn darauf?"

"Ich kenne dich schon zu lange, um nicht zu wissen, dass du spätestens nach drei Tagen immer einen Neuen hattest, mit dem du ordentlich deinen Alten 'vergessen' konntest."

"Kann sein. Aber es ist sowieso zu spät. Erstens habe ich keine Ahnung wo er gerade ist und zweitens habe ich mich total vor ihm blamiert." Wegzurennen wie ein Kleinkind. Peinlicher konnte ich meinen Abgang gar nicht planen.

"Das wird schon", versucht mich Boris aufzumuntern. "Wollen wir noch einen heben? Auf alte Zeiten sozusagen?"

"Klar. Wenn wir uns schon über den Weg laufen, müssen wir das auch ausnutzen!"

"Das ist mein Adrian!", lacht Boris und zusammen gehen wir nach draußen.
 

***
 

"Weißt du was?"

"Nööö! Sag's mir!"

"Wir sollten so kein Auto mehr fahren." Da gebe ich Boris recht.

Ich kichere dumm und trinke das wieder gefüllte Schnapsglas aus. "Hotel?"

"Unbedingt! Herr Ober??? Zahlemann und Söhne bitte!" Boris fummelt mühsam seinen Geldbeutel heraus und zwinkert. "Hasu noch Geld? Falls nich reicht."

"Jepp", antworte ich und taste nach meinem Geld. Mit meinem Seegang gar nicht so leicht. "Hier. Fürs Hotel hab ich 'ne Cred... Geldkarte."

Boris zahlt und gemeinsam schwanken wir von der Theke weg auf den Ausgang zu.

Ich halte mich an ihm fest. Allerdings nützt das auch nicht viel. Er wankt genau so sehr wie ich.

"Hups! Schuldigung!", kichere ich und schaue, wen ich da angerempelt habe.

Dreadlocks! Ich bleibe stehen, nicht ohne zu wackeln. "Fionn?! Fionn, bisus?"

"Alter lass mich los!"

Ich verenge meine Augen zu Schlitzen und mustere den Typen. "Fionn! Gibs su! Du bis das."

"Mann, du bist hacke dicht. Mach, dass du verschwindest." Der Dreadlock-Typ dreht sich um und geht zu seinen Freunden.

"Boris! Da!"

"Hm?"

"Die haben alle Dreadlocks."

"Die haben was?"

"Na … Diese Locken." Ich drehe meinen Zeigefinger.

"Pffftt …" Boris lacht.

"Wade hier! Ich mss die wad frachen."
 

Irgendwo in meinem Inneren weiß, dass ich gerade im Begriff bin, etwas ganz Dummes zu machen. Aber mein benebelter Verstand reagiert nicht und meine Beine eben sowenig. Mit einigermaßen festen Schritten stapfe ich auf die Kerle zu.

"Hee!", schreie ich sie an. "Wieso mögtd ihr mich nich?"

"Was?" Die Hälfte der Typen lacht. Vielleicht ist es auch nur einer. Keine Ahnung. Ich glaub ich sehe doppelt.

"Fionn! Mag der mich noch? Der dengt doch besimmt, ichs bin besch… be.. bescheuert."

"Mit Sicherheit!", lacht jemand links von mir.

"Er mag mich nich?" Meine Stimme bricht und ich klappe zusammen.

"Scheiße! Der kippt um!" Um mich herum werden Stühle verrückt und ich wundere mich noch, warum die gerade jetzt Stühle rücken müssen, da wird es auch schon dunkel.
 

***
 

"Au …" Ich kneife meine Augen wieder zusammen und halte mir den Kopf. Ich liege auf dem Bauch und habe null Plan, wo ich gerade bin.

Höchst verwirrt versuche ich wenigstens ein Auge zu öffnen. Neben mir liegt jemand. Wer, zum Geier, ist das?

Um mehr zu erkennen, robbe ich näher ran. Boris! Jetzt fällt es mir auch wieder ein. Wir waren einen heben, in so einer Bar. Keine Ahnung wie ich hier her gekommen bin. Kompletter Filmriss.

"Boris?" Ich rüttle an seiner Schulter. "Boris?!"

"Was …?"

"Was war den gestern?"

Endlich flattern seine Augenlider nach oben. Aber nicht für lange. Er hat mindestens so einen schlimmen Kater wie ich. "Du bist besoffen in der Bar umgekippt", krächzt er.

"Was bin ich?"

Boris grunzt. Soll wohl ein Lachen darstellen. "Du hast diese Typen mit diesen Dreadlocks angejammert."

"Ach du scheiße!" Ich vergrabe mein Gesicht im Kissen.

"Dann bist du umgekippt und die haben mir geholfen dich ins Taxi zu tragen."

"Nie wieder Alkohol", heule ich.

"Du? Adrian? Deine Flamme, heißt der zufällig Fionn?"

Nicht das auch noch! "Nur ein Bekannter."

"Das hat sich aber ganz anders angehört", lacht er und pikst mir in die Seite. "Erst hast du mir die Ohren voll geheult, wie sehr du ihn liebst und dann hast du die Typen auch noch angefleht dir zu sagen, wieso dieser Fionn dich nicht mag."

"No Comment!"

"Okay. Von mir aus. Dafür bezahlst du das Hotel. Ach und übrigens. Der Taxifahrer hat sich über sein fürstliches Trinkgeld von dir sehr gefreut."

Typisch Boris! Schön, einen alten Freund wieder zu treffen.
 

******

Kapitel 05 - Total Reingelegt!

Kapitel 05 - Total Reingelegt!
 

Auch wenn ich den nächsten Tag mit einem mehr als nur großen Kater krank zu Hause im Bett lag -ich hatte zum Glück frei- konnte ich den Artikel von der Pressekonferenz rechtzeitig fertig schreiben und heute Abgeben.

"Und? Was am Wochenende vor?", fragt mich Zoey, dir mir einen Kaffee bringt.

"Vielleicht. Weiß noch nicht genau." Ich bin immer noch am hin und her überlegen, ob ich nicht doch mit auf den Mittelaltermarkt soll.

"Wir wollen alle nach der Arbeit rüber insMayers. Möchtest du mit?"

"Oh, nee! Danke. Vom Alkohol lasse ich erstmal die Finger." Mir wird nur schlecht, wenn ich daran denke.

"Schade. Du warst schon lange nicht mehr mit uns unterwegs." Die arme Zoey sieht wirklich gekränkt aus.

"Sorry. Vielleicht nächste Woche. Billard wäre doch mal wieder schön." Früher haben wir das jeden Donnerstag Abend gemacht. Zum Ausspannen, bevor es Freitags wieder hektisch wurde.

"Stimmt. Das haben wir ewig nicht mehr gemacht. Ich frage mal rum."

"Tu das." Falls alle einverstanden sind, kann ich mich diesmal nicht einfach so davor drücken. Aber wieso auch? Habe ja eh nichts vor, und Ablenkung ist im Moment alles was ich brauche.
 

Nach Feierabend räume ich noch schnell meinen Schreibtisch auf und fahre dann nach Hause. Nur noch schlafen! Gestern habe ich davon einfach nicht genug bekommen.

Bevor ich die Treppen zu meiner Wohnung hinauf laufe, leere ich noch schnell meinen Briefkasten. Rechnungen. Was auch sonst?

Oben angekommen klingelt mein Telefon, gerade als ich die Tür hinter mir zuschmeiße. Timing ist alles!

"Ja?"

/Adriiiiaaahaaannn!/

Ich seufze. "Hallo Mat. Was gibt's?" Ich kann es mir eigentlich schon denken.

/Kommst du morgen mit?/

"Weiß ich noch nicht."

/Och bitte!/

"Eigentlich habe ich keine Lust auf Dudelsäcke." 'Und Drehleiern', füge ich in Gedanken hinzu.

/Simone freut sich schon so. Und sie will mir nicht glauben, dass dir unser Wochenende so gut gefallen hat./

"Dann hast du ihr nicht alles erzählt", brumme ich und werfe mich auf mein Bett.

Mat atmet laut in den Hörer, sodass bei mir nur ein grausig rauschendes Geräusch ankommt. /Fang nicht schon wieder damit an!/

"Du hast mit angefangen."

/Soll ich vorbei kommen?/ Was soll das den jetzt?

"Warum?"

/Du hörst dich schlecht an./

Ich fange an zu lachen. "Ich bin müde. Gestern lag ich den ganzen Tag mit einem Kater im Bett."

/Jetzt sag nicht, du betrinkst doch schon vor lauter Liebeskummer!/

Das kann auch nur ihm in den Sinn kommen! "Nein. Ich habe Boris getroffen und wir sind in einer Bar versackt."

/Autsch! Hat er dich wieder unter den Tisch gesoffen?/

"Genau." Ich glaube, noch nicht mal Peer würde da mithalten. Apropos … "Mal was von Peer gehört?"

/Ja. Der ist nur unterwegs. Angeblich ist er in München. Keine Ahnung, was er da wieder macht./

"So ist er eben." Wenn Peer was einfällt, und das passiert ihm ziemlich oft, dann muss er das auch gleich umsetzten. Skifahren im Himalaya? Er bucht sofort einen Flug.

/Überlege es dir doch nochmal wegen morgen./

"Ja. Mach ich. Aber rechne nicht mit mir."

/Wir werden sehen./

"Dann sehe mal", grinse ich und lege auf.

Ich habe das dumme Gefühl, in dieser Sache ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
 

***
 

"Ich glaube es nicht, dass ich doch mitgekommen bin!", motze ich und werde von Mat und seiner Freundin Simone, die stilgerecht in mittelalterlicher Tracht gekleidet sind, durch unsere Altstadt geführt.

"Wer kann einem Ritter schon widerstehen?", grinst mich Mat an.

"Niemand. Aber du siehst eher aus wie ein Rinderhirte."

"Ich tarne mich!"

"Jawohl, schwarzer Ritter!", sage ich und bekomme einen Mittelfinger gezeigt.

"Und ich?", fragt mich Simone, die ein wirklich hübsches Tänzerinnenkostüm trägt, welches bei jedem Schritt klimpert.

"Du bist wie immer eine wahre Augenweide."

"Siehst du Mat! So macht man einer Dame Komplimente", strahlt Simone und hakt ihren Arm bei mir ein.

Das ich nur in der üblichen Jeans und einem Metallica Shirt durch die Gegend laufe, muss ich nicht noch extra erwähnen, oder?
 

Mit meiner Vermutung gestern behielt ich recht. Heute Vormittag standen die Beiden so verkleidet vor meiner Tür und belagerten mich so lange, bis ich einwilligte mitzugehen.

Ich konnte mich kaum wehren, wurde fast aus meiner Wohnung gezerrt, und nun sind wir hier.

"Gehen wir erstmal was essen." Mat schaut auf seine Uhr. Hat er Zeitdruck?

"Von mir aus. Aber du bezahlst. Wer mich zwingt mitzugehen, muss auch zahlen."

"Das hast du dir ja gut zurechtgelegt!", knurrt Mat mich an.

"Klar." Etwas muss ich von diesem unfreiwilligen Ausflug ja auch haben.

Wir setzten uns an einen kleinen Essensstand und Mat wurde auserkoren, uns das Essen zu bestellen und herzutragen. Zusammen mit Simone warte ich darauf.

Neugierig mustert sie mich. Mit erhobenen Augenbrauen schaue ich sie an. "Na los! Frag mich schon." Irgendwann fragt sie ja doch.

"Du hattest was mit Fionn von Sargas laufen?"

"Nein."

"Aber Mat meinte …"

"Mat weiß gar nichts. Da war nichts und ich will nicht drüber reden."

Sie zieht einen Flunsch. "Na gut. Ich meinte ja nur, weil Fionn echt heiß ist und …"

"Simone? Lass es!"

"Ich war ja nur neugierig." Wo bleibt Mat nur? "Und er hat dir wirklich Drehleier spielen beigebracht?"

Ich verdrehe meine Augen. Diese Frau ist schlimmer als jede Klatschzeitschrift. "Ja hat er." Spielen würde ich das zwar nicht nennen, aber darüber kläre ich sie ganz sicher nicht auf.

"Mat hat mir Fotos gezeigt. Kann gar nicht verstehen, warum du dir die Chance mit ihm entgehen lassen hast."

Nun reicht es! Ich atme stoßweise aus und blinzle sie sauer an. "Ich rede nicht drüber, okay?"

"Ist ja gut", murmelt sie und knibbelt an ihren Pailletten herum. "Ich finde es nur schade." Ja, ich auch …
 

"Tatütata! Das Essen ist da!" Mat! Dich schickt der Himmel! Trotz dieses dummen Spruches! "Für meine Liebste einen Gemüseauflauf und für meinen Liebsten die Bratkartoffeln ohne Speck dafür mit viel Zwiebeln und Knoblauchsauce."

"Sehr freundlich!" Seit wann bin ich sein Liebster? Idiot!

"Und? Habe ich was verpasst?", fragt Mat und setzt sich neben Simone.

"Adrian wollte mir nichts von eurem Ausflug erzählen."

"Danach hast du ja auch nicht gefragt."

"Adri! Wir wollen dir doch nur helfen", sagt sie und sieht mich fast schon traurig an.

Bei was bitte wollen die Zwei mir helfen? "Das Adri kannste dir sparen und ich will nicht geholfen bekommen! Es gibt nichts zu helfen." Wütend spieße ich einige Kartoffelscheiben auf.

"Was genau ist dein Problem?"

Fragend schaue ich Mat an. "Was mein Problem ist? Mein Problem ist, dass ihr keine Ruhe gebt."

"Du bist ganz schön stur."

"Danke Simone."

"Darf ich noch was dazu sagen?", fragt mich Mat und trinkt einen Schluck Cola.

"Nein. Aber das hält dich sowieso nicht ab. Habe ich recht?"

"Genau." Er lächelt schief und ich beherrsche mich, ihm nicht meine Gabel ins Auge zu rammen. Spätestens morgen würde ich es wieder bereuen. "Bis Emilia aufgetaucht war, lief es doch ganz gut mit euch beiden, oder? Warum machst du dann noch so einen Aufstand darum, obwohl du weißt, dass es Fionns Schwester war?"
 

In aller Ruhe kaue ich meine Kartoffeln fertig, trinke dann auch einen Schluck und unterdrücke ein ärgerliches Zähneknirschen.

Erst dann antworte ich. Simone springt mich fast an vor Ungeduld. "Auch wenn das nicht passiert wäre, hätten wir eine ganz beschissene Ausgangssituation."

"Die wäre?"

"Er ist das ganze Wochenende unterwegs und ich meistens auch. Er wohnt drei Stunden von mir entfernt. Wie sollten wir das anstellen?"

"AHA!" Mat zeigt mit dem Messer auf mich. Bringt das nicht Unglück? "Du weißt wo er wohnt!"

Oh nein! "Steht im Booklet. Eine Band aus Freiburg." Im Herausreden bin ich ziemlich gut. Manchmal.

"So so …" Ich hasse Mats überlegen wirkenden Gesichtsausdruck!

"Hör auf so zu gucken!"

"Zwing mich."

"Esel!"

"Stinktier!"

"Ach Jungs! Hört damit auf." Simone verdreht ihre Augen. "Ihr seid schlimmer als Kinder!"

"Ihr habt angefangen!", motze ich, muss aber dabei grinsen. Ich kann ihnen nicht lange böse sein. Auch wenn sie heute extrem viel nerven.
 

Nach dem leckeren Essen, schlendern wir weiter über den Markt. Mat schaut dabei die ganze Zeit auf seine Uhr. "Hast du noch was vor heute?", frage ich ihn.

"Gleich tritt noch eine Band auf, die ich sehen will."

"Welche denn?" So langsam kenne ich seine Lieblingsbands.

"Mir fällt der Namen nicht mehr ein", meint er leise und eigentlich ist es mir auch egal.

"Schau mal!", ruft Simone plötzlich. "Da gibt's Seidentücher! Bin gleich wieder da." Sie flitzt zu besagtem Stand und klimpert davon.

Mat sabbert ihr hinterher. "Ist sie noch sauer, weil sie nicht mit konnte vorletzte Woche?", frage ich ihn.

"Nein. Sie hat sich wieder mit ihrer Kollegin vertragen." Simone wollte eigentlich mit auf das Spectaculum, doch sie musste für ihre kranke Kollegin einspringen. "Und du? Bereust du endlich den Ausgang unseres Ausfluges?"

"Keine Ahnung was du meinst", sage ich und will nicht schon wieder mit dem Thema beginnen. Es hängt mir zu den Ohren raus, auch wenn ich selbst an nichts anderes denken kann. Vermutlich gerade deswegen.

"Natürlich hast du die nicht", grinst Mat selbstgefällig. "Aber eins musst du zugeben. Die CD ist echt gut! Oder?" Ich zucke mir den Schultern und schaue mich an einem Schmuckstand um. Ob ich mir was kaufen soll? Den Totenkopfring vielleicht ... "Du hast noch nicht rein gehört? Scheiße! Du hast wirklich Liebeskummer. Also hatte Carsten recht."

"Du hast mit Carsten geredet?" Sauer drehe ich mich wieder zu Mat. Das ich die CD jeden Tag rauf und runter höre, werde ich ums Verrecken nicht zugeben!

"Wir sind uns beim Einkaufen begegnet. Er hat mir erzählt, dass du in letzter Zeit total griesgrämig bist. Das reichte mir schon als Erklärung."

"Hast du ihn was erzählt?"

"Nö. So gemein bin ich auch wieder nicht."

"Mal was Neues von dir. Außerdem: Ich habe keinen Liebeskummer! Merk dir das endlich!"

"Nicht? Was für ein Glück. Das macht das Geständnis gleich etwas leichter für mich."

"Was meist du?", frage ich leise. Ich habe ein ganz mieses Gefühl gerade.

"In ... Warte!" Mat schaut wieder auf seine Armbanduhr. "In fünf Minuten fangen Sargas da drüben an zu spielen."

"Verstehe", sage ich geschockt und lasse Mat einfach stehen. Ich wurde hinterhältig reingelegt!

"Adrian?! Du bist ein feiges Huhn!" Schön! Erst reinlegen und dann beschimpfen! Danke Mat!
 

Im Eilschritt laufe ich den Weg wieder zurück, den wir gekommen sind. Das muss ich mir nicht geben! Ganz sicher nicht! Macht die ganze Zeit auf eitel Sonnenschein und dann sowas! Deswegen war er auch so beharrlich, dass ich auch ja hier her mitkomme!

Mein Handy piepst. Sicher Mat. Einen tollen mittelalterlichen Rinderhirten gibt er ab. Mit Armbanduhr und Smartphone! Mit knirschenden Zähnen schaue ich auf das Display und öffne die SMS.

'Wenn er dir wirklich egal ist, wieso rennst du dann weg? Ein weiteres Mal?'

Ich bleibe stehen und lehne mich an eine Hauswand. Soll ich darauf antworten? Ich beschließe ja. Wenn ich nicht antworte, fühlt er sich mit seiner Vermutung nur bestätigt. Leider hat er mit seiner Vermutung verdammt recht!

'Weil ich keinen Bock auf dieses ganze Drama habe!', schreibe ich ihm schließlich. Es ist die Wahrheit. Ich möchte mir das ganze Drama ersparen.

Kaum abgeschickt, piepst mein Handy wieder. 'Du dämliche Dramaqueen! Das ganze Drama machst nur du! Auch wenn du nicht den Mumm dazu hattest es selbst heraus zu bekommen: Fionn ist Single und war total enttäuscht, als du auf einmal weg warst! Schöne Heimfahrt im stickigen Stadtbus, du feige Socke!' Er war enttäuscht?

Und dann will Mat, dass ich mich nochmal in Fionns Nähe traue? Ich mache mich doch zum Volldeppen!

'Werde ich haben!', schreibe ich Mat noch und wische mir über das Gesicht. Ich stoße mich von der Wand ab und laufe in Richtung Hauptstraße. Immer wieder verwischt meine Sicht. Jetzt fange ich noch an zu heulen?! Verflucht! Nur wegen Mat und seinem hinterhältigen Mittelaltermarktbesuch!

Wieder wische ich über meine Augen und bleibe kurz stehen. "Scheiße …", hauche ich und umklammere mein Handy.

Erschrocken zucke ich zusammen, als plötzlich eine Drehleier neben mir ertönt. 'Fionn!'

Ich schaue auf, aber es ist nicht Fionn, sondern eine drehleierspielende Frau, die gerade an mir vorbei geht. Sie lächelt mich an und geht weiter Richtung Marktplatz. Genau dorthin, wo gleich der Auftritt von Sargas beginnt.
 

******

Kapitel 06 - Drehleierlehrstunde mal anders

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 06 - Drehleierlehrstunde mal anders (Ohne Adult)

Hy Leute.

Ja, ich weiß. Ich bin ne untreue Tomate zur Zeit. Eine sehr vergessliche, untreue Tomate.

Ich bin immer noch nicht dazu gekommen, eure Reviews zu beantworten. Aber gelesen habe ich sie alle. Ein dickes Dankeschön an euch. Ich freue mich über jede einzelne Review ^^ Und besonders freut es mich, dass die beiden bei euch so gut ankommen. :-))
 

Jetzt will ich aber euch aber auch nicht länger aufhalten, nachdem ich euch wieder so lange auf das nächste Kapitel hab warten lassen.

Viel Vergnügen dabei ^^
 

Ach Moment! Da fällt mir gerade was ein.

Da ich gerade an Bennys Story weiterarbeite, habe ich mir vor ein paar Wochen nochmal Augenblicke vorgenommen. Dabei konnte ich noch ein paar Fehlerchen ausmerzen und habe hier und da noch etwas ergänzt.

In Kürze lade ich die überarbeiteten Kapitel hoch. Nur so als Info am Rande ;-)

Jetzt geht es aber los mit Finn und Adri ^^
 


 

Kapitel 06 - Drehleierlehrstunde mal anders (Ohne Adult)
 

Auf einmal ist alles so einfach! Warum auch nicht? Ich meine, was spricht dagegen? Nur ein kleiner Blick auf die Bühne. Mehr nicht! Meine Füße haben sich schon längst entschieden, denn sie laufen hinter den Klängen der Drehleier spielenden Frau her, geleiten mich zurück zum Marktplatz, bis mir nur allzu vertraute Töne ins Ohr dringen. Sargas fangen an zu spielen!

Ich laufe an der Frau vorbei, da sie mir auf einmal viel zu langsam geht und ich viel zu ungeduldig bin, um ihr weiter hinterher zu laufen, und schiebe mich durch die Menge. Schon von weitem ist die Bühne zu sehen und auch Fionn, der dort mit seiner Band steht und das gerade gespielte Lied zum Leben erweckt. Ich werde immer schneller und meine Brust verengt sich. Dort steht er! Keine zwanzig Meter von mir entfernt und spielt auf seiner Drehleier.
 

Hattet ihr das schon mal, dass ihr auf eine Band oder einen Sänger wartet und als er dann plötzlich vor euch steht, könnt ihr es kaum glauben? Ihr habt so lange darauf gewartet und endlich seht ihr die Person, die diese wunderbaren Lieder kreiert und damit diese wunderschönen Gefühle in euch auslösen kann! Genau so fühle ich mich gerade, nur das es diesmal um ein Tausendfaches intensiver ist, als sonst. Endlich! Da steht Fionn. Live und in Farbe!
 

Ich zwänge mich durch die Zuschauer und stelle mich etwas abseits, damit Fionn mich nicht entdeckt. Ich will ihn ungestört zusehen, will nicht, dass er merkt, dass ich auch hier bin.

Ich sauge jede seiner Bewegungen und Gesten auf. Mal albert er mit seinen Bandkollegen herum, mal ist er ganz konzentriert. Wie immer eigentlich. Bis auf eine Kleinigkeit. Er schaut kaum ins Publikum. Jedenfalls nicht richtig.'Hör auf dir Hoffnungen zu machen!', meckere ich mich selbst an. 'Das hat vielleicht gar nichts zu bedeuten.' Und trotzdem schnürt es mir kurz die Kehle zu.

Die Lieder, die sie spielen kenne ich alle. Ich könnte auch mitsingen, wenn ich singen könnte.

Den ganzen Auftritt über bleibe ich wie angewurzelt stehen, schaue Fionn zu, wie er seine Instrumente spielt und überlege, was ich danach tun soll. Vorhin war alles noch so einfach, doch jetzt, wo ich ihn sehe, werde ich wieder viel zu nervös. Ich brauche eine Strategie! Und zwar eine Gute.

Nach einigem überlegen komme ich zu dem Ergebnis, dass ich gar keine Strategie brauche. Ich gehe hin und entschuldige mich für mein plötzliches Verschwinden und alles weitere sehe ich dann. Ich könnte ihn auf ein Glas Met einladen. Ja, vielleicht ist das eine ganz gute Idee. Bei dem Gedanken wird mir noch nicht mal schlecht. Fionn hat die Erinnerung an meinen Kater diese Woche völlig verscheucht.
 

Nach zwei Zugaben ist die Band von der Bühne und emsige Helfer bauen für die Nächste auf. Langsam laufe ich zu den Merch-Stand, der wieder angepriesen wurde. Davor ist es, wie immer, brechend voll.

Ich warte ab, sehe sogar Mat und Simone, die sich angeregt mit Fionn unterhalten. Was die da bloß so lange zu bereden haben? Hoffentlich bleibt er nicht ewig dort, oder wird wieder zu irgendwas eingeladen. So gern ich ihn habe, aber im Moment will ich ihn nicht in der Nähe haben. Er muss nicht gleich alles wissen. Und auf sein 'Ich-habe-es-dir-doch gesagt-Blick' kann ich heute auch verzichten.

Fionn lacht, zuckt dann mit den Schultern und umarmt Mat. Neid!'Schwachsinn Adrian!', schimpfe ich.

Simone wird auch gedrückt und die Beiden treten wirklich den Rückzug an. Beim Stand wird es auch immer ruhiger und ich schlendere langsam darauf zu.

Ein paar Leute wollen noch Autogramme ergattern, weswegen Fionn noch ziemlich beschäftigt ist. Grinsend schaue ich ihm zu, wie er CDs, Shirts und Eintrittskarten signiert. Noch ein paar Fotos und er wird entlassen. Ich werde indess immer Aufgeregter, doch ich versuche mich zusammenzureißen. Rückzug gibt es nicht mehr. Ich möchte es ihm wenigstens erklären. Der Gedanke, dass er enttäuscht von meinem Verschwinden war, lässt mich einfach nicht mehr los.
 

Eigentlich wollte ich ihn überraschen, und zwar möglichst ungesehen. Doch wie es der Zufall so will, entdeckt er mich zuerst.

"Adrian?!" Erst schaut er mich ungläubig an, doch dann strahlt sein Gesicht förmlich als er mich erkennt und zu mir läuft. "Du bist ja doch da!", ruft er und zieht mich fest in die Arme. Ich erwidere seine Umarmung ebenso stürmisch und ignoriere meine weichen Knie. Ich bin das schon fast gewohnt, stelle ich belustigt fest.

"Ich wollte mich für letzte Woche entschuldigen. Ich bin einfach abgehauen." Noch immer hält er mich an sich gedrückt und ich bin froh, dass ich mich nicht wieder zu einem stummen Idioten verwandelt habe.

Er schiebt mich ein Stück von sich, damit er mich ansehen kann. Etwas traurig mustern mich seine braunen Augen. "Das war meine Schuld, oder?", fragt er mich leise.

"Nein!", japse ich hastig. "Ich war ..." Ja was war ich denn? Ein Idiot! Aber was denkt er, wieso ich verschwunden war?

"Ich hätte dich nicht einfach so im Zelt sitzen lassen sollen. Das war total unsensibel von mir." Da hat er recht.

"Du hast total die Stimmung verdorben", trete ich nach, grinse allerdings. Was Fionn aber nicht davon abhält, mich schuldbewusst anzuschauen. "Außerdem hättest du mir ruhig sagen können, wer diese Emilia ist. Ich dachte … Du und sie … ihr wärt …" Meine Birne fängt an zu glühen.

"Ich weiß. Mat hat es mir erzählt." Natürlich hat er das. Doch diesmal kann ich ihm nicht wirklich böse sein. Wie kann ich das auch? Schließlich hält mich Fionn immer noch im Arm. … Mitten auf einem Mittelaltermarkt. "Heute mache ich es wieder gut! Versprochen!" Fionn grinst mich an und ich kann nicht anders und lächle zurück. Das mein Herz dabei fast meine Rippen durchschlägt, registriere ich nur nebenbei. "Ich muss hier noch mithelfen. Aber danach bist du ganz mein! Warte einfach hier!" Fionn lässt mich wieder los, dreht sich um und hilft beim Aufladen der Musikinstrumente.

Mein Lächeln gefriert mir im Gesicht. 'Danach bin ich ganz sein?!'
 

***
 

"Wohin zuerst?"

"Keine Ahnung", murmle ich. "Hast du Hunger? Oder wir könnten was trinken gehen." Da war doch noch was, erinnere ich mich dunkel.

"Hab ich beides nicht. Lass uns doch einfach über den Markt laufen und uns ein bissen hier umschauen."

"Okay." Wir laufen los und Fionn legt wie selbstverständlich seinen Arm um meine Schulter. Ein unglaublich gutes Gefühl! Ich lehne mich im Gehen an ihn und lasse mich mitziehen. Die Blicke einiger Marktbesucher beachte ich einfach nicht. Genau wie Fionn.
 

Die ganze Zeit überlege ich schon, ob und falls ja, wie ich ihm sagen soll, was ich für ihn empfinde. Obwohl ich denke, dass er es schon längst weiß. Oder Mat hat es ihm gesteckt. So wie ich ihn kenne, wäre er dazu fähig.

Ich atme tief ein. Was würde der Adrian von vor drei Wochen jetzt machen? Der Adrian, als es einen gewissen Fionn noch nicht in seinem Leben gab. Klarer Fall! Der würde hemmungslos baggern! Er würde jetzt eindeutige Andeutungen machen. Ihm verstohlen über den Hintern streicheln, ihn anzüglich anlächeln und ihn vielleicht sogar in eine der Gassen ziehen und ihm die Zunge in den Hals stecken.

Nur ist Fionn ganz anders, als all die Typen die ich sonst so abschleppe. Zudem will ich ihn ja nicht nur abschleppen. Ich möchte ihn kennenlernen.
 

"Du wirkst so nachdenklich", holt er mich aus den Gedanken.

"Ich bin nur etwas konfus gerade."

"Ach ... Und wieso?"

"Erst denke ich, ich sehe dich nie wieder und dann schleppt mich Mat mit Engelszungen mit auf diesen Mittelaltermarkt und dann bist du plötzlich hier."

Fionn bleibt stehen und schaut mich nachdenklich an. "Und ich überlege gerade, warum du dann doch geblieben bist. Mat sagte vorhin, du musstest dringend weg."

"Ach ja ... Das war ein Missverständnis." Da ist wohl ein Danke bei Mat nötig demnächst. Er hat mich bei Fionn also nicht auflaufen lassen.

"Du wolltest also wieder die Flucht ergreifen." Brauchte er auch nicht. Fionn hat mich auch so durchschaut.

Unsicher schaue ich ihn an. "Nein! Es war nur, also, ich war so erschrocken und ... Ja. Ich wollte flüchten", gebe ich zu. Rausreden bringt in diesem Fall nichts. Als würde Fionn direkt in meine Seele blicken.

Fionn grinst nur und zieht mich zu sich herum, sodass ich genau vor ihm stehe. "Und warum bist du wieder umgekehrt?"

Beschämt mustere ich die Anhänger, die Fionns Hals und Brust zieren. "Vor mir tauchte eine Frau mit Drehleier auf. Und auf einmal wusste ich, ich muss zu dir. Es war nur so ein Gefühl." Er hebt mein Kinn an, damit ich ihn wieder anschauen kann. Fionns Augen funkeln und sein Grinsen wird breiter. Seine Hand wandert zu meinen Hals und sein Daumen streicht mir leicht über die Wange. "Was für ein Glück. Und ich hatte solche Angst, dass wir uns nie wieder begegnen." Er schlingt erneut seine Arme und mich und zerquetscht mich fast, als er mich fest an seine Brust drückt. "Danke, dass du dich umentschieden hast", flüstert er mir ins Ohr.

Ein heißer Schauer überläuft mich.
 

Langsam gleiten wir auseinander und gehen eine Zeit lang schweigsam nebeneinander her. Hin und wieder bleiben wir stehen und Fionn begutachtet die angebotenen Waren der kleinen Stände neben uns.

Vor einem Stand mit Holzspielzeug wage ich es wieder zu Sprechen. "Hat dir Mat gesagt, dass ich hier war oder hast du ihn gefragt?"

Fionn, der gerade ein kleines Holzpferd in der Hand hält, dreht sich zu mir um. "Mat hat mir eine Email geschrieben. Vor drei Tagen."

"Eine Email?", frage ich verwirrt nach.

"Ja. Die Tourdaten stehen auf unserer Homepage. Er schrieb, dass ihr hier ganz in der Nähe wohnt und er alles dafür tut, um dich hier her zu bringen. Und als du nicht bei ihm warst, da …"

"Okay. Ich hab's wieder verbockt!", unterbreche ich ihn.

Fionn schaut mich schief an und verengt seine Augen. "Ja. Du hast es total verbockt. Aber du hast es ja wieder gutgemacht." Er lacht und kauft dann das Holzpferd.

"Du spielst mit Pferden?" Ich deute auf das kleine Pferdchen.

"Nein. Aber meine Nichte vielleicht irgendwann."

"Also wird es ein Mädchen?" Das Thema ist mir immer noch etwas unangenehm. Wie konnte ich nur so doof sein?

"Nein. Es ist schon eins. Am Mittwoch kam sie zur Welt."

"Wie schön!" Ich freue mich wirklich. "Und da ist euer Drummer noch hier und arbeitet?"

"Der ist schon wieder auf den Heimweg. Den hält seit Tagen nichts mehr." Fionn lacht.

"Und du? Wie lange bleibst du hier?" Ich will nicht, dass wir uns schon wieder trennen müssen.

"Morgen Vormittag." Also bleibt er eine Nacht hier ... "Falls du nichts dagegen hast, holen wir heute Abend die kleine Drehleierlehrstunde nach", schmunzelt Fionn und greift mach meiner Hand. Wie kann ich dazu nein sagen?
 

***
 

Fionn und ich bleiben noch lange auf dem Markt. Es ist schon fast dunkel und zum, keinen Schimmer wievielten Mal, laufen wir an den bunten Ständen vorbei. Viel geredet haben wir nicht. Mussten wir auch nicht. Ich hätte sowas nie für möglich gehalten, aber es scheint uns zu reichen, dass der Andere einfach nur da ist.

Mat und Simone sind wir zum Glück kein einziges Mal über den Weg gelaufen. Entweder, sie sind früh wieder heim gefahren, oder aber wir haben uns schlicht und einfach nicht gesehen. Bei den ganzen Besuchern auch kein Wunder.

"So langsam sollten wir zu den Zelten", überlegt Fionn und schaut auf die große Kirchenuhr.

"Wo habt ihr die denn stehen?" Ich habe gedacht, die Band hätte sich in einem der vielen Hotels hier Zimmer genommen.

"Im Park oberhalb der Altstadt."

"Da gibt's einen Park?"

Fionn lacht. "Du weißt das nicht? Ich dachte, du wohnst hier."

"So oft war ich hier noch nicht", gebe ich kleinlaut zu.

"Dann lernst du jetzt den Park deiner Heimatstadt kennen." Fionn zieht mich mit sich, stoppt aber kurz danach wieder. "Warte mal! Jetzt lauf ich nicht nochmal daran vorbei!" Neugierig beobachte ich, wie Fionn nach Lederarmbändern schaut. Duftet er deshalb immer so gut nach Leder? "Welches findest du besser? Das Schwarze oder das Braune?" Fionn hält mir zwei gleiche Armbänder vor die Nase. Beide mit dem gleichen verschlungenen Muster drauf.

"Braun", antworte ich ihm. Braun passt am besten zu ihm.

"Gut." Fionn nimmt meinen Rat an. "Das hier zwei mal." Er bezahlt und schnappt sich meine linke Hand, macht es an meinem Handgelenk fest, während ich zur Salzsäule erstarre. Was wird das? "Damit du weißt, wo du in Zukunft hingehörst", flüstert er.

Mit großen Augen wandert mein Blick erst über Fionns Gesicht, dann über das Armband, nur um dann wieder bei Fionn zu landen, der sich ebenfalls das Armband umlegt.

Meine Knie spielen wieder Wackelpudding und das Gefühl des Leders auf meine Haut bringt mein Blut zum Kochen.

Damit ich weiß, wo ich hingehöre. Wird das jetzt was Ernstes zwischen uns? Will ich das? So schnell? Alles in mir schreit Ja. Dagegen kann ich dann wohl nicht ankämpfen, oder? Obwohl es schon recht irrwitzig erscheint. Andererseits aber auch wieder nicht.
 

"Wieso links?", frage ich mit rauer Stimme und räuspere mich.

"Was meinst du?" Fionn nimmt wieder meine Hand und läuft mit mir Richtung Hauptstraße.

"Dein Tattoo, das Piercing und jetzt das Armband. Alles links."

"Ich mag links. Auf der linken Seite schlägt das Herz. Außerdem bin ich Linkshänder."

"Aber du hältst mich gerade mit deiner Rechten", merke ich an und halte unsere verschlungenen Hände nach oben.

"Das siehst du falsch. Ich halte deine Linke." Was soll ich dazu noch sagen?
 

Wir laufen an der Hauptstraße entlang und dann einen kleinen Weg rechts herum auf die kleine Parkanlage zu. "Ich glaube, hier war ich wirklich noch nie", überlege ich und bestaune die hohen Bäume. Ich war allerdings auch noch nie oft in der Altstadt.

"Würde ich hier wohnen, wäre ich nur hier", schwärmt Fionn. "Ich halte es nicht lange in Städten aus."

"Also wohnst du in einem Dorf?"

"Nicht ganz. Am Stadtrand von Freiburg. Dort ist es aber sehr ländlich."

"Sowas kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich lebe schon immer in der Stadt." Ich lebe gern hier. Man kann zu jeder Zeit einfach alles haben. Das hat man in einem Dorf nicht. Auf sowas verzichtet man nicht so ohne weiteres.

"Wie hältst du das nur aus? Ist es nicht viel schöner in der Natur zu sein, als eingepfercht in einer versmokten Stadt?" Er breitet seine Arme aus, mitten im Stadtpark. "Merkst du das? Die Luft ist gleich ganz anders. Die Ruhe und der Geruch nach frischem Grün und Erde."

Ich grinse ihn an. Er ist genau so, wie ich ihn mir insgeheim vorgestellt habe. "Dagegen habe ich ja auch nichts. Nur das Dorfgeschwätz und diese Spiesbürgerlichkeit wären nichts für mich."

"Sehe ich so aus als wäre ich spießbürgerlich?"

"Ich weiß ja nicht ... Könnte sein." Ich lege ein nachdenkliches Gesicht auf.

Fionn versucht beleidigt auszusehen, schafft es aber nicht. Sein Grinsen verrät ihn. "Lass uns besser zu den Zelten gehen", sagt er und läuft los. Ich hinterher.
 

"Da bist du ja! Wo warst du so lange?" Der Sänger, ich kenne immer noch nicht seinen Namen, kommt uns entgegen und klopft Fionn auf die Schulter. "Björn hat Eintopf gemacht."

"Klasse! Adrian kennst du schon, oder?" Fionn zeigt auf mich.

"Natürlich. Ich bin Diego. Und jetzt kommt essen." Diego? Er sieht so gar nicht nach einem Diego aus. Trotz allem scheint er, wie alle hier, freundlich zu sein und drückt mir einen Teller in die Hand.

"Eigentlich habe ich gar keinen Hunger", flüstere ich Fionn zu.

"Nicht? Er sieht zwar nicht danach aus, aber Björns Eintopf ist der Beste! Probiere ruhig."

"Ist da Fleisch drinnen?"

"Nein." Jetzt habe ich keine Ausrede mehr, um abzulehnen.

Naja und was soll ich sagen? Er schmeckt wirklich gut.
 

Schließlich sitzen wir mit vollen Bäuchen um das kleine Feuer drumherum und Fionns Freunde erzählen mir allerlei Geschichten, aus ihrem Leben als herumreisende Musiker. "Das Fionn ständig etwas vergisst, ist schon Standard", erzählt mir Björn. Er spielt allerlei Blasinstrumente. Daneben Dudelsack. "Ein paar mal mussten wir sogar improvisieren, weil ihm mitten beim Auftritt aufgefallen ist, dass seine Laute fehlt."

"So schlimm war es auch wieder nicht", winkt Fionn ab.

"Wie man es nimmt. Kennen die Leute die Lieder nicht, ist es nicht so schlimm. Aber wir werden zunehmend bekannter. Da sollte sowas nicht mehr passieren."

"Ich gebe mir Mühe", grinst Fionn.

"Was hat es eigentlich mit eurem Bandnamen auf sich?", möchte ich wissen.

Rochelle beantwortet mir die Frage. "Wir sind alle von Sternzeichen Skorpion. Als wir das festgestellt haben, benannten wir uns nach einem der Sterne die das Sternbild bilden." Wieder ein Geheimnis gelüftet.
 

Ich fühle mich bei Fionns Bandkollegen immer wohler. Wir lachen viel und so gemütlich beisammen zu sitzen ist mal was ganz anderes, als den Abend in irgendeiner Bar oder vor dem Fernseher zu verbringen. Fionn hatte recht. Es ist viel schöner hier zu sein, als umgeben von Autolärm und hellen Straßenlaternen zu sein. Und das Fionn so dicht neben mir sitzt und mir über den Rücken krault, ist sowieso besser als alles Andere.

Nur eine Kleinigkeit stört mich an diesem Bild. Auch wenn alle nett zu mir sind und mich so behandeln, als wäre ich schon ewig zusammen mit ihnen unterwegs, komme ich mir trotzdem wie ein dummer Städter vor. In Jeans und Shirt, mit meinen Sneakers und der Sonnenbrille passe ich hier gar nicht her. Sie haben hier ihre kleine Welt und Fionn stellt die einzige Verbindung zwischen uns allen da. Wenn überhaupt.

Ich fühle mich fehl am Platz und habe Angst, dass es Fionn auch auffällt und mich fallen lässt. Blöder Gedanke. Ich weiß. Dennoch werde ich es nicht los.

"Wollen wir ins Zelt?", fragt mich Fionn und erst jetzt fällt mir auf, dass ich die ganze Zeit vor mir in die Flammen geschaut habe. "Du siehst müde aus."

"Ich bin noch nicht müde", versichere ich ihm. Nicht das er denkt, ich ruiniere ihm den Abend.

"Sicher? Ich bin schon verdammt müde", wispert er mir zu und streift über meine Seite. Braune Augen die mich gierig im Feuerschein aufsaugen.

"Dann sollten wir gehen", erwidere ich heiser.

Fionn grinst und steht auf. "Nacht Leute."

"Ne schöne Nacht euch Beiden", ruft uns Diego anzüglich nach. Die Anderen lachen. Hm … So ein Zelt hat ganz schön dünne Wände, oder?
 

"Wenn dir kalt wird, sag Bescheid. Ich habe noch Decken im Van."

"Geht schon. Ich habe ja dich zum aufwärmen."

"Ah. So machst du das also immer?" Er kichert und räumt sein Zeug im Zelt zur Seite.

"Klar. Besser als jede Heizung." Ich krabble auf die Liegefläche und merke sofort: Das wird eine 'harte' Nacht. Keine Luftmatratze. Doch ich sage nichts, möchte nicht als verwöhnter Städter rüber kommen.

Ich beobachte Fionn noch bei einigen Handgriffen und bleibe auf der einen Seite des Zeltes sitzen. "Jetzt ist genug Platz", verkündet er und zieht sich sein Shirt aus.

In dem wenigen Licht, dass wir hier haben, erkenne ich ihn nicht genau. Doch die Erinnerung an seinen mehr als perfekten Oberkörper reichen aus, um mein Blut in untere Regionen zu pumpen. Am liebsten würde ich ihn einfach anspringen. Leider schlüpft Fionn schon unter die Decke. "Willst du da sitzen bleiben?"

"Nein!" Etwas verwundert ziehe auch ich mich bis auf die Unterhose aus und lege mich unter die gemeinsame Decke. Fionn dicht neben mir zupft unter seiner Decke herum, bis er seine Hose hervorzaubert und sie einfach hinter sich wirft. Jetzt werde ich nervös!

"Adrian?"

"Anwesend."

"Ich weiß", lacht er dunkel. "Willst du nicht herkommen?"

Es hilft alles nichts. Ich muss es ihm sagen. "Können uns deine Kollegen nicht hören?"

"Wenn du laut bist: Ja." Na toll! Ich bin zwar nicht sehr verklemmt, aber bei gewissen Dingen möchte ich doch lieber ungehört bleiben. "Nur keine Panik. Im Zelt ist es eh viel zu unbequem um sich richtig gehen zu lassen. Aber ich weiß da was, was uns beiden gefallen könnte und was die da draußen nicht mitbekommen werden."
 

Fionn rutscht näher an mich ran und ich komme ihm nur zu gern entgegen. Keine Ahnung, was da gleich auf mich zukommt, aber mir wird richtig heiß und ich kann es kaum noch erwarten. Mein Herz schlägt verdammt schnell und dann ist da plötzlich Fionns Mund, der sich auf meinen Hals legt. Mir entkommt ein Seufzen und ich schließe meine Augen.

Feucht saugen seine Lippen an meiner Haut und wandern weiter, lassen keinen Flecken unberührt, verbrennen meine Haut, bis er an meinem Schlüsselbein Halt macht. Warme Hände legen sich auf meine Wangen. "Adrian? Mach die Augen auf." Ich tue im den Gefallen.

Dunkel mustern mich seine braunen Augen, was ich gerade so erkennen kann. Ein Lächeln fliegt über seine Lippen, eher er sich zu mir beugt und sich unsere Lippen endlich treffen. Wie oft habe ich davon geträumt?

Wir schauen uns immer noch an, bis sich seine Augenlider flatternd schließen und ich ihn leise seufzen höre. Mein Hirn schaltet ab und ich schlinge meine Arme um seinen Nacken, schlüpfe mit meinen Händen unter seine Dreadlocks und kraule ihn dort. Um Einlass bittend, fahre ich mit meiner Zunge zwischen seine Lippen. Er teilt sie sofort und seine Zunge tastet vorsichtig nach meiner, bis sie sich mal wild, mal genießend miteinander duellieren.

Inzwischen haben sich seine Hände von meinen Wangen gelöst und kreisen auf meinem Oberkörper umher. Ich zittere innerlich, bekomme eine feine Gänsehaut und kratze zart über seinen Rücken.
 

Zögernd lösen wir uns wieder voneinander. "Der beste Kuss meines Lebens", wispere ich und ernte ein freches Grinsen.

"Mindestens." Erneut überfällt er mich, legt eine Hand auf meinen Hintern und zieht mich dicht an sich ran.
 

*
 

Träge küsst Fionn mich, nachdem auch er sich beruhigt hat und tastet dann nach etwas. Es wird unangenehm kühl, denn Fionn schlägt die Decke auf und beginnt uns von den Spuren der vergangenen Minuten zu säubern.

Danach deckt er uns wieder zu, zieht mich in seine Arme und haucht mir einen Kuss auf die Stirn. Ziemlich erschöpft und müde kuschle ich mich an ihn und trotz allem ärgere ich mich leicht. Das hätte ich schon viel eher haben können. Aber umso schöner ist es, dass ich jetzt endlich hier bei ihm liege und meine anfängliche Unsicherheit endlich hinter mir gelassen habe. Der Drehleier sei Dank.
 

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Kapitel 07 - So komplett anders

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 07 - So komplett anders (Ohne Adult)

Dieses Mal war ich nicht alleine Schuld am späten Hochladen des Kapitels. Mein Internetanbieter trägt dazu eine riesige Mitschuld.

Nachdem wir höflich gebeten wurden, unseren ollen versifften DSL Anschluss doch endlich mal auf IP umzustellen, da uns sonst der Vertrag gekündigt wird, haben wir das auch notgedrungen brav getan. Scheiße nur, wenns nach der Umstellung einfach nicht klappen will, obwohl man mir tausendfach versichert hat, dass alles noch genau so funktioniert wie vorher.

Nach zwei Wochen ständigem Herumtelefonieren, anschließendem Router austauschen und sonstigen nervenden Technikkram, war ich schon kurz davor alles aus dem Fenster zu werfen, sage ich euch. Aber nun läuft die Mühle wieder und wir sind nicht weiter von der Außenwelt abgeschnitten *lach*

Viel Spaß also mit dem nächsten Kapitel.
 

Eure Fara
 


 

Kapitel 07 - So komplett anders (Ohne Adult)
 

Ich erwache, weil die Natur dringend ihr Recht fordert. Ich muss mal und es ärgert mich. Unglaublich entspannt, und das, obwohl ich mal dringend muss und die ganze Nacht auf dem harten Boden gelegen habe, öffne ich meine Augen. Das Erste, was ich sehe, sind Fionns Dreadlocks, die wirr auf seinem Oberkörper liegen. Vorsichtig, um ihn ja nicht zu wecken, schiebe ich sie bei Seite und lass meine Hand auf seiner warmen Haut liegen. Neugierig schaue ich in sein Gesicht. Er schläft tief und fest, und atmet ruhig. So kann ich ihn perfekt mustern, was ich auch tue.

Mit dem Gesicht zu mir, liegt er auf dem Rücken. Sein Dreitagebart ist etwas länger als noch vor zwei Wochen was mich aber nicht stört. Einen schönen Mann kann kaum etwas entstellen. Ansonsten sieht er gerade verdammt friedlich aus. Kunststück. Er schläft ja auch. Ich widerstehe dem Drang, unter die Decke zu schauen und ihn dort weiter zu mustern. Stattdessen suche ich meine Jeans und keltere so leise es geht hinein. Noch ein kurzer Blick zu Fionn. Er schläft noch immer friedlich vor sich hin.

Mit einem Lächeln im Gesicht steige ich durch den Zeltausgang und schaue mich um. Noch ist alles ruhig und verschlafen. Ich habe keine Ahnung wie spät oder früh es ist. Man kann von hier auch die Kirchturmuhr nicht sehen, da die Bäume einfach zu hoch sind. Eigentlich will ich es auch gar nicht wissen. Die Zeit rennt uns jetzt schon weg, und ein Blick darauf würde mit Sicherheit meine gute Laune zerstören.
 

Ich laufe ein Stück vom Zelt weg und suche mir ein uneinsehbares Plätzchen in einem Gebüsch, wo ich mich schnell erleichtere. Ob hier Toiletten sind, weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich keine gesehen.

Zurück im Zelt bleibt mir fast die Luft weg. Eilig schließe ich den Eingang hinter mir und schaue zu Fionn. Dieser liegt, noch immer schlafend auf dem Rücken. Ein Bein angewinkelt, sodass die Decke gerade so das Notwendigste bedeckt. Jetzt kann ich auch sein Tattoo näher betrachten. Eine Blumenranke in schwarz-weiß. Nur die drei Blüten, ich habe keine Ahnung was das für welche sind, leuchten in einem intensiven Lila.

Ich schlucke schwer, schlüpfe schnell wieder aus meiner Jeans und rutsche unter die Decke. Zeit ihn zu wecken!
 

Mit einer Hand streichle ich über seine Brust, zupfe leicht an seinem Piercing. Er grummelt, wacht aber nicht auf. Dann muss ich mir eben was Besseres einfallen lassen. Ich blase ihm ins rechte Ohr. Fionn kräuselt seine Nase und dreht seinen Kopf von mir weg. Grinsend beuge ich mich über ihn. Sieht sein Ohr nicht unglaublich lecker aus?

Mit meiner Zungenspitze tauche ich hinter sein Ohr und arbeite mich weiter nach oben vor, dann wieder nach unten, wo ich sein Ohrläppchen zwischen meine Lippen nehme und daran sauge. Endlich kommt Leben in meinen Drehleierspieler!

Er dreht seinen Kopf ruckartig zu mir und blinzelt mich verschlafen an. Mein Grinsen wird breiter. "Guten Morgen. Du bist aber früh wach."

"Hmmm", brummt er nur und schließt seine Augen wieder. Der will doch wohl nicht weiter pennen?!

Unmissverständlich reibe ich mein Becken an ihm. Seine Augen öffnen sich wieder und mustern mich eingehend. "So früh schon eine Latte?", fragt er rau.

"Wenn du dich mir so aufreizend präsentierst ist das auch kein Wunder!" Nun grinst auch er.

"Ich muss pinkeln", meint er plötzlich trocken und wirft sich die Decke vom Leib. Sehr romantisch! Mir bleibt nur ein erstaunter Blick auf sein knackiges Hinterteil, als er nach draußen geht.

Der hat Nerven! Rennt er immer nackt in der Gegend herum?

Der Gedanke daran macht mich nur noch schärfer. Irgendwas stimmt doch wirklich nicht mit mir! Laut seufzend lasse ich mich zurückfallen und ziehe zischend die Luft ein. Verdammter, harter Boden!
 

Nach wenigen Minuten geht das Zelt auf und Fionn legt sich wieder zu mir. Auch wenn ich neugierig bin, halte ich meine Lider geschlossen und warte ab.

"Immer noch scharf?", fragt er und wischt mit seinen Fingern über meine Stirn.

"Und du? Marschierst du immer nackt über Zeltplätze?"

Fionn lacht rau. Sofort zuckt mein Schwanz. "Nur wenn es warm ist, oder ich schlicht keine Lust habe, meine Hose erst an und dann wieder auszuziehen. Oder soll ich sie etwa anziehen?"

"Wehe!" Ich schaue ihn an. Er liegt neben mir, stützt mit einer Hand seinen Kopf ab und beobachtet mich lüstern. Ich traue mich gar nicht, mich zu bewegen. Hart schlägt mein Herz gegen meine Rippen.
 

*
 

Erschöpft und immer noch nach Atem ringend bleiben wir eine Zeit lang so liegen, während ich völlig groggy mit einer von Fionns Strähnen spiele. Ächzend rollt er sich schließlich von mir runter und hat noch immer seine Augen geschlossen. Er lächelt leicht.

"Wie spät ist es eigentlich?", fragt er leise.

Ich setze mich auf, greife nach meiner Jeans und ziehe mein Handy heraus. "Halb sieben erst."

"Eindeutig zu früh um schon aufzustehen", murmelt mein Süßer und wirft die Decke über uns. "Adrian? Komm endlich her", sagt er noch leise, eher er immer ruhiger zu atmen beginnt und ich mir sicher bin, dass er schon wieder eingeschlafen ist.

Unheimlich glücklich und zufrieden lege ich mich zu ihm, meinen Kopf auf seine Brust gebettet und schlinge meinen Arm um ihn.

Trotz meiner Erschöpfung schlafe ich nicht sofort ein. Ich richte mich nochmal auf, schaue in Fionns schlafendes Gesicht. Er ist so komplett anders, als all meine vorigen Dates oder Partner. Er ist so ... "Du bist wirklich was Besonderes", flüstere ich, hauche einen kleinen Kuss auf seine leicht geschwollenen Lippen und lege mich wieder hin. Es dauert nicht lange, und dann bin auch ich eingeschlafen.
 

***
 

"Ich glaub's nicht!", zische ich und laufe rot an. Am liebsten würde ich gegen den nächsten Baum rennen. Das ist mir so peinlich!

"Lass sie doch. Die sind nur neidisch", schmunzelt Fionn und legt seinen Arm um mich. Der hat gut reden! Ich finde es überhaupt nicht lustig!

Nachdem wir wieder aufgewacht sind, gleichzeitig sogar, und uns noch etwas die Zeit mit ausgiebigen Knutschen und Fummeln vertrieben haben, haben wir uns angezogen und auf den Weg zu den Anderen gemacht.

Diese haben uns, nachdem sie uns entdeckten, lachend entgegen gepfiffen. Sie haben also alles mitbekommen!
 

Fionn drückt mich leicht. Anscheinend soll es beruhigend wirken. Klappt nur nicht.

"Morgen", sagt er zu seinen Freunden und dirigiert mich auf einen der kleinen Hocker.

"Morgen", murmle auch ich und versuche mich unsichtbar zu machen.

"Na ihr? Gut geschlafen?" Björn grinst uns schief an.

"Ja. Sehr gut", antwortet Fionn. "Kaffee?" Ich nicke und nehme die Kaffeetasse entgegen.

"Wollt ihr mitkommen? Einer der Standbesitzer hat für alle seinen Stand geöffnet und macht Frühstück", fragt Diego, der gerade um die Ecke kommt.

"Oh ja!" Fionn ist ganz begeistert. "Ich habe einen Bärenhunger!"

"Kein Wunder!", lacht Björn, dessen Blick immer noch zwischen Fionn und mir wechselt.

"Neidisch?", grinst ihn Fionn an und gibt ihm einen Klaps auf die Schulter.

"Pfff", macht dieser und trollt sich. Hatte Fionn recht damit? Sieht jedenfalls so aus.

"Er hat Liebeskummer", erklärt mir Fionn leise.

"Kann ich ihm nachempfinden." Der Satz ist raus und ich würde mich am liebsten auf der Stelle in den Arsch treten!

"Wirklich?" Mein Drehleierspieler kann ja richtig selbstgefällig aussehen! Das gefällt mir gar nicht.

Sei's drum. Ich zucke nur mit den Schultern und stehe auf. "Ich habe auch Hunger", verkünde ich und laufe Diego nach, der sich schon auf den Weg gemacht hat.

"Hey! Warte Adrian! Ich muss noch mein Geld holen!"

Ich drehe mich im Laufen zu Fionn um. Und diesmal lächle ich selbstgefällig. "Dann beeil dich!", rufe ich ihm zu und drehe mich wieder um.
 

Mit großer Mühe verkneife ich mir ein Lachen. Fionn hetzt mir entgegen. Er hat ja auf einmal ganz rote Bäckchen!

"Das war ... fies!"

"Warum?" Er legt seinen Kopf schief und schaut grimmig. "Das Frühstück geht auf mich. Dein Geld hättest du auch da lasen können, wo es war." Sein Blick wird grimmiger, sagt aber nichts mehr dazu.
 

Beladen mit unserem Frühstück setzen wir uns etwas abseits auf eine Steinmauer. Die Sonne scheint schon ziemlich stark und somit hat sich die Mauer etwas eingeheizt.

"Ich hab deine Handynummer noch nicht", sage ich. Fionn, der den Mund voll hat, macht mit seiner Hand eine gebende Geste. Ich drücke ihm mein Handy in die Hand und er tippt mir seine Nummer ein. "Thanks."

"Klingel mich an", schmatzt er mir entgegen.

Nach dem dies nun auch erledigt ist, schaue ich mich etwas um. Wie ruhig es hier noch ist. Aber nicht mehr lange und die Besucher stürmen wieder den Marktplatz. Heute geht es nochmal ab zehn Uhr los. Einige Neugierige sind jetzt schon hier, gehen aber schnell wieder, da noch nichts geöffnet hat.

"Wann fahrt ihr?"

"Meist so kurz vorm Mittagsgedränge."

Ich seufze. Ich will nicht, dass er geht. Gerade wo wir uns kennenlernen, müssen wir uns wieder trennen.

"Musst du morgen wieder arbeiten?", fragt mich Fionn.

"Ja."

"Hm."

"Was hm?"

Fionn kaut seinen Bissen erst noch fertig und schaut mich nachdenklich dabei an. "Du arbeitest unter der Woche und ich am Wochenende. Scheiß Ausgangssituation."

"Ja. Das kam mir auch schon in den Sinn", sage ich leise. Wobei ich auch viel am Wochenende unterwegs bin.

Fionn wirft einer Taube ein Stück Brötchen hin. Sofort kommen noch mehr angegurrt. "Das regeln wir schon." Da ist er aber zuversichtlich.

"Könntest du nicht hier bleiben?" Hat sich das gerade so flehend angehört, wie ich vermute?

"Geht nicht. Ich habe zu Hause auch noch Verpflichtungen. Außerdem proben wir und arbeiten an neuen Songs. Aber vielleicht klappt es Ende der Woche. Wir haben einen Auftritt in Hessen. Ich könnte Donnerstags schon los und übernachte bei dir."

"Ja! Also, natürlich kannst du bei mir übernachten." Hat sich das gerade so überschwänglich glücklich angehört, wie ich vermute?

Ich werde angelacht und fühle mich bestätigt. "Ich sage dir Bescheid, ob es klappt."

"Schön." Ich kann es jetzt schon kaum erwar ... "Oh Shit!"

"Was denn?"

"Wir wollten am Donnerstag Billard spielen gehen. Ich und ein paar Kollegen. Schwänzen kann ich nicht. Es war ausgerechnet meine Idee."

"Dann komme ich eben mit. Kein Ding."

"Okay. Klasse." Ja. Klasse. Eigentlich hatte ich was ganz anderes im Sinn, bei dem Wort 'übernachten'. Zeit allein mit Fionn verbringen. Vielleicht zusammen was kochen, oder bestellen. Je nachdem. Miteinander quatschen, auf der Couch kuscheln, später dann im Bett … Und nicht mit ihm zusammen mit meinen Kollegen vor einem Billardtisch herumhängen. Vielleicht wollen die anderen ja nicht und es fällt aus. Daumen drücken.

"Fionn?! Wir fangen schon mal an mit packen!" Diego.

"Ist gut! Ich komme gleich nach!" Dann heißt es wohl Abschied nehmen. Ich hasse Abschiede!
 

***
 

"Fahr vorsichtig", wispere ich ihm zu und schlinge meine Arme noch fester um ihn.

"Immer", antwortet er. "In vier Tagen sehen wir uns wieder. Versprochen."

"Ich freue mich drauf."

"Ich mich auch ..." Heiß treffen sich unsere Lippen.

Am liebsten würde ich ihn gar nicht mehr loslassen und ... "Hey! Auseinander ihr zwei! Wir wollen los", stört uns Rochelle und klettert in den Van.

"Ruf mich an, wenn ihr angekommen seid."

"Mach ich." Noch ein letzter Kuss und dann marschiert Fionn lässig zum Van.

Jetzt ist es mir auch egal, was die Anderen denken. Zu sehr fehlt er mir jetzt schon. Dabei ist er noch nicht mal aus meinem Blickfeld verschwunden.

Ich winke ihnen kurz nach und drehe mich dann um. Wie soll ich das die nächsten Tage aushalten? Und wie halte ich es aus, wenn wir länger voneinander getrennt sind?

Fuck! Wir werden viel zu wenig Zeit für uns haben, geschweige denn haben wir genug Zeit, um uns besser kennen zu lernen. Ich weiß doch gar nichts über Fionn. Und er nichts über mich. Scheiße, ich weiß noch nicht mal sein Alter oder seinen Geburtstag. Na gut, er ist Skorpion. Das war's dann aber auch schon.
 

Mich selbst bemitleidend laufe ich zu der Bushaltestelle. Nach Hause will ich nicht. Außerdem muss ich noch dringend etwas erledigen, das keineswegs bis nächste Woche warten kann.

Der Bus hält vor mir und ich steige ein, zahle und setze mich auf einen der vielen freien Plätze. Auf zu Mat!
 

***
 

"Das du dich jetzt schon wieder hier her traust." Mat steht mit verschränkten Armen im Türrahmen.

"Kann ich reinkommen? Dann können wir reden", frage ich und unterdrücke ein Grinsen.

"Klar. Beweg deinen Arsch schon rein." Er tritt beiseite und ich laufe an ihm vorbei, direkt ins Wohnzimmer. Simone sitzt dort auf der Couch und winkt mir zu. Ich setze mich ihr gegenüber und warte auf Mat.

"Hast du dich wieder beruhigt?", fragt mich Simone.

"Etwas."

"Willst du dich entschuldigen für dein dummes Verhalten? Oder tut es dir jetzt doch leid, dass du nicht geblieben bist", fragt mich Mat und setzt sich neben Simone. "Du hast ganz schön was verpasst." Das glaube ich weniger … Nicht lächeln Adrian!

Am liebsten würde ich mit allem sofort herausplatzen. Doch ich beherrsche mich und lass die Beiden noch ein bisschen zappeln. Theatralisch atme ich aus und fixiere den Tisch vor mir. "Ich ... Ich glaube, ich habe Gefühle für Fionn", beginne ich.

"Habe ich es nicht gesagt? Und du Idiot rennst einfach weg! Weißt du eigentlich, wie traurig Fionn war? Ich habe ihm gesagt, dass du dringend weg musstest. Mensch Adrian! Er hat dich wirklich gern. Und du verbockst wieder alles."

"Wirklich? Er war traurig?"

"Ja", sagt Simone, steht auf und greift meine Hand. Will mich mit der Geste anscheinend trösten. "Und er sagte, er hätte sich so gefreut, als er erfahren hatte, dass du auch mitkommst. Aber keine Sorge! Wir schauen einfach nach, wo sie das nächste Wochenende auftreten und fahren dort hin. Was hältst du davon?" Sie schaut mich total aufgeregt an, springt auf und holt Mats Laptop.

"Nein Simone! Lass nur! Ich muss dieses Wochenende arbeiten."

"Arbeiten? Das ist doch wichtiger!" Sie runzelt die Stirn und bleibt mit dem Laptop in der Hand im Wohnzimmer stehen.

"Ich will nicht den Eindruck erwecken, ich würde ihm nachlaufen."

"Du spinnst doch! Fionn ..."

"Wann hast du dir den das Armband gekauft?", unterbricht Mat Simones Standpauke.

Das hatte ich ja total vergessen! "Das ... Das habe ich geschenkt bekommen."

Mats Augen verengen sich. Er durchschaut mich! Das spüre ich ganz genau. Sicher werde ich rot. Ich kann schlecht Lügen oder was verheimlichen, wenn ich so offensichtlich ertappt werde. Besonders vor Mat.
 

"Du bist gestern nicht nach Hause gegangen!" Ertappt!

Ganz von selbst zucken meine Mundwinkel nach oben. Ich kann nicht mehr anders.

"Du mieser ...! Du bist wieder zurück gelaufen!" Auch Mat fängt an zu grinsen und Simone klebt urplötzlich an meiner Seite. "Du hast uns veräppelt!"

"Ein kleines bisschen", lache ich und Simone drängt mich, sofort alles haargenau zu erzählen. Ich gebe mich geschlagen und berichte alles, bis zu dem Punkt, an dem wir zusammen mit den Anderen im Park vor dem Feuer gesessen haben.

"Habt ihr es getan?" Verdattert schaue ich Simone neben mir an.

"Das werde ich dir auch gerade auf die Nase binden!"

"Also nicht?" Sie sieht richtig enttäuscht aus.

"Wir hatten unseren Spaß", erkläre ich und lasse den Rest im Raum stehen.

"Ja oder nein? Was nun?", fragt Simone und schaut erst mich dann Mat an.

"Lass es Simone. Er wird nichts sagen." Und damit hat er recht. "Es freut mich, dass du noch deinen Arsch hochbekommen hast. Und was jetzt? Seht ihr euch wieder?"

"Ja. Das haben wir vor." Das er am Donnerstag vorbei kommen will, verschweige ich. Noch müssen sie nicht alles wissen. Und auch nicht, dass es mir mehr als ernst mit Fionn ist.

"Du Armer! Jetzt ist er wieder weg und du weißt nicht, wann ihr euch wieder sehen könnt!" Mit großen, runden Augen sieht mich Simone an. So ganz Unrecht hat sie damit ja nicht.

"Nur keine Panik. Wir wollen telefonieren. Das Andere regelt sich schon", zitiere ich Fionns Worte. So ganz glaube ich immer noch nicht dran. Freiburg ist verdammt weit weg. Allerdings habe ich da schon was geplant.

"Vielleicht nehme ich einfach meinen überfälligen Urlaub. Dann könnte ich ihn mal besuchen."

"Na das hört sich doch gut an!", ruft Mat. "Und weil das eine so gute Nachricht ist, werden wir drei jetzt ins Auto springen und auf den Mittelaltermarkt fahren!"

Genervt schließe ich meine Augen. Von dort komme ich doch gerade!
 

******

Kapitel 08 - Fragen über Fragen und heißes Verlangen

Bevor es ins Wochenende geht, gibt’s heute noch schnell das nächste Kapitel. Viel Vergnügen beim Lesen und euch allen ein schönes, und vor allem, sonniges Wochenende ^^
 

Eure Fara
 


 

Kapitel 08 - Fragen über Fragen und heißes Verlangen
 

Mein Handy klingelt Sturm. "Ja?"

/Ich bins!/ Wer sonst? Ich grinse und vor meinem inneren Auge taucht ein gewisser Jemand auf.

"Und? Klappt es heute?"

/Ja. Ich fahre gleich los./

"Super! Die Adresse hast du?"

/Ist schon im Navi eingespeichert. Dann bis Nachher./

"Okay. Ich freue mich auf dich." Ich höre ihn leise lachen und dann hat er auch schon aufgelegt. Man! Ich kann es kaum erwarten, ihn endlich wieder bei mir zu haben! Die letzten beiden Tage waren der Horror und selbst unsere Telefonate reichen mir nicht mehr. Also ob sie es je hätten!

"Du bringst noch jemanden mit?", fragt Carsten und sein Kopf taucht hinterm Bildschirm auf.

"Ja."

"Und wen?", mischt sich jetzt auch noch Zoey ein.

Was soll's? Sie werden es ja sowieso erfahren. "Meinen Freund."

"Du hast wieder einen Freund?" Carstens Augen werden groß. "Seit wann denn?"

"Seit letztem Wochenende."

"Und das sagst du uns erst jetzt?", empört sich Zoey und rollt mit ihrem Stuhl zu mir rüber. "Woher kennt ihr euch?"

Das habe ich mir jetzt selbst eingebrockt, oder? "Von einem Konzert."

"War er ein Zuschauer? Einer der Musiker? Ein Security? Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!"

Ich verdrehe meine Augen. Zoey ist fast so neugierig wie Simone, nur penetranter und besitzt weniger Scham. Reporterin eben. "Ein Musiker."

"Und weiter?"

"Er spielt …"

"Adrian? Kommst du mal bitte mit in mein Büro?" Mein Boss läuft im Stechschritt an mir vorbei.

"Sofort!", rufe ich und bin froh, erstmal der Befragung zu entkommen. "Ihr lernt ihn ja heute kennen", tröste ich Zoey und Carsten, und springe hinter Richard her.

"Kannst du dir mal das Layout anschauen? Irgendwas passt da nicht. Vielleicht hilft ein anderer Blickwinkel. Es gefällt mir einfach noch nicht."

"Klar. Lass mal sehen."

Und während ich mit Richard das Layout durchgehe, erinnere ich mich an die vergangenen Tage.
 

Fionn und ich telefonieren jeden Abend und das auch jedes mal sehr lange. Ich bin normal nicht so der Telefonfreund, aber was sollte ich schon machen? Ich konnte ja schlecht von Angesicht zu Angesicht mit ihm reden. Also musste es eben so gehen.

Ich erfuhr endlich sein Alter und sein Geburtstagsdatum. Am 1. November diesen Jahres wird er Sechsundzwanzig.

"Das ist jedes Jahr eine riesige Party. Erst feiern wir Halloween und dann geht es direkt in meinen Geburtstag über. Du musst dieses Jahr unbedingt auch kommen. Aber nur verkleidet!"

"Habe ich schon mir vorgemerkt und morgen beantrage ich gleich ein paar freie Tage", sagte ich ihm zu. Er freute sich, wenn auch eher zurückhaltend. Noch so eine Sache, die ich an ihm entdeckt habe. Seine ruhige Persönlichkeit. So am Telefon merkt man ihm nicht immer an, in welcher Gefühlslage er sich gerade befindet. Meist ist er fröhlich, aber seine Stimme bleibt dabei erstaunlich neutral.

Ich habe auch was über seine Hobbys erfahren. Und, was soll ich sagen? Ich habe mich noch nicht mal drüber gewundert. Er liebt es mit Leder zu arbeiten und stellt so manche Dinge damit her. Das Case für seine Drehleier zum Beispiel hat er selbst gemacht.

Zudem hat er einen kleinen Garten, den er, wie er selbst sagt, zum größten Teil verwildern lässt. "Mit alten Bäumen und Farnen. Wie in einem Wald", beschrieb er ihn mir. "Aber eine kleine Ecke ist bewachsen mit allerlei Kräutern."'Wieder ein Rätsel gelöst!', dachte ich, teilte aber meine Gedanken nicht mit ihm.

Wir redeten wirklich viel miteinander, erzählten Geschichten aus unserer Kindheit, lachten viel und ich habe endlich das Gefühl, ihn besser zu kennen.
 

"Du hast recht. Olaf soll das alles nochmal überarbeiten", sagt Richard und entlässt mich wieder.

Ich bin schon fast zur Tür raus, als ich mich nochmal zu ihm umdrehe. "Ach, Richard?"

"Ja?"

"Willst du heute Abend mitkommen? Wir wollen mal wieder Billard spielen gehen."

"Mal sehen. Wenn ich alles erledigt habe, komme ich gerne mit."

"Schön."

Wenn Richard mitkommt, benehmen sich meine Kollegen hoffentlich etwas. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass Fionn bei ihnen gewisse Vorurteile hervorruft. Damit meine ich nicht Zoey, Carsten oder Richard. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach Georg. Unser kritischster CD-Kritiker. Ein totaler Heavy Metal Fan und, sorry aber ich weiß wovon ich rede, intolerant.

Als er erfahren hat, dass ich schwul bin, schnitt er mich ein geschlagenes halbes Jahr lang. Deshalb vermeide ich jeden engeren Kontakt zu ihm. Das ich heute Abend meinen Freund mitnehme, der zudem eindeutig nicht in unsere Szene gehört, dürfte ihm weniger gefallen.

Aber nicht nur das bereitet mir Kopfzerbrechen. Fionn wird heute das erste Mal mit zu mir kommen. Ich hoffe nur, dass er sich auch bei mir wohlfühlt. Meine Wohnung ist nicht gerade das, was man sich unter Naturverbunden vorstellt. Ich habe keinen Garten, nur einen kleinen Balkon in Ostlage. Meine einzige Pflanze ist ein kleiner, mickriger Farn, die einzige Pflanze, die bei mir überlebt hat, nach meinem Einzug. Wie auch immer sie das geschafft hat.

Ich habe einen riesigen Plasmafernseher, drei Laptops, natürlich wegen meiner Arbeit her, zwei Smartphones, so gut wie keine Sparlampen (wieso sollte ich die Alten austauschen, wenn sie noch funktionieren?) und eine riesige Badewanne, die mehr Wasser verschwendet, als jeder Waschsalon an einem belebten Wochenende.

Nur beim meinem Essen achte ich auf gewisse Standards. Ich kaufe sogar oft auf unserem Wochenmarkt ein. Das ist aber auch alles, was ich Mutter Natur Gutes tue. Gegen mich ist Fionn ein Heiliger.
 

Deshalb setzte ich mich mit eher gemischten Gefühlen wieder zurück an meinem Schreibtisch. Zoey kämpft gerade mit jemanden am Telefon und ist zum Glück genug abgelenkt und fragt mich nicht weiter über meinen 'Neuen' aus. Ebenso Carsten, der mit einem konzentrierten Blick vor seinem Text sitzt.

Ich schaue kurz auf die Uhr. Noch zwei Stunden, dann ist Feierabend. Mit neuen Elan mache ich mich wieder an die Konzertberichte, die ich heute noch korrigieren muss. Danach noch die Fotos aussortieren und dann kann ich Schluss für heute machen. Hoffentlich kommt Fionn pünktlich. Ich kann es kaum erwarten, ihn wieder in meine Arme zu schließen.
 

***
 

Fionns Nummer blinkt auf dem Display meines Handys. Schnell greife ich danach. Er wird doch nicht absagen wollen? "Ja?"

"Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich hier bin." Ich drehe mich ruckartig um. Tatsächlich! Da steht er! Und ... Ich kann es kaum glauben! Er trägt eine Jeans! Und auf dem Kopf eine dunkelgrüne Beanie. Sonst sieht er aus wie immer, trägt unser Lederarmband und die vielen Anhänger um den Hals, das Handy noch immer in der Hand und grinst über beide Ohren.

"Fionn!" Mit Schmetterlingen im Bauch springe ich von meinem Bürostuhl und laufe ihm entgegen. Wir fallen uns in die Arme. "Wie hast du es so schnell hier her geschafft?!", frage ich gegen seinen Hals, ehe wir uns wieder los lassen und uns ansehen. Es ist gerade mal eine Stunde vergangen, seit seinem Anruf.

"Ich war schon unterwegs und habe von einem Rasthof aus angerufen. Ich hoffe, ich störe nicht."

"Nein! Gar nicht! Ich bin gerade noch mit Konzertfotos beschäftigt, aber das geht schnell." Ich führe ihn an meinem Schreibtisch.

Natürlich ist es Zoey, die zuerst los plappert und auf uns zukommt. "Das ist er? Dein Freund? Hallo ich bin Zoey!"

"Hallo. Fionn."

"Fionn? Was für ein toller Name!", quiekt sie und lacht hell. Zoey eben.

"Kurze Vorstellungsrunde?", frage ich ihn und er nickt. "Dort hinten sitzt Carsten." Ich zeige auf ihn, der hinter seinem Bildschirm kurz winkt. "Dann haben wir weiter hinten Laurenz und Tanja. Der Rest unseres Teams sitzt in den anderen Räumen. Ein Paar davon lernst du spätestens in der Billardhalle kennen. Leute?! Das ist Fionn!" Alle lächeln ihn an und mustern ihn interessiert. Was habe ich gesagt?

Ich hole einen Stuhl für ihn und stelle ihn neben meinen. "Ich mach das noch schnell fertig", sage ich und stelle weiter die Fotos zusammen. Fionn schaut mir dabei interessiert zu.

"Und die kommen dann in eure Zeitschrift?"

"Ja. Zusammen mit dem Konzertbericht."

"Die Band kenne ich gar nicht", meint er nach genauerem hinsehen. "Sind die denn bekannt?"

"In der Szene schon", schmunzle ich.
 

Eine halbe Stunde später habe ich alles fertig und gespeichert. "Feierabend!", rufe ich und strecke meine Arme in die Höhe.

"Ruf noch lauter, du Sack!", pöbelt Carsten. "Wenn ich Glück habe, sitze ich noch bis morgen hier dran!"

"Das packst du schon. Fionn? Lass uns doch unten einen Kaffee trinken, bis die Anderen auch fertig sind."

Ich fahre meinen PC herunter und laufe mit Fionn zusammen zum Ausgang. "Kannst du wirklich schon gehen?", fragt er mich.

"Klar. So lange die Arbeit gut und pünktlich erledigt ist, macht das meinem Boss nichts aus."

"Und Carsten? Er sah so aus, als könnte er Hilfe gebrauchen."

"Der macht immer so ein Theater. In Wirklichkeit ist er sicher schon fertig und zockt irgendein Onlinespiel."

"Na wenn du es sagst ...", flüstert er und packt mich plötzlich. Ich werde an die Wand gedrückt und sofort finden sich unsere Lippen. Wie habe ich das vermisst!
 

Atemlos trennen wir uns wieder und ich lecke mir über die Lippen. "Es würde niemand merken, wenn wir jetzt einfach abhauen", flüstere ich und wandere mit meinen Fingerspitzen über seinen Rücken.

"Das wäre aber nicht nett." Fionns Stimme ist rau und ich sehe es an seinem Blick, dass er, genau wie ich, mehr als lücklich darüber ist, endlich hier zu sein.

"Wen juckt's?"

"Wolltest du mir nicht einen Kaffee spendieren?" So schnell wie er mich gegen die Wand gepresst hat, ist er auch wieder von mir abgerückt und geht die Treppen hinunter. Erst heiß machen und dann abhauen? Das wird er nachher wieder gutmachen müssen!
 

***
 

Wenn ich damit nicht bald aufhöre, bekomme ich noch ein riesiges Problem! Aber ich kann nicht. Wie kann er mir das überhaupt nur antun? Wieso hält er diesen festen Stab auch nur so verführerisch? Knetet ihn, reibt daran und hält ihn ganz fest umschlossen. Wieso? Und wieso fällt das niemanden außer mir auf? Gut, vielleicht fällt es Zoey auch auf. Die frisst meinen Drehleierspieler schon die ganze Zeit mit den Augen auf. Wusste gar nicht, dass sie auf so einem Typ Mann steht. Naja. Das wusste ich vorher auch noch nicht von mir.

Jedenfalls halte ich das nicht mehr lange aus! Die Bilder in meinem Kopf werden immer heißer und alles in mir drängt danach, endlich allein mit Fionn zu sein. Ohne Bandmitglieder oder Arbeitskollegen.

"Adrian? Ihr seid dran!"

"Was? Ach so." Mist! Ich sollte mich lieber aufs Spiel konzentrieren! Doch nicht, wenn Fionn gerade dran ist. Das sprengt jede noch vorhandene jugendfreie Region meines Hirns! Am liebsten würde ich ihn dann packen, ihm auf dem Billardtisch die Kleidung vom Leib reißen und ihn genau hier vor all meinen Arbeitskollegen …

"Boha! So schlecht warst du noch nie! Adrian, du Loser!" Carsten biegt sich vor lachen, genau wie die Anderen. Danke auch! Es kann doch jedem mal passieren, dass eine Kugel über den Tischrand springt.

"Pech im Spiel, Glück in der Liebe!", grinst Zoey und funkelt mich an.

"So kann man es auch sehen." Fionn lacht und legt einen Arm um meine Taille. Können wir nicht einfach jetzt schon zu mir fahren?
 

Zu zehnt besetzen wir zwei Tische. Fionn und ich mit meinen vier Chaoten aus dem Büro und die anderen Vier den Tisch nebenan.

Georg ist freiwillig rüber gegangen. Die nächsten Wochen habe ich mit Sicherheit ruhe vor ihm. Mehr als sonst, versteht sich.

Als ich den Anderen Fionn vorgestellt habe, war er der Einzige, der nichts zu sagen hatte. Und damit meine ich wirklich nichts. Kein Hallo oder ein einfaches Kopfnicken. Sein Pech! Ich warte nur schon drauf, dass er einen seiner dummen Kommentare ablässt.

Richard hat es leider nicht geschafft und musste nach Hause. Das hat man davon, wenn man sich eine Frau und Kinder anlacht.

"So! Jetzt zeige ich dir wie das geht!", zieht Fionn wieder meine Aufmerksam auf sich. "Gut zuschauen!" Er grinst und ich bin mir sicher, dass er gemerkt hat, wie scharf ich dabei werde. Mistkerl!

Langsam nimmt er die Kreide und reibt damit über die Spitze seines Queue. Danach pustet er drüber und ich atme tief ein.'Reiß dich zusammen Adrian!'

Wenigstens stellt er sich nicht direkt vor mich und erspart mir damit den Anblick seines Knackarsches. Klimpernd stoßen seine Anhänger gegen den Tischrand, als er sich über ihn beugt. Ich beiße die Zähne zusammen. Wenn mir nicht bald eine Ausrede einfällt, warum ich ganz dringend nach Hause muss, dann wird's unangenehm für mich.

"Yeah! Siehst du Adri? Wenigstens hast du dir jemanden angelacht, der Billard spielen kann."

"Danke Tanja." Sie und Zoey lachen sich halb tot. Ein bisschen zu viel getrunken, die Beiden, was?

"Nun erzählt uns doch mal jemand, wie ihr zwei Hübschen euch nun kennen gelernt habt", gackert meine liebe Zoey und tritt an den Billardtisch heran.

Ich schaue Fionn an und er nickt, sagt mir damit: Das übernehme ich. Sieh an, wir verstehen uns also schon blind! "Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich rannte ihn um, dann stand er während unseres Auftrittes vor der Bühne und wir haben uns angefreundet."

Ich verkneife mir ein Grinsen. Zoey guckt so doof aus der Wäsche, dass ich schon fast Mitleid habe.

"Ihr seid nur Freunde?"

"Die Besten!", lache ich und Fionn klappst mir auf den Hintern.

"Wie jetzt? Vögelt ihr jetzt miteinander, oder nicht?" Carsten wie ich ihn schätze und liebe! Immer direkt und nimmt kein Blatt vor den Mund.

"Wir ... Wir sollen jetzt? Hier?" Fionn tut empört. "Okay!" Moment mal! Was ...?!

Mein Queue fällt zu Boden. Fionn hat sich über mich gebeugt und küsst mich stürmisch. Ich höre Zoey quietschen und sogar Carsten lacht.
 

"Könnt ihr das lassen? Ist nicht jeder scharf darauf, zwei Kerle beim Herumlecken zuzusehen." Pünktlich der sehr kritische Kommentar unseres CD-Kritikers.

Etwas verlegen löse ich mich von Fionn. Der schaut Georg grimmig an und hebt meinen Queue auf, reicht ihn mir und lächelt mir aufmunternd zu.

"Komm mal runter, Georg! Dann schau halt weg", fährt ihn Carsten an. Georg ignoriert ihn und unterhält sich mit Ursula, unserer vollbusigen Buchhalterin.

"Schatz? Du bist dran."

Schatz? Hat Fionn mich gerade Schatz genannt? Hmm ... "Ich beeile mich ja schon, Liebling", antworte ich ihm und beuge mich über den Billardtisch.

Hat er das jetzt wegen Georg gesagt, oder ist er wirklich so ... kitschig?

Die nächsten drei Kugeln versenke ich in meiner alten Bestform. "Die Letzte überlasse ich dir", sage ich zu Fionn. Oh wie sehr ich dieses freche Grinsen liebe!

"Alles klar!" Ein gekonnter Stoß und die Schwarze landet im richtigen Loch. Mein Liebling hat es drauf!

Er kommt zu mir und stellt sich dicht vor mich. "Und? Bekomme ich eine Belohnung?"

"Hol sie dir", flüstere ich und versinke in seinen braunen Augen, die langsam näher kommen.

Mir ist egal, wo wir sind oder das Georg eventuell erneut anfängt herumzumaulen. Jetzt ist nur noch eins wichtig: Fionn! Er ist bei mir und das nur bis morgen. Jede Sekunde will genutzt werden.

Unsere Lippen berühren sich, hauchzart und nur ganz kurz. Ein Kribbeln rinnt meinem Rücken hinab, breitet sich in Bauch und Schoß aus. Ich weiß genau was das bedeutet. Und ehe ich das sagen kann, was sich gerade so dringend aus meinem Mund befreien will, merke ich wieder wo wir eigentlich sind.

Mit aller Macht stürmen die Geräusche der Billardhalle auf mich ein. Die Musik, das Lachen der anderen Gäste und die kleinen Neckereien meiner Kollegen.

"Nachher möchte ich eine richtige Belohnung. Lass dir was einfallen." Mir wäre da schon was eingefallen. Nur leider ist hier weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt dafür.

Deshalb nicke ich einfach und trinke einen großen Schluck von meiner Cola. Vielleicht kühlt die mich etwas ab.
 

"Wie heißt eigentlich eure Band?", möchte Carsten plötzlich wissen.

Die Antwort überlasse ich wieder Fionn. Mein Mund ist trotz Cola noch immer trocken. "Sargas."

"Noch nie gehört."

"Wir sind auch nur eine kleine Gruppe."

"Und was machst du da?", übernimmt Tanja die Befragung. Tanja ist eine kleine, schmale Blondine. Doch sie macht ihre Körpergröße durch ihre Beharrlichkeit wieder wett und ist oft der Liebling der Bands, die wir interviewen.

"Ich spiele hauptsächlich Drehleier. Zudem noch Laute und Harfe. Manchmal muss ich auch singen. Aber das mache ich eher ungern." Lässig baut Fionn die Kugeln auf, während die Anderen so dumm aus der Wäsche glotzen, dass ich einfach loslachen muss.

"Ihr erinnert euch noch daran, dass mich Mat mit auf dieses Spectaculum geschleift hat?" Alle nicken. "Dort haben wir uns kennengelernt."

"Ach du macht einen auf Mittelalter?", fragt Carsten und mustert Fionn nochmal genauer.

"So ungefähr", bestätigt er. Ich zucke nur mit den Schultern und lächle ihm zu. Ich weiß genau, was sie jetzt alle denken.

"Und was spielt ihr so für ein Zeug?" Carsten ist heute ja ganz schön wissbegierig!

"Das Meiste schreiben wir selbst. Allerdings vertonen wir auch alte Texte oder Lieder neu. Ich zum Beispiel höre viel Musik aus dem hohen Norden. Und auch viel orientalische Lieder. Da gibt es unglaublich schöne Melodien und Texte."

"Verstehst du die dann auch alle?", fragt Zoey und lehnt sich lässig an den Stehtisch gegenüber an. Sie scheint ja richtig beeindruckt zu sein.

"Für was gibt es Google?", lacht Fionn und setzt sich zu mir. "Aber im Ernst: Wir spielen auf keinen Fall Lieder, die wir nicht auch verstehen. Hinterher singen wir etwas über den Ackerbau. Wer will sowas schon hören?"

"Und die spielt ihr dann also auch?"

"Teilweise ja. Aber nicht alles eignet sich für die Bühne. Meist spielen wir für uns allein und bleiben so in Übung."

"Und das Singen überlässt du Anderen? Wieso eigentlich?" Hallo Zoey? Langsam ist auch mal gut!

"Ich mag meine Stimme nicht."

Ungläubig schaue ich Fionn an. "Hört nicht auf ihn. Er singt fabelhaft!", sage ich und meine es auch so.

"Geschmackssache", grinst er. "Aber nett, dass zu wissen." Er beugt sich zu mir und flüstert in mein Ohr: "Dann singe ich dir nachher ein Schlaflied vor."

Oh Shit! Ich muss hier weg! Sofort!
 

******

Kapitel 09 - Endlich allein!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 09 - Endlich allein! (Ohne Adult)

Hey alle zusammen.
 

Nein, ich bin nicht verschollen gegangen, wie vielleicht einige von euch schon vermutet haben. Ich hatte schlicht weg einen Haufen Arbeit um die Ohren. Da ging mein Schreiber-Ich etwas verloren, aber heute Abend aber ich es mal wieder hervorgekramt, um euch mit den letzten beiden Kapiteln über Fionn und Adrian zu versorgen.

Wann es wieder was neues von mir gibt, weiß ich noch nicht genau. Mit dem Schreiben kam ich wieder ganz gut voran, muss aber leider momentan nochmal damit pausieren, auch wenns mir in den Fingern kribbelt *gg*

Na, aber wer weiß? Vielleicht gibt’s ja wieder was zu Weihnachten ;-)
 

Viel Spaß jetzt mit den letzten beiden Kapiteln

Eure Fara ^^
 


 

Kapitel 09 - Endlich allein! (Ohne Adult)
 

Aufgeregt höre ich dem Rauschen des Wassers zu.

Fionn steht gerade unter meiner Dusche. Während ich auf ihn warte, weiß ich einfach nichts mit mir anzufangen. Also hocke ich hier, auf meiner Couch, und warte darauf, dass die Duschbrause verstummt.

Ob es Fionn vorhin auch so gegangen ist, als ich im Badezimmer war? Ich glaube nicht. Er konnte sich ja mit seinen Taschen beschäftigen, die er in meinem Schlafzimmer abgestellt hat.

Gott! Mein Herz schlägt mir bis zum Hals! Ist das zu fassen? Als hätte ich noch nie …

Ich stehe von der Couch auf und laufe zur Küche. Mit zwei Gläsern und einer Flasche Wasser bewaffnet kehre ich ins Wohnzimmer zurück. Inzwischen ist die Dusche endlich verstummt, stelle ich nervös fest.

Ruhig sitzen bleiben ist jetzt nicht mehr drin. Ruhelos tigere ich auf und ab, lausche angestrengt nach dem kleinen Schnappen des Badezimmerschlosses. Das heißt, falls Fionn abgeschlossen hat. Hat er?

Hat er nicht. Die Tür fällt leise ins Schloss, ergo steht Fionn schon im Flur.

Angewurzelt bleibe ich stehen und glotze zur Wohnzimmertür. Da erscheint er auch schon. Nur mit einem Handtuch um. "Was zu trinken?" Ich deute auf die beiden Gläser auf dem Tisch.

Fionn runzelt leicht die Stirn, grinst jedoch. "Nein, Danke."

Ich lächle nervös. "Okay."

"Alles in Ordnung?" Fionn scheint zu merken, dass mit mir was nicht stimmt.

"Ja", weiche ich dennoch aus und versuche meine Anspannung abzuschütteln.

"Sieht irgendwie nicht danach aus." Langsam kommt er auf mich zu. "Du musst nicht nervös sein." Ich wurde durchschaut.

Ertappt lasse ich die Schultern hängen. "Ich weiß ja auch nicht warum ich so aufgeregt bin", räume ich ein. Ist ja schließlich nicht mein erstes Mal.

"Das ändert sich bestimmt gleich." Fionn streckt seine Hand nach mir aus. "Willst du nicht herkommen?"

"Doch." Und wie ich das will!

Langsam gehe ich auf ihn zu und werde von ihm in den Arm genommen. "Ich weiß zwar auch nicht, warum du plötzlich so nervös bist, aber du musst dir um nichts Sorgen machen."

"Ich weiß." Aber sag das mal meinem viel zu schnell schlagenden Herzen.

"Ich kann es kaum erwarten dir endlich so richtig nahe zu kommen", wispert Fionn und schmust über meinen Hals. Ich schlucke hart. Scheiß auf die Unruhe in mir!
 

Mit geschlossenen Augen taste ich nach Fionns Nacken und drücke meine Nase gegen die noch feuchte Haut unterhalb seines Schlüsselbeins, während ich ihn kraule. Er kichert und krabbelt mit seinen Fingern an den Rand meines T-Shirts und schiebt es hoch. Ein Seufzen entkommt mir und ich suche mit meinen Lippen eine seiner Brustwarzen. Sie reckt sich mir schon entgegen und ich an sachte an ihr zu saugen, tänzle mit meiner Zunge darüber und entlocke Fionn einen leisen Laut. Vorsichtig spiele ich mit dem kleinen Stab. Wie sich das für ihn wohl anfühlt?

"Adrian. Lass uns im Bett weiter machen", flüstert er. Immer noch massieren seine Hände meinen Oberkörper. Ich weiche ein Stück zurück, damit er mir das Shirt komplett ausziehen kann. Das Bett kann noch warten. Zuerst möchte ich das hier noch ein wenig genießen.

Wir blicken uns an. Fionn lächelt immer noch, oder schon wieder, beugt sich zu mir und diesmal ist es sein feuchter Mund, der meine Brustwarzen verwöhnt. Sanft schiebt er mich dabei rückwärts aus dem Wohnzimmer bis gegen über an die Schlafzimmertür und lässt seine Zunge abwechselnd um jede meiner Beiden Nippel kreisen.

Ich beobachte ihn dabei einen Moment lang und greife dann in seine Dreadlocks, kraule seine Kopfhaut und drücke ihn dichter an mich. Er wandert tiefer, bis an meinen Bauchnabel. Zitternd lehne ich mich so gut es geht an die Tür. Das ist so verdammt gut! Heiße Schauer durchfluten mich.

Fest saugen seine Lippen die zarte Haut um meinen Bauchnabel ein, während die Zunge sich mitten drin austobt. Das kitzelt leicht und lässt mich kichernd wegzucken. Leuchtend braune Augen schauen mich an. Mein Herz schlägt schneller. Wieder wird mir bewusst, wie sehr ich ihn doch liebe!
 

Ungeduldig versuche ich ihn höher zu ziehen, nachdem ich ein paar mal zärtlich über den Kopf gestreichelt habe. Nur sehr langsam kommt er der Aufforderung nach, legt eine feuchte Spur quer über Bauch und Brust, bis er hinter meinem Ohr angelangt und dort küssend und leckend verharrt.

Zarte Fingerspitzen kreisen über meinen Bauch bis an den Rand meiner Shorts. Mein Herz schlägt noch eine Spur schneller und das Pochen in meinem Schoß wird ebenso heftiger. Er ist so nah!
 

*
 

Erschöpft und glücklich bleibe ich liegen und warte, dass Fionn sich endlich zu mir legt.

Müde drehe ich mich zu ihm und lege meinen Arm um seinen Oberkörper. Langsam kommen wir wieder zur Ruhe und Fionns Fingerspitzen streifen sanft meinen Unterarm. Leider stört mich noch etwas an diesem Bild. "Fionn?", spreche ich ihn deswegen leise an.

"Hm?"

"Das Licht im Flur. Kannst du es ausmachen?" Trotz geschlossener Augen nervt es mich. Außerdem kann es nicht die ganze Nacht brennen.

"Ist gut." Anstaltslos steht er auf, schiebt mich dazu vorher von sich herunter. Verträumt schaue ich ihm hinterher. Was für ein geiler Knackarsch! Und der Waschbrettbauch! Von seinem besten Stück will ich erst gar nicht anfangen! Die starken Oberarme, seine Lippen, seine Augen, die perfekten Ohrläppchen und der Dreitagebart, der meine Haut zum kribbeln bringt. Ich habe eindeutig Schmetterlinge im Bauch und zwar ziemlich viele.

Das Licht geht aus. Jetzt höre ich seine Schritte nur noch, merke, wie er wieder zu mir ins Bett kommt und sich neben mich legt. Er packt mich und holt mich zu sich heran. Seufzend kuschle ich mich an ihn. "Ich hatte ganz vergessen, wie fantastisch es mit einem Mann ist", meint er plötzlich.

Ich stutze für einen kurzen Moment. "Heißt das, du bist bi?"

"Ja."

Ha! Nun bin ich platt. "Ich hatte noch nie was mit jemanden, der es auch mal mit einer Frau gemacht hat." Komische Vorstellung. Aber auch eine ziemlich lustige.

"Und wie lange ist das letzte Mal her? Das du mit einem Mann im Bett warst?", möchte ich wissen.

"Das müssten so ungefähr zwei Jahre her sein."

Ich drehe meinen Kopf nach oben. Sein Gesicht bleibt im Dunkeln. "Du hast die letzten beiden Jahre nur was mit Frauen gehabt?"

"Ja. Ist das schlimm für dich?"

"Nein", antworte ich. Es ist wirklich nicht schlimm für mich. Aber ich werde langsam neugierig. "Wie ist das so?"

Fionn lacht dunkel. "Wie soll ich das beschreiben? Es ist anders, aber nicht schlechter. Außerdem bin ich niemand, der gleich mit jedem ins Bett hüpft, wenn du das jetzt denkst. In den zwei Jahren hatte ich mit genau einer Frau Sex. Meiner Exfreundin. Sophia. Vor acht Monaten haben wir uns getrennt, weil sie nicht damit klar kam, dass ich so oft weg bin." Fionn drückt mich fester an sich. "Wir werden uns auch nicht oft sehen können", flüstert er.

Ich schlucke einen Klos hinunter. "Weißt du noch, was du mir auf dem Marktplatz gesagt hast?"

"Ja. Wir schaffen das."

"Und das werden wir auch", verspreche ich ihm und gebe ihm einen Kuss. "Ich will dich Fionn. Und glaube mir. So schnell wirst du mich nicht mehr los."

Ich höre ihn lachen. "Da bin ich aber froh!"

Ja. Das bin ich auch.
 

"Aber eins stört mich immer noch", überlege ich laut.

"Ja? Was denn?" Fionn nimmt meine Hand und haucht ihr einen Kuss auf.

"Jetzt muss ich ja ein Auge auf Männer und Frauen haben."

"Wieso?"

"Die Konkurrenz verscheuchen!", kichere ich.

"Ja. Die ist groß. Da hast du viel zu tun." Fionn lacht rau, als ich ihm als Antwort leicht in den Hals beiße.

So ein Angeber!
 

******

Kapitel 10 - Wichtige Entscheidungen

Kapitel 10 - Wichtige Entscheidungen
 

"Jetzt zieh doch nicht so ein Gesicht!", plärrt mich Mat an.

"Was soll ich denn machen?" Ich bin wirklich nahe am verzweifeln.

"Dich endlich mal entscheiden. Das ganze hin und her schadet euch beiden früher oder später nur."

"Ja. Ich weiß." Ich halte es jetzt schon kaum noch aus, bis zu unserem nächsten Treffen.

"Wann habt ihr euch das letzte Mal gesehen?"

"Vorgestern", seufze ich und blicke zu Mat, der mir gegenüber am Küchentisch sitzt. Ich musste einfach mit jemanden darüber reden.

"Du siehst nach zwei Tagen schon aus wie ein Wrack!" Danke!

"Nach dieser Nachricht würdest du auch nicht aus wie das blühende Leben aussehen!", motze ich und gehe das Gespräch, das ich mit Fionn vorgestern geführt hatte, nochmal durch.
 

Ich hatte das Wochenende frei und bin deshalb zu ihm gefahren. Sie hatten in der Nähe von Nürnberg einen Auftritt, blieben aber nur eine Nacht dort, weshalb ich mit ihm zurück fuhr. Samstag und Sonntag nur mit meinem Schatz!

Mittlerweile sind wir schon fast ein halbes Jahr zusammen und sehen uns so oft wir können. Außerdem habe ich meinen gesamten, zweiwöchigen Urlaub bei ihm verbracht und bin mit ihm und der Band durch die Landen gezogen. Mir war klar, dass es nicht immer so sein kann und die nächsten Monate waren mehr als stressig. Meist kam er zu mir, blieb eine Nacht und verschwand dann wieder. Die Zeit ohne ihn zerrte immer mehr an mir und unsere kurzen Treffen wiegen es einfach nicht mehr auf. Mit jedem Mal wo er mich wieder verlässt, werde ich unglücklicher.

Und dann lies er letztes Wochenende die Bombe platzen.

"Wir haben die Zusage für einen speziellen Musikkurs! In Schweden! Endlich können wir mal was anders als Trink- und Feierlieder spielen und können unser ganzes musikalisches Spiel verbessern!", erzählte er mir freudestrahlend.

"Und wann?" Mir wurde ganz mulmig zu mute. Gleichzeitig freute ich mich für ihn, für die Chance, die sich im bot. Ich weiß natürlich, wie sehr ihm seine Musik am Herzen liegt.

"In drei Wochen. Der Kurs geht vier Wochen lang." Er griff nach meiner Hand und sah mich eindringlich an. "Kannst du nicht mitkommen?"

Was sollte ich darauf antworten? Mitkommen? Unmöglich und das wusste er. Und doch flehten mich seine Augen stumm an, ihn zu begleiten.

"Ich kann nicht für so lange Zeit weg", antwortete ich leise. Fionn nickte nur und sah dabei so traurig aus, wie ich mich fühlte.
 

"Du liebst ihn doch. Oder?", holt mich Mat aus meinen trübsinnigen Gedanken.

"Mehr als du dir vorstellen kannst." Und mehr als ich mir jemals hätte vorstellen können.

Nicht nur, dass wir uns wirklich blind verstehen, den selben Humor haben und auch sonst auf der ziemlich gleichen Welle surfen, der Sex mit ihm ist auch der beste meines Lebens. Fast ist es, als spielt er auf mir, wie auf eines seiner Instrumente, entlockt mir völlig neue Töne, die ich noch nie von mir gegeben habe. Wenn er zum Beispiel meine Brustharzen neckt, oder tief in mir meine Prostata reizt, hauchzart meine Seiten entlangfährt, mir spielerisch in den Nacken beißt und dabei meinen Mund plündert ...

"Da hast du deine Antwort", sagt Mat und bewahrt mich vor noch intensiveren Gedanken an meinen Freund. "Und Jobs gibt es auch wo anders."

"Was soll ich mit einem neuen Job?"

"Du raffst es nicht, oder?" Mat lacht. "Zieh endlich zu ihm!"

"Zu ihm ziehen ..." Als ob ich nicht auch schon daran gedacht hätte! "Ich kann nicht einfach zu ihm ziehen."

"Und warum nicht? Angst, dass er nein sagt?"

"Ja. Das auch. Außerdem wäre es unsinnig, nach sechs Monaten zusammen zu ziehen."

"Frag ihn einfach."

In Wirklichkeit glaube ich nicht dran, dass Fionn nein sagen würde, wenn ich ihn fragen würde, ob ich zu ihm ziehen kann. Im Gegenteil. Ich glaube, er wünscht es sich sogar.

"Ich werde bestimmt nicht gleich eine neue Stelle finden. Du weißt, wie scheiße es zur Zeit auf dem Arbeitsmarkt aussieht. Und meine Ersparnisse würden mich nicht lange über Wasser halten können."

"Du findest schon was. Schau dir Peer an. Der ist gerade irgendwo in England und schlägt sich dort durch."

"Ich bin nicht Peer", schmolle ich.

"Nein, aber von ihm könntest du dir ein Stückchen abschneiden."

"Vielleicht", gebe ich zu. Ich bewundere Peer für seinen Mut, einfach alles auszuprobieren.

"Nicht vielleicht! Für dich gibt es doch schon längst nur noch deinen Fionn. Mach endlich Nägel mit Köpfen und benutze die Arbeit nicht als Ausrede!"

"Okay", gebe ich mich fast schon geschlagen. "Dann habe ich noch eine andere Ausrede für dich parat." Mat verdreht die Augen. "Was ist mit dir?"

"Mit mir?"

"Ja. Wir können uns dann nicht mehr so oft sehen. Ich werde dich vermissen."

Mat lacht und schüttelt seinen Kopf. "Du Arsch! Natürlich werden wir uns sehen. Außerdem glaube ich nicht, dass ich dir jemals so sehr fehlen werden, wie dein Drehleierspieler."

"Wo du recht hast ..." Ein Löffel kommt auch mich zugeflogen. "Also ziehe ich das jetzt durch. Oder?"

"Na endlich! Ja! Zieh es durch und werde verdammt nochmal glücklich!"

Ich schließe meine Augen. Dann kündige ich also meinen Job und ziehe nach Freiburg. Ich hab Schiss!
 

***
 

Mit heftigen Bauchweh klopfe ich an die Tür meines Bosses. Ich habe Angst vor dem folgenden Gespräch. Schon immer habe ich gerne hier gearbeitet und bin auch schon lange mit dabei. Ich kündige wirklich ungern.

"Adrian! Komm schon rein. Was gibt es denn?" Richard strahlt mich an. Jetzt wird es ernst!

"Morgen Boss." Ich rücke mir den Stuhl vor seinem Schreibtisch zurecht und setze mich hin.'Tief einatmen und einfach raus damit!' "Leider muss ich kündigen." In meinem Bauch rumort es heftig.

"Kündigen? Warum? Ist irgendwas passiert?" Richard sieht richtig unglücklich aus.

"Ich will umziehen."

"Ah, daher weht der Wind! Du ziehst zu deinem Freund nehme ich an?"

"Ja. Das habe ich vor."

"Und deswegen kündigst du gleich?"

Entgeistert starre ich in sein grinsendes Gesicht. "Wie soll ich hier arbeiten, wenn ich in Freiburg wohne?"

Richard lehnt sich zurück und kreuzt seine Arme vor der Brust. "Ich wollte sowieso schon lange mal mit dir reden. Deine Artikel sind immer hervorragend, dass weißt du selbst. Teilweise hast du doppelte Arbeit, weil du die Texte der Anderen nochmal überarbeiten musst."

"Das mach ich doch gern …"

"Trotzdem! Ich habe überlegt, dass die Anderen die 'Feldarbeit' erledigen und du hinterher die Texte bearbeitest. Ich wollte dich nur noch nicht fragen, weil ich nicht wusste, ob du freiwillig auf Interviews und Freikarten verzichten würdest. Das du jetzt wegziehst, passt mir da ganz gut. Texte edieren könntest du auch wo anders. Du bekommst sie per Email und schickst sie uns zurück. Wie wäre es?"

Baff lehne ich mich zurück. "Ich kann also meinen Job behalten?"

"Wenn du ihn willst. Ich verzichte nicht gern auf dich. Du kennst dich blind mit allem aus, weißt, worauf es mir ankommt und nimmst kein Blatt vor den Mund, wenn dir was nicht passt. Und vielleicht ergibt sich ja die ein oder andere Möglichkeit und du kannst nochmal raus und selbst Berichte schreiben. Das werden wir dann sehen."

"Dann ... Dann ja! Klar sage ich da zu!"
 

Mit einem Schlag fällt mir eine große Last von der Seele. Ich behalte meinen Job und kann bei Fionn bleiben!

"Dann wäre ja alles geklärt. Ich setze einen neuen Arbeitsvertrag auf und bespreche ihn die nächsten Tage mit dir. Aber das wird rein der Form halber sein. Ich freue mich, dass du bei uns bleibst."

"Und ich mich erst!", lache ich und nehme Richard in den Arm. "Jetzt muss ich nur noch mit Fionn sprechen."

"Der weiß noch nichts von seinem Glück?"

"Nein", gebe ich zu.

"Du kündigst, bevor du das mit deinem Partner besprochen hast?"

"Warum? Ich habe doch gar nicht gekündigt!", grinse ich.
 

***
 

Unruhig schaue ich auf die Uhr. Fionn wird jede Minute in meine Wohnung schneien. Dieses Wochenende ist er zwar wieder mit seiner Band unterwegs, aber er kommt wiedermal Donnerstags zu mir. So machen wir das oft.

Nur diesmal habe ich mir frei genommen. Den neuen Arbeitsvertrag unterschreibe ich erst nächste Woche, denn Fionn weiß noch nichts davon. Ich habe beschlossen, es ihm persönlich zu sagen und nicht am Telefon. Nervös schaue ich aus dem Fenster. Wann kommt er den endlich?

Er besitzt einen Haustürschlüssel. Ist auch praktischer, da ich meist noch arbeite, wenn er ankommt. Es ist immer schön, die Tür aufzumachen und Fionn ist da. Es duftet nach Essen und leise Musik klimpert aus meinen Boxen. Längst habe ich mich an seine Lieblingsmusik gewöhnt, höre sie sogar dann, wenn Fionn nicht bei mir ist. Er schleppt immer Unmengen an CDs mit um und lässt sie dann bei mir liegen.
 

Ein Wagen hält. Ich spähe aus dem Fenster und es ist Fionn! Hektisch drehe ich mich einmal um die eigene Achse. Soll ich ihn gleich begrüßen? Ihn überraschen? Und wenn ja, wo?

Schließlich husche ich ins Schlafzimmer und hocke mich aufs Bett. Hier legt er immer zuerst seine Sachen ab. Dabei wird ihm gleich meine gepackte Tasche auffallen, denn ich will morgen Früh mit ihm zusammen zu seinem Auftritt fahren. Irgendeine Veranstaltung in einem Park. Überdacht und beheizt. Denn trotz Frühling, ist es ist noch sehr frisch draußen.

An der Wohnungstür raschelt es. Das Schloss wird geöffnet und ich bleibe mucksmäuschenstill auf dem Bett sitzen. Im Flur geht das Licht an. Fionn pfeift leise eine Melodie und bringt mich damit zum Schmunzeln. Noch nie habe ich ihn schlecht gelaunt erlebt.

Seine Schritte kommen näher, die Tür wird aufgestoßen und Fionn versucht den Lichtschalter im Schlafzimmer zu erwischen. Mit viel Gefummel schafft er es und wie erwartet: Sein Blick fällt auf meine gepackte Tasche, die genau neben der Tür liegt. Er runzelt die Stirn und sucht mit den Augen den Raum ab. Als er mich entdeckt, mustert er mich erst verdattert, dann grinst er. "Du bist ja da?" Seine Tasche fliegt zu Boden, die Drehleier behält er in der Hand und kommt zu mir.

"Überraschung", sage ich.

"Und was für eine!", lacht er, stellt seine Leier vorsichtig ab und umarmt mich fest. "Hast du frei?"

"So in etwa", antworte ich und werde nur noch nervöser. Am besten, ich sage es ihm sofort. "Ich habe ein neues Jobangebot", beginne ich.

"Wirklich? Wie kommt das? Ich dachte, du liebst deinen Job?"

"Tue ich ja auch. Aber ich musste mich entscheiden. Du oder mein Job." Ich kann förmlich sehen, wie es in Fionns Kopf arbeitet.

"Du ... Du hast gekündigt? Wegen mir?"

"Ich wollte." Nun sieht Fionn vollends verwirrt aus. "Mein Boss hat mir einen anderen Job angeboten. Doch bevor ich mich festlege, wollte ich mit dir darüber sprechen."

"Gut. Dann erzähl." Er sieht gar nicht happy aus. Mit Sicherheit denkt er, dass er gleich was Schlechtes zu hören bekommt.
 

"Richard meinte, er verliert mich nur ungern. Deshalb hat er mir ein Angebot gemacht, das ich eigentlich unmöglich ausschlagen kann." Fionn knetet seine Finger durch. Das tut er normal immer nur vor Auftritten, wenn er Lampenfieber hat. Ich sollte ihn nicht länger auf die Folter spannen! "Ich soll die Berichte und Interviews der Anderen bearbeiten und korrigieren."

"Ähm. Tust du das nicht jetzt auch schon?"

"Ja. Unter anderem. Aber ich kann es von unterwegs aus machen. Oder zum Beispiel auch von Freiburg aus. Oder Schweden."

Es erstaunt mich, aber es dauert wirklich einige Sekunden, bis es bei Fionn 'Klick' macht.

"Das heiß …"

"Wenn du einverstanden bist, komme ich mit nach Schweden und vorher mit zu dir. Ich muss nur noch am Montag den Arbeitsvertrag unterschreiben." Fionn zieht mich stürmisch in seine Arme, drückt mir fast die Luft aus den Lungen. "Das heißt wohl ja?", lache ich.

"Natürlich! Ja! Ja! Und nochmals ja!"

Wir landen mit unseren Oberkörpern quer auf meinem Bett, mein glücklich glucksender Drehleierspieler halb auf mir. Seine Zunge erobert ungehindert meinen Mund, stupst meine an, die nur zu gerne mitspielt. Ich bin sofort scharf!

Doch leider ist für heißen, überstürzten Sex eigentlich gerade keine Zeit. Es gibt noch so viel zu besprechen. "Fionn ... Warte noch." Er sieht das aber anders und schlüpft mit seiner Hand in meine Hose.

"Sicher?" Freches Kichern. "Hier unten scheint jemand ganz anderer Meinung zu sein." Ich keuche auf und biege mich der massierenden Hand entgegen. Wie kann ich diesem Argument nur widersprechen?
 

***
 

"Ich liebe dich auch", ist das Nächste, das ich mitbekomme. Warme Hände streicheln meine Stirn. Ich fange an zu grinsen. Noch immer liege ich auf Fionn und spüre das Nachglühen meines Rausches.

Als ich meine Augenlider öffne, sehe ich nur Fionns dunkle Dreadlocks. Ich greife nach einer von ihnen und zwirble sie um meine Finger. Ich liebe es, mit ihnen zu spielen.

"Ich kann es immer noch nicht glauben", brummt mein Schatz.

"Ich auch nicht." Ehrlich gesagt, weiß ich gerade gar nicht genau, über was er da überhaupt redet.

"Das wird so schön. Nur du und ich in einem Blockhaus."

"Blockhaus?", frage ich nach. Von was redet er denn?

"Ja. In Schweden. Wir haben dort kleine Hütten. Das ist so ein Art Musiklager. Ich freue mich schon so! Und jetzt noch mehr, weil ich dich nicht zurücklassen muss. Wir beide vor einem Kaminfeuer. Draußen schneit es und wir sorgen dafür, dass uns nicht kalt wird."

"Da liegt noch Schnee?", frage ich lieber schnell, um mich von dem Gedanken an verschwitzte Körper auf einem Bärenfell vorm Karmin zu verjagen. Außerdem sind wir gerade auch verschwitzt genug und auf einem Bärenfell würde ich Fionn auch nicht bekommen. Und ich mich wahrscheinlich auch nicht.

"Könnte passieren. Wir werden ziemlich nördlich sein. Ist das schlimm für dich?"

"Quatsch. Mit dir würde ich auch bis zum Südpol reisen."

"Gut zu wissen!", lacht er und raubt mir einen verlangenden Kuss.

Ich kann es gar nicht glauben, dass ich endlich Tag und Nacht bei ihm sein kann. Bei meinem Drehleierspieler. Ob in Freiburg, Schweden oder am Südpol. Ich brauche nur eins dabei.

"Sag mal ... Gibt's auf dem Südpol auch Internet?"

"Keine Ahnung. Wieso?", fragt Fionn und schaut belustigt.

"Irgendwie muss ich ja zwischen deinen Auftritten und unseren Bettabendteuern arbeiten."

Fionn lacht laut auf und begräbt mich unter sich. "Ich hoffe doch! Und wenn nicht, verlege ich höchst persönlich ein Kabel. Dich lasse ich deswegen ganz bestimmt nicht mehr allein."

"Gut zu wissen", flüstere ich gegen seine Lippen.

Ja. Wirklich gut zu wissen …
 

Ende
 


 

Ich weiß, das Ende kam jetzt etwas abrupt, aber es wird irgendwann weitergehen. Der Schwedenteil ist nämlich schon in Arbeit. Doch wie immer bei mir: Es könnte noch etwas dauern ^^““
 

Ich hoffe die kleine Story hat euch gefallen. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht über Adrian und Fionn zu schreiben.

Bis also zum zweiten Teil oder schon früher bei einer meiner nächsten Geschichten (ich verspreche, ich haue fleißig in die Tasten ;-))

Eure Fara



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Kommentare zu dieser Fanfic (25)
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Von:  Schattenschwinge
2019-05-16T10:50:07+00:00 16.05.2019 12:50
Hey

also ich finde die FF wirklich sehr schön, ich hab zuerst süßes oder saures gelesen, und war dann neugierig was du noch so hast. Normal lese ich keine eigenen Geschichten aber dein Schreibstil ist total schön und auch die Jungs sind Zucker. Ich werd jetzt mal reinlesen, was du sonst noch hast. Gibt es da eine Reihenfolge mit was man anfangen sollte? Sorry fürs am Ende erst kommentieren, aber ich finde es seltsam jedes Kapitel zu kommentieren, wenn die Geschichte schon fertig ist *Schande über mich*. Auf jeden fall großes Lob und ich freue mich wenn es nochmal was über die Beiden zu lesen gibt.

LG
Schatti
Von:  Usaria
2019-02-04T23:48:11+00:00 05.02.2019 00:48
Da muss ich Laila82 leider Zustimmen.

Man merkt einfach das du bei dieser Geschichte, viel um die Ohren gehabt hast. Was ja nicht schlimm ist. Aber von der Sprache her und vom Ausdruck hat ist sie genauso gut, nur eben das unterschiedliche Tempo wie sich die Beziehung entwickelt ist für dich ungewöhnlich.
Von:  Usaria
2019-02-04T00:09:52+00:00 04.02.2019 01:09
Huu! Da hat es aber einen tolall er wischt, mal schaun was im nächsten Kapitel geschieht, doch das gibt´s wirklich erst morgen, obwohl.
Von:  Usaria
2019-02-03T23:46:29+00:00 04.02.2019 00:46
Jaa! Dank Süßes oder Saures bin ich jetzt bei dieser Story gelandet. Tolle Geschichte.
Adrian kennt wohl noch nicht die rockige Seite des Mittelalters wie Subway to Sally. Aber ich bin mir sicher die wird er noch kennen lernen.
So jetzt habe ich wieder eine gute Nachtgeschichte.
Von:  conny104
2018-01-08T17:26:43+00:00 08.01.2018 18:26
Finde deine Geschichten toll. Würde mich freuen wenn bald was neues von dir kommt.
Von:  Laila82
2017-11-07T12:54:56+00:00 07.11.2017 13:54
Ich mag deine Ff's wirklich, aber diese hier ist irgendwie nicht ganz meins. Erst zieht sie sich wie Kaugummi und dann geht es hoppladihopp.
Von:  Ka-Sei
2017-11-05T22:54:31+00:00 05.11.2017 23:54
Super schöne Geschichte!

Freue mich schon riesig sowohl auf eine Fortsetzung also auch auf weitere Geschichten :D

Ganz liebe Grüße!
Von:  Reverie_Metherlence
2017-10-15T21:58:19+00:00 15.10.2017 23:58
Eben angefangen zu lesen und schon durch. Super geschrieben und schön zu lesen. :D Man kann sich so gut hinein versetzen. Freu mich schon auf das nächste Kapitel. :)
Von:  Yamasha
2017-10-15T13:28:03+00:00 15.10.2017 15:28
Du machst mich mit der Spannung zwischen den beiden ganz wuschig! Aber eine gute Art von wuschig. Wobei ich Georg am liebsten an die Gurgel gehen würde. So ein intolerantes Arschloch... Aber die gibt es leider immer wieder. Aber ich freu mich jetzt schon aufs nächste Kapitel. Da wird sich die Spannung hoffentlich entladen. ;)
Von:  Sheltr0n
2017-09-27T21:59:57+00:00 27.09.2017 23:59
Das mit dem tollen Internet kenn ich -.-
Hab momentan auch ziemlich Probleme damit und die netten Menschen sagen ständig, dass alles in Ordnung sei! *grummel*

Kaum sind sie zusammen, müssen sie sich wieder trennen! Das du es deinen Lieblingen immer so schwer machen mussz...
Aber keine Sorge... ich kümmere mich schon um die beiden verliebten. Ich hab noch ein Zimmer frei, das nur drauf wartet benutzt zu werden!


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