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Tales of Symphonia - Die Anfänge der Auserwählten

von

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Die Familie Wilder

„Emil!!!“ Martas Schrei ließ ihn zusammenfahren und er ließ die Bürste, mit der er Titans Fell striegelte, fallen, hetzte ins Haus und dort ins Kinderzimmer. „Was..was ist passiert?“, keuchte er atemlos und stützte sich auf den Knien ab. „Er macht es schon wieder!“ Mit vor dem Gesicht zusammengeschlagenen Händen stand Marta vor dem Bett ihres sechsjährigen Sohnes Royvas. Nun, vor den Überresten desselben. Royvas saß lachend in den Trümmern und zerlegte einen großen Stoffteddy. Genüsslich zupfte er die weiße Wollfüllung aus dem aufgerissenen Bauch und warf sie nach oben wie Konfetti. Emil knirschte mit den Zähnen. In den letzten Monaten waren fünf Betten und zehn Stofftiere der Zerstörungswut des Jungen zum Opfer gefallen. Sie verstanden nicht, warum er das tat. „Das geht so nicht weiter!“, rief Marta verzweifelt. „Du bringst den Jungen jetzt zu einem Arzt!“ Emil blinzelte und nahm den misshandelten Teddy. Sofort begann Royvas zu zetern und zu kreischen und dem jungen Mann blieb nichts anderes übrig, als seinem Sohn das arme Ding wiederzugeben. „Was sollte ein Arzt ausrichten können?“
 

„Keine Ahnung! Ist mir egal! Hauptsache, er macht überhaupt was! Ach was soll´s! Ich komme mit! Pack ein paar Sachen zusammen!“ Während Marta dem Jungen den Schlafanzug aus und die Straßenkleidung anzog, sammelte Emil ein, was benötigt wurde. Zehn Minuten später standen sie vor ihrer Haustür und sahen die Straße hinab. Palmacosta schickte sich an, aus dem nächtlichen Schlummer zu erwachen. Die Laternen wurden gelöscht, erste Geschäfte geöffnet und Stände aufgebaut. Emil hielt seine Frau zurück, als sie mit dem gemeinsamen Sohn in Richtung Markt stapfen wollte. Ihr Temperament schüchterte ihn nach all den Jahren noch immer ein. Manchmal auch ihre Liebe! Er räusperte sich. „Hast du nicht etwas vergessen?“ Sie hob die Schultern. „Wir haben noch zwei Kinder!“ „Oh...“ Fast wirkte es wie eine Offenbarung, oder alternativ wie ein Lichtblick, als sie beide jemand Wohlbekannten erspähten, der zügig auf die Residenz des Gouverneurs zulief . Noch einmal wollte er Marta zurückhalten, doch sie drückte ihm den keifenden Royvas in die Arme und rannte dem, in eine lange Kutte gehüllten, jungen Mann entgegen. Emil verdrehte die Augen, als seine Frau zurückkam und den vor Verblüffung stummen Genis mit sich zerrte. „Tut mit leid“, meinte er nur zerknirscht, als der Magier ihn musterte.
 

Endlich ließ Marta ihn los und Genis richtete sich seine Sachen neu. „Was sollte denn das?“, fragte er, nachdem er seine Stimme wiedergefunden hatte. „Du musst auf unsere Kinder aufpassen!“, entschied die aufgedrehte Brünette. „Wir sind bald zurück! Danke!“ Damit schnappte sie sich Emils Hand, der noch eine weitere Entschuldigung murmelte, und zog ihn mit sich.
 

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Ratlos blieb Genis zurück und schaute den beiden nach. Was sollte denn das?! Sie konnten ihn doch nicht einfach dermaßen überrumpeln und zum Babysitten abstellen! Hinter ihm ging die Tür auf und zaghaft wurde an seiner Kutte gezupft. Er drehte sich herum und sah hinab, in Elenas fragende, tiefgrüne Augen. Neben ihr gähnte der achtjährige Kai. Ebenso wie seine neunjährige Schwester ähnelte er Marta stark. Nur der jüngste Sohn kam vom Äußeren mehr nach Emil. Genis waren die Ausbrüche des Kleinsten durchaus bekannt. Aber woher er die hatte, war nicht nur ihm ein Rätsel.

„Onkel Genis?“,fragte Elena neugierig. „Wo sind Mama und Papa?“ Der Magier rieb sich übers Kinn. „Äh....euer Bruder ist krank und sie sind mit ihm zum Arzt gegangen. Kommt, ich mache euch Frühstück.“ Zwei Stunden später waren Emil und Marta noch immer nicht zurück und Genis warf einen besorgten Blick auf die Standuhr im Wohnzimmer. Was sollte er machen? Schließlich hatte er keine Ahnung, was er mit zwei neugierigen Kindern anfangen sollte! Seufzend ließ er sich auf einen Sessel fallen. Elena und Kai machten es sich im Schneidersitz vor ihm bequem. „Tja, möchtet ihr etwas spielen?“ Die Kinder wechselten einen aufgeregten Blick. „Nein, erzähl uns eine Geschichte!“ Der Halbelf runzelte die Stirn. „Und welche?“ „Von den Auserwählten und den geteilten Welten!“ Genis nickte und die Kinder rutschten noch näher, schauten ihn aus großen, wissbegierigen Augen an. „Also, es war so....
 

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Es geschah im Jahr 650 beider Welten. Vor einhundert Jahren waren die Welten gespalten worden und die erste Auserwählte Spiritua war nur mehr eine Legende. Seit Tagen bebte in Tethe´alla, besonders in der Region um Meltokio, die Erde. Die Erdstöße waren mal stärker, mal schwächer. Doch durch das letzte Beben hatte sich in den Kellergewölben des Schlosses ein Riss aufgetan. Groß genug, dass ein Mensch problemlos hinein passen würde. Kieran, einer der Ritter des Königs, hielt sich an einer Säule fest, bis die Erde aufhörte zu schwanken. Kaum dass es vorbei war, nahmen die Bediensteten ihre normalen Tätigkeiten wieder auf. Seltsam war das schon. Denn obwohl die Beben kräftig waren, wurde bisher nichts zerstört. Nie! Der Ritter strich sich die rostroten Haare zurück und lauschte. Aus dem Keller war doch ein Geräusch gekommen! Er stieg die Stufen in die Gewölbe hinab und entdeckte den Riss. Vorsichtig trat er heran. Viel sah er nicht.

Es war einfach ein tiefer, dunkler Spalt. Trotzdem alarmierte er seine Kollegen und den König. Da sie ohnehin nicht mehr tun konnten, wurde der Bereich abgesperrt und ein jeder angewiesen, vorerst nicht in den Keller zu gehen.
 

Daher sah auch niemand mehr, was geschah, nachdem sie die Gewölbe verlassen hatten. Bläulicher Dunst entstieg dem Bodenspalt. Schwach erstrahlte ein Licht aus den Tiefen, pulsierte rhythmisch.

Wie eine Nebelbank legte sich der blaue Dunst auf den Kellerboden, kroch und wölkte darüber und entwich durch einen kleinen Riss im Mauerwerk ins Freie. Draußen ballte der Nebel sich zusammen, glitt.durch die Luft, über Dächer und durch Gassen. Schließlich erreichte er die Slums, die wie der Rest der Stadt im nächtlichen Schlaf lagen.

Der blaue Dunst fand, was er suchte, drang in eine der ärmlichen Hütten und hielt in dem einzigen vorhandenen Zimmer inne. Mehr als diesen kargen Raum gab es nicht und er diente sowohl als Küche, als auch als Schlafraum. Dem Nebel war das ziemlich egal. Er hatte sein Ziel erreicht und glitt zu der schlafenden Gestalt. Er verformte sich und nahm eine menschenähnliche Form an. Der junge Mann, er war kaum älter als neunzehn, schnarchte beeindruckend. Rote Haarsträhnen lugten unter der Bettdecke hervor, die von ansehnlicher Länge waren. Das geisterhafte Wesen streckte eine durchsichtige Hand aus und schob die Decke zur Seite. Ja, er war eindeutig der Richtige. Deutlich spürte er die Energie Spirituas durch seine Adern fließen. „Shiron Wilder?“, flüsterte das Wesen, aber der junge Mann rührte sich nicht. Es trat einen Schritt zurück, betrachtete kurz den schönen Langbogen der neben dem Bett lehnte und den Köcher voller Pfeile. Der Mann war talentiert, das wusste es. Aber würde es genügen? Das Wesen wandte sich dem Menschen im Bett wieder zu und streckte die Hand aus. Ein schwaches Licht erstrahlte. Nach wenigen Sekunden zog es seinen Arm wieder zurück und verdampfte einfach, ohne eine Spur zurück zu lassen. Shiron wandte sich gemütlich in seinem Bett um, als ob nichts gewesen sei , schnarchte gelassen weiter und grummelte etwas vor sich hin.

Der Riss

Am nächsten Morgen wurde Shiron auf ruppige Art geweckt. Sein Vater zog ihm die Bettdecke weg und sein kleiner Bruder legte ihm einen kalten Lappen ins Gesicht. Aus der Küche hörte er seine Mutter lachen. „Aufstehen, du Schlafmütze!“, kicherte Roise und er boxte dem Kleinen in den Bauch. Nicht fest natürlich. „Warum diese Eile?“, murrte der Bogenschütze und rollte sich von der Matratze. „Wir haben einen Auftrag“, rief Iramis, sein Vater. Shiron stöhnte noch lauter, schlüpfte in seine Klamotten und schlurfte zum spärlich gedeckten Frühstückstisch. Verschlafen gähnte der Schütze und trank einen Kaffee zum wach werden. Etwas anderes konnte man bei dem tiefschwarzen Gebräu, welches seine Mutter, Tiamat, zubereitete auch nicht wirklich. Höchstens noch einem Herzinfarkt erliegen.
 

Roise war mit dem Kopf auf dem Tisch schon wieder eingenickt und auch Shiron versuchte, sich wach zu halten. Iramis klatschte seine Hände auf den Tisch auf und schon waren die beiden wieder hellwach und sahen den energiegeladenen Vater an. Iramis war wahrlich ein stattlicher Mann. Groß, kräftig und obwohl er bereits weit jenseits der Fünfzig war, noch immer mit vollem rostroten Haupthaar gesegnet. Die beeindruckende, tiefe Stimme tat ihr Übriges. „Gestern, bei dem Beben hat sich ein Riss im Kellergewölbe des Schlosses geöffnet und nun strahlt ein schwache Licht heraus. Wir sollen uns das ansehen.“ Shiron stöhnte. „Was habe ich damit zu tun?“ Immerhin war sein Vater der Baumeister. Er half nur ab und zu aus. Doch sein Vater gab keine weitere Antwort und verließ das Zimmer. Nach einer kleinen Stärkung und noch mehr schwarzem Muntermacher folgten die anderen ihm nach.

Bereits auf dem Weg zum Schloss wurden sie von Kieran abgefangen und begrüßt. .Sie folgten ihm in den Keller hinunter und blieben vor der verschlossenen Tür stehen.
 

„Was jetzt kommt, hab ihr noch nie gesehen!“, warnte er sie vor und schloss auf. Quietschend schwang die Tür auf und gab die Sicht frei. Sowohl auf den Riss mit dem Licht, als auch den blauen Dunst, der über den Boden kroch, als ob er lebte. Der Ritter des Königs verließ sie wieder und damit ihrer Arbeit. Aber was sollten sie jetzt machen? Der Riss war zu groß, um ihn einfach zu kitten. Sie würden Steine und Mörtel in rauen Mengen benötigen. Tiamat zückte bereits ein Maßband und hielt quiekend inne. Der Nebel verdichtete sich und Shiron stellte sich schützend vor seinen schreckstarren Bruder.

Eine Gestalt trat aus dem Dunst und sah Shiron an. So schien es zumindest. Das Etwas hob den Arm und deutete mit dem Finger auf den Schützen. Shiron wurde es schwindelig und ehe er in irgendeiner Weise hätte reagieren können, wurde er in ein schwarzes Loch gerissen und fiel in die Tiefe. Immer weiter und weiter. Er wollte schreien, doch seine Stimme war weg. Er konnte keinen Ton sagen. Immer weiter zog das schwarze Loch ihn in die Tiefe, bis er überraschend sanft und schwebend auf einer kleinen saftig grünen Wiese mit weißen Blumen landete. Gleichsam erschrocken und neugierig, sah er sich um. Jede Bewegung mit den Füßen wirbelte die Blütenblätter auf und ließ sie wie Schnee aussehen, der sachte dahin glitt.

Die kleine Wiese war umgeben von ebenmäßig schwarzer Dunkelheit.
 

Vor ihm stand jemand. Eine junge Frau, die ihre Augen geschlossen hielt. Lange, goldene Haare umspielten einen schlanken Körper. Das weiße Seidengewand lag an, wie eine zweite Haut. Sie war hübsch, überirdisch fast. Als Shiron ihr immer näher kam, schlug sie die Augen auf , sah ihn an und zog die Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben. Ihre Augen hatten eine leicht silbrigen Ton und strahlten eine angenehme Wärme aus. Er trat auf sie zu. „Wo bin ich hier?!“, rief er.

„In meinen Gedanken“.

„In deinen Gedanken?!“, wiederholte der Schütze.

„Ja!“ Sie drehte sich einmal um sich selbst. Ich bin Masara. Ein allmächtiges Wesen.“

„Warum hast du mich hierher geholt?!“.

„Du bist der Auserwählte von Tethe´allas. Die Welt befindet sich in Gefahr. Die Welt wie du sie kennst, wird bald nicht mehr sein. Sie stirbt.“ Ihre Stimme hatte einen sanften Klang und doch war sie kraftvoll und stark.

„Wie meinst du das?!“ Shiron konnte ihr nicht ganz folgen.„Tief unter der Erde befindet sich ein riesiges Manavorkommen. Doch es wurde versiegelt. Der lebenspendende Manabaum ist schwach. Kaum mehr, als ein Schatten seiner Selbst. Doch ohne Mana wird die Welt sterben. Deine Aufgabe ist es, die verstecken Siegel zu finden und zu öffnen. Damit wieder Mana hinaufsteigen kann. Vielleicht rettet es sogar den Baum.“ Shiron sah sie ungläubig an. Musste sie ihm all das einfach so an den Kopf knallen? „Such dir jemand anderen, der das für dich macht!!“

„Das kann ich nicht. Du bist der Richtige, denn du bist der einzig wahre Nachfahre Spirituas.“ Shiron kniff seine Augen zusammen. In ihren Worten schwang mehr mit, als sie sagte. „Ich und wer noch?“, fragte er daher rundheraus. „Das ist nicht wichtig. Du gehörst zum Mana – Clan und es wird deine Aufgabe sein, die Welt zu retten.“ Sie verschwand wie ein Geist.
 

Shiron glaubte, einen kräftigen Faustschlag ins Gesicht zu bekommen und zu Boden geschlagen zu werden. Keuchend rappelte er sich auf und sah sich um. Er war noch immer im Keller. Sein Vater hatte noch immer die Faust erhoben. Hatte er ihn geschlagen, um ihn in die Realität zurückzuholen? Wirklich nett!, dachte er sich angesäuert. Nun, die Wiese war wohl nur ein Traum gewesen. Was auch sonst? Er stand auf, klopfte sich den Staub von den Sachen und sah seine Familie an. Doch sowohl seine Mutter, als auch sein Vater und der kleine Bruder schauten ihn komisch an. Roise schließlich deutete ihm auf den Hals. „Was ist das?“, fragte er ein wenig ängstlich. Shiron tastete danach und berührte etwas Kaltes, Glattes und Erhabenes. Es fühlte sich an, als wäre es aus seiner Haut gebrochen. Die Kellertür wurde geöffnet und Kieran steckte seinen rostroten Haarschopf hinein. „Wie kommt ihr vor....“ Er unterbrach sich, als er die Vier wie angewurzelt vor dem Spalt stehen sah. Was sie so sehr verstörte, entdeckte er ebenso rasch.

„Das ist ein Cruxis – Kristall, das Zeichen der Auserwählten“, rief der Ritter.

Shiron wandte sich ihm zu. Kierans Augen glänzten vor Begeisterung. Er konnte das nicht nachvollziehen und am allerwenigsten fühlte er sich wohl mit diesem Ding unter seinem Hals. Daher versuchte er, den Kristall mit spitzen Fingern zu entfernen. Aber es half nichts. Das dumme Teil war wie festgenagelt. Zog er zu stark daran, glaubte er, sich übergeben zu müssen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen. Dann stampfte er auf seinen Vater zu und hob drohend die Faust. „Schlag mich nie wieder!“
 

„Du warst völlig geistesabwesend! Wir haben an dir gerüttelt , aber du hast nicht reagiert!“, verteidigte sich der Mann laut , stemmte die Arme in die Seite und sah seinen ältesten Sohn grimmig an. Inzwischen hatte Kieran sich wieder gefangen und zeigte auf den Riss. „Und jetzt?“ Da es unmöglich war, den Riss einfach zuzumauern, beschlossen sie, in ihn hinabzusteigen. So konnten sie möglicherweise auch die Quelle des Lichts ausfindig machen.

Ein paar Seile waren schnell aufgetan. Sie fixierten die Taue mit Haken und ließen sich in die Tiefe hinab. Es dauerte länger, als sie dachten, doch schließlich erreichten sie festen Boden.

Staunend sahen sie sich um. Viel hatten sie erwartet, aber nicht in einer riesigen Höhle anzukommen. Sie war groß genug, dass sie den gesamten Untergrund der Stadt umspannen musste. Überall tropfte Wasser von den Steinen und lief in einer Wasserrinne davon. Sie folgten dem Weg der sich durch die Höhle wand. Immer wieder kamen sie an kleinen klaren Seen und Flüssen vorbei. Fackeln benötigten sie nicht, denn das Licht erfüllte die gesamte Höhle. Aber wo kam es her? Der Weg schien kein Ende nehmen zu wollen und daher beschloss Shiron, dass sie eine Rast einlegen sollten. Wieso war dieses unterirdische Gewölbe bisher nicht entdeckt worden? hatte sie noch niemand bemerkt?

Sie ließen sich an einem der Seen nieder und labten sich an den frischen, kalten Nass. Shiron betrachtete sein Spiegelbild und konnte es immer noch nicht glauben. Er und Auserwählter? Das passte einfach nicht zusammen ganz und gar nicht. Jeder andere musste doch besser geeignet sein, als er! Die Göttin musste sich geirrt haben. Ja, ganz sicher sogar! Nach einigen Minuten setzten sie ihren Weg fort, fest entschlossen, das Geheimnis der Höhle zu erforschen.
 

Die Luft in dem Gewölbe war feucht und kühl. Es roch moderig und nach Fäulnis. Der Boden unter ihnen wurde allmählich glitschig und von Algen Als Shiron einen kühlen Hauch spürte, drehte er sich um und zog wütend die Brauen zusammen.

Der blaue Dunst war ihnen gefolgt und nahm wieder Form an, „Was willst du!!“ brüllte der Schütze es an und schon landete er wieder in Masaras Gedanken. Wieder standen sie auf der Wiese mit den weißen Blumen die aufwirbelten, wenn er auf sie zu lief.

„Lass mich in Ruhe!!“, forderte er sie auf, doch sie sah ihn einfach nur lächelnd an. Sie sagte nichts und das machte Shiron etwas Angst. Dennoch wich er nicht von seiner Stelle. „Sei nicht so sauer. Deine Reise wird aufregend. Du wirst geheimnisvolle Orte erkunden und neue Freunde finden. Ist das nichts?“

„Ich hab es dir schon mal gesagt!“, fauchte er. „Such dir jemand anderen, der das für dich macht!!“.

Masara blieb stumm, schloss die Augen, ließ ihre Haare im Wind wehen und breitete strahlend weiße Schwingen aus. Shiron setzte sich auf dem Boden , verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust und sah ziemlich finster drein.
 

Masara wirbelte einmal um ihre eigene Achse und setzte sich neben ihn. Knurrend rückte ein Stück weiter zur Seite.

„Weißt du, warum die Erde bebt?“, wurde er nach einigen stummen Minuten gefragt und schüttelte den Kopf unwissend.

„Weil die Zugänge zu dem Mana vor zwei Jahren versiegelt wurden. In einer der Manakammern ist hoher Druck entstanden und aus diesem Grund bebt die Erde.“ „Und weiter?“, fragte der Schütze, nun doch ein wenig interessiert. „Wenn es erst mal wieder genügend Mana gibt, dann eröffnest du der Welt unendliche Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln. Die letzte Auserwählte scheiterte an der Aufgabe die Manazugänge vollständig zu öffnen.“ Sie erhob sich wieder und verschwand. Shiron fand sich wieder bei den anderen und sah sich um. Seine Familie und Kieran schauten ihn ratlos an. Der blaue Dunst zog sich wieder zurück und hinterließ nicht den Hauch einer Spur.

Sie nahmen ihren unbekannten Weg schließlich wieder auf. Langsam schien das Licht näher zu kommen und neuen Mutes liefen sie etwas schneller. Die Ursache fanden sie in einer Art Dom. Ein Wesen mit weißen Schwingen, von Rosenranken umschlungen stand vor ihnen. Es schien zu schlafen.

„Was ist das?“ , fragte Roise.

„Ist das ein Engel?“,meinte Kieran

Shiron trat näher und legte eine Hand auf das Wesen. Die blühenden Schlingen lösten sich und das Geschöpf stieg empor. Das Licht verstärkte sich und beleuchte den ganzen Höhlenabschnitt. Angespannt schnappten alle Anwesenden nach Luft. Sie standen auf einem breiten Vorsprung. Eine Stadt, größer noch als Meltokio erstreckte sich unter ihnen. Wie war es nur möglich, dass sich unter der Stadt noch eine Stadt befand? Das Wesen stieg höher, die Schwingen erstrahlten und verschwanden. Es schwebte zu ihnen zurück auf den Vorsprung. Aus den Ranken formte sich ein Stab. Jetzt erst erkannten sie , dass das zierliche Wesen ein Mann war. Er öffnete seine Augen. So etwas hatten sie noch nie gesehen. Die Augen waren schneeweiß. Eine erkennbare Iris oder Pupille gab es nicht. Die langen, grünlichen Haare fielen seidig über schmale Schultern und wirkten auf der silbernen Robe ein wenig wie frisches Moos. „Ist der Auserwählte des Mana unter euch?!“. Shiron hob einen Arm und machte so auf sich aufmerksam. „Und wer bist du? Was bist du?“
 

„Ich bin Zent, ein Engel. Auserwählter, von nun an werde ich Euch auf Eurer Reise begleiten.“ Er verbeugte sich ehrenvoll.

„Ich heiße Shiron, okay!“, warf er ihm an den Kopf. Der Engel richtete seinen Blick wieder zu ihn hinauf und nickte verständlich. Kieran trat vor und sprach den Engel an: „Was ist das für eine Stadt?“ Der Engel wandte den Blick in die große Höhle unter ihnen. „Lantash. In ihr lebt seit Ewigkeiten niemand mehr“. Er wandte sich wieder Shiron zu: „Da Ihr mich erweckt habt, müssen wir meine Federn wieder einsammeln. Sie wurden auf dem ganzen Kontinent verstreut. In den falschen Händen können sie großen Schaden anrichten. Der Schütze sah ihn etwas verärgert an: „Warum ich?!“.

„Weil Ihr der Auserwählte seid“.

„Ich will aber nicht!!“, brüllte er.

„Aber Ihr tragt den Cruxis – Kristall. Das Zeichen der Auserwählten. Ihr müsst also! Zum Wohle Eurer Welt.“

„Was können deine Federn denn anrichten?“, fragte Roise freundlich. Zent sah zu ihm hinab und ging in die Knie: „Für den Großteil der Bevölkerung sind meine Federn nicht sichtbar. Werden sie aber dennoch aufgehoben, sagen wir mal, von einer reinen Person, passiert nichts. Wir sie jedoch von jemandem aufgehoben, der Hass in sich trägt, oder unreinen Herzens ist , so wird er in das Böse verwandelt.“ Er erhob sich wieder und sah den Auserwählen an: „Ich besitze 1152 Federn und die müssen wir alle wieder zusammen tragen“. Shiron sah ihn finster an: „Du hast einen Knall!!“ Mit diesen Worten ging er und fand eine Leiter, die hinunter in die Stadt führte. Er stieg hinab und ließ die anderen einfach stehen.
 

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„Du, Onkel Genis?“ Der Halbelf unterbrach seine Erzählung und sah in Kais neugieriges Gesicht. „Ja?“ „Ich dachte, Mithos hat das ganze Mana in den göttlichen Keim getan.“ Genis nickte und strich dem Jungen durch die hellbraunen Strubbelhaare. „Das ist richtig. Aber zu dieser Zeit, war Mithos noch damit beschäftigt, sein Reich zu errichten. Der Baum war noch nicht verdorrt und wurde von Ratatosk beschützt. Daher gab es auch noch keinen göttlichen Keim.“ „Trotzdem gab es aber schon Auserwählte?“, hakte Elena nach. „Natürlich. Allerdings hatten sie noch nicht die Funktion die ihr kennt.“ Aufgeregt nickten die Kinder verstehend. „Und woher weißt du das alles?“, wollte Kai wissen. Genis konnte sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge beißen, bevor er „Euer Vater hat es mir erzählt“ sagen konnte.
 

Marta und Emil achteten tunlichst darauf, dass die Kinder nichts von Emils Vergangenheit erfuhren. Wenn sie alt genug waren, würden sie es gewiss erzählen. Aber noch waren die Kinder einfach zu klein, um es verstehen zu können. Die Standuhr im Wohnzimmer schlug zur Mittagszeit. „Ich mache euch etwas zu Essen“, lächelte Genis und wollte sich aus dem Sessel erheben. „Nein!Wir wollen noch mehr hören!“ Drohend hob Genis den Zeigefinger. „Erst nach dem Essen!“ Schmollend standen die Geschwister auf und folgten ihm schließlich in die Küche.

Die geheimnisvolle Stadt

Hastig schlangen Kai und Elena den Auflauf herunter, den Genis in kürzester Zeit gezaubert hatte. Vermutlich schmeckten sie nicht mal was! Kleine Banausen! Aber der Magier dachte sich den Grund bereits. Sie wollten einfach nur die Geschichte weiter hören. Nur, wo blieben Marta und Emil? Zu welchem Arzt brachten sie den Jungen bloß? Elena schob als Erste ihren Teller zur Seite und rieb sich den Bauch. Gleich darauf war auch Kai soweit und ohne ein weiteres Wort stürmten die beiden ins Wohnzimmer zurück und ließen sich vor den Sessel fallen. „Beeil dich, Onkel Genis!“, drängten sie ihn mit sich überschlagenden Stimmen. Resigniert seufzte er, spülte im Eiltempo das Geschirr und setzte sich schließlich zu den Kindern. Nachdenklich kratzte er sich hinter dem linken Ohr. „Wo waren wir stehengeblieben?“ „Shiron ist zu der Stadt runter geklettert!“, riefen beide wie aus einem Munde. Aufmerksam waren sie ja! Er schmunzelte leicht. „Gut, also. Wütend über die ihm zugetragene Aufgabe, kletterte der erste Auserwählte der Wilders zu der verlassenen Stadt. Eigentlich wollte er einfach nur weg...“
 

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Shiron lief durch die leeren Straßen der alten Metropole. Die Gebäude waren erstaunlich gut erhalten, es waren kaum Spuren von Zerfall zu sehen. In eines der Häuser sah er hinein. Die Inneneinrichtung machte den Eindruck, als ob die Bewohner schlagartig verschwunden seien. Auch der Rest der Stadt wirkte so, als ob alles stehen und liegen gelassen worden war. Bevor die Bewohner verschwanden,musste ein Fest stattgefunden haben. Er entdeckte noch einiges von der Dekoration..Was war nur geschehen?

Obwohl es kein Sonnenlicht gab, wuchsen merkwürdige Pflanzen an den Wegrändern und erblühten in schönen violetten Farbtönen . Er ging näher heran, kniete sich vor einer nieder und streckte die Hand aus. Ihre Blütenblätter fühlten sich samtig weich an und zerfielen plötzlich in seinen Fingern zu Staub, wie auch der Rest der Pflanze.

Der junge Schütze erhob sich wieder und lief weiter, bis er auf eine hohe Wand stieß und gezwungen war, stehenzubleiben. Bis auf ein eingraviertes Wappen war die Wand kahl.
 

Shiron schürzte die Lippen, sah es sich genauer an und legte eine Hand dagegen. Ein Beben ließ die Höhle erzittern und das Wappen erleuchtete schlagartig, Shiron nahm seine Hand erschrocken weg und sah, wie sich langsam, sehr langsam, die Wand aus dem Boden schob. Sie gab einen Durchgang frei aus welchem stickige Luft drang. Aus dem Raum hinter der Wand erstrahlten kristallschöne Farben und tauchten den Raum in ein verträumtes Licht. In der Mitte, so konnte er erkennen, stand ein Altar und dort, auf einer kleinen Platte, schwebte etwas. Es hatte die Form eines Wassertropfens und funkelte in einem hellen Blau.
 

Er trat näher, nahm es in die Hand und wandte es einige Male durch seine Finger. An dem Ding war nichts Besonderes. Er wollte es zurücklegen, da machte es sich quasi selbstständig und schwebte hinauf. Der Tropfen faltete sich auseinander, wie eine erblühende Knospe und zurück blieb ein kristallähnliche, perfekt geformte Kugel. Shiron wich zurück. Vor seinen Augen erschien ein Wesen, welches am ehesten einem Tiger ähnelte. Das Fell war flammendrot, die Ohren lang und spitz und der dünne Schweif besaß an der Spitze einen flauschigen Fellwust. Um den kräftigen lief etwas, was einer Kette aus unzähligen weißen Kristallen ähnelte und in vielen Facetten schimmerte.

Das Ding war groß. Wirklich groß! Es reichte ihm bis über die Hüfte. Der Tiger gähnte und entblößte gefährlich aussehende Zähne. Langsam öffnete es seine Augen und setzte sich auf sein Hinterteil. Die Augen waren leuchtend gelb, mit tiefschwarzer Pupille. Shiron schluckte trocken und sah sich längst als Snack im Maul dieses Monsters verschwinden. Doch es griff ihn nicht an, sondern erhob sich geschmeidig, schritt stolz auf ihn zu und schnupperte zutraulich an seiner Kleidung.

„Geh weg, du Biest!“, fauchte der Rothaarige das Wesen an. „Ich bin doch kein Biest“, maulte das Geschöpf mit angenehmer Stimme. „Ich bin Lenox, der Centurion der Zeit!“ Shiron starrte ihn offenen Mundes an. Das Ding konnte ja sprechen!

Damit hatte er nicht gerechnet.
 

„Du musst Shiron sein, der Auserwählte Tethe´allas. Habe ich Recht?“ Lenox lief durch den Raum, öffnete mit seiner Pranke ein kleines Fach im Stein und holte eine Schatulle heraus. Die schob er zu dem Rotschopf hinüber und öffnete sie. Im Innern, gebettet auf roten Samt, lag ein länglicher, blauer Kristall. Shiron nahm ihn in die Hand und sah das Wesen wieder an: „Das ist ein Zeitkristall“, erklärte es. „Er wird dir nützlich sein!“.

Lenox stellte seine Ohren auf und lauschte: „Deine Freunde sind auf dem Weg hierher!“. Shiron steckte den Kristall ein und verließ den Altarraum an der Seite des Wesens.

Sogar der Engel war mitgekommen und kam auf ihn zu. „Wie ich sehe, habt Ihr Lenox befreit, das ist gut. Auf seine Hilfe können wir nicht verzichten.“ Der Engel war hörbar erfreut. Zent wandte sich ihm direkt zu. „Für Eure Reise dürft Ihr jemanden bestimmen, der Euch begleitet. Wählt!“ Shiron sah ihn an: „Ich gehe nicht auf diese blöde Reise!“ „Ihr werdet und müsst!“, bestimmte der Engel resolut.
 

Der blaue Dunst bildete sich erneut und Shiron ahnte, was gleich kam. Doch diesmal fand er sich nicht allein auf der Wiese wieder. Zent und Lenox waren bei ihm. Masara lächelte sie an. „Lass mich bitte in Ruhe!!“, brüllte Shinon sie wieder an. Daraufhin verpasste Lenox ihm eine mit seinen Schweif: „Ey Alter! Hast du einen Knall? Das ist Masara. Für uns ist sie eine Göttin! Du kannst ihr nicht einfach derart respektlos gegenübertreten!“

„Lenox, ist schon gut“, gab sie von sich und trat auf die drei zu: „Die Reise des Auserwählten beginnt. Damit die Wahl nicht zu schwer wird, habe ich dir eine Person aus deinem Freundeskreis ausgesucht, die dich begleiten wird.“ Masara ließ eine weitere Person erscheinen. „Och nöö!“, meinte Shiron. Der kräftige, blonde Mann schaute sich hastig um und entdeckte ihn. „Hi, Shiron!Aähh..Wo bin ich hier gelandet!?“

„In meiner kleinen verrückten Welt, Geta“, antwortete er seufzend. Ausgerechnet seinen Sandkastenfreund musste sie herholen! Nicht, dass er ihn nicht mochte. Im Gegenteil. Aber neben allen Vorzügen, wie Stärke, Ehrlichkeit und Treue, war Geta leider auch ein furchtbarer Weiberheld, der keinem kurzen Rock widerstehen konnte.

„Sehr lustig“,schnaufte der Blonde. „Also ernsthaft, wo bin ich hier?!“.
 

„In meinen Gedanken“, sagte Masara und sah ihn an. Geta wirkte, als wolle er jeden Augenblick den Verstand verlieren. Glücklicherweise geschah das nicht. „Das Team ist nun vollständig. Viel Glück!“ Mit diesen Worten waren sie wieder bei den anderen. Shirons Eltern, Roise und der Ritter starrten sie ungläubig an. Besonders den urplötzlich aufgetauchten Geta. Der sah sich um. „Was war das?! Und vor allem, wo sind wir jetzt?“

„Das erkläre ich dir später!“, sagte Shiron trocken und lief dem Höhlenausgang entgegen. Er wollte einfach nur weg von hier und das so schnell wie möglich.

Etwas ließ die Höhle erzittern, brach durch die Wand und versperrte ihnen den Weg. Das Monster brüllte, schlug um sich und zertrümmerte eines der Häuser. Sie rannten vor dem Etwas weg, doch es folgte ihnen durch die Stadt. Sie rannten und rannten, aber das Monster blieb ihnen dicht auf den Fersen und ließ sich nicht abschütteln. Es verfolgte sie verbissen und machte alles nieder,was ihm in den Weg kam. Hinter einer Häuserecke blieben sie stehen und rangen nach Luft. Sie versuchten so leise wie möglich zu sein, damit es sie nicht fand. „Was ist das und wo kommt es her?!“, keuchte Shiron.

„Das ist ein Kraftloser Golem. Es sind eigentlich friedvolle Geschöpfe“, erklärte Lenox.

„Warum jagt es uns?“, japste Geta.
 

„Jemand muss es kontrollieren!“, meinte Zent und sah um die Ecke, um nach dem Monster zu schauen.

In einer Seitengasse erschien wieder der blaue Dunst und wies auf etwas hin. Shiron rannte hinüber, ebenso die anderen. Der Golem bemerkte sie nicht. Sie standen jedoch mitten auf einen Marktplatz, praktisch wie auf dem Präsentierteller. Doch auf dem Platz stand ein großer Stein und in diesem steckte ein Schwert.

Das Monster schoss aus einer Hausreihe hervor und machte Halt vor ihnen. Ein Mann stand auf der Schulter des Golems und sah auf sie herab. „So, so. Das ist also der Auserwählte. Freut mich dich endlich zu treffen. Ich bin Noros!“ Noros, ein kräftiger Mann mit langen schwarzen Haaren und rötlich wirkenden Augen, richtete sich auf der Schulter auf. Shiron kniff seine Augen zusammen. Da war was! Er konnte es fühlen! „Halbelf!“ Beeindruckt hob der Hüne eine Braue.

„Ganz recht!“ Die Mundwinkel des Mannes verzogen sich zu einem breiten Grinsen. Er packte eine Peitsche aus und schlug damit auf den Golem ein. Dieser löste mit einem festen Aufstampfen ein Beben aus, welches den Platz spaltete und sie alle in die Tiefe riss. Er hörte die Stimme seiner Mutter, die verzweifelt seinen Namen rief. Während er in der Bewusstlosigkeit versank, nahm er jedoch auch Getas starke Hand wahr, die ihn hielt und spürte Lenox´wärmende Präsenz. Dann versagte sein Geist und den unausweichlichen Aufprall spürte er ebenso wenig, wie die Arme, die ihn hochhoben, wegtrugen und in ein warmes Bett legten.
 

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Genis räusperte sich. Sein Hals war inzwischen staubtrocken. Die Geschwister schauten ihn gebannt an. Kai nagte an seinen Fingernägeln und Elena kaute auf einer Haarsträhne herum. „Noch nicht aufhören“, nörgelten sie. „Doch, jetzt ist erst mal Schluss. Ich brauche eine Pause und etwas zum trinken.“ Am besten einen Wein, setzte er in Gedanken hinzu. „Später kann ich weitererzählen und dann erzähle ich euch von Colettes Vorfahren. Einverstanden?“ „Jaaaa!“,jubelten die Kinder und verschwanden in ihrem Zimmer.
 

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Währenddessen in einem Vorort Palmacostas
 

„Raus!“, brüllte der gebeutelte Doktor, schob Marta und Emil vor die Tür, knallte dieselbe zu und verschloss sie zusätzlich. Der Einzige der relativ glücklich erschien, war Royvas. Er zerlegte das Stethoskop welches er dem Arzt entrissen hatte. „Und jetzt?“, fragte Marta, enttäuscht das der Arzt nicht hatte helfen können. Emil rieb sich über die Stirn. „Keine Ahnung. Wir können froh sein, wenn der Doktor uns nicht verklagt!“ Das meinte er absolut ernst, denn der Mann hatte sie nicht ohne Grund aus seiner Praxis geworfen. Zu Beginn der Untersuchung war Royvas noch umgänglich gewesen, doch als ihm das kalte Stethoskop auf die Brust gedrückt wurde, war er ausgerastet. Er hatte es dem Arzt weggerissen, ihn dabei gewürgt und zusätzlich mit einem Faustschlag eine blutige Nase verpasst. Der Junge war eindeutig zu stark für sein Alter!

„Wir gehen einfach zu dem Nächsten!“, rief Marta und Emil hob die Schultern. „Da wird es kaum anders ablaufen.“ „Mmh..In Melin gibt es angeblich einen Spezialisten für obskure Krankheiten. Lass uns dorthin gehen.“ Der Blondschopf schnaubte. In dem kleinen Ort, der nur wenige Kilometer entfernt lag, gab es auch noch anderes Obskures. Freiwillig würde er da niemals hingehen! Musste er auch nicht, denn Marta zerrte ihn bereits hinter sich her...

Aufbruch

Genis´ Nacht war kurz gewesen. Bis nach Mitternacht hatte er auf Emils und Martas Rückkehr gewartet. Leider vergeblich. Er gönnte sich eine flüchtige Katzenwäsche und brühte sich anschließend einen Kaffee auf. Schwarz und stark. Ein großer Schluck vertrieb die restliche Müdigkeit aus seinen Gliedern. Die Türglocke wurde angeschlagen und er stellte die Tasse ab, schlurfte zum Eingang und öffnete gähnend. „Guten Morgen!“, brüllte ihn ein Bote überaus fröhlich an und überreichte ihm einen Brief. Genis knallte die Tür zu und öffnete den Umschlag. Mehrmal drehte er ihn hin und her, stellte ihn auf den Kopf und wieder zurück, als er erkannte, dass der Anfang tatsächlich oben war. „Puh! Engelssprache ist leichter zu lesen!“ Zehn Minuten später hatte er die Kritzelei entziffert und rieb sich stöhnend über die Stirn. Das würden die beiden ihm ordentlich bezahlen müssen!
 

„Morgen, Onkel Genis“, grüßten ihn die Geschwister im Gleichklang. Kais Schlafanzug hing nur noch zur Hälfte an dem kleinen Körper und Elena schleifte einen Teddybär hinter sich her, der größer war, als sie selbst. „Morgen, ihr Süßen. Geht ihr euch bitte waschen? Ich muss ganz schnell zu Gouverneur Neil. Danach mache ich euch Frühstück.“ Die beiden nickten und huschten ins Bad. Genis schlüpfte in seine Klamotten, rannte nach draußen und warf einen Blick auf die Monster, die Emil nach seiner Reise behalten hatte. Zur Not würde er die kleineren und niedlichen Exemplare selbst füttern, aber zu den Großen brachten ihn keine zehn Pferde! Neil würde ihm auch dabei vielleicht helfen können.
 

Das Gespräch mit dem Gouverneur fiel kurz aus und Neil sicherte ihm zu, dass Raine über seinen Verbleib informiert wurde. Auch um einen Futtermeister für die Monster wollte er sich kümmern. Erleichtert ging es für den Magier zurück zu dem großen Haus am Rande Palmacostas. Elena und Kai saßen bereits mit einem Glas Milch am Tisch und warteten. Sie hatten sich selbst recht adrett angezogen und frisiert. „Brave Kinder“, lächelte er und erntete breites Grinsen. Wie es sich gehörte, bereitete er den Beiden etwas Gesundes und sah ihnen zu. Je mehr sich die Schalen leerten, desto unruhiger wurden die Kinder. Genis ahnte die Frage, die sie ihm stellen wollten und als auch die Küche wieder annehmbar aussah, erwarteten die Sprösslinge seiner Freunde ihn mit leuchtenden Augen vor dem Kamin im Wohnzimmer. Er begann ohne Umschweife, doch als er von Colettes Vorfahren berichten wollte, maulten die Geschwister. Also setzte er an, wo er am Vortag aufhörte....
 

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Shiron kam in einem Bett zu sich und sah sich um. Zu seinem Erstaunen befand er sich in einem der Gästezimmer im Schloss. Ritter Kieran und die junge Königin Lisa beugten sich über ihn und schauten ihn besorgt an. Neben ihm, ein Bett weiter, schnarchte Geta. Egal, was geschehen war, sie hatten es wohl beide recht gut überstanden. Aber wo war seine Familie? Wohin waren sie verschwunden? Shiron setzte sich auf.

Auf einen Teppich vor dem Bett schlief Lenox friedlich und auf einen Stuhl saß Zent, vertieft in ein Buch. Shiron fasste sich vor Schmerzen an den Kopf und spürte einen dicken Verband.

„Was ist passiert?“, fragte Kieran und der Schütze erzählte alles was er noch in Erinnerung hatte…

Die anderen sahen ihn gebannt an und wollte dies nicht glauben: „Aber es ist wahr…“ Mehr sagte er nicht und senkte bedrückt den Kopf.

„Mit Sicherheit hat Noros deine Familie gefangen genommen“, sprach der Engel und klappte das Buch zusammen.

„Aber warum?!“.
 

„Um euch dazu zu bewegen die Reise anzutreten und die Manazugänge zu öffnen. Er verfolgt irgendein Ziel, bei dem er eure Hilfe braucht“, gab der Engel wieder, stand und bewegte sich auf das Bett zu. Auch Lenox erwachte, erhob sich, streckte sich genüsslich und gähnte: „Hat das gut getan!“.

„Und warum hat Geta es geschafft?!“

„Weil er von Masara beschützt wurde und sie war es auch, die uns in den Keller zurück brachte“, erklärte Lenox.

„Beherrscht ihr auch den Schwertkampf?“, fragte Zent unvermittelt und sah ihn aus seinen schneeweißen Pupillen an.

„Ja. Das können wir beide ganz passabel.“
 

Schnarchend wandte Geta sich im Bett um und bekam nichts mit. Die anderen sahen ihn an und wandten den Blick wieder Shiron zu. Der saß in seinem Bett aufrecht und sah zur Bettdecke hinab: „Bitte lasst mich für eine Weile alleine“, bat er die anderen und sie kamen seiner Bitte verständnisvoll nach. Auch Lenox und Zent gingen und begannen, das Schloss zu erkunden.. Shiron saß in seinem Bett und weinte leise. Etwas, was er niemals vor den anderen machen würde. Höchstens noch vor Geta, aber der sägte eh gerade ganze Wälder ab.

Was sollte er nur tun? Er musste doch seine Familie retten! Aber dafür musste er auf eine Reise gehen, die gewiss nicht ungefährlich war. Spielte er damit Noros nicht genau in die Hände? Schließlich lag es in dessen Interesse, dass die Manapunkte geöffnet wurden.
 

Er seufzte vernehmlich. Bis gestern war sein Leben noch unbeschwert und nach seinen Vorstellungen gewesen. Nun war es vollkommen aus den Fugen geraten und musste wieder gerade gebogen werden. Weinen half da nur sehr wenig oder gar nicht und das wusste er. Er wischte sich über die Augen und holte tief Luft. Warum musste seine Familie zum Mana – Clan gehören? Warum nur das alles?

Masara kroch durch den Türspalt in den Raum und nahm Form an.

„Verschwinde! Ich habe keine Lust mit dir zu reden!“, fauchte Shiron wütend und tatsächlich verzog sie sich wieder. Er versank wieder tiefer in sein Selbstmitleid und seine wirren Gedanken begannen, sich im Kreis zu drehen. Endlos wiederholten sich die Fragen, auf die er doch keine Antwort wusste.
 

Langsam fasste er einen Entschluss, erhob sich aus dem Bett und trat an Getas Bett. Grob stupste er ihn an. „He! Wach auf!“ Sein Freund murmelte etwas Unverständliches und rollte sich auf die andere Seite. „Mhm...“ Er hielt ihm die Nase zu. Lange brauchte er nicht zu warten und Geta erwachte schnaufend aus seinen süßen Träumen. „Los, aufstehen!“

„Warum denn?“.

„Es gibt Arbeit!“ Er zog ihm die Bettdecke weg und schmiss sie auf das andere Bett. Das Gejammer seines Freundes ignorierte er und schlüpfte in seine Sachen.
 

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Draußen auf dem Hof befanden sich die anderen und unterhielten sich mit den beiden Wesen aus der unterirdischen Stadt und wollten alles darüber wissen. Lenox sah zur Sonne hinauf: „Es ist lange her, dass ich die Sonne auf meinen Fell gespürt habe“.

„Komm ihr bloß nicht zu nahe, sonst verbrennst du!“, knallte Shiron ihm nur halb im Scherz an den Kopf. Der Centurion wandte sich um und sah ihn und Geta näher kommen.

„Können wir aufbrechen?!“, fragte Shiron argwöhnisch.

„Gewiss, Auserwählter“,antwortete Zent, sichtlich erfreut, dass der Rotschopf sich entschlossen hatte, die Reise anzutreten.

„Noch was! Hör auf mich Auserwählter zu nennen! Ich heiße Shiron… Shiron Wilder!!“.
 

„Okay, Master Shiron!“ Er sah den Engel an und grinste: „Daran könnte ich mich gewöhnen!“.

Die bisher schweigsame Königin klatschte erfreut in die Hände und zwei Diener eilten herbei. „Bitte nehmt dies auf Eure Reise mit. Ihr werdet es gewiss gebrauchen können. “ Dankabr nahmen Shiron und Geta die Waffen, zwei schöne Schwerter, und den Proviantbeutel entgegen.

Der Abschied war kurz, aber für alle schwer und brachen der erste Auserwählte und dessen bester Freund zusammen auf, um die Welt vor dem drohenden Untergang zu bewahren. Shiron wollte vor allem seine Familie retten, die ihm das Wichtigste überhaupt war. Natürlich war ihm bewusst, dass das eine nicht ohne das andere ging. Er konnte nicht seine Liebsten retten und anschließend die Welt untergehen lassen. Trotzdem missfiel es ihm, dass man ihm diese Last einfach ungefragt auf die Schultern geknallt hatte.
 

Doch Geta pfiff fröhlich vor sich hin und schließlich ließ er sich von dem sonnigen Gemüt seines Freundes anstecken und schob die düsteren Gedanken beiseite. Sie wussten nicht, was vor ihnen lag, was sie erwartete. Aber eines wussten sie mit Sicherheit, ihre Reise würde gefährlich.

Die erste Feder

Genis unterbrach sich, als Elena kicherte. „Warum lachst du?“ Sie hielt sich ihre Hände vor den Mund und prustete zwischen ihren Fingern hindurch. „Ich glaube, dieser Shiron war ein Faulpelz und Geta ein Hohlkopf!“ Der Halbelf lehnte sich zurück und nippte an seinem erkalteten Kaffee. „Shiron war kein Faulpelz. Er hatte nur ein paar Probleme damit, dass ihm etwas aufgezwungen worden war. Und Geta...nun, Geta hatte ein herzliches Gemüt und er liebte die Frauen.“ Nun gluckste auch Kai. „Liebte die Frauen? Was heißt das?“ Genis lächelte mild. „Das erkläre ich euch, wenn ihr älter seid.“ Wie auf ein Stichwort schauten die Kleinen zur Standuhr und beobachteten den Sekundenzeiger. „Wie viel älter?“ Genis schwieg. Als der Zeiger einen Umlauf beendet hatte, sahen sie wieder zu ihm. „Jetzt sind wir eine Minute älter!“, protzte Kai stolz. „Ich dachte mehr an zehn Jahre!“,antwortete der Halbelf und schluckte ein Lachen hinunter. „Ach, Menno!“, maulten die beiden und setzten sich wieder in Postion, um ihm lauschen zu können.
 

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Ihr Weg führte die beiden jungen Männer von der königlichen Hauptstadt weg, in Gebiete die sie nur flüchtig kannten. Nie waren sie viel aus der Stadt herausgekommen. In Meltokio gab es genügend Arbeit, um ein erträgliches Auskommen zu finden. Doch nun verließen sie die vertraute Heimat und Shiron wünschte sich, ein wenig von Getas Optimismus zu haben. In den Mittagsstunden wurde es nahezu unerträglich heiß und daher rasteten sie im Schatten einer alten Ulme. Shiron streckte sich im Gras aus und Geta lehnte sich an den Stamm des Baumes.

„Lenox, wo kommt ihr Centurions eigentlich her?“, fragte Shiron. „Wir wurden von unserem Meister erschaffen“, antwortete das Wesen und räkelte sich im Sonnenschein. „Meister?“, wollte Geta interessiert wissen.

„Lord Ratatosk. Dem Wächter der Ginnungagap.“

„Ginnungagap?!“ Damit konnte Shiron wenig anfangen und sah das Wesen an, welches sich inzwischen den Kopf auf die Pfoten gelegt hatte.

„Ginnungagap kommt aus der Sprache der Elfen und bedeutet übersetzt ‚Gähnende Schlucht‘ oder auch ‚Kluft der Klüfte‘ Dort befindet sich ein Tor zu den Dämonen von Niflheim“, erklärte Zent.

„Wie viele gibt es denn von euch Centurions?“, fragte Geta neugierig.

„Also wenn man mich abzieht bleiben acht übrig. Jeder stellt ein Element dar“, erzählte Lenox weiter.

„Was ist mit den Elementargeistern? Sind die nicht die Wächter der Elemente?“, warf Shiron ein.

„Das ist richtig. Aber bitte wirf sie nicht in einen Topf mit den Centurions. Sie haben zwar mit denselben Elementen zu tun, aber nichts mit den Centurions gemein“, erklärte Zent.
 

„Und was ist mit diesem Ratatosk? Was ist er?“, wollte Shiron wissen und Lenox seufzte leise. „Ratatosk ist der Meister aller Monster und der Hüter des Manabaumes. Am ehesten ist er mit den Elementargeistern zu vergleichen. Er kontrolliert den Fluss des Mana in der Welt.“ Shiron schnaubte. „Dann macht er seinen Job aber nicht besonders gut.“ Plötzlich verschwand Lenox vor seinen Augen, was der junge Mann sofort auf seine Worte bezog. „Hey! Tut mir leid!“

„Das geht schon in Ordnung. Irgendwie hast du ja recht. Aber es ist nicht die Schuld des Lords.“

„Oh, okay.....ähm... Wo bist du hin?!“

„Ich bin immer noch da, nur unsichtbar!“

„Ach so“, gab er mit matter Stimme wieder und hatte schon gehofft , er sei für immer verschwunden.

Nachdem die Sonne den Zenit verlassen hatte, brachte der beginnende Nachmittag eine kühle Brise mit sich und die ungewöhnliche Gruppe entschied sich, weiterzugehen. Sie folgten einem Pfad, der einst eine richtige Straße gewesen war und erreichten in der Abenddämmerung ein kleines Dorf. Kaum das sie es betraten und hindurch wanderten, wurden sie von spielenden und lachenden Kindern verfolgt.

Schlagartig blieb Zent stehen und sah sich um. Etwas stimmte hier nicht gar und gar nicht. Er hatte ein seltsames Gefühl in der Magengegend. Es schlug förmlich auf den Magen, begleitet von dem Gefühl, sich jeden Augenblick übergeben zu müssen. Er sah sich immer wieder um und drehte sich auch hastig nach hinten, wandte den Blick mal in den Himmel, mal in die Ferne , dann mal zu Boden und suchte alles mit prüfenden Blicken ab.

„Ey, was ist denn?!“, fragte Shiron ihn.
 

„Ach nichts, Master Shiron“, lachte der Engel ein wenig künstlich. Dann ging er weiter, als wäre nichts gewesen. Sie liefen durch das kleine Dorf und standen irgendwann vor dem Haus des Dorfältesten. An dessen Tür baumelte ein Schild, welches kundtat, dass er Zimmer vermietete. Sie klopfen an der Tür. Ein älterer Mann mit langem Bart kam an die Tür und sah sich die Fremden an. „Kennen wir uns?“, schnarrte der Alte Doch dann fiel sein Blick auf den Engel und etwas wie Erkenntnis flackerte in den grauen Augen auf. Sogleich wurde seine Haltung freundlicher.

„Wir bräuchten ein Bett für die Nacht“, gab Geta wieder. Der alte Mann ließ sie hinein und zeigte ihnen das Gästezimmer. Es war überraschend groß und bot Platz für alle. Sie ließen sich im Zimmer nieder und wurden alleine gelassen.

„Was war vorhin dir los?!“, fragte Shiron.

„Ich hatte eine Feder gespürt. Sie muss im Dorf sein. Und das verheißt nichts Gutes, Master Shiron.“

„Soll heißen?“, hakte Geta nach.

„Dass die Person, die die Feder im Augenblick besitzt, kein reines Herz hat. Wir können davon ausgehen, dass etwas Verehrendes passieren wird.!“ Neben Shiron erschien Lenox und machte sich lang. Dieser sah ihn an: „Und wie kommst du hier herein?!“

„Bin durch die Tür geschlüpft!“
 

„Mal eine andere Frage. Wie finden wir die Zugänge zu den Manapunkten ?!“, warf Shiron fragend ein.

„Der Zeitkristall meldet sich schon, wenn wir davor oder in der Nähe davon sind“, erklärte Leonx mit einen Satz.

„Wie viele Manapunkte gibt es denn überhaupt?“, fragte Shiron schläfrig und machte sich auf dem Gästebett lang, starrte die Decke an und fixierte einen Punkt.

„Ich kann es nicht sagen. Tut mir leid“, meinte Zent und legte sich auch hin.

Auch Geta legte sich ins Bett, schloss die Augen, nickte schnell weg und fing an zu schnarchen. Leise grummelte er vor sich hin. Lenox machte es sich auf dem Fußboden vor dem Kamin bequem.

Shiron konnte nicht einschlafen und musste immer wieder an seine Familie denken. Wo sie wohl gerade waren? Ging es ihnen gut? Er wollte dies alles nicht wahrhaben. Seine Gedanken fanden keine Ruhe. Immer wieder glitten sie zu seinen Liebsten zurück. Er erhob sich schließlich und ging in den Garten. Dieser war auch über das Gästezimmer zu erreichen. Nachdenklich sah er zum Mond empor und wünschte sich innig, dies wäre nur ein doofer Traum und das er gleich in seinen Bett daheim aufwachen würde. Aber leider war dies alles echt und er musste nun stark bleiben. Er ließ sich seufzend auf einen Gartenstuhl sinken.

„Kannst du nicht schlafen?!“, fragte eine bereits vertraute Stimme. Shiron wandte etwas den Kopf und sah Lenox neben sich sitzen. Auch dieser sah zum Mond auf.

„Scheint so.“

„Das Leben eines Auserwählten ist nicht immer einfach“, sprach das Wesen ruhig und mitfühlend.

„Warum ausgerechnet ich?!“

„Weil du vom Mana – Clan bist… Ich weiß, dass das keine Erklärung für deine Frage ist..... Lord Ratatosk befahl mir nur auf den Auserwählten zu warten und nichts weiter“.
 

„Trotzdem, warum ich? Wenn du „Clan“ sagst, dann muss das doch bedeuten, dass es noch mehr gibt.“

„Die anderen sind zu jung, zu schwach und unerfahren....Wäre es dir lieber, dein Bruder müsste auf diese Reise gehen?“

„Nein!“, antwortete er heftig und erschrocken. Er ließ den Blick sinken und sah zu dem Rassen vor seinen Füßen.

Etwas ließ Lenox hellhörig werden und er sah in die Ferne. Er hatte seine Ohren aufgestellt und sah gebannt immer nur in eine Richtung. Etwas war doch im Busch! Schnell legte er die Ohren wieder an und machte es sich gemütlich. Shiron musste immer wieder an seine Familie denken und vor allem an das Mädchen, welches er gerade erst kennengelernt hatte. Sie waren erst einmal ausgegangen. Ob er sie je wiedersehen würde?

Etwas lag in der Luft, das konnte Shiron förmlich riechen. Er erhob sich von seinen Platz und atmete tief ein. Feuer! Es roch nach Feuer! „Feuer!!“, brüllte er durch die Nacht und weckte Geta damit auf. Doch der wandte sich noch mal in seinem Bett um und verpennte das Ganze. Darauf hatte Shiron nun wirklich keine Lust und schnappte sich kurzerhand einen Behälter, füllte ihn mit Wasser aus dem Gartenteich, hetzte ins Zimmer zurück und schüttete den Inhalt über seinem Freund aus.

Schlagartig war Geta wach und sah ihn erschrocken und wütend an. . Er hatte doch gerade so schön geträumt! Von jungen, süßen Frauen! Shiron warf ihm seine Sachen zu und verschwand hinaus.
 

Lenox und Zent waren schon vor dem Haus. Der Rotschopf trat hinaus und sah, dass ein Monster im Dorf wütete: „Das passiert, wenn jemand eine meiner Federn aufhebt! Master Shiron, Ihr müsst ihn besiegen. Keine Sorge, dem Menschen wird nichts passieren!“ Geta kam hinaus und sah das Monster, wie es durch das Dorf wütete und alles niedermachte, was ihm in die Quer kam. Es machte vor niemanden Halt.

Die kleine Gruppe rannte auf das Monster zu und kreißten es ein. Geta erhob seine Lanze und stürmte auf das Biest zu. Er wurde vom Schweif der Bestie erfasst und weg geschlagen, wie ein winziges Insekt. Zent sprach einen mächtigen Zauber und fror die Beine fest. So konnte es sich nicht mehr bewegen und brülle lautstark. Feuer sprühte aus seinen Rachen und brannte so manches nieder was in seiner Reichweite lag. Lenox rannte auf einen Dachgiebel , sprang dem Monster an den Hals , krallte sich fest und verbiss sich. Das Monster versuchte alles, um ihn abzuschütteln, aber es wollte ihm einfach nicht gelingen. Egal, wie sehr es auch an ihm zog und riss.

„Master Shiron, Ihr müssen es an der Brust treffen!!“, rief Zent dem unfreiwilligen Auserwählten zu, der den Bogen schon erhoben hatte. Er traf ins Ziel. Das Monster begann zu leuchten und schrumpfte zu einem kleinen Kind zusammen. Es rutschte zusammen und fing an zu weinen. Die überaus erleichterte Mutter kam angerannt und nahm ihr Kind in die Arme, tröstete es mit sanften Worten.

Lenox landete auf allen Vieren und schritt auf den Engel zu. Dieser hob die Feder auf, die zu Boden geglitten war auf und nahm sie in sich auf. Nun war sie wieder da, wo sie hin gehörte und ein Teil seiner alten Stärke kehrte zurück..
 

Shiron ließ den Bogen fallen und rannte zu seinem Freund.. Dem war soweit nichts passiert und er konnte aufstehen. Der Dorfälteste kam aus seinem Haus, blieb staunend stehen und lief den Vieren entgegen. Er bedankte sich überschwänglich im Namen des ganzen Dorfes, das sie vor dem Monster gerettet hatten. Als Ruhe einkehrte, begaben sie sich wieder in ihr Zimmer zurück, um endlich den ersehnten Schlaf zu finden.

„Master Shiron. Es wird nicht immer so einfach werden wie heute. Es war noch ein sehr einfaches Monster“, gab Zent wieder und schloss seine Augen, Geta war bereits wieder eingenickt und befand sich wieder im Traumland bei den Frauen.

„Mit jeder Feder wirst du wieder stärker, oder?“

„Ja“, gab der Engel wieder und legte sich ebenfalls hin.

Shiron schloss die Augen und schlief schließlich vor Erschöpfung ein.
 

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Die Türglocke unterbrach ihn und unter den neugierigen Blicken der Kinder, ging Genis zur Tür. Er wollte sie sofort wieder zuschlagen, doch Raine stellte ihren Fuß in den Spalt. „Ich hörte, du musst auf Emils Kinder aufpassen!“ Genis zog die Augenbrauen zusammen. „Jetzt schon?“ „Ja“, rief sie voller Eifer und quetschte sich an ihm vorbei. „Dann wollen wir den lieben Kleinen doch schnell ein Mittagessen zaubern!“ Der Halbelf seufzte und als ihm Raines Worte ins Gehirn sickerten, schlug er die Tür zu und rannte ihr panisch hinterher. „Nein! Lass das lieber! Emil und Marta wollen ihre Kinder sicher lebend zurück!“ Doch da hörte er seine Schwester bereits mit Geschirr hantieren und machte sich flugs an die bevorstehende Schadensbegrenzung.
 

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Währenddessen bei den verzweifelten Eltern:
 

Emil duckte sich und ein abgetrennter Hühnerkopf rauschte über ihn hinweg. Royvas verzog schmollend das Gesicht. Dem Jungen wäre es lieber gewesen, Emil hätte den Kopf abbekommen. Bebend stand der berühmte Wunderheiler in der Tür und angelte nach einem weiteren gruseligen Wurfgeschoss. „Das Kind braucht keinen Arzt, es braucht einen Exorzisten!!!!“,brüllte der Mann und Marta und Emil suchten das Weite.
 

Erst außerhalb des Dorfes hielten sie inne und verschnauften. „Ich dachte, der Typ wäre bereits ein Exorzist“, meinte Emil trocken und wandte sich der Gattin zu. „Und jetzt?“ Marta seufzte und betrachtete Royvas verträumt. „Er ist doch so süß! Sieh nur, er hat die Augen meines Vaters.“ Emil würgte. „Das ist ja ekelhaft! Nimm sie ihm weg!“ Marta brabbelte etwas Unverständliches und sah zu dem Dorf zurück. „Tja, wieder kein Erfolg. Ich schlage vor, wir gehen nach Meltokio. Der Hofarzt soll auch ganz gut sein.“ Emil nickte. Aber er sah schwarz. Trotzdem, einen Versuch war es wert.

Inselfreunden

Hustend schob Genis seine ältere Schwester aus der Küche. Laut protestierte sie gegen die, ihrer Meinung nach, unfaire Behandlung. Banausen, allesamt! Wieso erkannten sie nicht, welch begnadete Köchin sie war?

„Sitz!“, befahl der Halbelf und strich sich eine nach Qualm stinkende, schweißnasse Silbersträhne hinters Ohr, während er Raine auf einen Ottomane drückte. Keuchend wedelte er den schwarzen Rauch zur Seite, riss ein Fenster auf und nahm den verkohlten Topf vom Ofen.

Er hob ihn auf Augenhöhe und drehte ihn so, dass er ins Innere sehen konnte. Der Boden war verschwunden und durch das gigantische Loch, welches vor wenigen Minuten noch der Boden war, erkannte er die Blümchentapete an der Küchenwand.

Wie machte Raine das nur immer? Wie gelang es einer Frau von herausragender Intelligenz Wasser anbrennen zu lassen und die Küche beinahe in Brand zu setzen?
 

Kopfschüttelnd entsorgte er den Topf. Vorerst würde es nichts zu essen geben. Bis sich Rauch und Gestank verzogen, vergingen mit Sicherheit einige Stunden.

Schmollend saß Raine auf dem niedrigen Sofa, als Genis zurückkehrte und sein kleiner Ausbruch tat ihm leid. „Du könntest auf den Markt gehen und frisches Obst und Gemüse besorgen“, meinte er versöhnlich. „Ja, bitte Tante Raine!“, stimmten die Geschwister zu seiner Freude zu. Raines Gesicht entspannte sich. „In Ordnung.“

Ein paar Minuten später klappte die Tür zu und Genis ließ sich mit einem erleichterten Seufzer in den Ohrensesseln sinken.

„So, wo waren wir stehengeblieben? Ah ja...“
 


 

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Der Rest der Nacht verlief ruhig. Geta schnarchte, kaute auf einem Zipfel des Kopfkissens herum und brabbelte etwas, das sich anhörte wie: „Oh ja, Baby. Genau da.“

Genaueres wollte Shiron nicht erfahren und schaltete sein Gehör auf „stumm“. Im Gegensatz zu seinem Freund konnte er nicht schlafen und saß mit angezogenen Knien auf seinem Bett.

Lenox lag zusammengerollt auf dem flauschigen Vorleger und zuckte immer wieder mit dem Schweif. Benötigten Centurions Schlaf, oder tat er nur so?

Auf jeden Fall war es ein entspannend wirkender Anblick und auf Shiron schmalen Lippen zeichnete sich die Andeutung eines Lächelns ab.

Wie Zent schlafen konnte, war ihm Rätsel. Die Schwingen mussten doch stören! Dennoch schlief der Engel und bedeckte mit einer der Schwingen sein zartes Gesicht.
 

Nachdenklich nagte Shiron an seiner Unterlippe und stand leise auf. Mit zwei großen Schritten war er bei dem ruhenden Engel und berührte mit seinen Fingerspitzen die weißen Federn. Sie fühlten sich warm an. Ein tröstliches Gefühl durchströmte ihn. Ein vages Gefühl, welches ihm sagte, dass es so schlimm nicht werden würde.

Hinter ihm öffnete Lenox ein Auge, grinste zufrieden und senkte das Lid wieder. Der junge Auserwählte löste sich von dem Anblick und den Federn und nahm erneut auf dem Bett Platz. Er lehnte sich gegen die Wand, verschränkte die Arme im Nacken und sah aus dem Fenster. Die Dämmerung brach an und die aufgehende Sonne warf ein erstes Glimmen über die Berge am Horizont.
 

Als mehrere Hähne durchdringend krähten, schreckte der Auserwählte auf. Zu guter Letzt war er wohl doch noch für ein paar Minuten eingeschlafen. Sein Freund erwachte maulend und beklagte sich sogleich, dass er nicht mal im Traum zum Schuss gekommen sei.

„Wüstling!“, lachte Shiron, gönnte sich eine Katzenwäsche mit eisigem Wasser und wartete, bis auch Geta endlich fertig und halbwegs wach war. Das Frühstück im Esszimmer des Gasthofes erwies sich als dürftig. Brot und Früchtemus. Aber der Kaffee war lecker und so schwarz, dass man den Boden der Tasse nur erahnen konnte.

Die freundliche Wirtin packte der kleinen Gruppe etwas Proviant zusammen und frisches Wasser. Als Shiron bezahlen wollte, winkte sie hektisch ab. „Nein, nein! Von unseren tapferen Rettern können wir doch kein Geld nehmen!“

Höflich dankten der Auserwählte und seine Begleiter. Vielleicht war das Ganze doch nicht so schlecht.
 

Vor der Tür empfing sie ein lauer Morgen und ein erwachendes Dorf. „Wohin gehen wir als Nächstes?“, fragte Geta und Zent deutete nach Westen. „Wir benötigen ein Boot. In westlicher Richtung gibt es einen großen See, in dessen Mitte sich eine Insel befindet.“

Lenox fuhr zu dem Engel herum. „Du willst auf DIESE Insel?“ Der Engel hob die Schultern. „Sicher doch.“

„Wieso? Was ist mit der Insel?“, hakte Shiron nach. Der Centurion legte die Ohren an und schüttelte sich. „Nichts! Absolut nichts! Es ist eine ganz normale Insel!“, wiegelte er wenig überzeugend ab.

„Aha...“, machte Shiron und hob eine Braue. Um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen, löste Lenox sich auf und verschwand.

Shiron und Geta wechselten einen Blick. „Was soll´ s. Lass uns gehen.“
 

Der Weg nach Westen erwies sich als weniger beschwerlich, als zu Anfang vermutet. Eine gut ausgebaute Straße schlängelte sich durch Wiesen und vorbei an brachen Feldern.

Ratternd kam ihnen ein Ochsengespann entgegen und der auf dem Kutschbock sitzende Bauer grüßte freundlich, als die Gruppe ihm Platz machte.

„Nette Leute hier“, meinte Geta. „Oder unser Ruf eilt uns bereits voraus.“

„Welcher Ruf?“, spöttelte Lenox und Shiron zog ihm flugs die Ohren lang, als der Centurion sich kurz sichtbar machte.
 

Nach zwei Stunden schweigsamer Wanderung erreichten sie den See, der sich als malerisches Fleckchen entpuppte. Die in hellem Smaragd schimmernde Fläche war so groß, dass man das gegenüberliegende Ufer nicht erkennen konnte. Selbst die Insel zeichnete sich nur als dunkler Schemen ab.

Ein schnurgerader Trampelpfad führte zum Ufer und zu einem, an einem Steg vertäuten Ruderboot.

Geta gab einen erleichterten Stoßseufzer von sich. „Na, zum Glück.“

„Hast du was anderes erwartet?“, fragte Zent amüsiert. Mit beiden Händen strich der stämmige Mann sich die verschwitzten Haare nach hinten. „Nach eurem komischen Gespräch“, begann er und nickte in Lenox´ Richtung, „habe ich wirklich was anderes erwartet. Nämlich einen klapprigen Fährmann, der eine Knochenhand ausstreckt, um unseren Fährpfand zu empfangen.“

„Es ist ein See, nicht der Styx“, lachte der Engel und Geta bedachte ihn mit einem missmutigen Blick.
 

„Wenn ihr noch weitermachen wollt, rudere ich allein!“, beklagte Shiron sich laut.

„Ja, Geta sollte besser hierbleiben!“

„WIESO! Du komisches Katzending!“

„Ich bin ein Centurion! Und ich denke, es wäre besser!“

Demonstrativ schlug der Auserwählte mit den Paddeln ins Wasser. Zent schüttelte den Kopf und kletterte ins Boot. Geta und Lenox sahen sich noch einige Sekunden einander wütend an, dann folgten sie schnaubend, setzten sich so weit wie möglich auseinander und taten schließlich so, als würde der jeweils andere nicht existieren.

„Und ich dachte, ich habe Probleme“, seufzte der Auserwählte, stieß das Boot mit einem Paddel vom Steg ab und ruderte der Insel entgegen.
 

Nebel kam auf, wölkte als grauer Dunst über der Wasserfläche und bildete einen malerischen Vorhang, durch den das Grün der Insel schimmerte.

Plötzlich hielt Shiron inne. „Stimmt was nicht?“ Er heftete seinen Blick auf den sichtlich nervösen Centurion. „Hört ihr das?“

Geta wandte sich um und kniete sich auf die hölzerne Planke, welche als Sitzplatz diente, versuchte durch den Nebel etwas zu erkennen und lauschte. Das Boot geriet arg ins Schwanken, als er sich vornüber beugte. „Ich höre auch was. Was ist das?“

Es klang wie Musik, gespielt auf klangvollen Instrumenten. Sphärisch und geheimnisvoll schön.

Unter die zauberhaften Klänge mischten sich kristallklare Gesänge.

Shiron ließ die Ruder wieder ins Wasser und paddelte weiter, ein ganzes Stück schneller diesmal.
 

Knirschend lief das Boot auf einen samtweißen Sandstrand auf. „Wow!“, staunten der Auserwählte und sein bester Freund. Vor ihnen erstreckte sich ein Garten Eden, der mit dem Duft einer einzigen Blüte mannigfaltige Sinnesfreuden zu versprechen schien.

Natürlich gab es nicht nur eine Blüte, sondern ein ganzes duftendes, farbenfrohes Meer. Hibiskus, Rosen und Magnolien leuchteten zwischen hohen Bäumen an denen köstliche Früchte hingen.

„Willkommen auf der Insel der Sirenen“, sprach Zent und Geta grinste breit.

„Sirenen? Das hört sich doch ganz gut an!“, frohlockte der Hüne.

Lenox verdrehte die Augen. „Ganz gut? Wir werden sehen.“ In der Stimme des Centurion schwang ein Warnung mit, die Geta geflissentlich überhörte.
 

Sich durch den paradiesischen Dschungel kämpfend, folgte die kleine Gruppe dem elysischen Gesang und den Klängen von Harfe und Lyra.

Erste Gebäude waren durch Büsche und Äste zu erkennen. Runde, weiße Häuschen mit weit geöffneten Türen, die jeden Besucher Willkommen hießen.

Oberhalb des lauschigen Dorfes , auf einer Hügelkuppe, stand ein alabasterner, säulenverzierter Tempel. Doch trotz der zauberhaften Klänge, war niemand zu sehen, der sie verursachte.

Keine Menschenseele weit und breit.

Forsch trat Shiron vor. „Hallo? Ist hier jemand?“ Die Klänge verstummten. „Seid gegrüßt!“, säuselte ein weiche Stimme und aus dem Haus, welches ihnen am nächsten war, trat eine bezaubernde junge Frau. Ihren schlanken sinnlichen Körper hüllte sie in eine bodenlange apricotfarbene Toga mit reizvollem Faltenwurf. Ihre langen roten Haare hatte sie zu einer raffinierten Frisur hochgesteckt und an ihren Ohrläppchen glitzerten Saphire.
 

Shiron schluckte trocken. Geta dagegen krachte der Unterkiefer förmlich auf den weichen, grasbewachsenen Boden. Lenox machte sich rar, nachdem die Schönheit aufgetaucht war. Zent blieb einfach ruhig und wartete ab.

„Was führt euch auf diese Insel?“, fragte die Paradiesblume. Der Auserwählte räusperte sich und schickte einen gedanklichen Eisstrahl in seine Lenden.

„Mein Name ist Shiron, das ist mein Freund Geta. Er hier hinter mir, heißt Zent und das Ding, das verschwunden ist, nennt sich Lenox. Wir sind auf der Suche nach den Manapunkten und den verlorenen Federn des Engels.“ ´Donnerwetter! Ich habe es geschafft, das alles vollständig und ohne Sabbern hervorzubringen´, dachte Shiron und gratulierte sich in Gedanken.

„Mein Name ist Peisinoe. Ihr müsst erschöpft sein. Begleitet mich. Ich biete euch, Wein und köstliche Speisen und wenn ihr ruhen wollt, ein Bett von solcher Weichheit wie er es noch nie erlebt habt.“
 

Die Dame wandte sich ab und Geta folgte ihr sofort wie ein liebeskrankes Hündchen. Auch Zent ging. Nur Shiron blieb stehen und sah den anderen hinterher. Irgendwie war das seltsam.

Lenox erschien neben ihm. „Hör zu! Iss nichts, trink nichts und vor allem, schlaf nicht! Such die Feder und den Manapunkt, den es hier gibt. Dann hauen wir sofort wieder ab.“

„Was bist du so schlecht gelaunt? Dieser Ort ist doch toll! Sieh dich doch um. Es ist wunderschön.“

Lenox neigte den Kopf. „Das Böse ist ein Verführer, zeigt sich immer in der schönstmöglichen Gestalt.“

„Was soll das heißen?“ Doch der Centurion war bereits wieder verschwunden. Theatralisch hob der Auserwählte beide Arme. „Kann der sich nichtmal klarer ausdrücken? Maaaaannnn!!!“
 

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Man hatte sie in eines der Häuser geführt und dort lernten sie auch die anderen berückenden Sängerinnen kennen. Acht insgesamt und eine schöner als die andere.

Die Tafel bog sich unter herrlichen Speisen und Geta wirkte ausgesprochen angetan. Shiron beschloss, dem Centurion vorsichtshalber Glauben zu schenken und nahm nichts von dem reichhaltigen Angebot, während sein Freund sich vollstopfte. Auch Zent aß etwas, aber wie der junge Auserwählte schnell bemerkte, nahm er nur von den angebotenen Früchten.

„Iss doch etwas, schöner Mann“, gurrte eine der Schönheiten und setzte sich auf seinen Schoß, strich ihm mit den Fingerspitzen über den Nacken und versuchte, ihn zu küssen.

Shiron schüttelte sich. Ihre Berührung fühlte sich unschön an, schwammig und irgendwie feucht.

Betreten lächelnd schob er die reizvolle Brünette von sich und stand schnell auf, bevor sie sich erneut setzen konnte.
 

Geta schien hoffnungslos verloren und dachte wohl nur noch mit dem Inhalt seiner Unterhose. „Ich brauche ein bisschen frische Luft“, sagte Shiron fest. „Geta? Kommst du mit? Zent? Du vielleicht?“ Der Engel erhob sich tatsächlich, doch Geta murmelte nur: „Geh allein...bin beschäftigt.“ Der Auserwählte verdrehte genervt die Augen. Klar, war er beschäftigt. Damit, sich die Eier kraulen zu lassen.

Wütend stapfte er nach draußen und wandte sich dort an den Engel. „Was ist mit diesen Frauen? Du weißt doch etwas!“

„Nun ja, es sind Sirenen. Verführerinnen.“

Der Tempel auf der Hügelkuppe wirkte im Licht der Mittagssonne verlockend und Shiron beschloss, ihn sich mal anzusehen. Zent folgte ihm, wie ein Schatten.

„Mach dir keine Sorgen. Deinem Freund wird bald bewusst werden, dass nicht alles so ist, wie es scheint.“

„Aha, verwandelt er sich in ein Schwein nachdem er von dem Zeug gegessen hat?“

Zent gab ein helles Lachen von sich. „Das verwechselst du mit Circe.“

„Wem?“

„Nicht so wichtig. Ihm wird schon nichts passieren und zur Not hat er ja zwei gesunde Beine.“

„Wieso werde ich das Gefühl nicht los, in eine Falle gegangen zu sein?“

Der Engel schwieg.
 

Shiron schnaubte ungehalten, machte ein abwehrende Bewegung mit beiden Händen und lief schneller

Als er den Tempel erreichte, musste er verschnaufen und ordentlich Luft holen, dann erst betrat er das Gebäude. Wozu war der Tempel gut? Zumindest war er leer und diente keinem offensichtlichen Zweck. Der Auserwählte machte einen Schritt nach vorn und auf die glänzenden Bodenkacheln, in denen sich ein verwaschenes Abbild seiner Selbst spiegelte.

Plötzlich erschien Lenox neben ihm, so schnell, dass Shiron erschrak. „Der Zeitkristall reagiert. Das heißt, ein Manapunkt ist hier verborgen.“

„Und was soll ich jetzt machen?“

„Versuch ihn erstmal zu finden. Du spürst es, wenn du an der richtigen Stelle bist.“ Der Centurion löste sich auf und Shiron konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass das Wesen beleidigt war. Fragte sich nur, warum.
 

Schritt für Schritt durchmaß er den Tempel. Dabei boten sich die Fliesen als guter Wegweiser an. Beinahe in der Mitte des Raumes angekommen, blieb Shiron stehen, als eine Energiewelle durch ihn schoss. Er hatte die richtige Stelle gefunden und schaute ratlos zunächst Zent an, bevor er sich in jene Richtung wandte, in welcher der Centurion verschwunden war.

Resigniert hob der Auserwählte beide Arme. „Hör zu, Lenox. Egal, was ich gesagt oder getan habe; Es tut mir leid.“

Zischend erschien der Centurion und fixierte ihn aus gelblichen Augen. „Eine Entschuldigung brauche ich nicht. Es ist nur....“ Er setzte sich und schlug mit dem befiederten Schweif. „Ach vergiss es. Stell dich auf das Siegel.“

Brav gehorchte er und Lenox stellte sich vor ihn. Weißes, grelles Licht entströmte dessen Körper, wurde auf Shiron übertragen und sickerte anschließend in die Bodenfliese.

Diese wurde einen Wimpernschlag später heraus gesprengt und gab den Blick auf ein bodenloses Loch frei.
 

Erschrocken wollte Shiron zurückspringen, schließlich hingen seine Füße in der Luft. Doch er fiel nicht, sondern wurde von einer rötlichen Barriere gehalten. Vorsichtig warf er einen Blick in die Tiefe und ein glühender, heißer Strahl stieß ihm entgegen. Schützend legte er sich einen Arm über die Augen. Die Hitze drang durch seine Füße und an seinem Kopf wieder heraus. So fühlte es sich zumindest an. Eine letzte Entladung schleuderte ihn quer durch den Raum und führte dazu, dass er sich den Kopf an einer Säule anschlug. „Aua...aua...“, jammerte er und rappelte sich stöhnend auf.

Staunend folgte sein Blick der Lichtsäule, die hell und wärmend in die hereinbrechende Dämmerung aufstieg. „Wow!“

„Damit ist einer der Punkte offen und das Mana frei.“

Shiron wollte sich wieder dem Centurion zuwenden, doch kam er nicht mehr dazu. Aus dem Dorf erklang ein Schrei, den er als Getas identifizierte.

Sofort stürmte er aus dem Tempel und angelte hektisch nach einem Pfeil, zog den Bogen aus der Halterung an seinem Gürtel und legte an. Nur wusste er nicht, wohin und auf wen er schießen sollte.

Wesentlich lieber würde er sich totlachen.
 

Ein Bein in der Unterhose, mit einer Hand seine Kronjuwelen bedeckt haltend und mit der anderen seine Klamotten festhaltend, stolperte sein alter Freund aus einer der Hütten.

„Ah! Shiron! Weg hier! Schnell! Diese Weiber sind irre!“

Ein ganzer Pulk an Sirenen folgte ihm kreischend und dem Auserwählten lief ein frostiger Schauer den Rücken herunter.
 


 

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Kai und Elena gafften mit weit offenstehenden Mündern. „Nein! Erzähl weiter!“, greinten beide im Duett. Liebevoll lächelte Genis. „Gönnt mir eine kleine Pause. Ich brauche ein Schlückchen zu trinken.“

Zudem war Raine inzwischen überfällig. Auf welchem Markt war sie einkaufen gegangen? In der nächsten Stadt?

Genis hob die Schultern. Vermutlich hatte sie jemandem zum Plaudern gefunden. Nach einem kräftigen Schluck Wasser setzte er sich wieder in den Sessel und erwartend sahen die Kinder zu ihm auf.

Kratos

Zunächst sah Shiron die Mädchen, die ihn und Geta bewirteten, aber schon an denen war einiges seltsam. Graue, matschig wirkende Ranken ragten aus ihrer Halswirbelsäule. Die Füße der Frauen berührten den Boden nicht. Sie wurden von den Tentakeldingern getragen und geführt. Sabbernd und brabbelnd streckten sie ihre Hände nach vorn und griffen doch nur ins Leere.

Geta war gut zu Fuß! Der Pulk aus Sirenen lichtete sich und in der Mitte, die widerlichen Tentakel in der Hand, zeigte sich Peisimoe.

Ausgesprochen schön war sie noch immer, nur wirkte sie ein wenig hungrig. Und es stand ihr eindeutig nicht nach Früchten und Gemüse. Eher nach Eiersalat und Spargel.

Still lachte Shiron über seinen Witz und legte den Bogen an.
 

Geta hatte ihn erreicht und zog sich schnaufend die Unterhose hoch. „Schieß schon, Mann!“, brüllte er, doch der Schütze zögerte. Er wollte keinesfalls eine der Frauen verletzen. „Du weißt, wohin du zielen musst“, sprach Zent leise. Shiron nickte. Der Pfeil durchpflügte die Luft und zertrennte das Tentakelbündel in den Händen der Sirene. Es ratschte und die grauen Dinger klatschten zu Boden, wanden sich zuckend und lösten sich aus den Mädchen, die sogleich bewusstlos niedersanken.

Fauchend lösten die Tentakel sich in einer grauen, übelriechenden Wolke auf. Eine Feder glitt aufwärts und in Zents Hände.

„He, gut gemacht“, lobte Lenox beeindruckt und warf einen schiefen Seitenblick auf den Engel.

Geta seufzte erleichtert, wischte sich den Schweiß von der Stirn und stieg in Hose und Hemd.
 

„Was war los?“, wollte Shiron feixend wissen. „Na ja...zunächst waren wir ganz normal zu Gange“, begann Geta und deutete mit beiden Händen ein ausgiebiges Brüstekneten an, „Aber dann, wurden sie auf einmal richtig steif und die Anführertussi fragte mich, ob ich noch hungrig sei....dann war sie plötzlich über mir und meinte, sie wäre jetzt auf jeden Fall hungrig...“

Shiron zog die Brauen zusammen und Geta griff ihn bei den Schultern und schüttelte ihn durch. „Die wollten mich FRESSEN!“

Lenox lachte. „Jetzt sind sie ja wieder normal...nun, so normal wie Sirenen eben sind. Zumindest ist die Insel wieder sicher und vielleicht in Zukunft einen Urlaub wert.“
 

Er löste sich auf und kehrte sofort wieder zurück. Shiron wollte seinen Bogen befestigen, ließ es dann jedoch und sah sich suchend um. Etwas lag in der Luft, das konnte Shiron deutlich auf der Haut spüren. Zent hinter ihm, wurde sehr blass um die Nase und machte einen ernstlich kranken Eindruck auf den Auserwählten. Geta umklammerte sich fröstelnd selbst. „Spürt ihr das auch?“ Eine überflüssige Frage, denn er sah es seinen Gefährten an. Lenox stellte die langen Ohren auf und lauschte. „Da!“ Er deutete mit dem Schweif in Richtung ihres Landeplatzes. Von dort näherte sich ein Unbekannter. Ihn umgab eine schwarze Aura. Alles an dem Unbekannten ließ sie sich unbehaglich fühlen. Mit jeden Schritt des Unbekannten ging es Zent immer schlechter und schließlich beugte er sich vor und kotze geradewegs vor seine Füße. „Shiron, pass auf!!“, warnte Lenox den Jungen. Dieser hatte schon den Bogen erhoben.
 

Zent lag schon auf dem Boden und konnte sich nicht bewegen, Lenox stellte sich schützend vor den bewusstlosen Engel, fuhr die Krallen aus und fletschte die Zähne. Auch Geta wollte helfen und ergriff einen langen Stock , umklammerte diesen fest und hielt seinen Blick auf den Fremden gerichtet. Unerwartet rannte der Mann auf sie zu, zog das Schwert, welches er bei sich trug und schlug auf Getas Stock ein. Der Unbekannte hatte einen irren Blick im Gesicht und allein der verbreitete ein unwohles Gefühl in der Magengegend. Leicht konnte der Fremde den langen Stock durchschneiden und den stämmigen Kämpfer gegen die Wand es Tempels schlagen, wo dieser zusammen gesunken hinunter rutschte und sich nicht mehr bewegte. Blut schimmerte an der Wand und floss an seinem rechten Auge vorbei.
 

Es war dermaßen schnell gegangen, dass niemand hatte reagieren können. Schmerzerfüllt stöhnte Geta und kippte zur Seite.

Das trieb Shiron zu Weißglut und er schoss den eingelegten Pfeil ab. Doch das schien den Feind nicht zu stören, obwohl ihm der Pfeil im Arm stecke. „Er hat zwei Engelsfedern in sich!“, rief Lenox dem Jungen zu und hielt immer noch Wache über den Engel. Das ist also die Macht von zwei Engelsfedern, dachte Shiron angespannt. Er wollte sich nicht vorstellen, wie es aussehen würde, wenn eine Person noch mehr in sich hatte. Eine grausige Vorstellung, bei dem es ihm eiskalt den Rücken hinunter lief. Schon ein kurzer Moment genügte, in dem er nicht aufpasste. Shiron wurde brutal gegen eine der meterhohen Steinsäulen des Tempel geschlagen und schon nahe der Bewusstlosigkeit, als eine weitere Schwertklinge aufblitzte und den unbekannten Angreifer zu Boden schickte.
 

Danach wurde er wieder auf die Beine gezogen und sah dem Neuankömmling in die Augen, Rostbraune bis rötliche Pupillen sahen ihm tief in die Seele. Auch die Haare des Mannes waren leicht rötlich und machte einen starken Eindruck. Er ließ den verblüfften Shiron los und kümmerte sich wieder um den Feind, der sich wieder aufgerappelt hatte. Der Feind griff wieder an und wurde von dem recht attraktiven Schwertkämpfer schnell zu Boden geschickt. Er war einfach zu stark. Das erkannte selbst der Feind und versuchte nun den Auserwählten anzugreifen. Shiron wehrte mit einer reflexartigen Bewegung des schnell gezogenen Schwertes ab. Doch der Stoß war heftig und seine Muskeln noch nicht auf einen Kampf dieser Art trainiert, daher stolperte er. Lenox sprang in den nächsten Schlag und fing ihn mit dem eigenen Körper ab. Der Angreifer verlor seine Waffe und der Centurion nahm sie und schleuderte sie kraftvoll den Hügel hinab. Der Besessene wollte hinterher rennen, doch der Schwertkämpfer schlug ihm zweimal kräftig mit der Faust ins Gesicht. Lenox nutzte die Gelegenheit, tackelte den Mann und der ging stöhnend in die Knie, fiel vornüber und gab kurz ein Geräusch von sich, welches sich wie ein Schnarchen anhörte.
 

Die beiden Engelsfedern verließen den Körper und schwebten auf Zent zu. Augenblicklich erholte der Engel sich und kam wieder auf der Beine. Der unbekannte Angreifer erwachte schnaufend, sah sich verwirrt um und rieb sich den Kopf. Peisimoe lief ihnen entgegen, zwinkerte verschwörerisch und hakte sich bei dem verwirrten Mann unter. „Komm...bei uns kannst du dich erholen..“ Noch immer vollkommen durcheinander, nickte der Mann und ließ sich von der zauberhaften Sirene mitführen.
 

Nun waren alle Blicke auf den anderen Unbekannten gerichtet und sahen ihn mit fragend an. „Mein Name ist Kratos und ich bin ein reisender Söldner“. Seine tiefe Stimme war klar und deutlich. „Danke für die Hilfe! Ich bin Shiron und das sind Zent und Lenox“. Doch Kratos blieb stumm, sah in die Runde und schritt auf den bewusstlosen Geta zu. Er hockte sich neben ihn, legte seine Hände flach auf dessen breite Brust und murmelte ein paar unverständliche Worte. Geta wurde von einem funkelnden Licht eingeschlossen und als dieses schwand, schlug der junge Mann die Augen auf. Verwundert setzte er sich. Die Kopfwunde war verschwunden und nur schwerlich konnte er sich an alles erinnern, was eben passiert war.
 

„Ich weiß wer du bist!“, sprach nun der Söldner und sah den jungen Rotschopf an „Du bist der Auserwählte und auf der Suche nach den Manapunkten!“. In der Stimme von Kratos lag eine merkwürdige Kälte, die man nur selten erlebte. Der Typ war der reinste Eiszapfen! So empfand es Shiron und sah ihm in die Augen. „Wenn ihr mich bezahlen könnt, werde ich euch begleiten“, bot er ihnen prompt an, ging auf einen Baum zu, setzte sich hin und lehnte sich gegen den Stamm. Die anderen dachten gut über seine Worte nach. „Etwas ist faul an der Sache!“, maulte Geta schnell herum. „Der Kerl ist mir nicht geheuer.“ „Da stimme ich ihm zu“, schloss sich Lenox Getas Meinung an. „Dennoch sollten wir seine Hilfe in Anspruch nehmen. Ich behalte ihn im Auge. Versprochen!“, gab Zent von sich und wartete auf die Antwort von Shiron. Der sah zu dem Söldner, welcher im Schatten döste, als wäre nichts geschehen. Es stimmte. Etwas an dem Mann war seltsam. Aber er war stark und besaß heilende Fähigkeiten. Das konnte ungemein nützlich sein. Er nickte entschlossen. „Ich bin dafür, ihn mitzunehmen!“, Geta und Leonx schüttelten die Köpfe, jedoch fügten sie sich klaglos der Entscheidung. Zent lief sofort zu dem Söldner und teilte ihm die Antwort mit.
 

Kratos erhob sich zufrieden und schloss zu Gruppe auf. Blauer Dunst kam aus dem Nichts auf sie zu gekrochen und entführte sie ein weiteres Mal auf die duftende Blumenwiese von Masara. Sie standen ihr wieder gegenüber. Ihre Augen waren geschlossen und die langen goldenen Haare wehten leicht. „Ihr habt den ersten Manapunkt gefunden und geöffnet. Ich danke euch. Je mehr geöffnet werden desto eher kann ich meine normale Form wieder annehmen“. Sie hatte ein Lächeln auf den Lippen. „Normale Form?“, fragte Shiron nach und sah sie an. „Ja. Den blauen Dunst den du immer siehst, ist der traurige Rest von mir. Wenn wieder genug Mana fließt, kann ich meine alte Gestalt zurückerhalten.“ Mit diesen Worten verabschiedete sie sich und schickte sie zurück in die Realität. Die Sonne ging bereits unter und sie entschieden, ein Lager aufzuschlagen. Auch wenn Zent versicherte, dass es nun ungefährlich sei, sträubte vor allem Geta sich, in die Stadt der Sirenen zurückzukehren.
 

Shiron warf ein Stück Holz ins Feuer und sah zu Zent hinüber „Warum hat Masara keinen Körper mehr?“. „Durch die Versiegelungen der Manapunkte konnte sie ihre menschliche Gestalt nicht mehr aufrecht halten“. „Wie kam es dazu?“. „Durch das Teilen der Welt kam es zu weltweiten Versiegelungen“, erklärte der Engel. „Warum wurde die Welt geteilt? Ich meine, was haben wir davon?!“ Geta verstand es nicht wirklich. Der Engel sah in die Runde und sah Kratos kurz an, dann wieder Shiron und Geta „Fortschritt bedeutet immensen Manaverbrauch und Manaverbrauch bedeutet wiederum, dass die Welt untergehen würde. So wurde die Welt geteilt, weil das Mana sehr knapp wurde“. „Aber schon bald wird in Vergessenheit geraten, dass die Welt deshalb geteilt wurde“, fügte Lenox hinzu. Gemütlich lag er vor dem Lagerfeuer und sah in dessen Flammen. „Wie kann man bitteschön eine Welt teilen?“, hakte Geta neugierig nach. „Indem man das Ewige Schwert benutzt.“ Kratos schloss demonstrativ die Augen. Mehr würde er also nicht preisgeben.
 

„Hey, Lenox?“ Der Centurion schaute auf. „Mmh?“ „Was wäre passiert, wenn ich von den Speisen und Getränken genommen hätte?“

„Bei den Früchten nichts. Die anderen Sachen hätten dich willenlos gemacht.“

Der Auserwählte neigte den Kopf. Diese Antwort war ihm ein wenig zu lapidar. Lenox seufzte. „Was an dem Wort „Verführerinnen“ hast du nicht verstanden?“

Shiron sah besorgt zu den erleuchteten Hütten hinunter. „Müssen wir uns doch Sorgen um den Mann machen?“

„Nein. Er wird seinen Spaß haben. Alles wird für ihn wie ein schöner Traum voller Extase sein. Die Sirenen ernähren sich von den Gefühlen eines sexuellen Rausches. Es hält sie jung und schön. Dann, in ein paar Monaten werden sie ihn wieder gehen lassen.“

„Monate?“ „Ihm passiert nichts. Er wird keinen Schaden davontragen. Wenn er keinen Spaß hat oder einfach genug, schmeißen sie ihn eh von der Insel.“

Ganz verstand er es noch immer nicht, aber er gab sich damit zufrieden.
 

Eine Zeitlang schwieg er und sah in den Sternenhimmel hinauf. „Was ist unser nächstes Ziel?“

„Denkst du nicht, du solltest schlafen?“

„Lenox....sei nicht so. Komm schon, ich vertraue dir...“

Der Centurion starrte ihn an. „Du bist Willens Ratschläge von mir anzunehmen?“

Shiron nickte. „Na schön. Ich weiß nicht, wo genau unser Ziel liegt, aber es wird ein dunkler Ort sein. Man nennt ihn Bardo.“

„Ist das eine Stadt?“

„Es ist eine Stadt und es ist keine.“

„Versteh ich nicht.“

„Du wirst es sehen. Jetzt schlaf endlich.“

Er gab nach und rollte sich neben dem Feuer zusammen. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, er war gespannt, was ihn und seine Freunde erwartete.

Das Bardo Teil 1

Seit Tagen folgten sie Lenox, der sie immer tiefer ins Landesinnere führte. Der Centurion schien zu wissen, wohin der Weg führte, nur sagte er nichts. Ihm war eindeutig unwohl.

Shiron kickte einen Kieselstein vor sich her und schüttelte immer wieder den Kopf. Allmählich zehrte die Einöde an seinen Nerven. Der letzte Mensch der ihnen begegnet war , war ein bärtiger Einsiedler gewesen und der hatte sich bei ihrem Anblick sofort zwischen den Büschen und Bäumen versteckt.

Ein wenig wünschte sich der Auserwählte etwas von Getas unerschöpflicher Fröhlichkeit herbei. Sein Freund nahm das alles sehr locker. Zu locker, für seinen Geschmack.

Aber das mochte es ihm vielleicht leichter machen.

Shiron schrak auf, als Zent ihn an der Schulter berührte. „Stimmt was nicht?“, fragte der Engel besorgt.

„Dieser Mann...auf der Insel.“

„Es geht ihm gut, glaub mir.“

„Das wollte ich damit sagen....Wo ist er hergekommen? Wir waren auf einer Insel, die nur von Frauen bewohnt war. Nachgewiesenerweise. Er ist uns auch nicht nachgeschwommen, denn er war trocken. Ist er vom Himmel gefallen? Müssen wir jederzeit damit rechnen, dass wir von solch einem Verrückten angegriffen werden?“
 

Zent neigte den Kopf. „Es wäre möglich, dass er wirklich vom Himmel gefallen ist...Mmh...Vorsicht ist auf jeden Fall opportun.“

Shiron nickte und warf einen Blick auf Kratos, der sich angeregt mit dem Centurion unterhielt, fast schon stritt. „Komischer Typ...“

„Wer? Kratos?“

„Hmm.“

„Ja, er verbirgt etwas und ist nicht ganz ehrlich zu uns. Aber ich glaube, er führt nichts Böses im Schilde.“

„Deine Worte in den Ohren der Göttin“, grinste der Auserwählte, gab dem Kiesel einen kräftigen Tritt. „Ups..“ Pfeifend sauste der Stein durch die Luft, direkt auf Lenox zu. Der Centurion schlug lässig mit dem Schweif und peitschte den Kiesel weg.

„Aua! Ey!“

„Tut mir leid, Geta!“ Beschwichtigend hob Shiron beide Arme und Geta drohte ihm lachend mit der Faust.
 

Es wurde dunkler, der Wald dichter und die sie begleitenden Vogelstimmen wurden leiser. Ein düstere, unheimliche Stimmung legte sich über die Baumwipfel.

Flüsternde Stimmen, die eine unbekannte Sprache benutzen, drangen aus den Schatten. Das was eben noch grün war, wurde einheitlich grau. Schwarze Flocken durchwirkten die Monotonie.

Dafür gab Lenox ein interessantes Bild ab.

Zwischen den grauen Schemen leuchtete er wie ein naher Stern. Aus Kratos trat ein ähnliches Licht aus, nur nicht golden, sondern in allen Regenbogenfarben.

Shiron rieb sich über die Augen. Bildete er sich das nur ein? Nein, der Eindruck blieb, auch nachdem er ein paar Mal blinzelte.

Es sah schön aus, auf seine Weise beruhigend und Sicherheit versprechend. Zumindest näherten sich die Stimmen nicht länger.

„Wir sind da. Wir stehen an der Schwelle zum Bardo“, flüsterte Lenox.
 

„Und jetzt?“, fragte Shiron und griff vorsichtshalber nach seinem Schwert.

„Sämtliche Waffen werden nutzlos sein, sobald wir die Schwelle übertreten haben.“

„Toll. Und wie soll ich mich dann verteidigen?“

Der Centurion drehte sich zu ihm und ließ die Ohren hängen. „Das Bardo ist ein Reich, welches zwischen der Welt der Lebenden und der der Toten existiert.“

„Fegefeuer...“, warf Geta nervös ein.

„Na ja, das Fegefeuer ist ein Paradies dagegen, aber der Vergleich stimmt schon. Gehen wir. Achtet auf das, was ihr sagt und was ihr denkt. Vergesst, was ihr über Gut und Böse und deren Wesen wisst. Hier ist alles anders.“

Lenox trat voran und verschwand, um daraufhin wieder als heller Schemen zu erscheinen. Shiron und Geta nickten sich zu und folgten ihm schließlich.
 

Sie sahen nicht nur, dass sie eine fremde Welt betraten, sie fühlten es überdeutlich. Das Atmen fiel schwerer, die Luft war trocken und warm. Wie ein Zementblock lastete die drückende Atmosphäre auf einem jeden.

Augenscheinlich hatten sie den Wald nicht verlassen. Er umgab sie nach wie vor. In der Ferne thronten Zinnen auf einer langgezogenen Mauer.Eine eingeschlossen Stadt war zuvor nicht da gewesen.

Verwaschene Silhouetten wanderten ruhelos durch die Bäume, strebten der Stadt entgegen, oder kehrten von dort wieder.

„Sind das...Geister?“, fragte Shiron. Lenox ging nicht auf die Frage ein, sondern sah reglos zu der düsteren Stadt.

„Spürst du einen Manapunkt?“

„Ja, dort vorne.“

„Schön. Lass uns gehen.“
 

Ohne ein weiteres Wort lief Lenox wieder voran. Kratos warf ihm missbilligende Blicke zu und verlangsamte schließlich die eigenen Schritte, bis er auf der Höhe des Auserwählten war. Der Söldner öffnete den Mund, um etwas zu sagen und schloss ihn sofort wieder. Mit der unheimlichen Ruhe war es vorbei. Aus den Nebeln formten sich zwölf Köpfe, einer gruseliger als der andere, und versperrten ihnen den Weg.

Lenox kippte zur Seite und ruderte verzweifelt mit den Beinen, Zent sank vornüber, Kratos ebenso.

Als auch Geta einfach umfiel und vor Schmerz brüllte, zog Shiron reflexartig sein Schwert, doch es zerrann in seinen Händen, als bestünde es aus Sand.

Ein besonders großes Exemplar der Köpfe näherte sich ihm und fauchte. Shiron standen augenblicklich sämtliche Haare zu Berge.

„Bist du gut oder böse?“, fragte der dämonische Kopf grollend.

War das eine Fangfrage? „Ähm...gut?“, antwortete der Auserwählte und seine Freunde brüllten unter einem neuerlichen Schwall Qualen.

„Böse..böse“, versuchte er es hastig mit dem selben Ergebnis.
 

Der Kopf schwebte um ihn herum. „Wer bist du? Und bist du gut oder böse?“

„Shiron, der Auserwählte und ich bin kein schlechter Mensch!“

Wieder wanden sich seine Freunde unter einer Pein, deren Ursache er nicht ausmachen konnte. Tränen traten ihm in die Augen. „Nein, hör auf!“

„Wer bist du? Bist du gut oder böse?“

„Ich weiß nicht, was du hören willst! Mein Name ist Shiron, ich bin der Auserwählte. Ich bin nicht zufrieden damit, aber ich gebe mein Bestes. Auch um meine Freunde und meine Familie zu schützen und zu retten! Ich bin nicht perfekt und werde es niemals sein! Aber hör auf, meine Freunde zu quälen. Wenn schon, dann quäl mich!“

„Würdest du das wirklich auf dich nehmen? Dich für deine Freunde opfern?“

„Ja!“

Der Nebelkopf lächelte, schloss sich mit den anderen zusammen und nahm eine feste Form an.

Ehe er sich auflöste, erkannte Shiron eine goldene Silhouette, die durchschimmernde Gestalt eines jungen, dunkelhaarigen Mannes in einer Mönchskutte.

„Ihr dürft weitergehen.“
 

Shiron ließ sich auf den Boden fallen. Seine Freunde rappelten sich auf und schauten ihn fragend an. „Was war das?“, schnaufte Geta.

„Jeder der das Bardo betritt, muss sich einer Prüfung unterziehen. Für jeden fällt sie anders aus und unser Shiron musste wohl beweisen, dass er bereit ist, sich für uns zu opfern.“

„Und woher weißt du das, Kratos?“, fragte Zent misstrauisch.

„Ich bin viel herumgekommen.“

Der Engel schien sich damit zufriedenzugeben, aber Shiron spürte die Zweifel. Lenox schüttelte sich. „Gehen wir zum Manapunkt“, sagte er, als wäre nichts passiert und schließlich folgten ihm die anderen.
 

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Genis unterbrach seine Erzählung, als Raine zurückkehrte und einen Stapel Obst und Gemüse in der Küche abstellte. Anschließend umarmte sie ihren kleinen Bruder und die beiden Kinder.

„Ich muss los. Meine Anwesenheit wird in Sybak verlangt.“

„Oh...na ja, dann viel Spaß!“

Erleichtert atmete der Halbelf aus, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war und sah schließlich grinsend zu den Kindern. „So, weiter erzählen?“

„Yeah!!!“

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Bei den von Verzweiflung gepeinigten Eltern
 

Diesmal waren Emil und Marta guter Hoffnung. Der königliche Arzt hatte sie nicht sofort rausgeworfen, sondern gleich noch zwei Assistenzärzte herbeigerufen, die Roivas bändigten.

Nachdenklich nickte der Arzt und kratzte sich das bärtige Kinn.

„Was hat er denn nun?“, fragte Marta mit bebenden Lippen.

„Tja, körperlich ist er vollkommen gesund. Mmh...ich verstehe nicht, warum er derart aggressiv ist. Ich muss weitere Nachforschungen anstellen. Am besten bleibt ihr im Schloss. Ich werde mit dem König sprechen. Es ist sicher kein Problem.“

Emil nickte und nahm seinen zeternden Sohn an sich. Als sie fast aus der Tür waren, räusperte der Arzt sich und der junge Mann drehte sich ihm zu.

„Eine Frage hätte ich noch. Emil, seid Ihr sicher, dass Ihr der Vater des Jungen seid?“

„Natürlich!“, schnaubte er empört.

„Er sieht keinem von euch ähnlich, wisst Ihr. Nun, ich wollte Euch nicht zu nahe treten. Bitte begebt euch nun zu den Gästezimmern.“
 

Auf dem Flur schnappte Marta nach Luft. „Frechheit! Ich habe dich nie betrogen, Emil!“

„Weiß ich doch...“ Er ging zwei Schritte, blieb stehen und hielt Roivas auf Armlänge von sich. „Was, wenn der Arzt trotzdem irgendwie Recht hat?“

„Was soll das heißen?“

„Wenn nicht ich sein Vater bin...sondern...Ratatosk?“

Martas Augen weiteten sich. „So ein Blödsinn! Wie soll das funktioniert haben?“

Emil hob die Schultern, aber dieser Gedanke ließ ihn nicht mehr los.

Das Bardo Teil 2

Genis strich am Kalender in der Küche einen weiteren Tag rot an. Langsam gewöhnte er sich daran, den Babysitter zu geben und es gefiel ihm, wie die Kinder an seinen Lippen hingen.

Trotzdem sollte er eigentlich etwas anderes machen. Seine Forschungsreisen weiterführen, zum Beispiel. Oder sich um Presea kümmern.

„Guten Morgen“, lachten Elena und Kai und setzten sich an den gedeckten Tisch, stopften Pfannkuchen und Früchte in sich hinein und spülten mit Milch nach.

Genis gönnte sich einen starken Kaffee und betrachtete Elena. Obwohl sie nicht klagte, war er sich sicher, die Kleine brütete etwas aus. Ihre Augen glänzten in wenig fiebrig.

Beiläufig legte er ihr die flache Hand gegen die Stirn.

„Fühlst du dich schlecht?“

Heftig schüttelte sie den Kopf.

„Du legst dich aber trotzdem ein bisschen hin.“

„Och nöö!“, schmollte sie. „Wir wollen doch deine Geschichte weiter hören.“

„Ich komme in euer Zimmer, einverstanden?“

Die beiden stimmten zu und trollten sich.
 

Bevor er zu den beiden ging, setzte er einen Tee auf, der Elena tüchtig ins Schwitzen bringen und das Fieber bekämpfen würde.

Als er ins Kinderzimmer kam, lag das Mädchen artig in die kuscheligen Decken gehüllt im Bett und Kai saß davor und lehnte sich gegen den Rahmen.

Genis reichte der Kleinen den Tee, zog sich einen Stuhl heran und ließ sich darauf fallen.

Für einen Moment fühlte er sich wie der Großvater der beiden. Fehlte nur noch eine Wolldecke über den müden Beinen und der weiße Rauschebart.

Irritiert schauten die Kinder ihn an und er bemerkte, dass er über seinen eigenen Gedanken recht dümmlich grinste.

Er räusperte sich und fuhr fort, wo er am Vortag aufgehört hatte:
 

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Nachdem ihre erste Prüfung abgeschlossen war und sie sich dem Manapunkt entgegen bewegten, entpuppte das Bardo sich immer weniger als der Höllenmoloch, als der es sich anfangs zeigte.

Es wurde ruhiger, die jammernden Geister verschwanden und die düsteren Farben zogen sich zugunsten hellerer zurück.

Wirklich farbenfroh wurde es zwar nicht, aber es wirkte weit weniger trostlos. Die Gruppe marschierte schweigend.

Shiron kämpfte mit seinem Gewissen. Immerhin hatte er seine Freunde in diese missliche Lage gebracht und es war seine Schuld gewesen, dass sie Schmerzen erdulden mussten.

Eine kräftige Hand legte sich auf seine Schulter. Er dachte, es sei Geta und sah auf, setzte zu einer Entschuldigung an.

Doch er sah in Kratos´ dunkle Augen. Schnell wollte er einen Schritt zur Seite machen, aber der Söldner hielt ihn am Hemdkragen fest. Keineswegs grob, aber die Geste machte deutlich, dass er neben ihm bleiben sollte.
 

„Nun, was hältst du bisher von deiner Reise?“

Fast flüsterte Kratos schon.

„Ich gewöhne mich daran. Es ist immer noch schwer.“

„Das verstehe ich. Vertraust du deinen Gefährten?“

Shiron runzelte die Stirn. Was sollte diese dämliche Frage? Und was war das für ein seltsamer Ausdruck in Kratos´ Pupillen?

„Na ja, Geta vertraue ich hundertprozentig. Lenox auch, auch wenn er manchmal tierisch nervt.“

„He, das habe ich gehört!“ Der Centurion wandte sich kurz zu ihm und legte knurrend die Ohren an, ehe er ein Geräusch von sich gab, was wie ein Lachen klang.

„Mit den riesigen Ohren muss er ja alles hören“, murmelte Shiron und bemerkte, wie Kratos krampfhaft ein kurzes Gelächter unterdrückte.

„Was ist mit Zent?“, fragte er nach einem kurzen Räuspern.

Shiron hob den Blick und warf einen Blick auf den Engel, der einige Meter neben ihm lief und ab und zu innehielt, um die merkwürdige fremde Landschaft zu betrachten.

„Er ist freundlich und ehrbar, finde ich. Ihm vertraue ich auch, aber. Dir...“ Schnell unterbrach er sich.

„Mir nicht?“

„Entschuldige.“
 

Kratos ließ ihn los. „Du musst dich nicht entschuldigen. Ich nehme es dir nicht übel. Dennoch, lass mich dir einen Rat geben. Achte ein bisschen mehr auf deine Gefühle, auf das, was dein Instinkt dir rät.“ Damit verließ der Söldner ihn und schloss zu Geta und Lenox auf, die an der Spitze liefen.

Aber Shiron entging der Blick nicht, den er vorher auf Zent richtete.

Der junge Auserwählte war sich nicht schlüssig, was das bedeuten sollte und schielte erneut zu dem Engel hinüber. Erstmals nagte der Zweifel an ihm. Was wusste er denn schon über den Mann?

Was würde geschehen, sobald alle Federn beisammen waren? Zent hatte lediglich Andeutungen fallen lassen, ihm jedoch keine wirkliche Antwort gegeben.

Doch Kratos war ihm bisher am ehesten suspekt vorgekommen. Der Söldner vereinte eine Vielzahl an Kräften in sich. An ihm haftete eine seltsame Aura, die der Auserwählte sich nicht erklären konnte.

Eine innere, kaum hörbare Stimme raunte ihm jedoch beständig zu, dass er es eigentlich wissen müsse. Dass er erkennen könnte, was in den Lebewesen um ihn herum vorging, wenn er es denn nur versuchen würde. Nur genau da war der Haken. Er wusste nicht, wie.
 

Über schwebende Pfade erreichten sie schließlich das eigenartige Schloss. Aus der Nähe mussten sie feststellen, dass es weder Eingänge noch Fenster gab.

Geta zog seine Lanze und piekste mehrmals prüfend gegen verschiedene Mauerstellen.

„Massiv. Da kommen wir nicht hinein.“ Shiron überprüfte diese Information mit bloßen Händen. Die Mauer fühlte sich an, wie sie sich anfühlen sollte. Kühl und hart.

Er konzentrierte sich und versuchte, den Manapunkt zu erspüren. Der lag direkt geradeaus, im Inneren des Schlosses.

„Was machen wir jetzt?“ Aus dem Augenwinkel sah er, wie Kratos nach vorn treten wollte, doch Zent kam ihm zuvor und lehnte sich mit dem ganzen Körper gegen die Mauer.

Der graue Stein waberte und reflexartig streckte Shiron eine Hand nach dem Engel aus, während er selbst von den anderen ergriffen wurde.
 

Ein kurzer Sog folgte und sie befanden sich auf der anderen Seite. Verblüfft blieben sie stehen, denn in den vor ihnen liegenden, fensterlosen Hallen war es keineswegs dunkel.

Von überall aus Wänden und Decke emanierte goldenes Licht. Mehr als das, gab es allerdings auch nicht. Ansonsten waren die Wände kahl, nirgends stand Mobiliar. Glücklicherweise schwebten auch keine Geister umher.

„Was für ein seltsamer Ort“, wunderte sich Geta. Er schickte sich an, die Wände zu berühren und wurde von Lenox zur Seite gestoßen.

„Nichts anfassen. Lasst uns weitergehen.“

„Ja, wir sollten uns beeilen“, mischte sich Kratos ein und Geta ließ von seinem Vorhaben ab.

Es ging beständig geradeaus, als würden sie über einen endlosen Flur laufen. Nichts deutete auf Zimmer hin, oder darauf, in welchem sie Stockwerk sie sich befanden.
 

Es war still. Von draußen drang kein einziges Geräusch herein. Es war nicht einfach das Fehlen von Geräuschen, wie Shiron feststellte. Die Stille welche sie durchquerten, war seltsam zäh. Wie das Innere eines stummen Lebewesens, durch dessen Körper sie liefen, das sie verschlungen hatte.

Der Auserwählte hob den Kopf und lauschte.

War es doch nicht so ruhig? Seine Gefährten liefen weiter, als hätten sie sein Innehalten nicht bemerkt.

Shiron schüttelte sich und versuchte, das unbehagliche Gefühl abzustreifen.

„Bruder....“

„Shiron, mein Sohn...“

Er wirbelte um seine eigene Achse. „Roise! Vater!“ Die Wände verschluckten seine Stimme, daher hörten seine Freunde ihn auch nicht und bemerkten nicht, das er immer weiter zurückfiel.

„Bruder! Wo bist du?“

„Roise! Ich höre dich!“

„Du hast gesagt, du wirst uns retten!“

Das Echo der hellen Stimme verklang.

„Roise!“ Shiron bemerkte nicht, dass er brüllte. Selbst seine eigene Stimme nahm er nur noch gedämpft wahr.
 

Glockenhell lachend erschien eine Silhouette vor ihm, die er inzwischen zu gut kannte. „Masara?“ Sie verschwand um eine Biegung. „Willst du deinen Bruder sehen? Folge mir...“ Erneut erklang das klirrende Lachen, welches seinen Körper in unschöne Spannung versetzte und in seinem Verstand sämtliche Alarmglocken schellen ließ.

„Shiron! Bruder!“

Er warf sämtliche Bedenken über Bord und sprintete der Erscheinung hinterher. Sie tauchte auf und verschwand wieder, führte ihn tiefer in den Magen des stummen Monsters.

Atemlos erreichte der junge Auserwählte eine große Kammer und blieb entsetzt stehen. Seine Familie hing in Ketten, halbtot an kahlen Wänden.

Roise dürrer, kindlicher Körper war von Schrunden und blutenden Wunden übersät.

Die aufgerissenen, geschwollenen Lippen bewegten sich. „Du hast gesagt, du rettest uns. Du hast es versprochen.“

Den Tränen nahe, wollte der Auserwählte nach seinem Bruder greifen und stellte fest, dass er er auf einem Manapunkt stand.
 

Von ihm unbemerkt, hatte Masaras Geist, oder was immer es war, ihn zu dem Punkt geführt. Aber warum war seine Familie hier?

„Rette deine Familie und vergiss den Punkt“, schnurrte eine dunkle Stimme, deren Besitzer er nicht auszumachen vermochte. „Oder öffne den Punkt und lass sie sterben.“

Shiron kannte die Stimme. Sie gehörte jenem Monster, das seine Familie überhaupt erst in diese Lage gebracht hatte.

Er haderte. Lenox hatte ihn doch gewarnt.Wovor?

Verunsichert sah er zu seinem Bruder. Plötzlich riss Roise die Augen weit auf. „Öffne den Punkt, Bruder! Bitte!“

„A....aber...“
 

Unter seiner Familie öffnete sich ein Fallgitter, die Fesseln gaben nach. „Wenn du den Punkt öffnest, stürzen sie in den Tod!“

Der Auserwählte zitterte am ganzen Leib und meinte, dumpfe Schritte hinter sich zu hören unter die sich unverständliche Worte mischten.

Eines verstand er jedoch: „Illusion.“ Und es war Kratos, der es sagte.

Was war eine Illusion? Seine Familie? Der Punkt? Beides?

Beides fühlte sich real an. Er spürte das Mana und hörte zugleich das ängstliche, hektische Atmen seiner Familie.

Shiron schloss seine Augen und begann, seinem Instinkt folgend, den Manapunkt zu öffnen. Die Ketten rasselten, seine Familie schrie auf. Gedanklich spielte der Auserwählte das Szenario durch. Wenn er schnell genug war, konnte er beides machen. Den Punkt öffnen und seine Liebsten retten.

Er spannte sämtliche Muskeln, bereitete sie auf den waghalsigen Sprung vor.

Wenige Sekunden später schoss das entlassene Mana nach oben und Shiron hechtete nach vorn. Das gläserne Lachen zersprang und Roise verschwand vor seinen Augen. Ebenso seine Eltern.

Die Fallgrube jedoch, war beängstigend echt. Und auch die nach oben gerichteten Lanzenspitzen.

Shiron hing am Rand der Grube und hielt sich mit schwindender Kraft fest. Die Kante war glatt und es war nur noch eine Frage von winzigen Augenblicken, bis er in den sicheren Tod stürzen würde.
 

Seine Fingerknochen knackten und mit einem unterdrückten Schmerzschrei sah er auf. Jemand stand auf seinen Fingern und versuchte ihn auf diese Weise zum Loslassen zu bringen. Doch er sah niemanden. Alles was er spürte, waren das Gewicht und das raue Profil von Stiefelsohlen.

Die Sohlen wurden gedreht und Shiron ließ unfreiwillig los. Eine simple Reaktion seines Körpers, um dem Schmerz zu entkommen.

Rasant näherten sich die tödlichen Spitzen. Doch kurz bevor die ihn aufspießen konnten, stoppte sein Sturz und starke Hände umfassten grob seine Fußknöchel.

Sein Gehör nahm seinen normalen Betrieb wieder auf und er konnte Geta und Kratos angestrengt schnaufen hören.

„Noch ein kleines Stück“, keuchte sein Kindheitsfreund und dann, nach einem kräftigen Ruck, sauste er über die Köpfe der beiden hinweg und landete hart auf dem Steinboden.
 

Nach Luft ringend rollte Shiron sich auf den Rücken. Geta saß rechts von ihm und rieb sich die Schultern. Links saß Kratos, lächelte ihn freundlich an und klopfte ihm auf die Brust, bevor er aufstand und einen Blick auf Zent warf.

Unwillkürlich folgte Shiron dieser Geste. Kratos wirkte im besten Falle misstrauisch, stinksauer traf es eher. Doch Zent lächelte nur erleichtert und so dachte der Auserwählte nicht weiter darüber nach.

Dass der Söldner und der Engel sich nicht gut verstanden, war von Anfang an spürbar gewesen.

Dann fiel sein Blick auf Lenox und der junge Auserwählte wollte lachen. Da sein ganzer Körper jedoch schmerzte, kam nur ein Krächzen heraus, das glücklicherweise überhört wurde.

Falls Centuirons erblassen konnten, so war das bei Lenox eindeutig der Fall.
 

Shiron streckte eine Hand aus und erreichte den flauschigen Kopf. Liebevoll streichelte er Lenox zwischen den Ohren. „Danke, Leute.“

„Hast du uns nicht gehört?“, fragte Kratos. „Wir haben dich gewarnt.“

Er schüttelte den Kopf und stutzte kurz. „Mmh, doch. Du hast was von Illusion gesagt, oder so.“

„Ja, ich wollte dir sagen, dass dort nichts ist, nur diese Grube.“

„Aber der Manapunkt...“

„Der auch“, mischte Lenox sich ein. „Entferne dich bitte nicht nochmals so weit von uns. Außerdem habe ich dir doch gesagt, du sollst dich hier nicht auf das verlassen, was du siehst und hörst.“

Seine letzten Worte klangen sehr unwirsch, aber Shiron hatte keine Lust, sich deswegen aufzuregen. Zum einen hatte Lenox Recht, zum anderen,war er ihm und natürlich seinen anderen Freunden zutiefst dankbar.
 

Eine Zeitlang blieben sie noch sitzen, erholten sich von den Strapazen und schöpften neue Kraft.

„Wo ist unser nächstes Ziel?“, wollte Shiron schließlich wissen.

„Zunächst sollten wir nach Altamira gehen“, gab Kratos zur Antwort, begleitet von einem weiteren finsteren Seitenblick auf Zent. „Dort sollten wir noch ein paar Federn aufspüren können. Danach, hmmm....“

„Noch eine Reise in die Unterwelt?“, stöhnte Geta.

„Nicht direkt, nein. Wir besuchen Avalon, ein legendäres Paradies, in dessen Nebeln ein uralter Held schlummern soll.“

Skeptisch musterte Shiron den Söldner. „Woher weißt du so was?“

Scheinbar ertappt sah der Mann zur Seite. „Ich habe meine Quellen.“

„Es wäre schön, wenn du sie mit uns teilen würdest.“

„Wenn die Zeit reif dafür ist.“

Shiron zog ein Gesicht und äffte Kratos still nach. Von Geheimnissen hatte er allmählich genug. Er wollte doch nur seine Familie wiedersehen!
 

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Genis beendete seine Erzählung und fühlte schnell Elenas Stirn. Das Fieber war nicht gestiegen. Immerhin ein gutes Zeichen. Sie hatte sich wohl zum Glück nur eine leichte Erkältung eingefangen.

„Ich mache dir noch einen Tee.“ Diesmal gab es keine Wiederworte und Kai stiefelte ihm eifrig in die Küche hinterher.

Der Halbelf setzte Wasser auf und reichte dem Jungen einen Apfel und ein kleines Messer. „Schneidest du ihn in Stückchen?“

„Geht klar, Onkel Genis.“ Stolz wie Sonstwas machte Kai sich an die aufgetragene Aufgabe.

Genis kramte die Kräutermischung aus dem Küchenschrank und füllte sie in eine Tasse.

Die Türklingel schellte und der Halbelf überlegte, ob er das Geräusch nicht einfach ignorieren sollte. Doch Kai machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Sorgfältig legte der Junge Apfelschnitze und Messer auf die Anrichte und rannte zur Tür.
 

„Hallo, Kai!“ Ein Freudenschrei folgte. „Lloyd, Zelos!“

Genis stöhnte auf, machte sich aber nicht die Mühe, in den Korridor zu gehen und seine Freunde zu begrüßen. Sie stapften eh gerade in die Küche.

Zelos bewegte sich ungelenk, da Kai sich an dessen Bein klammerte und so tragen ließ. Offenbar fand der Junge das sehr lustig.

„Na, wie geht es dir?!“, rief Lloyd fröhlich und umarmte den Halbelf heftig. „Wir haben schon gehört, dass du zum Babysitten abgestellt wurdest.“

„Wieso spricht sich so was immer gleich herum?“, knurrte Genis und übergoss die Kräuter.

Lachend löste Zelos Kais Arme von seinem Bein. „Können wir dir helfen?“
 

Genis lehnte sich mit dem Rücken gegen die Anrichte und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Und wieso kommst du auf die Idee, dass ausgerechnet ihr beide geeignet seid, um Kinder zu hüten?“, fragte er mit einem Blick auf die ineinander verschlungenen Hände der beiden Männer.

Mit der freien Hand verpasste Lloyd ihm einen leichten Klaps. „Du weißt doch, dass wir schon seit Monaten versuchen, ein Kind zu adoptieren. Ist eben alles nicht so einfach.“

„Yup, und außerdem: Bei dir und Presea war der Klapperstorch auch noch nicht.“

Grinsend sah Genis zu Zelos. „Auch wieder wahr. Meinetwegen. Und? Habt ihr vielleicht etwas von Emil und Marta gehört?“

Zelos hauchte Lloyd einen raschen Kuss auf die Lippen. „Ich glaube, sie wollten nach Meltokio. Wenn du willst, schicke ich später mal einen Boten.“

„Das wäre nett und wenn es dir nichts ausmacht, schick den Boten gleich noch zu Presea und teile ihr mit, dass es länger dauern wird und warum das so ist.“

„Kein Problem. So, wie können wir dir helfen?“
 

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Außerhalb von Meltokio
 

Emil hatte die Stadt verlassen und spazierte mit Roivas durch einen kleinen Hain. Seine eigenen Zweifel nagten an ihm. Was wäre wenn? Ja, was dann?

Roivas stöberte ein Eichhörnchen auf und jagte ihm lachend hinterher, bis es sich auf einen Baum flüchtete.

Emil entschied, alles auf eine Karte zu setzen. „Roivas, Schatz, komm mal zu mir.“

Der Junge gehorchte, sogar ohne zu zögern. Er reichte seinem Sohn einen kleinen, dünnen Ast.

„Pass auf. Wir spielen jetzt was.“

„Ja, ja!“

„Halt den Stock so.“ Emil machte es vor und Roivas nahm eine Position ein, in der er den Stock wie ein Schwert angriffsbereit seitlich hielt.

„Jetzt sprich mir nach: Ain Soph Aur, und dann stoß den Stock in Richtung dieses Baumes.“

Roivas nickte. „Ain Soph Aur!“, rief er mit klarer Stimme, die so gar nicht zu seinem Alter passen wollte.
 

Von der Spitze des Stocks löste sich eine Lichtkugel und schoss in den Baum. Die Kraft war gering und brachte das Holz nicht mal zum qualmen.

Dass es funktioniert hatte, war trotzdem eine Überraschung.

„Hast du sie noch alle?!“ Erschrocken fuhr Emil herum. Marta sah wenig begeistert aus und trommelte mit einem Fuß auf den Boden.

„Wenn du schon glaubst, dass Ratatosk sein Vater ist,warum probierst du dann diese Attacke aus? Moment! Es hat funktioniert?!“

Sie wurde blass. Emil trat zu ihr und schloss sie in seine Arme. „Ich gehe mit ihm zur Ginnungagap.“

Sie verstand und nickte langsam. „Ich komme mit.“

„Nein, besser nicht. Mach dir keine Sorgen.“ Er versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln.

„Und wenn ich dort bin, werde ich Richter den Arsch aufreißen.“

Marta wischte sich über die Augen. „In Ordnung. Wenn du denkst, dass es das richtige ist.“

„Morgen früh brechen wir auf.“
 

Mit seinem Sohn im Arm folgte Emil Marta zurück in die Stadt und hing seinen Gedanken nach. Ein anderer war ihm gekommen. Roivas musste nicht zwangsläufig Ratatosks Sohn sein, es war auch möglich, dass er ganz einfach Ratatosk war. Eine Art Reinkarnation.
 

Er seufzte vernehmlich. In ein paar Tagen würde er schlauer sein.

Nebelmonster

Nach einer langen Reise, einer Passage über eine Meerenge und mit platt gelaufenen Füßen, erreichten sie das Paradies am Meer, Altamira! Das Wetter war angenehm und ein leichter Wind wehte durch die Stadt. Sie betraten die lebhafte Stadt und schlenderten durch die Menschenmenge auf der Hauptstraße entlang. Diese Stadt wirkte nach der langen, fast einsamen Wanderung wie ein Traum und daher genossen sie es richtig hier zu sein,
 

Shiron blieb vor einer der Blumenrabatten stehen, welche in farbenfroher Anzahl den Wegesrand säumten. Er hockte sich davor und sah sich die Blumen genauer an. Lenox hatte dies bemerkt und kam zu ihm hinüber „Das sind blaue Nachtblumen, Nachts leuchten sie in einem schönen bläulichen Glanz“. Der junge Auserwählte sah den Centurion nickend an und schloss wieder zur Gruppe auf. Auf ihrem Weg wurde der rustikale Charme der Stadt unterbrochen, durch ein Gebäude, welches vor Modernität strotzte. „Das Herzstück der Stadt. Das Hotel“, meinte Zent und lief voraus. Die anderen folgten dem Engel ins Innere des Gebäudes.
 

Shiron hatte so etwas noch nicht gesehen und sah sich staunend um bis er schließlich mit Jemandem zusammenstieß. Er stolperte rückwärts und landete auf seinem Hintern. „Alles in Ordnung?!“, wurde gefragt. Der junge Auserwählte rieb sich den Hintern und sah auf „Es geht schon, es war meine Schuld!“. Er wurde von dem Fremden auf die Beine gezogen. Der Mann vor ihm hatte dichtes blaues Haar, war hochgewachsen und kräftig und machte, auch bedingt durch die erlesene Kleidung, einen edlen Eindruck. „Da wird der Hund in der Pfanne verrückt! Der Auserwählte und seine Freunde! Was für eine Ehre, dass ihr uns besuchen kommt!“ Plötzlich wurden Shiron und den anderen kräftig die Hand geschüttelt.. „Und Ihr sind?!“, fragte Geta den feinen Herr. „Verzeihung, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Ich bin Gustav Bryant, Herzog von Altamira“.
 

„Ach, ich wusste nicht, dass Altamira einen Herzog hat“, machte Lenox die Bemerkung. „Gewiss doch, immerhin ist Altamira ein Herzogtum wird, das auch von Meltokyo anerkannt wird. Was verschafft uns die Ehre Eurer Anwesenheit, verehrte Herren?“, setzte er nach. „Wir suchen Federn“, sprach Kratos aus. „Federn?“ Herzog Bryant runzelte fragend die Stirn. „Na ja, das ist so: Der Engel neben mir, Zent, hat seine verloren“, erklärte Geta das Ganze knapp. „Verstehe. Nun wollt Ihr sie hier suchen. Sagt, wollt Ihr euch ein Zimmer in diesem Hotel nehmen?“. „Ja, das ist richtig“, gab Shiron wieder. „Ihr könnt bei mir übernachten!“, lachte Gustav und führte sie hinaus auf die Straße und lief voraus.
 

Von hier aus hatte man einen wunderschönen Blick auf das Meer. Es funkelte im Schein der Sonne wie Sterne am Nachthimmel. „He, Shiron wo bleibst du denn?“, rief Lenox. Er spurtete los und schloss wieder auf. An einer Weggabelung bogen sie nach rechts ab und blieben vor einem Metalltor stehen, welches von Rosenranken überzogen war. Es schwang elegant auf und gab den Durchgang frei. Gustav lief voraus und zeigte ihnen den Weg in das prachtvolle Anwesen, auf welchem eine mächtige Villa stand. Sie liefen auf die Tür zu und wurden hineingelassen. Nun standen der junge Auserwählte und seine Freunde in einer großen Halle, geziert von edlen und fein aussehenden Möbelstücken und Stoffen. Shiron glaubte sich bei diesem Anblick ins Schloss von Meltokyo versetzt..
 

Jemand kam die Treppe hinunter und die Schritte verstummten abrupt. „Kratos?!“ Der fuhr herum.. „Yuan? Was machst du hier?“. Yuan, ein Mann von Größe und mit sichtbarem Stolz sah ihnen entgegen. Seine blauen Augen schienen sie durchdringen zu wollen. Er ließ einen kurzen Blick über die Gruppe schweifen und blieb kurz an Zent hängen, bevor er sich wieder Kratos zuwandte. „Vor wenigen Tagen ist ein seltsamer Nebel durch die Stadt gezogen und das möchte ich untersuchen“.
 

Gustav bat seine Gäste in das Wohnzimmer, bot ihnen höflich Kaffee und Kuchen an, Shiron ließ das Gefühl nicht los, dass Yuan ein Halbelf war. Das fühlte sich auf jeden Fall vertraut an. Er kniff die Augen zusammen. Ja, es fühlte sich an wie bei Noros. Aber irgendwie war es doch anderes. Er konnte nicht sagen, was. Sie saßen sich gegenüber, tranken von dem Kaffee und nahmen sich von dem Kuchen der so wunderbar herzhaft schmeckte. „Habt Ihr den Kuchen selber gebacken?“, fragte Geta. „Selbstverständlich!“, rief Gustav und lächelte zufrieden.
 

Gesang erfüllte das Haus und kam immer näher und näher. Leise und sachte Schritte kamen dem Wohnzimmer nahe und die Stimme wurde lauter, bis jemand im Türrahmen stand und den Gesang vollendete. „Ein Elf?“, waren Lenox’ Worte und sah Gustav an. „Verzeiht, das ist Dito. Meine Beraterin. Sie lebt ebenfalls in dieser Villa“. Dito hatte langes sonnengelbes Haar und die typischen langen spitzen Ohren. Sie trug ein edles Gewand, gesponnen aus feinster Seide. Es betone ihren Körper sehr vorteilhaft.. So sehr, dass Geta sprichwörtlich die Augen herausfielen. Schnell legte er sich ein kleines Kissen auf den Schoß. Sie hatte ihn schnell um den Finger gewickelt, aber da hatte Shiron noch ein Wort mitzureden. Ihre Augen waren in einen silbrigen Farbton getaucht und sie strahlte eine unglaubliche Aura aus. Dito sah Kratos, sowie Zent scharf an und ließ sich auf dem Sofa nieder.
 

Sie breitete etwas auf dem Tisch aus und sortierte es. Beim genaueren Hinsehen waren es Kräuter und anderen pflanzliche Teile. Sie hatte auch eine kleine Sichel auf den Tisch gelegt, womit sie scheinbar die Kräuter zuvor erntete. Aber sonst war sie nicht bewaffnet. Obwohl, Elfen beherrschen unglaublich starke Lichtzauber und brauchten nicht unbedingt eine Waffe, wie die Menschen. Wie alt sie wohl war?, fragte sich Shiron und wollte diesen Gedanken gerade aussprechen, als sie ihn ansah „Du bist also der Auserwählte. Wenn du es genau wissen willst, ich bin 120 Jahre alt“. „Woher....?!“ Er sah sie überrascht an. „Tz… die Kunst des Gedankenlesens beherrschen wir Elfen schon sehr lange. Aber das funktioniert leider nicht bei jeden“. Ihre Stimme war klar und deutlich.
 

Sie sah ihn immer noch an. Ihre silbrigen Augen waren verdammt unheimlich, so sehr, dass er wegsehen musste. Er suchte sich einen Punkt hinter ihr aus. Doch ihrem Blick konnte er nicht entkommen. „Wie kommt es, dass Ihr hier seid und für einen Menschen arbeitet?“, unterbrach Zent den Blickkontakt zwischen ihnen. Sie wandte sich zu dem Engel hin „Das ist eine lange Geschichte. Sagen wir mal so, ich wurde von seinen Urgroßvater gerettet und beschloss, bei ihnen zu bleiben.“ Diese Antwort war kurz und bündig. Das genügte Zent vollkommen und er wandte sich wieder ab und sah aus dem Fenster auf das Meer, welches man wunderbar sehen konnte.
 

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Die Nacht kam und der Auserwählte und seine Freunde beschlossen, sich in die Federn zu legen. Doch Shiron fand keinen erholsamen Schlaf. Den jungen Auserwählten quälten einfach zu viele Fragen. Diese kreisten in seinem Unterbewusstsein herum und ließen ihn grauenhafte Bilder sehen, die er gerne verdrängen würde. So stand er aus dem Bett auf, zog sich wieder an, verließ das Haus und setzte sich auf eine niedrige Mauer. Von dort aus konnte er auf den Strand hinunter schauen und beobachtete, wie die Wellen den Strand unter Wasser setzten. Dann sah er hinauf in den bewölkten Himmel und dachte, man könnte heute Abend die Sterne beobachten.
 

„Du suchst das Licht am Endes des Tunnels, oder?“, fragte eine leise Stimme, Shiron drehte sich hastig um und entdeckte Dito, wie diese auf ihn zu kam und sich ebenfalls auf die Mauer setzte. Sie zog die Knie an den Körper und umschlang sie mit beiden Armen. Shiron schwieg sie an und sah wieder zu den Wellen an den Strand. Nach einer stillen Minute holte Dito tief Luft. „Dich plagen Fragen, viele Fragen… ob man Kratos und Zent trauen könne? Meine Antwort: Nein!“ Er sah sie überrascht an und verlangte in freundlichem Ton, mehr zu wissen. „Ich kann ihre Gedanken nicht erfassen. Entweder haben sie keine, oder sie schotten sie ab. Eine seltsame dunkle Aura umgibt die beiden. Auch wenn sie vorgeben deine Begleiter zu sein, verlasse dich lieber einzig und alleine auf Geta und Lenox“. In Shirons Gehirn wirbelte alles durcheinander. Er hatte es geahnt, gewusst, und trotzdem nicht wahrhaben wollen. Enttäuschung nagte an ihm. „Was ist mit diesem Yuan?“. „Ihm kannst du vertrauen. Da ich seine Gedanken lesen kann, besteht keine Gefahr“.
 

Er stieß einen erleichterten Seufzer aus und sah zurück auf das dunkle Meer. „Warum ausgerechnet ich?“. „Warum du zum Auserwählten wurdest? Deine Familie gehört zu dem Mana – Clan. Das ist einfach erklärt: Nachdem die letzte Auserwählte ihre Mission nicht vollenden konnte und starb, wurde eine neue Familie zum Mana – Clan ernannt, damit der Nächste seine Mission erfolgreich zu Ende bringen kann“. „Wie wird der Mana – Clan neu gewählt, wenn es von dem Letzten keine Nachfahren mehr gibt?!“. „Die Engel beschließen diese Tatsache. Sie suchen die Familie mit dem meisten Mana aus und übertragen ihnen diese wertvolle Aufgabe“, erklärte sie ihm ausführlich.
 

„Engel…“ Seine Stimme verlor sich im Wind. „Ja“, gab sie hinzu. „Wie wurdest du gerettet?“. „Na ja, ich wurde zu einer Kriegswaise und war ich noch kein Jahr alt. Da wurde ich gefunden und von der Familie Bryant großgezogen“. „Du meinst den Krieg der vor etwa einhundert Jahren gewesen ist?“. „Ja“.
 

„Kennst du die Stadt Lantash?“, fragte Shiron. „Ja, die Stadt unter Meltokyo“. „Wer waren ihre Erbauer?“. „Ein Volk, die sich selber Silbana nannten. Ein sehr altes Volk und allwissend“. „Warum haben sie ihre Stadt verlassen. Ich meine, ich war dort und es sah so aus, als ob sie alles stehen und liegen gelassen hätten?“ Er sah sie an. „Sie sind vor etwas geflohen“. „Und vor was?“. Doch da musste Dito den Kopf schütteln „Das weiß ich leider nicht“.
 

Stille trat ein und es dauerte, bis Dito wieder etwas sagte. Sie sah auf das Meer hinaus „Auf Centurion Lenox liegt ein Fluch, der seine eigentliche Gestalt verbirgt. Lord Ratatosk nennt dies ein Siegel, damit hat er ihn unter Kontrolle hat“. „Willst du damit sagen, dass Lenox eigentlich stärker ist?!“. „Ja, weitaus stärker, als jetzt“. „Warum tut Lord Ratatosk das mit ihnen?“. „Wie gesagt, um ihn zu kontrollieren. Denn Lenox besitzt mehr Macht als er selber. Lenox ist etwas Besonderes, im Vergleich zu den anderen. Andere Centurions benutzen Diener für den Kampf, doch Lenox kämpft selber mit, in den Kämpfen die ihr bestreitet“. Das wollte Shiron einfach nicht glauben und sprang auf „Wie kann man das Siegel brechen?!“. „Mit Wasser aus einer heiligen Quelle der Insel Avalon, doch Lord Ratatosk wird dies zu verhindern versuchen. Nimm dich vor ihm in Acht. Er ist stark, er ist alles und doch dann wieder nichts“. „Wie ist das nun wieder gemeint?“, verstand er es nicht so recht und sah den Elf an. „Er besitzt keinen physischen Körper wie wir. Er ist alles und nichts, in der Lage die Körper andere zu besetzen“.
 

Dito spitzte die Ohren und lauschte angestrengt in die Nachtluft hinein und sah zum Eingang der Stadt. Nebel kroch über den Boden und verteilte sich überall. Er wurde immer dichter und dichter. So dicht, dass man seine eigene Hand vor den Augen nicht mehr sah. Shiron beobachte den Nebel und sah, wie er ein kleines von Blumen bewachsenes Beet einnahm und als er weiterzog, waren die Pflanzen eingegangen. „Vorsicht! Der Nebel lebt und entzieht den Lebewesen die Lebensenergie. Dadurch wächst er rasend schnell heran!“, warnte Dito und errichtete ein Schild aus Licht, um sich und Shiron vor dem Nebel zu schützen.
 

Aus der Villa kamen die anderen angerannt, da die Instrumente von Yuan angeschlagen hatten. Die Gruppe sah, wie der Nebel versuchte von dem Licht, welches Dito und Shiron schützte, Besitz zu ergreifen. Zent sah den Nebel an und brach auf der Stelle zusammen. Das war das Zeichen dafür, dass Federn im Spiel waren. Geta sah nach dem Engel neben sich „Er ist bewusstlos!“. Der Nebel hatte nun auch die anderen bemerkt und kroch langsam auf sie zu. Das wusste Kratos zu verhindern und errichtete einen Schild „Guardian!!“ Doch damit konnte er den Nebel nicht lange zurück drängen. Dito und Shiron rannten zu den anderen und griffen den Nebel an, was wenig brachte. Die Pfeile sausten durch den Nebel und das Schwert konnte ihm auch nichts anhaben. „Verdammt!“, fluchte Shiron und konnte nichts tun, um seine Freunde zu retten. Der Schild den Kratos aufrecht hielt wurde schwächer und mit ihm er selber. Er hatte kaum noch Kraft sich auf den Beinen zu halten.
 

Shiron hielt das im Kopf nicht aus und schrie aus Leibeskräften. Der Cruxis – Crystal an seinem Hals leuchtet auf. Licht umschloss den jungen Auserwählten und Flügel aus Energie wuchsen ihm aus den Rücken. Er flog durch die Luft und löste Kratos ab. Sein Licht reichte aus, um das Monster aus Nebel abzuwehren. Es kam einfach nicht an Shiron vorbei und zog sich für den Moment zurück, um sich neu zu sammeln. Der Nebel nahm nun eine neue Form an und entpuppte sich als gigantisches Monster. Kratos, der vollkommen entkräftet war, sah auf und traute seinen Augen nicht, bevor alles schwarz wurde und er zusammen klappte. „Nicht schon wieder!“, fluchte Geta und passte auf beide auf. Lenox schloss sich dem Kampf an, sowie auch Yuan und Dito. Sie stellten sich dem Monster in den Weg.
 

Es riss sein Maul weit auf und schoss Energiebälle nach allen Richtungen. Doch die anderen konnten der Attacke leicht ausweichen und schlugen zurück. Mit voller Wucht und sichtlichem Erfolg. Das Monster flog auf den Rücken und schrie auf. Was natürlich einige der Bewohner weckte und sie zu ihren Fenstern rennen, um zu sehen was auf der Straße vor sich ging. Shiron flog durch die Luft und nutzte seine neugewonnene kraft und jagte dem Monster einen Lichtstrahl auf den Hals. Lenox rannte auf das Biest zu und versenkte seine Fangzähne in ihm, Yuan ließ einen mächtigen Feuerzauber los und beschädigte eines der Beine stark. Es polterte auf den Rücken wie eine Schildkröte, konnte sich kaum noch bewegen und schrie immer wieder. Dito hob den Arm und sammelte Licht, ließ darauf einen gewaltigen Lichtzauber folgen und gab dem Monster den Rest. Es löste sich auf und Federn fielen vom Himmel zur Erde.
 

Shiron landete wieder und die Flügel verschwanden wie sie gekommen waren. Er sammelte die Federn zusammen, insgesamt zählte er zwanzig Stück. Er wusste nicht, dass die Federn so etwas konnten. Er lief auf Zent zu und gab ihm die Federn wieder. Der erwachte schlagartig aus seiner Bewusstlosigkeit. Aber bei Kratos könnte es noch eine Weile dauern und so wurde er zurück in die Villa gebracht, wo schon ein aufgebrachter Gustav wartete und alles genau wissen wollte. „Ein Glück, dass ihr das Monster besiegen konntet“, atmete er auf und suchte wieder sein Bett auf, sowie auch die anderen. Nun konnte auch Shiron seinen Schlaf finden und entschwebte rasch ins Land der Träume.

Der Apfelgarten

Wahnsinn!“, staunte Geta, als sie am Steg der Insel Avalon anlegten. Eine berückend schöne Insel lag vor ihnen, die die Bezeichnung „Apfelgarten“ nicht nur verdiente, sondern diesen Namen in atemberaubender Eleganz repräsentierte.

Früchtetragende Bäume säumten malerische Pfade, lockten mit verschiedenfarbigen, knackigen Früchten. Shiron gelang es kaum sich auf den Manapunkt zu konzentrieren und das, obwohl es der letzte sein musste. Die Aura war ungewöhnlich stark. Die darunter befindliche Energiemenge musste gewaltig sein. Was würde wohl geschehen, wenn der Punkt offen war? Er schielte zu Geta hinüber, der drei Äpfel gleichzeitig verspeiste. Sein gesamtes Gesicht klebte bereits vom Saft. Kratos lief ein Stück hinter ihm und wirkte angespannt. Zent war ruhig und still. Das musste es sein, was den Söldner verunsicherte. Er schien andere Reaktionen von dem Mann zu erwarten.
 

Grübelnd zog der Auserwählte die Brauen zusammen. Kratos warnte ihn vor Zent, Dito warnte ihn sowohl vor Zent, als auch vor Kratos. Und Lenox? Wie war das gewesen? „Ich schlage vor, wir suchen die Heilige Quelle!“, platzte es aus ihm heraus. Der Centurion sprang zu ihm herum. „Was? Wieso?“ „Weil ich wissen will, was passiert, wenn das Siegel gebrochen wird.“ „Äh...“ Aufmerksam beobachtete Shiron seine Gefährten. Lenox war überrascht, Geta sichtlich einverstanden und Kratos war seltsam Nichts. Neutral. Weder dafür, noch dagegen. Zent allerdings starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Vollkommen entgeistert wäre untertrieben.
 

Nachdem sie einander ausgiebig angeschwiegen hatten, verschränkte Kratos demonstrativ die Arme vor der Brust und nickte flüchtig. „Das ist vielleicht keine schlechte Idee. Macht das. Ich suche inzwischen den Schrein des legendären Helden.“ Ohne nachzufragen warum der Söldner das machen wollte, winkte Shiron den anderen und setzte sich in Bewegung. Die Insel wirkte nicht allzu groß, daher sollte es weder ein Problem sein, die Quelle zu finden, noch den Schrein. Zur Not konnten sie einander rasch zu Hilfe eilen.
 

Kratos wartete, bis seine Gefährten aus seiner Sichtweite waren und wandte sich einem dichten Hain zu, in welchem er den Schrein wusste. Es lag ihm fern, den Helden aus dessen Schlummer zu reißen. Er wollte nur etwas in Erfahrung bringen und da er bereits im Apfelgarten war, sollte er die Gelegenheit nutzen. Seufzend betrachtete er während seiner Wanderung die prallen Früchte und widerstand dem Drang, einen Apfel zu pflücken. Gewiss waren sie köstlich, doch für ihn würden sie schmecken wie ein Bettlaken. Und selbst das hätte noch mehr Geschmack. Der Hain endete abrupt. Von einem Schritt auf den nächsten stand er auf feinstem sauberen Marmor. Sein Schatten war das Einzige, was den Boden beschmutzte. Er lächelte in sich hinein. Heilige Stätten besaßen offenbar einen Schutzschild gegen Schmutz und jegliche Wetterunbill.
 

Der Schrein selbst, ein wahres Meisterwerk an altertümlicher Architektur erhob sich gute zehn Meter vor ihm. Gesäumt von weißen Säulen wirkte er wie ein antikes Mausoleum. Nun, in gewisser Weise war es das. Ein Sarkophag stand freilich nicht darin, dafür jedoch eine große Kupferschale aus der grüngoldene Flammen züngelten. Und das taten sie, seit das Feuer vor tausend Jahren entfacht worden war. Der Anblick war göttlich. Ein Feuer, welches nicht heiß war, welches niemanden zu verbrennen vermochte und weder Stahl noch Eis schmelzen konnte. Eine heilige Flamme und das Sinnbild des legendären Helden. Simpel gesehen und auf chemische Weise, war es nichts anderes als brennendes Aionis. Aber wer wollte es schon auf diese Weise betrachten? Nicht mal Kratos konnte das.
 

Als er davor stand, tauchte er eine Hand in das kalte Feuer und beobachtete die Flammen, wie sie über seine Haut leckten. Sie hinterließen ein leichtes Prickeln. Kratos räusperte sich. „Zeige mir die unausweichliche Wahrheit.“ Freilich war die Bitte sehr unpräzise, aber der Söldner zweifelte nicht daran, dass die Flammen ihm den Ausgang des Kampfes zeigen würden, der ihnen unmittelbar bevorstand. Das zuckende Goldgrün materialisierte sich zu einer Art Wand, deren Mitte stabil wirkte, während die Ränder in Wellen aus Nebel durcheinander waberten. „Deine Suche, sie wird von langer Dauer sein.“ Kratos zuckte zurück und hätte beinahe seine Hand zurückgezogen und damit den Kontakt unterbrochen. Seit wann konnte das Orakel sprechen? Und wieso überhaupt mit dieser unglaublich tiefen Stimme? „Suche?“, wiederholte er.
 

„Trauer, Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Glück werden sich in dir einen. So sieh denn...“ Wie erhofft, sah er den Verlauf des Kampfes und der fiel ganz nach Lord Yggdrassils Wünschen aus. Aber dann, als er bereits der Überzeugung war, die Vision wäre vorüber, verwischte das Bild, raste in kaum wahrnehmbaren Schlieren durch vier Zeitalter und blieb stehen. Kratos brauchte einen Augenblick, bis er bemerkte, dass das Bild keineswegs statisch war. Die zu sehenden Personen saßen einfach nur schweigend in einem Zimmer und lauschten einem jungen Halbelf. Angestrengt versuchte der Söldner etwas zu verstehen und erschrak schließlich. Denn was der Halbelf erzählte, geschah in diesem Augenblick.
 

Allein zuzusehen, wärmte Kratos´ Herz auf eigentümliche Art. Mit diesem Gefühl konnte er nicht wirklich umgehen. Der junge Halbelf wirkte vage vertraut und bei genauerer Überlegung fiel ihm auf, dass es eine gewisse Ähnlichkeit zu Dito gab. Ähnlich weich wirkten die Gesichtszüge, ebenso die Form der Augen. Nur die Farbe war eine andere. Mit den beiden rotznasigen Kindern – beiden lief die Nase - wusste er nichts anzufangen. Sie kamen ihm nicht im Ansatz vertraut vor. Anders hingegen erging es ihm bei den beiden Männern, die, aneinander gelehnt, dem Halbelf zuhörten. Der jüngere der beiden war nahezu sein eigenes Ebenbild. Weniger grob, weniger bitter. Jugendlich frisch und ganz offenbar vollkommen verknallt in den Rotschopf der neben ihm hockte. „Heißt das, ich werde irgendwann einen Nachkommen haben?“, fragte Kratos sich. Eine andere Möglichkeit erschloss sich ihm nicht. Der Rothaarige zumindest konnte seine Verwandtschaft nicht leugnen. Shiron mochte aufgrund seiner Lebensumstände hart und drahtig geworden sein, doch sonst konnte man die beiden ohne Probleme entweder als Geschwister sehen, oder eben als Urgroßvater und Urenkel.
 

Doch warum zeigte ihm das Orakel das? Es hatte nichts mit dem Kampf zu tun. Oder doch? Waren ihre Schicksalspfade aus irgendeinem, ihm noch unbekannten Grund, auf Ewigkeiten verknüpft? Kratos wurde bewusst, dass er, sollte es damit zu tun haben, jetzt eine Entscheidung fällen musste. Absoluter Gehorsam gegenüber Yggdrassil oder eine kleine Hilfe für die Gefährten, ein Schubs in die richtige Richtung. Denn das, was er soeben sah, würde er nicht als Erinnerung in die Welt jenseits des Apfelgartens mitnehmen können. Jegliches Wissen über die Zukunft würde aus seinem Gedächtnis gelöscht, sobald er die Insel verließ. In das friedliche Bild einer amüsanten Geschichtsstunde kam Bewegung, denn innerhalb weniger Sekunden war es mit eben dieser Friedlichkeit vorbei. Der Halbelf scheuchte die Kinder erschrocken weg, der Adlige und der Brünette sprangen auf und vier weitere Personen stürmten das Wohnzimmer. Eine vollbusige Schönheit gestikulierte wild mit beiden Armen. Ein hochgewachsener Nobler nickte bestätigend. Das Bild zitterte im selben Augenblick, als auch die Insel erbebte und ein unheilverkündendes Donnergebrüll erklang.
 

Kratos zog seine Hand zurück und wandte sich um. Ein violettes, unübersehbares Fanal stieg in den Himmel und explodierte in schwarzen Funken. Was war da passiert? Es konnte nicht daran liegen, dass sie das Quellwasser an Lenox benutzten und Zent war noch nicht soweit. Ihm fehlten noch ein knappes Dutzend Federn. „Der Manapunkt...Oh nein!“ Mehr als Mana musste ausgetreten sein und das konnte nur bedeuten, das Unheil bahnte sich seinen Weg an die Oberfläche. Seine Entscheidung war gefallen und noch im Laufen zückte er bereits sein Schwert.
 

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Emil und Roivas
 

Sorgfältig sah Emil sich um. Roivas hing an seiner Hand und hüpfte aufgeregt hin und her. Der verborgene Pfad in die Ginnungagap war ihm noch immer bekannt. Trotzdem benötigte er keine Zeugen. Einen ganzen Tag war er gewandert und schließlich noch einen halben auf dem Rücken seines herbei gepfiffenen Simurgh geflogen. Nun standen er und sein Sohn vor einem nichtssagenden Steinhaufen inmitten der Steppe. „So, Roivas, Schatz. Jetzt mach bitte die Attacke nochmals und ziel auf die Steine.“ Eifrig nickte der Junge und nach einem unspektakulären Lichtblitz lösten die Felsbrocken sich auf und gaben einen Schacht frei, der von einem rötlichen Schimmer erfüllt wurde.
 

Schnell nahm Emil seinen stolzen Sohn auf den Arm und stieg hinab.

Den anschließenden schnurgeraden Gang rannte er entlang, schließlich um eine Biegung und stand letztlich in der nahezu stockfinsteren Halle der Ginnungagap. Nur die Centurion Cores spendeten ein schwaches Licht, kaum mehr als ein Glühen. Sie waren noch an ihrem Platz und hielten das Tor versiegelt. Doch zu Emils Erstaunen war ein weiterer Core hinzu gekommen. Der besaß keine wirkliche Präsenz. Er war da und doch nicht. Der Core zeigte ein Bild, welches Emil völlig unbekannt war, doch Roivas schien es zu erkennen. „Lenox...der Verräter...“, stammelte der Junge. War das ebenfalls ein Centurion? Wieso kannte er, Emil, ihn nicht? Erst dann wurde ihm bewusst, dass Richter bewusstlos auf dem Boden lag. Aus reiner Vorsicht behielt er Roivas im Arm, während er sich dem alten Freund näherte. „Richter?“ Der murrte heißer, rollte sich aus eigener Kraft auf den Rücken und nahm Emils dargebotene hilfreiche Hand.
 

„Wo ist Ratatosks Core?“, fragte Emil kurz angebunden. Der Halbelf lachte kratzig. „Du hältst ihn an der Hand.“ Das war ihm Bestätigung genug. Lieber hätte er geklärt, warum das so war, doch eine andere Frage brannte ihm eindringlicher im Gemüt. „Was ist hier geschehen? Warum ist es dunkel?“ Beinahe unbeteiligt rückte Richter sich die Brille zurecht und fuhr sich einmal durch die Haare. „Es geschah vor wenigen Minuten. Dieser Core“, er deutete auf Lenox, „tauchte auf und ich bekam einen gewaltigen Schlag. Und dann wurde es dunkel. Den anderen Centurions geht es gut, aber sie werden blockiert.“ Emil verstand absolut nichts. „Wie, blockiert?“
 

„Das kann ich dir nicht genau erklären. Fest steht, etwas Großes ist auf dem Weg zu uns. Es kämpft sich aus dem Untergrund zu uns, um Rache zu nehmen.“ „Wofür?“ „Woher soll ich das wissen? Nichtmal die Centurions können es mir sagen....und dieser Lenox redet leider nicht mit mir.“ Emil kratzte sich am Kinn. „Er kann nicht zu dir sprechen wie die anderen?“ Wieder lachte Richter. Ein wenig resigniert diesmal. „Doch, er könnte. Aber er will nur mit dem, hmm, wie war das? Ah ja! Er will nur mit den Nachfahren von Shiron Wilder und Geta Makanel reden.“
 

„Gut. Der eine kann nur Zelos sein, aber der andere Name? Wer soll das sein?“ Grübelnd zog Emil die Augenbrauen zusammen. Richter verschränkte die Arme unter der Brust. „Ich kenne ein ähnliches Wort. Mataner. Es existiert heute nicht mehr, aber es gibt eine konforme Übersetzung.“ Der Blondschopf verdrehte stöhnend die Augen. „Die da wäre?“ Richter grinste. „Fujibayashi.“ Emils Kinn nahm Bodenkontakt auf. „War das ein Witz?“ „Keineswegs. Beides bedeutet „Bergblume“, oder so ähnlich.“ „Dann gehen wir zu ihnen.“ Sie wandten sich dem Ausgang zu und sofort folgte ihnen Lenox´ Core dichtauf. Als sie ins Freie traten, bebte die Erde und der eben noch blaue Himmel färbte sich violett. „Was zum...? Lass uns zunächst zu mir gehen. Der arme Genis ist bestimmt schon total verzweifelt.“ Auf Richters erhobene Braue zuckte er nur mit den Schultern. „Lange Geschichte. Komm schon. Ich rufe Simurgh.“
 

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Genis und die anderen
 

Lloyd zog ein langes Gesicht. Was hatte sein Vater nur alles angestellt? Wirklich unglaublich! Schuft und liebender Vater in einem! Pah! Genis grinste ihn frech an. „So steht es nun mal geschrieben, Lloyd.“ Der wollte zu einer patzigen Antwort ansetzen, als die Haustür aufflog, aufgetreten wurde, der Boden zu beben begann und Sheena , zusammen mit Regal, Raine und Marta hereinstürmte. Schnell kombinierte Genis, dass Schlimmes geschehen war und dirigierte die Kinder in ihr Zimmer. „Schnell, kommt mir ihr alle!“, keuchte Sheena außer Atem. „Wir müssen zum Tor der Welten. Da braut sich was zusammen!“ Alle Blicke richteten sich auf Marta, die rasch berichtete, was mit Roivas war und dass Emil zur Ginnungagap aufbrach. „Ich bleibe bei den Kindern. Geht nur.“ Damit stand dies fest und in Ermangelung von Rheairds mussten sie auf zwei von Emils geflügelten Monstern ausweichen.
 

So erreichten sie rasch das Tor der Welten, an dem Presea, Colette und, seltsamerweise, Kratos bereits warteten. Doch der Anblick war schauderhaft. Die kleine Insel war nicht länger von Wasser umgeben, sondern von einem klaffenden schwarzen Abgrund...

Der letzte Manapunkt

Kratos rannte mit gezogenem Schwert zu dem Ort des Geschehens. Er konnte es nicht wirklich glauben, dass der Manapunkt so viel Mana enthielt. Er rannte durch den Wald immer weiter und konnte schon von Weitem die Heilige Quelle sehen. Eine mächtige Attacke raste auf ihn zu die ihn knapp verfehlte und in den Baum neben ihn prallte. Kratos rannte weiter und kam am Kampfplatz an. Er sah, wie Shiron und die anderen gegen etwas kämpften was mal hier mal da auftauchte. Es besaß einen rötlichen Schimmer und bestand aus purer Energie. Ab und an wurde aus dem rötlichen Schimmer eine feste Form und griff an. Lenox sprang durch die Luft und aus seinem Maul schossen Feuergeschosse, die durch das Wesen gingen und die Obstbäume dahinter niederbrannten. „Was ist hier los?!“, rief Kratos schließlich. „Lord Ratatosk ist aufgetaucht und will verhindern, dass das Siegel von Lenox gebrochen wird!!“, rief Geta. Nun leuchtete es auch Kratos ein. Wenn das Siegel gebrochen wurde, würde Lenox stärker als Ratatosk sein und das versuchte er zu verhindern.
 

Shiron ließ seine Schwingen erscheinen und griff mit seiner Engelsmagie an, da sein Schwert und Bogen absolut keine Wirkung zeigten, da der Angreifer nur aus Energie bestand. Nun mischte auch Kratos mit, griff mit seiner Magie an und konnte einen Treffer verbuchen. Was allerdings dem Wächter der Ginnungagap nicht wirklich schmeckte und auf ihn losging. Nun wurde auch Kratos bewusst, warum so viel Mana auf einmal erschienen ist. Das konnte nur Ratatosk oder ein anderes höheres Wesen sein, da ihr Manalevel jenseits von dem eines normalen Lebewesen lag. Er wollte unbedingt verhindern das Lenox seine normale Form wiedererlangte. Wenn Lenox doch so weit kam, würde er von dem Wächter als Verräter anerkannt werden, aber nicht nur das würde Lenox erwarten sondern auch die Verbannung in die Dämonenwelt, jenseits der Ginnungagap.
 

Geta konnte rein gar nichts mit seiner Waffe ausrichten und wurde zum Spielball des Feindes. Er wurde über den ganzen Platz gejagt, durch die Luft geworfen, brutal gegen einen Baum geschmettert und glitt bewusstlos an der harten Baumrinde herunter. Er hatte sich eine Kopfwunde zugezogen. Shiron hatte es mitbekommen, raste nun auf den Wächter zu und verpasste mit seiner Magie Ratatosk einen üblen Hieb. Er konnte ihn erfolgreich zurückschlagen und sah schnell nach seinem Freund. Geta ging es soweit gut. Er konnte später noch versorgt werden und Shiron wandte sich wieder dem Feind zu.
 

Der hatte allerdings Unterstützung bekommen. Zwei seiner Centurions standen mitten auf der Lichtung und Lenox gegenüber. „Tu es nicht, dir droht sonst die Verbannung!“, sprach Tenebrae zu ihm. „Und?!“. „Willst du das?“, fragte Aqua. „Das kann mir egal sein! Ich will meine alte Stärke wieder haben!“ Lenox griff die beiden an und bekam es mit ihren Dienern zu tun. „Du macht einen Fehler!“, rief Tenebrae und hatte sich in die Luft erhoben zusammen mit Aqua. Für Lenox stellten die Diener von Aqua keine Probleme da und er besiegte diese. Er schaffte es, Aqua wieder in einen Kern zurückzuverwandeln, doch bei Tenebrae biss er sich sprichwörtlich die Zähne aus.
 

Shiron stand Ratatosk gegenüber, zu seiner Unterstützung kamen noch Zent und Kratos hinzu und sahen dem Feind gemeinsam ins Auge.
 

Doch ertönte eine Stimme die durch den ganzen Wald zu hören war und sie kam immer näher und näher bis jemand zwischen den Bäumen auftauchte und sich ihnen zeigte. „Wer bist du?!“, rief Ratatosk herüber. Der Elf setzte kurz ab mit dem Lied „Ich bin Dito Sage und diene der Familie Bryant, seit Generationen!“ Nun begann sie wieder ihr Lied zu singen. Das Lied welches sie sang, beruhigte die Gemüter und bewegte Ratatosk und Tenebrae dazu den Rückzug anzutreten. Dabei ließ er den Kern von Aqua mitnehmen und sie verschwanden zusammen mit der gewaltigen Manamenge die aus dem Tor strömte. Dito schritt auf den bewusstlosen Geta zu, heilte ihn von seiner Kopfwunde und er kam wieder zu sich und sah ihr überrascht ins lächelnde Gesicht.
 

Shiron lief hinüber zu der Quelle, schöpfte etwas Wasser heraus und füllte es in eine kleine Flasche um. Kratos tat das Gleiche und verstaute diese sicher in seiner Tasche. Zent sah dem zu und fragte für was er das Wasser brauchte. „Man weiß nicht, was sonst noch alles passieren könnte“. „Danke, dass du uns geholfen hast“, meinte Shiron zu Dito. Diese lächelte ihn an und beschloss, ihn zu begleiten. „Lasst uns nun den Manapunkt öffnen“, sagte Zent einige Augenblicke später und sah in die Runde. „Was passiert dann?“, wollte Geta wissen und sah den Engel an. „Dann müssen wir die Spitze des Turms des Heils erklimmen und die Erneuerung zu Ende bringen“, erklärte der Engel weiter. Kratos warf ihm einen vernichtenden Blick zu und machte den ersten Schritt in Richtung Manapunkt. Der Rest der Gruppe folgte ihm durch den Wald mit den prall gefüllten Obstbäumen die köstlich von den Bäumen hingen und warteten gegessen zu werden. Aber dafür hatten sie keine Zeit.
 

Sie liefen immer noch durch den Wald. Dito behielt Zent und Kratos die ganze Zeit über im Auge, damit sie ja nichts Dummes anstellten. Shiron gähnte schon und fragte sich, wann sie endlich ankamen am Manapunkt und sah zu Kratos und Zent hinüber. „Es wird noch eine Weile dauern“, gab Zent von sich, der seine Augen geschlossen hielt und schwebte über den Waldboden. „Wir sollten eine Rast machen. Wir sind alle recht erschöpft durch den kleinen Kampf mit Ratatosk“, meinte Kratos zur Gruppe. Diese war einverstanden und schlug nur wenige Minuten später das Lager aus und breiteten die Schlafplätze aus und bauten noch ein Lagerfeuer auf. Wenig später saßen sie dann alle am Feuer und aßen zu Abend. Sie hatten kaum bemerkt das die Nacht hereingebrochen war und so betrachtet sich Shiron die Sterne und musste an seine Familie denken. Nicht mehr lange und er konnte sie aus der Gewalt dieses Irren befreien und endlich mit ihnen zurück nach Meltokyo gehen. Aber zuvor musste er noch die Erneuerung durchführen und die Welt retten, wenn er es auch nur widerwillig tat.
 

Er ließ den Blick durch das Lager schweifen und bemerkte, dass Zent bereits schlief und das tief und fest. Kratos lehnte am Baum und war sehr vertieft in ein Buch und schlug gerade die nächste Seite auf. Geta lag auf seiner Decke und schnarchte schon. Bei ihm hörte es sich so an, als ob er jeden Baum hier abholzen würde. Dito saß da und verarbeitete ihre Kräuter, zupfte die Blätter vorsichtig ab und legte diese in eine kleine Schüssel. Shiron sah ihr eine ganze Weile zu, bis sie ihn ansprach. „Ich hatte den gewaltigen Manastrom bemerkt und kam sofort hierher.“ Sie wandte sich nicht ab von ihre Arbeit. „Aber wie bist du so schnell hierher gekommen?“, setzte Shiron fragend nach. „Es ist ein Leichtes für mich, mich an andere Orte zu teleportieren“. Sie räumte die ganzen Stiele weg und packte ein wertvolles kleines Fläschchen mit schimmerten Inhalt aus, entkorkte es und sah den Auserwählten an „Du fragst, was das ist? Das ist Morgentau. Etwas, was man nur im Wald der Elfen finden kann. Wir, die Elfen benutzen es zur Herstellung von Salben und anderen Mixturen“. Sie goss etwas davon in die Schale und stellte die kleine Flasche weg. Dann packte sie noch einen Mahlstein aus, warf noch einige Kerne hinein und vermahlte alles und vermischte es. Nach geschlagenen zehn Minuten sah sie nach und verdünnte das Ganze noch etwas mit einem kleinen Schuss Wasser und fertig war das Ganze. Dito kramte in ihrer Tasche nach einer kleinen leeren Flasche, füllte es um, verschloss es sehr gut und verstaute es wieder in ihrer Reisetasche.
 

Schließlich erhob sie sich und lief zum Wasser. Shiron sah ihr nach und wieder in die Flamme des Lagers und dachte wieder an seine Familie. Nach der Zeit wurden seine Augenlider schwer und er beschloss, sich hinzulegen und schlief schnell ein. Auch Lenox lag am warmen Feuer und war vollkommen weggetreten.
 

Nur Kratos war noch wach, erhob sich und lief ebenfalls ans Wasser zu der Elfe und sah ihr zu. Da sie seine Gedanken nicht lesen konnte, konnte sie nur ahnen, was in seinem Kopf vorging „Wann willst du dich zu erkennen geben und uns verraten?!“ Ihre Stimme blieb ruhig. Kratos ließ den Blick zu Boden wandern und suchte sich einen Stein auf den er den Blick heften konnte. Dito hatte ihre Werkzeuge fertig gereinigt, erhob sich aus der knienden Position und drehte sich zu ihm hin „So, du willst es nicht tun, aber musst! Zu dumm, wenn man das Siegel von Origin ist!“. Auch hier schwieg Kratos und biss die Zähne zusammen. Sie sah ihn an und musterte ihn haargenau „So, du hast also die Zukunft gesehen und weißt was passiert. Fällt der Kampf zugunsten von Mithos aus?“. „Ja…“ Das war das einzige was Kratos zu ihr sagen konnte und sah sie nun wieder an. „Da scheint mehr zu sein als nur der Kampf“. „Ja, das Böse wird in ferner Zukunft wiederkehren und ich würde das gerne verhindern. Mithos wird nicht die Kraft haben, die Macht alleine zu stoppen“. „Aber wenn du das Böse vernichten willst, brauchst du die Hilfe von Shiron und seinen Freunden. Damit würdest du Mithos hintergehen. Doch du musst sie verraten, um deinem Befehl Folge zu leisten. Sobald wir die Insel verlassen wird die Erkenntnis über die Zukunft verschwunden sein“ Dito stand auf und zog etwas aus der Innenseite ihres Gewandes und schritt damit auf Kratos zu. „Ich habe davon gehört, dass Elfen mit Hilfe magischer Objekte Erinnerungen von jemand anderem abspeichern und aufbewahren können und das über einen sehr langen Zeitraum“. „Damit die Kenntnis über die Zukunft nicht verloren geht, werden wir sie hier hinein kopieren und sie gut aufheben. Ich selber werde es bewachen und sie dir zum richtigen Zeitpunkt wieder geben!“. Sie hielt das magische Objekt an seine Schläfe und ein helles Licht erstrahlte und schon wurden sämtliche Erinnerungen in den kleinen Speicher gesandt. „Und wann erhalte ich sie wieder?“, fragte Kratos noch und sah zu, wie Dito ihre gereinigten Werkzeuge aufhob und mit diesen unter dem Arm an ihm vorbei lief „Wenn die Zeit dafür gekommen ist!“ Mit diesen Worten ließ sie ihn an der Wasserstelle zurück. Kratos setzte sich in das Weidengras, sah hinauf in den Sternenhimmel und beobachtete den Mond.
 

Nach langem Sitzen beschloss er, ins Lager zurückzukehren, legte sich auf seine Decke und kuschelte sich ein. Schlafen würde er gewiss nicht können und tat daher nur so, schloss die Augen und lauschte den Tiergeräuschen der Nacht. Doch mitten in der Nacht bemerkte Kratos wie Zent sich erhob und sich davonschlich . Er schwebte über den Boden und konnte ohne Laute zu erzeugen davon gehen. Doch Kratos bekam es mit und lauschte noch immer. Zent zog es an die Wasserstelle und ihm erschien eine Person die sich im Schatten befand „Morgen schon“, meinte Zent zu der Person. „Endlich!“, gab die fremde Person wieder. „Ja, endlich wird die große Bestie wieder auferstehen können!“, stimmte Zent zu. „Wenn alles glatt geht!“, wollte es die fremde Person nur gehofft haben und sprach weiter „Sorge dafür, dass der junge Auserwählte und seine Gruppe morgen den Manapunkt ganz sicher öffnen und sich auf den Weg zum Turm machen. Wir brauchen den Kern des Weltenbaumes, wenn wir die große Bestie erwecken wollen“. „Ich werde schon dafür sorgen, dann müssen wir nur noch Kratos und Mithos aus dem Weg räumen!“, versicherte Zent der fremden Person. „Gut! Was ist mit deinen fehlenden Federn?“. „Nur keine Sorge! Ich kann sie jederzeit wieder zurückholen. Das war nur ein Vorwand um mit auf die Reise gehen zu können!“. „Dann ist alles geklärt!“ Mit diesen Worten verschwand die unbekannte Person. Zent sah sich um, um sicher zu gehen, dass er nicht belauscht wurde und schlich zurück zu seinem Schlafplatz und legte sich wieder schlafen und deckte sich mit einem seiner Flügel zu.
 

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Am nächsten Morgen im Lager, ein Hauch Nebel lag über der Insel und ließ die Sicht etwas verschwimmen und doch konnte man alles gut erkennen. Shiron erwachte auf seiner Decke, streckte sich und sah, dass Lenox schon wach war und sich schon etwas zu Essen geholt hatte und daran nagte. Geta pennte noch friedlich auf seinem Platz, Dito hatte ihren Platz bereits verlassen und sammelte einige Kräuter zusammen. Das schien ihre Lieblingsbeschäftigung zu sein. Wie auch immer! Zent schlief auch noch tief und fest. Kratos lehnte sich gegen einen Baum und las sein Buch weiter. „Morgen Shiron“, wurde er von Dito begrüßt, als sie wieder ins Lager zurückkam. „Morgen! Du scheinst das regelrecht zu lieben, also...Kräuter zu sammeln“. „Das ist meine zweite Lieblingsbeschäftigung. Ich interessiere mich eher für alte Ruinen und ausgestorbene Kulturen“. „Aha ja, eine Archäologin also“ , pfiff Shiron schließlich. „Ja“, lachte die Elfe ihn an.
 

Nach und nach erwachte das Lager und sie beschlossen, rasch aufzubrechen, packten ihre Sachen zusammen und waren zwanzig Minuten später wieder unterwegs auf dem Weg zu dem Manapunkt. „Wie weit es wohl noch ist?“, fragte Geta und sah in die Ferne. „Nicht mehr allzu weit“, konnte Dito ihn etwas beruhigen und sah auch in die Ferne. Shiron sah Dito an „Sag mal, hast du eigentlich Familie?“. Sie sah ihn an „Ja. Ich bin verheiratet und habe eine Tochter. Beide leben im Dorf der Elfen, Heimdall“. „Wenn das so ist, warum bist du dann des Öfteren bei Gustav?“ Geta ließ sich zurückfallen und lief nun neben den beiden. „Das ist meine Arbeit. Ich verdiene Geld damit, um meine Familie zu ernähren“. „Ach so ist das also, verstehe“, konnte es Geta nachvollziehen.
 

„Kennt ihr das Belphegor?“, fragte sie die beiden jungen Männer, doch beide konnten nur den Kopf schütteln. „Das ist der König der Unterwelt und befindet sich in einen immerwährenden schlafähnlichem Zustand. Man sagt, wenn es erwacht, soll es die Finsternis über die Welt bringen und den Weltuntergang herbeirufen. Um ihn zu wecken muss man zuerst in die Ginnungagap und das Tor nach Niflheim öffnen, aber das alleine reicht nicht aus. Danach muss man ein Ritual zu Beschwörung einsetzen und dazu eine Menge Mana als Opfergabe hingeben“. „Das klingt ja gar nicht gut.“ Da fing Geta an zu schlottern. „Selbst wenn sie sich noch im Schlafmodus befinden, strahlen sie eine ungeheure Menge an negativer Energie aus und wenn sie erst mal erwacht sind, kann sie niemand mehr stoppen und sie sind verdammt zornig“. „Aber mal eine andere Frage: Woher bekommt man so viel Mana?“, fragte Shiron. „Also ich wüsste woher“, meinte Lenox und gesellte sich zu ihnen, Zent lief an der Spitze und Kratos blieb hinter ihnen und verfolgte die Erzählung mit. „Und woher nun?!“, wiederholte Shiron seine Frage und sah das Zauberwesen an. „Na, der Kern des Weltenbaumes!“. „Wo befindet sich dieser im Augenblick?!“ Der junge Auserwählte wollte unbedingt den Kern beschützen. „An einem sicheren Ort“, gab Kratos hinzu. „Und wo soll das sein!“, kam es vom Blondschopf. „Vertrau mir einfach.“ Das war das letzte Wort von Kratos. Geta musste sich geschlagen geben und schwieg unangenehm vor sich her. „Was ist mit der Ginnungagap?!“ , warf Shiron ein. „Sei unbesorgt. Die anderen Centurions und Ratatosk bewachen diesen Ort. Da kommt so schnell keiner dran und wird schon gar nicht die Möglichkeit haben, das Tor zu öffnen. Außer, dem Eindringling gelingt es, den Wächter zu töten“, erklärte Lenox. Da konnte der Rotschopf aufatmen und sah etwas erleichtert aus.
 

Schließlich erreichten den Zugang zu dem Manapunkt und liefen in die Höhle hinein. Zu ihrer Überraschung war es eine Tropfsteinhöhle. Überall um sie herum plätscherte das Wasser aus Spalten und von Steinen. Eine recht kühle Temperatur herrschte hier drinnen. Das tropfende Wasser konnte einen wirklich beruhigen, bis ein Wassertropfen in Getas Kragen von fiel und er schrie und die anderen damit erschreckte. „Mann! Musst du so uns erschrecken!“, maulte Lenox und ging weiter. Sie kamen an einer Brücke an und sahen unter sich einen klaren See. Man konnte bis auf den Boden sehen und wie die Fische darin herum schwammen. Stumm staunend liefen sie über die Brücke und dabei fiel Kratos auf, dass Dito verdammt blass um die Nasenspitze wurde „Geht es dir nicht gut?“. „Ich kann nicht schwimmen“. Er setzte ein sanftes Lächeln auf und reichte ihr die Hand als er auf der anderen Seite angekommen war. Sie sah ihn an und nahm diese Geste dankbar an und ließ sich auf die anderen Seite herüber ziehen.
 

Nach einer kleinen Verschnaufpause ging es weiter und sie kamen endlich da an wo sie hinwollten. Ein ziemlich großer Stein befand sich auf dem Punkt. Shiron schritt darauf zu und legte die Hand auf den kalten und nassen Stein und dieser fing an zu leuchten. „Gut gemacht, somit ist der letzte Manapunkt auch offen“, sprach Zent aus. Als sich Shiron zu seinen Freunden umwandte stand da eine Frau mit langen Haaren und in Seidengewänder gehüllt. Er sah sie überraschend an „Masara?“. „Ja, dank dir und deinen Freunden ist es mir wieder möglich eine feste Form anzunehmen. Wir treffen uns am Turm des Heils um die Erneuerung zu vollenden!“ Mit diesen Worten verschwand sie in das Nichts und ließ Shiron und seine Freunde zurück

Turm des Heils

Sie waren wieder am Anfang der Insel angekommen und die Nacht brach herein. Sie schlugen ihr Lager wieder da auf, wo sie zuvor schon mal waren. Dito stand an der Wasserstelle und sah auf das Wasser, die Sterne wurden darin widergespiegelt. Ganz so, als würde die Wasserstelle selbst der Himmel mit seinen Sternen sein. Kratos kam zu ihr an das Ufer und suchte wieder das Gespräch mit ihr, doch er wusste nicht wo er anfangen sollte. „Sobald wir die Insel verlassen, wirst du vergessen was du im Orakel gesehen hast“, fing sie an. „Ja, dann wird alles seinen normalen Weg nehmen“. „So ist es auch gedacht, niemand der hier gewesen ist wird in der Lage sein die Zukunft zu verändern. Aus diesen Grund habe ich deine Erinnerungen kopiert. In ferner Zukunft werde ich zu dir kommen und dir die Erinnerungen wieder geben. Denn du weißt sicher wie der Kampf in der Zukunft ausgeht, oder?“. „Ja…“. „Wenn wir morgen auf dem Weg zum Turm sind, werde ich mich von euch trennen und alles für die ferne Zukunft vorbereiten“. „Und wie sieht das aus?“, wollte Kratos dann schon genauer wissen. „Ich werde versuchen die Unsterblichkeit zu erlangen. Mich dann ab einer gewissen Zeit zurückziehen und die Welt beobachten“. „Aha, ja.“ Mehr sagte der Engel nicht und beschloss, wieder ins Lager zu gehen.
 

Kaum war Kratos gegangen, kam Shiron zu ihr und sie sah den jungen Auserwählten an „Was kann ich für dich tun?“, fragte sie ihn. „Warum wollte Ratatosk verhindern, dass das Siegel von Lenox gebrochen wird? Mir ist schon klar, dass er dann stärker wäre, als er selbst“. Dito sah ihn an und wieder auf das Wasser. „Das stimmt. Lenox wäre stärker als der Wächter der Ginnungagap. Aber nachdem das Siegel gebrochen wurde, kann Lenox seine jetzige Form nicht mehr annehmen. Das ginge nur durch eine erneute Versiegelung seiner Macht. Des Weiteren wäre er stark genug, um es mit Belphegor aufzunehmen. Daher bitte ich dich, das Siegel noch nicht zu brechen“. „Warum nicht!?“, wurde Shiron lauter. „Ganz einfach. Wenn Lenox in seiner anderen Form getötet wird, wird er nicht mehr zu einem Kern, sondern würde sich für immer auflösen. In seiner jetzigen Form könnte er wieder zum Kern werden und immer wieder kommen, du verstehst?“. „Ja.“ Damit ging Shiron wieder ins Lager zurück. Dito blieb noch etwas am Ufer des Flusses sitzen und sah hoch zu den Sternen und dem gespenstisch schönen Vollmond, der alles in silbriges Licht tauchte. Sie beschloss auch wieder ins Lager zu gehen, legte sich auf ihre Decke und schlief ein. Auch die anderen aus dem Lager schlossen die Augen und schliefen schnell ein.
 

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Die Nacht rauschte an ihnen regelrecht vorbei und schon war der nächste Morgen da. Sie standen auf, packten ihre Sachen zusammen und waren zehn Minuten später auf dem Weg zu den Booten. Kratos warf noch mal einen letzten Blick auf die Insel hinter sich, bis auch er beschloss in das Boot zu steigen und gemeinsam loszusegeln. Von der einen auf die andere Sekunde vergaß Kratos das, was er von dem Orakel erfuhr und wusste nicht mehr, worüber er und Dito am Abend bevor der Manapunkt geöffnet wurde, sprachen.
 

Die See war ruhig und sie kamen gut voran. Sie erreichten in den Mittagsstunden das Festland und legten am Dock an. Sie waren in der Nähe des Turmes angekommen und konnten ihn schon sehen.. Bald würde es zu Ende sein , das hoffte Shiron innerlich.
 

Doch da bebte die Erde unter ihren Füßen und etwas stieg empor. Ein wahrliches Monster stieg aus der mehrere Meter breiten Erdspalte vor ihren Augen. In einer der Pranken hielt das Monster einen Käfig aus Stahl mit Lebewesen darin. Shiron erkannte seine Familie darin und zog das Schwert. Nachdem das Monster sich vollkommen aus der Erde erhoben hatte, stand jemand auf der Schulter des Ungetüms. „Noros!“, schrie Shiron und rannte los. „Warte!“, rief Zent ihm nach, doch das hatte kein Sinn. Getrieben von Hass und dem unbändigen Wunsch seine Familie zu retten, stürmte der junge Auserwählte auf das riesige Biest zu. Das Monster holte mit eine mächtigen Arm aus und Shiron wurde von den Füßen gerissen. Der Schlag war derart heftig, dass der junge Mann quer über den Boden rutschte. Er hörte die erschrockenen Schreie seiner geliebten Familie, doch als er mühevoll aufsah, hielten sich seine Liebsten voller Angst die Augen zu. Wütend knurrend rappelte Shiron sich auf. „Wie ich sehe, bist du ziemlich stark geworden“.
 

Noros sprang von seinem Monster hinunter, trat Shiron gegenüber und erhob seine Schwertklinge. Der Rotschopf rannte mit erhobenen Schwert auf seinen Widersacher zu. Donnernd krachte Metall auf Metall. Erderschütternd. Zent beschloss, die anderen in sichere Entfernung zu bringen. Shiron schien wild entschlossen Noros zu töten, zu kämpfen, bis zum bitteren Ende. Rache für seine Familie. Geta sah zu den verbissen Kämpfenden, dann zu dem Monster und dem Stahlkäfig. Er schlich hinüber und versuchte, unbemerkt an dem Monster hinauf zu klettern. Doch das gelang ihm nicht und er wurde abgeschüttelt. Lenox konnte Geta auffangen und sah nach ihm. Er schien in Ordnung zu sein. „Das wird dein Untergang sein!!“, schrie Noros, schlug immer härter zu und trieb Shiron in die Ecke. Mit einem kräftigen, plötzlichen Hieb, der Noros überraschte, gelang es dem Auserwählten, sich aus der Zwangslage zu befreien und seinen Gegner zurückzudrängen. Während Noros noch um Fassung rang und die erneute Oberhand, konnte Dito die Gefangenen aus dem Käfig befreien und sie in Sicherheit bringen.
 

Nun musste Shiron keine Rücksicht mehr nehmen und schlug zurück. Noros begriff nicht, wie der Auserwählte, den er bis soeben noch völlig unterschätzte, so stark angreifen konnte. Kaum mehr konnte er den wütenden Attacken standhalten. Immer mehr wurde er vom Auserwählten in die Ecke getrieben und wusste sich nicht mehr zu wehren.. Shiron stand ihm gegenüber „Dafür, dass du meine Familie entführt hattest!“ Mit einem einzigen Hieb trennte Shiron dem Peiniger seiner Familie den Kopf ab. Sekundenlang blieb der kopflose Körper noch aufrecht stehen, schwankte, wie eine Pappel im Wind und sackte schließlich zusammen. Shiron trat einige Schritte zurück,weg von dem ausströmenden Blut. Vorbei! Es war vorbei! Shiron ließ das Schwert fallen und sank zitternd auf die Knie. Die Anspannung löste sich und ließ seinen Körper in Schwäche zurück.. Seine Eltern und seinkleiner Bruder rannten auf den erschöpften Shiron zu und schlossen ihn in die Arme. Ein glückliches Familienbild, dachte sich Lenox und sah dem Turm entgegen. Der Kampf war noch nicht vorüber.
 

Dito trat auf den Auserwählten zu „Shiron, ich werde euch nun verlassen und deine Familie sicher in Meltokyo absetzen. Ihnen wird nichts gesehen. Das verspreche ich dir als Freundin“. Der Rotschopf löste sich aus der Umarmung und sah sie an „Musst du schon gehen?“. „Ja, es muss sein“. Er dachte einen Moment lang nach „In Ordnung, pass gut auf meine Familie auf“. „Ich habe es dir versprochen“. Er nickte ihr zu und ging wieder auf seine Gruppe zu. Dito führte die Wilders in die andere Richtung. Bald schon waren sie außer Sichtweite. Shiron seufzte erleichtert, nickte seinen Freunden grimmig zu. Sie erwiderten den entschlossenen Blick und wandten sich dem Turm zu. Shirons Familie war in Sicherheit und sie konnten sich voll und ganz auf ihre Mission konzentrieren.
 

Die Entfernung war größer als es zunächst aussah. Als der Mond sich über den Horizont schob, schlugen sie ein Lager für die Nacht auf und setzten sich um ein rasch entzündetes Lagerfeuer. „Morgen kommen wir am Turm an“, meinte Zent, der an einer gerösteten Knolle nagte. „Das ist gut“, gähnte Geta und schlief auf seiner Decke ein. Kratos lag auf seiner Decke und las sein Buch weiter, wie üblich. Lenox lag am Feuer und schlief schon. Das Gesamtbild sah so friedlich aus als ob es die Reise und die Bedrohung nicht gäbe. Shiron beschloss sich auch hinzulegen und sah zu dem bewölkten Himmel hinauf. Trotzdem fand er nicht sofort in den Schlaf. Zu viele Dinge gingen ihm noch durch den Kopf.
 

Zent wartete geduldig, bis ein jeder schlief, ehe er das Lager verließ, um sich mit Jemandem zu treffen. „Noros ist gefallen!“, sprach er in die Nacht.. „Dieser Idiot. Ich habe ihn gewarnt. Doch er wollte nicht hören“, gab die unbekannte Person wieder. „Egal jetzt! Morgen kommen wir endlich am Turm an und wenn der Auserwählte mit diesen Mithos beschäftigt ist, krallen wir uns den Kern“, beschwichtigte Zent.. „Ja, so machen wir es!“, stimmte die fremde Person zu. „Wenn wir den Kern haben, was machen wir dann mit den anderen?“, wollte Zent noch wissen, bevor er wieder zu dem Lager zurückging. „Erledige sie!“, war der klare Befehl der Person, ehe sie verschwand. Der Engel schlich zum Lager zurück und legte sich ungerührt schlafen.
 

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Mit den ersten Sonnenstrahlen erwachte Shiron leidlich ausgeruht, streckte sich genüsslich und erhob sich von seinem Schlafplatz. Das Feuer war längst herunter gebrannt und bereits mit Erde abgedeckt. Geta war schon auf den Beinen, daher hatte er sich wohl darum gekümmert. Lenox erwachte ebenfalls, reckte und streckte sich wie ein zu großes Kätzchen und schüttelte die gewaltigen Fleischberge durch. Kratos schlief noch und wurde gerade wach. Zent hingegen, packte bereits die Sachen und zusammen.
 

Shiron sah hinüber zu dem Turm, der sich dunkel gegen den Morgenhimmel abhob und den sie heute noch erreichen würden. Dieser Tag würde die Entscheidung bringen. Es würde enden und er konnte endlich in sein normales Leben zurückkehren und in die Arme seiner geliebten Familie. Er freute sich, trotz des mulmigen Gefühls in der Magengegend. „Heute endet endlich alles“, wiederholte Geta die Gedanken seines alten Freundes laut. „Ja, endlich!“. Lenox lief zu den beiden hinüber „Wolltet ihr nicht mein Siegel brechen?“. Shiron sah ihn an und dämpfte seine Stimme „Dito meinte, dass die Zeit noch nicht gekommen ist. Ich werde es noch brechen. Versprochen!“ Lenox neigte den Kopf. „Immer diese Elfen und ihre Geheimniskrämerei. Das geht einem vielleicht auf die Nerven. Tu es einfach!“. Shiron sah seinen Freund an und nickte, durchsuchte seine Tasche nach dem Fläschchen und konnte es einfach finden. „Sie ist weg!“, rief er. Kratos lief zu ihnen hinüber „Ich habe beobachtet, wie Dito die kleine Flasche entwendet hat“, berichtete dieser ihnen. Sie alle waren von der Tatsache geschockt. Ausrichten konnten sie jedoch ohnehin nichts. Dito war längst über alle Berge und nicht mehr einzuholen. Shiron wollte nicht glauben, dass die bezaubernde Elfe das wirklich getan haben sollte. Frustriert und enttäuscht ballte er eine Hand zur Faust.
 

„Kommt, wir müssen weiter!“, rief Zent ihnen zu und lief bereits voraus. Nach jedem zurückgelegten Meter wirkte der Turm näher. Das Grasland ging in einen Wald über, doch keine Sekunde verloren sie den Turm aus dem Blick. Ihr Weg führte sie über einen recht schmalen Holzstamm. Shiron lief gelassen darüber, Zent glitt durch die Luft. Kratos lief auch recht gelassen drüber, sowie auch Lenox. Doch Geta traute dem Stamm nicht und lief verdammt vorsichtig darüber, einen Fuß nach dem anderen. Als er gerade einen Fuß aufgesetzt hatte rutschte dieser weg und er landet kopfüber im Fluss. Die anderen sahen ihn an und fingen an zu lachen, Geta wurde feuerrot im Gesicht und verschränkte die Arme vor der massigen Brust. Nach einer Weile stand Geta auf, kletterte ans Ufer und lief ohne ein weiteres Wort, dafür tropfend, seinen Freunden durch den schönen, entspannend wirkenden Wald nach.
 

Sie verließen die Wälder und kamen auf einer ebenen Grassteppe an. Vereinzelt standen hier Bäume und Grasbüschel. Zent setzte einen Fuß auf die weite Ebene und lief wieder an der Spitze und die andere folgen ihm. Ein leichter Wind wehte über sie hinweg und bewegte leicht das Haar von ihnen, der Wind trieb die Wolken am Himmel an und blies diese davon. Erbarmungslos schien die glühend heiße Sonne auf sie herab und versengte die Grashalme um sie herum. Sie waren dem Turm wieder ein ganzes Stück näher gekommen. Geta sah am Turm hinauf „Wow, die Spitze kam man nicht erkennen“. „Der Turm ist unendlich“, gab Zent wieder und schlug gelassen leicht mit den Schwingen. „Wie `Unendlich´?“. „Er reicht bis in den Weltraum hinein“, erklärte es Kratos und sah ebenfalls dem Turm entgegen. „Wie sollen wir die Spitze erreichen, wenn er bis in den Weltraum hineinreicht?“, fragte Shiron. „Es gibt eine Tür, die ins Innere hineinführt. Von dort drinnen kommen wir dann auf die Spitze, die Siegelkammer!“. „Und dort soll dann die Erneuerung stattfinden?“ Shiron hob die Braue. „Ganz recht!“, konnte Zent ihm bestätigen.
 

Ihre letzte Etappe auf dem Weg zum Turm bestand aus unwegsamen, bergigem Gelände. Doch sie konnten bereits die Türen des Turms erkennen. Wie Geta erkennen konnte stand der Turm in einem riesigen Loch, gestützt von mehreren Stützbalken. Er konnte aber keine Brücke oder Ähnliches erkennen was zum Eingang führen sollte. Sie kamen an und sahen, wie sich Stufen aus Energie formten. Diese schienen trittsicher zu sein und so lief Shiron voraus und kam oben bei der versiegelten Tür an, wo er auf die anderen wartete. Als seine Freunde ebenfalls oben ankamen, legte Shiron seine Hand auf die Plattform, öffnete die Tür und lief wieder voraus. Viel gab es nicht zu sehen. Nur Wege und Stufen in die Unendlichkeit. In der grünnebligen Leere, welche den Raum neben Treppen und Wegen ausfüllte, schwebten seltsame Gebilde. Wenige nur, aber sie waren unheimlich. Ob das Särge waren? Jedenfalls sahen diese Dinger ganz danach aus. Geta schüttelte sich fröstelnd ob des Anblicks. Sie kamen an einem großen Platz an und sahen sich hier um. Kratos lief voraus und blieb einige Meter von ihnen weg stehen. Federn stiegen um ihn herauf und schon erstrahlten aus seinem Rücken Flügel. Shiron, Geta, Zent und Lenox sahen regelrecht geschockt aus und wussten nicht, was sie in diesen Moment sagen sollten. Wie aus dem Nichts erschienen Engel und kreisten sie ein. „Du Verräter!“, schrie Shiron schließlich, als er seine Stimme wieder gefunden hatte. „Verräter? Ich war nie euer Freund! Ich bin Kratos Aurion, ein Engel von Cruxis!“. Zusammen mit dem Engel wurden sie an einen anderen Ort gebracht.

Siegelkammer

Besorgt sah Marta aus dem Wohnzimmerfenster. Das unheimliche Wetterleuchten wollte nicht enden. Rot und orange und blau färbte es die dunklen Wolken. Den Bewohnern Palmacostas schien diese Unbill keine größeren Sorgen zu machen und das, obwohl sie einen solchen Unheilsboten bereits einmal hatten sehen müssen. Auch wenn es bereits viele Jahre zurücklag. Marta hob die Schulten. Besser das, als eine Massenpanik. Oder verließen die Menschen sich darauf, dass die großen Helden alles mit einem Fingerschnipsen in Ordnung brachten?

Ja, durchaus denkbar.

Elena zupfte ihr am Kleidsaum. „Komm schon, Mama!“ Marta lächelte angestrengt, um die Kinder weiter in Sicherheit zu wiegen. Sie hatte Genis´ Geschichte aufgegriffen, auch wenn sie ihr nicht so geläufig war, wie dem cleveren Halbelf. Sie gab sich alle Mühe, ihre beiden aufgeweckten Sprösslinge bei Laune zu halten. Vor allem musste sie sich selbst zusammenreißen, damit ihre Sorge nicht auf die beiden übersprang.

Ihr künstliches Lächeln wurde breiter. Kai schaute skeptisch. Mit einem liebevollen Strubbler durch die eh verwilderten Haare, beruhigte sie ihn, räusperte sich und setzte wieder an:
 

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Sie wurden von den Engeln bis in die Siegelkammer begleitet. Dann verschwanden die geflügelten Wesen wieder in alle Himmelsrichtungen. „Was hast du mir uns vor?!“, schrie Shiron aufgebracht. Er wollte Anworten, auf der Stelle. „Ich habe nichts mit euch vor, aber Lord Yggdrasil“ , waren Kratos´ eiskalte Worte. „Wie kannst du so etwas tun? Ich habe dir vertraut! Wir alle haben dir vertraut!“, rief Zent. „Tja, man sollte nicht jedem so blauäugig trauen!“ Vor ihnen öffnete sich ein Tor und sie fanden sich in einer geräumigen Halle wieder. Vor ihnen befand sich eine sehr merkwürdige, wenig einladend wirkende Gerätschaft. Geta schüttelte sich, als er sie entdeckte, am ganzen Leib. Shirons Blick ruhte auf einem jungen, blonden Mann, der an der Maschine Einstellungen vornahm. Der Mann wirkte im besten Fall seltsam. Er hatte etwas an sich, das in dem jungen Auserwählten zu gleichen Teilen den Wunsch weckte, ihn beschützend in die Arme zu schließen und ihm das Herz rauszureißen. Lenox sah hoch zur Decke. Abgesehen davon, dass dort Engelswachen Spalier standen, oder vielmehr schwebten, entdeckte er etwas, was er an diesem Ort niemals erwartet hätte. „Der Kern des Weltenbaumes!“. Geta und Shiron sahen ebenfalls empor und betrachten sich das riesige Gebilde, welches über ihren Köpfen schwebte.
 

Nun wandte sich der junge Mann mit den langen blonden Haaren zu ihnen um. Er trug einen Cruxis – Crystal am Hals und hatte grünliche Augen „Endlich! Der Auserwählte. Auf ihn habe ich solange gewartet. Gute Arbeit, Kratos!“. „Sag, was hast du mit uns vor?!“, wollte Shiron wissen. „Eure Körperenergien!!“. „So ist das also. Deshalb hatte Kratos gemeint, dass der Kern in Sicherheit ist! Du willst uns an den Kern des Weltenbaumes verfüttern!“, sprach Lenox aus. Yggdrassil sah zu ihm hinunter „Ein Centuiron? Das hast du gut erkannt!“. Geta sah hinüber zu dem besagten Kern. Merkwürdig. War in dem abnorm großen Samen jemand verborgen, eingeschlossen? Er beugte sich zu seinem Kindheitsfreund und raunte ihm seine Vermutung zu. Shiron nickte kaum merklich. Yggdrassil schnaubte. Ihm war die Reaktion der beiden wohl nicht entgangen. „Alles was ich will, ist meine Schwester zurück!!“, rief Yggdrasil, lief hinüber zu der Maschine und öffnete den Glasdeckel. Einer der Engel erschien hinter Geta, packte ihn unerwartet grob am Armen und zerrte ihn in Richtung Maschine. „Loslassen!!“, wehrte sich dieser gegen den Griff.
 

„Endlich!“, rief Zent aus und irritierte damit alle Anwesenden in der Halle. Sie alle sahen ihn an. Zent ließ seine Flügel erstrahlen und schon sammelten sich alle übrigen Federn und vereinten sich mit dem Engel. „Was?!“, rief Shiron aus. „Der Engel hat uns die ganze Zeit an der Nase herum geführt!“, erklärte Lenox wütend. „Wie jetzt!“, rief Geta, dem es gelang, sich mit purer Muskelkraft und Hebelwirkung aus dem stählernen Griff des Wächterengels zu befreien. „Der Centurion hat es erkannt, schon von Anfang an!“, erklärte Zent weiter. „So, du wolltest hierher um dir den Kern zu schnappen, um damit Belphegor zu erwecken!“, erkannte Kratos und zog prompt sein Schwert. „Das hast du gut durchschaut!“ Zent wandte sich den anderen zu. Seine Macht war um ein Vielfaches angestiegen. Wie konnte er trotz der ernsten Bedrohung, noch immer aussehen, wie der herzliche, freundliche Gefährte, der sie so lange begleitete? Verdammtes Arschloch!, fluchte Shiron, behielt den Gedanken jedoch freilich für sich.
 

Yggdrasil und Kratos sahen, durchaus ein wenig ratlos, vom Rand aus zu, wie Zent seine Begleiter attackierte. Zent rannte auf Geta zu, schlug ihm unvermittelt und sehr hart mit der Faust ins Gesicht, so dass der muskelbepackte Kämpfer von den Füßen gerissen und gegen die nächste Wand geschleudert wurde. Gemütlich und wiegenden Schrittes schritt er auf den Halbbewusstlosen zu und formte eine Lanze aus Licht. Shiron hielt auf den Feind zu, der bis eben noch sein Freund gewesen war. Oder sollte er das nur glauben? Auf jeden Fall musste er Geta retten und Zent einen starken Stoß verpassen. Zent sah den Rotschopf an und richtete seinen Angriff nun auf ihn. Der Auserwählte wich aus. „Hm… du hast sehr viel dazu gelernt auf unserer Reise!“. „Warum tust du das?!“, schrie Shiron durch die Halle, „Warum? Na, weil ich und meine Herrin Belphegor erwecken und die ewige Dunkelheit über die Welt bringen wollen!“. „Warum warst du dann in der unterirdischen Stadt versiegelt, so wie ich?“, fragte Lenox, griff ihn ebenfalls an und verfehlte. „Meine Artgenossen haben mich dort versiegelt und zurückgelassen!!“ Mit diesen Worten griff er wieder an. Die Halle bebte unter der Attacke. Aber dem Kern konnte nichts geschehen, dieser befand sich in sicherer Höhe.
 

Shiron rannte hinüber zu seinem Freund und sah nach ihm. Kurz atmete erleichtert aus. Bewusstlos war er, aber nicht verletzt. Nach dem sich Shiron vergewissert hatte, dass Geta nichts fehlte ließ er seine Flügel erscheinen. Das überraschte Yggdrassil dann schon. Gleichwohl freute er sich, Shirons Energie dem Kern hinzufügen zu können und setzte ein Grinsen auf. Lenox rannte wieder auf den Feind zu, erwischte einige Federn und riss sie aus. Das gefiel Zent freilich nicht. Grimmig wandte er sich dem Cenutrion zu und startete eine Lichtattacke. Da Lenox die Zeit beherrschte, konnte er ganz leicht die Zeit stoppen und aus der Schussbahn gehen. Plötzlich stand Lenox nicht mehr da, wo er eben gestanden hatte, sondern vor Kratos und dessen Herren. Da ballte Zent die Hand zur Faust, raste auf ihn zu und holte zum Schlag aus. Doch da traf ihn eine Magieattacke mitten in den Rücken und er sah sich um. Shiron schwebte über ihm. Er hatte ihn angegriffen. Nun raste der Engel auf ihn zu und es kam zu einer wilden Verfolgungsjagd quer durch die Halle, an der Maschine vorbei, mehrmals um den Kern und mit hoher Geschwindigkeit an Kratos und Yggdrasil vorbei.
 

Geta kam wieder zu sich und sah den Kampf der im vollen Gange war. Entschlossen zog er seine treue Lanze aus und wartete den richtigen Moment ab. Shiron hielt vor dem Kern inne und sah Zent an. Dieser konnte nichts ausrichten. Jedenfalls nicht, ohne auch den wertvollen Samen in Gefahr zu bringen. Das war die passende Gelegenheit in Getas Augen. Er holte Schwung, warf seine Lanze und das Geschoss bohrte sich in den Rücken des Engels. Zent schrie erst, dann zog er die Lanze aus sich heraus. Zusammen mit ein paar blutverschmierten Federn. Er sah sich nach Geta um und verzog das Gesicht. Im nächsten Moment stand Zent vor dem jungen Recken und rammte ihm die Lanze durch den Bauch. „Nein!!“, schrie Shiron aus Leibeskräften. Zent zog die Lanze wieder aus Getas Körper und sah ihm triumphierend in das blasser werdende Gesicht. Von der Seite kam Lenox angerannt und wollte ihm seine Fangzähne in den Körper jagen, doch da wurde ihm die Lanze in die Flanke geschlagen und er zu Boden gedrückt, wo er erst mal liegen blieb. Geta der mit einen tiefen Bauchwunde zu Boden glitt, sah wie Shiron auf ihn zu geflogen kam und ihm in den letzten Minuten beistand. Shiron kam an und sah nach Geta. Die Wunde ist tief und konnte nicht mehr geheilt werden. Er nahm die Hand seines Freundes und sah ihn an „Es tut mir leid, Shiron…“ Geta spuckte beim Sprechen eine Menge Blut. „Schone dich, du kommst wieder auf die Beine!“, versuchte er ihn zu trösten. „Nein, es ist zu spät. Ich werde hier sterben.“ Langsam senkten sich die Lider seines Freundes und die Hand die der Rotschopf noch hielt verlor an Kraft. „Das stimmt nicht! Wir schaffen es hier lebend heraus und werden die Welt retten!“. „Hör auf, dich selbst zu belügen... Wir haben versagt....“ waren seine nächsten schwachen Worte. Er versuchte, die Augen offen zu behalten, doch es gelang ihm nicht. Er spürte, wie der Tod mit kalten Klauen nach ihm griff. Die Dunkelheit wurde dunkler, falls es denn noch möglich war. Shiron umklammerte die eisige Hand. Getas Atemzüge wurden flacher, gurgelnd und erstarben schließlich. Die Hand, welche er eben noch hielt, fiel leblos zu Boden. Für einen Augenblick, während er seinen toten Freund betrachtete und nicht begreifen konnte, was geschehen war, spürte der junge Auserwählte nichts mehr. Hörte nichts, sah nichts. Nur das Blut und seinen Freund, aus dem jeglicher Lebensfunke gewichen war. Doch dann erhob der Rotschopf sich, sammelte die Wut in seinem Inneren. Noch eine Zeitlang den Blick auf seinen Freund gerichtet, wandte er sich Zent zu und raste zornentbrannt auf seinen Feind zu. Shiron schlug zu. Erbarmungslos und hart. Das machte dem Engel zu schaffen, denn die Kraft des Rotschopfs hatte zugenommen und er konnte seine Schläge kaum abwehren. Doch er schlug genauso stark zurück. Dass Zent es überhaupt wagte, sich zu wehren, entfachte Shirons Zorn immer weiter. Er trieb den Engel in die Enge. „Interessant“, meinte Yggdrassil, der dem unerwarteten Treiben noch immer folgte. . Kratos runzelte die Stirn, sah hinüber zu dem bewusstlosen Lenox, der gerade wieder erwachte, sich mühsam auf die Pfoten stemmte und nach dem toten Geta sah. Dann hob er seinen Blick empor.
 

Shiron holte zum Schlag aus und fegte den verräterischen Engel aus der Luft. Zent krachte zu Boden, ein Flügel war definitiv gebrochen. Reglos blieb er liegen. Schnaufend presste Shiron seine Zähne fest zusammen. So fest, dass die Kiefermuskulatur hervortrat. . Shiron setzte zur Landung an und blieb neben dem bewusstlosen Engel stehen. Zent kam wieder zu sich und sah die Füße des jungen Auserwählten vor sich. Zeitlupenhaft wurde ein bestiefelter Fuß angehoben.„Dafür das du Geta getötet hast!“ Shiron trat zu. In die Magengegend, gegen die Brust, die Rippen und mindestens einmal zwischen die Beine. Zent versuchte den Tritten zu entkommen, sich auf den Bauch zu rollen und hochzustützen. Kaum dass er mühevoll auf dem Bauch lag, griff Shiron ihm in die Haare, drosch ihm den Kopf auf den Boden. Zweimal, dreimal. Dann hob er ihn hoch, schleuderte ihn in die Luft und sprang mit gezückter Klinge hinterher. Zent gelang es, die Lanze zu beschwören. Shirons Klinge prallte dagegen. Die Waffen sprühten Funken. Die Halle erzitterte, selbst die Maschinerien bebten. Da machte sich Kratos etwas Sorgen und sah dem Kampf immer noch gespannt zu. Da der Engel Lenox vollkommen außer Acht gelassen hatte, bekam er nun dessen Feuerkugeln zu spüren. Der Centurion stand am Boden und schoss aus seinem Maul Feuerkugeln nach Zent. Doch er konnte sich nicht darum kümmern , da Shiron immer noch mit dem Schwert auf ihn einschlug. Seine Schläge wurden mit jeder Sekunde stärker und stärker. Es kostete den Engel schon eine Menge Kraft die Schwerthiebe abzuwehren und zu kontern. Seine Konterattacken jedoch verpufften an dem Auserwählten. Für ihn waren das keine wirklichen Attacken und schlug immer wieder zurück.
 

Einmal nicht aufgepasst und schon bekam Zent eine Feuerkugel in den Rücken und ließ sich zu Boden fallen, wo er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Lenox und Shiron kamen ihm näher und kreisten ihn ein. Sie hatten ihn nun da, wo sie ihn haben wollten, sahen sich gegenseitig an und nickten. Mit den letzten verbliebenen Kraftreserven richtete sich Zent auf, wischte sich das Blut von Mund und Nase. Er wollte nicht glauben, dass er chancenlos gegen den vor Wut rasenden Auserwählten war. Shirons Gesicht verzerrte sich. Die Schwertklinge sauste durch die Luft. Kraftvoll stieß er dem Verräter die Schneide in den Bauch und riss sie wieder heraus. Zornig ließ er seinen Blick zu dem leblosen Körper Getas schweifen und zurück zu dem Engel. Dieser fasste sich an die klaffende Wunde und sah sich sein Blut an, während er rückwärts stolperte. So was schien er nicht zu kennen und hatte einen entsetzten Gesichtsausdruck aufgesetzt „Das kann nicht sein!“, rief dieser, bis er sich in Lichtteilchen auflöste, die zu dem Kern wanderten und sich mit diesem vereinten. Ganz was Yggdrasil wollte und sein Grinsen wurde breiter und breiter. Nun wandten sich Lenox und Shiron Kratos und seinem Herren zu.
 

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„Es wird schlimmer“, bemerkte Emil und sah in Richtung Meer. Dorthin, wo das Tor der Welten lag. Ihnen war nichts anderes übrig geblieben, als ein wenig zu rasten. Unter Richters zusätzlichem Gewicht, litt Simurghs Ausdauer. Doch in spätestens einer Stunde sollten sie ihre Reise fortsetzen können. Sein Blick glitt zu Richter, der unverwandt die Küstenlinie hinab starrte. Unbeeindruckt davon, dass Roivas versuchte, ihn zum Spielen zu animieren.

Emil unterdrückte ein Lachen, als es dem Jungen zu blöd wurde und er dem rothaarigen Halbelf gegen das Knie trat. Richter verzog keine Miene.

„Mmh, Roivas...Ratatosk...Ich glaube, er hat was für dich übrig, Richter. Nicht, dass es mich was angeht, aber was habt ihr eigentlich die ganze Zeit in der versiegelten Ginnungagap gemacht?“

„Richtig, es geht dich nichts an...“ Der blonde junge Mann erhob erst eine Braue, dann die andere und Richters Wangen färbten sich rot. „Himmel, Emil! Ratatosk war körperlos! Wir haben nichts gemacht!“

„So so...deine Wangen sagen was anderes.“ Demonstrativ drehte der Halbelf sich weg. Emil grinste, doch dann sah er zu dem Core. Er ruhte in der Luft und der Blondschopf müsste nur eine Hand ausstrecken, um ihn zu berühren.

Spontan versuchte er es und tatsächlich konnte er ihn greifen. Er spürte Widerwillen, aber auch etwas Neugier. Lenox wusste wohl selbst nicht, was er von ihm halten sollte.

„Lenox, gehorche mir“, sagte er leise. Was damals bei Lumen funktionierte, sollte hier doch auch gehen.

„.......“

„Lenox.“

„....Ich kann nicht mit dir darüber sprechen. Du und der Halbelf sind zu eng mit Ratatosk verbunden.“

„Ratatosk ist im Augenblick nur ein menschliches Kind.“

„Mit den schlummernden Kräften eines Gottes.“

„Aber die Nachfahren deiner alten Freunde sind ebenfalls mit Ratatosk vertraut.“

Lenox wand sich. Schwankte zwischen Pflichtbewusstsein und dem innigen Wunsch seine Last mit jemandem zu teilen.

„.....“

„Ich werde dich nicht zwingen. Welchem Element stehst du zur Seite?“

„Keinem, sondern der Zeit.“

Der Zeit? Interessant, dachte Emil und verbiss sich die Frage, warum Ratatosk ihn als Verräter betrachtete. Er war schon froh, diese wenigen Informationen aus dem Centurion herausgekitzelt zu haben.

„Du hast sicher einen guten Grund, dass du nur mit Zelos und Sheena reden willst.“

„Klar. Aber....du bist doch ein Teil Ratatosks. Kennst du die Geschichte von Geta und Shiron nicht.?“

„Nein. Seine ältesten Erinnerungen teile ich nicht. Aber ich denke, Genis wird sie kennen und Marta auch ein bisschen.“

„Genis?“

„Mh mh, Genis Sage, ein guter Freund. Er hat die Mana – Clans studiert und die Geschichte des Mana.“

„Sage?“

„Was ist?“

„Ach nichts.“ Lenox verstummte und machte deutlich, dass er nicht länger darüber reden wollte. Emil entließ ihn und sein Blick traf auf Richters. Verwundert sah der Halbelf ihn an.

„Na gut. Ich denke, wir können wieder aufbrechen. Simurgh keucht nur noch halb so laut.“ Er grinste schief. „Okay, gehen wir.“

Das ende der Reise

Shiron und Lenox standen Kratos und Yggdrasil gegenüber. Sie näherten sich langsam , doch weder Kratos noch der blonde Engel zeigten sich davon beeindruckt. „Ihr habt nicht die geringste Chance gegen uns“. „Wir werden sehen!“, knurrte Shiron zurück.
 

Lenox nahm etwas wahr, sah hinter sich und riss die Augen weit auf. „Shiron pass auf!“ Mit diesen Worten schubste Lenox den jungen Auserwählten zur Seite und fing die urplötzliche Attacke ab. Keuchend krachte der Centurion zu Boden bewegte sich nicht mehr. Shiron ließ sein Schwert fallen und stürzte zu ihm, kniete sich hinab und strich über das flammenrote Fell, welches sich so weich anfühlte. „Lenox“, hauchte er schließlich. Dieser machte die Augen auf und sah ihn an. „He, nicht weinen!“. „Entschuldigung, ich kann nicht anderes“. „Dir muss wohl mehr an mir liegen, als du zu geben willst, oder?“. „Ach halt die Klappe! Du bist mein Freund!“ Shiron rieb sich über die Augen.. Da musste Lenox lachen und zuckte zusammen, als brennender Schmerz seinen Körper durchfuhr. „Bitte! Du darfst nicht sterben!“, flehte Shiron ihn an. „Dummkopf! Centurions sterben nie wirklich. Wir verwandeln uns nur in einen Kern zurück“. Da war Shiron erleichtert das zu hören und sah seinen Freund an. Etwas glitt aus seiner Tasche und stieg in die Luft. Er erkannte den Zeitkristall und plötzlich zersprang dieser vor seinen Augen und fiel in Einzelteilen herab. Shiron fing einen Splitter auf. Glitzernd lag er in seiner Handfläche, doch dann wurde der Splitter zu Staub, löste sich einfach auf. Hastig sah Shiron wieder zur Lenox hinunter und bemerkte, dass er seine Augen geschlossen hatte. Lenox´ Schicksal folgte dem des Kristalls.Er wurde weggeweht, als bestünde er nur aus Sand. Verzweifelt griff Shiron in die Wolke aus winzigen Körnchen hinein und bekam doch nichts zu fassen. Er ließ seine Hand sinken und senkte den Kopf. Allein. Er war allein. Lenox war fort, Geta tot. Er hatte keine Freunde mehr, die ihm im Kampf gegen das Böse helfen konnten.
 

Shiron stand auf, während Zorn in ihm hochkochte. Er drehte sich um und sah sich Masara gegenüber. „Warum hast du das getan?!“, schrie er sie aus Leibeskräften an. „Ihr seid mir im Weg! Eure Aufgabe habt ihr bereits erfüllt!“ Unwillkürlich zuckte er zurück, als er begriff, was sie sagte. „Die Manapunkte öffnen…“. Sie lachte kalt. „Ganz recht, und danke nochmals!“. Der Rotschopf ballte die Hand zur Faust. „Warum das Ganze?!“. „Um die ewige Finsternis über die Welt zu bringen!“, lachte sie ihn boshaft aus. Shirons Knie gaben nach, er sank wieder zu Boden und schlug vor Wut und Trauer darauf ein, bis ihm die Hände schmerzten.. „Ihr wart nur ein Werkzeug und was macht man mit kaputtem Werkzeug? Man schmeißt es weg!“. „Warum ich?“. „Na, weil du dem Mana Clan angehörst. Mir war von vornherein klar, dass du diese Reise nicht freiwillig antreten würdest. So habe ich Noros den Auftrag erteilt, deine Familie zu entführen“. Shiron sah wieder auf „Dann hat auch Noros für dich gearbeitet?!“. „Ja, auch Zent. Dieser sollte sichergehen, dass du deine Reise auch wirklich machst und das tust was ich von dir wollte“.
 

Der Rotschopf erhob sich langsam und sah sie an. Blütenblätter schwebten um sie herum. Er nahm das Schwert, ließ wieder seine Schwingen erscheinen und griff an. Sie wich ihm in Sekundenschnelle aus und sah ihn amüsiert an. Er sah zu ihr hinüber und griff wieder an. Doch sie wich erneut aus. Zornig versuchte er es mit einer magischen Attacke, aber auch der schlug fehl. Die Blütenblätter die um sie herum schwebten, bildeten einen Schild und konnte so die Magieattacke abwehren, ohne Schaden zu nehmen. Er nahm wieder das Schwert fest in die Hand, rannte auf sie zu und holte aus. Sie wich ihm immer nur aus. Sie spielte mit ihm! „Hör auf mit mir zu spielen!“. „Warum? Es ist gerade so lustig“. „Willst du Belphegor erwecken?“. „Ja, mein kleiner dummer Auserwählter!“. „Das werde ich verhindern!“, rief er, verschwand vor ihren Augen, erschien hinter ihr und hieb zu. Alles was er erreichte, war Blütenblätter aufzuwirbeln. Da wurde Masara ziemlich wütend und erzeugte mit den Blütenblättern einen gewaltigen Sturm, der Shiron durch die Halle wehte. Er wurde gegen eine Säule geschlagen, rutsche daran hinunter und brauchte einen Moment bis er wieder zu sich kam und den Kampf aufnahm.
 

Sein Schwert prallte wieder auf eine Wand aus Blütenblättern und wurde zurück geschlagen. Er hatte die Wucht seiner eigenen Attacke eben zu spüren bekommen und sah sie an. „Na? Immer noch drauf und dran mich zu stoppen?“. „Darauf kannst du Gift nehmen!“ Er rannte wieder los und holte zum Schlag aus. „Er ficht einen Kampf aus, den er nicht gewinnen kann“, meinte Kratos. „Das ist mir egal. Hauptsache ich bekomme sein Mana!“, hauchte Yggdrasil mit einem Atemzug. Shiron sprang durch die Luft und ließ sein Schwert wieder auf die Blütenwand prallen. Masara gähnte. „Das wird jetzt aber langsam langweilig!“. Mit diesen Worten erzeugte sie einen Blütensturm und versetzte ihn mit den Blüten am gesamten Körper. Sie sah ihn an und hob die Stimme etwas an. „Na so was! Du steht ja noch!“. „Ich werde nicht aufgeben! Wenn ich es nicht schaffen sollte, dich zu besiegen, so soll meine Familie nie den Himmel betreten können, solange wie du noch in irgendeiner Form existierst!“. Masara lachte und griff wieder an. Immer mehr Blüten verletzten seinen Körper doch er hielt stand. Im nächsten Augenblick griff Shiron wieder mit seinem Schwert an und sie wich wieder aus. „Gib auf!“ rief sie. „Niemals!“, kam zurück.
 

Masara wich immer wieder aus, bis sie ihn gegen die Wand schleudern konnte, wo er hinunterrutschte und sich nicht bewegen konnte. Sie schritt auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. Er machte langsam die Augen auf und sah sie vor sich stehen. Sie hielt sein Schwert in der Hand, welches er wohl verloren hatte. Masara holte aus und rammte es ihm in den Körper. Shiron spuckte Blut und sah sie mit verzogenem Gesicht an. „Du und deine Familie werden mich nie bezwingen können!“. „Wenn nicht in dieser Zeit, dann werden es meine Nachfahren mit Sicherheit schaffen!“. „Woher willst du das wissen?!“. „Reiner Instinkt... ich weiß es einfach!“. „Pah, das ist doch lächerlich!“, lachte Masara überheblich und zog das Schwert durch seinen Körper. Shiron schrie und schrie. Die Schmerzen wurden unerträglich und ihm drohte die Bewusstlosigkeit. „Auch wenn ich jetzt hier sterben sollte, werden welche von uns nachfolgen und dich vernichten!“, schrie Shiron heraus. „Dann stirb!“ Sie sog das Schwert wieder aus seinem Körper und rammte es neben ihm in den Boden. Seine Schmerzen vergingen, mit jedem Schwall Blut, der aus der abscheulichen Wunde trat. Er fühlte sich, als würde sein Kopf in Watte gepackt. Alles wurde leiser, dunkler. Durch den Nebel des nahenden Todes, sah er einen Schemen auf sich zu kommen, der sich neben ihn kniete. Mit letzter Kraft versuchte der Rotschopf zu sprechen: „Sag meiner Familie, dass ich sie sehr lieb habe und nicht mehr nachhause kommen werde“. „Das werde ich ausrichten.“. Obwohl sie Feinde waren, erfüllte Kratos seine Bitte. Masara sah sich die Szene aus sicherer Entfernung an und wandte sah nun zu dem Kern hin. „Endlich gehörst du mir!“
 

Plötzlich wurde sie jedoch sehr unsanft in den Boden geschlagen. Kratos sah sich danach um und sah, dass Yggdrasil Masara in den Boden geschlagen hatte. Er sah noch mal zu dem jungen Auserwählten, er hatte seine Augen geschlossen. Er tastete nach dessen Puls, doch da war keiner mehr. Shiron war von ihnen gegangen, es sah so aus, als ob er friedvoll schlafen würde. Kratos hob den Leichnam an, legte ihn behutsam zu Geta und sah wieder dem Kampf zu. Masara hatte sich wieder aufgerichtet und sah sich nach dem Feind um. Sie konnte ihn nicht vorfinden und wurde prompt von hinten angegriffen und wieder zu Boden geschickt. Da kam die nächste Attacke und sie wurde in die Luft befördert. Immer wieder bekam sie prasselnde Schläge ab und konnte sich nicht dagegen wehren. War sie dem Feind wehrlos ausgeliefert? Nein! Das wollte sie nicht wahrhaben, sammelte sämtliche Kraftreserven und versuchte einen Angriff zu starten und schoss damit nur ins Leere. Wo war der Feind schon wieder hin? Immer wenn sie sich von der Attacke erholt hatte, war ihr Feind verschwunden. Eine weitere Attacke traf sie und zwang sie wieder auf den Boden. Sie musste es schaffen Yggdrasil zu besiegen und den Kern in die Finger zu bekommen. Auch wenn sie hier gewann, musste sie immer noch Ratatosk und seine Centurions bezwingen, um ihren Traum von der absoluten Finsternis wahrzumachen. „Du hast nicht die geringste Chance gegen mich!“, rief der Feind ihr zu. „Ach ja?!“. „Ja!“, kam zurück und ein weiterer Schlag traf ihr Gesicht. „Du kannst mich nicht besiegen!“, sprach Yggdrasil und erschien vor ihr. Sie erholte sich gerade von dem Schlag und sah ihm in die grünlichen Augen. „Ich werde dich vernichten und über die Welt herrschen!“, rief sie ihm entgegen. „Das glaube ich eher nicht!“.
 

Sie verengte die Augen, griff wieder an und verfehlte ihn, da er wieder verschwand. „Du bist ein Feigling!“, rief sie und sah sich nach dem Feind um. Das er sich derart schnell bewegte, schneller, als sie es erfassen konnte, machte sie allmählich rasend. In ihrer Wut begann sie, die Siegelkammer zu zerstören. Die Wände fingen an zu beben und Steine lösten sich aus der Decke. Kratos stellte sich schützend über die toten Körper, eine Reaktion die er selbst nicht ganz begriff, zerschlug die Trümmer mit seinem Schwert und sah zu Masara hinauf. „Hör auf damit!“. „Nein! Wenn ich schon nicht den Kern bekomme, soll niemand den Kern bekommen!“. Sie machte weiter mit ihrer Zerstörungswut.
 

Yggdrasil erschien wieder und sah sie an. „Das ist dein Ende!“ Mit einer Attacke wurde sie gelähmt und konnte sich nicht mehr bewegen. Der vollführte eine Aufwärtsbewegung mit dem rechten Arm und sie wurde empor gehoben. Entsetzt sah sie nach unten Unter ihren Füßen bildete sich ein dunkles Loch, ein schwarzer Schlund.„Was ist das?!“. „Das ist das Tor in die Dämonenwelt, in der du für immer schmoren wirst!“ Yggdrasil flog über sie, holte mit seiner Faust aus und stieß sie in die Dämonenwelt. Das Tor schloss sich wieder und so war der Kampf vorbei. Am Ende hatte doch das Böse gesiegt und das Gute musste sein Leben lassen.
 

Kratos konnte nur wegsehen und bemerkte wie sich Yggdrasil ihm näherte und sich den Körper von Shiron nehmen wollte. Doch da machte Kratos ein Strich durch die Rechnung. „Wie auch immer, nimm dir den Leichnam. Wir haben ja noch die Energie von dem Engel, das reicht völlig aus!“. Kratos hob den ersten hoch und verschwand aus der Siegelkammer. Er brachte sich nach Meltokyo und suchte die Familie auf. Die Mutter öffnete ihm die Tür und brach in Tränen aus, als sie ihren toten Sohn in seinen Armen liegen sah. Der Vater kam angerannt, sah das schreckliche Bild und nahm ihm Shiron ab. Kratos erklärte kurz wie er gestorben war und überbrachte ihnen die letzten Worte. „Was ist mit Geta?“, erkundigte sich der Vater, auch da schüttelte Kratos den Kopf und sah zu Boden. „Warum hast du sie nicht gerettet?!“, fragte Tiamat verzweifelt und konnte nicht mehr aufhören zu weinen. „Ich konnte nicht…“ Seine Stimme war matt und kraftlos. Das erste Mal in seinem Leben ging der Tod eines Menschen ihm so nahe wie kein anderer. Woher dieses seltsame Gefühl wohl kam?„Du Mörder!“, wurde schließlich von der Mutter gerufen. Mit beiden Fäusten drosch sie auf seine Brust ein und er ließ es reglos über sich ergehen, bis ihr Mann kam und sie vorsichtig wegzog. Sie weinte, schluchzte und rutschte schließlich in den armen ihres Mannes zusammen. „Mörder!!“, hörte er sie ein letztes Mal rufen, ehe er sich in die Siegelkammer zurück teleportierte, um auch Geta zu holen und nach Hause zu bringen. Verständlicherweise begrüßten sie ihn auf dieselbe Weise wie Shirons Eltern. Er sagte, es täte ihm leid, doch davon wollten sie nichts hören.
 

Warum ihm sein Herz so schwer war, begriff er nicht. Doch für viele Jahre ließ es ihn nicht mehr los. Er beobachtete die Familie des Auserwählten, dessen Blutlinie von Royse fortgeführt wurde. Getas Familienangehörige verlor er irgendwann aus den Augen, als sie begannen, im Verborgenen zu leben. Für ein paar Jahre schließlich, vergaß er sie alle beinahe zur Gänze. Während einer kurzen, wunderbaren Zeit des Glücks, die ihm manchmal vertraut wirkte, als müsste er wissen, was geschieht. Doch sollte er tatsächlich Erinnerungen haben, die so eigentlich gar nicht existieren konnten, vermochte er sie nicht zu greifen. Wann immer er glaubte, kurz davor zu stehen, lösten sie sich auf, wie Nebel im Sonnenschein. Er wusste nur, dass es mit Shiron und seinen Freunden begann und mit dessen Scheitern. Lenox war in die unterirdische Stadt zurückgekehrt, an jenen Ort, an dem Shiron ihn einst fand. Der Raum in dem der Core ruhte, verschloss sich, bis der nächste Auserwählte kommen würde, um Lenox zu befreien. Kratos selbst hatte nachgesehen. Für ihn gab es kein Hineinkommen. Dito verabschiedete sich mit einem traurigen Lächeln von ihm und kehrte in den Wald der Elfen zurück. Sie versprach ihm, wiederzukommen, sobald die Zeit dafür reif war.
 

Daran glaubte er ganz fest, als er sich erneut Yggdrassil anschloss....

Finale Teil 1

Marta lehnte sich zurück und schlug ihre Beine übereinander, während sie sich nachdenklich über das Kinn strich. Kai und Elena starrten sie mit feuchten Augen an. „Das ist ja soooo traurig. Kann man da gar nichts machen? Shiron hat sich doch so viel Mühe gegeben und so“, schniefte die kleine Brünette. Kai nickte heftig zur Bestätigung und in Martas Ohren klingelte der Satz nach: Kann man da gar nichts machen... Wieso nur hatte Genis begonnen, den beiden diese Geschichte zu erzählen? Und woher kannte er sie überhaupt? Sie selbst hatte sie von Genis und einmal von Raine gehört. In keiner Bibliothek, wie groß und umfangreich sie auch sein mochte, gab es jedoch Unterlagen oder Hinweise auf Shiron und Geta. Die beiden waren in der Geschichte verschwunden, ausgelöscht worden. Warum? Der Einzige, oder die Einzigen, die überhaupt von dem Auserwählten und dessen Freund wissen konnten, waren Kratos und natürlich...
 

Ruckartig setzte Marta sich gerade auf. Emil...Ratatosk! Es musste einen Grund geben, warum all diese Dinge ausgerechnet jetzt passierten. Die Geschichte, Royvas Verhalten. Was, wenn die beiden Männer damals nicht einfach nur verloren hatten? Sie fasste einen spontanen Entschluss und schaute zu ihren beiden Sprösslingen hinab. „Lauft schnell in euer Zimmer und zieht eure Reiseumhänge an. Dann kommt zu mir nach draußen. Wir machen einen kleinen Ausflug.“ Aufgeregt taten die Kinder wie geheißen, während Marta im Gehege einen Izimbra heran rief und dem großen Vogel einen Haltegurt um den kräftigen Hals band. Als die Kinder zu ihr kamen, fest eingehüllt in die Umhänge, hob sie sie auf den gefiederten Rücken und gab ihnen die Halteriemen in die Hände. Sie sprang hinter den beiden auf und Izimbra erhob sich in den Himmel. Ihr Reiseziel machte sie schnell ausfindig. Schließlich musste sie sich lediglich an der dunklen Lichtsäule orientieren, welche ihr den Weg markierte.
 

Nach nur einer Stunde auf dem Rücken des schnellen Vogels erreichte sie die Insel, doch es war ihr unmöglich, direkt zum Ort des Geschehens zu gelangen. Marta war gezwungen, auf einer der winzigen vorgelagerten Inselchen zu landen. Izimbra kreischte aufgebracht und kampflustig. Das gesamte Tor der Welten war in dieses unheimliche düstere Glühen gehüllt. Sie entdeckte Emil und Richter, Genis und alle anderen. Auch Kratos stand unter ihnen, nur wirkte dessen Gestalt durchschimmernd, als wäre er nur ein Hologramm. Er musste noch immer auf Derris – Kharlan sein.Unmöglich hätte er diese Distanz überwinden können. Marta sprang ab, schärfte den Kindern ein, dass sie bei dem Vogel warten sollten und hüpfte mit ordentlich Anlauf von der kleinen Insel auf die größere. Das Kraftfeld, welches sie an der direkten Landung hinderte, ließ sie nun hindurch und Marta erschauderte, als sie von der angenehmen Wärme in klirrende Kälte trat.
 

„Marta! Was tust du hier?“, fragte Emil erschrocken, doch sie winkte nur ab. „Du und ich, wir müssen uns mal unterhalten“, sagte sie anschließend. „Aber nicht jetzt. Mir scheint, ihr könnt hier jede Hilfe gebrauchen.“ Viel passierte im Augenblick zwar nicht, aber der stetig stärker werdende Hauch drohenden Unglücks, war weder zu überspüren, noch zu übersehen. Der Graben um die Insel wurde zusehends tiefer und dunkler. Finsteres Grollen drang hinauf. Doch all die Geräusche wurden von Zelos´ aufgebrachter Stimme übertönt. Er stritt sich in nahezu bedrohlicher Weise mit einem flammenden Geschöpf, welches Marta problemlos als Centurion erkannte. Lloyd hielt den wütenden Rotschopf mehrmals davon ab, sich mit bloßen Fäusten auf Lenox zu stürzen, indem er ihn am Arm zurückzog. „Ich sage es nochmals, du Funkelding! Er bleibt!“, brüllte Zelos und es war überaus offensichtlich, dass er damit seinen brünetten Freund meinte. „Nein!“, fauchte Lenox zurück. „Es geht ihn nichts an. Nur du, Kratos und Sheena dürfen hier sein!“ Allerdings stand Kratos, bläulich leuchtend, teilnahmslos und scheinbar desinteressiert am Rand der Klippe. Anstelle einer weiteren wutschnaubenden Antwort, riss Zelos sich diesmal los und schlug Lenox mit der Faust gegen die Schläfe. Der Centurion legte knurrend die Ohren an.
 

„Genug jetzt!“ Die Streithähne hielten inne und sahen sich nach der Besitzerin der hellen Stimme um. Umhüllt von einer Aura goldenen Lichts glitt die schemenhafte Gestalt einer Frau hinab zur Inselmitte. Durch Lenox´ Körper fuhr ein freudiges Zittern. „Dito! Endlich bist du da!“ Ihre Füße berührten den Boden nicht, was wohl ein deutliches Zeichen dafür war, dass sie nicht mehr war, als ein Geist. Sie lächelte liebevoll, strich über Lenox´ Kopf und wandte sich schließlich Kratos zu. Er beobachtete sie dabei, wie sie einmal um ihn herum schwebte, innehielt, etwas aus ihrer Kleidtasche zog und es ihm blitzschnell gegen die Stirn drückte. Die bläuliche Aura um Kratos verschwand, sein Körper wurde sekundenlang gestreckt und gestaucht, ehe er zur Normalform zurückkehrte. Stöhnend schwankte der Mann und rieb sich mit den Fingern über die Schläfen, bevor er hart einatmete und erschrocken aufsah. „Es tut mir leid...so leid...“, flüsterte er und schlug sich beide Hände vor sein Gesicht. Was ihm leid tat, konnte er jedoch nicht mehr erklären, denn mit ohrenbetäubendem Getöse brach die Mitte der Insel auf. Damit erübrigte sich auch die Entscheidung wer an dem Kampf teilnehmen würde. Das eben noch durchlässige Kraftfeld wurde stabil und damit undurchdringlich.
 

„Was geht hier überhaupt vor?“, fragte Marta gegen den Sturm und Emil zog sein Schwert, während er sich zu ihr wandte. „Lenox will seine Freunde befreien.“ Sie runzelte die Stirn und ließ ihren Spinner aufklappen. „Shiron und Geta?“ Emil nickte. Die anwesenden Kämpfer begannen sich zu formieren und bildeten einen Ring aus Körpern und Stahl um die aufbrechenden Erde. In diesem Augenblick hätte Marta liebend gern lauthals geschrien, wenn es denn nicht sinnlos gewesen wäre. Aber dieser Anblick schnürte ihr Mutterherz zusammen. Roivas war nämlich ebenfalls anwesend. Richter hielt den Jungen im Arm, der zu Martas Erstaunen weder Angst zeigte, noch weinte. Viel zu interessiert für ein Kind seines Alters verfolgte er das Schauspiel. „Achtung! Es kommt!“, rief Lenox und nahm eine Position seitlich hinter Richter ein. Die Frage, was kam, erübrigte sich. Aus der Erdspalte schob sich ein dämonischer, hörnerbewehrter Kopf empor. Tiefschwarz und mit Stellen schwärenden Fleisches versehen. Dem Kopf folgten breite ebenso schwarze Schultern, lange Arme und eine abnorm breite Brust. Nach dem Torso jedoch hörte der dämonische Körper auf und Marta entdeckte schwarze Dinger, die hoffentlich Tentakel waren und nicht die Eingeweide des Monsters, welche aus dem halben Leib hingen.
 

Das Biest brüllte und hob die klauenbewehrten Arme. In dem was die Finger waren hielt es je eine strahlende Kugel. Seelen? Shirons und Getas Seelen? Was war das für ein Ding? Als es sich vollkommen aus dem Loch erhoben hatte, lösten sich die Kugeln in winzige Funken auf und bildeten schimmernde Körper. Leblos, ausgemergelt, tot, hingen sie in den Klauen. Der rothaarige Mann in der rechten Klaue des Biestes konnte seine Verwandtschaft mit Zelos nicht verleugnen. Aber der andere? Sollte der ernsthaft ein Vorfahr von Sheena sein? Er war groß, blond und wirklich kräftig. Unpassend zur Situation kicherte Marta. Zumindest was die Brust anging, waren die beiden vielleicht doch nicht so verschieden. „Was ist das für ein Vieh?“ Anstelle von Emil erhielt Marta von Lenox Antwort. „Masara, Zent, alle zusammen. Seit tausenden Jahren hält dieses Monster die Seelen meiner Freunde gefangen und labt sich an ihrem unerschöpflichen Mana, nur um wiederzukehren und sich nun auch ihre Nachfahren einzuverleiben.“
 

„Äh...wäre es dann nicht besser gewesen, wenn wir“, sie zeigte auf sich, Emil, Lloyd, Genis und Raine, „kämpfen würden und Sheena und Zelos zurückgeblieben wären?“ Lenox schüttelte sich. „Nein. Ich will die beiden dort doch befreien und das können nur die Nachfahren. Ich hatte nicht vor, jemand Unbeteiligten in die Sache zu ziehen und vor allem kann ich den da gar nicht gebrauchen!“ Mit der Schwanzspitze deutete er auf Roivas. Weiter kam er nicht. Das Biest griff an. Präzise stürzte er sich auf Zelos. Lloyd sprang dazwischen und trieb das Monster mit einem kräftigen Hieb zurück. Zelos trat ein wenig zurück und faltete seine Hände vor der Brust. Federn aus Licht umtanzten ihn und Kratos schloss sich ihm an, beschwor ebenfalls Judgement. Genis feuerte Eisbälle gegen das Ungetüm und Raine setzte mit Lichtzaubern nach.

„Auf die Hände! Zielt auf die Hände!“, schrie Lenox und spuckte einen Feuerball. Marta tauchte unter einem Schlag weg und hieb nach den widerlichen Krallen. Emil nutzte die Reaktion des Monsters und es gelang ihm, eine der Krallen abzuschneiden. Judgement schlug ein und schälte dem Biest ganze Streifen dunklen Fleisches aus dem Körper. Viel brachte es nicht. Das Monster wirbelte mehrmals um die eigene Achse. Pfeifend schnitten die Tentakel durch die Luft und rissen Lloyd und Emil von den Füßen.
 

Reglos blieben die beiden liegen. Blut lief aus Lloyds Nase, Emils Schläfe war aufgeplatzt. Marta wollte zu dem Blondschopf stürzen, doch eine elektrische Entladung, aus dem Maul des Monsters schießend, streckte sie nieder, bevor sie Emil überhaupt erreichte. Wie konnte dieses Vieh so stark sein? Ehe auch sie das Bewusstsein verlor, sah sie aus dem Augenwinkel wie Lenox aus der Luft gefegt wurde und gegen Genis krachte. Ein Tentakel krallte sich Richter, hob ihn an und schlug ihn gegen Raine. Roivas blieb in der Position in der Richter ihn zuvor hielt, in der Luft hängen. Dann wurde es dunkel um Marta. Seltsamerweise funktionierte ihr Gehör noch und so hörte sie das Monster zunächst triumphierend brüllen und anschließend eine seltsame Stille. Sie kam zu dem Schluss, dass sie wohl doch nicht bewusstlos war und zwang ihre Augen auf. Ihre Freunde standen wieder aufrecht und auch ihr gelang es, ihren schmerzenden Körper aufzurappeln. Die Stille wirkte widernatürlich. Das Biest war erstarrt, ihre Freunde allerdings auch und als sie sich zu bewegen versuchte, gelang es ihr ebenso wenig sich vom Fleck zu bewegen. „Das ist meine Schlacht. Ich denke, ich habe einiges wieder gutzumachen.“
 

Roivas? Mit äußerster Mühe gelang ihr ein Seitenblick. Ihr Sohn richtete sich auf und erhob seine Arme gen Himmel. Er wurde empor gehoben, rötliches Licht umhüllte ihn, formte einen hochgewachsenen, muskulösen Körper. Schwingen, ebenso rot und aus leuchtenden Federn bestehend bildeten sich. „Ratatosk?“ Wenn Marta recht überlegte, so wusste niemand von ihnen, wie der Elementargeist ursprünglich aussah. War das seine frühere, seine wahre Gestalt? „Wow!“ Mehr fiel ihr bei diesem Anblick nicht ein. Muskeln, wohin das Auge reichte, nur spärlich verhüllt von einer goldenen Toga. Hüftlange, rotgoldene Haare fielen in weichen Wellen über die kräftigen Schultern. Ratatosk drehte sich zu ihr um und zwinkerte ihr zu. Selbst seine Pupillen wirkten golden.
 

Fauchend stürzte sich das Biest auf ihn, nachdem es feststellen musste, dass es sich zwar wieder bewegen konnte, aber nicht an die anderen Kämpfer herankam. Ratatosk trat es von sich und schlug ihm mit einer einzigen fließenden Bewegung seines aus reinen Flammen bestehenden Schwertes beide Arme ab. Die gefangenen Seelen stürzten zu Boden. Das Biest kreischte. Der Bann, welcher Marta und die anderen hielt, brach im selben Augenblick und sie konnten dem Elementargeist zur Hilfe eilen. Bis auf Kratos, der stand immer noch heulend und sinnlos in der Gegend herum. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, das Biest zurückzuschlagen, in kleine Stücke zu metzeln und dorthin zu schicken, woher es kam. Dank Ratatosk war der Sieg ein Kinderspiel und das unnatürliche Unwetter verzog sich. Sämtliche Blitze, jegliches Donnergrollen verstummte und die schwarzen Wolken machten einem blauen Sommerhimmel Platz. Erleichtert atmeten die Kämpfer auf. Lenox sank zu Boden und schritt auf die beiden Seelen zu, dann wandte er sich an Zelos und Sheena. „Ihr seid dran.“ Die beiden nickten. Zelos kniete sich neben Shiron und Sheena neben Geta.

Finale Teil 2

Als ein neuer Morgen anbrach, waren die Seelen von Shiron und Geta frei. Zelos und Sheena schwächelten noch ein wenig, aufgrund des Energietransfers, der nötig gewesen war, um ihre Urahnen in die heiligen Gefilde der Göttin zu führen. Zelos lehnte an Lloyd, der ihm fürsorglich durch die Haare strich und Sheena an Regal. Des Dukes Blick wanderte beständig zum Ausschnitt der jungen Frau und auch sie selbst sah immer wieder an sich herunter, murmelte: „Ich glaube, meine Titten sind größer...“ Kratos, der sich bis auf eine Attacke, aus dem Kampf herausgehalten hatte, trat zu seinem Sohn und klopfte ihm auf die Schulter.

„Hätte ich all das früher gewusst, oder zumindest nicht vergessen, ich hätte dir ein soviel besserer Vater sein können.“

Lloyd schenkte ihm ein Lächeln. „Schon gut. Danke. Musst du jetzt zurück nach Derris – Kharlan?“
 

Der Söldner drehte sich flüchtig um. Dito wartete bereits auf ihn, unbemerkt von den anderen. „Ja. Mach´s gut, Lloyd.“ Nach einigem Zögern setzte er hinzu: „Dir auch alles Gute, Zelos. Aber, wenn du meinen Sohn unglücklich machst, breche ich dir persönlich den Hals.“ Sie umarmten einander kurz und schon im nächsten Moment war Kratos verschwunden. Nachdem sich alle verabschiedet hatten, waren nur noch Marta, Emil, Lenox und Ratatosk auf der Insel. Abwartend sah der Centurion den mächtigen Elementargeist an. Marta räusperte sich. „Eigentlich sollte ich dir den Kopf abreißen!“

Ratatosk senkte die dichten roten Wimpern.

„Warum nur, warst du so ein verzogener Bengel?“

„Na ja, es ist ein bisschen was schiefgelaufen und meine Erinnerungen waren durcheinander geraten. Aber...“
 

Er trat näher an sie heran und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ich hatte unheimlich viel Spaß. Ich weiß, ihr habt mich trotz allem geliebt. Dafür danke ich euch. Wenigstens weiß ich jetzt, wie sich Elternliebe anfühlt.“

Emil nahm Marta in die Arme. „Das werden wir immer. Du wirst immer Teil unserer Familie sein. Und jetzt? Kehrst du zurück zu Richter in die Ginnungagap?“ „Ja, aber ich kann Richter nun aus seinen Pflichten entlassen und mit Lenox´ Hilfe kann ich sogar noch etwas für ihn tun.“ „Und was?“ Er schmunzelte Emil geheimnisvoll an, aber er verriet es ihm nicht. Anschließend umarmte er die beiden fest. „Danke, für die schöne Zeit. Komm, Lenox.“ Damit verschwanden Elementargeist und Centurion im Licht der Morgensonne.
 

Emils und Martas Epilog
 

„Marta, was ist los?“, fragte Emil, als er seine Frau in der Tür des Kinderzimmers lehnen sah. Sie neigte ihren Kopf leicht. „Wieso haben wir drei Kinderbetten?“ Die junge Frau schien verwirrt und Emil spähte über ihre Schulter in den Raum. Kai und Elena saßen auf dem Boden und spielten angeregt mit Bauklötzchen, naschten von Plätzchen und tranken Milch. „Das ist Roivas´ Bett.“

Marta drehte sich vollends zu Emil herum und zog die Augenbrauen zusammen. „Wer?“

„Roivas, du weißt schon, unser...“ Er unterbrach sich und schloss seine Augen. Warum Ratatosk es sie hatte vergessen lassen, würde er nie verstehen. Vielleicht nur, um ihr das Gefühl des Verlustes zu ersparen. Eine andere Möglichkeit fiel ihm nicht ein.

„Nichts. Wir wollten doch immer noch ein drittes Kind. Deshalb wahrscheinlich.“ Grübelnd tippte sie sich mit dem Zeigefinger gegen ihre Lippen und hob, Emils Erklärung akzeptierend, schließlich die Schultern. Sie beugte sich zu seinem Ohr und knabberte leicht daran, ehe sie flüsterte: „Dann sollten wir mal damit anfangen, oder?“ Emil lachte, hob sie schwungvoll in seine Arme und trug sie zum Schlafzimmer.
 

Richters Epilog
 

Irgendetwas war anders an diesem Morgen. Er lag in einem weichen Bett. Doch er war sich sicher, fast zumindest, bereits seit Jahren nicht mehr in einem Bett gelegen zu haben. Da war doch was gewesen! Stöhnend rieb er sich mit zwei Fingern über seine Augen. Ein schlanker Arm rutschte von seiner nackten Brust und schlagartig war der Halbelf hellwach. Er riss seine Augen auf und sah vorsichtig neben sich. Ein Paar silbergrauer Augen musterte ihn verträumt und Richters Herz setzte für einen Schlag aus, ehe es umso heftiger gegen seine Rippen hämmerte. „Aster...!?“
 

Lenox´ und Ratatosks Epilog
 

„Hast du endlich Frieden mit dieser Welt geschlossen?“, fragte der Centurion und Ratatosk nickte zufrieden. „Absolut, vielleicht mehr als das.“ Er durchmaß die Halle der Ginnungagap und überprüfte das Torsiegel. Lenox folgte ihm langsam, argwöhnisch von Tenebrae beobachtet.

„Und was ist mit mir? Darf ich bleiben?“ Ratatosk wandte sich ihm zu und neigte nachdenklich den Kopf. „Nun, wenn du nichts mehr auf eigene Faust machst. Du hast ja gesehen, was dabei herauskam. Auch wenn du nur das Beste für die Welt wolltest.“

Lenox schüttelte entspannt seine leuchtende Mähne. „Einverstanden. Ich bin froh, dass die Zeit, die du unter den Menschen verbracht hast, dich läuterte. Also, keine Eigenmächtigkeit von mir mehr. Versprochen.“

Damit schien Ratatosk mehr als zufrieden und in der Mitte der Siegeltür erschien, strahlend weiß, Lenox´Zeichen.



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